You are on page 1of 306

ISTVÁN BÓNA

DAS HUNNEN-
REICH

CORVINA
INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 7 Die Eigentümlichkeiten der Bestattung und der


Der Sturm des Jahres 376 9 Tracht zur Hunnenzeit 150
Bekanntschaft mit Rom 18 Schleier und Fibeln. Über die alanisclie und ger-
Die Hunnen. Glaube und Irrglaube vom Altertum manische Frauentracht zur Hunnenzeit 153
bis zur Gegenwart 25 Bogen und Pfeil der Hunnen 167
Die „nomadische Armut". Über den wirtschaftli- Waffen des Nahkampfes 175
chen Hintergrund der hunnischen Lebensweise 36 Sattel und Pferdegeschirr der Hunnen 177
Die Großmacht - die Zeit von Ruga und Bleda... 46 Drei Totenopfer in Ungarn 180
Attila gelangt an die Macht 61 Bestattung der niedrigeren Würdenträger des
Attila 73 Hunnenreiches 186
Der in Wolken gehüllte Berggipfel 81 Der Fund von Nagyszéksós 187
Eine sonderbare Bilanz: Unterdrücker und Unter- Totenopfer und Fürstengräber 189
drückte - Römer und Barbaren - Götter und Die Zikaden 196
Heilige 100 Siedlungsgeschichte des Karpatenbeckens zur
Eudoxius 100 Hunnenzeit 198
Der Kaufmann von Viminacium 104 Das Siedlungsgebiet der Hunnen 200
Onegesius/Hunigis 106 Attilas Bestattung 203
Orestes 110 Das Ende 207
Die beiden fränkischen Herzöge. 117 Die Söhne Attilas 208
Attilas persönlicher Charme 132 Zeittafel 210
Legende und Wirklichkeit 132 Ereignisse 212
Was uns von den Hunnen erhalten blieb. Die Er- Verzeichnis der Abkürzungen 213
gebnisse der Archäologie 134 Literatur 216
Die hunnischen Kupferkessel 140 Erläuterungen zu den Abbildungen 234
Die Diademe der vornehmen hunnischen Frauen 147 Erläuterungen zu den Tafeln 267

5
Vorwort

Das vorliegende Buch ist das Ergebnis meiner Priscus von Panium, der sich bei den Hunnen
mehr als drei Jahrzehnte dauernden Forschun- aufgehalten, Attila und seine Würdenträger,
gen. Mein erster Versuch, die archäologischen aber auch die hunnischen Krieger persönlich
Denkmäler der Hunnen zu behandeln, ist mehr gekannt hatte. Ich kehrte also jenem geltenden
als fünfunddreißig Jahre alt. Aber auch der vor- Hunnenbild den Rücken, mit dem sich Ammia-
liegende Text und die Ergebnisse haben sich im nus Marcellinus hervorgetan hatte - allerdings
Laufe von zwanzig Jahren allmählich geformt. in seinem behaglichen Haus in Rom, wo er zu
Eingehender befasse ich mich mit der Geschichte seinem Glück niemals Hunnen zu Gesicht be-
der Hunnen seit etwa einem Vierteljahrhundert. kommen hatte. Der zweite wesentliche methodi-
Einiges ist auch bereits im Druck erschienen, sche Unterschied liegt im Beruf des Verfassers
doch ist dies alles mit dieser ausführlicheren und begründet, der als praktizierender Archäologe
revidierten Darstellung nicht zu vergleichen. nicht gezwungen war, die Zeugnisse der archäo-
Mein Ziel war, die die Hunnen betreffenden logischen Funde außer acht zu lassen, welche
schriftlichen und archäologischen Quellen mit- selbst die ausgezeichnetsten Historiker für un-
einander in Einklang zu bringen und zu verbin- überschaubar oder aber geradezu für wider-
den, soweit dies überhaupt möglich ist. In die- sprüchlich gehalten haben. Und ich war auch
sem Werk wird kein Geschehnis erwähnt, das im nicht gezwungen, archäologische Theorien und
Gegensatz zur Zeugenaussage der Bodenfunde Ergebnisse kritiklos zu übernehmen, weil ich die
stünde. Aber auch umgekehrt wird kein archäo- wichtigsten Funde und die einschlägige Fachlite-
logischer Fund erörtert, der sich nicht in das sich ratur selbst kenne.
allmählich entfaltende, wirklichkeitsnähere hi- Die Archäologie der Hunnen war bisher über-
storische Bild einfügen ließe. Ich habe den so wiegend Teil der europäischen Archäologie, en-
typischen Vermutungen und Hypothesen der dete im Osten an der Wolga und im nördlichen
bisherigen Hunnenforschung radikal ein Ende Vorgelände des Kaukasus. In diesem Buch ver-
bereitet und schreibe über nichts, das nicht durch suche ich, die Archäologie der Hunnen dank
zeitgenössische Schriftquellen nachgewiesen oder einiger neuer oder gerade sehr alter, in beiden
durch die archäologische Hinterlassenschaft be- Fällen jedoch zumeist an mehr oder weniger
legt wäre. Das Buch enthält daher keine neuen unzugänglichen Stellen publizierter Funde bis
oder gar allerneuesten Hypothesen über die Hun- nach Asien zurückzuverfolgen. Die Arbeit wei-
nen, sondern stellt den Versuch dar, die uns der- tet daher die Grenzen der Archäologie der Hun-
zeit bekannten Fakten zusammenzufassen. nenzeit bis zum Ob und zum Tien-schan-Gebir-
Zwischen der für uns unverzichtbaren frühe- ge aus. Diese Ausweitung bereitete auch dem
ren Forschungstätigkeit und meiner eigenen Verfasser einige Überraschungen, es stellte sich
Auffassung bzw. Methode versuchte ich zwei nämlich heraus, daß fast alle wesentlichen Ele-
Unterschiede nachdrücklich zu betonen. Bei der mente der materiellen und geistigen Kultur der
Skizzierung des historischen Bildes über die Hunnen schon vor ihrem Eintreffen in Europa
Hunnen stützte ich mich durchweg auf jenen ausgebildet waren.

7
Dieses Buch ist für all jene bestimmt, die sich de manchmal von einer Quellenangabe abgese-
für die Geschichte und das Leben der Hunnen hen; doch handelt es sich dabei um Einzelfälle,
interessieren. Ich war daher bestrebt, die histori- die für den Leser bedeutungslos sind. Außerdem
sche, besonders aber die archäologische Fach- gibt es heule vielleicht nur noch einige hundert
sprache nach Möglichkeit zu meiden. Nach lan- Forscher, die bezüglich der Hunnen mit Origi-
gen Überlegungen wei auch zahlreichen Kämp- nalquellen arbeiten, und sie wissen genau, woher
fen mit dem in mir wohnenden Fachmann erach- diese oder jene Textstelle stammt.
tete ich es für richtiger, den Haupttext nicht mit Ich bin mir dessen bewußt, daß das im folgen-
Anmerkungen und Hinweisen auf Fachliteratur den gezeichnete Bild der Hunnen und der durch
und Quellenangaben zu belasten. Der Interes- sie hervorgerufenen Ereignisse für jene teils vor-
sierte findet die Museumsnachweise und Fachli- teilhafter, teils unvorteilhafter ist als das bisheri-
teratur über die archäologischen Funde in den ge. Es ist wahrscheinlich ungewohnt, daß sich
Bild- und Tafellegenden. Bei diesen den Histori- die Mosaiksteine der verschiedensten Quellen
kern schwer zugänglichen Einzelheiten trachtete nach jahrzehntelangen Überlegungen anders zu-
ich nach Vollständigkeit und enthielt mich auch sammenfügen als bisher. Besonders sei an die
nicht der Kritik. Bezüglich aller übrigen Fragen Beurteilung des Verhältnisses von Bleda und
und Daten bietet die Bibliographie ausführliche, Attila gedacht. Manche Angaben ließen sich erst
fallweise vielleicht auch zu eingehende Angaben, jetzt zu einem Bild zusammensetzen oder sind
hal doch der Verfasser nicht mit der Meinung gerade dabei, ein solches zu ergeben; die For-
und den Ergebnissen anderer, sondern mit den schung, vor allem die archäologische, wird näm-
Primärquellen gearbeitet. lich nie abgeschlossen sein.
Wo längere Texte antiker Autoren zitiert wer- Bei den archäologischen Fundorten werden
den, wird immer angegeben, woher sie stammen. an erster Stelle immer jene Namen genannt, un-
Ich glaube aber nicht, daß es den Leser stört ter denen sie Eingang in die wissenschaftliche
oder daß die Glaubwürdigkeit des Textes leidet, Fachliteratur gefunden haben, an zweiter Stelle
wenn in Klammern oder in einer Anmerkung jeweils die möglichst neuesten, offiziellen Orts-
der Hinweis, wie Buch V, Kapitel 4, oder Buch namen.
IV, Kapitel 5, fehlt. Bei den von Chronisten oder Intercisa - Dunaújváros
Kirchenvätern stammenden kurzen Zitaten wur- März 1991

8
Der Sturm des Jahres 376

ut turbo montibus celsis


gleich dem Wirbelwind aus den hohen Bergen
(Ammianus Marcellinus 31, 3, 8)

Das Erscheinen der da hinjagenden hunnischen Mitte der Donau, die ihre Länder voneinander
Reiter in Europa wird nicht durch heutige Vor- trennte, auf einem Schiff zu verhandeln.
stellungen mit dem von den hohen Bergen her- Athanarich zog mit dem Heer der Wisigoten
abbrausenden, immer ärger und immer rascher eilig an die Ostgrenze seines Landes, an das steile
werdenden Wirbelsturm verglichen, der Ver- Ufer des Dnjestr (Danaister/Danastius), vor und
gleich stammt von einem zeitgenössischen Rö- bezog dort Abwehrstellung. Das Lager wurde
mer. mit Wagen und Graben gründlich befestigt. Atha-
Gegen Ende des Sommers 376 n. Chr. begann narich glaubte sich in Sicherheit, war er doch
sich die Nachricht zu verbreiten, in den weiten nicht allein durch den Fluß geschützt, sondern
Ebenen zwischen den Karpaten und der Wolga auch durch eine starke Vorhut, die er gute 30
hätten sich fürchterliche Ereignisse zugetragen. Kilometer vor dem Fluß aufgestellt halte. Er
Ein vorher höchstens dem Ruf nach bekannter erwartete also wohl vorbereitet den unbekann-
Feind hätte starke Völker unterjocht und das ten Feind und befürchtete keine Überraschung.
Ostgotische Reich Ermanarichs gestürzt. Ruf So vergingen einige Tage, bis in einem dunsti-
und Name des Feindes waren ihm selbst kaum gen Morgengrauen Pfeile, einem Hagel gleich,
zuvorgekommen ... das Lager überschütteten. In der Ferne - für die
Athanarich, der König der seit der Eroberung Goten außer Schußweite - kreisten, auf sonder-
Daziens (nach der Mitte der 270er Jahre) sich baren kleinen Pferden sitzend, disziplinierte Rei-
auf dem Gebiet des heutigen Rumänien nieder- tertruppen und schossen auf ein Kommando-
gelassenen „Waldgoten" (terwingisch-Terwin- wort in einer den Goten unbekannten Sprache
ger) oder „weisen, tapferen" (Wesu-Wisi-) Go- gleichzeitig ihre Pfeile auf die sich erschrocken
ten, beschloß sich zu verteidigen. Er faßte diesen aufrichtenden Goten los. Bei Sonnentaufgang
Beschluß trotz der Kenntnis von der Nieder- gab es nur noch Tote im Lager. Die Überle-
lage seiner „Flachland-" (greuthungischen- benden waren ausgebrochen und hatten sich zer-
Greuthungen), „ruhmreichen, glänzenden", streut. Der überwiegende Teil floh nach Süden,
aber zugleich „Ost-" (austro-ostro-) gotischen Athanarich und sein demoralisiertes Gefolge
Brüder und ihres großmächtigen Königs Erma- nach Westen, in Richtung Karpaten.
narich. Athanarich war offenbar davon über- Was sich am Ulfer des Dnjestr zugetragen hat-
zeugt, er und sein Volk wären aus härterem Holz te, wiederholte sich beim ersten Zusammentref-
als ihre östlichen Brüder geschnitzt. Es waren fen der Streitkräfte des Ostens und Westens
noch keine sieben Jahre verstrichen, seitdem die noch vielfach Die Hunnen hatten sich mit der
unter Athanarichs Führung stehenden Goten gotischen Vorhut gar nicht abgegeben, sondern
dem Heer der östlichen Hälfte des Römischen diese vorsichtig und unbemerkt umgangen. In
Reiches und dessen Kaiser selbst Jahre hindurch einer mondhellen Nacht setzten sie über der.
erfolgreich Widerstand geleistet hatten. Athana- Fluß, von dem ihre sich schwerfällig bewegen-
rich demütigte im Jahr 369 Kaiser Valens per- den Gegner meinten, er könne nur unter größten
sönlich, indem er diesen zwang, mit ihm in der Schwierigkeiten überquert werden.

9
Athanarichs Lager hingegen nicht erkundet hat-
ten. Das Lager der Goten hat sich offenbar in
der Nähe einer großen Waldung befunden; nur
so war es Athanarich und seinem Heer möglich,
der völligen Vernichtung zu entgehen. Die in den
Wald flüchtenden Goten konnten, all ihre Habe
zurücklassend, ihr Leben retten, genauso wie
auch Béla IV. sein Entkommen aus der Schlacht
am Sajó-Fluß dem Umstand verdankte, daß es
seinem Gefolge gelungen war, sich bis zu den
Wäldern durchzuschlagen.
Der Krieg der Goten und Athanarichs war
jedoch noch keineswegs beendet. Der diesmal
ungenügend informierte römische Zeitgenosse
meinte, die Hunnen hätten die Goten, „unter der
Last der Beute fast zusammenbrechend", laufen
lassen; er kannte die orientalische Kriegspraxis
noch nicht: den besiegten Feind bis zur totalen
Zerrüttung und Erschöpfung verfolgen. Der
wahrheitsgetreuere Verlauf der Ereignisse ist
vermutlich in der Kirchengeschichte des Soso-
1. Von den Hunnen blieb uns keine zeitgenössische Darstel- menos aus dem 5. Jahrhundert überliefert: „Die
lung erhalten. Eine gute Vorstellung von dem noma- Hunnen griffen die Goten bei der ersten Gele-
dischen Bogenschützen mit spitzer Mütze, auf einem klei- genheit nur ein wenig an, schlugen sie aber spä-
nen Pferd mit großem Kopf sitzend, vermittelt uns ein in- ter in einer Schlacht mit großen Kräften und
nerasiatischer Bronzeguß eroberten ihr ganzes Land." Zosimos, der ihre
Neue Geschichte bis 410 verfaßte, war dahinge-
Am frühen Morgen des 11. April 1241 wurde hend informiert, daß die Hunnen noch mehr-
das ungarische Heer am westlichen Ufer des mals Blutbäder veranstalteten, die ihr Pfeilregen
Hochwasser führenden Sajó-Flusses in seinem sowie ihre blitzschnellen Reiterangriffe verur-
Lager von den mongolischen Reitern des Batu sachten, wodurch die verzweifelten „Skythen
Khan und seines Bruders Schiban sowie des (Goten), die am Ufer der Ister wohnten", ge-
welterobernden Feldherrn Sübe'etej fast auf die zwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen.
gleiche Art und Weise überrascht. Die Urväter Während also Athanarich und sein militäri-
der schwerbewaffneten Krieger des ungarischen sches Gefolge in den Bergen und Wäldern Sie-
Königs Béla IV. waren jedoch zu noch größeren benbürgens herumirrten, „verheerten" die Hun-
Leistungen fähig. In der Nacht vom 4. zum nen die von Alavivus und Fritigern geführten
5. Juli 907 überquerten sie in der Nähe der Burg Wisigoten, die sie dann „besiegten und vertrie-
von Braslav (Brazalauspurc-Preßburg-Bratisla- ben". Die demoralisierten, geschlagenen Trup-
va) zu Pferde die Donau, um dem im Lager pen flüchteten an das Ufer der unteren Donau
ruhenden, von Herzog Luitpold und Erzbischof und boten dem Reich im Falle der Erlaubnis
Thietmar geführten bayerischen Heer den ewi- zur Überfahrt über den Strom ihren militäri-
gen Schlaf zu bringen. Acht Jahre davor, am schen Dienst an. Noch nie im Laufe ihrer Ge-
24. September 899, hatten sie die bestürzten lom- schichte waren sie kleiner und demütiger; wenn
bardischen Soldaten Berengars I. überrascht, dies nicht so gewesen wäre, hätte ihnen selbst die
indem sie am hellichten Tage die Brenta gegen kurzsichtige oströmische Regierung keine Zu-
die Strömung kommend durchschwammen. flucht gewährt. Sie hatte Mitleid mit ihnen und
Betrachten wir die Schlacht am Dnjestr auf- bewilligte ihnen die Überfahrt pro misericordia,
grund ähnlicher Erfahrungen der orientalischen d. h. aus Mitleid.
Kampfweise, scheinen die Hunnen einen ernsten An wie Lämmer zitternden, einstigen Löwen
taktischen Fehler begangen zu haben, indem sie herrschte zu jener Zeit auch sonst kein Mangel,
nur die gotische Vorhut ausgekundschaftet, es war offensichtlich, daß sie alle sehr verängstigt

10
waren. Kaum hatten die noch vor kurzem so se Alanen tauchten nicht viel später in Panno-
stolzen Wisigoten mit Kähnen, Schiffen und nien auf) und später den Wandalen an, mit de-
Fähren mit Mühe und Not. einander niedertre- nen sie dann bis nach Karthago flohen und das
tend und ins Wasser stoßend, das jenseitige Ufer „Königreich der Wandalen und Alanen" grün-
erreicht, erschien bereits der „legitime" Thron- deten. Auch in Gallien fanden bedeutende Kräf-
folger der Ostrogoten, der Knabe Viderich, an te Zuflucht, deren Nachfahren 451 das Mittel-
der unteren Donau und flehte um Einlaß. Seine treffen des weströmisch-wisigotischen Heeres ge-
königlichen „Ahnen" und sein Vater waren un- gen Attila bildeten. Der größte Teil der Alanen
ter den Schlägen der Hunnen gefallen. Viderich schloß sich jedoch den Siegern an, sie wurden
und sein zahlreiches, aus müden, erschöpften das erste europäische „Hilfsvolk" der Hunnen.
Steppenreitern bestehendes Gefolge waren je- Hunnen und Alanen fielen bereits gemeinsam
doch den Römern unerwünscht, von ihren wil- in das Reich von Ermanarich ein. Das über-
den Truppenführern, dem Ostrogoten Alatheus schwengliche Selbstbewußtsein der späten goti-
und dem Alanen Safrax, erwarteten sie nicht viel schen Chronik scheute sich nicht, den auch nach
Gutes. Die gehetzten, an die Donau gedrängten den zeitgenössischen römischen Quellen „kriege-
greuthungischen und alanischen Reiter nutzten rischen und gefürchteten" (H)Ermanarich mit
schließlich doch jenen Augenblick, als die römi- Alexander dem Großen zu vergleichen. Die Er-
sche Flotte den einen Stromabschnitt gerade innerung zählt in seinem ostrogotischen Reich
unbewacht ließ, und setzten auf in Eile zusam- siebzehn unterworfene Völker auf: Germanen
mengebastelten Flößen über die untere Donau. (z. B. Heruler, Skiren), Iranier, Slawen und fin-
Noch einige Jahre, und auch der große Athana- nisch-ugrische Völker; sein Reich dürfte also
rich war gezwungen, aus Siebenbürgen zu flie- tatsächlich mächtig gewesen sein. Allerdings nur
hen. Am Ende des Jahres 380 fuhr er mit dem so lange, bis es die Heere des hunnischen Groß-
kleinen Rest seines Gefolges über die Donau königs Balamber noch nicht angegriffen hatten.
und eilte nach Konstantinopel, um sich vor
dem Nachfolger Valens', dem Kaiser Theodo- 1.-8. Siehe Farbtafeln I—VIII
sius I., persönlich zu demütigen. So irgendwie
begannen die Goten das Oströmische Reich zu 9. Ein als Würdeabzeichen dienender Goldring,
überfluten ... Szilágysomlyó
Der die Fäden bewegende hunnische Mario-
nettenspieler blieb jedoch vorläufig unsichtbar.
Nur durch die Flüchtlinge erfuhr, richtiger ahnte
man, was eigentlich vor sich gegangen war. In
einem Winter der 370er Jahre setzte das „unbe-
kannte" oder „kaum bekannte" Volk der Hun-
nen über die Wolga. Sofort griffen sie das in der
Gegend zwischen Wolga, Don und dem Kauka-
sus lebende iranische Hirtenvolk der Alanen an.
Die Alanen waren berühmte berittene Krieger,
mit langen Lanzen, Schwertern, aber kläglichen
Bögen ausgerüstet. Sie waren Reiter, aber keine
berittenen Bogenschützen. Früher hieß es von
ihnen, daß „sie die Knechtschaft nicht kennen,
da sie alle adligen Blutes sind". Bis dahin mag
es so gewesen sein, danach jedoch nicht mehr:
Die Alanen erlitten eine Niederlage. Ihre zer-
sprengten Gruppen flohen nach Westen, und in
den folgenden Jahrzehnten gab es kaum ein eu-
ropäisches Ereignis, an dem sie nicht beteiligt
gewesen wären. Ihre eine ernstzunehmende mili-
tärische Macht darstellenden Gruppen schlossen
sich den auf den Balkan geflüchteten Goten (die-
9.
11
Dann stürzte es jedoch - ohne Übertreibung - ger Ermanarichs, Vithimir, im Kampf gegen die
einem Kartenhaus gleich zusammen. Man weiß Hunnen und Alanen. (Seinem minderjährigen
nicht, was sich genau zugetragen hat. sicher ist Sohn Viderich begegneten wir bereits an der
nur, daß sich die erschütternde Begebenheit für unteren Donau in der Gruppe, die von den Rö-
Jahrhunderte in die Erinnerung der germani- mern Zuflucht erbat.)
schen Völker eingenistet und in den Sagen wei- Nach diesen zwei Niederlagen unterwarf sich
tergelebt hat, einst wird man auch auf Island den die ostrogotische Königsfamilie, das stolze Ge-
Tod „Jörmunrekks" besingen. Die gotische Her- schlecht der Atrialer, den Hunnen nicht nur be-
manarich-Sage trachtete selbstverständlich, den dingungslos, sondern wenn nötig, diente sie ih-
guten Ruf ihres Helden zu wahren, indem sie nen auch untereinander wetteifernd. Als Herzog
innere Streitigkeiten und Blutrache mit ins Spiel Vinitharius aus dem Geschlecht der Amaler
brachte. Nackte Tatsache ist jedoch das, wovon (sein Name bedeutet „veneth-vend = Wenden/
die römischen Zeitgenossen Kenntnis erhalten Slawensieger" und ist vielleicht mit Vithimir
haben: Den der Schlacht und seines Heeres ver- identisch) versuchte, sich des hunnischen Jochs
lustig gewordenen König „erschütterte die Kraft zu entledigen, fand er sich nicht allein Balamber
des plötzlich aufgekommenen Sturmwindes", gegenüber, sondern auch seinem treuen ostrogo-
und da er sein Volk nicht zu schützen vermocht tischen Waffenbruder Ge(n)simund aus dem
hatte, „machte er seinem Leben eigenhändig ein Amaler-Geschlecht. In der Schlacht am süd-
Ende". Kurze Zeit später fiel auch der Nachfol- ukrainischen Erak-Fluß (der heute nicht mehr
identifizierbar ist) überraschten die Hunnen
10. s. Farbtafel IX - offenbar auch diesmal in Anwendung der sich
auf einen Fluß stützenden orientalischen
11. Grab eines Mannes mit künstlich deformiertem Kampfweise - Vinitharius, der ein wahrlich eh-
Schädel während der Freilegung, Soponya renvolles Ende fand: Balambers Pfeil bohrte sich
in seine Stirn.
Die bei den Hunnen verkehrenden oder die
Hunnen persönlich kennenden zeitgenössischen
Römer wußten sehr wohl, daß eines der Geheim-
nisse der hunnischen Siege in den „vorzüglichen
Bogenschützen ihrer Könige" lag: „Sie sind mit
gekrümmten Bogen und Pfeilen bewaffnet, ihre
Hand trifft mit erschreckender Genauigkeit ins
Ziel, in ihrer bösen Kriegswut verfehlen sie das
Ziel niemals, ihre Schüsse bringen den sicheren
Tod" (Abb. 1-7). Ein Beweis hierfür ist Vinitha-
rius.
Auf die Ostrogoten warteten acht bittere Jahr-
zehnte der Knechtschaft: „Sie mußten den
Wunsch ihres Herrn erfüllen, selbst wenn er be-
fahl, Verwandte zu töten." Und sie erfüllten ihn
auch. Ein Nachfolger des den Hunnen dienen-
den Ermanarich, Hunimund (schon sein Name
bedeutet „Schützling der Hunnen"), nahm an
der Niederwerfung der nördlich von Pannonien
lebenden Sweben-Quaden teil, sein Neffe Van-
dalarius zeichnete sich, wie bereits sein Name
( = Wandalensieger) verrät, mit der Vertreibung
der Wandalen aus, schließlich ließ der Nachfol-
ger Hunimunds, Thorismu(n)d, gelegentlich der
Unterwerfung der im Karpatenbecken lebenden
Gepiden sein Leben. („Es heißt, sein Pferd sei
gestürzt" - womit die gotische Chronik auch in
11.
12
2. Knochenversteifungen von den beiden Enden und vom Das Geheimnis der raschen Erfolge Balam-
Griff eines hunnischen Reflexbogens bers und seiner Hunnen beurteilten die zeitge-
nössischen römischen Augenzeugen eindeutig.
diesem Fall die Todesursache eines Gotenherr- Niemals noch begegnete die antike Welt einer
schers verschönte.) Mit dem Tod Thorismu(n)ds so einmaligen Harmonie zwischen Reiter und
starb der herrschende Zweig der Amaler-Dyna- Pferd. Sie saßen auf ihren Rössen, „als ob sie
stie aus, für Herzöge der Seitenlinien aber hatten angenagelt wären", „als ob sie zusammenge-
die Hunnen keinen Bedarf. Die gotische Chro- schmiedet wären", „als ob sie zusammenge-
nik verhüllt dies wie folgt: „Als er [nämlich Tho- wachsen wären", und schließlich der poetische
rismu(n)d] starb, betrauerten ihn die Ostrogoten Superlativ: „Selbst Kentauren sind nicht enger
so sehr, daß sie vierzig Jahre lang keinen neuen mit ihren Pferden zusammengewachsen als sie."
König auf den Thron hoben, damit sein Anden- Die in den Augen der Römer „häßlichen und
ken auf ihren Lippen ewig lebe." ausdauernden" Pferde - eine zu unglaublichen

13
14
3. Grab eines mit Bogen und Köcher bestatteten an auf Pferden lebten, hoch zu Roß verhandel-
hunnischen oder hunnenzeitlichen orientalischen Kriegen ten, aßen, tranken und schliefen. Hin halbes
aus Aktöbe Jahrhundert nach ihrem Erscheinen in Europa
verhandelten Bleda und Attila hoch zu Roß mit
Leistungen fähige Steppenrasse - fanden sogar den bestürzten oströmischen Gesandten.
unter dem Schnee Futter. Da sie über reichlich Das Geheimnis der Einheit von Pferd und
Ersatzpferde verfügten, konnten die Hunnen ih- Reiter, das die Römer anfangs nicht zu lösen
re ermüdeten Pferde immer mit ausgeruhten imstande waren, das jedoch aufgrund archäolo-
wechseln. Eine zeitgenössische Quelle hielt es gischer Funde jener Zeit klar zutage tritt, war
geradezu für Zauberei, daß sie fähig waren, zwei, der Sattel mit vorne und hinten hochgezogenem
drei Pferde auf einmal zu führen, und sollten sie Sattelkopf, der einen bequemen und festen Sitz
selbst müde geworden sein, ihre „unheilbringen- gewährleistete. Hunnenfürsten ließen nicht wie
den" Pferde waren immer frisch. Die hunnische nicht wenige der Gotenkönige ihr Leben, in-
Reiterei war demnach keine saisonale Waffen- dem sie vom Pferd stürzten. Die so reiten kön-
gattung, sie war vielmehr sowohl im Winter wie nen wie die Hunnen, „tauchen dort auf, wo man
auch im Sommer kampffähig, eine Tatsache, die sie am wenigsten erwartet, ihre Geschwindigkeit
nach den Völkern Osteuropas bald auch die geht ihrem Ruf voran". Die Attribute, die in
Römer erfahren sollten. Die hunnischen Reiter dieser Hinsicht in der Antike den Hunnen zuge-
stammten von Pferdehirten ab, die von Kindheit schrieben worden sind, können nicht mehr ge-
steigert werden: Sie sind in „Geschwindigkeit
12. s. Farbtafel X unübertreffbar", sie dringen „mit verblüffender
Geschwindigkeit" vor „wie der Wirbelwind aus
13. Silberschnalle mit Zellenornamentik aus dem Grab- den hohen Bergen", sie sind so „maßlos ge-
fund von Regöly schwind, daß sie, ehe man sie bemerkt, schon das

13.
15
16
14
Lager stürmen". Das heißt, sie überraschten ihre
Gegner fast immer.
Sie griffen nicht in großer Zahl, sondern mit
kleineren. 500 - 1000 Mann starken Truppen
gleichzeitig aus mehreren Richtungen an Den
Kampf begannen sie aus der Ferne mit einem
dichten und erschreckend genauen Pfeilhagel.
Man kann getrost sagen: Damit versetzten sie
ihren Feinden den Todesstoß, deren Angst die
klare Sicht verdunkelte und sie ins Verderben
trieb. Die Abwehr des aus der Ferne kommen-
den Todes war nämlich nicht anders möglich, als
in den Schußbereich der Pfeile zu kommen, das
heißt verblendet auf die Hunnen loszustürmen.
Diese machten auf die Attacke ihrer Feinde
kehrt und stoben auseinander, als ob sie die
Flucht ergreifen wollten. Flucht vortäuschend
lockten sie den Feind in einen Hinterhalt, in die
Nahe ihrer wartenden Kameraden. Ein ander-
mal stürzten sich die Hunnen aus dem Hinter-
halt auf das Lager des in einem Siegestaumel
sich zur Verfolgung aufmachenden feindlichen
Heeres. Wenn die Hunnen den verfolgenden
Feind durcheinandergebracht halten, reihten sie
sich blitzschnell wieder in Schlachtordnung ein,
machten kehrt und schlugen aus mehreren
Richtungen einem Schmiedehammer gleich zu.
In solchen Fällen metzelten sie den zusammen-
gedrängten Feind mit ihren über einen Meter 14. Goldene Armreifen aus Regöly
langen Schwertern nieder.
Die gleiche Taktik verfolgten 500 Jahre später streckten Lanzen daherbrauste. Was die hunni-
die in Mitteleuropa erschienenen Ungarn: die sche Strategie betrifft, können wir die treffendste
byzantinischen und westlichen Zeitgenossen, die Parallele 800 Jahre später bei den Mongolen
deren Taktik beschrieben, halten nicht allein aus beobachten: Die Grundelemente dieser Strate-
den Werken antiker Autoren ihre Inspirationen gie waren die durch weite Gebiete umfassende
geschöpft. und genau ausgeführten Zangenbewegungen er-
Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, daß zwungene Entscheidungsschlacht, der zwecks
es sich um eine „nomadische'4 Taktik handle, die Liquidierung der Widerstandszentren unerbitt-
auch alle östlichen Reitervölker anwandten. lich angewandte Terror: die Einäscherung von
Wohl kannten die Awaren Bajans sehr gut die Städten und Dörfern, das Niedermetzeln von
Kampfweise leichter Bogenschützen, im Ent- Männern, Frauen, Säuglingen und Greisen.
scheidungskampf aber „walzten" sie, das heißt, Dies verfolgten sie so lange, bis der Widerstand
sie errangen den Endsieg durch den stürmischen endgültig gebrochen war und sich die Besiegten
Angriff ihrer gepanzerten Reiterei, die mit ge- bedingungslos ergeben hatten.

4. Bestattung eines hunnischen Kriegers aus Mittelasien


mit Resten eines Bogens mit Knochenversteifung aus
Sewakino

17
Bekanntschaft mit Rom

Nach dem großen Sturm des Jahres 376 ver- erschraken nämlich die Illyrien, Mösien und
schwanden die Hunnen für etwa zwei Jahrzehnte Thrakien verwüstenden und brandschatzenden
aus dem unmittelbaren Gesichtskreis der Rö- gotischen Kampfscharen und Kriegsführer, de-
mer. „Nachdem sie die Verwüstung, die sie nen die vor zwanzig Jahren empfundene Angst
selbst verursachten, eingeleitet haben", befaßten noch in den Knochen steckte. Alarich I. und
sie sich mit der Organisation ihres osteuropäi- seine Truppen, die Theodosius I. auf seinen itali-
schen Reiches und ließen die antike Welt in schen Feldzug als Hilfskräfte begleitet halten,
Ruhe. Vielleicht gerieten sie auch in der Zeit der kehrten auf die Kunde vom Angriff der Hunnen
seit 376 das Innere des Römischen Reiches ver- in größter Eile in ihre Quartiere in Mösien an der
wüstenden blutigen Kämpfe mit den Goten und unteren Donau zurück, brachen samt ihren Fa-
Alanen ein wenig in Vergessenheit. Nicht so die milien noch vor Winterende auf und flüchteten
Hunnen, die die Geschehnisse im Reich wach- auf den Balkan, in das Innere des Reiches.
sam verfolgten. Zum ersten Angriff entschieden Die Umgebung von Konstantinopel verwü-
sie sich - wie Hieronymus gewahrte und klag- steten seit 399 Scharen des aufrührerischen goti-
te -, als sie vom Bürgerkrieg der beiden Reichs- schen Söldnerführers Gaina, die zusammen mit
hälften erfuhren. Theodosius I. zog die Truppen den meuternden Truppen des sich König der
aus den Ostprovinzen ab, er nahm sogar die am Ostrogoten nennenden Tribigild(us) auf beiden
Südufer der unteren Donau angesiedelten und Seiten des Bosporus einen blutigen Krieg mit
zur Bewachung der mösischen Grenzen ver- den Römern (aber auch gegeneinander) führten.
pflichteten Wisigoten mit und zog mit seinem Die römische Verteidigung war gegenüber dem
Heer über die Alpen gegen den italischen Gegen- starken barbarischen Heer fast hilflos. Im Som-
kaiser Eugenius (394). So blieben die Grenzen mer 400 eroberte Gaina sogar Konstantinopel
im Osten und an der unteren Donau unbewacht. und übte eine wahre Schreckensherrschaft aus:
Diese günstige Gelegenheit nutzten die Hunnen Er plünderte die Banken und ließ den kaiserli-
Anfang 395, um sich den Römern in Erinnerung chen Palast in Flammen aufgehen. Als leiden-
zu bringen. schaftlicher Arianer trachtete er, für seine An-
Die Hunnen griffen - ihrer bereits bekannten hänger eine christliche Kirche einzunehmen.
Strategie entsprechend - das Reich aus zwei Das sollte ihm zum Verhängnis werden. Das
verschiedenen Richtungen an. Zuerst drangen empörte Volk der Hauptstadt erschlug in Stra-
sie über die zugefrorene untere Donau in die ßenkämpfen die eine Hälfte seines Heeres, wor-
Ebene von Mösien ein, von wo aus sie bis zu den auf die andere entsetzt aus der Stadt floh. Gaina
Alpen Streifzüge unternahmen. Kurz danach und seine arg mitgenommenen Scharen wurden
überquerten sie den Kaukasus und fielen in sogar aus dem Reich gedrängt; sie flohen durch
Kleinasien und Syrien ein. Aus dem verheeren- Thrakien an das nördliche Ufer der unteren Do-
den Angriff der „Wölfe" schöpfte die schon fast nau, in die „alte Heimat" zurück. Hier sollte sich
erlahmte römische Verteidigung dennoch eine Gainas Schicksal erfüllen. In der grimmigen De-
sonderbare Hoffnung. Noch mehr als die Römer zemberkälte erwartete er keinen Angriff, er

18
kannte die Hunnen nicht. Diese überraschten, der Boden unter seinen Füßen wieder zu heiß.
umzingelten und desorganisierten sein Heer und Schon im Jahre 401 „brach er" in Italien ein,
metzelten es nieder. Der Hunnenfürst Uldin (Ul- tatsächlich floh er hinter die Julischen Alpen. Ein
dis, Huldin) schickte den Kopf des Gaina als Teil seines Heeres bestand damals noch aus den
Neujahrsgeschenk (3. Januar 401) nach Kon- „Helden" der Schlacht am Dnjestr, die wahr-
stantinopel. wo man sich keine erfreulichere scheinlich ahnten, was ihrer harren würde, sollten
Neujahrsbotschaft vorstellen konnte als die über sie von den Hunnen eingeholt werden. Der itali-
den Tod des Räuberhauptmanns, der zwei Jahre sche „Feldzug" mißlang diesmal. Der weströmi-
hindurch so viel Unheil angerichtet hatte. Kaiser sche Feldherr Stilicho besiegte die Wisigoten mit
Arcadius drückte seinen Dank mit reichlichen Hilfe der alanischen und hunnischen Reitertrup-
Geschenken aus und ging mit dem so erfolgrei- pen von Pannonien sowie aus Rätien als Söldner
chen Feind der Feinde des Reiches ein offenes verdingten Wandalen zweimal, vertrieb sodann
Bündnis ein. Die Größe des Sieges verkündete Alarich, der sich 402 - kaum zufällig - in das
die zu seinem Andenken - nach dem Vorbild der Gebiet zwischen Pannonien und Dalmalien, in
Trajanssäule - errichtete prächtige Arcadius- den Schutz der Dinarischen Alpen, zurückzog.
säule (Abb. 8). Nur eben den Endsieg erran- Inzwischen brach auch im Karpatenbecken
gen diesmal nicht der den Triumphzug führen- eine allgemeine Panik aus. Die hunnische Beiß-
de Kaiser und die Römer. zange setzte sich mit unbarmherziger Sicherheit
Dem Wisigotenkönig Alarich I., der in den in Bewegung. Aus der Gegend der unteren Do-
ßalkanprovinzen maßlose Verwüstungen ange- nau brach Uldin ein, woraufhin Tausende von
richtet und den „römischen General" gespielt Sarmaten auf römisches Reichsgebiet flüchteten.
hatte, wurde auf die Kunde vom Sturz des Gaina Wirkliche Furcht verursachte jedoch die obere
Zangenbacke, die von den Ostkarpaten bis zu
15. Aus Goldblech gepreßte Schleierbesätze aus dem den Kleinen Karpaten „biß". Vorne griffen die
Grabfund von Regöly ostrogotischen „Knechte" der Hunnen die Wan-

15.
19
16.
die Scharen des Radagais in Mittelitalien ein,
umzingelten und vernichteten sie im August 406.
Auf dem Forum in Rom wurde die Quadriga mit
der Bronzestatue diesmal den ,,siegreichen Kai-
sern" aufgestellt, die Siegesaufschrift dagegen
bekam Stilicho ...
Italien war zum zweiten Mal gereitet, es muß-
te dies jedoch teuer bezahlen: Nach dem Abzug
der gegen Alarich und dann gegen Radagais
nach Italien abkommandierten rheinischen
Truppen blieb der Strom unbewacht. Am 31.
Dezember 406 setzte das aus Wandalen. Alanen
und Sweben bestehende Heer über den Rhein
und überflutete das ungeschützte Gallien. ,,Ganz
Gallien qualmte wie ein einziger Tolenscheiter-
haufen" - die „große Völkerwanderung" hatte
begonnen.
Vor dem „romfreundlichen" Palastaufstand
im August 408. der dem von Barbaren abstam-
menden Stilicho ein Ende bereitete, brauchte
man von Alarich nichts zu befürchten. Der Wisi-
gotenkönig diente in diesen Jahren „freiwillig"
16. Trinkbecher aus Glas mit blauer Noppenauflage, - und natürlich für eine schöne Summe Geld -
Regöly der Sache Westroms. Setzte sich Alarich in Be-
wegung, genügte es, ihn mit Uldin und seinen
dalen, Sweben-Quaden und Gepiden an. hinten anrückenden Reitern zu schrecken, und er hielt
aber bewegten sich überall hunnische Reiter. sofort still. Entsprach eine derartige Nachricht
Das Ergebnis war eine in der Weltgeschichte bis auch nicht immer der Wahrheit, möglich war sie
dahin unbekannte Panik. Das Weströmische immer. Die weströmische Regierung baute näm-
Reich wurde von wahren Menschenströmen lich immer engere Freundschafts- und Bündnis-
überflutet. Die Flucht begann der im Karpaten- beziehungen zu den Hunnen aus. Unterpfand
becken ansässige Zweig der Wandalen unter der dieses Bündnisses war der als Geisel (und zu-
Führung der später das karthagische Königreich gleich als Gesandter) zu den Hunnen geschickte
gründenden Hasding-Dynastie im Bündnis mit „Gardekadett", der aus Durostorum (heute Sili-
den sich ihnen anschließenden größeren Alanen- stra) gebürtige Aetius, der von den Hunnen un-
und kleineren Gepiden-Gruppen. Sie hatte der ter anderem das Reiten und den Umgang mit
ärgste Schock erfaßt, sie ruhten in ihrer Flucht Pfeil und Bogen ausgezeichnet erlernte. Das
nicht eher, als bis das Meer sie von Europa weströmisch-hunnische Bündnis blieb bis 450
trennte. Auf ihren Spuren flohen die Sweben- erhalten und verlängerte das Bestehen des tod-
Quaden und der andere Zweig der Wandalen kranken Reichsteiles um ein Menschenalter.
unter Führung der Siling-Dynastie: Mit den aus Nur in den Wochen nach der Ermordung Sti-
Pannonien und Norikum mitgerissenen Freibeu- lichos und in den hierauf folgenden zwei ent-
tern zogen sie zwischen 401 und 405 durch das scheidenden Jahren versagte die auf die Hunnen
Donautal dem Rhein zu. Zur gleichen Zeit sam- gesetzte Hoffnung. Als er von dem Tod des Ar-
melte ein gewisser Radagais die jenseits der Do- cadius (1. Mai 408) und davon erfuhr, daß des-
nau verbliebenen Goten, Sarmaten und anderen sen siebenjähriger Sohn den Thron bestiegen
,,Barbaren" um sich, mit denen er über die Al-
penpässe in Italien einfiel. Der gegenüber dem
5. Im Fund von Kysyl-Adyr im Süduralgebiet sind die Vor-
neuerlichen, unerwarteten Schlag unvorbereitete bilder der wichtigsten mitteleuropäischen hunnischen
Stilicho bat Uldin um Hilfe und versprach den Funde zusammen zu sehen: der knochenversteifte Rellex-
Hunnen Geld und Kriegsbeute. Und das Wun- bogen, die Pfeilspitzen, das Schwert, die Gürtelverzie-
der wiederholte sich. Stilicho und Uldin holten rungen, der Lockenring und der Kupferkessel

20
21
7. Die von einem Reflexbogen abgeschossenen dreischneidi- der tatsächlichen Kräfte, über die der Heerführer
gen Kampfpfeilspitzen aus Eisen waren größer und schwe- Uldin verfügte, selbstgefällige Großtuerei war.
rer als die Pfeilspitzen früherer Zeiten Der Erpressungsversuch mißlang, die Oströ-
mer eroberten Castra Martis zurück und fügten
hatte, griff Uldin 408 das Oströmische Reich an. nicht nur den Skiren schwere Verluste zu, son-
Zuerst eroberte er das Gebiet von der Mündung dern warfen Uldin selbst auf das Nordufer der
des Olt-Flusses bis zum Eisernen Tor und unteren Donau zurück (409). Kurz darauf bes-
äscherte die Brückenkopffestungen sowie die serten sie die Befestigungen am Südufer der un-
burgartigen kleinen Flottenstützpunkte am teren Donau aus, und im Frühjahr 412 sicherten
Nordufer der unteren Donau ein (von Osten sie durch die Aufstellung der neuen Donauflotte
nach Westen: Sucidava/Celei, Desa, Hinova, und die Wiederherstellung der alten Schiffe die
Drobeta/Turnu Severin, Dierna/Orsova, Gor- Verteidigung der Flußgrenze. Der erste organi-
nea - alle wurden niedergebrannt) dann setzte er sierte hunnische Angriff war dennoch von welt-
über den Fluß. Die skirischen Hilfstruppen Ul- geschichtlicher Bedeutung für das Oströmische
dins (die ostgermanischen Skiren waren schon Kaiserreich. Die Regierung des Kaisers Theo-
seit 381 Waffenbrüder der Hunnen) eroberten dosius II. (408-450), der während der Käm-
durch List die eine Schlüsselstellung einnehmen- pfe noch als Kind den Thron bestiegen hatte,
de Befestigung Castra Martis (Kula) in Mösien ordnete sofort die Errichtung einer neuen Mauer
Der oströmische Befehlshaber trachtete den zum Schutz der Hauptstadt an Diese bis 413
Streit mit Uldin auf friedliche Weise zu schlicht- erbaute „theodosianische" - oder nach ihrem
en. Dieser war selbst ebenfalls bestrebt, den Ausführer im Konsularrang auch ,,anthemi-
Frieden und das Bündnis zu erhalten, allerdings sche" - Mauer beschützte Konstantinopel/
auf ungewöhnliche Weise: Er forderte eine jähr- Byzanz über lausend Jahre lang
liche Unterstützung in Gold für die Erhaltung Während all dieser Ereignisse im Oströmi-
des Friedens und die Räumung der Befestigung. schen Reich war aber auch Alanen nicht untätig
Dem Hunnenfürsten dürften die vielen Erfolge geblieben: Im Oktober 408 erreichte er im Pro-
zu Kopf gestiegen sein: Indem er auf die aufge- menadenmarsch Rom und brandschatzte es. Im
hende Sonne wies, prahlte er, daß es ihm ein leich- nächsten Jahr folgte ihm sein Schwager Atha-
tes wäre, alles Land zu erobern, auf das die Sonne
schien, wenn er nur wollte. Was in Anbetracht wulf (Athaulfus) zusammen mit gotischen Kräf-
ten, die sich in den vorangegangenen Jahren in
Nordpannonien verbogen hatten. Kaiser Ho-
6. Die neue Rekonstruktion eines gespannten, asymmetri- norius, der sich unter den Schutz der vom östli-
schen Reflexbogens erfolgte aufgrund der Bogenüberreste chen Hauptführer Anthemius geschickten oströ-
von Wien-Simmering und dem Grabfund ton Minfeng in mischen Truppen begeben und nach Ravenna
Turkestan zurückgezogen hatte, vermochte sein Ansehen
17.

18. s. Farbtafel XI

19. Schwertortband und Schwertverzierungen aus


Lébény

17. Falkenköpfiger Krug mit Gußhenkel aus dem Grab-


fund von Regöly

für kurze Zeit nur mit der - falschen - Nachricht


zu wahren, zehntausend hunnische Reiter seien
zu seiner Hilfe bereits unterwegs. Nachdem sich
diese Nachricht als unwahr erwiesen hatte, folg-
te ein weltgeschichtliches Ereignis: Roms Ein-
nahme und Plünderung im Jahre 410. Alarich
und seine Goten konnten ruhig „arbeiten", führ-
ten doch Uldin und seine Hunnen Krieg mit dem
Oströmischen Reich. Der oströmischen Regie-
rung gelang es erst 412, mit dem hunnischen
Großkönig Kharaton einen Waffenstillstand zu
schließen. Das Bündnis und die Freundschaft
zwischen den Hunnen und dem östlichen Teil
des Römischen Reiches kamen jedoch nie wieder
zustande.
19.

24
Die Hunnen. Glaube und Irrglaube vom Altertum
bis zur Gegenwart

Die Nachrichten über die Herkunft, das Leben, phie die tausendjährigen Märchen der Geogra-
die äußere Erscheinung und die Taten der Hun- phie des Altertums. Die Anwendung von Topoi
nen überlieferten uns überwiegend jene Zeitge- war nämlich Pflichtsache, kein auf sein Ansehen
nossen, die nahezu acht Jahrzehnte hindurch auf bedachter Autor der Antike konnte schreiben,
der Seite der Unterlegenen standen, zu Boden ohne sich mit seiner „klassischen" literarischen
geworfen, erniedrigt, ausgeplündert und ihres
Selbstbewußtseins beraubt. Es ist daher unmög- 20. Krug aus dem Grab von Lébény. Römisches
lich, von ihnen eine wahrheitsgetreue Berichter- Erzeugnis aus Pannonien
stattung oder objektive Meinung zu erwarten.
Ihr voreingenommenes Urteil hat sich Jahrhun-
derte hindurch vererbt und st förmlich zum
„Gemeingut" geworden. Solar ge es auf der Welt
nationale Geschichtsschreibung geben wird,
wird den Hunnen und vor allem dem Gallien
und Italien angreifenden Attila keine Gnade zu-
teil : Sie sind und bleiben die v eltgeschichtlichen
Repräsentanten „östlicher Barbarei". Zumin-
dest in den Geschichtsbüchern und dem jeweili-
gen politischen Jargon.
Tatsache ist, daß die geographische und histo-
rische Literatur der Antike über die Herkunft
der Hunnen nichts Genaues wußte. Für die spät-
antike Welt erschienen sie erstmals in der Ge-
gend der Wolga, des Don und im Kaukasusge-
biet. Über das Woher und Wie gab es nur völlig
absurde Ideen. Allerdings ist die bei dem Goten
Jordanes nebenbei und kurz beschriebene Sage
vom Wunderhirsch wahrscheinlich der Auszug
einer hunnischen Herkunftssage, der aber be-
stenfalls religionsgeschichtliche Bedeutung zu-
kommen kann. Heute wissen wir bereits etwas
mehr. Mit Hilfe der archäologischen und histori-
schen Quellen können wir ihre Spur bis in das
4. Jahrhundert n. Chr. nach Mittelasien zurück-
verfolgen.
Im Zusammenhang mit der Lebensweise der
Hunnen wiederholte die spätantike Historiogra-
20.
25
Bildung zu brüsten. Ammianus Marcellinus, ein
hervorragend gebildeter Offizier hohen Ranges,
konnte die Feinde und Nachbarn des Reiches
wiederholt persönlich kennenlernen, kein ande-
rer beschrieb genauer und vor allem objektiver
die Volks- und Herrschaftsverhältnisse der
Donaugegend und der Schwarzmeerküste im
4. Jahrhundert. Sobald er jedoch nicht mehr
über zeitgenössische Ereignisse schrieb, sondern
die angeführten Gegenden, die er andernorts
wohl den damaligen Tatsachen entsprechend
geschildert hatte, allgemein charakterisierte,
scheute er nicht davor zurück, diese mit den
tausend Jahre zuvor entstandenen märchenhaf-
ten und ungeheuerlichen Gestalten des Herodot
zu bevölkern: mit den Amazonen, Menschen-
fressern, Milchessern und schwarz Bemantelten
oder mit den vor nahezu tausend Jahren aus-
gestorbenen Agathyrsen, Massageten, Gelonen
und Neuren. Bei der Charakterisierung der Hun-
nen in der antiken ethnographischen Literatur ist
stets diese Duplizität zu finden: Die zeitgenössi-
schen Tatsachen verschmelzen fast unentwirrbar
mit der von Strabon bis Herodot, ja sogar bis
Homer zurückreichenden Ethnographie und dem
Weltbild eines fiktiven „Nordens": Je kälter es
irgendwo ist, desto barbarischer sind dort die
Menschen. Ammianus Marcellinus hatte niemals
Hunnen gesehen, sondern nur von den durch sie
verursachten Ereignissen gehört. Ihre Beschrei-
bung entnahm er seinen geliebten Büchern - diese
war bis in die Gegenwart in den Schulen Unter-
richtsstoff über die Hunnen.
Die Unmöglichkeit solcher Aussagen wie die
folgenden ist offensichtlich: Die Hunnen brau-
chen kein Feuer, da sie warmes und gekochtes
Essen nicht kennen; sie essen Wurzeln und rohes
Fleisch, letzteres nur zwischen ihren Schenkeln
und dem Pferderücken etwas aufgewärmt; sie
leben wie die wilden Tiere, können bestenfalls
jagen oder nicht einmal dies, sie essen, was sie
gerade erbeuten.
Mit der streng geregelten Lebensweise der
Großviehhaltung und des weidenwechselnden
Hirtenlebens vermochte die antike Welt nie ins
reine zu kommen. In ihren Augen waren die
Großviehhalter der eurasischen Grassteppen

8. Triumphsäule des oströmischen Kaisers Arcadius in


Konstantinopel. Die heute nur noch von Stieben be-
kannten Relieh der Marmorsäule stellen aller Wahrschein-
lichkeit nach auch Uldins Hunnen dar

26
ewige Heimatlose, die dauernd herumzogen, kochter Embryonen, die sie aus schwangeren
Häusern aus dem Weg gingen, ja sich sogar Frauen herausschnitten, ihre Spezialitäten wa-
fürchteten, ein Haus zu betreten, aus Angst, das ren Kinderfleisch und Frauenblut.
Dach könnte über ihnen einstürzen, sie hatten Es ist richtig, daß die gutgesinnte moderne
nicht einmal eine Rohrhütte usw. Die Augen der Geschichtsschreibung dies alles mit einer Hand-
Autoren der Antike hefteten sich mit der Kraft bewegung abtut, um so übler ist es hingegen,
einer Zwangsvorstellung an die beim Herumzie- daß sie jene nie existierende Gesellschaft, die
hen benutzten Wagen (auf denen die Hunnen Ammianus Marcellinus gerade auf diese vor-
ihre Zelte und Jurten beförderten) und waren menschlichen Menschen zugeschnitten hat, für
der Meinung, die Frauen würden diese ebenso bare Münze nimmt, wonach diese die Herrschaft
nicht verlassen wie die Männer nicht vom Pferd von Königen (Stammeshäuptlingen) nicht ge-
stiegen, da sie nämlich gar nicht gehen konnten, kannt hätten, ihnen niemand befohlen habe,
ihre verkümmerten, krumm-kurzen Beine wären höchstens im Kriegsfall gelegentliche militäri-
zum Gehen ungeeignet. sche Anführer. Was ihr geistiges Niveau betrifft,
Wer so primitiv war, dem konnte man alle sollen sie keine Religion, nicht einmal Aberglau-
Wildheit und Grausamkeit, welche die späte ben gekannt haben. Daraus entstand die nicht
orientalische und mediterrane Phantasie zusam- minder verblüffende moderne Bewertung der auf
mengetragen halte, zumuten: Sie töteten ihre dem „Niveau paläolithischer Horden" oder „auf
greisen Eltern, schlitzten die Lippen der Säuglin- der niedrigsten Stufe des Hirtenlebens" stehen-
ge mit Messern auf, damit diese Schmerz zu den kleinen hunnischen Gruppen, die ihren un-
ertragen lernten, stählten ihre Pfeile im Saft ge- verdienten Sieg über die Goten ihren primitiven
Pfeilen und ihrem erschreckenden Äußeren zu
21. Spätrömischer Beinkamin aus dem Grab eines verdanken hatten. „Natürlich" wurden sie von
barbarischen Vornehmen, Lébény den Goten zivilisiert und in die Höhe gehoben.

21.
27
bis diese ihrer überdrüssig wurden und sie ver- aus allem Leinen genähte Kleidung als zerlumpt
jagten. Ammianus Marcellinus vereinfachte das beschrieb, ja sogar ihre gefürchteten Kriegspfei-
Leben der Hunnen sogar so weit, daß er die aus le mit Knochenspitzen bestückte. Demgegen-
der Haut von Mäusen zusammengeflickte oder über benutzten die Jäger der Taiga und Steppe
die feinen Pfeilspitzen aus Knochen nur für die
Jagd auf Vögel und kleine Pelztiere, um an ihrem
9. Die bärtigen Männergesichter sind sarmatisch-alanischer
Herkunft aus der Gegend des Schwarzen Meeres und wur-
Gefieder oder Pelz keinen Schaden anzurichten.
den ab Besätze auf hunnischen bzw. hunnenzeitlichen Die Knochenpfeilspitze ist ein Gradmesser für
Pferdegeschirren und Kleidungsstücken verwendet. die Objektivität der Autoren. Die gleichzeitig
Gleichzeitig zeigen sie eine gute Wiedergabe der hunnen- mit den Hunnen in Ost- und Mitteleuropa ver-
zeitlichen Gesichtszüge breiteten, vorzüglich geschmiedeten eisernen

28
22.

Pfeilspitzen (Abb. 7) - sie sind uns aus den da-


maligen hunnischen Grabfunden, ja sogar in die
Rückenwirbel (z. B. Wien-Leopoldau, Csongrád
- Werböczistraße, Grab 6), in den Bauch (Trais-
mauer) der Gegner der Hunnen oder in das
Schienbein einer hunnischen Frau (Melitopol)
eingebohrt, wohl bekannt! verhalten sich zu
den Knochenpfeilspitzen der Urwelt des Am-
mianus Marcellinus ungefähr so wie die tatsäch-
liche hunnische Gesellschaft zu der von ihm
gezeichneten. Die hunnische Gesellschaft war
nämlich vom Augenblick ihres Erscheinens in
Europa an gut aufgegliedert und organisiert, an
ihrer Spitze standen Großkönige und selbsttätige
Militärführer. Aus den archäologischen Funden
und den Aufzeichnungen von Zeitgenossen er-
steht vor uns das Bild einer Macht mittelasiatisch-
persischer Kultur, die den sassanidisch-iranischen
Prunk und die Etikette liebte und für die die be-
wußte Aufbautätigkeit eines Reiches ebenfalls
kennzeichnend war. Die strenge militärische Ord-
nung zeigte sich auch in ihrer Erscheinung. Es ist 22. Spätrömisches Trinkglas aus Lébény
kein Zufall, daß der die Hunnen zum ersten Mal
persönlich kennenlernende Claudius Claudianus deren „hopfenstangenartiger" Wuchs die Römer
die von römischen Offizieren so begehrten Prunk- zum Lächeln reizte, als „Schönheitsideal" ansah,
gürtel der Hunnen besang. glich ein „kleiner, häßlicher, armseliger" Hunne
Was im Lichte der Tatsachen von der „klassi- keinem Menschen, zumindest keinem gotischen.
schen" Charakterisierung des Ammianus Mar- Authentische Grabfunde weisen leider einst-
cellinus übrigbleibt, ist nichts anderes als die weilen kaum auf einen solchen untersetzten
uralten äußeren Merkmale der Steppenvölker: Menschentyp hin (Abb. 9). Gräberfelder der
ihre in den Steppen noch heute bekannte und Awaren und der Altungarn bieten uns hinge-
benutzte krumme Mütze mit hoch- und run- gen solche zu Hunderten und Tausenden, in den
terklappbarem Rand, ihre Lederstiefel mit wei- Gebieten zwischen dem Karpatenbecken und
cher Sohle und ihr im Vergleich zu den Römern der Mongolei leben heute sogar Millionen Men-
ungewöhnlich breitschultriger Wuchs. Übrigens schen dieser Statur. Was die antiken Autoren
kann auch die Beschreibung ihres Äußeren von bestimmt in außerordentlichem Maße übertrie-
zwei Seiten betrachtet werden. Real ist die allge- ben haben, ist die fast einheitliche Schilderung
meine Wahrnehmung der Zeitgenossen, wonach der mongolischen Gesichtszüge der Hunnen.
die Mehrzahl der hunnischen Männer einen Derartige Feststellungen treffen auch jene, die
niedrigen Wuchs, einen verhältnismäßig großen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung die Hun-
Kopf, dicken Hals, breite Schultern, eine ge- nen ganz anders gesehen haben. So viel mag von
wölbte Brust, einen stämmigen Rumpf und kur- derartigen Schilderungen noch akzeptabel sein,
ze Beine gehabt hat. Die Beurteilung dieser Kör- daß ihre von Sonne und Wind gegerbte Ge-
pergestalt war schon damals Geschmackssache. sichtshaut dunkler war als die der in Gruben-
Die kleine Gestalt der Hunnen dürfte die klein- häusern. Wäldern und auf Rodungen lebenden
wüchsigen, wohlgebauten Römer kaum befrem- blonden, hellhäutigen Goten Archäologische
det haben, sie schätzten höchstens deren Unter- Schädelfunde sprechen dafür, daß es unter den
setztheit gering und sprachen von Holzklötzen Hunnen charakteristische mongoloide Typen
oder Bären. Sidonius Apollinaris hielt die Hun- tatsächlich gegeben hat, deren plötzliches und
nen geradezu für schön, er meinte, sie muteten wiederholtes Auftauchen für das an das europi-
auf Pferden sitzend sogar hochgewachsen an. de Schönheitsideal gewohnte Auge erschreckend
Für den gotischen Chronisten, der die Goten, gewesen sein mag. Ihr Gesicht fanden sie „form-

29
los", ihre winzigen Augen, die aus in weitem
Abstand voneinander gelegenen, tiefen Augen-
höhlen funkelten, bezeichneten sie als glänzende
Punkte, von ihrer Nase meinten sie, sie hebe sich
aus ihrem flachen Gesicht kaum hervor. Am
unglaubwürdigsten scheint jedoch, daß die Män-
ner mit mongolischen Gesichtszügen keinen
Bart hatten. Auch dies wurde ihrer Grausam-
keit zugeschrieben, da man meinte, sie hätten
das Gesicht der kleinen Kinder kreuz und quer
zerschnitten, um durch die Narben den Bart-
wuchs zu verhindern. Diese von Ammianus
Marcellinus über Hieronymus und Sidonius
Apollinaris bis Jordanes gleichlautende Klügelei
bezeugt jedoch nicht etwa die Grausamkeit der
Hunnen, sondern vielmehr die kaum weniger
humane Phantasie von Römern und Goten.
Nach unseren derzeitigen Kenntnissen ist es
kaum wahrscheinlich, daß der Anteil mongoloi-
der Typen unter den Hunnen mehr als 20-25
Prozent betragen hat, obwohl eine Prüfung des
prozentuellen Anteils an den in authentisch frei-
gelegten Gräbern gefundenen Schädeln noch
aussteht. Das Übergewicht europider Typen in
den vielen hundert Gräbern aus der ersten Hälf-
te des (. Jahrtausends n. Chr., die in dem zwi-
schen dem Altai und der nördlichen Mongolei
gelegenen Tuwa freigelegt worden sind, ist noch
so frappant, daß mit der hunnischen Bewegung
kaum eine größere Anzahl Mongoloider nach
Europa gelangt sein kann; gerade nur so viele,
daß ihr ungewohntes Aussehen die Europäer
verdutzt hat. Es ist daher sehr wahrscheinlich,
daß jener Teil der Charakterisierung Attilas von
Jordanes, in dem er die äußere Erscheinung des
Großkönigs wiedergibt (niedriger Wuchs, breite
Brust, großer Kopf, kleine Augen, schütterer,
graumelierter Bart, stumpfe platte Nase, häßli-
che Gesichtsfarbe), nichts anderes als das Pro-
dukt einer hundert Jahre späteren, schriftstelle-
rischen Phantasie ist, daß Jordanes die „mongo-
loid-hunnische" Schilderung der tatsächlichen
Zeitgenossen auf Attila als Repräsentanten par
excellence seines Volkes übertragen hat. Sonder-
bar ist hingegen das Schweigen der zeitgenössi-
schen Literatur über die im Zusammenhang mit
der hunnisch-alanischen Bewegung weil verbrei-
tete artifizielle Schädeldeformation; Sie wird erst
von Sidonius Apollinaris nach dem Zusammen-
bruch des Hunnenreiches in Verbindung mit
nach Gallien verschlagenen Hunnen erwähnt. Er
irrt sich aber gründlich, wenn er meint, die

30
10. Funde tus dem bisher am östlichsten gelegenen und
bekannten hunnischen Fürstengrab der Völker-
wanderungszeit in Tugoswonowo

31
hunnischen Müller hallen den Kopf der Neuge- ten - Sprache der Goten auch keine bessere
borenen zu dem Zweck umwickeil, um die Na- Meinung als Jordanes von den fremd klingenden
sen plattzudrücken, und der sich nach hinten Stimmen der Hunnen. Von Priscus erfahren wir
erhebende, spitze Schädel sei nur eine Folge die- immerhin, daß die Militärführer der Germanen
ser Maßnahme gewesen. Die Mode des defor- in den 440er Jahren bereits mit großem Eifer
mierten, „erhöhten" Kopfes hatten die meisten „skythisch". das heißt hunnisch, redeten, wie
ostgermanischen Völker übernommen und in auch die hunnischen Hauptleute, so auch Attila
breitem Kreise angewandt, besonders bei den selbst. Gotisch konnten. Von der hunnischen
Mädchen und Frauen war dies beliebt und „mo- Sprache wurde leider nichts, besser gesagt nichts
disch". Nach dem Sturz der Hunnen kamen die sicher Hunnisches, überliefert, erhallen Nielsen
Germanen jedoch von diesem Brauch ab und uns nur zahlreiche Eigennamen. Diese auch nur
sprachen auch nicht mehr davon ... so, wie sie die Goten, Römer und Griechen ver-
Laut Jordanes erinnert die Sprache der Hun- standen hallen bzw. wie diese fähig waren, sie
nen kaum an die von Menschen, das heißt an die wiederzugeben und niederzuschreiben.
gotische, griechische und lateinische Sprache. Ein ansehnlicher Teil der Namen weist auf
Die zeitgenössischen Römer hatten allerdings eine (Verbindungen mit dem Altbulgarischen
von der - ihnen meist nur als Geschrei bekann- und dem Mongolischen zeigende) Turksprache
hin, auch wenn dies nicht immer sofort augenfäl-
23. Römischer und barbarischer Krug mit Glätt- lig ist. Der Name des hunnischen Großkönigs
verzierung. Gjör und Dör der 420er Jahre wird beispielweise in fünf- bis

23
32
sechserlei Formen geschrieben. Ursprünglich
lautete er Ruga, jedoch mit dem für die Turk-
sprachen kennzeichnenden, kaum hörbaren
Kehllaut G (nach der wissenschaftlichen lin-
guistischen Schreibweise Ruγa, im modernen
Türkisch Ruga). Die meisten Zeitgenossen latei­
nischer oder griechischer Muttersprache hörten
diesen G-Laut nicht und schrieben seinen Na­
men Roa(s). Rua(s), Rua. Mit stummem G blieb
er auch für die Nordgermanen erhallen: R
Hroar, mit der aus dem Gotischen übernomme­
nen Diminutiv- oder Koseform Roila. Seine
ostgermanischen Untertanen hingegen lernten,
den Kehllaut G auszusprechen ja sie versahen
den Namen des Großkönigs sogar nach goti­
scher Sitte mit dem diminutiven Kose-Suffix Ru­
gila - Rugachen (vgl. Wulfila - Wölfchen,
Totila = Papachen - sein ursprünglicher Name
war ebenfalls eine Koseform: Baduila usw.)
Ebenso gaben sie seinem noch größeren Nach­
folger in Ehrerbietung und aus Furcht den Ko­
senamen Attila (ata = sowohl in den Turkspra­
chen wie auch im Gotischen. Vater), das heißt
Väterchen. Daraus folgt, daß der große Herr­
scher diesen Namen kaum in die Wiege mitbe­
kommen hat. Aus der gotischen Koseform kann
man auf manches schließen, nur nicht darauf,
die beiden hunnischen Großkönige wären Goten
oder Halbgoten gewesen Attila war der Sohn 24. Krug mit menschlichem Antlitz aus Dunaszekcső
des Mundschuk (alttürkisch: Munčuq = Perle,
Schmuck oder Fahne) und der Neffe von Ruga dos „wilden Herzogs" ist ein noch schlagenderer
und Oktar/Uptar (alttürkisch: Öktär = Kräftig. Beweis für die oben erörterte phonetische Ge­
Brav. Mächtig). Sein Onkel väterlicherseits hieß setzmäßigkeit als der Name Rugas.
Oibarsius (alttürkisch: Aybars = Mondpanther Turknamen sind mit ziemlicher Sicherheit fol­
oder Oybárs = Dunkler Panther). Der uns eben­ gende aus der führenden hunnischen Schicht
falls authentisch überlieferte Name seiner Gal­ bzw. aus dem Fürstenhaus: Kharaton/Karaton
lin, der Fürstin Erekan/Arykan (alttürkisch: (alttürkisch: Qaráton = Schwarzbekleideter).
Ariqan = Schöne Fürstin, Keine Fürstin) dürfte Uldin/Uldis (alttürkisch: Öldin = Glücklicher).
in der Sprache der Ost- und Nordgermanen zu B/Vasik (alttürkisch: Bársig = Pantherähnli­
Kreka oder Kerka, im Griechischen aber zu cher oder Basїg = Gouverneur), Kursik (alttür­
Rekam einstellt worden sein, das änderi aber an kisch: Kürsig = Braver, Edler oder Quršig =
der turkvölkischen Abstammung des Namens Gürteltragender). Eskam (alttürkisch: Großer
und seiner Trägerin kaum etwas, da eine andere Pfarrer), Atakam (alttürkisch. Vater-Pfarrer).
Variante, Kräkän, auf alttürkisch Ehefrau. Her­ Emnetzur (alttürkisch: Emnečür), Ultzindur
rin bedeutet. Ihre Sohne Ernak, Irnäk (alttür­ (alllürkisch: Öltinčür), Kelkal (alttürkisch Qїlgїl
kisch: H/Ernäk = Held, Wahrer Mensch). El­ = Fester Charakter). Auch die Erklärung der
lak/Ilek (alttürkisch: Elläg) und Dengi(t)zik/ Namen Balamber/Balamur und Esla (alttür-
Dintzik (alttürkisch: Meeresähnlicher, dem kisch: Éslä = Großer Alter) dürfte in diese
Himmel Ähnelnder, anderen Darlegungen zu­ Richtung weisen Allerdings gibt es auch aus
folge Meeres-[Süd-]Wind) trugen ebenfalls Turk­ dem Gotischen erklärbare hunnische Namen
namen. Der letztere, konsequent in der längeren wie Berich(us) (= Berig/Verika). wobei in die-
oder kürzeren Form erhallen gebliebene Name sem Fall ein türkisch klingender Berik/Verik

33
11. Reliefdarstellung eines weströmischen Feldherrn aus der iranisch-innerasiatischen Waffengürtel getragen, ist
ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf einem Consular- unter den zeitgenössischen Darstellungen einmalig
diptychon aus Elfenbein. Das mit Edelsteinen besetzte und verrät orientalische, vermutlich hunnische, Ver-
Prunkschwert, von einem vornehmen Man an einem bindungen

34
(altttürkisch: Starker) ebenso gut vorstellbar wä- Wolga verfolgt werden. Sein erster Repräsen-
re. Ungewiß ist bloß der Name des uns in der tant. Balamber, war nicht allein Feldherr, son-
Form Bleda/Blidas überlieferten Großkönigs, dern offenbar auch Großkönig, dem die Hunnen
der übrigens auch in der für die späten Großkö- und ihre ostgermanischen Vasallen gleicherma-
nige kennzeichnenden Diminutivform Blaed(i)la ßen gehorchten.
vorkommt Neueren Erklärungen zufolge ist ur- Den niedrigeren Rang des im 5. Jahrhundert
sprünglich die alttürkische Form Bildä/Blidä = tätigen Uldin, aber auch des Donat(us) erkann-
Weiser Herrscher. In Kenntnis all dieser Fakten ten auch die Oströmer, wußten aber, daß im
bedarf der populär gewordene und große Irrtum Hintergrund der Großkönig, der Phylarch. Kha-
einzelner moderner Forscher einer Richtigstel- raton existierte. Großkönig Ruga war bereits
lung: Sie verwechseln wegen einiger mongoloide Verbündeter und Freund Roms, seine Würde
Züge aufweisender Schädel die mongoloide übertraf die seines Bruders und Unterfühl
Großrasse mit der mongolischen Sprache und was keinen Augenblick angezweifelt wurde.
machen aus den Hunnen ,,richtige" Mongolen. Noch einige Jahre, und die ost- und weströmi-
Ohne Schwierigkeit kann festgestellt werden, schen Kaiser sollten sich darum sorgen, wie sie-
daß die Machthaber des Hunnenreiches von des- dle Gefahr. Attila beirachte sich als gleichrangig
sen Entstehung bis zu seiner Vernichtung (469) mit ihnen, abwehren könnten Sie fürchteten, im
Turknamen trugen und demnach auch hunni- Falle eines Sieges Attilas über den persischen
scher Herkunft waren. Großkönig, den die römischen Kaiser stets als
Die Kontinuität dieses Fürstengeschlechtes gleichrangig anerkannt hatten, dessen Rang
kann seit dem Zeitpunkt der Überquerung der auch Attila zugestehen zu müssen.

35
Die „nomadische Armut"
Über den wirtschaftlichen Hintergrund
der hunnischen Lebensweise

Die in der Vorstellung des Ammianus Marcelli- jene Meinung, wonach es den Hunnen nur durch
nus lebenden hunnischen Wilden spielten in der Einführung einer „parasitären", „ausbeuten-
Mißdeutung des tatsächlichen Lebens der Hun- den" Lebensweise gelungen sei, ihre ursprüngli-
nen mindestens eine ebenso große Rolle wie die che Wirtschaftsgrundlage auf ein Niveau zu he-
skizzenhaften, oberflächlichen Folgerungen der ben, das ihre erfolgreichen Eroberungen ermög-
Wirtschaftsgeschichte über die „nomadische" lichte. Da der Nomade außerstande ist. Nah-
Lebensweise der neuzeitlichen Kirgisen und rungsüberschüsse zu produzieren - verkündet
Mongolen. Von Priscus, der dem Leben der die Theorie-, seien auch die Hunnen so lange zu
„Barbaren" wenig Interesse entgegenbrachte, Eroberungen unfähig gewesen, geschweige denn
kann bei der Beseitigung der Unklarheiten keine ein Reich zu organisieren, bis sie zu einem derar-
Hilfe erwartet werden, schon gar nicht von den tigen Nahrungsmittelüberfluß gelangten. Gera-
übrigen Schriftquellen von nur wenigen Zei- de die moderne Geschichtsschreibung geriet also
len oder späterer Herkunft. Sie berichten über zu dem Schluß, daß sich die Hunnen - mit Aus-
Heere, Kriegsverwüstungen, kämpfende hunni- nahme ihres Könnens im Bogenschießen - auf
sche Truppen, also über Vorgänge, die kaum nichts verstanden, hätten, bis sie sich den „Le-
Einblick in die Verhältnisse des hunnischen Hin- bensmittelüberfluß" der Goten - gemäß den rö-
terlandes gewähren. Und da meist selbst objekti- mischen Quellen aus dem 4. bis 5. Jahrhundert
ve Historiker die früher kaum bekannten oder litten gerade die Goten unter chronischem Ge-
falsch interpretierten archäologischen Funde in treidemangel ! - angeeignet hätten. Andere Au-
ihre Untersuchungen selten einbezogen, ent- toren begründeten die hunnischen Erfolge auch
stand, gestützt auf den als Hauptquelle ange- mit dem Nahrungsüberschuß und den Produk-
sehenen Ammianus Marcellinus, ein falsches tionskräften der Slawen und „Romanisierten",
Bild, das im wesentlichen auch heute noch als also der um die Steppen herum lebenden, ange-
allgemeingültig angesehen wird. siedelten Agrarvölker. Ohne Ausbeutung dieser
Diejenigen, die Ammianus Marcellinus zum Ackerbauern hätten die Hunnen angeblich nicht
Ausgangspunkt nehmen, kommen immer zu bestehen können, auch zu einer Differenzierung
dem Ergebnis wandernder, viehhaltend-weiden- ihrer Gesellschaft wäre es nicht gekommen. Par-
der, gelegentlich auch jagender Hunnen. Ent- allel zu dieser Anschauung steht die zu oben
sprechend den „Nomaden" des bereits erwähn- Gesagtem von vornherein widersprüchliche An-
ten kirgisischen Beispiels als unabänderliches schuldigung: Die wilden Hunnen verwüsteten
Schicksal einer Hirtengesellschaft entstand das Dörfer und Produktionsmittel der friedlichen
wissenschaftlich verbrämte Urteil über die auf Ackerbauern, den Rest schröpften sie in einem
einer niederen Stufe der Entwicklung steckenge- solchen Ausmaß, daß schließlich der Verfall der
bliebenen oder gar einer Weiterentwicklung un- Agrarwirtschaft zum Niedergang der Hunnen
fähigen Steppennomaden. Auf den immer und führte. Mit einem Wort: Unterjochte Agrar-
unter allen Umständen als niedrig erachteten bauern und Stadtbewohner unterhielten die
Produktionsertrag des Hirtentums beruft sich Hunnen und erzeugten deren sämtliche Habe.

36
25.
Den Archäologen waren diese Gedankengän-
ge, die sich großer Popularität erfreuten, schon
immer verdächtig. Die Hunnen mußten ja auch
östlich der Wolga, in Mittelasien, ja sogar in
ihrer Urheimat östlich des Tien-schan-Gebirges,
in Innerasien, von irgendetwas leben. Und zwar
gar nicht so schlecht und keineswegs innerhalb
einer „ungegliederten" Gesellschaft, wenn wir
an die großartigen Gräber der asiatischen Für-
sten aus der Saka-Hunnenzeit und an die der
asiatischen Hüte aus der frühen Hunnen/eil (Tu-
goswonowo. Abb. 10; Kanattas, Abb. 18; Kara-
Agatsch, Schadrinsk) denken und auch die rei-
chen Bestattungen der bewaffneten Schichten
berücksichtigen. Es ist offensichtlich, daß die
Historiker Funde und Ergebnisse der Archäolo-
gie außer acht ließen. Nicht allein diese, sondern
sogar auch die aus den Quellen bekannten Hun-
nen, die sie bald mit den Jägern der Urzeit, bald
mit dem Hirtenvolk des späten Neolithikums
verwechseln, bald mit der hunnischen Aristokra-
tie der 440er Jahre charakterisieren. Mit jenen
Vornehmen, die, wie die eine Witwe des Groß-
königs Bleda, gerne von den Oströmern solche
bei den Hunnen raren Luxusartikel wie Purpur,
rotes Saffianleder, phönizische Datteln und indi-
schen Pfeffer sowie andere Gewürze entgegen-
nahmen, von dem als Geschenk erhaltenen
Gold- und Silbergeschirr, den Seidengewändern
sowie indischen Perlen und Edelsteinen gar nicht
zu reden.
Es gibt in Eurasien kein nennenswertes hunni-
sches oder hunnenzeitliches Grab und Totenop-
fer, das nicht reich, ja fast schon überreich mit 25. Fibel aus dem Fund von Rábapordány
Fleischspeisen und Getränken für den Schmaus
des Toten im Jenseits ausgestattet wäre. In Ka- 449 - wir kommen auf dieses später noch zu-
nattas, in der Gegend des Balchasch-Sees, wurde rück - folgte ein Fleischgericht dem anderen,
im Grab einer Mutter und zweier Kleinkinder und die Grabfunde beweisen, daß Fleischgenuß
eine wahrlich verblüffende Menge an Pferde-, keineswegs ein Privileg der herrschenden Elite
Rind- und Schaffleisch gefunden, die selbst ein war. Die großviehhaltenden Hirten, die mit
homerisches Mahl in den Schatten stellte. Und Fleischspeisen und vielleicht ähnlich den Mon-
dies ist keineswegs ein Einzelfall. Wenn wir die golen auch mit getrocknetem Fleisch reichlich
hunnischen Grabfunde vom Ob über Mittel- versorgt waren, litten wohl kaum einen Man-
asien und die ukrainischen Steppen bis Panno- gel an aus Milch hergestellten Getränken und
nien überblicken, erstaunt uns der Reichtum Speisen, darunter verschiedenen konservierten
an Fleischbeigaben, vor allem an Schaffleisch. Milchprodukten. Es ist Ansichtssache, ob die
Nicht allein in den Gräbern der Vornehmen des Hunnen - aufgrund theoretischer Überlegun-
Reiches findet man Fleisch; jedermann bekam in gen nachträglich zum Genuß von Bohnen und
ausreichender Menge Fleisch als Wegzehrung Erbsen oder von aus grob gemahlenem Gersten-
ins Jenseits mit, und offensichtlich mangelte es mehl gebackenen Fladen gezwungen waren, nur
auch im diesseitigen Leben nicht daran. um zu Eroberungen fähig zu sein Den Hunnen
Während des Festmahles Attilas im Herbst schmeckten solche Speisen wohl kaum. Von den

37
26.
den. In wessen Besitz in den 440er Jahren die
großen Herden und Gestüte auch waren (die
Familien der Krieger besaßen ebenfalls Vieh),
kann es kein Zufall sein, daß die zur Zeit der
Skythen üblichen Pferde- und Reiterbestattun-
gen nach einer Pause von vielen Jahrhunderten
gerade zur Hunnenzeit in den Steppen wieder
auflebten. Als die Gesandtschaft des Maximinus
und Priscus nach der Überquerung der Donau
erstmals mit Attila zusammentraf, schenkte der
Großkönig trotz seines gespielten Zornes den
Oströmern Rinder (und auch frisch gefangene
Fische), offensichtlich aus der seinem Gefolge
nachgetriebenen Herde. Der wichtigste Export-
artikel des Hunnenreiches war bald verbotener-
weise - wie im Sinne der 448 mit Anatolius und
449 mit Maximinus geschlossenen Vereinbarung
-, bald erlaubterweise wie fast immer: das Reit-
pferd. So wird sich der oströmische Dolmetscher
Vigila später vor Attila wegen der bei ihm gefun-
denen zu vielen Goldmünzen mit der Begrün-
dung entschuldigen, unter anderem Reitpferde
und Lasttiere gekauft haben zu wollen. Im Hun-
nenreich bestand wahrscheinlich auch ein
26. Silberner Eidring mit Anhängern, Rábapordány „staatlicher" Pferdewechsel, wie dies später bei
den Mongolen der Fall war. Die Beschwerde
mongolischen Heeren wissen wir, daß sie sich von Maximinus und Priscus, man habe ihnen die
aus dem milgetriebenen Viehbestand verpflegten als „Geschenk" überlassenen Pferde am Fluß
und sich schwerlich zum Gemüseessen herbei- Istros (Donau) wieder abgenommen, dürfte auf
ließen. dieses System hinweisen.
In der Besorgung von frischem Fleisch und Der große Viehbestand versorgte die Hunnen
zur Konservierung vorgesehenen Fleischspeisen nicht nur mit Fleisch und Milch, sondern auch
spielte die Jagd eine herausragende Rolle, die mit Leder, Wolle und Knochen. Der in Rom die
auch von den Zeitgenossen der Hunnen gewür- Toga tragende Ammianus Marcellinus konnte
digt wurde. Bei der Verpflegung des Heeres war die hunnische Lederbekleidung geringschätzen,
es die Jagd der Großkönige. Letztere war bei den die verbündeten Germanen taten dies wohl
Mongolen und aller Wahrscheinlichkeit nach kaum. So schrieb Eugippius aufgrund der Erin-
auch schon bei den Hunnen zugleich eine Krieg- nerungen seiner Vorfahren, daß Prinz der Torki-
sübung. Im Frühherbst 449 fielen Priscus die zur ling-Dynastie, Odoaker, Sohn des Skirenkönigs
Donau befohlenen zahlreichen Fährboote auf,
Edika, eines ehemaligen Vasallen Attilas, „in
die der Gesandtschaft den raschen Flußüber-
gang erleichterten. Priscus bemerkt zwar iro- armselige Felle gekleidet" um Segen und Unter-
nisch, daß sie nicht ihr zu Ehren in Bereitschaft stützung bittend vor den heiligen Severin trat.
gehalten wurden, sondern weil Attila die Donau Die Hunnen erzeugten aus dem Fell ihrer Tiere
passieren und in dem bis Naissus geräumten Stiefel, Köcher und Pferdezaumzeug, aus der
römischen Gebiet jagen wollte. Priscus meinte Wolle ihrer Schafe Filzzelte, Mäntel und viel-
auch, daß diese „Jagd" eigentlich als Kriegsvor- leicht auch Teppiche. Der Fußboden des Pala-
bereitung gegolten hätte, wenn sie nicht beide stes der Arykan, der Hauptgemahlin Attilas,
infolge der rasch veränderten politischen Lage war mit Teppichen ausgelegt, auf denen man
weggeblieben wären. nach dem Überraschung widerspiegelnden Be-
Am Reichtum des hunnischen Viehbestandes
kann aufgrund der Quellen nicht gezweifelt wer- 12. Bei den östlichen Hunnen verbreitete zweischneidige
Schwerter und Dolche persischen Typs
38
39
13. Darstellung von Aspar und Plinta auf der Silberschüssel mit dem Medoss (Honigwein) und dem Kamon
ton Orbetello (wäßriger, gegorener Hirsesaft) habe vorlieb-
nehmen müssen, also mit jenen Getränken, wel-
richt des Priscus „gehen konnte". In diesem Fall che armselige Dorfbewohner den durch das Ba-
sind natürlich auch Perserteppiche nicht auszu- nal ziehenden oströmischen Gesandten vorsetz-
schließen. ten. Das übliche Getränk der Hunnen war offen-
Die aus Knochen geschnitzten Pfeilspitzen bar die bei sämtlichen Turkvölkern vorhandene
dienten, wie oben erwähnt, zur Jagd auf Pelztie- saure Milch. Am liebsten hatten sie aber offen-
re und Vögel. Schlagender Beweis hierfür ist das sichtlich ein aus Stutenmilch gegorenes Getränk
aus der frühen Eroberungszeit stammende Grab - aber nicht im Herbst 449, als Priscus bei den
von Tugoswonowo, in welchem sich im Köcher Hunnen war.
des Verstorbenen als Zeugen seiner Jagdleiden- Anhand der bisherigen archäologischen Funde
schaft neben dreißig Pfeilen mit Eisenspitzen kann festgestellt werden, daß sich die Hunnen auf
auch zwei solche mit Knochenspitzen fanden. eine Vielzahl von Handwerken verstanden, an-
Zu Beginn des Jahres 450 beschenkte Attila zwei ders hätten sie ja auch nicht bestehen können.
vornehme oströmische Herren, Nomus und Ihre meisterhaft, ja kunstvoll ausgeführten Bögen
Anatolius, mit wertvollen Pelzen, mit solchen, vermochten die europäischen Völker nicht nach-
„wie sie die Hunnenkönige tragen". Pelz wurde zumachen; sie waren Meisterwerke ihrer Bogen-
auch von den in den Waldgebieten Osteuropas macher (Abb. 2-6). Ihre Sattlermeister erzeugten
lebenden Völkern als Steuer eingenommen, wie als erste die sich mit dem Hunnenzug verbreiten-
dies schon früher, aber auch später üblich war. den Holz-Leder-Sättel (Abb. 23-24), ihre Rie-
Langst bekannt ist, daß im Gebiet des Oberlau- menschneider das Zaumzeug der Pferde. Ihre
fes der Kama, in Werchni Konez, sowie in der Schmiede hämmerten die eisernen Trensen, die
Gegend von Perm hunnische Kupferkessel ge- vor dem Erscheinen der Hunnen überhaupt nicht
funden worden sind, die ebenso wie die Grab- oder kaum bekannten rhombischen, dreiflügligen
funde von Musljumowo, Schadrinsk und an- eisernen Kampfpfeilspitzen, die Speerspitzen, die
derswo die hunnische Anwesenheit inmitten der Langschwerter und Kampfmesser. Ihre Kennt-
Pelzregion beweisen. nisse hatten sie genauso bereits in Mittelasien wie
Zur Zeit Attilas bewirteten die Vornehmen, so später in Europa verwertet, fanden sich doch
auch die erste Gemahlin des Großkönigs und die ihre nicht selten 100-120 cm langen Schwerter,
Hauptfrau des Großwesirs, ihre Gäste mit Wein. die in der Antike in diesem Ausmaß unbekannt
Wir wissen nicht, ob es sich um pannonische gewesen waren, zuerst in ihren Gräbern in der
(syrmische), kaukasische Weine, solche von der Gegend des Altai- und Tien-schan-Gebirges (z.
Krim oder um oströmische aus den thrakischen B. Tugoswonowo, Kara-Bulak, Kök-Bel, Tör-
Provinzen handelte, doch ist dies auch nicht ken). Bemerkenswert ist, daß die Prunkschwer-
wesentlich. Wir haben jedoch keinen Grund an- ter der Vornehmen - auf deren Bestellung -
zunehmen, daß Wein das Privileg der königli- zumeist durch fremde Goldschmiede mit Mon-
chen Familie gewesen sei, das gemeine Volk aber tierungen versehen wurden, erst durch persisch-

40
sogdische, dann durch griechisch-pontische (die Tschilikti-Goldener Kurgan sowie Essik-
entweder von dort herstammten oder unter de- Kurgan und deren erstaunlich geschnitzten Or-
ren Einfluß arbeiteten) (Abb. 12). Die hunni- namenten erscheint die allgemeine europäische
schen Schwerter „verhallen" sich also gerade Meinung, welche die von Priscus bewunderten
umgekehrt wie die aus dem Karolingerreich hunnischen Holzpaläste - vor allem jene Attilas
nach Norden gelieferten Schwertklingen, die zu- als Werke gotischer oder geradezu slawi-
meist von wikingischen Goldschmieden mon- scher (?) Holzschnitzer hinzustellen versucht,
tiert worden waren. Diese Tatsache spricht für wenig durchdacht. Die geschnitzten Holzgefäße
das handwerkliche Können der hunnischen - Kessel, Schüsseln, Platten und Schalen - sind
Schmiede. In der Holzbearbeitung und Holz- in den Grabkammern Innerasiens aus dem 5.-1.
schnitzerei erreichten die Völker der nördlichen Jahrhundert v. Chr. und dem 1.-5. Jahrhundert
Mongolei und der Region um den Balchaschsee n. Chr. etwas Alltägliches: Sie wurden wohl
bereits während der Saka-Hunnen-(Taschtik-) kaum von fremden Ackerbauern angefertigt,
Epoche ihren Höhepunkt. In Kenntnis der aus war doch Holz im Überfluß vorhanden, und die
Balken meisterhaft zusammengefügten gewalti- Hirten waren schon immer Meister, ja Künstler
gen Grabkammern (es sind förmlich Häuser!) der Holz- und Beinschnitzerei.
der Kurgane von Pasirik, Baschadar, Tüekta, Keramik ist seit dem Neolithikum Gemeingut
Ujbat, Tepsa, Nojon-ul (Noin Ula), ebenso wie aller Völker des Altertums, wir wissen von kei-
der ostkasachstanischen von Alatau-Besschatir, nen Völkern, die sie nicht gekannt und benutzt
hätten. Sic ist zumeist Produkt ortsansässiger
27. Aus Goldblech gepreßter Halsschmuck aus Rába- Töpfer für jedermann, der sie kaufen wollte. Die
pordány im Karpatenbecken in den Hunnen- und hun-

27.
41
42
14. Vorläufer und Parallelen zu den aus Ungarn stammen-
den hunnischen Kesseln aus (1) Kysyl-Adyr im Ural-
gebiet, (2) Soka im mittleren Wolgagebiet, (3) Ilabas im
Nordkaukasus, (4) Iwanowka im Donezgebiet,
(5) Schestatschi am Dnjestr, (6) Benešov im Quellgebiet
der Oder, (7) Ionesti in Muntenien, (8) Desa im Gebiet
der unteren Donau

nenzeitlichen Gräbern häufig vorkommenden


Krüge sind spätrömische oder unter dem Einfluß
der späten Antike entstandene barbarische Erzeug-
nisse. Sie dienten zur Aufnahme von Getränken
und als Totenopfer. Getrunken wurde bei den
Hunnen wie bei allen anderen aus Holz-, Ton- und
Glasbechern. Spätantike Trinkgläser wurden nicht
allein in den Gräbern der Vornehmen neben dem
Krug deponiert, sondern auch in denen der Mittel-
schicht, im Osten (z. B. Kara-Agatsch, Nowaja
Majatschka-Schtscherbala[jal-Tal und Radensk)
orientalische (syrische oder sogdische) Gläser mit
Fadenauflagen-Dekor oder grüne, geschliffene
Gläser. Auf die hunnischen Siedlungen in Asien,
ihre Dörfer, ihren Ackerbau und ihr Handwerk
(vgl. z. B. die wichtigen Funde des in der Gegend
des Baikalsees freigelegten befestigten Dorfes Iwol-
ga) lohnt es sich nicht ausführlich einzugehen,
da die in Mitteleuropa eindringenden hunni-
schen Streitkräfte ihr diesbezügliches Wissen und
Können kaum in Anwendung bringen konnten.
Sichtbare Beweise der hunnischen Metallbear-
beitungstechnik sind die gegossenen Kupfer-
und Bronzekessel, die überall zu finden sind, wo
Hunnen hinkamen (Abb. 14). Allerdings verrät
ihre Form und Gußtechnik chinesischen Einfluß
des 2. bis 4. Jahrhunderts, ebenso wie ihre Me-
tallspiegel, deren unmittelbare Vorbilder, die
chinesischen Prunkspiegel, in den hunnischen
Gräbern bis zur Wolga in beträchtlicher Zahl zu
finden sind. Die Kupfer- und Bronzegießerei
selbst, der Guß künstlerisch ausgeführter Waf-
fen und Kessel, war bei den Völkern Innerasiens
schon seit der späten Bronzezeit allgemein be-
kannt und verbreitet. Form, und Technik der
chinesischen Luxusartikel in den Gräbern wei-
sen darauf hin, daß wir die Hunnen nicht für ein
aus dem Nebel aufgetauchtes Volk halten dür-
fen, nur deshalb, weil sich die Römer über ihre
Herkunft völlig im unklaren waren. Wer sonst
als die Hunnen hätte die Kessel herstellen kön-
nen, waren doch deren Formvarianten vor dem
Erscheinen der Hunnen in Europa unbekannt
(Abb. 16). Die sogdisch-persischen Ein-

43
28.

44
28. Bernsteinperlen aus dem Fund von Rábapordány vor, daß die Ansicht des Ammianus Marcellinus
von einer paläolithisch-neolithischen Horde der
29. s. Farbtafel XII Märchenwelt des Altertums angehört, daß der
zur Zeit Attilas erreichte Höhepunkt hingegen
flüsse, die stärker als selbst die innerasiatischen das Ergebnis eines Aufschwungs lokaler Prä-
Wurzeln und bereits in den sog. „fürstlichen" gung ist. Die archäologischen Funde, einschließ-
Trachten der Hunnen am Ende des 4. Jahrhun- lich der besten, weiter unten noch zu bespre-
derts zu erkennen waren (Tugoswonowo, Kara- chenden, reichen leider zur Zeit noch nicht aus,
Agatsch, Schadrinsk, Turajewo usw.), werden um die Entwicklungsphasen der hunnischen Ge-
anhand der archäologischen Funde weiter unten sellschaft während der acht Jahrzehnte von 375
behandelt werden. Hier nur so viel, daß die Hun- bis 455 genau zu verfolgen. Doch hoffen wir,
nen vor ihrer Ankunft in Europa in der Nach- dies bald nachholen zu können.
barschaft anderer Hochkulturen gelebt hatten Die historisch überlieferte Polygamie eines
und von diesen beeinflußt worden waren. Davon Bleda. Attila und Onegesius ist nur für diese
wußte Ammianus Marcellinus allerdings nichts, Mächtigsten nachgewiesen; doch der Vorrang
auch seine Epigonen schenkten dem kaum Be- der jeweils ersten oder Hauptgemahlin (Abb. 21)
achtung. wurde sogar von diesen vollblütigen Großherren
Die hier skizzierten wirtschaftlichen Grundla- anerkannt. Die Vielweiberei war also durchaus
gen der hunnischen Gesellschaft werden noch im kein ausschließlich hunnisches Phänomen, das
Zusammenhang mit den archäologischen Fun- man heute verurteilen muß, sondern bloß eine
den behandelt, allerdings nur kurz, weil die Fun- legalisierte Variante der Polygamie der herr-
de zur Rekonstruktion der Gesellschaftsord- schenden Schicht, wie sie ja auch bei allen Ge-
nung der Hunnen in Europa noch immer zu sellschaften des Altertums festgestellt werden
spärlich sind. Aus dem Gesagten geht klar her- kann.

45
Die Großmacht - die Zeit von Ruga und Bleda

Nach den Ereignissen des Jahrzehnts um die ten über den Krieg, den die Hunnen zwischen
Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert verschwan- 415 und 420 gegen die Perser geführt haben.
den die Hunnen wieder von der Donaugrenze. Dabei dürfte er keineswegs erfolg- oder nutzlos
Bis dahin hatten bloß Aktionen einiger nach gewesen sein, was die unter den hunnischen ar-
Westen vorgeschobener Kampftruppen den Rö- chäologischen Funden häufigen Erzeugnisse sas-
mern zu schaffen gemacht. Aus der Nachricht, sanidischer Goldschmiedekunst, besonders aber
daß die von dem oströmischen Olympiodorus die im hunnischen Siedlungsraum im Karpaten-
becken gefundenen sassanidischen, kuschani-
geführte Gesandtschaft den Großkönig Khara- schen, baktrischen, ja sogar indischen Gold-
ton im Jahre 412 nach Überquerung des Meeres münzen beweisen. Diese Funde sind schlagende
irgendwo in der Gegend des Tanais/Don er- Beweise dafür, daß die in die Donaugegend ein-
reicht habe, geht hervor, daß die hunnische gedrungenen Hunnen mit jenen identisch waren,
Machtpolitik damals noch eurasischen Charak- die kurz zuvor in Mittelasien gekämpft hatten.
ter aufgewiesen hat. Nur wenige Quellen berich- Erst als sie in ihrem alten und neuen Reich Ord-
nung geschafft hatten, wandten sie sich erneut
15. Frühe irdene Nachahmungen der gen Westen.
asiatisch-hunnischen Kupferkessel

46
30. Solidus des weströmischen Kaisers Valentinia- 30.

nus III., eines Zeitgenossen von Ruga, Bleda und


Attila

31. Die sogenannte Siegesprägung Valentinianus' III.


aus dem Schatz von Szikáncs

32. Bildnis der Honoria Augusta auf einem Solidus

33. s. Farbtafel XIII

Als sie 422 wieder an der unteren Donau er-


schienen, traten sie sofort feindselig gegenüber
dem Oströmischen Reich auf. Großkönig Ruga
nutzte die Abwesenheit römischer Streitkräfte
aus und brach verheerend in Thrakien ein. Da
wir von keinem anderen erfolgreichen oströmi-
schen Krieg zu Lebzeiten Rugas wissen, gelang
es Ruga offenbar in dem diese Feindseligkeiten
beendenden Friedensschluß als erstem hunni- 31.

schen Großkönig, von der oströmischen Regie-


rung einen jährlichen Tribut von 350 Pfund
Gold ( = 25 200 Solidi, ein Goldpfund entspricht
0,327 kg) zu erhallen. (Es ist am besten, sich des
zeitgenössischen Ausdrucks Tribut zu bedienen,
denn was vom hunnischen Standpunkt aus als
Steuer galt, war nach byzantinischem Begriff
bestenfalls eine Unterstützung - und beides ist
richtig.) Damit begann der Strom oströmischen
Goldes in das Hunnenreich zu Hießen (424), mit
dem das in den archäologischen Funden so
glanzvoll seinen Niederschlag findende „goldene
Zeitalter" begann.
Die Stelle Ostroms in der Geschichte der Hun-
nen nahm im folgenden Jahrzehnt Westrom ein.
Als der Sohn Theodosius' ,,des Großen", Kaiser
Honorius, gestorben war (15. August 423), sa-
hen die militärischen Befehlshaber Italiens, ja
selbst der römische Senat die Zeit für gekom- 32.

men, der Herrschaft des Hauses Theodosius und


der damit einhergehenden, bedrückenden Be-
vormundung durch die östliche Reichshälfte ein
Ende zu bereiten. In Rom wurde ein italischer
Vornehmer, der Senator Iohannes, zum Kaiser
ausgerufen (20. November 423). Dieser übertrug
die Hofmeislerwürde (cura palatii) dem Kom-
mandanten des Hofregiments (comes domesti-
corum), Aetius, einem begabten Offizier, der
in der Zeit um 410 als Reichsgeisel unter den
Hunnen gelebt hatte. Als daraufhin die
Tochter Theodosius' I., die Augusta Galla
Placidia, mit tatkräftiger Unterstützung ihres

47
34.

zum Nachfolger seines Vaters Gaudentius, je­


doch in höherem Rang, zum Militäroberkom-
mandierenden in Gallien ernannt. Der Angele­
genheit setzte die in ein Lustspiel passende Wen­
dung die Krone auf: Die Regierung der Galla
Placidia war gezwungen, sich für die uner­
wünschte „Hilfe" der Hunnen mit einem Tribut
erkenntlich zu zeigen. Die Hunnen waren also
bereits im Jahre 425 in der Lage, sich entschei­
dend in die Innenpolitik des Reiches einzumi­
schen.
Die Hunnen, die die Karriere des Aetius in
Gang gebracht hatten, gelangten ungehindert
nach Italien.
Aus dem Grab 734 des Friedhofs der valeri­
schen Stadt Floriana kamen Solidi des Honorius
(395-423) bzw. des Iohannes (423-425) zusam­
men mit einem Solidus von Theodosius II. aus
dem Jahr 430, der das Zeichen VOT XXX
MVLT XXXX trägt, zutage. Das Grab verweist
auf einen Mann, der im Dienst der Hunnen
stand, der aber auch in Italien gewesen und
sodann an der Steuer des Oströmischen Reiches
beteiligt war. Ein römisches Grab mit Goldmün­
zen (sogar vier zusammen!) als Grabobolus ist
nämlich in Pannonien nicht bekannt. Im Jahr
430 oder kurz danach, d. h. in der „oberen
Schicht" des Friedhofs von Floriana, wurden
nur noch die östlichen Besetzer, die eine Vorliebe
für Gold hatten, beigesetzt (deformierter Schä­
del, begrabenes Pferd usw.), die Bestattung der
römischen Einwohner war zu der Zeit schon
34. Hunnischer Kessel aus Hőgyész im Kapos-Tal endgültig eingestellt.
Den neueren Forschungen zufolge ist mit gu­
Neffen, des oströmischen Kaisers Theodosius tem Grund anzunehmen, daß die Bewohner und
II., im Jahre 424 einen überlegenen Angriff ge­ die Regierung von Valeria Ripensis nach 425
gen Iohannes richtete, eilte Aetius persönlich zu ausgesiedelt und aus ihnen die neue Provinz Va­
den Hunnen um Hilfe, und zwar mit Erfolg! leria Media gegründet wurde, die sich südwest­
Ruga stellte ihm - wie es hieß um eine ansehnli­ lich von Savia, am Ausläufer der Provinz Vene-
che Menge Goldes - bedeutende Kräfte zur Ver­ tia-Hislria, östlich der Iulischen-Alpen, zwi­
fügung, jedoch zu spät. Iohannes wurde in der schen Emona und Siscia befand und um 435
Zwischenzeit gefangengenommen und auf bereits erwähnt wird. Die Umsiedlung der Be­
grausame Weise hingerichtet (Mai 425). Den­ völkerung ist die erste akzeptable Erklärung da­
noch schreckten die oströmischen Generäle da­ für, warum allein Valeria Ripensis im pannoni­
vor zurück, mit dem mit furchterregendem Ge­ schen Gebietskomplex keine Kontinuität in be­
folge drei Tage später in Italien eintreffenden zug auf die römischen Ortsnamen aufweist.
Aetius den Kampf aufzunehmen. Das Regime Aus den strategischen Prinzipien der früheren
der Galla Placidia, das im Namen ihres Sohnes, und späteren Kriege sowie der Forderungen der
des Kindes Valentinianus III., an die Macht Hunnen könnte man folgern, daß die Hunnen
gelangte, einigte sich mit Aetius, bestärkte ihn nach der Besetzung den valerischen Limes zwi­
im Rang eines comes (Grafen), gab ihm große schen Aquincum und der Draumündung liqui­
Besitzungen, und um ihn zu entfernen, wurde er diert, die Befestigungen in Brand gesteckt und

48
zerstört, also ein Grenzödland errichtet hätten. stung auf. Mauern und Innengebäude waren
Dem war aber nicht so. Die valerischen Limes- überall unberührt, aber leer stehengeblieben. Ihr
Befestigungen, die im Verlauf der Angriffe der Zerfall dauerte Jahrhunderte lang. Diese Tatsa-
Sarmaten und Germanen in den Jahrhunderten che allein scheint schon zu beweisen, daß die
davor mehrmals niedergebrannt wurden, weisen Grenzprovinz geräumt - anhand eines Vertrages
diesmal keine Spuren einer gewaltsamen Verwü- - Unter die Herrschaft der hunnischen „Verbün-
deten44 gelangte. Eigene Wachstationen errichte-
16. In Höckricht in Schlesien kamen zusammen mit einem
Bronzekessel und einer Bronzeschüssel hunnenzeitliche
ten die Hunnen nur an einigen wichtigen Stellen
Schmuckstücke zutage: zellenverzierte Goldschnallen, des Donau-Limes (bespielsweise in Intercisa, das
aus Goldblech gepreßte Riemenzungen und für einen weiten Ausblick bot, oberhalb eines Fluß-
Schnallenbeschlagplatten ausgeschnittene, mit Edel- überganges).
steinen verzierte Goldbleche Anhand des kaum zufälligen Zusammenfal-

49
35.
Theiß, zwischen den Flüssen Körös und Maros.
Hier begannen die Hunnen, den neuen königli-
chen Ordu auszubauen.
Wegen der Umgruppierung der hunnischen
Hauptkräfte waren die Oströmer gezwungen,
wirksame Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Sie besetzten die zum Weströmischen Reich ge-
hörende Provinz Pannonia Secunda (Syrmien).
von wo sie die in weströmischem Dienst stehen-
den „barbarischen" (darunter auch hunnischen)
Föderaten-Truppen vertrieben. Sie schoben also
ihre Grenze bis zum batschkaer-syrmischen Do-
nauabschnitt vor, der militärisch gut zu verteidi-
gen war. und besetzten im Jahre 427 die den
wichtigen Save-Übergang schützende Kaiser-
stadt Sirmium (Sremska Mitrovica). Der weströ-
mische Kaiser Valentinianus III. bestätigte erst
zehn Jahre später, gelegentlich seines Besuches
und seiner Trauung in Konstantinopel, diesen
nicht gerade freundschaftlichen Akt (Oktober
437).
Inzwischen nützte Aetius seine hunnischen
Geschäftspartner großartig aus, fast Jahr für
Jahr erschienen hunnische Hilfstruppen in Gal-
lien. In den Jahren 425-427 warfen sie die immer
aggressiver auftretenden Wisigoten zurück, die
425 bereits die hochwichtige Großstadt Arelas
(früher Arelate, heute Arles) angriffen. 428
35. Hunnischer Kessel mit erhalten gebliebenem Fuß- zwangen sie die den nördlichen Teil der Provinz
ring aus der Umgebung von Várpalota verheerenden ripuarischen Franken zur Treue
oder vertrieben sie ans jenseitige Ufer des
lens von archäologischen, numismatischen und Rheins, um 429/430 griff Oktar/Uptar, der Bru-
historischen Angaben ist es heute schon mehr als der und Heerführer Rugas, die am rechten Rhein-
wahrscheinlich, daß der einstige Sarmaten- ufer lebenden Burgunden an (er starb im Laufe
Limes, die Donauübergänge und die Provinz dieses mißlungenen Feldzuges). Wäre dies so
Valeria Ripensis selbst Ruga und seinen Hunnen weitergegangen, hätte Aetius mit Hilfe der Hun-
als Gegenleistung für die wirksame militärische nen in wenigen Jahren Nordgallien von jenen
Hilfe im Jahr 425 und in der Zeit danach „ge- germanischen Heerscharen befreit, die zögerten,
schenkt" wurden. Es handelte sich dabei entwe- die Oberherrschaft Roms anzuerkennen.
der um einen im voraus ausgehandelten Preis, Ende 429 wurde Aetius jedoch durch die am
den Johannes und sein Vertrauensmann Aetius weströmischen Hof wütenden inneren Macht-
bezahlten, oder um den Lohn für den Auszug kämpfe vom Schauplatz seiner Erfolge entfernt,
der Hunnen aus Italien, den bereits die Regie- nach Italien befohlen und „nach oben gestürzt":
rung von Valentinianus III. entrichtete. Er wurde zum Oberbefehlshaber der Armee
Eng mit diesem Ereignis hängt der Ausbau (magister militum et utriusque militiae dux) er-
des neuen hunnischen Machtzentrums zusam- nannt. Sein Gegner, der Patrizier Flavius Felix,
men. Nicht allzuweit von den Grenzen der bei- stürzte jedoch im Laufe dieser Intrige, die Macht
den Reichshälften entfernt, am Schnittpunkt der
nach den beiden Hauptstädten führenden Stra- 36. Der bisher größte und am reichsten verzierte
ßen, aber doch an einer Stelle, die gut verleidigt hunnische Kessel, Törtel
werden konnte: im Herzen des Donaubeckens.
Dieses Zentrum lag im Flußgebiet der mittleren 37.-38. s. Farbtafeln XIV-XV

50
36.

51
39.

zum Patricius ernannte comes Bonifatius und


seine afrikanischen Truppen besiegten Aetius
und die ihm treu gebliebenen Soldaten bei Ari-
minium (Rimini). Aetius versuchte zuerst in
Rom Hilfe zu erhalten, floh aber dann mit sei-
nem Sohn nach Dalmatien und von dort über
Pannoniae (also über die pannonischen Provin-
zen) an den hunnischen Hof. Ruga gewährte ihm
abermals Hilfe. Auch Galla Placidia und ihre
Partei blieben nicht untätig, sie erbaten und er-
warteten von den südgallischen Wisigoten Hilfe.
Die Hunnen waren aber schneller. Sie zerspreng-
ten das kaiserliche Heer, die letzten Elitekräfte
Italiens, und geleiteten Aetius 433/434 bis nach
Rom zurück.
Der weibliche Haß der Kaiserin erwies sich
auch dieses Mal nicht als politischer Meisterzug.
Sie war gezwungen, Flavius Aetius endgültig
nachzugeben, ihn mit der allerhöchsten Würde,
dem Rang eines Patricius, zu bekleiden und ihn
wieder zum militärischen Oberbefehlshaber des
Weströmischen Reiches zu ernennen (434/435).
Während dieser Geschehnisse starb Ruga, der
39. Goldblechverkleidung einer Tierfigur, Árpás-Dombi- zehn Jahre lang treue Verbündete und Freund
föld. Detail des Aetius. Die Rechnung präsentierten seine
Nachfolger Bleda und Attila. Aetius überließ
des Aetius, die ihm nur dem Namen nach zuge- den in Rom verhandelnden hunnischen Gesand-
dacht war, wurde im Mai 430 mit einem Schlag ten 434/435 wahrscheinlich „offiziell" die Pro-
Wirklichkeit. Er nutzte die neuen Möglichkeiten vinz Valeria und zugleich die Provinz Pannonia
sofort, verjagte die in das Reich eingedrungenen Prima (das heutige ungarische Transdanubien).
germanischen Juthungen und stellte die erschüt- Inzwischen entwickelten sich die weströmisch-
terte Römerherrschaft nördlich der Alpen in bei- hunnischen Beziehungen besser denn je. Aetius
den Rätien sowie in Norikum (letzteres ist im ließ sich am Hofe Bledas durch seinen Sohn
wesentlichen das heutige Österreich) wieder her, Carpilio vertreten, er selbst setzte die Säuberung
wohin er auch im folgenden Jahr (431) seine Galliens fort, als ob nichts geschehen wäre.
Truppen zur Niederschlagung eines Aufstandes Nachdem es ihm im Jahre 435 nicht gelungen
führte. Der Grenzschutz am Oberlauf des war, der über den Rhein auf römisches Reichs-
Rheins und der Donau war wieder gefestigt. Für gebiet vorgedrungenen und sich dort selbständig
die Geschichte Pannonia Primas wird es immer gebärdenden Burgunden Herr zu werden, wand-
ein Rätsel bleiben, warum Aetius nicht auch die te er sich wieder einmal an seine hunnischen
Neuorganisierung des Schutzes dieser Provinz Freunde. Deren Hilfe fiel jedoch allzu gut aus.
vornahm: darum, weil es nichts mehr wiederher- 436 oder 437 metzelten sie das Heer der Burgun-
zustellen gab. oder bloß deshalb, weil er auf dem den mit ihrem König Gundicharius (Gundahar,
Höhepunkt seiner neuerlichen Erfolge abermals Gunther) fast bis zum letzten Mann, ab stirpe
gestürzt wurde? nieder. Die erschütternde Niederlage prägte sich
Im Jahre 432 erachteten nämlich Galla Placi- auch in diesem Fall in das Gedächtnis der ger-
dia und ihre Umgebung die Zeit für gekommen, manischen Völker ein und sollte dereinst ihren
mit dem erfolgreichen, immer mehr Macht in Niederschlag im Nibelungenlied finden. An-
seinen Händen vereinigenden Feldherrn endgül- fangs war auch die Hilfe erfolgreich, die die
tig abzurechnen. Man enthob ihn seiner Würde Hunnen dem zweiten militärischen Befehlshaber
als Oberbefehlshaber und übertrug die Führung von Gallien, dem Stellvertreter von Aetius, dem
der Armee Bonifatius, dem dux von Afrika. Der Heiden Litorius, gegen die Wisigoten leisteten.

52
17. Charakteristisch für die barbarischen Goldschmiede-
arbeiten der Hannenzeit var die überreiche Oberflächen-
verzierung. Form und Größe der einzelnen Kastchen-
fassungen paßten sich den Edelsteinen an. (1-2)
Schwertscheidenbesclhäge, (3) Schnallenbeschlag,
(4) Riemendurchzüge eines Lang- oder Kurzschwertes

437 durchbricht der Angriff der hunnischen Rei-


ter des Litorius den Belagerungsgürtel der Heere
des Königs der Wisigoten, Theoderichs I., den
dieser vor fast einem Jahr um Narbona/Narbonne
gezogen hat, und befreit die Stadt. Im folgenden
Jahr drängen Litorius und seine Hunnen die
Wisigoten in einer Reihe von siegreichen
Schlachten in ihre Hauptstadt Tolosa/Toulouse
zurück. Aus dieser Lage erlöst die Wisigoten nur
das persönliche Mißgeschick des Litorius, er
fällt in gotische Gefangenschaft. Unter den
Mauern der Stadt werden auch die Hunnen zu
Leidtragenden der Niederlage des führerlos ge-
bliebenen gallisch-römischen Heeres (439).
Die Bilanz des 15 Jahre dauernden, sonderba-
ren Dreiecks zwischen Aetius, Galla Placidia
und den hunnischen Großkönigen war für das
Weströmische Reich ziemlich niederschmet-
ternd. Aetius, „der letzte Römer", war trotz des
peinlich gewahrten Anscheins letzten Endes eine
Kreatur der Hunnen, ohne die er weder an die
Macht zu gelangen, noch die Macht zu erhalten
vermocht hätte. Die in ihrem Selbstbewußtsein
vielfach gekränkte bigotte Augusta war um
nichts besser; um Aetius zu stürzen, war sie
bereit, sogar mit ihren ältesten Feinden, den
Wisigoten, ein Bündnis zu schließen. Die Folge
ihrer Katastrophenpolitik war der Verlust Nord-
afrikas. Hätte sie ihre Kräfte gegen die Wanda-
len konzentriert, wäre sie mit ihnen fertiggewor-
den. Statt dessen schickte sie die Truppen, die
die afrikanischen Städte bis dahin mit Erfolg
verteidigt hatten, gegen die Hunnen ins Ver-
derben. Nachdem 439 Karthago gefallen war,
konnten selbst die vereinten Kräfte der beiden
Reichshälften die Wandalen nicht mehr bewälti-
gen. Es scheint, Aetius' Politik war die Säube-
rung und Erhaltung Galliens, deshalb hatte er
früher sogar mit den Wandalen einen Waffen-
stillstand geschlossen (435). Für seine bis zur
endgültigen Rückkehr nach Italien im Jahre 441
im Westen errungenen Erfolge mußte er einen
hohen Preis bezahlen: Br mußte auf die Donau-
provinzen verzichten, seine hunnischen Gönner
wurden beinahe Nachbarn Italiens.

53
40/1.
Die Nachfolge ging anscheinend vollkommen
reibungslos vor sich. Im Sinne der Erbfolge wur-
de der Sohn Mundschuks, Bleda, Großkönig der
Hunnen. Es ist daher mehr als wahrscheinlich,
daß der Vorgänger Rugas in der Würde eines
Großkönigs sein Bruder Mundschuk war. Wäre
dem nicht so gewesen, hätte der offizielle Titel
des späteren hunnischen Großkönigs kaum Atti-
la, der Sohn Mundschuks, gelautet. Außerdem
hätte sich Attila durch seinen Gesandten Orestes
dem auf seine Herkunft so stolzen Theodo-
sius II. gegenüber kaum seiner adligen, dem
Kaiser gleichrangigen Abstammung gerühmt
40/2.
und betont, er sei „Nachkomme" des edlen
Mundschuk. Neben Bleda erschien von Anfang
an sein jüngerer Bruder Attila - schon damals
unter diesem Namen - als Fürst der hunnischen
Gebiete im Osten und an der unleren Donau.
In den späteren Quellen, die zum Großteil
zur Zeit der Alleinherrschaft Attilas oder auch
schon nach seinem Tode entstanden waren, ver-
blaßte die zehnjährige Regierungszeit Bledas
fast spurlos, wofür offenbar auch sein Nachfol-
ger gesorgt hatte. Die wenigen zeitgenössischen
Aufzeichnungen berichteten aber genau dar-
über, daß Bleda Großkönig geworden war, Atti-
la wurde überhaupt nicht oder nur an zweiter
40/1.-5. Silberschnallen, Zikadenfibeln und Nieten- Stelle erwähnt. Bleda ließ sich im Ordu Rugas an
köpfe aus Kistokaj der Theiß nieder und dürfte auch für dessen
Ausbau während seiner Regierungszeit gesorgt
Das Zünglein an der Waage schlug eindeutig haben. Der Ordu Attilas befand sich in der Zeit
zugunsten der Hunnen aus. Die Politik des zwischen 434 und 444 irgendwo im Raum des
Weströmischen Reiches hing seit 425 von den heutigen Bukarest-Ploiesti. Aufgrund der sich
militärischen Kräften der Hunnen ab, allein die- entlang des Buzäu-Flusses aneinanderreihenden
se gewannen bei dem eigenartigen Geschäft Ge- hunnischen Funde war der Ordu Attilas wohl
biet, Geld, Beute und Erfahrung. In diesen Jah- eher in der Gegend des heutigen Ortes Buzäu, da
ren bestand nicht nur ihre Kriegskunst, sondern der Königsitz vom Oströmischen Reich aus
auch ihre politische Kunst die Prüfung. am kürzesten über Scythia Minor (Dobru-
Gleichzeitig mit diesem sonderbaren weströ- dscha) erreichbar war. Im Jahre 441 legte ei-
misch-hunnischen Idyll rückte auch das oströ- ne oströmische Gesandtschaft den Weg bis
misch-hunnische Verhältnis wieder in den Vor- Odessus (Varna) per Schiff zurück und er-
dergrund der Geschichte. Das ein Jahrzehnt lan- reichte die Residenz Attilas von don über die
ge neutrale Verhältnis verschlechterte sich noch untere Donau.
zu Lebzeiten Rugas. Ostrom versuchte sich in Es ist das Verdienst Bledas, des gelassenen
der später von Byzanz so erfolgreich geübten und heiteren neuen Großkönigs, den am Le-
Außenpolitik, im Rücken der Hunnen nach Ver- bensabend Rugas entfachten Streit mit Ostrom
bündeten zu forschen, namentlich unter den durch einen glänzenden diplomatischen Sieg ge-
Stämmen Amilzur, Itimar, Tonsur und Boisk. schlichtet zu haben. Zu den Friedensverhand-
Ruga verwahrte sich mit scharfen Worten und lungen kam es auf „neutralem" Gebiet, auf ei-
schickte seinen Gesandten Esla nach Konstanti- nem Feld zwischen den prächtigen Zelten der
nopel; er fiel zugleich auf der unteren Donau in Hunnenkönige und der gegenüber von Margus
Thrakien ein. Hierbei ereilte ihn der Tod. (früher Margum, heute Orašje bei Dubravica an
54
der Mündung des Morawa-Flusses) gelegenen der erste Punkt des Vertrages - mußten sie alle
römischen Gegenfestung Castra Constantia (auf Deserteure, die vor der hunnischen Herrschaft
byzantinisch (Constantia). Bleda und Attila ver- auf oströmisches Gebiet geflohen waren, auslie-
handelten wortwörtlich „vom hohen Roß" mit fern.
den Oströmern Plinta (Plinthas) (Abb. 13) und Der Friede von Margus (435) war im Grunde
Epigenes, die, um ihr Ansehen zu wahren, ge- genommen ein Friedensdiktat, aber so geschickt
zwungen waren, gleichfalls in den Sattel zu stei- abgefaßt, daß der Bogen in keinem einzigen
gen und in dieser für sie ungewohnten Positur zu Punkt überspannt wurde. Das Ergebnis war die
verhandeln. Sie retteten wirklich nur den Schein, Vermeidung eines Krieges. Bleda und Attila ge-
denn die hunnischen Bedingungen wurden alle wannen freie Hand, sie rechneten mit den oben-
akzeptiert. erwähnten, mit Ostrom verbündeten Stämmen
Im Namen des Reiches verpflichteten sie sich, ab und weiteten ihr Reich bis an die Alpen, den
mit den „barbarischen" Feinden der Hunnen Rhein und das Weichselgebiet aus. Damals kam
zukünftig kein Bündnis zu schließen, erhöhten es auch zur Vernichtung der Burgunden und zur
den jährlichen Goldtribut auf das Doppelte, auf Besetzung von Pannonia Prima.
700 Pfund (fast 229 kg), sie nahmen zur Kennt- Im Oktober 439 nahmen die Wandalen Kar-
nis, für die von den Hunnen entkommenen oder thago, die „Metropole" der Provincia Africa,
auszulösenden Gefangenen pro Kopf acht Solidi ein, wo sie eine bedeutende Flotte erbeuteten.
entrichten zu müssen (auch dies ist das Doppel- Im Frühling des folgenden Jahres trafen ost-
te der früheren Summe), sie verpflichteten sich, und weströmische Armeen zum Schutz von Sizi-
einen öffentlichen Markt zu eröffnen, dessen Si- lien ein, das schon von den Wandalen angegrif-
cherheit von beiden Seiten garantiert werden fen worden war. Kaum hatten die Perser von
sollte, und schließlich - in Wirklichkeit war das dieser Expedition der oströmischen Streitkräfte

40/3.
55
40/4. lac) über die Donau und erstürmten und zerstör-
ten die Stadt. Dann wendeten sie sich die Donau
entlang gegen Westen und nahmen Margus mit
Hilfe des Bischofs dieses Städtchens ein. der aus
Furcht, die Seinen könnten ihn in der Hoffnung
auf Frieden doch ausliefern, sich selbst ergab.
Am südlichen Ufer des Stromes griffen sie weiter
westwärts, in Richtung Illyricum, an. Durch Be-
lagerung nahmen sie Singidunum (Belgrad) ein
und schleppten seine Einwohner in Gefangen-
schaft. Im darauffolgenden Jahr, 441, griff Bleda
abermals im Westen an und eroberte Sirmium
(Sremska Mitrovica), dessen Bewohner das
gleiche Schicksal erlitten wie jene von Singi-
dunum. Nach dem Fall Sirmiums eroberte
Bleda von Süden her die Provinz Pannonia
Secunda.
In der Zwischenzeit überlegte Attila, ob er
sich überhaupt einmischen sollte. Lange nach
Ausbruch des Krieges veranlaßte er brieflich
40/5. Verhandlungen mit der oströmischen Regierung
(Frühling 441). Er erpreßte den Kaiser: „er halte
sein Heer nur ungern weiter zurück", sollte der
seit Kriegsbeginn ausgebliebene Tribut nicht so-
fort entrichtet und erhöht werden. Seine Haupt-
forderung bestand jedoch in der Auslieferung
einiger hunnischer Herzöge und anderer Vor-
nehmer, die er gern in seine Hände bekommen
hätte. Zur Zeit der Eroberung Sirmiums kam
Attila jedoch zu Bewußtsein, daß er im Falle
einer weiteren Nichteinmischung zu spät käme
Kenntnis erlangt, griffen sie das schon seit lan- und bei der Verteilung der Beute übergangen
gem begehrte Armenien an. Ostrom mußte das würde. Er brach daher die Verhandlungen mit
ganze noch greifbare Militär einsetzen. der sich in seinem Ordu unter der Leitung des
All dies blieb natürlich auch den Hunnen kein Senators (des oströmischen Konsuls des Jahres
Geheimnis. Blitzschnell erkannte Bleda, der 436, einem Günstling Attilas, den er auch 449
nicht umsonst der Neffe Rugas war, die Lage zu den seiner würdigen Verhandlungspartnern
und erstürmte mit seinen Truppen die letzte, an zählte) aufhaltenden Gesandtschaft ab und wies
der hunnischen Donauseite gelegene oströmi- ihre fast schon zufriedenstellenden Friedens-
sche Festung Castra Constantia. Garantie hin, und Tributangebote zurück. Attila war zu der
Garantie her, er nahm die gerade dort auf dem Erkenntnis gekommen, daß er allein mit Ostrom
Markt friedlich versammelten Kaufleute gefan- nicht fertig würde, Theodosius II. hatte nämlich
gen. Dies war zwar ein Casus belli, aber noch seine Hauptforderung abgewiesen und war nicht
kein Krieg. Im Laufe der dem tatsächlichen bereit gewesen, die Flüchtlinge auszuliefern. Mit
Ausbruch des Krieges vorangehenden Verhand- „seinem Heer" setzte Attila nun über die untere
lungen versuchte Bleda durch verschiedene Donau und griff nach der Einnahme einiger klei-
Anschuldigungen, die Verantwortung von den nerer Festungen die dichtbevölkerte Stadt Ra-
Hunnen abzuwehren, und zwar mit Erfolg, da tiaria (Artschar), den Schlüssel zu der unteren
die Oströmer, über die unmöglichen Forderun- Donaugegend, mit Erfolg an. Die endlich verein-
gen erbost, die Verhandlungen selbst abbrachen. ten hunnischen Kräfte stürmten und eroberten
Im Herbst 440 setzten die Truppen Bledas bei mit Hilfe der in Ratiaria erbeuteten römischen
Viminacium (auf griechisch Viminakion; Kosto- Kampfmaschinen Naissus/Niš und Serdica/So-

56
18. Vornehme Frau mit Diadem aus Kanattas in Kasachstan.
Ukrainische und ungarische Parallelen zu dem hunni-
schen metallbeschlagenen Gürtel von Kanattas

57
41/1.
41/2-3.

41/1. Silberschnalle aus Szirmabesenyö 41/2.-3. Silberschnallen aus Szirmabesenyö

fia, drangen danach in Thrakien ein und er- eine Niederlage. Theodosius 11. und seine Regie-
oberten Philippopolis/Plovdiv sowie Arcadiopo- rung waren gezwungen, durch Aspar um Frie-
lis. Nur Hadrianopolis/Edirne und das an der den zu bitten.
Küste des Marmarameeres gelegene Heracleia/ Die Friedensverhandlungen leitete der ehema-
Iregli wiesen die Angriffe ab. Der Erfolg war lige Konsul Senator Anatolius, der Oberkom-
enorm, die hunnischen Streitkräfte bedrohten mandierende der Orient-Armee des Reiches. Der
bereits Konstantinopel. Es darf jedoch nicht ver- im Jahre 443 geschlossene „erste Friede des Ana-
gessen werden, daß die Hunnen ihre Erfolge tolius" legte dem Oströmischen Reich schwer-
gegenüber verzweifelt und ohne jegliche Hoff- wiegende Lasten und Verpflichtungen auf: Der
nung auf Entsatz kämpfenden städtischen Mili- jährliche Tribut wurde auf das Dreifache, auf
zen und nicht gegenüber dem oströmischen Heer 2100 Pfund, erhöht. Diese Summe nahmen die
errungen hatten. Doch auch dazu sollte es bald Hunnen als Grundlage bei der nachträglichen
kommen. Wegen der gefährlichen Lage wurde Auszahlung des drei Jahre lang entfallenen Tri-
ein beträchtlicher Teil der von den Wandalen buts des ihrer Meinung nach „aus Verschulden
arg mitgenommenen oströmischen Truppen aus der Römer" ausgebrochenen Krieges. Sie for-
Sizilien zurückbefohlen und unter der Führung derten und erhielten somit 6000 Pfund Gold
des großen Feldherrn Aspar gegen die Hunnen (1962 kg) auf einmal! Der Tarif für die Auslö-
eingesetzt. Aspar erlitt 442 auf dem Chersones sung von Kriegsgefangenen erhöhte sich auf
(Halbinsel Gallipoli/Gelibolu) in der ersten offe- zwölf Solidi, und wenn die Römer diesen Betrag
nen Schlacht zwischen Hunnen und Römern für die aus der Gefangenschaft Geflohenen nicht

58
entrichteten, waren sie verpflichtet, die Betref- ihrer Ausbrüche nicht allein römische Kriegsge-
fenden zurückzuschicken. Der Friedensvertrag fangene befreit, sondern sogar Hunnen gefan-
verpflichtete die Römer ferner zur Auslieferung gengenommen. Attila drohte, seine Armee nicht
der hunnischen Deserteure, aber auch dazu, De- zurückzuziehen und den Friedensvertrag nicht
serteuren und Flüchtlingen in Zukunft kein Asyl zu bekräftigen, falls Asimus nicht bestraft wür-
mehr zu gewähren. Diese Bedingungen waren, de. Die Einwohner von Asimus seien dazu zu
wie das die Folgen zeigen sollten, undurchführ- verpflichten, die hunnischen Gefangenen auszu-
bar. liefern und Lösegeld für die von ihnen befreiten
Nur eine besondere Forderung Attilas ver- römischen Gefangenen zu zahlen; er forderte
mochte Anatolius nicht zu erfüllen. Die löwen- also von Asimus noch zusätzliches Geld. Anato-
mutigen Bewohner des an dem in die untere lius selbst und Theodolus, der Militärkomman-
Donau mündenden Flusses Osima/Osm gelege- dant von Thrakien, flehten die Bewohner von
nen befestigten Städtchens Asimus oder Ase- Asimus an - umsonst. Die Attila zurückgeschla-
mus/Musaliewo hatten alle Angriffe der Trup- gen hatten, erschraken auch vor Anatolius nicht.
pen Attilas zurückgeschlagen und gelegentlich Ihre Antwort lautete, daß sie die römischen Ge-
fangenen- selbstverständlich - schon längst frei-
19. Hunnische Frauenbestattung mit einem Diadem auf der gelassen, die hunnischen hingegen getötet hat-
Stirn aus Schipowo ten. Mit Ausnahme von zweien, die sie gegen

59
zwei von den Hunnen verschleppte Asimunter
Knaben auszutauschen geneigt wären. Nach-
dem Attila eingesehen hatte, daß er gegen Ast-
mus nichts auszurichten imstande war - die bei-
den Asimunter Knaben konnten die Hunnen
nirgends finden -, war er gezwungen, nachzuge-
ben und sich damit zu begnügen, daß die Bewoh-
ner von Asimus die zwei hunnischen Gefange-
nen großmütig freiließen. Ein derartiger Verlust
an Ansehen konnte jedoch nicht vergessen wer-
den!
Der Krieg und der darauffolgende Friede der
Jahre 440-443 waren ein Erfolg Bledas. Ergebnis
des Sieges war die Liquidation des oströmischen
Donaulimes und des Städtesystems, das den zen-
tralen hunnischen Ordu unmittelbar bedroht
hatte. Die Goldpresse erreichte ihren Höhe-
punkt: Die Hunnen sollten aufgrund des Frie-
densvertrages von 443 bis zum Jahre 449 in den
Besitz von 20 700 Pfund Gold gelangen. Attila
vermochte diesen vertraglich zugesicherten Tri-
but um kein einziges Pfund mehr zu erhöhen, ja
in seinen letzten vier Lebensjahren verlor er die-
sen sogar ganz; und eben dieser Umstand zwang
ihn zu immer erbitterteren Kämpfen. Aber auch
das Hunnenreich erreichte fast schon seine größ-
te Ausdehnung in Europa - Attilas Kriege soll-
ten es um keinen einzigen Quadratmeter mehr
vergrößern. Das bedeutendste Ereignis war je-
doch, daß Bleda die Erfolge durch regelrechte,
von beiden Seiten sanktionierte Friedensverträ-
ge sicherte.

20. Hunnische Frau mit Diadem aus Werchneje


Pogromnoje

60
Attila gelangt an die Macht

Die aufwärtsstrebende Periode der hunnischen machten mit den beiden keine Umstände und
Großmacht wurde von einem tragischen Er­ pfählten sie - auf dem flachen gegenüberliegen­
eignis unterbrochen. Attila lockte - gestützt auf den Ufer, offenbar auf Befehl ihres Herrn - vor
sein vertrautes Gefolgt und die Waffen seiner im den Augen der Römer, die sie aus der Höhenfe­
Hunnenreich bis dahin von der Macht ausgelas­ stung beobachteten. Die Mitglieder des königli­
senen germanischen Vasallen - seinen Bruder, chen Geschlechtes flüchteten verständlicherwei­
den Großkönig der Hunnen, in eine Falle und se hierauf in noch gröberem Maße. Nach dem
tötete ihn. Bledas „Volk", das heißt die hunni­
schen Elitetruppen, „zwang er, ihm zu gehör­ 42. Krug aus dem Fund von Szirmabesenyö
chen".
Ein unklares Ereignis der hunnischen Ge­
schichte: Wie war es Attila gelungen, Bleda zu
stürzen? Die zeitgenössischen Berichte vermer­
ken nur die Tatsache an sich, fügen aber keinen
Kommentar hinzu. So viel ist jedoch gewiß,
daß der „Putsch" eine Jahrzehnte zurückreichen­
de Vorgeschichte hatte. Der eigene Weg Attilas
in der Politik während des Krieges der Jahre
440-442 ist mehr als auffallend. Die Anfänge
dieses eigenen Weges reichen in die Zeit zurück,
als Bleda und Attila an die Macht kamen. Nach
Rugas Tod und dem folgenden Machtwechsel
flohen zwei Herzöge der hunnischen Herrscher­
dynastie auf oströmisches Gebiet. Mama und
Atakam dürften Söhne eines der Brüder Rugas,
vielleicht die des Oktar - wenn nicht sogar Ru­
gas eigene Söhne - gewesen sein, die, falls etwas
mit Bleda geschehen sollte, die Nachfolge Attilas
gefährdet hätten.
Aufgrund des Friedensvertrages von Margus
lieferten die Oströmer die beiden Herzöge im
Jahre 435 unmittelbar an Attila aus. Die Über­
gabe vollzog sich in der Nähe von Attilas Ordu,
beim Stromübergang der unleren Donau, in
Scythia Minor, der oströmischen Festung Kar-
sium/Carsium (heute Hirşova - früher Harşo-
va - in der Dobrudscha). Die Männer Attilas

61
21. Hunnische Diademe. Die ,,pilzförmigen" Aufsätze am sammenstoß - die Flügel des Vogels waren sorg-
Diadem von Stara(ja) Igren (1) sind den Henkeln hunni- fältig gestutzt worden, ehe man ihm den Hals
scher Kessel ähnlich. Das auf der Stirn eher jungen umdrehte.
Frau mit deformiertem Schädel auf dem Berg Aus den Quellen der Zeit Attilas geht hervor,
Kertsch-Mithridates (2) gefundene, mit doppeltem
Falkenkopf verzierte Diadem ist eines der bedeutendsten
wer seinen Herrn bei der Machtübernahme un-
Exemplare dieser Art terstützte; sie wurden die „Auserlesenen" (loga-
des) des neuen Fürstenhofes, seine „Anhänger
Friedensvertrag von 443 wurden von der Bevöl- und Freunde" (epitedeioi). An der Spitze der
kerung Konstantinopels jene fürstlichen Ver- „Auserlesenen", der Elite, d. h. der Hocharisto-
wandten erschlagen, deren Auslieferung Attila kratie, stand ein Geschwisterpaar unbekannter
bereits 441 gefordert hatte, die aber jetzt dem Herkunft, Onegesius und Scotta(s). Ihrem Na-
kaiserlichen Befehl zur Heimkehr nicht nachge- men nach waren sie hellenisierte Barbaren aus
kommen waren und damit den mühevoll wieder- der Pontusgegend, die Griechisch, Lateinisch
hergestellten Frieden gefährdeten. Die gnaden- und Hunnisch gleich gut konnten. Onegesius
lose Verfolgung des königlichen Geschlechts der bekleidete nach Attila die höchste Würde, er war
Hunnen war von Anbeginn Attilas Werk, und gewissermaßen „Großwesir", der auch in seinem
sie hörte eigentlich nie auf. Zwischen 443 und eigenen Gefolge gern aus der Gefangenschaft
445 belästigte Attila auch weiterhin mit einem befreite Griechen und Lateiner sah. In der Nähe
Heer von Gesandten in dieser Angelegenheit den seines Holzpalastes ließ er sich von einem sir-
Hof in Konstantinopel. Er bereitete also syste- miensischen Meister ein Bad erbauen, da er den
matisch seine Alleinherrschaft und die seiner gewohnten antiken Komfort nicht missen konn-
Familie vor. Sein letztes Opfer war Großkönig te. Sein Bruder Scotla(s) prahlte damit, ein inti-
Bleda, den Attila Ende 444 oder Anfang 445 mer Freund Attilas zu sein. Tatsächlich hatte ihn
eigenhändig ermordete. Es gab also keinen Zu- Attila schon im Jahre 443 nach Konstantinopel

62
gesandt, um die Auslieferung der geflohenen Edika, der Kommandant der skirischen
Verwandten und ,,Fürsten" zu betreiben und „Hoftruppen", lagerte mit seinen Mannen ver-
vertraulich abzuwickeln. Dieser Mann war der mutlich in der Nähe des zentralen Ordu; durch
Anführer des Gefolges Attilas und vielleicht sein seine Bestechung sicherte Attila den Überra-
früherer „Großwesir" an der unteren Donau. schungseffekt. Edikas Rolle bei der Ermordung
Ein weiterer „Auserwählter" Attilas an der unte- Bledas dürfte auch am Hof von Konstantinopel
ren Donau dürfte Berichus gewesen sein, dessen wohl bekannt gewesen sein, sonst hätte man
Herkunft ebenfalls unbekannt ist. Mit ihnen kaum gerade ihn später mit einem Attentatsplan
gleichen Ranges waren nur die Familienmitglie- gegen Attila betraut. Für die mililärische Über-
der Attilas, sein Onkel Ajbars und Laudarich macht sorgte der Gepidenkönig Ardarich. Die
(Laudaricus) mit seinem „gotischen", in Wirk- potentielle Energie der starken, gutbewaffneten
lichkeit aber ostgermanischen Namen, dessen Kriegsmacht der „wilden" Gepiden, die in un-
Endung rik (gotisch reiks, ausgesprochen riks = mittelbarer Nähe im Norden des Hunnenzen-
lateinisch rex, König) darauf verweist, daß er trums lebten, trat schon damals zutage. „Arda-
mit großer Wahrscheinlichkeit der wahre König rich war der berühmteste König, der wegen sei-
eines mit den Hunnen verbündeten ostgermani- ner Treue zu Attila auch an dessen Beratungen
schen Volkes war, vielleicht der andere König teilnahm. Der mit einem scharfen Verstand ab-
der Gepiden, die bis um 500 nachweislich mehr- wägende Attila war ihm nämlich unter sämtli-
mals unter zwei Königen lebten. chen Königen am meisten zugetan; Ardarich
Diese zweifellos getreuen Männer wären Atti- machten seine Treue und seine Ratschläge be-
la jedoch höchstens im offenen Kampf von Nut- rühmt." - So lautet die Charakteristik des Jor-
zen gewesen, zu einer überraschenden Macht- danes, der einen Auszug der unter Verwendung
übernahme waren sie ungeeignet. Das Überra- von Angaben des Zeitgenossen Priscus verfaßten
schungsmoment und militärische Übergewicht gotischen Geschichte des Cassiodorus anfertig-
gewährleisteten die germanischen Vasallenköni- te. Aus dem Zitat ist bloß die linkisch formu-
ge. Von diesen dürften zwei Männer beim An- lierte und schlecht gelungene Einfügung des
schlag auf Bleda die Hauptrolle gespielt haben: Liebhabers der gotischen „Nationalgeschichte"
Edika und Ardarich. weggelassen worden, wonach nämlich Attila
auch dem Ostrogotenkönig Valamer „am mei-
43. Schwertscheidenverzierung, Pécs-Üszögpuszta sten" zugetan gewesen sei. Wir verfügen über

43.
63
44.

führten den Anschlag aus. Die kriegsfreundli­


chen Mitglieder des hunnischen Hofes, in erster
Linie der ältere Bruder von Scotta, Onegesius,
dann Esla, Rugas Vertrauter, und der in der
südlichen Tiefebene begüterte hunnische Groß­
herr Eskam, gingen zu Attila über. Die unter
deren Führung stehenden oder die ihrer Führer
soeben beraubten hunnischen Truppen wollten
oder konnten sich nicht einmischen. Es schlos­
sen sich auch Römer an, unter ihnen der panno-
nische Constantiolus, mit dem sich fortan Rusti-
cius, der aus Moesia Prima (dem heutigen Ser­
bien) stammende, vom Kriegsgefangenen des
Jahres 441 emporgestiegene Sekretär Attilas, die
Kanzlei- und Dolmetschaufgaben teilte. Die we­
nigen am Leben gebliebenen Getreuen Bledas
kamen während der Flucht um ; so zum Beispiel
jener Würdenträger, der auf dem heutigen Ge­
biet von Hódmezővásárhely-Szikáncs ursprüng­
lich vielleicht 1440 Goldmünzen (heute sind da­
von 1439 erhalten) im Gewicht von 20 römi­
schen Pfund (gegenwärtig 6446 g) vergraben
hatte. 17 Prozent des zu 97 Prozent aus den
Solidi von Theodosius IL bestehenden Schatzes
waren neugeprägte Solidi aus dem Jahr 443;
diese gelangten zusammen mit den den Großteil
des Schatzes ausmachenden früheren, aber meist
nicht in Umlauf gebrachten Prägungen (offen­
44. Speerspitze, Pécs-Üszögpuszta
bar mit dem Goldregen als Folge des Friedens­
schlusses von 443) in die Hände von Bleda und
keinerlei Angaben, daß auch der Gote Valamer
seinen Getreuen. Der Goldschatz wurde, wie
eine besondere Rolle am Hof Attilas gespielt
dies der einzige im Fund vorkommende Solidus
habe. Tatsache ist zwar, daß, von Attila „ge­
aus dem Jahr 443/444 oder vielleicht schon 444
wählt", an der Spitze der Ostrogoten, die vierzig
beweist, zur Zeit von Bledas Sturz verborgen;
Jahre lang keinen König hatten, gerade nach 445
vielleicht gar nicht weit vom fürstlichen Ordu...
der nur einen Namen tragende Valamer/Valamir
Der Münzhort von Szikáncs, dieser großarti­
(was soviel bedeutet wie „von gutem Ruf") auf­
ge archäologische Beweis für den Attila-Putsch,
taucht, dessen Recht und Pflicht es nun sein
wirft das Problem des Standortes der Residenz
wird, sein Volk in die Kriege Attilas zu führen.
Attilas auf. Mehrere namhafte Historiker be­
Dies sollte jedoch für die moderne deutschspra­
streiten nämlich leidenschaftlich die Annahme,
chige Geschichtsschreibung noch kein Grund
die Residenz Attilas sei mit dem Ordu Rugas
sein, Rolle und Bedeutung von Ardarich und
und Bledas in der Theißgegend identisch gewe­
Valamer gleichsam zu vertauschen. Auch Arda­
sen ; ihrer Ansicht nach haben Priscus und ande­
rich war ein Neuling an der Spitze der Gepiden
re oströmische Gesandte Attila n der rumäni­
und gehörte nicht der früheren Dynastie von Fa­
schen Ebene aufgesucht. Diese irrtümliche Mei­
stida an. Rätselhaft ist, welche Rolle die Aktion
nung ist begründet, wohnte doch Attila, wie
gegen Bleda bei Ardarichs unglaublich raschem
bereits erwähnt, vor 445 tatsächlich zwischen
Emporkommen spielte und ob er wohl schon
der unteren Donau und den südöstlichen Karpa­
vorher Führer der Gepiden war.
ten. Außerdem ist in einer Episode des Reisebe­
Der Putsch kann also im großen und ganzen richtes von Priscus tatsächlich davon die Rede,
rekonstruiert werden. Ardarichs Gepiden hiel­ daß die Gesandten, nachdem sie Naissus (Niš)
ten den Ordu Bledas in Schach, die Skiren Edi- verlassen hatten, ein Stück Weges der aufgehen-
kas überfielen ihn, Attila und sein Gefolge aber

64
45.

45. Pferdetrense mit eisernem Mundstück und gold- Viel später erreichten die Gesandten in der Mitte
blechverkleideten Knebeln, Pecs-Üszögpuszta einer „völlig baumlosen" Ebene den Ordu, in
dem Onegesius neben dem königlichen Palast
den Sonne entgegenzogen. Aber nur, weil der vorher ein mächtiges Bad hatte errichten lassen,
Weg eine Wendung machte, worauf bereits Pris- zu dem die Steine, das Holz und der Meister aus
cus selbst gekommen war! Denn von Niš gerade- „Pannonien", der nächstgelegenen römischen
wegs nach Bukarest zu reisen, ist am Schreib- Provinz, herangeschleppt worden waren Bei
tisch leicht möglich, tatsächlich jedoch sehr um- diesem Ansitz kann es sich daher nur um den
ständlich. allen, zentralen Ordu handeln, den Aetius und
Hinsichtlich der Lage von Attilas königlichem sein Sohn Carpilio „über Pannoniae" erreich)
Ordu liefert gerade Priscus unzweideutige Anga- hallen und zu dem Attila nach seinen westlichen
ben, von diesen kann keine einzige auf die rumä- Feldzügen „nach Überquerung der Donau" zu-
nische Ebene bezogen werden. Nach Überque- rückgekehrt war.
rung der Donau zogen die Gesandten gegen Die genaue Lage des Ordu kann aufgrund der
„Norden" in das Innere des Landes. Unterwegs Angaben des Priscus nicht bestimmt werden.
stiegen sie neben dem Dorf einer der Frauen Auch aus der Anzahl der Tage des zurückgeleg-
Bledas ab. Die Frauen des ermordeten Großkö- ten Weges der Gesandtschaft kann nicht auf die
nigs hatten demnach ihre Besitzungen und ihren Entfernung von der Donau geschlossen werden,
Rang behalten. Mit großer Umsicht half die die Lage kann aber auch nicht mit Hilfe jener
Königin den in Not geratenen Oslrömern, deren
Lager am Seeufer in der Nacht vom Sturm zer- 22. Die Parierstangen und Scheiden der Schwerter vor-
stört worden war. Dieser seeartige große Sumpf nehmer hunnischer und alanischer Krieger wurden auf
ist noch auf der um 1514 angefertigten Karte der Schauseite mit Goldblechen und zellengefaßten
Ungarns des Lazarus zu finden, und zwar im Steinen verziert; (1) Pokrowsk, (2) Dmitrowka,
heutigen Banat; später verschwindet er langsam. (3) Kisslowodsk. (4) Abrau-Dürso

65
66
67
23. Metallblechbesätze vom Holzsattel der Hunnen mit
hohem vorderen und hinteren Sattelbogen. Die frühe-
ren, auf technische Beobachtungen zurückgehenden
(1. Pécs-Üszögpuszta) und die neuen, sich auf Crabungs-
ergebnisse stützenden (2. Melitopol) Rekonstruktions-
versuche stimmen überein

68
Flußnamen erschlossen werden, die Priscus auf- Urzeiten unter dem Namen Crissos/Crisia be-
gezeichnet hat. Diese sind nach der Donau der kannten Körös-Fluß nicht überquerten (an des-
Reihenfolge nach: Drekon, Tigas und Tiphesas. sen jenseitigem Ufer sich auch, den archäologi-
Keiner dieser Flußnamen ist aus anderen Quel- schen Funden zufolge Gepidien befand), wäh-
len bekannt. Jordanes „germanisierte" 100 Jahre rend sie über den seinerzeit unterhalb der heuti-
später einen von diesen als „Drinka", zwei hin- gen Stadt Arad sich mehrfach verzweigenden,
gegen „deutete er ura": Tisia = Tisza (Theiß) offenbar mit verschiedenen Namen bezeichneten
und Tibisia = Temesch. Er führte die Flüsse Fluß Maris/Maros auch kommen konnten, ohne
auch in einer anderen Reihenfolge an als Priscus, daß ihnen die wahre Bedeutung des Flusses auf-
der diesen Weg tatsächlich zurückgelegt hatte. gefallen wäre.
Die Residenz Attilas erreichten die oströmi- Etwa in der Mitte der ausgedehnten Lager-
schen Gesandten nach einem als erste Etappe stadt auf einer Anhöhe (wahrscheinlich auf ei-
der Strecke geltenden, von der Donau sieben nem der in der Tiefebene üblichen Siedlungshü-
Tage dauernden Weg, dann nach Überquerung gel aus der Urzeit) stand der Fürstenpalast mit
mehrerer, dem Namen nach nicht bezeichneter offener Vorhalle, ein aus Balken und gehobelten
Flüsse am Ende eines weiteren Weges von unbe- Brettern erbautes Meisterwerk. Seine mit Holz-
stimmter Dauer. Gewiß ist nur, daß sie den seit türmen verzierte hohe Einfriedung, die einen
weiten, großen Hof umschloß, wurde auch von
24. Pferdegräber mit Sattelbrettbeschlägen ab Belag für den byzantinischen Gesandten bewundert. In
die Rekonstruktion hunnischer Sättel. Abrau-Dürso der Nachbarschaft befand sich der Palast des

69
47.
46.

48. 49.
70
46. Goldblechverkleidung eines Sattelbrettes, der sein Ruhm noch seine bestürzende Persön­
Pécs-Üszögpuszta lichkeil berechtigen also dazu, das hunnische
Zeitalter heutzutage einfach als „Attilazeit" oder
47. Goldblechverkleidung eines Bogenendes, „Attilas Jahrhundert" und das Hunnenreich als
Pécs-Üszögpuszta „Attilareich" zu bezeichnen.
Attila war an die Macht gelangt, doch seine
48. Pferdegeschirrdekor, Pécs-Üszögpuszta Auserwählten und Getreuen sowie die germani­
schen Vasallenkönige, die ihm dazu verholfen
49. Goldblechanhänger eines Zaumzeuges, hatten, warteten auf ihre Belohnung, ja erwarte­
Pécs-Üszögpuszta ten diese direkt. Die Machtgier der pontischen
(untere Donau) Clique, der Gold-, Schatz- und
Onegesius, dessen Einfriedung jedoch nicht mit Besitzhunger der germanischen Militärführer,
Türmen verziert war. Entfernter stand der einge­ die bisher von der Macht ausgeschlossen gewe­
friedete Aul Arykans, der Gattin Attilas, inner­ sen waren, konnte nur auf eine Weise befriedigt
halb dem sich zwischen zahlreichen Bretterbau­ werden: durch Raubfeldzüge und durch eine die
ten der aus Balken gebaute hohe, mit Holzarka­ Besiegten belastende Steuerschraube.
den verzierte, turmartige Palast erhob. Der Fuß­ Die germanischen Könige erkannten schon zu
boden des Empfangssaales war mit weichen Beginn der Herrschaft Attilas, daß dessen maß­
Teppichen ausgelegt, auf denen die im Dienst lose Eitelkeit Anbiederungsversuche begünstig­
Arykans stehende Mädchenschar saß und die te. Durch die bewundernswerte Zusammenar­
von den Hunnen getragenen bunten Leinen beit einer Kuh und eines Hirtenknaben „fanden
stickte. sie" für ihn das bis dahin im Boden vergrabe­
Mittelbar weisen auf den Ordu die östlich der ne Schwert des Kriegsgottes (Ares, Mars). Mit
Theiß, an leider nicht näher bekannten Stellen Glaube und Legende halfen sie dem abergläubi­
gefundenen orientalischen Münzen hin: Gold­ schen Hunnenfürsten, auch selbst immer mehr
münzen des sassanidischen Großkönigs Vara- an die göttliche Herkunft seiner Macht und an
khran V. (420-438), des Kuschanschahs Kidara seine weltbeherrschende Sendung zu glauben.
(425-430) und des indischen Herrschers Kuma- Die Macht mußte nicht nur verschafft, sie
ragupta (414-455). Außer der „Hauptstadt" be­
saß Attila (und vor ihm Bleda) auch anderwärts 50. Goldene Riemenzungen, Pécs-Üszögpuszta
Auls und Paläste, doch ist uns über diese noch
weniger bekannt. Einer dürfte sich aber in Sie­
benbürgen im Tal des Maros-Flusses befunden
haben, da in Szászsebes (Mühlbach, Sebeş) ein
Flüchtling Goldmünzen von Varakhran V. ver­
grub, vielleicht gerade zur gleichen Zeit, als die
oströmischen Solidi von Szikáncs in die Erde
kamen.
Der im Jahre 445 zum Großkönig gewordene
Attila herrschte insgesamt nur acht Jahre lang,
auf seine nur „kurze Zeit" währende Herrschaft
spielt 449 auch Orestes' Schwiegervater, Romu­
lus comes, in einem Gespräch mit Priscus und
Constantiolus an. Und obwohl er selbst wie
auch seine Getreuen seine Herrschaft von 434 an
rechneten und später auch die Oströmer, die sich
schon zu jener Zeit, als Attila noch Zweitfürst
war, zumeist mit ihm abgeben mußten, geneigt
waren, den Beginn seiner Herrschaft bis zu die­
sem Zeitpunkt zurückzuführen, ändert das
nichts an der Tatsache, daß Attila kürzere Zeit
Großkönig war als jeder seiner Vorgänger. We-

50.
71
25. Elektronschale aus dem Opferfund von Nagyszéksós Zufall, daß zur zentralen Gestalt der deutschen
(Rekonstruktion) Heldensagen der etwas schwachsinnige, aber um
so freigebigere Etzel wird, der edelmütige
mußte auch erhalten werden, indem man die Freund der verschiedenen germanischen Könige
Getreuen immer öfter belohnte. Attila wurde und Fürsten. Allerdings nicht aller. Denn auch
daher um jeden Preis und unter jedem Vorwand der Atli der Sagen ist eine zentrale Figur, jedoch
Kriege beginnen, die anfangs einträglich sein grausam und goldgierig. Die Erinnerungen der
und die germanische Militäraristokratie, die die „großen" und „kleinen" Verbündeten haben in
Herrschaft Attilas unterstützte, wahrhaftig er- den zwei verschiedenen Attilas den wahren einen
höhen und in Gold kleiden sollten. Es ist kein Attila bewahrt.

72
Attila

„Während wir uns vorbereiteten, ließ uns Attila nuchen, einen Mordanschlag gegen ihn vorbe-
durch Scotta(s) rufen. Wir ei ten zu seinem Zeit, reitete, er wußte aber auch, daß der vor ihm
das von barbarischen Leibwächtern umgeben stehende und ihn soeben höflich begrüßende
war. Als wir eintraten, saß dort Attila auf einem vornehme Herr sowie dessen ihm ähnlicher Se-
hölzernen Thronsessel. Während wir etwas wei- kretär keine Ahnung von den dunklen Absich-
ter, dem Thron gegenüber stehen blieben, trat ten ihres Ministers hatten. Seine als nichtssagen-
Maximinus vor, begrüßte den Barbaren und de Höflichkeitsfloskel anmutende Antwort war
überreichte ihm den Brief und die Grüße des ein politischer Kunstgriff, dessen wirkliche Be-
Kaisers: der Kaiser hoffe, daß Attila und die deutung selbst Priscus erst später begriff. Doch
Seinen wohlauf und gesund seien. Er antwortete, wenden wir uns dem Fortgang des Geschehens
daß er den Römern das gleiche wünsche wie zu : „Dann wandte er sich plötzlich zu Vigila,
diese ihm ..." nannte ihn ein schamloses Tier und fragte ihn,
Nichtssagender könnte man diesen histori- weshalb er hergekommen sei, er müßte ja die mit
schen Augenblick kaum noch beschreiben: die Anatolius geschlossene Friedensvereinbarung
Begegnung Priscus' mit jenem Mann, der sich genau kennen, wonach er so lange keine Ge-
schon damals als „der Größte der Götter" pries, sandtschaft empfangen werde, bis der letzte Ent-
beziehungsweise das Zusammentreffen des kommene nicht ausgeliefert sei ..." Auf die Um-
nichtsahnenden Attila mit dem Geschichts- schweife machende Antwort Vigilas „wurde At-
schreiber, dem er seine Unsterblichkeit verdan- tila noch zorniger und brüllte ganz außer sich,
ken sollte. Keiner der beiden war sich der Bedeu- er würde ihn pfählen und seinen Leib den Vö-
tung des anderen bewußt, die Zeitgenossen, die geln vorwerfen lassen, müßte er nicht die den
späteren Großen der Weltgeschichte, sahen ein- Gesandtschalten zukommenden Rechte berück-
ander immer als leibhaftige Menschen. Priscus sichtigen. Wegen seiner Unverschämtheit und
war „von dem Barbaren" so wenig beeindruckt, seiner verwegenen Worte verdiene er nichts an-
daß er jegliche Beschreibung seiner charakteri- deres!" Doch dachte Attila keineswegs daran,
stischen Züge unterließ und dies auch später seine Worte in die Tat umzusetzen ! Auch wenige
nicht nachholte. Dennoch findet sich in der Be- Wochen später nicht, als er Vigila des Attentats-
schreibung der Begegnung ein meisterhaft dar- planes öffentlich überführt hatte. Das Ganze
gestelltes Detail. Attila erblickte hinter Maximi- war ein Schauspiel, eine geheuchelte Entrüstung,
nus und neben Priscus den Goten Vigila, den aber eine so vollkommene, daß sie sowohl seine
hinterlistigen oströmischen Agenten, der die Ge- Untertanen als auch seine Freunde verwirrte
sandtschaft als Dolmetscher begleitete und den und in Schrecken und Ungewißheit versetzte wie
auch Priscus aus tiefster Seele verachtete. Vigila das Löwengebrüll die sich vor Schreck drücken-
war schon ein Jahr zuvor, in Begleitung des den und dann aus ihrem Versteck auseinander-
Senators Anatolius, am hunnischen Hof gewe- stiebenden Huftiere. Betrachten wir die genaue
sen. Attila wußte, daß Vigila eben jetzt im Auf- Charakterisierung Attilas durch Jordanes, der
trag des Oberministers Chrysaphius, eines Eu- diese wahrscheinlich dem in Verlust gerate-

73
51.

51. Goldblechbeschlag von der Vorderseite einer der Befehle Attilas. Es genügte, mit den Augen
Schwertscheide, Pécs-Üszögpuszta zu winken, und schon traten sie alle, ohne aufzu-
mucken, ängstlich und zitternd vor ihn und taten
nen Teil des Werkes von Priscus entnommen alles, was er befahl." Die unmittelbaren Nach-
hat: kommen bemerkten also richtig, daß zu Lebzei-
,,Ein Mann, der zur Erschütterung der Völ- ten Attilas „sich kein einziges skythisches Volk
ker, zum Schrecken der ganzen Well geboren von der Hunnenherrschaft befreien konnte".
wurde, vor dem sich jedermann wegen der über Priscus hatte noch mehrmals Gelegenheit, At-
ihn verbreiteten schrecklichen Nachrichten tila genauer zu beobachten: „Nachdem wir über
fürchtete. Er ging hochmütig einher, seine Au- einige Flüsse gesetzt hatten, gelangten wir zu
gen funkelten, er ließ seine stolze Macht auch einem ausgedehnten Dorf, in dem sich der Palast
durch die Bewegungen seines Körpers fühlen. befand, von dem es hieß, er sei vorzüglicher als
Obwohl er den Kampf über alles liebte, handelte jeder andere Wohnsitz Attilas." Beim Eingang
er doch wohlüberlegt, das meiste erreichte er mit des Dorfes wurde Attila von jungen Mädchen
seinem Verstand. Den Flehenden gegenüber begrüßt. „In breiten Reihen kamen sie ihm unter
zeigte er sich mitleidig und war gnädig gegen- flatternden weißen Leinendraperien entgegen,
über allen, die sich ihm ergaben ... Er war weise die an beiden Seiten von Frauen hochgehalten
und schlau, er griff stets in einer anderen Rich- und gestrafft wurden. Unter jedem Schleier nä-
tung an, als er drohte." herten sich sieben oder noch mehr Mädchen. Es
Auch Priscus nahm wahr, daß Attila Tag für war ein förmlicher Festzug von Frauen und un-
Tag andere mit seiner Gunst auszeichnete, an ter weißen Schleiern einherschreitenden Mäd-
seinem Hof herrschte eine Atmosphäre der Un- chen, die skythische (d. h. hunnische) Lieder
sicherheit. Beim Abschiedsabendessen saß zur sangen. Als er sich dem Haus des Onegesius
Rechten Attilas nicht Ellak, der Thronfolger näherte - der Weg führte am Palast vorbei -, trat
- den sein Vater nicht liebte -, sondern Attilas die Frau des Onegesius mit einer Anzahl von
Onkel, Aybars. Attila zerschmolz förmlich vor Dienern aus dem Haus, die Speisen und Wein
Freundlichkeit und ließ sich während des Mahls brachten: Das ist die höchste Ehrenbezeigung
sogar in ein Gespräch mit Maximinus ein. Zu bei den Skythen. Die Frau begrüßte den König
dem zu Ehren der Gesandtschaften der beiden und bat ihn, von den gastfreundlich angebote-
Römischen Reiche gegebenen Abendmahl wa- nen Speisen zu nehmen. Attila nahm, um der
ren die Vasallenkönige jedoch nicht geladen. Mit Frau seines ihm so nahestehenden Freundes die
ihnen verhandelte Attila auf andere Weise: „Die Ehre zu erweisen, hoch zu Roß von den Speisen,
Gruppe der verschiedenen Könige und die Mili- unterdessen hielten ihm die zu seinem Gefolge
tärführer der Völker harrten, satellites gleich, gehörenden Barbaren ein Silbertablett vor.

74
Nachdem er auch den Wein gekostet hatte, ging niert, wobei es schwierig ist, Inszenierung und
er in seinen Palast, der höher war als die umlie- aufrichtige Begeisterung zu trennen. Eine Aus-
genden Häuser und auf einer Anhöhe stand. ..." nahme bildete vielleicht die Gattin Onegesius',
Die Geschichte lehrt uns, der Spontaneität der die allerdings guten Grund hatte, Attila feierlich
beschriebenen Szene nicht allzuviel Glauben zu zu empfangen. Am gründlichsten aber beob-
schenken. Der feierliche Empfang war gründlich achtete Priscus Attila gelegentlich des ersten
vorbereitet, eingeübt, man könnte sagen, insze- Festmahles : „Sobald wir in unser Zeit zurückge-
kehrt waren, kam der Vater des Orestes [Tatu-
26. Holzschale mit Goldbeschlägen aus dem Opferfund von lus] und sprach : Attila hat euch beide zum Essen
Nagyszéksós (Rekonstruktion) (I). Holzschale mit Elek- eingeladen, das zur neunten Stunde des Tages
tronbeschlägen aus dem Opferfund ton Nagyszéksós (2) [drei Uhr nachmittags] beginnt. Wir warteten bis

75
27. ,,Attilas Münzen". Verschiedene nach dem Muster der mens Berichus saß. Onegesius saß rechts vom
Solidi von Theodosius II. geprägte Goldmünzen aus der Sofa des Königs in einem Armsessel, ihm gegen-
Zeit nach 450 aus Érmihályfalva, Kápolnokmonostor über nahmen die beiden Söhne Attilas Platz. Der
und Bina/Bény älteste Sohn [Ellak] saß auf dem Sofa des Königs,
aber nicht neben ihm, sondern am Rande des
zum angegebenen Zeitpunkt, dann erschienen wir Sofas, und senkte seinen Blick aus Ehrfurcht vor
zwei Geladenen [nämlich Maximinus und Pris- seinem Vater zu Boden.
cus] und die weströmischen Gesandten alsogleich Als alle Platz genommen hatten, trat ein
an der Schwelle Attilas. Die Mundschenke reicht- Mundschenk zu Attila und reichte ihm einen
en uns nach ortsüblicher Sitte einen Kelch, und vollen Holzbecher. Attila nahm ihn und trank
wir mußten den König, bevor wir Platz nahmen, seinem rangältesten Nachbarn zu. Der so Geehr-
mit dem Kelch in der Hand begrüßen. Nachdem te erhob sich und durfte sich so lange nicht
dies geschehen war und wir den Inhalt des Kel- setzen, bis der König den Wein gekostet oder
ches gekostet hatten, begaben wir uns an unseren ausgetrunken und den Pokal dem Mundschenk
im voraus zugewiesenen Platz. Die Stühle reihten zurückgegeben hatte. Alle Anwesenden begrüß-
sich an den beiden Längswänden des Saales, in te er auf ähnliche Weise, während er selbst sitzen
der Mitte [nämlich am Ende des Saales] saß Attila blieb; er nahm die Becher und kostete nach jeder
auf einem Sofa. Hinter ihm befand sich ein zwei- Begrüßung. Jeder Gast hatte seinen Mund-
tes Sofa, dahinter aber führten einige Stufen zu schenk, der jeweils genau in dem Augenblick
Attilas Bett hinauf, das mit weißem Leinen be- hervortrat, als sich der Mundschenk Attilas zu-
deckt und mit bunten Vorhängen geschmückt rückzog. Nachdem er auch den folgenden Mann
war, ähnlich wie bei Griechen und Römern das und der Reihe nach jeden begrüßt hatte, begrüß-
Brautbett. Während des Essens waren die Plätze te Attila, der Sitzordnung entsprechend, auch
rechts von Attila die vornehmeren, die zweitran- uns der Reihe nach feierlich. Als die feierliche
gigen waren die zu seiner Linken, wo wir saßen Begrüßung der Anwesenden beendet war, ent-
und wo vor uns ein skythischer Edelmann na- fernten sich die Mundschenke.

76
Von Attilas Tisch beginnend, reihten sich im Holzbecher. Seine Kleidung war einfach, er war
Saal Tische für drei, vier oder mehr Personen nur auf äußerste Reinheit bedacht. Weder das
aneinander. Von den Tischen konnte jedermann Schwert an seiner Seite noch die Riemenschnal-
ruhig auf seinen Teller nehmen, ohne die Sitz- len seiner barbarischen Stiefel oder das Geschirr
ordnung zu stören. Als erster trat der Diener seines Pferdes waren mit Gold, Edelsteinen oder
Attilas ein, der eine Schüssel mit Fleisch brachte, anderen Kostbarkeiten verziert wie bei den übri-
während die übrigen bereitstehenden Diener gen Skythen.
Brot und sonstige Speisen auf die Tische stellten. Als die ersten Schüsseln leer waren, erhoben
Den übrigen Barbaren und uns wurden auf sil- wir uns alle. Niemand setzte sich, bevor er seinen
bernen Schüsseln köstliche Speisen aufgetragen, Pokal auf Attila erhoben und ihn auf die Ge-
für Attila gab es nichts anderes als Fleisch auf sundheit des Königs geleert hatte. Nach den
einem Holzteller. Auch in allem anderen zeigte Trinksprüchen setzten wir uns und langten nach
er sich bescheiden. Seine Gäste tranken aus gol- dem auf die Tische gestellten zweiten Gang.
denen und silbernen Pokalen, er benutzte einen Nachdem wir alle gegessen hatten, standen wir
abermals auf. tranken auf obige Weise Wein auf
52. Goldene Riemenbeschläge eines Pferdegeschirrs, Attilas Wohl und setzten uns wieder.
Pécs-Üszögpuszta Mit Einbruch der Dunkelheit wurde der Saal

77
hingen am „zusammengeraubten" Gold- und
Silbergeschirr (Abb. 25-26), die der Attila-
Schwärmer hingegen an der finsteren Majestät
ihres Vergötterten. Doch Priscus beschrieb die-
ses Mahl deswegen so eingehend, weil es ihm,
einem Menschen der Antike, der an die in Or-
gien übergehenden Gelage der vornehmen Rö-
mer gewöhnt war, erstaunlich neuartig anmute-
te. Vor allem die unerhört genaue und strenge
Sitzordnung, die genau festgelegte Rang-, Wert-
und Würdenordnung einer differenzierten Ge-
sellschaft. Es ist ausgeschlossen, daß sich diese
während der vier- bis fünfjährigen Herrschaft
Attilas entwickelt hatte. Von uralter Anregung
zeugt noch mehr die strenge Etikette. Sie erin-
nert an die orientalischen Reiche des Altertums,
an die Darstellung feierlicher Gelage auf assyri-
schen, altpersischen und sassanidischen Reliefs
sowie auf kuschanischen und sogdischen Fres-
ken. Diese Etikette hatten die Hunnen nicht von
den Goten und auch nicht von den Römern
gelernt, sondern noch in Mittelasien am Hof der
sassanidischen Großkönige und ihrer Vorneh-
men. Die Hunnen fugten aber auch eigene Vor-
stellungen hinzu. Die vornehmere rechte Seite
des Hausherrn und des Raumes war bei einer
Anzahl eurasischer Steppenvölker bekannt, sie
28. Aureliani/Orléans war Mitte des 5. Jahrhunderts eine ist bis zur letzten Jurte eine noch heute lebendige
die Liger/Loire-Brücke schützende Quadratburg und verpflichtende Vorschrift. Das Zeremoniell
des Eintritts durch die Tür (des Überschreitens
mit Fackeln beleuchtet. Zwei Barbaren traten der Schwelle) erstarrte bei den Mongolen des
vor Attila und trugen selbstkomponierte Lieder Dschihgis-Khan sogar zu einem lebensgefährli-
über die Siege und Heldentaten Attilas vor. Der chen Ritual. Das Auftreten von Sängern, Harle-
Blick der Teilnehmer des Festmahls richtete sich kins und Zwergen war seit Jahrtausenden an
auf die beiden Sänger, einige wurden vom Text Fürstenhöfen bekannt und wird dies auch noch
des Gesanges erheitert, andere, die sich an ihre weitere tausend Jahre hindurch bleiben. Unbe-
Kriegserlebnisse erinnerten, erschütterte das kannt war aber, lachend und weinend zu feiern,
Vorgetragene, die Älteren hingegen, deren Lejb wie das auch bei Attilas Beisetzung geschah.
und Seele vom Alter und von den Erinnerungen Am meisten überrascht in dieser Gesellschaft
bereits geschwächt waren, brachen in Tränen aber die gegenseitige Ehrerbietung, die gegensei-
aus. Als der Gesang verklungen war, erschien tig erwiesene Hochachtung. Im Gegensatz zu
ein Skythe, der nicht ganz bei Sinnen war, und orientalischen Vorbildern kannte die hunnische
trug allerlei Unsinn zusammen, sprach dummes Etikette weder das Katzbuckeln noch die Ver-
und sinnloses Zeug, worauf Gelächter ausbrach. neigung, den Kniefall oder gar das Auf-den-
Danach trat Zerko(n) ein ... Der Schmaus Bauch-Fallen, nicht einmal Attila forderte der-
dauerte bis tief in die Nacht, da wir aber nicht artiges. Imponierend ist, wie ungezwungen die
so viel Wein trinken konnten, entfernten wir uns Herren des Hunnenreiches im Zeit Attilas - wie
schon früher." sie sagten: „ihres Freundes" - ein und aus gin-
Es ist jammerschade, daß man diesem Fest- gen; wie Onegesius, der zweite Mann im Reich,
mahl unverdienterweise nur wenig Beachtung stehenden Fußes mit den Römern und den Mit-
schenkte beziehungsweise nur unwesentlichere gliedern seines eigenen Gefolges verhandelte;
Momente wahrnahm; die Blicke der Mehrheit wie die hunnischen Reiteroffiziere, die die Maxi-

78
minus-Delegation begleiteten, mit den vorneh- seines Vaters saß. Und kehren wir noch für einen
men Fremden plauderten und mit ihnen zusam- Augenblick zum Festmahl, zum Mohren Zer-
men aßen; wie die Witwe Bledas den in Not ko(n), dem Zwerg, zurück. Dieser mißgestaltete,
geratenen Oslrömern zu Hilfe eilte; und nicht belustigende Kerl war der größte Spaßmacher
zuletzt die trotz des zeremoniellen Empfanges der damaligen Welt. Er gehörte dem Gefolge des
anziehende, warme Atmosphäre, mit der die Ge- oströmischen Feldherrn Aspar an und geriet im
mahlin Attilas, Arykan, und ihre Hofdamen Krieg des Jahres 442 in hunnische Gefangen-
die den Palast der Königin aufsuchenden Römer schaft und an den Hof Bledas. Bleda amüsierte
umgaben. sich selbst in den unmöglichsten Situationen
In der berechneten Einfachheit - Priscus er- über ihn und nahm ihn sogar auf seine Feldzüge
kannte, daß es sich hierum handelte - ging Attila mit. Attila sträubte sich von Anfang an gegen
allen voran. Was diesem außerordentlichen ihn ein glänzendes Beispiel für den unter-
Mann an sich schon einen Platz in der Ge- schiedlichen Charakter der beiden Brüder. Nach
schichte sichern würde: Er wurde mehr als ein- Bledas Tod entledigte sich Attila seiner sofort,
mal zum Vorbild für Nachkommen ähnlichen er schenkte ihn Aetius, der ihn wiederum an
Charakters. Seine Einfachheit wurde durch seine Aspar zurückschickte. Zerko(n) kehrte nun auf
unfreundliche bedrückende Persönlichkeit auf- den Rat Edikas und zum großen Ärger Attilas
gewogen: Erinnern wir uns nur daran, wo und an den hunnischen Hof zurück und versuchte
wie der Thronfolger des Reiches auf dem Sofa durch seine „Kunst", von Attila seine noch von
Bleda erhaltene hunnische Frau zurückzube-
53. Goldbeschläge eines Schwertes aus dem hunnischen kommen - es erübrigt sich vielleicht zu sagen:
Opferfund von Bátaszék ergebnislos. Bei dieser Gelegenheit kauder-

79
welschte er in einer aus Latein, Hunnisch so-
wie Gotisch vermischten Sprache unmögliches
Zeug, womit er die finsteren hunnischen Kriegs-
führer zum Lachen reizte.
„Mit Ausnahme Attilas. Attila blieb regungs-
los, sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, er
verriet seine Gefühle weder mit Worten noch mit
Gesten. Erst als sein jüngster Sohn - er hieß
Ernak - eintrat und vor ihm stehen blieb, mil-
derten sich seine Züge. Er streichelte dem Kna-
ben das Gesicht und betrachtete ihn mildherzig.
Als ich mich hierüber verwundert zeigte - küm-
merte sich doch Attila nicht viel um seine übri-
gen Söhne und schenkte nur diesem Beach-
tung -, erklärte mir mein barbarischer Tisch-
nachbar auf Ausonisch (Latein), daß dies al-
les wegen einer Weissagung geschehe. Die Hell-
seher prophezeiten Attila nämlich, daß sein Ge-
schlecht vernichtet, in diesem Knaben aber wei-
terleben werde." Dies war freilich nur eine er-
bärmliche Entschuldigung für die Voreingenom-
menheit Attilas, die nach seinem Tod für das
Hunnenreich verhängnisvoll werden sollte. Die
Herrschaftsmethoden des abergläubischen Stim-
mungsmenschen und großen Schauspielers er-
kannte der zeitgenössische gute Beobachter nur
zu klar.

29. Mit Goldblech überzogener Griff eines Schwertes mit


herzförmigem Knauf mit Zellenornamentik aus Pouan,
in der Nähe von Arcis-sur-Aube nordöstlich von
Tricassis/Troyes, also im hunnischen Teil der schwer-
wiegenden Auseinandersetzung zwischen Aetius und
Attila gelegen

80
II.
I.

I. Onyx-Fibel aus dem II. Schatz von Szilágysomlyó


(s.Taf. 1)

II. Fibel mit stufenförmiger Platte aus dem II. Schatz


von Szilágysomlyó (Taf. 2)
III. Fibel mit Zellenornamentik aus Szilágysomlyó
(Taf.3)

IV. Fibelpaar aus dem II. Schatz von Szilágy-


somlyó (Taf. 4)

III.
IV.
V. VI.

V. Fibelpaar aus Szilágysomlyó (Taf. 5)

VI. Fibel mit Zellenornamentik uml Filigran-


verzierung aus Szilágysomlyó (Taf. 6)
VII. Fine Holzschale nachahmende Goldschale,
Szilágysomlyó (Taf. 7)

VII.
X.
VIII. IX.

VIII. Mit Edelsteinen flächenfüllend verzierte Fibel,


Szilágysomlyó (Taf. 8)

IX. Fibelpaar aus Gelénes (Taf. 10)

X. Mit Edelsteinen verzierte Fibel aus Regöly


(Taf. 12)
XI.

XII. XIII.
XI. Goldene Schnallen und Goldschmuck aus XIV. Hunnisches Diadem wm Csorna (Taf. 37)
Lébény (Taf. 18)
XV. Detail des hunnischen Diadems von Csorna
XII. Solidus des oströmischen Kaisers Theodo- (Taf. 38)
sius II., der von Uldin bis Attila Zeitenosse
der Hunnen war (Taf. 29)

XIII. ,,Attilas Münze", Sárospatak-Végardo


(Taf. 33)

XIV.

XV.
XVI.

XVI. Schwertperle aus dem Fund von Báta-


szek (Taf. 55)

XVII. Goldene Schnallen und Riemenzunge an


dem Fund von Bátaszek (Taf. 56)

XVIII. Goldbeschlagenes Schwert aus Pannon-


halma (Taf. 58)

XVII.
XVIII.
XIX. Goldene Pferdegeschirrbeschläge aus dem
Fund von Pannonhalma (Taf. 63)

XX. Pferdetrense mit eisernem Mundstuck


und goldblechverkleideten Knebeln aus Pannonhalma
(Taf. 64)

XXI. Almandinverzierte Goldschnalle, goldene Riemen-


zungen und ein Solidus Theodosius' II. aus den
hunnischen Grabern von Szekszárd (Taf. 67)

XIX.
XX.

XXI.
XXII.

XXIII.
XXII. Silberne Gürtelgarnitur, goldene Schwertgurt-
und Stiefelriemenschnallen aus Lengyeltóti
(Taf. 71)

XXIII. Goldener Halsring, Gürtel- und Stiefelriemen-


schnallen aus dem Grab von Keszthely-Tégla-
gyar (Ziegelei) (Taf. 74)

XXIV. Goldener Halsring und Goldschmuck, Szeged-


Nagyszéksós (Taf. 78)

XXIV.
XXV.
XXV. Die in der Gegend des Schwarzen
Meeres hergestellten Zikaden
aus Györköny (Taf. 92)

XXVI. Goldschnallen mit Zellenorna-


mentik im Ungarischen National-
museum (Taf. 93)

XXVII. Goldschnalle mit Zellenornamen-


tik aus einem Frauengrab, Nagy-
dorog(Taf. 102)

XVIII. Goldener Ohrring aus dem Grab


von Mezöbéreny (Taf. 103)

XXIX. Goldene Halskette mit Granatan-


hangern aus Bakodpuszta
(Taf. 115)

XXX. Goldene Gurtelschnalle mit Tier-


kopf, Szeged-Öthalom (Taf. 116)

XXXI. Detail der Gurtelschnalle aus


Szeged-Öthalom (Taf. 117)

XXVI.
XXVII. XXVIII.

XXIX.
XXX.

XXXI.
Der in Wolken gehüllte Berggipfel

54.

Den Zeitgenossen und unmittelbaren Nachkom-


men zufolge war die kurze - ihnen aber end-
los dünkende - Herrschaft Attilas, des Euro-
pae orbator, des „Verwaisers Europas", eine Ge-
schichte von Kriegen: „Er zwang Tausende von
Menschen in den Krieg." Wahr ist dagegen aber,
daß er in den ersten zwei Jahren seiner Alleinherr-
schaft keinen Krieg begann, zumindest nicht
gegen die beiden Römischen Reiche. Allerdings
hatten selbst Aetius und das weströmische Re-
gime bezüglich der Friedfertigkeit Attilas kei-
ne rosigen Vorstellungen. Nach dem Sturz des
freundschaftlich gesinnten Bleda wurde der Ex-
perte für hunnische Angelegenheiten. Carpilio,
und mit ihm Cassiodorus Senator, Großvater
des späteren Schriftstellers und gotenfreundli-
chen Ministers, sofort zum neuen Herrn des
Hunnenreiches entsandt. Attila war bereit, mit
ihnen zu verhandeln, und sie konnten mit der
Freudenbotschaft heimkehren, daß der Friede
erhallen bleibe. Aber nicht dank der mutigen
und glänzenden Rede des Cassiodorus Senator,
wie sich dies sein Enkel vorstellte, sondern um
den Preis großer Opfer.
Die schleierhafte Angabe Priscus' von dem
Boden „Pannoniens am Ufer der Saue", „von
dem Gebiet, das Aetius, der Oberkommandant
der Weströmer, vertragsmäßig den Barbaren
überließ" - das heißt ausgesprochen Attila -,
konnte sich nur auf die Provinz Pannonia Savia
beziehen. Die anderen pannonischen Provinzen
waren nämlich schon früher unter die Herr-
schaft der Hunnen gelangt. Attila drohte mit
Krieg und stellte Forderungen, also mußten die 54. Goldblechverkleidung eines Bogenendes aus dem
Weströmer 445/446 auch auf Savia verzichten. Fund von Bátaszék
Nur um den Schein zu wahren, der Fiktion des
Rechtes der Aufrechterhaltung der römischen 55.-56. s. Farbtafeln XVI-XVII

81
82
30. Grab eines alanischen Kriegers mit Schmuckbeigaben
(1). Eine an der Unken Seite ihres Mannes bestattete
alanische Frau (2) mit gegürtetem Langschwert und
reichen Schmuckbeigaben. Abrau-Dürso

31. Pontische Fibeln und alanische Nahkampfwaffen aus


Ungarn. Jászberény, Csongrád

Herrschaft zuliebe wurde der Hunnenkönig


gleichzeitig zum weströmischen magister militum
ernannt. Der neue Titel bedeutete gleichzeitig
ein der Würde entsprechendes regelmäßiges, ho-
hes Jahreseinkommen - in Wirklichkeit war es
die Form des jährlichen Tributs, die das Selbst-
bewußtsein der Weströmer am wenigsten ver-
letzte, wie Priscus höhnisch feststellt. Die west-
römische militärische Verteidigung wurde in den
Alpenvorraum, nach Noricum Mediterraneum
und Valeria Media mit Zentrum Poetovio (Ptuj/
Pettau) an der Drau zurückgedrängt.
Orestes, der junge Aristokrat aus Savia, bot
damals dem Hunnenkönig seine Dienste an und
zog mit seiner Frau, der Tochter von Romulus,
dem Militärkommandanten von Norikum (dux
Norici), in den Ordu Attilas. Die Verbindung zu
seiner Familie konnte er, natürlich mit der von
Hintergedanken nicht freien Genehmigung Atti-
las, weiterhin aufrechterhalten. Attila, der sich
in lebhafte diplomatische Beziehungen einließ,
benötigte sehr gebildete, griechisch und latei-
nisch sprechende Schriftkundige. Orestes war in
ihrer Reihe, zusammen mit dem italischen Se-
kretär Constantius - den Attila von Aetius be-
kommen hatte -, bereits der vierte, wurde aber
dem Rang nach bald der erste. Diese drei, vier
römischen Sekretäre verwandelten Attilas Reich
noch kaum in ein „bürokratisches".
Entweder zogen sich die Verhandlungen ein
Jahr lang hin, oder auch die Konzessionen wa-
ren nicht imstande, die Angst und Spannung zu
lösen. Aus dem berühmten Brief der Briten an
Aetius im Jahre 446 (gerade zur Zeit der dritten
Konsulschaft des Aetius), in dem sie um Hilfe
ersuchten, geht hervor, daß die weströmische
Regierung nach wie vor einen Angriff Attilas
befürchtete; von einer Hilfe für die Bewohner
Britanniens konnte keine Rede sein. Eine uner-
wartete Gelegenheit richtete jedoch Attilas
Augenmerk auf Konstantinopel, Rom atmete
- allzu selbstsüchtig - auf.
Am 27. Januar 447, Montag früh um 2 Uhr,
wurde Konstantinopel von einem gewaltigen

83
84
32. Bei dem Grab ton Szekszárd-Palánk kann beobachtet
werden, daß die Frauen nichtgermanischer Herkunft
der Hunnenzeit die Fibeln zum Zusammenhalten ihrer
diagonal schließenden Oberkleidung gebrauchten (1).
In einem Grab von Csongrád weisen die beiden im
Schulterhereich getragenen Fibeln (sowie die Kamm-
beilage) auf eine weite Oberkleidung tragende, ost-
germanische Frau (2)

Erdbeben erschüttert. Eine lange Strecke der


theodosianischen Mauern stürzte ein, 57 Türme
lagen in Trümmern, darunter auch solche, die
als Getreidelager gedient hatten. Die Haupt-
stadt, die auch im Zentrum große Schäden erlit-
ten hatte, wurde von einer Hungersnot und von
Epidemien heimgesucht. Innerhalb der Erdbe-
benzone erlitten auch andere oströmische Städte
schwere Schäden. Mit diesem schrecklichen Er-
eignis begannen Attilas Kriegszüge, er wollte die
vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit gna-
denlos ausnutzen. Er warf den Friedensvertrag
beiseite und überflutete sofort das Reich mit
seinen Heeren, darunter erstmals mit den in den
Rang von Verbündeten erhobenen germani-
schen Stämmen. Damit aber beraubte er sich der
Hoffnung auf einen blitzschnellen Erfolg, der
früher für die Hunnen so kennzeichnend ge-
wesen war. Die Kriege Attilas waren militärisch
gesehen keine Kriege der Hunnen.
Dem sich ungewöhnlich langsam fortbewe-
genden Heer stellte sich am Fluß Utus (Vit) in
Mösien die oströmische Streitmacht in den Weg.
Nach einem mörderischen Kampf, in dem auch
der römische Heerführer (magister militiae) Ar-
negisculus ums Leben kam, zwang Attila seine
Gegner zum Rückzug, vermochte sie aber nicht
zu vernichten. Das römische Heer zog sich wahr-
scheinlich in das von Donau und Meer geschütz-
te Festungsquadrat Scythia Minor (Dobru-
dscha) zurück und bedrohte im Verlauf des
Krieges von der Flanke und von hinten ständig
das Heer Attilas. Aus diesem Grund war Attila
zu einem Umweg über Serdica (Sofia) gezwun-
gen, um gegen Konstantinopel vorzurücken.
Diese Verzögerung ermöglichte den Bewohnern
der oströmischen Hauptstadt, die Stadtmauern
in selbstaufopfernder Arbeit innerhalb von zwei
Monaten (!) wiederaufzubauen, ja am Rande
des Wassergrabens vor diesen sogar noch eine

57. Schwert mit Parierstange, Bátaszék

58. s. Farbtafel XVIII


57.
85
33. Trachtbestandteile und Beigäben des hunnenzeitlichen
Gemeinvolkes aus einem Grab von Lewenz/Léva/Levice:
Bronzefibeln, aus Bronzedraht geflochtener Halsring
mit Perlen, hörnchenförmiger Lockenring, Silberzikade
und Weißmetallspiegel

86
59.

dritte äußere Mauer (peribolos) aufzuziehen:


Konstantinopel war wieder uneinnehmbar ge-
worden.
Die vor Konstantinopel zurückgeschreckten
Heere Attilas zerstörten bis zu den Thermopylen
die vom Erdbeben heimgesuchten Städte; einzel-
ne Quellen berichten über die Vernichtung von
mehr als 70 Städten. Die Art und Weise ihrer
Kriegführung hatte sich im Laufe dieses Feldzu-
ges geändert. Oströmische Quellen betonen, daß
die Hunnen ehedem Klöster nicht zerstört,
Mönche und Nonnen nicht umgebracht, Gräber
der Heiligen und Kirchenkrypten nicht aufge-
brochen haben. Dies ist offensichtlich eine Idea-
lisierung früherer Umstände, als die Oströmer
nur unter dem Angriff kleiner, rasch bewegli-
cher, disziplinierter Reitertruppen zu leiden ge-
habt hatten. Es ist dennoch Tatsache, daß die
Hunnen früher mehrmals in Klöster des Balkans
eindrangen, so auch in das berühmte Alexan-
dros-Kloster in Drizipera, doch zeigten sie kei-
nerlei Interesse für die Gräber der Märtyrer und
Heiligen - aus früheren Erfahrungen wußten sie
wohl, daß sie außer Knochen nichts darin finden
würden. 447 wurde jedoch das Land von den
seit Jahrzehnten in Armut lebenden, nach Beu-
te hungernden, zu allem bereiten germanischen
und iranischen Freibeutern überflutet, die wüte-
ten und raubten. Der Angriff erstickte dennoch 59. Schwert mit Parierstange, Pannonhalma
rasch. Attila sah sich gezwungen, das nicht mehr
zu ernährende und zu zügelnde Heer zurückzu- auch zukünftig dringend, konnten sie doch ihr
ziehen. Vieh, ihre tierischen Produkte, ihre Sklaven nur
Die Friedensverhandlungen zogen sich jahre- auf einem Markt gegen Getreide, gewerbliche
lang hin. Die immer neuen Forderungen Attilas und Luxuserzeugnisse eintauschen. (Der Sohn
drohten, den mit dem Patricius Anatolius ge- Attilas, Dengi[t]zik, wird 469 dadurch zu Fall
schlossenen Vorfrieden des Jahres 448 zunichte kommen, daß er die Oströmer mit Waffengewalt
zu machen. Attila sandte seine „Getreuen und zur Eröffnung eines Marktes an der unteren
Auserlesenen" wieder nacheinander nach Kon- Donau zwingen will.) Der hunnische Großkönig
stantinopel, wohl wissend, daß ja seine wollte nördlich von Naissus, auf dem Gebiet der
schatzhungrigen Unterführer dort immer reich- einst blühenden Provinz Mösien, eine Grenzöde
lich beschenkt wurden. Vor allem verlangte er errichten. In dieser verzweifelten Lage beschloß
die früher ausgehandelte Geldsumme, die er 448 Chrysaphius, der „demokratische" Minister der
auch zurückbekam. Zu seinen unerfüllbaren Friedenspartei, durch Bestechung des Skirenkö-
Forderungen gehörte jedoch die vollständige nigs Edika Attila ermorden zu lassen. Genau zu
Räumung eines fast 500 Kilometer breiten Strei- der Zeit, als der ungeschickte Altentatsplan aus-
fens des Südufers der Donau in einer Tiefe von geführt werden sollte, befand sich Priscus als
fünf Tagesreisen von Pannonien bis Novae Sekretär des Gesandten Maximinus im Ordu
(Swischtow) an der unteren Donau. Die Grenz- Attilas (Herbst 449). Priscus stammle aus dem
stadt und zugleich der Standort des illyrischen an der Küste des Marmarameeres gelegenen
Marktes sollte nach seinen Plänen die im letzten Städtchen Panion, aus der Provinz „Europa",
Krieg zum zweiten Mal zerstörte Stadt Naissus und dieses „Europäertum" paßt sehr gut zu sei-
sein. Denn eines Marktes bedurften die Hunnen nem Wesen. Zu dieser Zeit war er aber eben noch

87
60.

60. Goldblechverkleidung des unteren Bogenendes aus


dem Opferfund von Pannonhalma

61. Goldblechverkleidung des Bogengriffes aus


Pannonhalma

62. Goldblechverkleidung des oberen Bogenendes aus


dem Fund von Pannonhalma

63.-64. s. Farbtafeln XIX-XX

ein Anlänger. Die Gesandtschaft vermochte


nichts zu erreichen, weil sie Attila nicht für
vornehm genug erachtete - worin sie auch
recht hatte. Nach der Enthüllung des Attentats-
planes wandte sich Attila direkt an Theodosius
II. und forderte die Auslieferung des Chrysa-
phius, aber eine Großmacht konnte doch ihren
Ministerpräsidenten (magister officium) nicht
ausliefern.
Die bis zum Bersten gespannte Lage fand eine
komödienhafte Lösung. Bereits gelegentlich des
Gesandtschaftsbesuches Maximinus' hatte Pris-
cus etwas bemerkt. Der wohlgezielte Wutaus-
bruch Attilas traf die zum „Freund" des Aetius
delegierten, eingebildeten weströmischen Ge-
sandten wie eine kalte Dusche, machte er doch
die Frage von Krieg oder Frieden von einem so
unmöglichen Wunsch abhängig wie - später - richtigen Schadenfreude der Oströmer, hatte
dem der Auslieferung des Chrysaphius. doch die hunnenfreundliche weströmische Re-
Der Fall hatte sich noch 441 zugetragen. Zur gierung in den Kriegen der vierziger Jahre kei-
Zeit der Belagerung Sirmiums gelang es dem nen Finger zur Hilfe der Oströmer gerührt.
Bischof der Stadt - unter geheimer Mitwirkung Konstantinopel verstand diese Wendung
des aus Gallien stammenden Sekretärs Bledas. glänzend auszunützen und schickte auf aus-
Constantius - die sakralen Gefäße der Kirche drücklichen Wunsch Attilas den nicht lange zu-
durch den Belagerungsgürtel zu retten. Constan- vor (447) zur Würde eines Patriziers erhobenen
tius, ein Mann von zweifelhaftem Charakter, Anatolius, derzeit schon Kommandant der kai-
nahm später gelegentlich einer offiziellen Reise serlichen Garde (magister militum praesentalis),
nach Italien die goldenen Kelche mit sich und sowie den einstigen Wirtschaftsminister, den für
verpfändete sie in einem Bankhaus der Stadt seine Freigebigkeit berühmten Exconsul und Pa-
Rom, weil er sich in finanziellen Schwierigkeiten trizier Nomus, als Gesandte. Nomus' politisches
befand. Constantius wurde später wegen Verrats Bekenntnis war, daß in heiklen Fällen nicht mit
auf Befehl Bledas und Attilas gepfählt; die An- dem Gold des Staates gespart werden dürfe.
gelegenheit verlor sich jedoch im Dunkel der Kaum hatten sie die Donau überquert, begegne-
Geschichte. Auf irgendeine Weise erhielt Attila ten sie Allila, der aus Aufmerksamkeit gegen-
jetzt doch Kenntnis von den einstigen Machen- über seinen hochrangigen Gästen ihnen bis zum
schaften des Constantius und forderte von den Fluß Drekon entgegengereist war. Die oströmi-
weströmischen Gesandten donnernd die Auslie- schen Gesandten erhielten hier alles: Attila ver-
ferung des „ihm gestohlenen" Schatzes oder des zichtete in einem feierlichen Friedensvertrag auf
an der Sache völlig unschuldigen „Diebes", des seine territorialen Ansprüche, gab das Verspre-
Bankiers oder Bankagenten Silvanus, der dem chen, den Kaiser wegen der Flüchtlinge nicht
Kaiserhaus nahestand. Dies geschah zur auf- mehr zu belästigen, gab Vigila um einen Spott-

88
61. 62.

preis von 50 Pfund Gold frei, entließ eine Anzahl sofort einstellte. Attilas Gesandten ließ er in
römischer Gefangener ohne Lösegeld, überhäuf- soldatischer Kürze mitteilen: Wenn sie Frieden
te Anatolius und Nomus mit Geschenken, Pfer- hielten, würden sie eventuell Geschenke bekom-
den und wertvollen Pelzen und vergaß sogar, men, andernfalls sollte der Krieg entscheiden.
den jährlichen Tribut zu erhöhen! All dies be- Alle Erfolge von Ruga und Bleda wurden zu-
weist, daß Attila inzwischen die Kräfteverhält- nichte, das Oströmische Reich bereitete sich auf
nisse der beiden Reichshälften gründlich erwo- die Abrechnung vor.
gen hatte und zu der Einsicht gelangt war, daß Attila aber war hilflos, da er sich immer mehr
die Kräfte des oströmischen Reiches vorerst un- in die weströmischen Angelegenheiten verstrick-
erschöpflich waren, er hütete sich also vor einem te: zuletzt in den Fall Honoria. Honoria war
neuerlichen Zusammenstoß. augusta, also Mitkaiserin, wurde aber von ihrem
Der Friedensvertrag harrte nur noch der Rati- Bruder Valentinianus III. im Interesse der Ein-
fizierung, als Theodosius II., der auf der Jagd heit der Macht gewaltsam zu jungfräulichem
vom Pferd gestürzt war, am 28. Juli 450 seinen Leben gezwungen. Wie aus den 449 ausgebro-
Verletzungen erlag. Der am 25. August auf den chenen Skandalen bekannt ist, mit mäßigem Er-
Thron gesetzte alte Soldat Marcianus war ein folg. Aus diesem Grund schickte die kaiserliche
Mann der „blauen" Partei der Senatoren und Familie Honoria nach Konstantinopel und be-
Aristokraten, jener Partei und Schicht, die für legte sie dort mit Palastarrest (449). Die gedemü-
den Frieden keine einzige Goldmünze zu zahlen tigte Kaisertochter wandte sich im Frühjahr 450
hereit war. Chrysaphius, der der „grünen" Partei im geheimen an Allila um Hilfe und sandte ihm
angehörende Minister des Theodosius, wurde einen Ring. Attila nahm das Angebot ernst und
(statt von Attila) von dem neuen Kaiser hinge- forderte als „Mitgift" den - seiner Meinung nach
richtet, der die Zahlung des den Hunnen seit - Honoria zustehenden Teil des Weströmischen
einem Vierteljahrhundert entrichteten Tributs Reiches. Gallien, für seine „Braut". Bevor noch

89
der selbst an unmögliche Friedensanträge glau- 34. Vom Eindringen östlicher, hunnischer, alanischer und
bende Vetter im Osten. Theodosius II., diese germanischer Volkselemente in das Karpatenbecken
Forderung eventuell angenommen oder unter- zeugen die vorher unbekannten (A) Kurzschwerter,
(B) Krüge mit Gußhenkel, (C) Bronzeschnallen,
stützt hätte, führte man Honoria rasch nach
(D) kerbschnittverzierten Bronzefibeln, (E) Zikaden
Hause an den im Februar 450 nach Rom gezoge- und (F) hörnchenförmigen Lockenringe
nen Kaiserhof. verheiratete sie zum Schein und
ließ sie für immer verschwinden. Attila hingegen
drohte mit Krieg und forderte immer heftiger, Schwierigkeiten und gleichzeitig der Wahrung
die kaiserlichen Rechte seines Schützlings in Eh- des Scheins bilden jene Solidi, die nach dem
ren zu halten. Dies wurde von Valentinianus III. Muster der Münzen von Theodosius II. aller
natürlich entschieden zurückgewiesen. Attila Wahrscheinlichkeit nach auf Attilas Befehl ge-
aber halle vom Herbst 450 an keine andere Wahl prägt worden waren. Wenn man von der Ver-
als den Krieg gegen das Weströmische Reich. breitung von „Attilas Münzen" ausgeht, kann
Schon das entfallene oströmische Gold konnte man darauf schließen, daß der Zweck war, die
durch nichts ersetzt werden, obendrein wurde unmittelbar nördlich des hunnischen Zentrums
die Zahlung des weströmischen Tributs einge- wohnenden germanischen Verbündeten durch
stellt. Ein ewiges Zeugnis der inneren Zahlungs- pünktliche Überweisung der Zahlungen zu beru-
higen und zur Zeit der Vorbereitung auf den
65. Aus dem Grabfund von Lewenz/Levice/Léva sind gallischen Feldzug zu begeistern (Abb. 17).
die Metallbeschläge der Sattelbretter zusammen Es begann eine lebhafte diplomatische Tätig-
mit der Einrahmung und den Pferdegeschirr- keit sowohl von römischer wie auch von hunni-
beschlägen erhalten geblieben scher Seite zwecks Spaltung der fränkischen

65.

90
91
Kräfte in Gallien sowie zur Gewinnung bezie­ 35. Im Donaugebiet als Unika gellende Bronze- und Silber­
hungsweise Irreführung der Wisigoten. Im Hin­ fibeln kaukasischer Herkunft: 1-3 Óbuda (Altofen)-
tergrund dieser hunnischen Aktion in Gallien Aquincum, 4 und 6 Kisslowodsk, 5 Nordkaukasusgebiet,
7 Szőny/Brígetio, 8 Pilismarót, 9 Maikop, 10 Pécs/Sopia­
kann eine eigenwillige Person vermutet werden:
nae, 11 Tschegem, 12 Keszthely, 13 Bajtal-Tschapkan,
Eudoxius, ein früherer Arzt, der zum Anführer
14 Karlsburg/Alba Iulia, 15 Gilatsch, 16 Schapkino
eines Volksaufstandes geworden war, der ein­ (d. h. 1-3 und 7-8, 10, 12 Pannonien, 14 Dazien, 4-6, 9,
stige Führer der machtfeindlichen Bagauden 11, 13, 15-16 Nordkaukasus)
(Bauernaufständischen) der Loire-Gegend, war
448 an den Hof Attilas geflohen. Dieser „böse" wie auch die germanischen Führer des Weströ­
Mann spielte vermutlich eine bedeutende Rolle mischen Reiches durchschauten meist seine Ab­
in der Gestaltung der neuen Politik Attilas, die sichten. Die Unentschlossenen sollte die Art und
auf die Erwerbung Galliens abgezielt war. und Weise der Kriegführung von Attila in das feind­
noch mehr in der Bestimmung der eigentümli­ liche Lager bringen: Die barbarischen Massen
chen Angriffsrichtung Attilas im gallischen kannten keine Verbündeten oder Freunde.
Feldzug. Eudoxius dürfte überhaupt an dem Anfang 451 führte Attila eine noch nie dage­
plötzlichen politischen Stimmungswechsel Atti­ wesene Zahl von Kriegern der verbündeten Völ­
las gegen das Weströmische Reich bestimmend ker gegen Gallien. Der überwiegende Teil seines
beteiligt gewesen sein, den Priscus im Herbst 449 Heeres bestand aus Germanen: außer dem „un­
noch nicht ganz begriff. zählbaren" Heer der Gepiden aus den Streitkräf­
Die diplomatischen Vorbereitungen Attilas ten der Ostrogoten, Rugier, Skiren, Sweben,
hatten nur wenig Erfolg, sowohl die römischen Alamannen, Heruler, Thüringer sowie Kräften
der hunnenfreundlichen Burgunder und Fran­
66. Die Bronzetrense mit eisernem Mundstück aus dem ken. Attila war zum Einsatz der germanischen
Waffengrab von Keszthely ist ein osteuropäisches Heere genötigt, weil er seine mobilsten hunni­
Erzeugnis schen Reitertruppen zur gleichen Zeit zur Unter-

66.
92
93
Stützung der gegen die Perser rebellierenden Ar- en Zugang zum Land der Wisigoten (Abb. 28).
menier einsetzte. Das hunnische Reiterheer ver- Die spätrömische befestigte Stadt Aureliani am
mochte jedoch nicht, die persischen Grenzsper- Brückenkopf war zwar bedeutend, aber nicht
ren der kaukasischen Pässe zu durchbrechen größer und stärker als die in Ausdehnung und
und konnte die katastrophale Niederlage Arme- Grundriß sehr ähnliche innerpannonische befe-
niens am 26. Mai 451 in der tragischen Schlacht stigte Stadt Iovia (Heténypuszta). Eine lang an-
auf dem Feld Avrair nicht verhindern. Im galli- dauernde Belagerung konnte sie also auch so
schen Feldzug konnten die einsetzbaren hunni- nicht aushalten, obwohl die gallische Stadt noch
schen Reiter das träge Heer bestenfalls begleiten, eine zahlreiche Bevölkerung und viele Verteidi-
von der herkömmlichen hunnischen Taktik und ger hatte. Hier stand Attila plötzlich einem aus
Strategie konnte also keine Rede sein. vielen Völkern angeworbenen Entsatzheer ge-
Attilas Heer, das am 7. April bereits die ausge- genüber. Den größeren Teil dieses gegen Attila
brannten Ruinen von Divodurum-Mettis/Metz ziehenden gallischen Heeres machten die Wisi-
hinter sich gelassen hatte, zerstörte unterwegs goten Theoderichs I. aus, während im ,,römi-
Städte. Kirchen und Klöster. Es zog geradewegs schen" Heer des Aetius sämtliche barbarischen
gegen Südwesten bis Aureliani/Orléans und be- Völker Galliens vereint waren: Alanen, Burgun-
gann die Besetzung der die Steinbrücke der der, Franken, Kämpfer der sarmatischen genti-
Loire schützenden, rundherum mit runden Tür- les (Stammes-)Dörfer, Sachsen sowie die barba-
men befestigten Stadt. Die Brücke war von ent- rischen Soldatensiedler, die laeti. Attila zog sich
scheidender Bedeutung, wer sie besaß, hatte frei- vor dem Gegner langsam zurück, vermutlich
suchte er ein zur Schlacht geeignetes Gelände -
67. s. Farbtafel XXI seine Wahrsager hatten ihm nämlich aus in Glut
geworfenen tierischen Schulterblättern eine Nie-
68. Edelsteinverzierte Gürtel-, Schwertriemen- und derlage prophezeit.
Stiefelschnallen aus dem Grab von Murga Gemäß den uns erhalten gebliebenen zeitge-
nössischen Berichten, darunter sämtlichen galli-
schen Quellen, stießen die beiden Heere in der
Ebene (campana). welche die Ortschaft Maurica
oder Mauriacum umgab und fünf römische Mei-
len (etwa 7,5 km) westlich der antiken Stadt
Trecas/Tricassis/Tricassina (Troyes) gelegen
war, aufeinander, und hier fand die pugna Mau-
riacensum (Schlacht von Mauriacum) - wie sie
im Gesetzbuch eines der Hauptbeteiligten, der
Burgunder, bezeichnet wird - statt. Die Gegner
trafen also auf den Feldern des Campus Mauria-
cus oder des Mauriacum campanum zusammen,
im weiteren geographischen Sinn am Südrand
der Campania (Champagne) genannten Ebene,
am linken Ufer der Seine und nicht auf den
durch spätere und von nichtgallischen Auto-
ren überlieferten Feldern von „Catalaunum"
(Chälons-sur-Marne). Auf den Zeitpunkt der
Schlacht kann aus den auf diesem Gebiet verläß-
lich scheinenden Angaben der Legende des heili-
gen Anianus (Vita Aniani) geschlossen werden:
Aureliani wurde am 14. Juni von der Belagerung
Attilas befreit. Mit dem Rückzug auf einer
Strecke von etwa 180-200 km und den Vorberei-
tungen vergingen mindestens zwei Wochen, zur
Schlacht kann es daher frühestens in den letzten
Tagen des Monats Juni gekommen sein. Das
68.

94
36. Die sich dem Denkmälerbestand der ukrainischen
Tschernjachow-Kultur des 4. Jahrhunderts anschließen-
den ostgermanischen Grab- und Siedlungs funde sind uns
in immer größerer Zahl in den Tälern der Flüsse
Hernád, Bodrog und der oberen Theiß bekannt

95
Gebiet um den fünften Meilenstein vor Tricassis Schutz des Stromübergangs der Seine abspielte.
(Troyes) war vermutlich nur der Schauplatz ei- Der Kampf in der Ebene wogte in nordnord-
nes heftigen Zusammenstoßes, der sich entlang westlicher Richtung. In der Nähe des 18 km
der Hauptverkehrslinie Aureliani-Tricassis im nordwestlich von Tricassis (Troyes) ebenfalls am
37. Die mit Schuppenmastern verzierten Silberbleche waren
linken Seineufer gelegenen antiken Städtchens
Ortbänder und Scheidenbeschläge von Dolchen öst-
Brolium ermordeten nämlich die Krieger eines
licher Herkunft, die Tragbänder mit gezacktem Rand germanischen Vasallenkönigs Attilas in der ner-
stammen von alanischen oder hunnischen Langschwer- vösen Stimmung vor oder nach der Schlacht den
tern und Dolchen Presbyter Maximianus und dessen Gelahrten,

96
69.
die im Auftrag des heiligen Lupus, des Bischofs
von Tricassis. vor den König treten wollten.
Dies bedeutet, daß der rechte Flügel der Hunnen
offenbar den bei Brolium befindlichen anderen
wichtigen Seineübergang verteidigte oder sich
nach der Schlacht von dort in Richtung Pouan-
Sur-Aube zurückzog. Brolium trägt seit dem frü-
hen Mittelalter den Namen seines Märtyrers der
Hunnenzeit (Saint Mesmin). Die Geschehnisse
werden unterschiedlich in den Legenden um den
heiligen „Memorius" wiedergegeben, der unter
diesem Namen niemals existiert hat.
Die Anzahl der Krieger, die auf 30 000 bis
50 000 Mann angenommen werden kann, wird
von den fernen und späten Chroniken in einer
für das Mittelalter kennzeichnenden Weise - mit
Zehn multipliziert, obwohl die reale Schätzung
an sich schon recht hoch für die Verhältnisse des
Zeitalters der Spätantike ist.
Die von drei Uhr nachmittags bis zur Abend-
dämmerung dauernde Metzelei brachte und
konnte auch keinen Sieger hervorbringen, nur
Besiegte, und zwar zu Tausenden. Die überwie-
gend mit römischen Waffen ausgerüsteten Bar-
baren des Aetius konnten im Nahkampf doch
die Oberhand gewinnen, sie drängten die
schlechter ausgerüsteten Barbaren Attilas all-
mählich zurück. Attila zog sich bei Einbruch der 69. Krug mit Clättverzierung, eine „barbarische"
Dunkelheit in sein Lager zurück und ließ für den Variante spätantiker Krüge, Murga
Fall, daß der Feind einbrechen sollte, aus Holz-
sätteln - angeblich - einen Scheiterhaufen er- den Ostrogoten ermordet), seine Söhne mit dem
richten. Er wollte lieber bei lebendigem Leibe Thronfolger Thorismud, der in der Schlacht eine
verbrennen als in die Hände seiner Feinde gera- Kopfwunde bekommen hatte, an der Spitze, eil-
ten. Er bewertete demnach den bisherigen Ver- ten heim, um sich ihre Herrschaft zu sichern. Die
lauf der Auseinandersetzungen nicht optimi- anderen Verbündeten zerstreuten sich. Aetius
stisch. hätte mit seinen unbedeutenden Streitkräften die
Das wisigotisch-römische Heer wagte jedoch Verfolgung des eine Zeitlang noch in seinem
wegen des dichten Pfeilhagels der Hunnen - zu Lager verbleibenden, dann sich langsam zurück-
Attilas Glück waren auch Hunnen hier! - nicht, ziehenden Attila, dem Lupus, Bischof von Tricas-
das Lager zu stürmen, und zog sich nach Ein- is, den Weg bis zum Rhein wies, kaum aufneh-
bruch der Dunkelheit in sein eigenes Lager zu- men können. Übrigens gab er sich dem Irrglau-
rück. Auch Aetius „verbrachte die Nacht unter ben hin, er könne die Hilfe seines einstigen
dem Schutz der Schilde". In der Nähe des Hun- Freundes gegen die machthungrigen Wisigoten
nenlagers oder des Schlachtfeldes wurde erst vor - und vielleicht einmal auch gegen seinen eige-
kurzem ein Bruchstück eines hunnischen Opfer- nen Kaiser - noch benötigen. Er irrte sich.
kessels gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, Aber auch Attila war im Irrtum, als er nach
daß dieser mit der Bestattung des in der Schlacht seiner Heimkehr aus Gallien wieder versuchte,
gefallenen Laudarich, des Verwandten Attilas, die Oströmer zu erpressen: Entweder bekomme
zusammenhängt. er seinen früheren Tribut wieder oder er werde
Auch die Wisigoten suchten nach ihrem gefal- Krieg führen. In seinem Zorn ließ er die oströmi-
lenen König und nahmen ihn mit (der von sei- sche Gesandtschaft, die unter der Leitung des
nem Pferd gerissene Theoderich I. wurde von Militäroberkommandierenden Apollonius über

97
die Donau zu ihm gekommen war, nicht vor. Er lanum/Mailand bis Ticinum/Pavia fort. Die
forderte von ihr unter Todesandrohung nur die Städte, die ihnen das Tor nicht freiwillig öffne-
Geschenke des Kaisers - Geschenke ohne Ver- ten, gingen in Flammen auf. Die meisten erga-
handlung verweigerte jedoch Apollonius rund- ben sich also lieber.
weg. Erreicht wurde somit nichts. Attila aber In dieser verzweifelten Lage wandten sich
war wegen des bedrückenden Goldmangels Kaiser Valentinianus III. und seine in Rom resi-
abermals gezwungen, das geringeren Wider- dierende Regierung in Ermangelung einer besse-
stand leistende Weströmische Reich anzugrei- ren Idee oder Lösung der erprobten Praktik der
fen. Oströmer zu. Unter der Führung des Avienus, des
Im Spätfrühling des Jahres 452 zogen Attila Konsuls des Jahres 450, schickten sie Trigetius,
und sein Heer durch Pannonien und überschrit- den Präfekten der Ewigen Stadt, und Leo I. (den
ten die von Aetius nur wenig geschützten Ge- Großen), den Bischof von Rom. den Papst, als
birgspässe der Julischen Alpen. Nach einer har- Delegierte zu Attila. Ihre Hoffnung setzten sie
ten dreimonatigen Belagerung „eroberten und offensichtlich in Trigetius, dem es 435 in der
zerstörten" sie die vom Meer, von Flüssen und Stadt Hippo Regius gelungen war, mit dem dia-
Sümpfen geschützte, durch Gewalt noch niemals bolischen König der Wandalen. Geiserich, über-
eingenommene Stadt Aquileia, die dem Rang einzukommen. Die vornehme und glänzende
nach neuntgrößte Stadt des Gesamtreiches. Von Gesandtschaft traf mit Attila am Mincio-Fluß
hier setzten sie ihren Weg über Concordia-Alti- zusammen: Sie bat um Waffenstillstand und er-
num-Patavia/Padua-Vicentia/Vicenza-Verona- hielt ihn auch. Der Papst schloß hinsichtlich der
Brexia/Brescia-Bergamus/Bergamo und Medio- verschleppten Gefangenen ein günstiges Ab-
kommen - sicher nicht gratis oder billig. Danach
70. Pferdetrense mit eisernem Mundstück und Silber- verließ Attila Italien und zog sich hinter die
knebel aus Lengyeltóti Donau zurück. Der Waffenstillstand am Mincio

70.

98
bot einen günstigen Vorwand zum Rückzug. Bei
der Belagerung Aquileias hatte nämlich das
Heer schwere Verluste erlitten, dann brach infol-
ge der unbeerdigten Toten in der Sommerhitze
eine Epidemie in Norditalien aus, die auch auf
die Streitkräfte übergriff. Die Menschenmassen
grasten, Heuschrecken gleich, alles ab, man
konnte sie nicht verköstigen. Dennoch war dies
nicht die Hauptursache für den Rückzug. Wäh-
rend Attila und sein Heer Norditalien verwüste-
ten, setzten oströmische Truppen über die Do-
nau und besiegten das hunnische Grenzschutz-
heer in Attilas eigenem Land. Kaiser Marcianus
entlastete das Weströmische Reich und fiel ge-
nau zum richtigen Zeitpunkt Attila in den Rük-
ken, ja er schickte Aetius sogar Hilfstruppen.
Attila und sein Reich gerieten in einen Zweifron-
tenkrieg, der das hunnische Zentrum in der Do-
naugegend früher oder später mit der sicheren
Vernichtung bedrohte.
Attila, bis zum Äußersten erbittert und jetzt
schon fast verzweifelt, warf die Wiederherstel-
lung des theodosianischen Tributs in die Waag-
schale zwischen Krieg und Frieden (vgl.
Abb. 75) und bereitete sich auf einen Vergel-
tungsfeldzug gegen Marcianus vor. Dazu kam es
jedoch nicht mehr: Im Frühjahr 453 starb Attila
während einer neuerlichen Hochzeitsnacht ver-
mutlich im Schlaf an Blutsturz. Nach einer schö-
nen Sage des Altertums „erschien dem Kaiser
Marcianus, den der grimmige Gegner beunru-
higt hatte, in derselben Nacht eine Gottheit und
zeigte ihm den zerbrochenen Bogen Attilas. Die
Waffe, von der dieses Volk so viel hielt."

38. Das größerenteils erhalten aufgefundene Männergrab


von Lébény ermöglichte einen Einblick in die vielfältigen
Verwendungsmöglichkeiten hunnenzeitlicher Goldschnal-
len. Je nach Form und Größe waren sie an Gürtel-,
Schwert- und Stiefelriemen befestigt

99
Eine sonderbare Bilanz:
Unterdrücker und Unterdrückte
Römer und Barbaren - Götter und Heilige

Eudoxius
Die Gallische Chronik berichtet im Jahre 448: Wenn man von dem in der „offiziellen" Chro-
„Eudoxius. Doktor der Medizin, ein böser, aber nik obligaten Attribut „böser" absieht, so er-
in den Wissenschaften überaus bewanderter, hält man das Porträt eines überaus hervorra-
gebildeter Mann, der sich zu jener Zeit dem Ba- genden Mannes: Der „intellektuelle" Führer
cauden-Aufstand angeschlossen hatte, flüchtete der gallischen Bagauden kann kein alltäglicher
(jetzt) zu den Hunnen." Mensch gewesen sein. Die gegen die zentrale
Macht Roms und die senatorische Aristokratie
71. s. Farbtafel XXII Galliens gerichteten Bagauden-Aufstände blick-
ten damals bereits auf eine blutige Vergangen-
72. Krug aus dem Grab von Lengyeltóti heiT von anderthalb Jahrhunderten zurück. Der
kaum ein Jahrzehnt vorher unterdrückte und
damals von Tibatto geführte Aufstand brach
unter der Führung des Eudoxius wieder aus.
Von den entlang des mittleren Laufes der Liger/
Loire entfachten Kämpfen ist nur so viel be-
kannt, daß ein junger Offizier des Aetius, der
spätere weströmische Kaiser Maiorianus, zwi-
schen 446 und 448 die Stadt Turonium/Tours
gegen die angreifenden Bagauden verteidigt hat.
Wir wissen jedoch nicht, wie und wann der Auf-
stand zusammengebrochen ist (ob er überhaupt
im Jahre 448 zusammengebrochen ist?). Wir
werden bloß über die überraschende Folge un-
terrichtet: Der Führer floh zu Attila.
Über die Ursachen der Bagauden-Aufstände
in Gallien zwischen 435 und 448 erzählt ein
Zeitgenosse, der in Treveri/Trier geborene Pres-
byter Salvian(us) von Massilia/Marseille.

39. Die Verbreitung der zur Tracht der militärischen Aristo-


kratie gehörenden edelsteinverzierten, kreisförmigen
oder schwach ovalen Schnallenbeschläge zeugt in ein-
drucksvoller Weise davon, dali die tatsächliche Beset-
zung auf Pannonien und seiner nächsten Umgebung
lastete. Allein der reichste und alle Schnullentypen um-
fassende Fund von Nagyszéksós weist auf das hunnische
Zentrum in der Theißgegend
72
100
101
73/1.
und nicht nur zwecks Beschaffung von Beute,
wie dies gewöhnliche Räuber zu tun pflegten,
sondern sie schwelgten in ihrer Zerfleischung
und in ihrem Blut ..." Da es keinen anderen
Ausweg gab, „waren sie gezwungen, wenigstens
ihr nacktes Leben zu retten, da sie einsahen, daß
die Freiheit für sie für immer verloren war. Was
sonst geschieht heute, wenn nicht das gleiche,
was früher geschehen war: Wer bisher kein Ba-
caude war, ist jetzt gezwungen, einer zu wer-
den."
Die Bagauden versuchten also zumindest ihr
nacktes Leben zu retten, aber was geschah mit
den anderen (?): „Die Armen werden ausgeplün-
dert, die Witwen jammern, die Waisen werden
unterdrückt. So sehr, daß viele und keineswegs
nur jene niedriger Herkunft, sondern gut ausge-
bildete, geschulte Menschen zum Feind fliehen,
sie wollen nicht den Qualen der staatlichen Ver-
folgung erliegen. Bei den Barbaren suchen sie die
römische Menschlichkeit, da sie bei den Römern
die barbarische Unmenschlichkeit zu erdulden
außerstande waren... Sie ertragen also lieber
unter den Barbaren die fremde Lebensweise als
die unter den Römern wütende Ungerechtigkeit.
Deshalb wandern sie rundum entweder zu den
73/1.-5. Funde aus dem Grab eines vornehmen jungen Goten oder zu den Bacauden oder anderswohin,
Hunnen, Budapest-Zugló wo Barbaren herrschen. Sie bereuen niemals,
daß sie umgesiedelt sind, da es besser ist, unter
„Über die Bacauden, die von verruchten, dem Schein der Gefangenschaft in Freiheit zu
grausamen Richtern ausgeraubt, gepeinigt und leben als unter dem Anschein der Freiheit gefan-
unterdrückt wurden, sagt man mir nun, daß sie gen zu sein."
durch den Verlust der römischen Freiheitsrechte Bestürzende Worte und ein erschütterndes
gleichzeitig auch die mit dem römischen Namen Krankheitsbild, eine mutige Anklageschrift, die
verbundene Ehre verspielt hätten. Ihr Unglück sich noch lange fortsetzt. Kein Wunder, daß der
wird ihnen als eigene Sünde angerechnet, selbst fromme und gottesfürchtige Presbyter bei den
ihre unglückselige Bezeichnung wird ihnen vor- Mächtigen seiner Zeit nicht beliebt war, und er
geworfen, obwohl wir diese für sie erfunden ha- ist es vielleicht noch weniger bei heutigen Histo-
ben. Wir nennen sie Rebellen und erklären sie rikern der „römischen" oder „gallo-römischen"
für ruchlose Übeltäter, obwohl wir sie selbst Sache. Die Angelegenheit der Bagauden gilt -
gezwungen haben, Verbrecher zu werden. Denn genau wie in den Augen der Reichs- und galli-
was sonst hat die Bacaudenunruhen ins Leben schen Aristokratie - auch heute als ein „rom-
gerufen, wenn nicht die Ungerechtigkeit der feindlicher", „antirömischer Paroxysmus" (Tob-
Unsrigen, wenn nicht die Ehrlosigkeit der Rich- suchtsanfall), die unglücklichen Bagauden gel-
ter, schließlich verurteilten sie sie zur Einziehung ten als „Verräter", Salvian selbst als verblende-
ihres Vermögens und machten dies zu ihrer eige- ter Moralist. Diese Historiker versuchen die Sa-
nen Beute sowie jene, die das Amt der Steuerein- che der Bagauden genauso wenig zu verstehen
treibung zu einem gewinnsüchtigen Geschäft ge- wie jene, die die verzweifelte Notwehr der an die
macht haben und sie unter dem Titel der Steuer- Peripherie der Gesellschaft gedrängten Men-
bemessung zu ihrer eigenen Beute machten. Die schen als eine „Klassenkampf-Bewegung" von
die ihnen Anvertrauten nicht geleitet, sondern selbstbewußten Aufständischen hinstellen.
grausamen Bestien gleich aufgefressen haben, Es lohnt sich eher, Salvian zu glauben, der

102
auch eine Erklärung für die in der Gallischen tierte trotz aller Widersprüchlichkeit die barba-
Chronik enthaltene Nachricht gibt. Salvian rische Seite. Dies erkannten die Bagauden und
macht kein Geheimnis aus den auslösenden ihr Führer Eudoxius, der kaum zufällig zu den
Faktoren des Bagauden-Aufstandes und ver- Hunnen und zu Attila geflohen war.
heimlicht nicht, daß auch die „Intelligenz" mit Dies wird noch von der legendären Biogra-
ihnen sympathisierte. Mit den Bagauden und phie des Aureliani/Orléans verteidigenden Bi-
mit den Barbaren, wobei, wenn man zwischen schofs Anianus/Saint Aignan, der Vita Aniani.
den Zeilen liest, sogar der Schatten der von den die vor dem 6. Jahrhundert überhaupt noch
Barbaren geleiteten Großmacht in Erscheinung nicht existierte, übertroffen. Immerhin berichtet
tritt. Haben also tatsächlich die Barbaren die die Vita Aniani aufgrund lokaler Überlieferun-
persönliche Freiheit vertreten? Eine viele Jahr- gen, jedoch mit den damaligen politischen Ver-
hunderte zurück oder vorwärts führende Frage, hältnissen sehr gut übereinstimmend, daß die
die schwerlich mit einem Ja oder Nein zu beant- Verteidiger der Stadt - trotz des Protestes des
worten ist. Dem spätrömischen, aus den despoti- Anianus - schon tagelang mit dem Beauftragten
schen hellenistischen Reichen entstandenen, Attilas, einem Bischof, wahrscheinlich Lupus
bürokratisch und zentralistisch organisierten von Tricassis, über die Kapitulationsbedingun-
Staatsmechanismus war nicht mehr zu helfen: gen verhandelt hatten und noch bevor die Ent-
Er konnte nur noch die Herrschaft einer kleinen satztruppen des Aetius und Theoderich einge-
aristokratischen Schicht und der Soldateska mit troffen waren, „an jenem Tag die Tore öffneten,
rücksichtslosen Mitteln sichern. Die für die durch die die hunnische Vorhut in die Stadt
Herrschenden und die Untergebenen gleicher- eindrang". Der Verfasser der Legende will auch
maßen verpflichtenden persönlichen Rechte - wissen, daß sich die Offiziere der Hunnen an-
der Vorfahre der europäischen Freiheit - garan- schickten, die Stadt zu plündern - die bewegliche

103 73/2.
73/3. 73/4.
73/5.

Habe ließen sie schon auf die Wagen aufladen - Der Kaufmann von Viminacium
und ihre Bewohner zusammen mit ihrem Hab
und Gut mitzunehmen, als sie von den Entsatz- „Als ich mit den die Geschenke schleppenden
truppen überrascht wurden. Mit einem Wort: Dienern das Haus des Onegesius erreichte, wa-
„Sie belagerten und nahmen die Stadt und plün- ren die Tore noch geschlossen; ich mußte also
derten und zerstörten sie dennoch nicht." Dies geduldig warten, bis jemand herauskam und
wird auch durch einen kurzen und bündigen mich anmeldete. Eine Weile spazierte ich vorder
Satz in einem Brief bestätigt, den der gallische Pfahlmauer, die das Haus umgab, als ein Mann
Zeitgenosse Sidonius Apollinaris, Bischof von heraustrat. Seiner skythischen Kleidung nach
Clermont, dem Bischof von Aureliani, Prosper, hielt ich ihn für einen Barbaren, doch er begrüß-
schrieb: „Aurelianensis urbis obsidio, oppugna- te mich mit dem griechischen Chaire [Heil]. Es
tio, inruptio nec direptio." Dem eilig abziehen- überraschte mich sehr, daß ein Skythe griechisch
den Heer Attilas schlossen sich aus den Reihen sprach. Da die Skythen ein Gemisch von aus
der Verteidiger die Gegner des Anianus an, „die verschiedenen Ländern zusammengescharten
freiwillig, von selbst zu den Barbaren übergelau- Völkern sind, pflegen sie außer in ihrer barbari-
fen sind, da sie seinen Gebeten [wortwörtlich: schen Sprache, dem Hunnischen und dem Goti-
Weissagungen] nicht trauten". Es dürfte sich bei schen, wenn sie mit Römern zusammentreffen,
ihnen offenbar um jene bagaudischen Gefange- ausonisch [lateinisch] zu sprechen; in helleni-
nen gehandelt haben, die - nach der Biographie scher Sprache kann man sich kaum mit jeman-
von Comes Agrippinus, der die Verteidigung der dem verständigen, höchstens mit Kriegsgefange-
Stadt organisierte -, auf Bitte und Vorschlag des nen ... die an ihrer zerfetzten Kleidung und
Anianus auf freien Fuß gesetzt worden waren. ihrem schmutzigen Haar leicht zu erkennen sind.
Es blieben aber noch immer gerade genug Fein- ... Dieser Mann hingegen schien ein wohlgeklei-
de der römischen Ordnung in der Stadt, weil deter Skythe zu sein, sein Haar war auf skythi-
Anianus nur „durch sein persönliches Eingreifen sche Art geschoren. Ich erwiderte seinen Gruß
die Niedermetzelung der Widerstandskämpfer und fragte ihn, wer er sei, wie er in dieses fremde
verhindern konnte, namentlich jener, die vom Land gekommen und wie es möglich sei, daß er
Zorn des plötzlich eindringenden [Entsatz-] Hee- auf skythische Art lebte. Als Antwort fragte er
res bedrängt wurden". Gab es also in der Stadt mich, warum ich dies alles wissen möchte. Ich
selbst nicht genug Feinde, die die Tore hätten antwortete ihm, meine Neugierde sei durch sei-
öffnen können? nen hellenischen Gruß ausgelöst worden. Er
Standen die Dinge wohl nur im Westteil des lachte und begann dann zu erzählen. Er sei tat-
Reiches so? Lesen wir wieder den Priscus von sächlich gebürtiger Grieche, dereinst Kaufmann
Panium. in Mösien, in der am lster gelegenen Stadt Vimi-

104
nakion [Viminacium, Kostolac] war. Er lebte tragen [um sich damit selbst zu verteidigen] ...
dort längere Zeit und heiratete sehr reich. Als die Noch ärger als die Schrecken des Krieges sind
Stadt in die Hände der Barbaren geriet, verlor jedoch die Verhältnisse im Frieden infolge der
er seine gesamte Habe, er selbst gelangte bei der hohen Steuern und aller Greuel, die man seitens
Verteilung der Beule - wegen seines einstigen der Schurken erdulden muß, gelten doch die
Reichtums - zu Onegesius ... Später kämpfte er Gesetze bei weitem nicht in gleicher Art für
mutig gegen die Römer und die Akat[z]iren, und jedermann. Wenn ein Reicher das Gesetz ver-
als er seine Kriegsbeute dem Gesetz der Skythen letzt, muß er deswegen keine Strafe befürchten,
entsprechend seinem Herrn übergab, schenkte wenn dies aber ein Armer oder Unwissender tut,
ihm dieser seine Freiheit. Er heiratete eine bar- dann muß er mit Sicherheit auf die Strenge des
barische Frau und hat Kinder. Im übrigen ist er Gesetzes gefaßt sein und wird - vorausgesetzt,
ständiger Gast am Tisch des Onegesius, und daß er nicht schon beim Verhör sein Leben las-
dieses Leben gefällt ihm viel besser als das frühe- sen muß - durch die sich lange hinziehende Pro-
re. Bei den Skythen ist nämlich das Leben, wenn zeßführung aufgerieben und inzwischen seines
der Krieg zu Ende ist, bequem, leicht und sorg- Geldes beraubt. Das größte Übel ist jedoch, daß
los, während bei den Römern der Krieg den man die Gerechtigkeit mit Geld erkaufen muß.
Menschen im Nu zugrunde richtet. Hauptsäch- Keiner bekommt recht, sei ihm eine noch so
lich deshalb, weil sie hinsichtlich ihrer Sicherheit große Rechtswidrigkeil widerfahren, solange er
auf die Hilfe anderer hoffen müssen; ihre Tyran- den Richter und die Häscher nicht mit einer
nen gestatten es ihnen nämlich nicht, Waffen zu guten Summe Geldes schmiert."
Die langatmige historische, rechtliche und
40. Cloisonnierte Goldschnallen mit kreisförmigen and ova- gesellschaftspolitische Entgegnung des Priscus
len Beschlägen aus hunnischen Funden in der Ukraine, wirkt kaum überzeugend, sie macht den Ein-
im Kaukasus und von den Steppen der Krim druck, als ob er selbst dem zustimme, was er aus

105
dem Munde des Kaufmannes aus Viminacium als im Imperium gewährleistet sahen. Schon zur
gehört hat. Seine Erörterung gipfelt in einer Zeit des Feldzuges nach Vorderasien im Jahre
Lehrfabel: „Die Gesetze sind für jedermann ver- 395 stellten die orientalischen Zeitgenossen kon-
pflichtend, und jedermann, selbst der Kaiser, sterniert fest, daß sich viele den Hunnen ange-
muß sie befolgen, und es ist nicht wahr, worüber schlossen hatten.
du dich beklagst, daß die Reichen gegenüber den
Armen ungestraft gewalttätig handeln dürfen ...
die Gesetze gelten für die Armen genauso wie für Onegesius/Hunigis
die Reichen..." Zuletzt geht Priscus abermals zu
weit: „Die Römer behandeln sogar ihre Sklaven Der Großwesir des Hunnenreiches war nicht
besser [nämlich als die Hunnen], sie gehen mit hunnischer Abstammung. Dies gestand er selbst,
ihnen wie ein Vater oder Lehrmeister um und als er im Zelt der oströmischen Gesandten mit
sind darauf bedacht, daß ihnen keine Rechts- Maximinus und Priscus griechisch - aller Wahr-
widrigkeit widerfahre, sie streben das Gute an scheinlichkeit nach in seiner Muttersprache! -
und beschützen sie wie ihre eigenen Kinder vor plauderte. Er bemerkte, und das nicht nur so
dem Bösen ..." nebenbei, daß er seine unter den Hunnen ver-
„Er antwortete: ... mag sein, daß die römi- brachte Jugend nicht leugnen könne. Demnach
schen Gesetze ausgezeichnet sind, offenbar ist geriet er schon in jungen Jahren unter die Hun-
auch die römische Staatsordnung gut, nur küm- nen und wurde ein überzeugter Hunne - ein
mern sich jene, die an der Macht sind, schon Jahrtausend später sollten die Großwesire des
lange nicht mehr um ihre Vorfahren." Osmanischen Reiches fast ausnahmslos den glei-
Priscus, wenn auch anscheinend mit unsiche- chen Weg gehen. Wir wissen, daß Onegesius
ren Worten, wozu er guten Grund hatte, läßt auch gut lateinisch gesprochen hat, der schla-
den Kaufmann von Viminacium fast wortwört- gendste Beweis seiner griechisch-römischen Her-
lich die Klagen des Salvian wiederholen. Zwei- kunft ist jedoch das antike Bad, das er sich in der
fellos gab es Menschen, die ihre persönliche Si- Nähe seines Palastes hat errichten lassen.
cherheit und ihre Freiheit eher bei den Barbaren Um 440 zählte Onegesius zu den Hauptleuten
Bledas. Darüber besitzen wir durch die vorhin
41. Die Einheit der hunnenzeitlichen Tracht beweisen die
zitierte Erzählung des Kaufmannes von Vimina-
vom Kaukasus bis zur Seine in gleicher Form ver- cium Kenntnis. Viminacium wurde nämlich
breiteten, am Gürtel zu befestigenden ösenringe und durch Bleda erobert, unter den vornehmen und
Rundschnallen reichen Gefangenen trafen nach dem Großkönig

106
75/1-3.

74. s. Farbtafel XXIII

75/1-2. Vergoldete Bronzeschnallen aus dem Grab von


Gencsapáti

75/3. Haarpinzette, Gencsapáti

seine Hauptleute ihre Wahl, und unser Mann fiel


schon damals Onegesius zu. Da im Jahre 441
auch Sirmium unter die Herrschaft Bledas ge-
langte, ist der Zeitpunkt gegeben, nach dem sich
nicht viel später Onegesius durch einen in Sir-
mium gefangengenommenen Baumeister im zen- nur zum neuen Großkönig über, er behielt auch
tralen Ordu der Hunnen ein Bad bauen ließ. seine Macht und Würde, was für eine besondere
Wenn er solches tun konnte, muß in der Nähe Anpassungsfähigkeit spricht. Seine Begabung
auch sein Palast gestanden haben. Folglich muß als Feldherr und Diplomat erhob ihn an die
Onegesius ab den 440er Jahren Großwesir Ble- Seite der Dynastie. Denken wir nur an das Fest-
das, also des westlichen Flügels des Hunnenrei- mahl, bei dem sein Armstuhl gegenüber den
ches gewesen sein. Daß seiner Stellung auch der beiden jüngeren Söhnen Attilas, aber an einem
Sturz Bledas keinen Abbruch tat, ist damit zu vornehmeren Platz, nämlich zur Rechten Atti-
erklären, daß sein Bruder Skotta(s) der Vertrau- las, stand. Die Wertschätzung seiner Fähigkei-
te Attilas war; wir begegnen ihm bereits in den ten zeugt auch vom staatsmännischen Weitblick
Jahren 441 und 443 an der Seite Attilas. Onege- Attilas.
sius ging gelegentlich des Attila-Putsches nicht Das alles wußte man natürlich auch in Kon-

107
stantinopel, wo man seine Umgangsformen, sei- schen zu großem Ruhm und hoher Ehre gelang-
nen Verstand, seine Flexibilität und freilich auch te. Dies könnte er erreichen, indem er zum Kai-
den Umstand, daß man mit ihm griechisch ver- ser ginge und durch seine Weisheit in strittigen
handeln konnte, hoch einschätzte. Sie rechneten Fragen Ordnung schaffte und zwischen den Rö-
mit ihm und wollten ihn gerne für sich gewinnen. mern und den Hunnen Frieden stiftete. Seine
Während im Hintergrund der schmutzige Atten- Sendung wäre nicht allein für beide Völker von
tatsplan des Chrysaphius seinen Lauf nahm, Nutzen, sie würde auch seinem eigenen Haus
wies der Kaiser persönlich Maximinus und Pris- zahllose Wohltaten einbringen, er selbst und sei-
cus an, alles zu unternehmen, um Onegesius zu ne Kinder aber würden für ewige Zeiten die
umgarnen. Zu diesem Zweck sandte ihm der Freundschaft des Kaisers und seiner Familie
Kaiser eine ungewöhnliche Menge an Geschen- gewinnen.
ken, vor allem Gold in einer solchen Fülle, daß Dieses durchschaubare Angebot kam dem
Priscus bei der Übergabe von einer Schar Träger Großwesir verdächtig vor. Er fragte daher Ma-
begleitet wurde. Schon daraus geht die Absicht ximinus, mit welchen Taten er das Wohlwollen
der Bestechung klar hervor. Noch offensichtli- des Kaisers gewinnen sollte, und wie er sich
cher wurde diese, als Onegesius, um sich für die eigentlich die persönlichen Verhandlungen mit
Geschenke zu bedanken, in das Zelt des Maxi- ihm vorstellte. Maximinus erwiderte, daß One-
minus ging und dort mit den beiden oströmi- gesius beim Betreten römischen Gebietes und im
schen Herren alleinblieb. Maximinus wollte Falle des Ebnens der Schwierigkeiten die Gunst
Onegesius bei seiner Eitelkeit packen und des Kaisers erfahren würde, vor allem wenn er
schmeichelte ihm deshalb folgendermaßen: Es die Verhandlungen so einleitete, daß sie die Sa-
wäre an der Zeit, daß Onegesius bei den Men- che des Friedens förderten. So lautete der mit
Friedensphrasen gespickte, tugendhafte Text
42. Goldene Ohrgehänge mit Anhängsel aus einem öster- des Priscus. Aus der Antwort des Onegesius geht
reichischen und einem dagestanischen Grabfund. jedoch hervor, daß sich Maximinus noch viel
Untersiebenbrunn (1) und Iragi (2) weiter vorgewagt hate.
Onegesius erwiderte nämlich, daß er dem Kai-
ser und seinen Ratgebern nur das sagen könnte,
was Attila wünschte. „Oder glauben die Römer
ernsthaft, daß sie mich dazu bewegen könnten,
meinen Herrn zu verraten, meine unter den Sky-
then verbrachte Jugend zu verleugnen, meine
Frauen und Kinder zu vergessen? Glauben sie
wirklich, daß die Abhängigkeit von Attila für
mich nicht günstiger ist als der Reichtum unter
den Römern?"
Diesem einmaligen Zeugnis barbarischen
Selbstbewußtseins fügte Onegesius noch ver-
söhnlich hinzu: Es wäre auch für die Römer um
vieles nutzbringender, wenn er hier in seinem
Lande bliebe. Hier könnte er nämlich seinen
Herrn mäßigen, falls sich dieser wegen irgendet-
was über die Römer empörte. Wenn er hingegen
zu ihnen ginge, wäre er dem Verdacht ausge-
setzt, die Sache Attilas zu verraten.
Onegesius half tatsächlich. Einem Talleyrand
gleich begann er zu erkennen, wohin die sangui-
nischen Ausbrüche seines Herrn führten. Zum
Verräter wurde er jedoch nicht, denn Attilas
Sache war für ihn gleichbedeutend mit der Sache
der Hunnen. Offenbar war er es, der Attila den
Rat gab, sich nicht in einen Zweifrontenkrieg zu

108
76.

76. Hunnischer Gräberschmuck des gemeinen Volkes, das des Kaisers) kategorisch zurück, wegen der
Tamási-Adorjánpuszta Einladung der beiden Senatoren selbst nach
Konstantinopel zu kommen. Die Verhandlun-
verwickeln, teilte er doch den oströmischen Ge- gen würden hunnischerseits Orestes und Esla
sandten die Entscheidung seines Herrn mit, mit initiieren.
vornehmen Beauftragten im Range von Kon- Onegesius war offensichtlich Vermittler zwi-
suln verhandeln zu wollen. Seine sprachliche schen Attila und dessen ältestem Sohn, dem
und diplomatische Gewandtheit spielte später Thronfolger Ellak. Im Frühjahr 449 setzte er
wahrscheinlich eine bedeutende Rolle dabei, daß diesen als König der Akat(z)iren ein, ließ ihn
die Verhandlungen mit Anatolius und Nomus jedoch nicht dort, sondern brachte ihn unter
tatsächlich zu einem Erfolg führten. Inzwischen dem Vorwand eines gebrochenen Armes in die
wurde er jedoch keinen Augenblick wankend. Er Residenz des Hunnenreiches zurück. So saßen
wies das Angebot des Priscus (in Wirklichkeil sie nicht nur während des mehrmals erwähnten

109
77/1.

77/1. Bronzeschnallen mit Vogelkopf von der hunnen- sche Widergabe einer Hunigis[ios] lautenden
zeitlichen Kleidung des gemeinen Volkes, Mözs- Originalform sein; siehe Onoulf = Hunwalf.
Palánk Wir haben jedoch keinen Grund zu der Annah-
me, daß diese Namensform der tatsächlichen
Festmahls nebeneinander, sondern auch im ent- eher entsprach als jene, die uns Priscus als
scheidenden Augenblick, beim Tode Attilas, be- Gast am Tische des Onegesius überliefert hat.
fand sich der Prinz im Ordu und konnte so,
vermutlich mit der Unterstützung des Onegesius,
die Macht übernehmen. Onegesius diente also Orestes
aus Überzeugung dem Hunnischen Reich, und
wir müssen uns im klaren sein, daß er wohl nicht Es ist uns nicht bekannt, aus welcher spätanti-
der einzige war, der so handelte und fühlte. ken Gesellschaftsschicht Onegesius und Skot-
Namentlich begegnen wir Onegesius zuletzt in ta(s) stammten, doch gehen wir kaum fehl, sie in
Gallien am Rhein, das ist der einzige Fall, daß einem der das „Reich erhaltenden" Stände zu
sein Name in einer weströmischen lateinischen suchen. Nach dem „intellektuellen" Eudoxius
Quelle vorkommt. Der Biograph des Bischofs und dem „bürgerlichen" Kaufmann aus Vimina-
Lupus von Tricassis erwähnt ihn unter dem Na- cium wenden wir uns nun einem echten „Aristo-
men Hunigasius als Attilas „Dolmetscher", of- kraten" - „einem sehr klugen Menschen" (Pro-
fenbar weil er die Worte Attilas dem Bischof ins kopios) - zu, der sich in den Dienst der hunni-
Lateinische übersetzt hat. Die Schreibart von schen Sache stellte und unerschütterlich an ihrer
Priscus konnte doch die zeitgenössische griechi- Seite ausharrte.

110
77/2.
Orestes aus Savia (und sein jüngerer Bruder
Paulus, der am Hofe Attilas noch keine Rolle
spielte) entstammte der provinzialert Gutsbesit-
zerschicht. Die Familie kam, dem Namen des
Vaters Tatulus nach zu schließen, aus Noricum
mediterraneum. Die junge Frau des Orestes
stammte auch aus Poetovio, das damals zu Nori-
kum gehörte, aus einer nicht minder vornehmen
Familie. Ihr Vater, Romulus comes, war nach
Priscus ein erfahrener Diplomat. Das Gut des
Tatulus lag irgendwo an der Grenze von Savia
und Norikum. Die Besitzer wurden sich im Jah-
re 445 oder 446 eines Tages bewußt, daß sie dank
dem italischen Regime zu Untertanen Attilas
geworden waren. Es widerfuhr ihnen nichts Bö-
ses, sie wurden weder von ihrem Gut vertrieben
noch von den jenseits der Grenze wohnenden
Familienmitgliedern abgeschnitten. Wir wissen
nicht, ob sich Orestes, der gebildete, gut grie-
chisch sprechende ältere Sohn, Attila freiwillig
oder auf Befehl anschloß; das ist auch nicht
wichtig. Die Familie erachtete die Lage Atti-
las für stabil; Priscus legte einen Kommentar in
den Mund des Schwiegervaters Romulus dar-
über, welch unerhörtes Glück Attila gehabt ha-
be, durch dieses sei seine Macht so gewaltig
geworden, wie dies vor ihm keinem einzigen
skythischen oder anderen Herrscher innerhalb
so kurzer Zeit gelungen war. Attila herrschte
bereits über ganz Skythien und zwang die Rö-
mer zur Entrichtung eines Tributs. Jetzt zerbre-
che er sich gerade darüber den Kopf, sein Reich
auszudehnen, deshalb rüste er gegen die Perser. 77/2. Bronzeschnalle mit Vogelkopf. Mözs-Palánk
Und sobald er auch die Perser besiegt habe - dies
fügte bereits sein pannonischer Gesprächspart- 78. s. Farbtafel XXIV
ner Constantiolus hinzu -, werde er sich nicht
mehr mit dem Titel magister militum (bei Pris- und Bestechungskünste mit vollem Erfolg auf
cus: strategos) begnügen, sondern für sich einen Edika. Sie begingen jedoch einen Fehler, den sie
dem Kaiser gleichen Rang fordern. „Wenn er einfach begehen mußten: Sie verhandelten mit
zornig ist, pflegt er jetzt schon zu sagen, beim Edika im geheimen, hinter dem Rücken des Ore-
Kaiser seien auch die Feldherren Diener, wäh- stes. Als sie meinten, Edika sei zum Anschlag auf
rend seine eigenen Hauptleute dem Kaiser der Attila bereit, machten sie einen Fehler nach dem
Römer ebenbürtig sind!" anderen. Die Honoratioren des kaiserlichen Ho-
Orestes begegnen wir zum ersten Mal im Som- fes luden Edika fast ostentativ der Reihe nach
mer 449 in Konstantinopel, wo er zusammen mit zum Abendessen ein und überhäuften ihn mit
dem Skiren Edika als Gesandter weilte. Es ist Geschenken. Orestes hätte blind sein müssen,
sehr beachtenswert, daß der intelligente und ge- hätte er die Absicht nicht durchschaut. Dieser
bildete Kaiser Theodosius ebensowenig ver- Fehlgriff seiner Herren unterlief hingegen Maxi-
suchte, den geborenen römischen Aristokraten minus mit seinen guten Manieren nicht. Er lud
zu umgarnen, wie der mit allen Wassern gewa- in Serdica zusammen mit Edika auch Orestes
schene Eunuch und Hauptminister Chrysa- zum Mahl ein und beschenkte anschließend bei-
phius. Beide konzentrierten ihre Überredungs- de mit Seidengewändern und indischen Edelstei-

111
43. Ein vorhunnenzeitlicher Innerasiatischer Grabfund zeigt
gut die fast vollständige Ausrüstung der späteren Hun-
nen. Kokel

112
nen. Orestes wartete den Fortgang Edikas ab. schuld wußte. Maximinus, von dem wir bereits
rief Maximinus zur Seite und lobte ihn dafür, erwähnten, daß er in den Attentatsplan des
„daß er nicht den gleichen Fehler begangen ha- Chrysaphius nicht eingeweiht gewesen war, miß-
be, den die Höflinge des kaiserlichen Palastes verstand Orestes und bat tags darauf Vigila um
begangen hatten". Maximinus und Priscus be- eine Erklärung. Der selbstgefällige Gote gab der
griffen die Worte des Orestes nicht, sie glaubten, Angelegenheil endgültig eine falsche Deutung.
er sei gekränkt, weil ihn die kaiserlichen Ratge- Er nahm an, Orestes sei bei Attila bloß Diener
ber bei den Einladungen und der Verteilung der und Sekretär, Edika hingegen Feldherr und ho-
Geschenke übergangen hatten. Orestes war je- her Würdenträger, der weit über Orestes stand;
doch keineswegs gekränkt, mit seinen rätselhaf- sollte er also ruhig lamentieren! Obendrein gab
ten Worten wollte er Maximinus nur auf fei- Vigila die ganze Geschichte in gotischer Sprache
ne Art zu verstehen geben, daß er die Absicht an Edika weiter und verstand nicht, warum die-
durchschaut hatte, aber auch von dessen Un- ser plötzlich so zornig wurde.
Edika wußte wohl, daß er nicht über Orestes
79. Schwert- oder Zaumzeugbeschläge aus Szeged- stand und daß in Attilas Augen beide gleichran-
Nagyszéksós gig waren. Durch die Worte Vigilas wurde ihm

79.
113
plötzlich klar, daß Orestes ihn durchschaut hatte rühmten Mahl ließ Orestes die oströmische Ge-
und dahintergekommen war. daß ihn die Oströ- sandtschaft durch seinen Vater einladen, so, als
mer mit Erfolg umgarnt halten. Von diesem ob er den zwischen ihnen bestehenden Rangun-
Augenblick an war Edika in den Händen des lerschied demonstrieren wollte.
Orestes, der Attila melden konnte, daß Edika Für die Aufdeckung des Attentatsplanes des
unter seiner (Orestes') Umgehung insgeheim mit Chrysaphius wurde Orestes von Attila selbst
dem Kaiser und dessen Minister verhandelt hat- ausgezeichnet. Nach dem Geständnis Vigilas
te. Und diese Anschuldigung konnte er auch führte Orestes die Genugtuung fordernde Ge-
durch die zu Edikas Ehren veranstalteten Gelage sandtschaft nach Konstantinopel an. Er erschien
und die Geschenke beweisen. Aus Angst war er mit Vigilas leerem Geldsack vor dem Kaiser,
nun gezwungen, den Attentatsplan von Chry- Esla begleitete die Szene durch das Aufsagen
saphius und Vigila vor Attila aufzudecken, eines einstudierten Textes.
obwohl diesen in Wirklichkeit Orestes vereitelt Wir wissen nicht, ob Orestes am gallischen
hatte! Feldzug teilgenommen hat. Bekannt ist hinge-
Erst als die Oströmer hunnisches Gebiet be- gen, daß 452 „der pannonische Orestes, als Attila
traten, stellte sich heraus, daß Orestes zu den nach Italien kam, sich ihm angeschlossen hat
Würdenträgern des Reiches gehörte. Mit der und sein Sekretär (notarius) war". Mit einem
Gesandtschaft unter der Leitung des Maximinus Wort, er schreckte nicht vor einem Feldzug ge-
verhandelten in Attilas Namen zuerst Scotta(s) gen Italien zurück.
und Orestes. Dessen Vater und Schwiegervater Nach dem Tod Attilas zog sich Orestes offen-
waren gerade zur Residenz Attilas unterwegs, bar auf seine Besitzung zurück. Möglicherweise
um Orestes und seine Frau zu besuchen, die das mußte er sich in den folgenden Jahren sogar
allerhöchste Vertrauen genossen. Zu dem be- verborgen halten, weil er zur Zeit des Valentinia-
nus III., des Aetius, des von einem gallischen
80. Riemenzungen mit Zikadenflügeln, Szeged- Senator zum Kaiser gewordenen Avitus und des
Nagyszéksós von einem einstigen Offizier des Aetius zum
weströmischen Kaiser aufgestiegenen Maioria-
nus höchstwahrscheinlich als „Verräter" galt.
Nach 461 aber herrschte über dem, was vom
Weströmischen Reich übriggeblieben war, ein
an die Politik seiner Vorgänger nicht mehr ge-
bundener italischer Kaiser und anschließend ein
barbarischer Militärkommandant. Für sie war
Orestes kein Verbrecher mehr, so daß seiner
politischen und militärischen Karriere in Italien
kein Hindernis mehr im Wege stand. Es ist kaum
Zufall, daß er gerade während des gegenseitigen
Kampfes des von Konstantinopel Italien aufge-
zwungenen Kaisers oströmischer Herkunft, An-
themius, und dessen Gegenspielers Olybrius, in
seiner Laufbahn immer höher stieg. Als lachen-
der Dritter erlangte er den höchsten militäri-
schen Rang (472). Um die Macht wirklich in die
Hand nehmen zu können, mußte er erst seinen
Rivalen, den südgallischen Patrizier Ecdicius,
stürzen. Ecdicius war der Sohn von Eparchius
Avitus. dem agilsten Gegner Attilas im Jahre
451, Hauptorganisator des römisch-barbari-
schen Widerstandes in Gallien. Avitus war 455
von den römischen und wisigotischen Kräften
Galliens zum weströmischen Kaiser proklamiert
worden, und seine wisigotischen Truppen er-

114
44. Grab eines hunnenzeitlichen Kriegers mit zerbrochenem themius oströmischer Herkunft, dann zu Beginn
Bogen aus Kysylkajnartöbe der Herrschaft von Iulius Nepos (Herbst 474)
der Oberbefehlshaber all jener Militäreinheiten,
oberten Ende 455 vorübergehend einen Teil des die vom Weströmischen Reich verblieben waren.
hunnischen Pannonien zurück. Infolgedessen Nachdem Orestes mit Hilfe der donaugermani-
waren Avitus und sein Sohn sowie Orestes und schen Truppen, einst Vasallen der Hunnen, Ec-
seine Familie Feinde. Bei der Entstehung der dicius entfernt hatte, vertrieb er. der Oberbe-
sich in den 470er Jahren immer mehr aufeinan- fehlshaber und Patrizier der weströmischen Ar-
der stützenden oströmisch-gallisch-römischen mee, Ende August 475 die letzte oströmische
„Achse" war Ecdicius zuerst Patrizier des An- Kreatur, Iulius Nepos. Doch nicht er selbst be-

115
116
45. Mit gespanntem Bogen bestatteter hunnischer oder zwanzig Jahre alt war und am Hofe Attilas
orientalischer Krieger der Hunnenzeit aus Žamantogaj erzogen worden war.
Korymy

stieg den Thron, sondern sein Sohn Romulus, Die beiden fränkischen Herzöge
der den Namen des Großvaters aus Poetovio
trug, wurde letzter weströmischer Kaiser. Der italische Chronist übertrieb vermutlich, als
Das Römertum des einstigen Sekretärs At- er für das Jahr 451 schrieb, Attila hätte viele
tilas getraute sich zu jener Zeit in Italien tausend Mann in den Krieg „gezwungen". Die
wohl kaum jemand anzuzweifeln, obwohl verbündeten antirömischen Armeen wurden tat-
Orestes seinen konstanlinopel- und gallien- sächlich auf Befehl Attilas einberufen und in
feindlichen Grundsätzen, die er am Hofe sei- Marsch gesetzt, doch ist es mehr als unwahr-
nes barbarischen Herrn vertreten hatte, treu scheinlich, daß man irgendeines der Völker zur
blieb. Nur der ältere Sohn seines einstigen Teilnahme an den Feldzügen gegen Gallien und
barbarischen Rivalen Edika brachte dieser Italien hätte zwingen müssen. Zu einer Zeit, als
Einstellung keinerlei Achtung entgegen; er Attila überhaupt noch nicht geboren bzw. noch
forderte für seine Soldaten, die Orestes zur ein kleines Kind war, überfluteten die Heere der
Macht verholfen hatten, Geld und Land und Wisigoten, Wandalen, Sweben und Alanen bei-
für sich selbst die Macht. Es war dies kein de Teile des Reiches - zwar aus Angst vor den
anderer als Odoaker. der zu der Zeit, als Ore- Hunnen, aber ohne von ihnen verfolgt zu wer-
stes im Dienst der Hunnen stand, etwas über den - und eigneten sich weite Gebiete Afrikas,
Hispaniens und Galliens an. Die Hunnen hatten
81. Goldschmuck, in den Zellen Steineinlagen, Szeged- mit der gewaltsam durchgeführten Ansiedlung
Nagyszéksós fränkischer und burgundischer Gruppen west-

81.
117
82.
oströmischen Grenzgebiete. Ganz davon abge-
sehen, daß der Zug der germanischen Stämme
und Völker nach Süden sogar ein Jahrhundert
nach dem Zerfall des Hunnenreiches noch nicht
aufgehört hat. genügt es, auf die über Pannonien
nach Italien ziehenden Langobarden und Sach-
sen zu verweisen. Es ist bekannt, daß die Fran-
ken erst in den Jahrzehnten nach dem Zerfall des
Hunnenreiches ihre Herrschaft nach Gallien
ausdehnten, zur selben Zeit erfolgte die angel-
sächsische Invasion Britanniens. Die Allgemein-
geschichte macht gerne die Hunnen und vor
allem Attila für Geschehnisse verantwortlich,
die auch ohne sie passierten, ja die gerade die
typisch hunnische Grenzschutzorganisation bis
zum Tode Attilas und bis zur Auflösung des
Hunnenreiches verhinderte: Zwischen 408 und
456 vermochte sich kein einziges ostgermani-
sches Volk dem hunnischen Bündnis zu entzie-
82. Trensenzierbeschlag, stark vergrößert, Szeged- hen und auf römischem Gebiet anzusiedeln.
Nagyszéksós Was den gallischen Feldzug Attilas betrifft,
lassen die oströmischen und ostrogotischen Ge-
lich des Rheins überhaupt nichts zu tun. Wie wir schichtsschreiber vermuten, der stets dämonisch
bereits gesehen haben, versuchte sie Aetius zur dargestellte Wandalenkönig Geiserich hätte sei-
Zeit Rugas und Bledas geradezu mit hunnischen ne Hand und sein Gold mit im Spiel gehabt -
Waffen zu vertreiben und zu maßregeln - mit wahrscheinlich aber völlig grundlos. Attila wur-
mehr oder weniger Erfolg. Bis zur Zeit Attilas de durch seine eigene Politik in den Krieg getrie-
stützten sich die Hunnen gar nicht oder nur ben.
gelegentlich auf die Kräfte besiegter barbari- Doch wie verhielten sich zu alledem die daran
scher Völker, der Feldzug „der verbündeten Beteiligten? Diese Frage ist nicht leicht zu beant-
Völker" war eine Neuerung Attilas. Es ist jedoch worten, weil, abgesehen von Priscus, alle zeitge-
wenig glaubhaft, daß diese kampflüsternen und nössischen Quellen und auch die des späteren
beutegierigen Völker nicht gerne gegen Kon- Frühmittelalters den Hunnen gegenüber feind-
stantinopel, Aureliani oder Mediolanum gezo- lich eingestellt waren, infolgedessen auch die
gen wären. Man kann sich auch nur schwer Mehrzahl der modernen Kommentare. Dabei
vorstellen, womit Attila beispielsweise die Thü- sind die Widersprüche bisweilen sehr kraß. Der
ringer zu einem Kriegszug gegen Gallien hätte Chronist der Ostrogoten beklagt sich dem
zwingen können; es war sicher ein leichtes, sie Schein nach hundert Jahre nach dem Sturz der
dazu zu überreden. Hunnen, in welch mörderischen „Bruderkampf"
Offen bleibt hingegen, ob sich der Großkönig Attila die beiden gotischen Völker getrieben hat-
nur die Beutegier dieser Völker zunutze machte te. Gleichzeitig bewahrt er mit brennender Sorge
oder ob auch andere Beweggründe in Frage und unbändigem Stolz den Namen und Ruhm
kommen könnten. Doch sei sofort festgestellt, des Andag(is), Sohn des Andela aus dem ostro-
daß mit Ausnahme der Thüringer alle Völker gotischen Geschlecht der Amaler, der in der
und Volksteile, die zur Zeit Attilas im Bündnis Schlacht bei Mauriacum den vom Pferd stürzen-
mit den Hunnen das Reich von außen angegrif- den König der Wisigoten, Theoderich I., mit
fen haben, zwei Jahrzehnte später im Inneren dem Speer niedergestochen hat. Auch beim Er-
des Reiches anzutreffen sind (Ostrogoten, Ski- zählen vom Heldentod Ellaks, des Sohnes Atti-
ren. Sweben, Gruppen der Heruler), noch später las, fällt er aus der Rolle; die Ostrogoten waren
auch Überreste der Rugier und Heruler, und damals noch die Verbündeten Ellaks. Aus den
zwischen 473 und 504 sowie 536 und 551 beset- auf Priscus zurückgehenden Stellen der goti-
zen auch die Gepiden beträchtliche Teile der schen Chronik scheint es auch zweifelhaft, ob

118
Attila überhaupt wegen der Wisigoten nach Gal- la in einem Brief Theoderich bloß, sich vom
lien gezogen ist, zwischen den beiden Völkern Bündnis mit den Römern loszusagen und erin-
kann es keinen ernsten Grund zur Auseinander- nerte an den von den Römern, nämlich von
setzung gegeben haben. Angeblich ersuchte Atti- Litorius, dem Feldherrn des Aetius, erst kürzlich
gegen die Wisigoten geführten Krieg. Theode-
46. Funde aus dem Grab eines Militärführers. Fedorovka rich war sich indessen bewußt, daß er - ob er

119
47.-48. Funde von Pécs-Üszögpuszta zur Zeit der Frei- Köchern, Pfeilspitzen, Sattelbeschläge, Zier-
legung: Langschwert mit Parierstange und Schei- beschläge einer Kopfbedeckung oder eines Köchers
denbeschlägen, Beschlagbleche ron Bögen und

120
121
wollte oder nicht - zur Verteidigung seines Lan- unserem Feind gemacht!" Es war also keines-
des gezwungen sein würde. Deshalb brach er vor wegs Begeisterung, was Theoderich zum Ver-
den um Hilfe bittenden Gesandten des Valenti- teidiger Galliens und der „römischen Sache"
nianus III. voller Bitterkeit aus: „Römer, euer machte, sondern einfach notwendige Selbstver-
Wunsch hat sich erfüllt, ihr habt Attila auch zu teidigung.
Auch andere gallische Verbündete der Römer
49. Die östlichen Vorläufer der hunnischen Trensen mit zeigten wenig Lust, für den Schutz der senatori-
Seitenstange im Unigebiet. Mertwje Soli schen Güter und der Bischofsstädte zu kämpfen.

122
83.

83. Beschläge mit Zellenornamenuk aus Szeged-Nagy- 3. Jahrhundert getrennt. Von einem „Bruder-
széksós zwist" zu sprechen, dramatisiert bloß die Tatsa-
che, daß sich beide Völker zur Zeit Attilas feind-
Sangiban, König der nördlich der Loire statio- lich gegenüberstanden. Viel abstechender ist das
nierten Alanen, ließ Attila angeblich ausrichten, Verhalten der Burgunder und Franken, die auf
er würde zu ihm übergehen und ihm die Stadt beiden Seiten kämpften. Gerade die außerhalb
Aureliani in die Hände spielen. War das wirklich des Reiches lebenden Burgunder hätten seil dem
geschehen, wäre das der Grund, warum Attila Feldzug Uptars Zeit gehabt, sich eine schlechte
nach dieser Stadt eilte. Doch üblicherweise ver- Meinung über die Hunnen zu bilden ... Die
gißt man zu fragen, was denn Sangiban und Verteilung der Franken auf beide Seiten ist so
seine Alanen - zumindest anfangs auf die an- verblüffend, daß sogar die hervorragendsten
dere Seite gelockt hatte. modernen Historiker darüber mit halben Sätzen
Die Ostrogoten und Wisigoten lebten seit dem hinweggehen, während die Anhänger der ,,gallo-

123
römischen" Richtung sie gefälscht interpretie-
ren.
Unsere Hauptquelle ist auch in diesem Fall
Priscus: „Für den Feldzug gegen die Franken
dienten Attila der Tod ihres Königs und der sich
daraus ergebene Zwist seiner beiden Söhne um
die Macht als Vorwand. Der ältere Sohn trachte-
te, Attila als Bundesgenossen zu gewinnen, der
jüngere hingegen Aetius. Ich sah diesen Knaben,
als ich Gesandter in Rom war: ein junges
Bürschchen, auf dessen Kinn noch kein Bart-
flaum zu sehen war, sein langes, blondes Haar
fiel auf seine Schultern herab. Aetius nahm ihn
an Kindes Statt an und beschenkte ihn, wie auch
der Kaiser, reichlich. Bevor er ihn entließ, schloß
er Freundschaft und ein Bündnis mit ihm." So
weit der Bericht vom Herbst 450, der einen riesi-
gen Schönheitsfehler besitzt: Priscus hat die Na-
men des verstorbenen Königs und seiner beiden
Söhne nicht niedergeschrieben und bietet damit
die Möglichkeit für endloses Rätselraten.
Im übrigen ist der Bericht klar und eindeutig.
Offenbar lehnte sich der jüngere Bruder, vermut-
lich auf Zureden des Aetius, gegen den älteren
und demnach zweifellos legitimen Nachfolger
auf. Nicht der ältere ist geflohen, sondern der
jüngere, der ältere blieb an der Spitze seines
Volkes daheim. Der junge Herzog wurde in
Rom gegen seinen Bruder aufgehetzt, der sich
aus Überzeugung oder gezwungenermaßen an
Attila um Hilfe wandte. (Die Quellen werden
nur von wenigen objektiv angeführt. Es gibt
auch eine moderne historische Arbeit, die den
Fall umgekehrt interpretiert. Danach wäre der
„treue und rechtmäßige" Sohn daheim geblieben
und der „Verräter" zu Attila geflohen. Andere
wiederum bezeichnen die Franken des älteren
Bruders als Rebellenclan, und wir werden gleich
sehen, warum ...)
Die Geschichtsschreibung versucht seit Jahr-
hunderten verzweifelt, den in Rom eine Rolle
spielenden Herzog, der als loyaler Verbündeter
des Reiches an der Seite des Aetius gegen Attila
kämpfte, mit Merowech, dem namengebenden
Ahnen der Merowinger, zu identifizieren. Könn-
te man sich den Ahnen der heiligen Merowinger-
50. Goldblecbverkleidung des oberen Bogenendes aus Dynastie an einem anderen Ort und auf einer
Bátaszék anderen Seile vorstellen? Wir sind es gezwungen
zu tun. Der kleine blonde Herzog, der in Rom
gesehen worden ist, verschwindet nämlich; man
hört nie mehr wieder etwas über ihn. Aus der
einzigen zeitgenössischen westlichen Quelle, die

124
über die Taten der loyalen Franken im Jahre 451 des gefallen, die Begegnung des Priscus mit dem
kurz und prägnant berichtet, geht klar hervor, „verwaisten" kleinen Herzog in Rom im Herbst
daß die Hilfstruppen der mit den Römern ver- des Jahres 450 datiert man hingegen um ein Jahr
bündeten Franken von Heerführern (duces) be- später. Jedoch ist dies nicht möglich.
fehligt worden sind, da die romfreundlichen Es ist allgemein bekannt, daß die fast dreihun-
Rheinfranken gerade keinen König gehabt ha- dert Jahre lang regierende Dynastie der Mero-
ben; weder einen alten König (der gestorben winger von Chlodowech/Clovis, dem siegreichen
war) noch einen kleinen, jungen. Trotz dieser Bezwinger Galliens, gegründet wurde. Seinen
Tatsachen setzen sich seriöse Forscher auch Vater, den Ende 481 oder Anfang 482 verstorbe-
neuerdings mit abenteuerlichen Lösungsvor- nen Childerich I., kennen wir ebensogut wie
schlägen für den „Ruhm" der Merowinger ein seine Mutter, die thüringische Prinzessin Basina.
Demnach wäre Merowech in der Schlacht von Merowech kann also nur ein Ahne des Chlo-
Mauriacum bei der Verteidigung des Vaterlan- dowech und Childerich sein Großvater oder
Vater gewesen sein, sonst hätte sich die Dy-
84. Goldschnallen aus Szeged-Nagyszéksós nastie nicht nach ihm benannt. Von Childe-

84.
125
126
85.

51. Funde aus einem Männergrab ton Kertsch-Glinischtsche

rich I. ist uns bekannt, daß er frühestens nach


458, mit Sicherheit aber erst ab 463 mit seinen
fränkischen Kriegern in Gallien erschienen ist,
und zwar an der Seite des „Königs der Römer".
Aegidius, im Kampf gegen die Wisigoten! Wo
sich Childerich vorher aufgehalten hat. davon
berichten die unklaren, aber doch eindeutigen
Angaben der fränkischen Chroniken. Die soge-
nannte Fredegar-Chronik will wissen, daß sich
die Gattin Merowechs - wohl offensichtlich sei-
ne Witwe - und sein Sohn Childerich in „hunni-
scher Gefangenschaft" befunden haben. Sie
schweigt sich jedoch darüber aus. wie die beiden
dorthin gekommen und wann sie zurückgekehrt
sind. Gregor von Tours berichtet hingegen trotz
aller Beschönigungen doch das Wesentliche. Je-
ner Childerich, „der über das fränkische Volk
herrschte", floh auf einmal nach Thüringen und
hielt sich dort bei König Bysin acht Jahre lang
verborgen. Nachdem er aus Thüringen zurück-
gekehrt war, gelang es ihm, sein Königreich
„wiederherzustellen". Aus Thüringen brachte er
seine Gattin, Basina, die Mutter des Chlodo-
wech/Clovis, mit. Wenn wir von der naiven, ja
einfältigen Erklärung des Bischofs Gregor abse-
hen, warum Childerich nach Thüringen fliehen
mußte (als junger König stellte er den Mädchen
zuviel nach, deshalb vertrieben ihn seine sitten- 85. Vergrößerung einer Goldschnalle, Szeged-
strengen fränkischen Untertanen), und auch die Nagyszéksós
schöne Geschichte seiner Rückkehr außer acht
lassen, bleibt die nackte Tatsache: Merowechs die meisten Historiker für ein romantisches
Sohn Childerich war König der Franken, war Märchen, in seinen Einzelheiten stimmt das
jedoch zur Zeit der Hunnen gezwungen, zusam- auch. Man kann sich allerdings schwerlich vor-
men mit seiner Mutter zu fliehen. Er erhielt bei stellen, daß die Witwe Chlodowechs/Clovis', die
den mit den Hunnen verbündeten Thüringern, langlebige Chlotilda (+555), und von ihren Söh-
die im gallischen Feldzug auf hunnischer Seite nen die Könige Chlotachar I (+56l) und Childe-
gekämpft hatten, Zuflucht und hielt sich so lan- bert I. (+558) - alles Zeitgenossen des 538 gebo-
ge bei ihnen verborgen, bis eine Ruckkehr mög- renen Gregorius Turonensis - nicht wußten, wer
lich war. Dazu bot sich zum ersten Mal nach ihre Schwiegermutter und Großmutter war:
dem Sturz des gallischen Kaisers Eparchius Avi- Basina stammte aller Wahrscheinlichkeit nach
tus (17. Oktober 456) Gelegenheit, doch scheint aus der Thoring-Dynastie.
es wahrscheinlicher, daß die Rückkehr erst nach
dem Fortgang nach Italien (457) oder dem Sturz Das Ergebnis ist einfach und eindeutig. Chil-
des einstigen gallischen Waffenbruders von Ae- derich, der ältere und legitime Sohn Merowechs.
tius, des Kaisers Maiorianus (2. August 461) war König der Rheinfranken und wurde infolge
erfolgte, also zu einer Zeit, als sich die in die des Aulslandes seines jüngeren Bruders unbe-
Selbstverteidigung gedrängten Römer Nordgal- kannten Namens oder aus eigenem Entschluß
liens endgültig von der weströmischen Zentral- Verbündeter Attilas und kämpfte in der
macht getrennt haben. Schlacht bei Mauriacum zusammen mit den
Childerichs thüringisches Abenteuer halten Franken des rechten Rheintales an der Seite
Attilas gegen die Wisigoten.

127
86.

brauch waren die Silber- und Goldmünzen in


einem Beutel, die ein kleines Vermögen darstell­
ten. Von den Goldmünzen würden die Solidi des
Basiliscus (475-476) und des Zeno (476-491 zum
zweiten Mal Kaiser) vermutlich auch dann auf
die Person des Childerich verweisen, wenn der
Siegelring mit der Inschrift dem König nicht mit
ins Grab gegeben worden wäre.
Diese Gewißheit über seine Identität halte der
481 oder Anfang 482 verstorbene und in seiner
früheren Residenz Turnacum begrabene Childe­
rich nur allzu nötig, wirken doch die anderen
Beigaben für das Gebiet südlich des Rheins viel­
leicht noch fremdartiger als die Grabfunde von
Pouan. Das Grab könnte man ohne sonderliche
Schwierigkeit auf die Begräbnisstätte der Gepi-
denkönige, der Ardarikingen in Apahida, über­
tragen, sind doch fast sämtliche Goldbeigaben
mit den Waffen und Trachtbestandteilen der
Königs- und Fürstengräber der Donaugerma-
nen verwandt (Apahida I—III, Blučina. Komá-
rom-Ószőny, Schatz von Someşeni/Szamosfal-
va). An hunnischem „Erbe" übertrifft das Chil-
derich-Grab sogar die Königsgräber der Gepi­
den, die sich im Reichtum und im Land der
Hunnen teilten.
Der im Grab gefundene Pferdeschädel (wie
auch Bein und Huf?) bilden die Überreste des
von den orientalischen Völkern übernomme­
nen Pferdeopfers; und auch das Pferdegeschirr
(von dem das Fragment einer edelsteinverzierten
Trense und eine - oder mehrere? - Riemenzun­
ge(n) mit Schuppenzellenwerk bekannt sind) ist
86. Goldene Riemenzunge mit Zellenornamentik, orientalischen, hunnischen Ursprungs. Die Pa­
Szeged-Nagyszéksós rallelen zu der Goldzellenverzierung der im
Grab zerfallenen Bernstein- oder Kalkstein-
Für die Frage, ob sich Childerich freiwillig scheibe, die einst vom Schwert herunterhing,
oder aber unter Zwang auf die Seite Attilas stell­ lassen sich bis nach Mittelasien verfolgen. Von
te, mag als einmalige und unparteiische Zeugen­ ebenfalls östlichen, hunnischen Einflüssen zeu­
aussage das am 27. Mai 1653 auf der Saint- gen der mit zellenverzierten Goldzikaden verse­
Brice-Terrasse in Tournai (Doornik) gefundene, hene Mantel (?) und die auf „Apahidaer Art"
leider zerstörte Grab des Königs gelten. Über mit Zellen verzierten Taschen verschlüsse, deren
die Person des Bestatteten und dessen Rang gab beide Enden - als erstes Vorkommen im Westen
es keinen Augenblick einen Zweifel. Der Siegel­ -in Form von Raubvogelköpfen gearbeitet sind.
ring mit der Inschrift CHILDIRICI REGIS und Schließlich vertritt ein Teil der Goldschnallen
in dessen Mitte mit dem Brustbild des langhaari­ mit dickem ovalem Ring, zellenverziertem run­
gen Königs mit der Lanze als Herrscherinsignie, dem bzw. quadratischem Beschlag und zellenver-
das beim Kopf des Toten befindliche fränkische ziertem Dorn - offensichtlich Schwertriemen-,
Wurfbeil (francisca) und die neben den Sarg Gürtel- und besonders Stiefelriemenschnallen -
gelegte fränkische Lanze bestätigen sowohl die einen Typ aus der Hunnenzeit. Sie gehörten dem
Herkunft des Toten wie auch dessen Identität.
Ein von den Römern übernommener Toten­ 52. Funde von Nowogrigorewka

128
129
130
87.
König und eventuell der Königin Basina - im
Grab sind nämlich ein größerer und ein kleinerer
Schädel gefunden worden; einige Schmuckstük-
ke wie z. B. eine Kristallkugel, der kleine Gold-
armreif, die Goldnadel sowie eine der beiden
unterschiedlichen Serien von kleineren bzw. grö-
ßeren Zikaden weisen möglicherweise auf eine
Frau hin. Der andere Teil der Goldschnallen,
vor allem die größeren, reicher verzierten Stük-
ke, ähnelt den edelsteinbelegten Schnallen der
thüringischen und alamannischen Fürsten sowie
der Gepidenkönige aus der gleichen Zeit. Ein
schmuckvolleres, größeres Pendent der antiken
Goldfibel mit Zwiebelknopf von Childerich ist
im Königsgrab I von Apahida gefunden worden,
und die Stierkopfverzierung aus dem Childerich-
Grab ist ebenfalls mit den gepidischen Stierkopf-
ringen und den stierkopfverzierten Fibeln ver-
wandt.
Tracht und Rüstung des Königs Childerich
zeigen den orientalischen Prunk der Auserlese- 87. Vogelkopfförmiges Zierstück, Szeged-Nagyszéksós
nen des Hunnenreiches und seiner Vasallenköni-
ge. Ein Teil der Waffen und Schmuckstücke war ihn auch. Childerich wurde noch lange so ge-
vermutlich ein persönliches Geschenk Attilas, nannt, erst im vorigen Jahrhundert wurde er
anderes stammte vielleicht von König Bysin, zum „Vater des Clovis".
wieder andere sind natürlich gallisch-fränkische Das „römische" Heer des Aetius, die südgalli-
Erzeugnisse. Worin die Bestattung von der der schen Wisigoten und die romfreundlichen Fran-
hunnischen Großen abweicht, ist sie mit jenen ken verteidiglen von vornherein Unterschiedli-
Ardarichs, des einstigen Lieblings Attilas, und ches und vermochten sich gegenseitig nicht ge-
seiner Nachkommen verwandt. Es sind hier wie nug zu verdächtigen. Aetius stellte daher seine
dort Insignien der damals allgemein und auch Schlachtordnung in erster Linie nach dem Ge-
von den Römern anerkannten Würde (römische sichtspunkt her, wie er ein Auseinanderlaufen
Goldfibeln) und der Souveränität (beschriftete seiner Verbündeten verhindern könnte. Es ist
Goldringe und Fingerringe ohne Namen). also kein Zufall, wenn Jordanes, Priscus folgend,
Childerich wird von der Geschichtsschreibung vor der Schlacht bei Mauriacum Attila folgende
unserer Tage schlecht bewertet. Als Hauptver- Worte in den Mund legte: „Verachtet das ver-
dienst läßt sie gellen, daß er der Vater des Chlo- einte Gesindel unterschiedlicher Herkunft, es ist
dowech war - wenn man diesen heidnischen ein Zeichen der Angst, wenn sich jemand von
Kondottiere überhaupt erwähnt. Wie anders sah seinen Verbündeten verteidigen läßt." Das glei-
ihn das Jahrhundert, in dem sein Grab freigelegt che läßt er auch den Kaufmann von Viminacium
wurde! Die Reliquien von Tournai wurden 1656 sagen. Noch sonderbarer ist, daß die Quelle ge-
nach Wien gebracht und ab 1662 in der kaiserli- rade Attila seine Gegner als kunterbunten Hau-
chen Schatzkammer verwahrt. Doch sollten sie fen bezeichnen läßt. Meinte der Verfasser, die
dort nicht lange bleiben. Im Jahre 1664, nach der Streitmacht Attilas sei einheitlicher gewesen ?
Schlacht bei St. Gotthard an der Raab, verlang- Vermutlich ja. und er wird schon gewußt haben,
te der französische Gesandte in Wien im Namen warum .
Ludwigs XIV. als Entgelt für die tatkräftige Wir sind nicht und können auch nicht darüber
französische Hilfe von Kaiser Leopold I. „den im klaren sein, wie die in Gallien und dann in
Grabschatz von Merowechs Sohn" und erhielt Italien aufeinanderstoßenden „barbarischen"
und „römischen" Heere und Heerführer fühlten
53. Hunnisches Prunkschwert, Schnallen und Riemenzungen und was sie dachten. Bloß eines ist gewiß: Sie
aus Jakuszowice waren nicht von den Ideen des 19. und 20. Jahr-

131
hunderts durchdrungen. Noch schwieriger ist es, stand nämlich in der Ebene. Wir schlugen also
sich vorzustellen, die an der Seite Attilas Stehen- unser Zelt dort auf, wo es die Skythen wollten.
den oder zu ihm Übergelaufenen seien von kei- Edika, Orestes, Scotta[s] und andere, die bei den
nerlei Gefühlen bewegt gewesen, und nur die Hunnen als vornehm galten, kamen dahin ..."
offizielle „römische" Seite habe eine „Ideologie" Also nicht die bekannten Würdenträger unter-
gehabt, und nur diese sei „gerecht" gewesen. Es sagten den Römern die Aufstellung ihres Zel-
ist ratsam. Tatsachen als Tatsachen zu behan- tes hoch über dem Attilas, sondern die be-
deln. gleitenden, gemeinen Hunnen. Welchen ande-
ren Grund hätten sie dazu gehabt als ihre
Verehrung für Attila?
Attilas persönlicher Charme Attilas Name und Ruf mag bis zu den großen
westlichen Feldzügen bei den Weströmern, die
So düster der hunnische Großkönig bei dem mit den Hunnen jahrzehntelang verbündet wa-
denkwürdigen Festmahl auch erscheinen mochte, ren und in Freundschaft mit ihnen lebten, nicht
verfügte er doch über eine persönliche Ausstrah- schlecht geklungen haben, nicht einmal in höch-
lung, wie sie uns in ähnlicher Art nur von ganz sten Kreisen. Friede und Entfernung ließen ihn
großen „Welteroberern" berichtet wird. Als Be- in den Augen vieler Menschen zum romanti-
weis seien zwei von Priscus überlieferte Begeben- schen Helden werden, zu einem mächtigen, mu-
heiten herausgegriffen. tigen und großzügigen Herrscher. Der „unver-
„Zusammen mit den Barbaren setzten wir un- ständliche" Fall der Honoria wird - ganz gleich,
sere Reise fort und kamen nach Serdica/Sofia. wie man ihn heute auszulegen versucht - gerade
Diese Stadt können Reisende mit leichtem Ge- ohne die Anerkennung des Gegenpols, also Atti-
päck von Konstantinopel aus innerhalb von drei- las, wirklich unverständlich. Für die ihres Lieb-
zehn Tagen erreichen. Wir machten dort Rast sten auf drastische Weise beraubte, um ihren
und waren der Meinung, daß es gut wäre, Edika Anteil gebrachte, in ihrer Freiheit begrenzte,
und die in seiner Begleitung befindlichen Barba- kurz: aus politischen Gründen in ihrer Men-
ren zum Abendessen einzuladen. Von den Ein- schenwürde geschändete Augusta war Attila die
heimischen beschafften wir uns Schafe und einzige und letzte Hoffnung.
Rindfleisch und bereiteten die Speisen zu. Wäh-
rend des Mahles, als die Barbaren auf Attila, wir
aber auf den Kaiser die Gläser erhoben, ließ Legende und Wirklichkeit
Vigila die Bemerkung fallen, man dürfe doch
einen Gott nicht mit einem Menschen verglei- Den gallischen und italischen Feldzügen Attilas
chen, wobei er Attila für einen Menschen, Theo- verdankt die Kirche zahlreiche schöne, in den
dosius hingegen für einen Gott hielt. Die Hun- späteren Jahrhunderten des frühen Mittelalters
nen ergriff ein maßloser Zorn, und sie begannen entstandene Legenden. Vom Beginn des späten
uns zu beschimpfen. Wir gaben dem Gespräch Mittelalters an boten diese Legenden den Künst-
rasch eine Wendung ..." Aus dieser Szene geht lern reichlich Stoff für spektakuläre Arbeiten.
klar hervor, daß hinsichtlich des „Byzantinis- Das Kölner Martyrium der heiligen Ursula und
mus" keine Partei hinter der anderen zurück- der in ihrer Begleitung befindlichen elftausend
stand. Ihren eigenen Herrscher hielten, dem da- Jungfrauen war ein genauso dankbares Thema
maligen Brauch entsprechend, beide für einen wie die mörderische Schlacht der Hunnen mit
Gott, auch die Hunnen, zur großen Empörung den aus ihren Gräbern auferstandenen Römern.
des vom Goten zum Neophyten gewordenen. Höhepunkt ist aber die heroisch erhabene Ge-
Dies bedeutet, daß beide Seiten dies auch glaub- stalt des Papstes Leo der Große, als er sich vor
ten und bekannten. Nicht allein die Vornehmen, den Mauern Roms stolz der „Geißel Gottes"
sondern auch das einfache Volk. stellte, die vor der Erscheinung der Apostel Pe-
„Um die neunte Stunde des Tages [drei Uhr trus und Paulus erschrocken war. Diesen heute
nachmittags] erreichten wir die Zelte Attilas; sie bekannten und benutzten Ausdruck (flagellum
waren recht zahlreich. Als wir begannen, unser Dei) hat in Wirklichkeit Augustin auf Alarich
Zell auf einer Anhöhe aufzuschlagen, verboten und seine Goten angewendet, als sie 410 Rom
uns dies die begleitenden Barbaren, Attilas Zell zerstörten. Erst Jahrhunderte später wurde er

132
88.

88. Scheibenbeschlag mit Zellenornamentik von einer den Hunnen als Hauptquartier diente, am An-
Schale, Szeged-Nagyszéksós fang und am Ende des Kriegszuges, also zwei-
mal, zu schützen - der Legende nach wurde auf
auf Attila angewendet, der in der antiken Welt Attilas Befehl nicht mal ein Huhn mitgenom-
niemals so genannt worden war! Stimmung ver- men!
mochten diese Legenden also gewiß zu machen, Auf Attilas Bitte, vielleicht auch aus Dank-
Geschichte dafür um so weniger. barkeit, aber keinesfalls als „Geisel" - dies wird
Der andere Verteidiger neben dem in der Le- nirgends erwähnt -, begleitete Lupus das hunni-
gende negativ dargestellten, Aureliani/Orléans sche Heer erst bis Aureliani, dann beim Rückzug
wirklich verteidigenden Agrippinus magister bis an den Rhein. Man könnte sagen, er verding-
militum war im Range eines Bischofs der heilige te sich als Führer Attilas. Am Rhein entließ ihn
Anianus, der im Laufe der Jahrhunderte zu Attila nicht nur in Frieden, sondern ersuchte ihn
einem genauso übermenschlichen Wundertäter auch durch Onegesius („Hunigasius"). für ihn zu
und Hellseher wird wie der Beschützer der Stadt beten. Nach der ältesten Version der Biographie
Rom, Papst Leo der Große, der in Wirklichkeit waren die Bewohner von Tricassis - oder viel-
zwei Jahre nach dem Tod Attilas vor den Wan- leicht eher Aetius - vom sonderbaren Dienst
dalenkönig Geiserich trat und um Gnade und des Bischofs nicht gerade angetan, weil er
Schonung für die Ewige Stadt bat. diesen - ihrer Meinung nach in verdächtiger
Um so lehrreicher ist eine, authentische Ele- Weise - lebend überstanden hatte. Er mußte
mente enthaltende Biographie des Bischofs Lu- mehr als zwei Jahre im Exil verbringen, ehe
pus von Trecas-Tricassis (Troyes). Tatsache ist, er in seine Stadt heimkehren durfte. Aetius
daß es dem Bischof gelungen war, die wehrlose wurde am 20. September 454 von Valentinia-
Stadt, die zur Zeit der Schlacht bei Mauriacum nus III. ermordet ...

133
Was uns von den Hunnen erhalten blieb.
Die Ergebnisse der Archäologie

In die Vorstellungswelt Europas, vor allem aber es, Schritt für Schritt den Irrtum zu korrigieren
Ungarns, prägte sich im wahrsten Sinne des und aufgrund einiger miteinander verwandter
Wortes jenes Bild, das ihr die Illustrationen der Funde aus der Wolga-, Dnjepr- und Donauge-
Geschichtsbücher und historischen Romane gend jenes archäologische Erbe zu entdecken,
vom vorigen Jahrhundert bis in unsere Gegen- das hinsichtlich Zeit, Raum und Charakter tat-
wart sowie die romantische und nationale Ma- sächlich mit den Hunnen in Zusammenhang ge-
lerei von den Hunnen vorzeichneten, unaus- bracht werden kann. Und noch mehr, anhand
löschlich ein: unter den Planen unförmiger Och- einheitlicher Bestimmung von Herkunft und
sengespanne neugierig hervorguckende Frauen- Zeit der hunnischen Kupferkessel konnte der
und Kindergesichter, Schaf- und Pferdeherden bedeutende Repräsentant ihrer archäologischen
treibende, unbändige Hirten zu Pferde, mit Hinterlassenschaft bis nach Inner- und Ostasien
Goldschmuck behängte Krieger in Pantherfellen zurückverfolgt werden.
(oder auch wilde Räuber mit schwarzem Ge- Dank zahlreicher Neufunde beschreitet die
sicht), Attilas Festmahl mit dem auf dem Thron Archäologie nun seit drei Jahrzehnten statt irre-
sitzenden majestätisch strengen Großkönig und führender Nebenpfade endlich den richtigen
so weiter. Ihre Kleidung und Ausrüstung schei- Weg. Im Gebiet zwischen Ostkasachstan und
nen aus der Requisitenkammer eines Theaters Moldawien (Moldauische Republik) gelang es
hervorgeholt zu sein. Und wenn schon die Streit- bisher, je fünfundzwanzig freigelegte Bestattun-
macht aus fünfhunderttausend Mann bestand, gen reicher Männer und Frauen in die Zeit der
wie dies die „weisen" Chronisten schreiben, wie Hunnenherrschaft zu datieren und ihre archäo-
groß mag dann erst das Hunnenvolk gewesen logische Einheit und Zusammengehörigkeit
sein? nachzuweisen. Aus den Donauländern zwischen
Auch die noch in Kinderschuhen steckende der Donaumündung und den Alpen kennen wir
Archäologie hatte dieses Bild vor Augen gehabt. bislang ungefähr je zehn sehr ähnlich ausgestat-
Sie suchte eine Unmenge von Menschen, unzäh- tete Fundkomplexe. Anhand dieser ungefähr 70
lige Gräber und Funde. Und sie fand sie auch. eindeutig bestimmbaren Grabinventare läßt sich
Sie fand den Nachlaß der „unzähligen turani- etwa die doppelte Anzahl fragmentarisch oder
sehen Völker", der das Karpatenbecken förm- unvollständig ans Tageslicht gekommener, in
lich „bedeckte". Erst ein halbes Jahrhundert Museen aufbewahrter Funde archäologisch ein-
später stellte sich heraus, daß sie die Friedhöfe reihen. Die archäologische Sammel- und For-
und die Ornamentik der in den Gräbern gefun- schungstätigkeit von rund 150 Jahren kann je-
denen Gegenstände, die zweifellos in den östli- dermann davon überzeugen, daß es aus der
chen Steppen wurzelte, den Hunnen zugeschrie- Hunnenzeit - und innerhalb dieser von den
ben hatte, obwohl sie aus Dorfsiedlungen des Hunnen - keine andere oder andersartige Hin-
awarischen Reiches aus dem 7.-9. Jahrhundert terlassenschaft gibt und auch in Zukunft wohl
stammten. kaum geben wird. Und gerade diese Überreste
Im ersten Drittel unseres Jahrhunderts gelang bestärken uns in der Überzeugung, daß es nicht

134
nur möglich, sondern sogar erforderlich ist, die
historischen Quellen im Lichte des archäologi-
schen Materials zu überprüfen.
Heute ist es bereits offensichtlich, daß uns
überwiegend von solchen Personen eine archäo-
logische Hinterlassenschaft erhalten geblieben
ist, die an der Spitze der Hunnenbewegung ge-
standen, das Reich ausgebaut und beherrscht
haben, also von Mitgliedern der obersten und
mittleren Gesellschaftsschicht. Die ost- und in-
nerasiatischen Wurzeln der materiellen und gei-
stigen Kultur dieser Schicht können heute erst in
Spuren erfaßt werden, um so auffallender sind
ihre mittelasiatische Entfaltung und Wandlung.
Diese „nomadische" Aristokratie und dieser Adel
stellen nicht unbedingt eine ethnische Einheit
dar, so wie auch das Gefolge und die militärische
Elite Kharatons und Attilas es nicht waren.
Dennoch handelt es sich im Hunnenreich in der
Mehrzahl um die Großen und Militarführer ori-
entalischer Herkunft und in hunnischer Tracht,
die unabhängig von ihrer Abstammung die
Hunnen und ihr Reich bis zu deren Untergang
repräsentierten. Das „gemeine Volk" und das
„Heer" hinterließen - nach der mittelasiatischen
Ausgangsbasis - kaum noch archäologische
Spuren, nur vereinzelte oder aus wenigen
Gräbern bestehende, zumeist ausgeraubte Be-
stattungen.
Die archäologischen Funde machten deutlich,
daß die hunnischen Bewegungen und das Hun-
nenreich noch am ehesten im Vergleich mit der
Geschichte und den Denkmälern der mongoli-
schen Feldzüge und Eroberungen im Europa des
13. Jahrhunderts verständlich sind. An der Spit-
ze der später Goldene Horde genannten euro-
päischen Mongolen standen einige Mitglieder
des Herrscherhauses, mongolische Vornehme
und militärische Anführer. Sie lebten zu einer
anderen Zeit, und das archäologische Erbe be-
sitzt anderen Charakter, ist ärmlicher und auch
geringer als die Hinterlassenschaft der hunni-
schen Aristokratie. In dieser Hinsicht können
keine Vergleiche angestellt werden. Was die 54. Die Goldblechverkleidung von Jakuszowice folgt genau
Khane und Feldherren der Goldenen Horde je- der Form and Struktur hunnischer Reflexbögen
doch zielbewußt bewegten, war ein sich dauernd
änderndes, kleiner und wieder größer werdendes gebrannte, für immer verlassene Städte und
Heer aus jungen und starken Männern. Es ist Siedlungen, im Karpatenbecken Hunderte ein-
archäologisch genau so wenig faßbar wie jedes geäscherter Dörfer und Burgen auf seinen Weg
andere mobile Heer des Altertums oder des Mit- und seine Existenz. In der Kiewer Rus ebenso
telalters. In seinen Spuren jedoch ist es um so wie in Ungarn bezeugen zahlreiche verborgene
besser sichtbar. In Osteuropa verweisen nieder- und von ihren Eigentümern nie hervorgenom-

135
mene Geld- und Schmuckschätze die Vernich­ in der entfernten Normandie (Moult-Argence
tung von Gütern und Menschen. Mit ähnlichen „Airan") aus Gräbern und verborgenen Schät­
Spuren konnten auch die hunnischen Heere zen der Vornehmen zum Vorschein gekommen.
prahlen: Wo sie erschienen waren, hinterließen Zur Zeit kann noch nicht entschieden werden,
sie eine „Brandschicht". In der Zeit zwischen 376 wer derartige Fibeln getragen hat: in mit golde­
und 381 verweisen in der heutigen rumänischen nen Füttern besetzte, iranisch-pontische Schleier
Ebene verlassene Dörfer und Friedhöfe auf die gekleidete Germaninnen oder ostgermanische
Flucht der Wisigoten und auf das Erscheinen der Fibeln verwendende alanische Männer wie auch
Hunnen. Verschreckte Goten vergruben im heu­ Frauen. Aufgrund gewisser archäologischer
tigen Siebenbürgen ihr Geld, Gold und ihren Funde ist es nämlich sehr wahrscheinlich, daß
Schmuck, so in Gyergyó-Tekerőpatak/Vălea- sich den ostgermanischen Flüchtlingen fast über­
Strimba, Kraszna/Crasna, Szászföldvár/ all Alanen angeschlossen haben, wie dies ja auch
Marienburg/Feldoiara, Borszek/Borsec. Auch aus historischen Quellen bekannt ist. Die Vermi­
sie hatten nie mehr Gelegenheit, die Schätze zu schung von verschiedenen Schmuckgegenständen
heben. und Trachtstücken ist im pannonischen Raum
Auch auf die Niederwerfung der Gepiden und vom Erscheinen der ersten Flüchtlinge aus dem
den Untergang der alten Gepiden-Aristokratie Osten im Jahre 378 bis zum Ende der tatsächli­
weist ein Schatzhorizont hin. Die römischen chen Hunnenherrschaft zu beobachten und ge­
Goldmünzen des I. Schatzes von Szilágysomlyó/ sellt sich entsprechend der Vielfalt der zeitgenössi­
Şimleu-Silvaniei gesellen sich zu der einmali­ schen Völker und Religionen zu den verschieden­
gen Schmuckserie des II. Schatzes vom selben sten Bestattungen. Fast schien bereits der Ver­
Fundort Mit dem ersten stimmt in Zeit und such zu gelingen, die wichtigeren Funde nach
Charakter der Goldmünzen- und Goldketten­ Jahrzehnten zu gliedern sowie bestimmten Volks­
hort von Ormód/Brestow überein, während das gruppen zuzuschreiben und in die Ausstattung
Pendant des letzteren ein mit Edelsteinen ge­ der in römischem Dienst stehenden alanisch-
schmücktes, goldenes Fibelpaar einer gepidi­ hunnisch-ostrogotischen „Föderaten" vor 430
schen Vornehmen aus Gelénes ist. Die in diesen einerseits und in solche der in hunnischem Dienst
Horten vergrabenen Gegenstände wurden im stehenden hunnisch-alanisch-ostgermanischen
4. Jahrhundert oder spätestens zu Beginn des „Feinde" nach 430 andererseits zu trennen. Der­
5. Jahrhunderts angefertigt. Die Schätze selbst artigen Auslegungsversuche der wenigen Funde
wurden im Gepidenland im 5. Jahrhundert ver­ können aber kaum anders angesehen werden als
graben, ihre Besitzer waren geflohen oder ge­ mehr oder weniger gute Hypothesen.
storben. Die Denkmäler des sich seit etwa 400 immer
Die Flucht der im Laufe der hunnischen Be­ intensiver gestaltenden römisch-barbarischen
wegung aufgestörten Völker Osteuropas, na­ Zusammenlebens verbreiteten sich bald auch auf
mentlich der an der unteren Donau, kann nicht ehemals nicht zum Reich gehörenden Nachbar­
allein mit Hilfe der schriftlichen Quellen verfolgt gebiete. Die in der pannonischen Provinz erhal­
werden. Die noch aus dem 4. Jahrhundert stam­ ten gebliebenen Handwerkszweige wie Töpferei,
menden Elemente der sich über die Ukraine, die Bronzebearbeitung, Goldschmiedekunst und
Moldau, Siebenbürgen und die Rumänische Glaserei stellten sich in den Dienst der „Barba­
Tiefebene (Walachei), ausdehnenden Tschern- ren" (Abb. 65-66). Ihre eigenartigen Erzeugnisse
jachow-Marosszentanna/„Sîntana de Mureş"- werden nicht nur in Pannonien, sondern auch in
Kultur (z. B. kleine Blechfibeln aus Bronze oder den Nachbargebieten gefunden, der Großteil des
Silber) erscheinen am Ende des 4. und zu Beginn Karpatenbeckens ist also mit ethnisch und
des 5. Jahrhunderts ohne irgendwelche Vorläu­ zeitlich unbestimmbaren römisch-barbarischen
fer in Pannonien und im unteren Theißtal (Abb. Handwerksprodukten übersät worden.
36, Taf. 98-99). Die edelsteingeschmückten Mit den alanischen, hunnischen und ostger­
Goldfibeln des Szilágysomlyó-Typs der adligen manischen Flüchtlingen begannen sich auch
Frauen ostgermanisch-alanischer Herkunft sind einige orientalische Modeartikel zu verbreiten.
auch westlich von Gepidien, in Pannonien (Rá­ So zum Beispiel die runden, an der Rückseite mit
bapordány, Regöly), in dessen Nachbarschaft erhabenen geometrischen Siegen verzierten
(Untersiebenbrunn in Niederösterreich), ja sogar Weißmetallspiegel mit Öhr (Taf. 97), die ostasia-

136
tisch-chinesischen Ursprungs sind. Ein derarti- Im Laufe der Bewegung werden aber auch die
ger Weißmetallspiegel galt als „Modeartikel" Hunnen selbst sichtbar - wenn auch nicht allzu
und zugleich als rituelle Grabbeigabe schon vor leicht. Häufig besteht nur ein geringer Unter-
dem Eintreiffen der Hunnen, er blieb es während schied zwischen den zu Eroberern gewordenen
der gesamten Hunnenherrschaft und auch noch Flüchtlingen und den eigentlichen Eroberern,
Jahrzehnte danach. Obwohl sich diese Spiegel die die Flucht verursachten und die kleineren Er-
unabhängig von einem bestimmten Volk ver- oberer alsbald verschlungen haben. Nicht allein
breitet haben, steht dennoch im Hintergrund das archäologische Material, sondern auch die
ihrer Verbreitung der Hunnensturm. In diesem Schriftquellen jener Zeit sprechen dafür.
Sinn ist, wie davon auch andere Beispiele zeu- Die archäologischen Denkmäler der Hunnen
gen, die hunnische Bewegung in ihrer Auswir- werden immer, besser bekannt. Zweifler könnten
kung auch archäologisch zu fassen. dennoch behaupten, daß es sich bei den hundert
oder etwas mehr Funden um keine echte archäo-
89. Elektronpokal mit Ringfuß, Szeged-Nagyszéksós logische Hinterlassenschaft handle, die auf ei-

89.
137
90.

90. Bruchstück einer Elektronschale aus Szeged- allerdings eine, die aus ungleichen Gliedern be-
Nagyszéksós steht (s. Karte). Die Fundorte sind in Wirklich-
keit nicht über eine Entfernung von 5000 bis
nem Gebiet von fast 5 000 000 km2 verstreut 6000 km verstreut (voneinander viele hundert
ist und nicht einmal aus derselben Zeit, sondern Kilometer entfernt verstreute hunnische Funde
aus einem Zeitraum von einem dreiviertel oder sind uns nur östlich der Wolga, in der großen
aber einem ganzen Jahrhundert stammt. Auf Ebene zwischen Ural und Ob bekannt, z. B.
50 000 km2 entfällt damit ein einziger Fund, Tugoswonowo, Kanattas, Kysyl-Adyr. Muslju-
wenn wir mit einer Zeitspanne von drei Genera- mowo, Mertwije Soli, Fedorowka, Schipowo -
tionen rechnen, sogar auf 150 000 km2. Kann Abb. 5, 10, 18-19, 46, 49), sondern verdichten
man darauf überhaupt etwas bauen? Gewiß! In und gruppieren sich in den auch historisch be-
der modernen Archäologie, namentlich jener der kannten hunnischen Siedlungs- und strategi-
bewegten Jahrhunderte der Völkerwanderung, schen Zentren. Eine Serie namhafter hunnischer
ist nicht die Anzahl der Funde, sondern deren Funde kam auf dem beiderseits des bekannte-
Qualität entscheidend: die Zusammenhänge frü- sten Wolgaüberganges gelegenen Gebiet von Sa-
her unbekannter, neuer Phänomene. Die Funde, ratow und dem südlich daran angrenzenden Ge-
die mit der hunnischen Bewegung in Zusammen- biet von Wolgograd ans Tageslicht (z. B. Wladi-
hang gebracht werden können, bilden von Ost mirowskoje, Marxstadt, Pokrowsk mit mehre-
nach West derzeit bereits geradezu eine Kette, ren Fundstellen [Abb. 22], Beresowka, Seelman/

138
Rownoje, Kurnajewka, Werchneje Pogromnoje, nischen Ausrüstung und des hunnischen Bestat­
Nishnjaja Dobrinka), in der mittleren Gegend tungsritus besteht gerade darin, daß man über
des Nordkaukasus (Sdwishenskoje, Kudeneto- sie nur unter gleichzeitiger Berücksichtigung
wo, Selenokumsk, Chasawjurt, Bylym Osruko- sämtlicher Funde Entscheidendes aussagen
wo, Naltschik-Wolnij Aul, Kumbulta, Werch- kann. Ja noch mehr, zu ihrer Interpretation ist
naja Rutcha, Galajty), nahe des Kaspisees in es unumgänglich erforderlich, auch die hunnen­
Dagestan (Kischpek, Utamisch, Iragi - Abb. 42, zeitliche Schicht der großen alanischen Gräber­
70, 71), auf dem sich vom Unterlauf des Dnjepr felder im Gebiet des Nordkaukasus zu berück­
bis zum Eingang zur Halbinsel Krim erstrecken­ sichtigen (Pjatigorsskaja, Majkop, Gilatsch
den Gebiet von Dnjepropetrowsk, Saporoshje Kisslowodsk-Lermontow-Fels, Mokraja-Balka,
und Cherson (Igren, Nowo-Iwanowka, Makar- Bajtal-Tschapkan, Chabas, Abrau-Dürso bei
tet bei Tokmak, Osipenko, Melitopol, Dmitr- Noworossijsk, usw. - Abb. 22, 24, 35, 57), da
owka, Nowogrigorewka, Aleschki bei Zjuru- wichtigere Elemente der hunnischen Tracht und
pinsk sowie in der Nähe der letzteren Ku- Pferdegeschirre oft nur mit Hilfe der alanischen
tschuguri und Saga, Schtscherbata-Tal bei No- Katakomben und anderer Körperbestattungen
wa[ja] Majatschka, Radensk, Kapulowka bei verstanden werden können.
Nikopol - Abb. 21-23, 52, 58), auf der Halbinsel Die hunnischen Funde des Karpatenbeckens
Krim, vor allem in deren Steppenregionen stammen aus einer kaum längeren Zeitspanne
(Kertsch mit mehreren Fundstellen, Marfowka, als einer einzigen Generation; sie stellen weniger
Beljaus, Feodossija mit zwei Fundstellen, Kalin- eine Aufeinanderfolge als ein Nebeneinander
ino bei Krassnogwardeiskoje, Tschikarenko - dar; nicht schlechter als die archäologischen
Abb. 51, 59-60), zwischen südlichem Bug und Denkmäler der ersten Generation des Awaren-
dem Pruth (Antonowka, Tiligul, Olbia), am tums, der frühesten Awaren. Die früheste awari­
Ufer des Dnjestr und des Pruth in der östlichen sche Ausstattung, Siedlung und Sitte erinnern
und westlichen Moldau (Conceşti, Buhăeni, Mă- überhaupt sehr an den archäologischen Nachlaß
riţea, Schestatschi [Abb. 14] in der Nähe von der Hunnen im Karpatenbecken, was kaum ein
Resina), im Buzäu-Tal, das die südöstlichen Zufall ist. Einige wenige „Fürstengräber", Ein­
Karpaten mit dem Donauknie in der Dobru- zelgräber von Rang, Grabgruppen von Fami-
dscha verbindet, zugleich aber auch abriegelt lien-unterkünften („aul") sowie die dazugehöri­
(Bălteni, Gherăseni, Sudiţi, Cilnău), in Oltenien gen Totenopfer spiegeln glänzend Asien und das
(Desa, Hinova, Hotarăni, Celei-Sucidava, Coşo­ Zeitalter des Kagan Bajan wider. Die fortlau­
venu de Jos). Die einzelnen Fundgruppen liegen fend belegten Friedhöfe der awarischen Dörfer
im allgemeinen auf einem Gebiet, das kleiner im 7. Jahrhundert sind hingegen bereits Ergeb­
oder höchstens ebenso groß ist wie das heutige nis einer historischen Entwicklung, die die Hun­
Ungarn. Verstehen kann man diese Fundgrup­ nen wegen ihres zu kurzen Aufenthaltes im Kar­
pen jedoch nur in ihrer Einheit. Es gibt keine patenbecken nicht mehr erreichen konnten. Was
besonderen hunnischen Funde oder eine eigene also Hunnen und Awaren verbindet, ist ihre
hunnische Archäologie in Ungarn, auf der Krim asiatische oder pontische Tradition; was sie un­
oder in der Wolgagegend. Die Eigenart der hun­ terscheidet, ist die örtliche Weiterentwicklung.

139
Die hunnischen Kupferkessel

Vom archäologischen Standpunkt aus betrach- Die von wenigen Ausnahmen abgesehen viel
tet ist von allen hunnischen Funden der bis vor kleineren, rundlichen Bronzekessel mit breiter
kurzem bedeutendste - tatsächlich der älteste Öffnung waren schon in den vorchristlichen
und beste - Fund im Jahre 1831 im schlesischen Jahrhunderten häufig Grabbeigaben in sky-
Jedrzychowice (damals Höckricht; die archäolo- thisch-sakischen Kurganen Eurasiens. Es ist da-
gische Literatur kennt den Fund eher unter die- her kein Zufall, daß die hunnischen Kessel von
sem Namen) aus einem niedrigen Sandhügel ans vielen für Denkmäler der Skythenzeit gehalten
Tageslicht gefordert worden (Abb. 16). Im worden sind. Die unmittelbaren Vorgänger der
Höckrichter Fund können nämlich alle drei für zylindrischen, im allgemeinen größeren hunni-
die Hunnen charakteristischen Fundtypen zu- schen Kessel sind jedoch nicht die um Jahrhun-
sammen studiert werden: 1. der gut erhaltene derte älteren skythischen Kessel, sondern die in
Kupferkessel samt einer aus Bronzeblech getrie- China, in der Gegend der Großen Mauer, und
benen Schüssel, 2. die edelsteinverzierten Gold- in der Mongolei gefundenen Kupfer- und Bron-
bleche und 3. die mit in Zellen gefaßten Edelstei- zekessel, von denen einer gerade im Gebirge von
nen verzierten Goldschnallen, goldene Riemen- Nojon-ul/Noin Ula aus dem fürstlichen Hügel-
zungen, vergoldete Bronzeschnallen, also Zier- grab (Kurgan 6) der asiatischen „Ahnen" der
stücke von Gürtel, Stiefeln und vielleicht auch Hunnen ans Tageslicht gekommen ist. Die Kes-
von Pferdegeschirr. Der in geringer Tiefe beim sel wurden samt den Verzierungen und den ver-
Ackern zutage gekommene Fundkomplex war, zierten Henkeln in zwei (der größte Kessel von
unseren heutigen Kenntnissen entsprechend, Törtel und vielleicht auch der ähnlich große von
Teil eines Totenopfers. Einen entscheidenden Intercisa, Celamantia und Bennisch in vier) Ein-
Beweis dafür liefert ein vor kurzem - gleichfalls zelteilen in Lehmformen gegossen, die Einzeltei-
beim Ackern - zum Vorschein gekommener le nachträglich zusammengeschweißt und der
Fundkomplex, nämlich der von Makartet in der separat gegossene, zylindrische Fußring schließ-
Ukraine (Abb. 58), wo ebenfalls zusammen mit lich ebenfalls angeschweißt oder angenietet. Die-
den aus Höckricht/Jedrzychowice bekannten, ses Verfahren sowie die eigentümlichen Verzie-
mit Preßgold überzogenen Riemenzungen und rungen, die den Kesselrand einfassenden, den
anderen spezifischen hunnischen Ausrüstungen Gefaßkörper in senkrechte Felder teilenden, sich
(Kleiderschmuck aus Preßgold, Trensen, Lang- scharfhervorhebenden, aus einer bis drei Leisten
schwerter, dreißüglige Pfeilspitzen) Kesselfrag- bestehenden Rippen sind ausnahmslos Kennzei-
mente aus Kupfer ans Tageslicht kamen. Wir chen chinesischer Bronzearbeiten (Abb. 14,
wissen leider nicht, was für Kesselfragmente. Taf. 34-36). Diese Technik und Verzierung cha-
rakterisieren jene nunmehr über zwanzig Kessel
Die hunnischen Kessel, die zum Großteil nur bzw. Kesselreste, die vom Ob bis Troyes - also
fragmentarisch oder in Bruchstücken erhalten bis zum Schlachtfeld von Mauriacum -jene bei-
sind, hatten ursprünglich zusammen mit dem den Endpunkte mit unheimlicher Genauigkeit
Fußring eine Höhe von 35-100 cm (meist anzeigen, zwischen denen sich die Hunnenmacht
50-60 cm) und sind ostasiatischen Ursprungs.

140
entfaltete. In Kenntnis dieser Tatsachen scheint
es überhaupt kein Zufall mehr zu sein, daß die
Mehrzahl der Kessel in den beiden militärischen
Zentren der hunnischen Großmacht in Europa,
in der nördlich von der unteren Donau gelege­
nen rumänischen Ebene - besonders in der Fluß­
gegend - und aus dem Donau-Theiß-Becken,
zum Vorschein gekommen ist.
Der größte und prächtigste, ursprünglich
rund 1 m hohe und ungefähr 40-50 kg schwere
Kessel stammt aus jener Gegend, in der auch der
größte hunnische Goldfund, der von Nagyszék­
sós, ans Tageslicht gekommen ist. Er wurde etwa
15-16 km vom Theißtal entfernt dort freigelegt,
wo einst das Überschwemmungsgebiet die Sand­
hügel erreichte (am Fuß des Czakó-halom ge­
nannten urzeitlichen Siedlungshügels, in der Ge­
markung von Törtel - Taf. 36). Der Goldfund
von Nagyszéksós kam gleichfalls an der Grenze
des Überschwemmungsgebietes zu den Sandhü­
geln zum Vorschein. Und wenn der zuletzt ange­
führte Fund - wie wir noch sehen werden - den
südlichen Endpunkt der verborgenen Gräber
hoher hunnischer Würdenträger, die zwar in der
Nähe des Theißtales gelebt haben, aber weiter
davon entfernt, in den „westlichen Sandstep­
pen" bestattet worden sind, anzeigt, so stellt der
Kessel von Törtel mit Gewißheit den nördlichen
Endpunkt dar. Auch aufgrund der beiden größ­
ten hunnischen Funde kann auf die Lage der
Ordu Rugas, Bledas und Attilas in der mittleren
Theißgegend, vermutlich am östlichen Flußufer
im Raum südlich der Körös und nördlich der
Maros, geschlossen werden. Der in der Größe
nach dem von Törtel folgende, 71 cm hohe Kes­
sel von Ioneşti verhält sich im großen ganzen so
zu dem Fund des hunnischen Ordu an der Buzău
wie der von Törtel zu dem aus der Theißgegend:
ein westlich vom Ordu gelegener einsamer Fund
im Argeş-Tal, das von den Hunnen nicht besetzt
worden war.
Die Kessel werden seil einem Jahrhundert für
Opferkessel gehalten, eine Ansicht, die der ein­ 55. Ornamente der Goldbeschläge der Bogenenden und des
stigen Wirklichkeit ziemlich nahekommt. Schon Griffes aus dem Fürstenfund von Pannonhalma
seit langem und auch neuerdings sind aus Südsi­
birien Felszeichnungen bekannt, die ähnliche fer dar", der jeweiligen Auslegung entsprechend.
Kessel darstellen, auf den Felsbildem von Kysil- Das teure Material, die Größe und die prunkvolle
Kaja zumeist in der Weise, daß neben dem Kes­ Ausführung der erhalten gebliebenen hunnischen
sel ein, zwei Männer stehen oder knien und der Kessel weisen jedoch - was auch immer in ihnen
eine mit einem langen Löffel (?) in dem durch­ gerührt worden ist - nicht auf ein einfaches
sichtig gemeißelten, zweihenkligen Kessel etwas Mahl sondern entweder auf ein rituelles Mahl
umrührt. Er „kocht" etwas oder „bringt ein Op- der Vornehmen oder auf einen Leichenschmaus

141
Auf den Felszeichnungen bei Bolschaja Bojars- Siedlung benutzt. Die in Tuwa und im Altaige­
kaja hingegen - die neuerdings ebenfalls in die biet Jahrhunderte hindurch verwendeten Ton-
Auslegungsversuche der hunnischen Kessel mit­ und Holzkessel beweisen ebenfalls die Verwen­
einbezogen werden - spielen die zahlreichen dung dieser Art von Gefäßen in Innerasien als
Kessel eine untergeordnete Rolle. Neben Holz­ alltägliche Gebrauchsgegenstände (Abb. 15). Es
häusern und Jurten stehen einzeln oder auch kann also nicht mit Sicherheit behauptet wer­
serienmäßig Kessel unterschiedlicher Größe - den, daß auf den Felszeichnungen nur Metall­
offensichtlich wurden sie im täglichen Leben der kessel dargestellt wurden. Den jüngsten, über­
zeugenden Prüfungen gemäß sind übrigens die
56. Rekonstruktion des goldbeschlagenen Schwertes aus Felszeichnungen Darstellungen der verschiede­
dem hunnischen Opferfund von Bátaszék nen Typen der um ein ganzes Jahrtausend vor­
her-häufig in Südsibirien und in Innerasien zur
skythisch-sakischen Zeit - gebrauchten Bronze­
kessel. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß aus
den Felszeichnungen Südsibiriens keinerlei Fol­
gerungen bezüglich der hunnischen Kupferkes­
sel gezogen werden können.
Nur genau bekannte Fundumstände könnten
klären, welcher Kessel aus einem zerstörten La­
gerplatz stammt - ein solcher ist bisher nur das
Bruchstück aus dem wallachischen (munteni-
schen) Sudiţi - und welcher in der Nähe einer
Begräbnisstätte zur Darbringung eines Totenop­
fers gedient hat. Als „Urne" kann keiner der
Kessel gedient haben; alle bekannten Befunde
schließen eine derartige Möglichkeit aus. Der
heute unversehrt scheinende Törteler Kessel
wurde in Wirklichkeit mit fehlerhaftem Rand,
an zwei Stellen löchrigem Boden, gebrochenem
Fuß ans Tageslicht gefördert. Entweder wurde
er mutwillig beschädigt oder in einer Weise ver­
wendet, die schwere Schäden an ihm verur­
sachte. Als der Kessel zum Vorschein kam, wa­
ren zwei Fünftel von ihm gewaltsam zerschla­
gen, ein Henkel war abgebrochen, an seinem
Boden waren verkohlte Flecken zu sehen. Der
Kessel von Hőgyész aus dem Kapos-Tal wurde
von einem Pflug aus geringer Tiefe gehoben
(Taf. 34); er war am Boden an zwei Stellen
durchlöchert, ein Henkel war abgebrochen.
Das Kesselbruchstück von Bennisch/Benešov
(Abb. 14/6) wurde an einem Bergabhang gefun­
den, es war derart verbrannt, daß es schon in der
ersten Beschreibung für Überrest eines „Toten­
opfers" gehalten wurde. Der nur an der einen
Seite unversehrt scheinende, außen stark rußige
Kessel von Ioneşti (Abb. 14/7) ist in Wirklich­
keit zertreten, zerdrückt, an den Seilen an meh­
reren Stellen durchlöchert, Rand, Henkel und
Boden wurden verstümmelt, bevor man ihn ver­
grub. In allen Fällen handelt es sich um ein
Zerschlagen oder eine Beschädigung aus der

142
91.

91. Goldschnallen aus der Umgebung von Sopron/Öden- Höckricht ähnlicherweise gefunden, und wahr­
burg scheinlich auch der Kessel von Várpalota - zu­
sammen mit einem angeblich ebenfalls aus Bron­
92.-93. s. Farbtafeln XXV-XXVI zeblech gehämmerten, kleineren Gefäß. Die
Kesselbruchstücke von Makartet waren zusam­
Hunnenzeit, was auch eine Erklärung dafür ist, men mit anderen verbrannten Opferbeigaben in
warum so viele einzelne Kesselhenkel und ver­ einem „Einäscherungskomplex" zerstreut. Auf
stümmelte Kessel gefunden wurden. Es liegt na­ einen eingeäscherten Menschen hinweisende
he, in diesem Zusammenhang an die chinesi­ Überreste, verbrannte menschliche Knochen,
schen und mittelasiatischen Metallspiegel zu wurden bisher neben den Funden nicht ermittelt.
denken, die zum Großteil in Stücke zerbrochen, Es kann sich also nicht um Grabfunde, sondern
beschädigt oder gar nur als Fragment in die nur um Opferreste handeln, wurden doch die
Gräber gelangten (Taf. 97). Es handelt sich of­ rußigen Kessel - vielleicht den von Ioneşti aus­
fensichtlich um einen asiatischen Hunnen­ genommen - fast immer in geringer Tiefe gefun­
brauch, kamen ja auch in die Gräber von Nojon- den. Wäre dem nicht so, besäßen wir heute nicht
ul (Noin Ula) nur noch halbe oder ein Drittel schon etwa 20 Exemplare aus einer einzigen kur­
große chinesische Spiegelbruchstücke (Kurgan zen Periode.
25 und Gol-mod, Grab 25), der „Ahne" unserer Dennoch stehen die Kessel in Zusammenhang
Bronzekessel dagegen kann aus einem Henkel- mit den Bestattungen. Darauf machen uns be­
bruchstück aus dem Kurgan 6 - also Grab -, 10 reits Gräber der Taschtik-Kultur aus der sibiri­
größeren oder kleineren Wandstücken und dem schen „Hunnenzeit" (1.-4. Jahrhundert n Chr.)
zylindrischen Fußring rekonstruiert werden. aufmerksam, aus der kleine Bronze- und Eisen­
Auch auf dem am mittleren Lauf des Dnjestr, kessel bekannt sind, obwohl Tonkessel überwie­
im moldauischen Schestatschi, beim Pflügen ge­ gen. Unter letzteren gibt es auch solche, die
fundenen Kessel (Abb. 14/3) befanden sich Form und Verzierung der aus Bronze gegosse­
Brandspuren. Er kam aus einer Tiefe von 80 cm nen Kessel, also die der Vornehmen, nachah­
zusammen mit einem aus Kupferblech gehäm­ men. Kleine, einfachere kesseiförmige Metallge­
merten Gefäß zum Vorschein, jetloch sicher fäße kommen auch unter den Totenopfern euro­
nicht aus einem Grab. In noch geringerer Tiefe päischer Hunnen vor (Melitopol-Ksyljarskaja,
wurden der Kessel und die Bronzeschüssel von Selenokumsk), was als unmittelbare Fortset-

143
zung des asiatischen Brauches gewertet werden sels, der (mit fehlendem Fußring ursprünglich
kann. Von entscheidender Bedeutung ist den­ über 60 cm hohe) „Kapos-Taler" Kessel, wurde
noch jenes ,,Brandgrab", tatsächlich ein Toten­ in der Gemarkung von Hőgyész gefunden. Am
opfer, das 1977 jenseits des Ural-Flusses in Kessel von Várpalota (Taf. 35) mit schadhafter
Kysyl-Adyr in einer kleinen, mit Steinplatten Wand und beschädigtem Rand blieb der zylin­
verschlossenen Höhle zusammen mit dem aus drische Fußring erhalten. Auffallend häufig sind
den europäischen Hunnenfunden wohlbekann­ die mehr oder minder verzierten Kesselhenkel
ten Kupferkessel mit „Pilzhenkel" (Abb. 14/1), sowie Kesselhenkel- und Ränderbruchstücke.
ferner mit Bruchstücken eines eisernen Schwer­ Verbrannte Henkelbruchstücke stammen aus
tes, mit Bogenresten. dreiflügligen Pfeilspitzen, Troyes, aus Rázova-Benešov/Raase-Bennisch in
Trense und Speiseopfer (Tierknochen) gefunden Mährisch-Schlesien, aus Hotărani in Oltenien,
worden ist. Daraus geht nämlich hervor, daß die aus Oltenien ohne nähere Fundortangabe und
großen Kupfer- und Bronzekessel irgendwie mit aus Boşneăgu (an letzterem Fundort waren zwei
den Bestattungen bzw. mit dem Totenkult zu­ große Kesselhenkel in 150 cm Tiefe „begraben",
sammenhängen. ihre Bruchflächen waren gleichmäßig patiniert,
Mit Ausnahme jenes von Törtel stammen alle die Henkel waren demnach bereits zur Hunnen-
übrigen im Karpatenbecken gefundenen Kup- zeit abgebrochen). Warum an den erwähnten
ferkessel aus der das hunnische Zentrum vertei­ fünf Fundstellen nur Kesselhenkel erhalten ge­
digenden pannonischen Militärzone, wo auch blieben sind und warum nur Kesselwandbruch-
die Mehrzahl der hunnischen Funde zum Vor­ stücke von anderswo (Intercisa, Celamantia, Su-
schein kam. Der kleine Bruder des Törteler Kes- diţi-Gherăseni, Hinova), können wir ebenso nur
vermuten wie die Frage, warum die Wand des
Kessels von Várpalota und jene von Iwanowka
94. Die geometrische Verzierung an einer Goldzikade
in der Donezgegend in gleicher Weise gebrochen
aus Sáromberke ist verwandt mit den reichen
sind, warum der Kessel von Ioneşti durchlö­
Pferdegeschirrverzierungen aus den Jahren
chert, zerbrochen und zusammengedrückt und
um 400
der Fuß des Kessels von Kysyl-Adyr abgebro­
chen und der Boden durchlöchert wurde.
Die meisten Streitfragen entbrannten wegen
jener Kesselbruchstücke, die auf dem von den
Hunnen verwüsteten Gebiet der spätrömischen
Kastelle gefunden worden waren. Die ange­
brannte Seitenwand eines Kessels, der kaum
kleiner als der Kessel von Ioneşti und ähnlich
(mit drei Rippen) verziert war, konnte im Ca-
strum von Intercisa (Dunaújváros) gelegent­
lich der Ausgrabungen eines spätrömischen
Gebäudes geborgen werden. Ist er in dem
zweifellos abgebrannten römischen Gebäude
zugrunde gegangen? Wann, warum, wie und
wohin sind die anderen Teile gekommen? Oder
war der Kessel vielleicht der „Gefährte" jener
bärtigen Menschenantlitze und menschlichen
Figuren, die ebenfalls im Inneren des Kastells
gefunden wurden und zu denen wirklich gute
Parallelen nur von den hunnischen Funden der
Wolgagegend (Pokrowsk) und der Dnjeprge-
gend (Nowogrigorewka) (Abb. 9) bekannt sind?
Die vermutlich zum Ausschneiden bestimmten
Gesichter aus Intercisa zeugen davon, daß im
Kastell Hunnen gelebt und gearbeitet haben.
Das spätrömische Gebäude aber bestand schon
94.
144
95.
lange nicht mehr, als die Überreste des Opfer­
scheiterhaufens eines hunnischen Anführers in
den mit Schutt vermengten Boden eingegraben
wurden.
Ähnlich ist die Lage in der Gegenfestung von
Brigetio (Szöny), Celamantia (Leányvár) am lin­
ken Donauufer, wo in der obersten Schicht aus
der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ein mit drei
Rippen verzierter Kessel und ein mit einer Rippe
verziertes kleines Seitenbruchstück sowie eine
halbrunde „pilzförmige" Randverzierung eines
verbrannten Kessels gefunden wurden. In der
spätrömischen Gegenfestung Sucidava/Celei an
der unteren Donau wurden vier kleine Rand­
bruchstücke eines hunnischen Bronzekessels
ausgegraben. Es ist kaum glaubwürdig, daß die
von Uldin um 408 zerstörte Befestigung von
Hunnen gegen Hunnen bis zum letzten Atemzug
verteidigt worden wäre und daß sich die ver­
brannten „auseinandergesprungenen" Kessel­
bruchstücke gelegentlich der Zerstörung der Be­
festigung verstreut hätten. Die in der gleichen 95. In einer Goldschmiedewerkstatt auf der Krim her­
Schicht gefundenen Bruchstücke eines Metall­ gestellte Zikade mit Almandineinlagen aus Csömör
spiegels asiatischen Typs weisen kaum auf in rö­
mischem Sold stehende Soldaten hin. Die Kessel­ Desa in Oltenien. Der größere Bruder des Kes­
bruchslücke aus Sucidava sowie die südlich von sels von Iwanowka im Donezgebiet ist der von
Drobeta gefundenen aus der ebenfalls 408 zer­ Boşneăgu an der unteren Donau und der des
störten spätrömischen Kleinfestung von Hinova, Kessels von Schestatschi in der Dnjestrgegend
am linken Ufer der unteren Donau verraten ledig­ geradewegs der von Troyes. Obwohl die Kessel
lich so viel wie jene aus Intercisa und Celamantia: aus der mittleren und unteren Donaugegend im
in den eroberten und zerstörten römischen Befe­ 5. Jahrhundert in verwandten Werkstätten (z. B.
stigungen lebten in der ersten Hälfte des 5. Jahr­ Desa-Ciuperceni und Törtel oder Ioneştı und
hunderts schon Hunnen mit ihren Familienmit­ wahrscheinlich Intercisa) hergestellt wurden,
gliedern und brachten dort ihre Totenopfer dar. hängen die Kessel von Törtel und Hőgyész den­
Die bisher aufgefundenen Kessel zeugen von noch eng zusammen: Nur diese beiden besitzen
deren Herstellung und Gebrauch während der unter dem Rand umlaufenden „Zellendekor".
gesamten Hunnenzeit überall dort, wo Hunnen (Dieses Zellen- und zusammen mit diesem ange­
hingelangten. Und zwar wurden sie in mehreren wandte „Anhänger"-Motiv ist dagegen auf dem
Werkstätten, aus verschiedenem Material, in in Soka, am rechten Ufer der mittleren Wolga,
unterschiedlichen Ausmaßen und zahlreichen gefundenen schönen, wohlerhaltenen Kessel an­
Varianten gefertigt. Dennoch stimmt die Ver­ zutreffen [Abb. 14/2], letzteren Dekor verbinden
breitung der Kessel auffallend mit den Etappen die Anhängerverzierungen in Form eines Ausru­
und Schwerpunkten des Vordringens der Hun­ fezeichens auf dem Kessel aus Chabas im Nord­
nen überein. Ein Kessel ostasiatischen Charak­ kaukasus [Abb. 14/3J mit denen aus dem Do­
ters ist in Mitteleuropa allein jener von Höck- naugebiet.) Aufgrund ihrer Eigenart handelt es
richt/Jedrzychowice, seine Verwandten finden sich aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Kes­
wir im Wolgatal und Östlich davon. Verblüffend seln von Törtel und Hőgyész um Produkte hun­
ist zudem, daß uns der größere Bruder des Kes­ nischer Werkstätten, die nach 425 nach Ungarn
sels von Kysyl-Adyr im Ural schon in Raase- verlegt wurden. Zu einigen Kesseln bzw. Bruch­
Bennisch, also westlich des Quellgebietes der stücken gibt es vorerst noch keine Parallelen
Oder, begegnet, der nahe Verwandte des nord­ (Várpalota, Hotărani, Bruchstück a-d Celei/
kaukasischen Kessels von Chabas dagegen in Sucidava), die Anzahl der Werkstätten bzw.

145
Kesseltypen war demnach weitaus größer, als den Blättern wie auch deren Anzahl irgendeine
wir zur Zeit rekonstruieren können. Bedeutung zukam. Am Rand und auf den Hen­
Wie wir gesehen haben, ist unter allen bisher keln des Törteler Kessels sind diese in einer
bekannten Kesseln der größte und prächtigste Anordnung von zweimal 1—4—1 zu linden. Die
der von Törtel. Die die beiden Henkel und den gleiche Anordnung ist auf dem Kessel von Sche-
Rand schmückenden Halbkreisplatten mit Stiel statschi und dem Henkel von Troyes zu finden.
bzw. „pilzförmigen" Platten hielten und halten Die Anordnung der Verzierung der Kessel von
heute noch viele für eine Nachahmung zeitge­ Hőgyész und Ioneşti von 1-3-1 ist vermutlich
nössischer Fibeln, für „Pseudofibeln" (als „Ein­ für alle bisher gefundenen Kessel mit „Pilzver-
fluß" des Modeschmuckes ostgermanischer zierung" kennzeichnend, mit Ausnahme des
Frauen, was in diesem Fall ein Unsinn ist), ande­ Kessels von Várpalota, dessen Verzierungssystem
re meinen, in der Verzierung eine „Bekrönung" (2-?-2) zwar unbekannt ist, aber sicher anders
der zu Bestattungszwecken dienenden Kesselur­ war. Unverzierte Ränder und Henkel wurden
nen zu sehen (obwohl es sich um keine „Urnen" früher nur - mit Ausnahme des Kessels von
handeln kann, die als Vorbild angesehenen, um Höckricht - östlich des Dons gefunden, woraus
ein Jahrtausend älteren griechischen Urnen wur­ die früheren Forscher die falsche Schlußfolge­
den mit einem echten oder aus Goldfolien nach­ rung gezogen haben, daß die Henkel der Kessel
gebildeten Lorbeerkranz versehen). Die an­ nur westlich des Dons von den Hunnen in Werk­
nehmbarste Erklärung - die letzten Endes die stätten des Pontusgebietes verziert wurden. Die­
„Bekrönung" der Kessel anders, aber dennoch se Meinung wurde jedoch durch Kupferkessel­
erklärt - ist jene, in der Verzierung der Kessel funde von Chabas im Kaukasus und besonders
den gleichen Ursprung wie den für die Verzie­ durch den von Kysyl-Adyr grundlegend erschüt­
rung eines früher und eines neuestens gefunde­ tert. Schon die Henkel der bereits erwähnten
nen hunnischen Golddiadems zu sehen (Werch- Tonkessel aus der Taschtik-Zeit waren häufig
ne Jablotschnoje bei Werchne Kurmojarskaja mit drei „Knöpfen" verziert; sie stellen nichts
und Stara[ja] Igrenj - Abb. 21). Im Falle der anderes als die Vorläufer der „Pilze" dar. Die
Diademe ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Verwandtschaft asiatischer und europäischer
„pilzförmigen" Verzierungen stilisierte Bäume, Kupferkessel kann folglich kaum mehr bezwei­
richtiger Blätter bzw. Laub nachahmen. Verzie­ felt werden.
rungen in Form stilisierter Blätter sind in ähnli­ Das Vorhandensein oder Fehlen der Verzie­
cher Weise aus etwas späterer Zeit auf koreani­ rungen dürfte eher den „Rang" der Kessel anzei­
schem Kopfschmuck und auf Diademen üblich. gen als deren chronologische, werkstältenmäßi-
Jedenfalls ist es sehr wahrscheinlich, daß sowohl ge oder sonstige Einordnung.

146
Die Diademe der vornehmen hunnischen Frauen

Wichtig für unsere archäologischen Überlegun­ unregelmäßiger Form gefaßt sind, das heißt, die
gen sind die mit roten Edelsteinen bedeckten Fassungen sind den Steinen angepaßt. Diese
Goldbleche von Höckricht, vielleicht die wieder­ Werkstätten befaßten sich jedoch auch mit
verwendeten Stücke eines zertrümmerten Dia­ der Erzeugung anderer Gegenstände: mit der
dems, deretwegen man bei weitem nicht Grab­ von Schnallenbeschlägen ähnlichen Stils (beson­
beigaben von Frauenbestattungen unter den ders schöne Exemplare sind die Schnalle von
Funden vermuten darf. Die gepreßte Randver­ Kistokaj, eine Schnalle unbekannten Fundorts
zierung der Bleche und deren mit Edelsteinen und ein Schnallenbeschlac von Nowogrigorew­
bedeckte Oberfläche erinnern tatsächlich an das ka (Taf. 40/2. 17/3 und Farbtafel XXVI.
Diadem von Csorna (Farbtaf. XIV-XV) in Un­ Abb. 52) und von Schwertscheidenbeschlägen
garn. Dieses Diadem wurde jedoch in einem verschiedener Größe. Genau solche gibt es im
Grab auf dem Kopf einer vereinzelt bestatteten Fund von Kalinino; kleinere Beschlagplatten
Frau gefunden, und später kamen ähnliche sind die weiter unten zu erörternden Schwertbe­
Stirnreifen in Buhăeni in der Moldau und in schläge von Pécs-Üszögpuszta (Taf. 43, Abb.
Gherăseni in Muntenien zum Vorschein. Das 47). Bátaszék (Taf. 59, Abb. 56) und Jakuszo­
schönste Exemplar ist das aus drei Platten zu­ wice (Abb. 53) sowie die als „Diadem" rekon­
sammengefügte Diadem von Kertsch (Abb. 21). struierten Bruchstücke von Budapest-Zugló,
das vorn in der Mitte mit zwei stilisierten Raub­ dann von Schwertriemendurchzügen (Zmaje­
vogelköpfen (einem „Doppeladler", eigentlich vac Vörösmart in Baranja. (Abb. 17, 4) und von
einem ausgebreiteten, zweiseitig dargestellten Pferdegeschirrzierstücken (z. B. aus den Grä­
Falkenkopf verziert ist. Durch seine Struktur bern von Jakuszowice und Nowogrigorewka)-
und die Vogelkopfverzierung schließt sich das alles Gegenstände künstlerischer hunnischer
Kertscher Diadem schon an jenes von Schipowo Goldschmiedearbeit.
(Abb. 19) jenseits der Wolga an und bildet somit Das Tragen von Metalldiademen war westlich
ein Glied in der sich von der Obgegend bis nach der Donmündung weder unmittelbar vor dem
Csorna erstreckenden Kette von Diademen. Erscheinen der Hunnen noch nach dem Nieder­
Übrigens wurde auch das Kertscher Diadem auf gang der Hunnenherrschaft Mode. Aus der
einem Skelett gefunden. Hunnenzeit selbst sind uns aber bisher Diademe
Die in ähnlicher Technik und in ähnlichem bereits aus über zwanzig Frauengräbern be­
Stil hergestellten Diademe von Csorna, Buhăeni. kannt. Der „Ausgang" der Diademfunde fällt
Gherăseni und Kertsch sind Arbeiten einer fast mit dem der Bronzekessel zusammen, das
eigenartigen „barbarischen" Goldschmiede­ zur Zeit östlichste Stück ist das prächtige Dia­
werkstatt. Die Gold- oder vergoldeten Silberrei­ dem von Kanattas (Abb. 18) aus der Gegend
fen sind mit in drei bis vier untereinanderliegen­ zwischen Ob und Balchaschsee. Der westliche
den Reihen dicht angeordneten roten und mit Endpunkt ist Csorna, und dies nicht zufällig.
einigen andersfarbigen Edelsteinen verziert, die Denn nur bis dorthin reichten die geschützten
in Kästchenfassungen verschiedener Größe und Wohnstätten (Auls), wo die vornehmen Frauen

147
des Hunnenreiches lebten und bestattet wurden.
Weiler nach Westen drangen nur die Heere vor.
Die Mehrzahl der acht östlich der Wolga ge-
fundenen Diademe scheint aufgrund ihrer Form
und ihrer technischen Eigenschaften sassani-
disch-persischer Herkunft oder zumindest unter
solchem Einfluß hergestellt worden zu sein.
Schon im Osten waren die Diademe also
Prachtstücke vornehmer hunnischer Frauen.
Der Schwerpunkt der Verbreitung der Diademe
in Europa weicht von dem der Kupferkessel und
der Waffengräber ab. Sie wurden überwiegend
(zwölf Funde) an der Nordküste des Schwarzen
Meeres und auf der Krim ans Tageslicht beför-
dert. Sicher nicht allein darum, weil der Großteil
der europäischen Exemplare bereits in den anti-
ken Städten der Krim hergestellt wurde, sondern
wahrscheinlich als Beweis dafür, daß die - wohl
kaum sehr große - Volksbasis der Hunnenmacht
auch nach dem Vordringen Rugas nicht bis an
die Theiß reichte, bot doch die Ebene zwischen
Wolga und unterer Donau günstigere Wohn-
stätten für die Lebensweise der Großviehhal-
tung.
Der eigenartig archaische Stil der bisher in der
Donaugegend gefundenen Diademe ist eine bar-
barische - offensichtlich hunnische - Nachah-
mung iranischer Traditionen und Einflüsse. Die-
se Diademe stammen also theoretisch aus der
frühen Zeit der Hunnenbewegung, aus der Zeit
vor Bleda und Attila, wobei natürlich fraglich
bleibt, wann sie ihre Eigentümer mit ins Grab
bekommen haben. In Dulceanca in der rumäni-
schen Ebene wurde z. B. am Rand eines verlasse-
nen gotischen Dorfes aus dem 3./4. Jahrhundert
jenes Männergrab freigelegt, das ein mit Edel-
steinen verziertes Blechbruchstück enthielt.
Die intakten Metalldiademe wurden in Grä-
bern gefunden, und, wo uns die Fundumstände
bekannt sind, im allgemeinen auf Schädeln (z. B.
Marfowka, Leninsk Kurgan 3. Beresowka, Ka-
nattas). Selbst bei dem die Forschung eine Zeit-
lang irreführenden Fund von Melitopol, wo das
Diadem vor den Ausgrabungen der Überreste
des Totenopfers für einen Mann gehoben wor-
den war, wurde es tatsächlich in einem Grab auf
einem weiblichen Schädel gefunden, der nach
dem hunnischen Schönheitsideal künstlich er-
57. Schwert mit goldverzierter Parierstange und silbernen höht („deformiert") war und an dessen Stirn
Scheidenbeschlägen aus Verin Holm, Friedhof von sogar noch die Patina des Diadems erhalten
Schapkino war. Die anderen Beigaben (Weißmetallspiegel
sarmatischen Typs, edelsteinverzierte goldene

148
96.

96. Vergoldete Silberfibel aus Tiszacsege nicht ausgeschlossen, daß auch die Frau von
Csorna makrokephal war, obwohl diese beiden
Scheibenbrosche) gehören auch zur Frauen­ Erfordernisse von Schönheit und Rang keines­
tracht. wegs immer gemeinsam anzutreffen sind. Die
Auf artifiziell deformierten Frauenschädeln vielen Bestattungen vornehmer Frauen sind ein
wurden auch die Diademe von Schipowo. schlagender Beweis dafür, daß in der hunnischen
Kertsch und Gherăseni - hier mit östlichem Me­ Gesellschaft das mit einem feierlichen Toten­
tallspiegel und auf östliche Tracht hinweisenden schmaus verbundene „Brandopfer" nur den
Schuhschnallen - gefunden. Es ist demnach Männern von Rang gebührte.

149
Die Eigentümlichkeiten der Bestattung und der Tracht
zur Hunnenzeit

Gelegentlich der Prüfung der Tragweise von nattas, die letzteren fünf davon Diademgräber).
Diademen wurde ein wichtiges archäologisches Auch in dem in der Ziegelei von Léva/Lewenz
Problem der Hunnenzeit angeschnitten. Die 1904 aufgedeckten Männergrab war ein Pferde-
Forschung sah nämlich einen Teil der Diadem- schädel deponiert, das mitgegebene, beschlagene
Grabfunde (z. B. die von Kertsch, Melitopol) bis Pferdegeschirr sowie der Sattel lagen jedoch
in allerletzte Zeit für männliche Bestattungen über dem Skelett. Der gleiche Bestattungsritus
an. Wie wir jedoch gesehen haben, wird diese war bei den Männergräbern von Aleschki Bel-
Annahme durch die gründlich untersuchten jaus und Budapest-Zugló und bei einem Frauen-
Funde nicht unterstützt. Sondern wir die für grab mit Diadem von Werchneje Pogromnoje zu
Diadembruchstücke gehaltenen Schwert- und beobachten. Im Falle mangelhafter Funde von
sonstigen Verzierungen von den tatsächlichen bereits zerstörten oder nur unzureichend unter-
Diademen ab, so ergibt sich die Lösung auch des suchten Gräbern ist es sehr oft schwierig zu
anderen, allerdings nur dieses Problems, von entscheiden, ob die in Frage stehenden Funde
selbst. Andere Funde trüben nämlich seit Jahr- aus Frauen- oder Männergräbern stammen.
zehnten jede klare Sicht, denn der beliebte Hinsichtlich der, Identifizierung hunnischer
Schmuck der Hunnenzeit: Halsringe, Armrei- Männerbestattungen und Totenopfer sind zur
fen, hörnchenförmige Haarringe, gelegentlich Zeit die einzigen verläßlichen Wegweiser die
auch Ohrgehänge, ferner an verschiedenen Stel- Waffen: Schwertklinge und Schwertscheide, die
len der Kleidung angenähter, aus Gold gepreß- Schwertperle, die wenigstens 3 bis 4 Pfeilspitzen
ter Schmuck und die Metallspiegel sind keine und die Speerspitze. Aber auch in diesem, ei-
geschlechtsspezifischen Grabbeigaben. In den gentlich klar erscheinenden Fall kann die Klei-
Gräbern vornehmer Frauen, die prächtige gol- dung im Diesseits oder auch für das Jenseits
dene Ohrgehänge und Diademe getragen haben, einzelner orientalischer Verbündeter der Hun-
kommen als Beigaben oft Pferdegeschirr, ja so- nen, namentlich die der ihren „Amazonenah-
gar Überreste vom Pferdeskelett vor, eine Beiga- nen" nachgeratenen Alanen, zu Fehlschlüssen
bensitte, die bei den Frauen späterer „Noma- führen. Die Totenkleidung einzelner Alanen-
den", bei den frühen Awaren, fast unvorstellbar gruppen ist nämlich in fast unglaublichem Maße
gewesen wäre. Ja, man könnte sogar behaupten, geschlechtsunspezifisch.
daß die in der Hunnenzeit üblichen partiellen Bereits vor anderthalb Jahrhunderten hätte
Pferdebestattungen, wobei von den abgehäute- der im Dorf Porschnino nahe Maloarchangelsk
ten und zerlegten Pferden in das Grab nur der gehobene reiche Grabfund Aufregung ausgelöst,
im Fell gelassene Schädel und die Reste der wäre er nicht einige Jahre nachdem er ans Ta-
Gliedmaßen als Begleiter ins Jenseits gelangten,
gerade in den Bestattungen vornehmer Frauen
häufiger sind (z. B. Kara-Agatsch, Sdwishensko- 58. Hunnische Funde aus der Ukraine, die wie jene
je, Kurgan 36/2 Pokrowsk, Stara[ja] Igrenj, Me- von Nagyszéksós aus der Humusschicht zutage kamen:
litopol, Werchneje Pogromnoje [Abb. 20], Ka- (1-7) Kapulowka, (8-10) Makartet,
(11-15) Radensk

150
151
geslicht gekommen war, im Herbst 1941, vom zeitgenössischen Germanen in den Händen von
Krieg zerstört worden. Archivfotos und Anga- Frauen unvorstellbar war - eine Schafschere
ben dieses Fundes wurden erst Jahrzehnte später (Abb. 30). Da sowohl Frauen wie Männer Ho-
bekannt. Der Fundkomplex besteht aus einem sen trugen, faßten sie die Hosenbeine in ähnli-
hunnisch-alanischen östlichen Langschwerl mit cher Weise, mit Schnallen und goldbeschlage-
Parierstange, mit Edelsteinen verziertem golde- nen Riemen, oberhalb der Knöchel zusammen.
nem Fingerring und einem silbernen Fibelpaar Nach all dem erübrigt es sich fast zu erwähnen,
mit Goldblechüberzug im Szilágysomlyó-Stil, an daß sowohl Frauen wie auch Männern als Grab-
der Oberfläche mit Edelsteinen reich besetzter beigabe Pferdegeschirr, Pferdefleisch oder ein in
Zellendekor und Schmucksteinen in Fassungen. der Nähe der Gräber gesondert bestatteter, an-
War es eine Männerbestattung mit Frauen- geschirrter Kampfhengst gebührte. In einigen
schmuck oder umgekehrt? Seitdem hat sich die jüngst freigelegten Alanengräbern von Abrau-
Zahl der fachgerecht erschlossenen und veröf- Dürso ist die geschlechtsunspezifische Ausrü-
fentlichten, ähnlich gemischt zusammengesetz- stung und Beigabensitte so stark, daß sie die
ten alanischen Grabfunde, die uns zu etwas mehr Geschlechtsbestimmung der Bestatteten anhand
Kenntnissen verhelfen, vermehrt. Wir haben er- der weiblichen und männlichen Beigaben aus der
fahren, daß den alanischen Männern der Hun- Hunnenzeit auf ein Jahrhundert zurückgerech-
nenzeit mit Edelsteinen verzierte Goldfibeln und net in Frage stellen kann, wenn wir ihre Fund-
große Silberplatten-Fibelpaare ebenso mit ins umstände nicht kennen. Es ist daher notwendig,
Grab gegeben wurden wie Perlen, Armringe, die seit langem bekannten, großen Hunnenfunde
Ohrgehänge und mit Flitterschmuck versehene bezüglich ihrer Zuordnung Frau oder Mann
Kleidungsstücke; auch fehlt fast nie ein Metall- bzw. Frau und Mann immer wieder neu zu erwä-
spiegel. Noch überraschender sind die Bestat- gen; ein Beispiel hierfür ist neuestens die Diskus-
tungen einiger alanischer Frauen mit umgegür- sion um die berühmten Untersiebenbrunner
tetem zweischneidigem Langschwert, goldbe- Funde. Was die Hunnen selbst betrifft, wird
schlagenem Waffengürtel und Halsring, unter diese Aufgabe durch das nur für sie kennzeich-
den Grabbeigaben befindet sich - was bei den nende Bestattungsritual erleichtert.

152
Schleier und Fibeln.
Uber die alanische und germanische Frauentracht
zur Hunnenzeit

Wen verbirgt der reiche und so verschiedene nungen. Erst die moderne Archäologie schuf
Funde umfassende Komplex von Untersieben- Klarheit darüber, daß die Plattenfibeln, abgese-
brunn in der Mitte des niederösterreichischen hen von Unsicherheiten bezüglich der Anfangs-
Marchfeldes? Fibeln kann und braucht man zeit ihrer Verwendung, anders getragen worden
nämlich nicht zu jeder Kleidung zu tragen. Für waren: in Hunderten, sorgfältig untersuchten
die Frauenkleidung östlicher „Reitervölker". die Gräbern wurden diese Fibeln mit dem „Kopf"
sich wie die der Männer eng an den Körper nach unten und dem „Fuß" nach oben gefun-
anpaßte, einen hohen Kragen besaß, mit Knöp- den. Ebenso erwies sich jene Theorie der Ar-
fen und Haken zu verschließen und oft mit ei- chäologie als unhaltbar, wonach aufgrund der
nem Gürtel zusammengefaßt war, bestand kei- Verbreitung von Fibeln mit glatter halbkreisför-
nerlei Notwendigkeit, Fibeln zu tragen. Sie fin- miger „Kopfplatte" und mehreckiger „Fußplat-
den sich auch tatsächlich nicht bei den Frauen te" auch solche Teile Europas von Ost- oder
der Hunnen, frühen Awaren, Bulgaren, Altun- Westgoten besiedelt gewesen wären, in denen
garn, Petschenegen und Kumanen. Große Fi- zur Zeit der Erzeugung und des Gebrauches
beln tragende Frauen können demnach von derartiger Fibeln von Goten weit und breit
vornherein keine Hunnen gewesen sein. nichts zu sehen war. Die Rolle dieser Fibeln als
Skandinavische und deutsche Forscher legten ethnisches Merkmal für Goten hatte in diesem
um die Jahrhundertwende genau dar, wie sich Jahrhundert ihre Ursache aber sicher nicht nur
unter dem Einfluß provinzialrömischer Fibeln in rein archäologischen Überlegungen.
der germanische Fibeltyp, mit halbkreisförmi- Die französische Forschung des vorigen Jahr-
gen und polygonalen Platten bedeckt, im Gebiet hunderts und die skandinavische der Jahrhun-
von Germania Magna entwickelt halte. Die dertwende erkannten allerdings richtig, daß die
Achsen- bzw. Spiralkonstruktion der früheren, Blech- und Plattenfibeln zuerst in den gotischen
an Sicherheitsnadeln erinnernden Fibeln wurde Gebieten Ermanarichs und Athanarichs so
nun von einem halbkreisförmigen, der Nadel- richtig populär geworden waren. Auch ihre Ent-
halter von einem mehreckigen Blech verdeckt. wicklung läßt sich im selben geographischen
Beide boten so schier unendliche Möglichkeiten Raum verfolgen: ihr Anwachsen von einem klei-
zur Verzierung. Auch heute noch ist das Erbe nen, 5-7 cm langen Grundtyp über Varianten
einstiger kunsthistorischer Ableitung lebendig, von 10-15 cm Länge bis zu 20-25 cm langen und
nach der die einzelnen Fibelabschnitte nach noch größeren Riesenfibein, von gehämmerten
menschlichen Körperteilen bezeichnet worden Bronze- oder Silberblechen bis zu dicken, gegos-
sind: der Teil über der Spiralkonstruktion als senen Silberplatten. Heute wissen wir bereits,
Kopf, der über dem Nadelhalter als Fuß, die daß diese Entwicklung nicht geradlinig verlief
Verbindung zwischen beiden als Hals und even- und keineswegs Allgemeingültigkeit besaß; sie
tuelle Fortsätze als Arme. Im Vergleich zu der bezieht sich in erster Linie auf die Schmuckstük-
Konstruktion der einfachen, sicherheitsnadel- ke der Reichen und Vornehmen. Schließlich
ähnlichen Vorläufer eigentlich logische Bezeich- wurde bereits im vorigen Jahrhundert richtig

153
festgestellt, daß die Goldschmiede der Pontusge- hang brachte, die damals noch zum größten Teil
gend die ersten waren, die gegossene Silberfibeln unveröffentlicht waren. Damit bestimmte Ko­
unterschiedlicher Größe mit Goldblech überzo­ vács nicht nur den archäologischen Nachlaß der
gen, die Goldblech in Zellen und Kästchenfas­ Goten - und zwar gleichzeitig den der Wisigoten
sungen mit Edelsteinen und Filigranverzierun­ und den der Ostrogoten (heute: Tschernja-
gen versahen. chow-Marosszentanna/Sinlana de Mureş-
Die Grundlagen dieser Theorie wurden von Kultur) - des späten 3. und des 4. Jahrhunderts,
dem Ungarn 1. Kovács bestätigt. Als er das 1903 sondern auch die Zeit, die paarweise Tragweise
in Marosszentanna (Sîntana de Mureş) erschlos­ an der Schulter, und das Ethnikum der als Ent­
sene Gräberfeld publizierte, war er der erste, der wicklungsgrundlage dienenden, kleinen Bronze-
die Hinterlassenschaft den Wisigoten zuschrieb, und Silberblechfibeln (1912). Diese historisch
die im 4. Jahrhundert in Siebenbürgen gelebt wohl untermauerte und auch archäologisch
hatten, und die Funde mit jenen Gräberfeldern nachgewiesene Entdeckung wurde von der
der Umgebung von Kiew in engen Zusammen- Forschung der folgenden Jahrzehnte absoluti-
siert.
59.-60. Funde aus dem Grab eines vornehmen hunnischen Sehr bald jedoch zeigten sich an den Mauern
Jünglings. Beljaus dieses für fest gehaltenen archäologischen Ge-

154
bäudes die ersten Risse, gerade im Zusammen­ die den Großteil des Schatzes ausmachen,
hang mit dem größten Fibelfund, nämlich dem solche Schmuckstücke, die erst nach den siebzi­
des II. Schatzes von Szilágysomlyó. Schon die ger Jahren in Mode kamen und während der
ersten Bearbejter erkannten, daß der erstaunlich Hunnenzeit auch noch lange in Mode blieben.
reiche Polychromstil aus der Pontusgegend zu Der gesamte Komplex des II. Schatzes schließt
den IOstgermanen des Karpatenbeckens gelangt also von vornherein den von historischer Ro­
war, und zwar - unter Berücksichtigung der mantik genährten „Glauben" bzw. die wissen­
Goldmünzen aus verschiedenen Perioden des schaftliche Vorstellung aus. der Schatz sei im
I. Schatzes - noch bevor die Hunnen in Europa Jahre 376 gelegentlich des Zusammenbruches
aufgetaucht waren. Die meisterhafte letzte Bear­ des wisigotischen Stammesbundes oder späte­
beitung bestätigte unwiderruflich, daß die aus stens 381 vor der Flucht des Wisigoten Athana­
purem Gold gefertigten Fibeln des II. Schatzes richs verborgen worden. Aber auch der Fundort
bereits in den siebziger Jahren des 4. Jahrhun­ selbst schließt derartige Möglichkeiten aus. Szi­
derts seit langem getragene, abgenutzte, beschä­ lágysomlyó ist vom geographischen und histori­
digte und ausgebesserte Schmuckstücke waren. schen Siebenbürgen (Ultrasilvana/Transilvania)
Demgegenüber sind die großen, mit Goldblech und von der um vieles kleineren römischen Pro­
überzogenen Fibeln aus gegossenem Silber, vinz Dacia Superior durch das Meszes/Meseş-

155
61. In Szirmabesenyö kamen an derselben Stelle ein
östliches zweischneidiges Langschwert und ein
langes Kampfmesser zutage

Gebirge getrennt. Es ist selbst heute nicht leicht


zu überwinden. An der Ostseite der Gebirgskette
reihten sich die römischen Limeskastelle anein-
ander. Doch selbst diese Limeszone wurde von
der von Ost nach West vordringenden wisigoti-
schen Besiedlung Daziens niemals erreicht. Sie
endete weit östlich von Szilágysomlyó, im Be-
reich der 120 km entfernten Ruinen des antiken
Napoca, also in der Umgebung von Klausen-
burg. Ein Volk aber vergräbt seine fürsilichen
Schätze kaum weit außerhalb der unwegsamen
Grenzen seines Landes. Außerdem ist die Ge-
gend um Szilágysomlyó durch die Flüsse Berety-
tyó und Kraszna gegen Westen und Nordwesten
geöffnet, in deren breiten Tälern endet die nörd-
liche Tiefebene. Es ist daher kein Zufall, daß die
ungarischen und rumänischen Forscher die
Schatzfunde von Szilágysomlyó (Farbtaf. I VIII
und Taf. 9) schon seit langem mit dem im
4. Jahrhundert in den Tälern der oberen Theiß,
der Kraszna und Szamos siedelnden Volk der
Gepiden in Verbindung gebracht haben. Sie blie-
ben aber mit ihrer Meinung allein. Denn die mit
politischen Landkarten und Begriffen neuerer
und neuester Zeit arbeitende internationale For-
schung hält einerseits hartnäckig an der Ansicht
fest, es handle sich dabei um „siebenbürgische",
„transsilvanische" bzw. „dazische" Schätze, an-
dererseits vermag sie sich nicht vorzustellen, der-
art reiche Schätze seien mit einem anderen Volk
als dem der historisch mythisierten Goten in
Verbindung zu bringen. Wenn es sich aber nicht
um Wisigoten handeln kann, dann wird eben,
gerade unter Berufung auf den einzigartigen
Reichtum des Schatzes, eine ostrogotische Herr-
schaft in „Siebenbürgen" während der Hunnen-
zeit postuliert. Die vom gotischen Chronisten
des 6. Jahrhunderts mißachteten und geringge-
schätzten Gepiden kamen nicht in Frage, und
wenn doch, dann höchstens als gotisch/gepidi-
sche Alternative, die in Kenntnis der Geschichte
beider Völker kaum besser ist als eine Feuer-
Wasser-Alternative. Die Schriftquellen aus dem
5. Jahrhundert lehren uns demgegenüber, daß
die Gepiden die wichtigsten ostgermanischen
Verbündeten der Hunnen waren, später deren
Besieger und die Erben ihres Landes und ih-
res Reichtums.

156
97/1-3.

97/1.-3. Ganze und fragmentierte Spiegel aus hunnen- ungeschriebenen Gesetzen der Steppenreiche
zeitlichen Gräbern entsprechend, die sich nicht bedingungslos un-
terwerfenden Fürsten- und Herrscherfamilien
Eine historisch und archäologisch unanfecht- aus und setzten ihnen ergebene Männer über ihr
bare Interpretation ist nur durch die Behand- neues „Hilfsvolk" ein.
lung beider Teile des Schatzes als Einheit mög- Wenn sich dies aber alles so verhalten hat,
lich. Die Hortung des ganzen Schatzes wurde am drängt sich berechtigterweise die Frage auf, war-
Ende des 3. Jahrhunderts begonnen und seitdem um die Fibeln von Szilágysomlyó und Gelénes
fortlaufend durch andere Goldgegenstände ver- im Rahmen der Archäologie der Hunnen erör-
mehrt. An der Stelle, wo der Schatz zum Vor- tert werden. Die Antwort ist einfach: Die späten
schein kam, lebten zu der in Frage kommenden Fibeln und Schalen der Schatzfunde weisen be-
Zeit die Gepiden. Die Gepiden waren das einzige reits jene Veränderungen auf, die in der Gold-
ostgermanische Volk, das seine Heimat im Kar- schmiedekunst des Pontusgebietes und der nörd-
patenbecken zur Zeit der hunnischen Angriffe lich davon liegenden Steppen mit der Hunnen-
nicht verlassen hatte. Ihre Herrscher und Anfüh- herrschaft begonnen haben. Die in das Land der
rer wurden von dem schweren Schlag getroffen, Gepiden gezogenen oder geflohenen Gold-
der zur Verbergung des auch territorial zusam- schmiede vermittelten laufend die zwischen 370
menhängenden - früher schon erwähnten - und 430 sich vollzogene Entwicklung im Pontus-
„Schatzhorizontes" führte (Fibeln von Gelénes, gebiet. Ausgeschlossen ist aber auch nicht, daß
mit Goldmünzen aus dem 4. Jahrhundert ver- sich die seit den Jahren nach 400 den Hunnen
zierte Halskette von Ormód/Brestow). Und ein nominell unterworfene gepidische Aristokratie
derartiger Schlag in dieser Zeit konnte nur einen gewollt oder unter Zwang der neuen Mode an-
Grund haben: das Eindringen der Hunnen in zupassen begonnen hat. Der Schatz von Szilágy-
das Karpatenbecken und die Unterwerfung der somlyó ist also der schönste uns erhalten geblie-
Gepiden um 424/425. Die Hunnen rotteten, den bene ostgermanische Fundkomplex aus der
157
98.
acht bzw. streifte ihn nur: Die Fibel war seit
Christi Geburt von der Wolga und dem Kauka­
sus bis zur Ungarischen Tiefebene ein organi­
scher Bestandteil der iranischen Welt, auch der
Frauentracht von Sarmaten, Jazygen, Roxola-
nen und Alanen. Daß die auf beiden Schultern
getragenen gotischen Plattenfibeln von den grae-
co-iranischen Goldschmieden des Pontusgebie-
tes in den Polychromstil übertragen wurden, war
für die skandinavisch-deutsche Forschung noch
klar, nicht aber, daß sich diese neuen Fibeln
rasch auch bei anderen ostgermanischen Völ­
kern wie auch bei den unter ihnen und in ihrer
Nachbarschaft lebenden Iranern verbreiteten
(Abb. 32). Sie maß diesem Umstand keine ernst-
zunehmende Bedeutung bei, obwohl bereits seit
der Jahrhundertwende aus alanischen Kata­
kombengräbern des Kaukasus kleine Plattenfi­
beln, ja sogar mit Goldblech überzogene und mit
Steinen verzierte Varianten hunnenzeitlichen
Typs bekannt waren (Kumbulta-Werchnaja
Rutcha, neuerdings Gilatsch usw.).
Die Frage der Herkunft der einfachen, kleinen
Blechfibeln vom Typ Tschernjachow-Maros-
98. Fibelpaar östlichen Ursprungs aus Pécs- szenlanna/Sîntana de Mureş ist bereits entschie­
Basamalom den. Statt hier Einzelheiten zu erörtern, sei nur
auf die entsprechende Abbildung (Abb. 35) ver­
Hunnenzeit. Seine jüngsten Stücke vereinigen wiesen, auf der sowohl die in den alanischen
sämtliche Stilrichtungen und Kenntnisse der Gräbern des nördlichen Kaukasus gefundenen
Goldschmiedekunst der Hunnenzeit, anhand und hinsichtlich ihrer Form, Technik und Ver­
derer alle anderen Funde aus dieser Zeit vergli­ zierung von den gotischen Vorbildern wohl un­
chen werden können. terscheidbaren, kleinen Plattenfibeln als auch
Da mit der Verbergung der Schätze I—II von ihre pannonischen Pendants zu sehen sind; aus
Szilágysomlyó weder die stilistische Entwick­ jenem Pannonien, in dem seit 380 nachweislich
lung noch die Goldschmiedekunst einen Bruch Alanen ansiedelten (die Alanen des Saphrax und
erlitten haben, kann dieser Hortfund als Vorläu­ später des Sarus) und wohin nach der Einwande­
fer, aber auch als untrennbarer Bestandteil der rung der Hunnen aller Wahrscheinlichkeit nach
Hunnenzeit im Karpatenbecken angesehen wer­ auch neue, in hunnischem Dienst stehende alani­
den; ohne seine Kenntnis wäre die Entwicklung sche Gruppen gelangten. Die Entdeckung dieser
und die führende Rolle, die die Goldschmiede­ pannonischen Plattenfibeln zerstörte einen lang­
kunst bei den Barbaren jener Zeit spielte, kaum währenden historisch-archäologischen Irrglau­
verständlich. Die mit Steinen verzierten und mit ben, nach dem die Blech- und Plattenfibeln stets
Goldblech überzogenen Fibeln gehören zum verschiedenen Gruppen von Goten zugeordnet
charakteristischen Frauenschmuck der ostger­ wurden.
manischen Aristokratie während der Hunnen­ Anders verhält es sich mit den seit Beginn des
zeit (Rábapordány, Regöly, Völc/Velţ, Untersie­ 5. Jahrhunderts immer größer werdenden gegos­
benbrunn), auch wenn die genaue Zeit ihrer Ver­ senen Silberplattenfibeln und mit deren mit
wendung und Vergrabung nur schwer zu bestim­ Goldblech überzogenen und mit Edelsteineinla-
men ist. gen versehenen, vornehmen Varianten. Ihr Ver­
Einen einzigen, aber dafür um so wesentliche­ breitungsgebiet im Osten lag lange Zeit im Be­
ren Gesichtspunkt in bezug auf die Fibeln ließ reich der Nordküste des Schwarzen und des
die skandinavisch-deutsche Forschung außer Asowschen Meeres, vor allem auf der Halbinsel

158
Krim, wo die großen Plattenfibeln bis in das dem Gebiet der mittleren Donau hielt die deut-
6. Jahrhundert in Mode waren. Es halte den sche Forschung die Frau aus dem Grab von
Anschein, daß dieses Verbreitungsgebiet iden- Moull-Argences für eine Gotin bzw. Ostger-
tisch mit jenem sei. in das im 4. Jahrhundert manin. Die französischen Bearbeiter hingegen
germanische Gruppen gelangten, wo auch noch vertraten eine davon abweichende Meinung, je-
in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts Reste doch keinesfalls infolge irgendwelcher Aversio-
von ihnen lebten und auf der Krim sogar die nen den Goten gegenüber. Sie betonten, daß in
Hunnenherrschaft überdauerten. Obwohl mit- der Gegend der Fundstelle in der Normandie
telgroße Plattenfibeln auf der Halbinsel Taman niemals Goten oder andere Ostgermanen auf-
und sogar in der Umgebung von Maikop fall- tauchten, auch sei ihnen unbekannt, daß die
weise auftauchten, konnte dies mit dem Einfluß südgallischen Wisigoten im Laufe ihrer Feldzü-
der Krimgoten, eventuell auch mit deren „Vor- ge jemals so weit nach Norden vorgedrungen
dringen" erklärt werden. Das heißt, die Rolle wären. Hingegen sind in dem aus dem ersten
dieser Fibeln als absolutes ethnisches Merkmal Viertel des 5. Jahrhunderts stammenden römi-
blieb fast unangetastet. schen militärischen Verzeichnis, der Notitia Di-
Die Fibeln dürfen jedoch nicht von der aus gnitatum, um die Normandie herum zahlreiche
den Gräbern sich widerspiegelnden Tracht, von sarmatische Verbände genannt. Einzelne alani-
den Bestattungssitten und vor allem von den sche Gruppen wiederum schlugen im zweiten
Fundorten selbst losgelöst behandelt werden. In Viertel des 5. Jahrhunderts ihre Lager ausge-
diesem Zusammenhang müssen die mit Goldflit- sprochen nördlich der Loire auf. Südlich und
ter bestickten Schleier genannt werden, die ei- östlich der Fundstelle von Moult-Argences gibt es
nerseits im Zusammenhang mit Prunkfibeln völ- heute noch Ortsnamen wie Allaines und Allones,
lig unbekannt sind (sämtliche gepidischen, swe- die auf die ehemalige Anwesenheit von Ala-
bischen, wisigotischen sowie nachweisbar ostro-
gotischen Grab- und Schatzfunde, auch der
Fund von Rábapordány), andererseits aber be- 99. Östliche Silberfibel, Harkány
sonderer Bestandteil der Kleidung auch Fibeln
tragender vornehmer Frauen sind. Umgekehrt
sind aus dem mittleren Drittel des 5. Jahrhun-
derts mehrere „Goldgräber" vornehmer Frauen
bekannt, in denen wohl ein Goldschleier, jedoch
keine Fibeln gefunden worden sind (Dunapataj-
Bakodpuszta, Papkeszi, Bolschoi Kamenez
Grab I, auch „Sudshaer Schatz" genannt), ein
Beweis dafür, daß Schleier und Fibeln für die
Kleidung von gleichrangiger Bedeutung waren.
Im März 1876 wurde in Moult-Argences in
der Normandie, auf dem Gutshof Valmeray, in
150 cm Tiefe neben dem Skelett einer etwa
24jährigen Frau (gleichen Alters war auch die
„Fürstin" von Untersiebenbrunn, die Zeit be-
günstigte kein langes Leben) ein reicher
Schmuckfund freigelegt. Seil Beginn dieses Jahr-
hunderts wurde er unter der falschen Bezeich-
nung „Airaner Schatz" in der Archäologie be-
kannt. Am bedeutendsten ist wohl das Fibelpaar
mit Schmucksteineinlagen, das durch eine Gold-
kette mit Ringgehänge zusammengehalten wur-
de. Es ist mit den Fibelpaaren von Untersieben-
brunn und Rábapordány nahe verwandt; mögli-
cherweise stammen sie sogar aus ein und dersel-
ben Werkstatt. Wegen der beiden Parallelen aus
99.
159
100.

des 3. und 4. Jahrhunderts erinnert. Nicht dieser


Meinung war der erste und zugleich letzte Bear-
beiter des Fundes, Michail Rostowzew, der da-
mals hervorragendste Experte für die südrussi-
sche Metallkunst. Rostowzew erkannte, abgese-
hen von der offensichtlich spätrömisch-früh-
christlichen Halskette, nur zu gut die enge Ver-
wandtschaft der Tracht der im Sarkophag ru-
henden vornehmen Frau mit den Grabfunden
von Kertsch (1904) und Olbia sowie mit dem
eben besprochenen Fund von Valmeray (Moult-
Argences). Besonders die vom Totengewand
stammenden 169 Goldflitter in dreierlei Ausfüh-
rung und deren Parallelen erweckten seine Auf-
merksamkeit. Diese Goldflitter konnten natür-
lich auch in Koudiat-Zateur nicht auf ein Kleid
genäht gewesen sein, die biegsamen, dünnen Ble-
che haften nur an einem dünnen Schleier. Ro-
100. Beliebter Schmuck im 5. Jahrhundert war der mit stowzew bestimmte den Fund als ein sarmati-
einem polygonalen Knopf verzierte Ohrring, sches oder alanisches Grab aus der Wandalen-
Regöly zeit. Diese Ansicht wird von historischer Seite
noch meisterhaft durch den Titel König der
nen hinweisen. Die französischen Bearbeiter, Wandalen und Alanen (rex Vandalorum et Ala-
einmal auf dem richtigen Weg, erkannten ferner, norum) untermauert.
daß die anderen Schmuckstücke des Fundes sar- Was Rostowzew damals nur vermuten konn-
matisch und graeco-iranischen Typs waren: eine te, ist heute vollkommen klar und für die Her-
dicht geflochtene goldene Halskette, ein mit ei- kunft bestimmend: Die Fibeln von Koudiat-
ner Gemme versehener goldener Fingerring, eine Zateur, vor allem aber deren kreuzförmig ange-
eigentümlich geformte Haarnadel, vor allem ordnete, fast die gesamte Oberfläche bedeckende
aber die Schleierzierbleche, wie die in siebenerlei runde Schmucksteineinlagen besitzen ihre - zum
verschiedenen Formen gepreßten Goldflitter Großteil seit damals ans Tageslicht gekomme-
und auch die vom Schleierrand stammenden nen - Parallelen ausschließlich im nördlichen
W-förmigen Goldflitter. Ihr einigermaßen zag- Vorraum des Kaukasus (Kumbulta, „Nord-
hafter Vorschlag, die Verstorbene von Moult- Kaukasus", Abrau-Dürso).
Argences sei sarmatischer oder alanischer Her- Die mit dem Grabfund verbundenen histo-
kunft gewesen, wird auch heute noch als gewagt risch-chronologischen Möglichkeiten hat die
angesehen. Forschung bisher nicht genutzt. Das Grab kann
Möglicherweise noch weniger Beachtung als keinesfalls vor der wandalischen Invasion Nord-
dem „Airaner Schatz" wurde einem anderen afrikas (Mai 429) angelegt worden sein, da
Grabfund geschenkt, obwohl er für die Chrono- glücklicherweise in diesem Zusammenhang nie
logie der Trachtsitten während der Hunnenzeit der Gedanke auftauchte, die schwerreiche Frau
fundamentale Bedeutung besitzt. Er wurde vor hätte zu den wisigotischen Söldnertruppen des
dem Ersten Weltkrieg im tunesischen Koudiat- comes Bonifatius gehört. Noch genauer: Die Be-
Zateur, westlich von Karthago und sogar west- stattung kann auch nicht vor 435 durchgeführt
lich von Utica, in einem sekundär verwendeten worden sein, denn erst zu diesem Zeitpunkt wur-
römischen Sarkophag freigelegt. Seine Bezeich- de der nordwestliche Teil der Provinz Africa
nung als „Schatz von Karthago" ist in diesem Proconsularis, an deren Grenze Koudiat-Zateur
Fall nicht nur falsch, sondern auch irreführend. liegt, von dem aus der hunnischen Geschichte
Er wird für einen wandalischen Fund gehalten, bekannten, später mit Attila am Fluß Mincio
obwohl die Schmuckstücke in keiner Weise an einen Waffenstillstand schließenden Trigetius
die wohlbekannte wandalische, schwerreiche (der sich damals durch die Lösung schwerwie-
Goldschmiedekunst der Hasdingen und Silingen gender Probleme einen guten Ruf verschaffte) in

160
einem Waffenstillstands- und Bündnisvertrag an
den Wandalen Geisecrich abgetreten. Es ist am
wahrscheinlichsten, daß die Schmuckstücke erst
nach 439 - also nach dem Fall Karthagos - in
den Sarkophag gelangten.
Wegen der Erfolge Geiserichs wird leicht ver-
gessen, daß der Hasdinger Herrscher sein Volk
aus demselben Grund nach Afrika schiffte, der
Alarich schon 410 dazu veranlaßt hatte; die Su-
che nach Sicherheit. Geiserichs Volk floh 401
vor den Hunnen nach Norikum und dann nach
Rätien. Auch die plötzliche Überquerung des
Rheins Ende 406 mochte irgendwie mit dem
Vordringen Uldins in das Donaugebiet und mit
dessen Erscheinen in Italien in Zusammenhang
stehen. Nach dem Rückzug der nach ihnen in
Hispanien eingedrungenen Wisigoten, d. h. nach
418, hatten die Wandalen auf der Halbinsel
nichts mehr zu befürchten. Sie schlugen Sweben
und lokale römische Kräfte mit Leichtigkeit zu-
rück oder unterwarfen sie. Was den Wandalen
vermutlich abermals Furcht einjagte, war das
Erscheinen der Hunnen des Aetius in Gallien. Es
dürfte daher kaum Zufall sein, daß sie nach der
Besiegung der südgallischen Wisigoten durch die
Hunnen 425/426 zum ersten Mal versuchten, in
Mauretanien Fuß zu fassen. Die Angriffe wie-
derholten sich in den folgenden Jahren, die Hun-
nen erschienen regelmäßig im benachbarten
Gallien. Von dort aus konnten sich vor den
Hunnen fliehende oder sich von ihnen lossagen-
de Alanen ohne besondere Schwierigkeiten ihren
Brüdern in Hispanien anschließen und mit ihnen
zusammen nach Afrika segeln. Die Tochter oder
Frau eines dieser Alanen dürfte die Tote von
Koudiat-Zateur gewesen sein.
Die Goldschnalle des Grabes von Koudiat-
Zateur ist gleichen Typs wie die von Kertsch
(Grabkammer vom 24. Juni 1904) und wurde
offenbar in einer Werkstatt von Kertsch herge-
stellt. Die runde, goldene Gürtelschnalle mit
Zellenverzierung, die hunnenzeitliche Schnalle
(Abb. 39), gab es unseren gegenwärtigen Kennt-
nissen nach weder im Karpatenbecken vor der
hunnischen Ansiedlung und Eroberung noch
konnte sie vor 429 nach Nordafrika gelangt sein.
Die Schnalle wurde von ihrer Eigentümerin
zwischen 429 und 439 schon getragen, in Kennt- 62. Im Fund von Nagyszéksós kamen zahlreiche mit Schup-
nis der damaligen Lebenserwartungen sicher pen- und anderen geometrischen Mustern verzierte
nicht lange. Es ist typisch alanisch, daß eine Goldbleche, in den meisten Fällen Schwert- und Saitel-
derartige Gürtelschnalle, die bei den Hunnen beschläge, zutage
nur von Männern getragen wurde, in diesem Fall

161
63. Wegen der individuellen Stilmerkmale der Pfauenköpfe ner auch S-förmige Bleche, von denen mit Aus­
mit den roten Granat- and Glaseinlagen dürften diese nahme der ersten alle einen Perldraht nachah­
Stücke aus dem Opferfund von Nagyszéksós stammen. menden gepreßten Rand besitzen. Der Formen­
Die dazugehörende schwere Goldperle kennen wir aus reichtum ist damit im großen und ganzen er­
den hunnenzeitlichen Bestattungen auf der Krim
schöpft, die angeführten Typen unterscheiden
sich höchstens in ihrer Größe und Anzahl, even­
Bestandteil eines Frauengürtels ist. Die Datie­ tuell kommen noch Doppel- und Dreifachbleche
rung dieses so weit entfernten Grabes wirkt so­ vor. All das weist darauf hin, daß diese neue
mit bis nach Kertsch zurück und beeinflußt auch Schleiertracht ausschließlich mit der hunnisch-
die Chronologie der Hunnenzeit. alanischen Bewegung in Verbindung zu bringen
Das Frauengrab von Regöly mit artifiziell de­ ist und sich sicherlich nicht in einem weiteren
formiertem, europidem Schädel enthielt eben­ Umkreis verbreitet hat. So übernahmen zum
falls einen mit den gleichen Goldflittern wie im Beispiel die Frauen der mit den Hunnen ein
,,Airaner", „Karthager" und „Sudshaer" Schatz Vierteljahrhundert in Symbiose lebenden Gepi­
bestickten Schleier und ursprünglich auch eine den die Schleiertracht nicht, wohingegen die
geflochtene Halskette, beide sicher für die Gepiden (aber auch Sweben und Thüringer)
Tracht ebenso typisch wie das Fibelpaar (Farb- hunnische Männertracht, Waffen und Pferdege­
taf. X, Taf. 13-15). Die ungarische Forschung schirre der nachfolgenden Zeit überlieferten
bestimmte denn auch die Tote von Regöly als (Königsgräber I—III von Apahida, der Schatz
vornehme Alanin. Nur die Datierung muß heute von Spmeşeni/Szamosfalva, das Fürstengrab
als überholt angesehen werden, Regöly und ähn­ von Blučina usf.)/Nur ein Fall und zugleich der
liche Grabfunde wurden damals mit den 380 späteste ist bekannt, daß die Frau eines aller
als römische „Foederati" angesiedelten Alanen Wahrscheinlichkeit nach germanischen Fürsten
(Goten, Hunnen) in Verbindung gebracht. einen mit Goldflittern bestickten Schleier trug,
Russische, französische und ungarische For­ nämlich die Tote von Dunapataj-Bakodpuszta.
scher, die sich mit dieser Frage beschäftigten, Sie war mit sehr viel Schmuck ausgestattet,
hoben etwas großzügig die jahrhundertelange trug jedoch keine Fibeln. Diese skirische Fürstin
Tradition von Kleidern (richtiger: Schleiern) mit war entweder sarmatisch-alanischer Herkunft,
Goldflitterverzierung bei den Iranern hervor. oder sie bewahrte einfach die Tracht vornehmer
Dies trifft wohl auf die Schleiertracht an sich zu, Hunnen- oder Alanenfrauen (Taf. 111-113,
nicht aber auf deren Goldbesätze. Denn gleich­ Abb. 72).
zeitig mit der hunnischen Bewegung erschienen Obwohl sich die ethnische Deutung des Gra­
völlig neuartig geformte Goldflitter, im Gegen­ bes von Regöly auf die bereits besprochenen
satz zu der früheren Vielfalt nur wenige Typen: Funde und Zusammenhänge stützte, konnte das
W-förmige, spielfigurenartige, quadratische, Ergebnis nicht bewiesen werden. Der Schleier-
rhombische, dreieckige, kreisförmige und selte- schmuck der Hunnenzeit verbreitete sich näm-

162
101.
lich - dem Anschein nach - im Osten nicht über
den Don und die Meerenge von Kertsch hinaus,
er kam also nicht einmal so weit wie die „goti-
schen" Fibeln. Es ist daher nicht verwunderlich
und kaum zu kritisieren, daß mehrere Forscher
auch in der vornehmen Frau von Regöly eine
Ostgermanin sahen.
Erst die Grabungen der vergangenen Jahre
schufen eine völlig neue Ausgangsbasis. Mittel-
große und große Plattenfibeln aus Silber kamen
in unbestreitbar alanischen Friedhöfen der Hun-
nenzeit ans Tageslicht, und zwar in einer solchen
Menge und Vielfalt, daß sie die bisher vom Kar-
patenbecken bis zum Don und zu der Halbinsel
Kertsch bekannten Fibeln zahlenmäßig übertra-
fen und sämtliche früheren Theorien und Vor- 101. Hunnische goldene Riemenzunge aus „Buda"
stellungen über den Haufen warfen (16 Gräber
in Abrau-Dürso, Krassnodar). In zwei Gräbern 102.-103. s. Farbtafeln XXVII-XXVIII
wurden sie sogar zusammen mit goldblechüber-
zogenen und mit Schmucksteinen verzierten Fi- Und von hier aus kehren wir wieder zu unse-
beln getragen (Grab 300 und 490 von Abrau- rem Ausgangspunkt zurück, zu den beiden
Dürso). Der Fundort Porschnino, wo zusam- „fürstlichen" Grabfunden von Untersieben-
men mit einem hunnischen oder alanischen brunn im norddanubischen Niederösterreich
Langschwert ein mit Edelsteinen verziertes Fi- Ihre ethnische Bestimmung blieb 80 Jahre un-
belpaar gefunden wurde, liegt auch viel weiter verändert: Mit Ausnahme der römischen Glä-
nördlich als das östliche Siedlungsgebiet der Go- ser (zu denen auch noch eine antike Haarnadel
ten, die Funde können ihnen also keineswegs aus Silber gerechnet werden müßte) wären
zugeschrieben werden. Könnten die angeführten „sämtliche Gegenstände germanisch", ja „her-
Funde gewissermaßen noch immer mit dem goti- vorragende Schöpfungen der germanischen
schen Fundblock des Pontusgebietes in Verbin- Kunst". Diezu frühe Datierung dieses Grabfun-
dung gebracht werden, so ist dies für die alani- des wirkt auch heute noch auf die wisigotische
schen Grabfunde aus Dagestan am Kaspischen Bestimmung des Schatzes von Szilágysomlyó
Meer schon nicht mehr möglich. In Iragi wurde nach, neuerdings auch auf die Theorie der ostro-
in einem nicht allzu großen, mit Steinplatten gotisch-alanischen Foederati Pannoniens. Un-
abgedeckten Grab eine junge Frau mit fast allen tersiebenbrunn liegt jedoch außerhalb von Pan-
Bestandteilen alanischer Tracht und Mode aus nonien und ist keineswegs so vereinzelt und iso-
der Hunnenzeit gefunden: das mit Anhängern liert. Es paßt vielmehr ausgezeichnet zu den ar-
versehene goldene Ohrgehänge (Abb. 42), der chäologischen Funden der Hunnenzeit in der
mit figuralen und geometrischen, auch mit W-för- March- und Thayagegend. Der mit den vielen
migen Goldflittern bestickte Schleier, ein aus hundert Goldflittern hunnenzeitlichen Typs
Karneol-, Achat-, Bernstein-, Bergkristall-, Glas- durchwirkte Schleier dieser vornehmen, im Alter
und Gagatperlen bestehender Halsschmuck, der von nur 24 Jahren verstorbenen, auffallend klei-
Gürtel mit einer Silberschnalle und mit Gold- nen (150 cm) Frau und jener ihrer siebenjährigen
blech überzogene und mit Schmucksteinen ver- Tochter oder Verwandten sind die bisher reich-
zierte Riemenzungen, eine goldene Toilettengar- sten und prächtigsten Vertreter dieser Tracht.
nitur, ein Weißmetallspiegel, zwei verschiedene Besonders auffallend ist die Beigabe von vier
Armringe, eine eiserne Knebeltrense, kleinere Fibeln in dem Frauengrab: neben dem Fibel-
Bronzeschnallen, eine Silberschüssel und Silber- paar mit den Schmucksteinen zwei verschieden
phiole, mehrere Tongefäße und zu alledem gearbeitete, mittelgroße Plattenfibeln aus Silber,
noch ein mit Goldblech überzogenes und mit von denen eine einwandfrei nordkaukasischen
Schmucksleinen verziertes Fibelpaar aus Bronze Typs ist. In germanischen Gräbern ist eine der-
und ein unverziertes Plattenfibelpaar aus Silber. artige ,,Fibelanhäufung" unbekannt, um so cha-

163
104/1.
164
104/1. Goldene Kopfschmuckplatte aus Mezőberény de, die uns bereits bei dem Grab von Moult-
Argences begegnete, aber auch noch in anderen
rakteristischer ist sie jedoch für die alanische Gräbern von Abrau-Dürso (300, 408, 410, 483,
Frauentracht. In Iragi, nahe des Kaspischen 516) vorkam. Aus zeitgleichen germanischen
Meeres, ist uns das fast inventargleiche Vorbild Grabfunden ist uns diese Sitte bis jetzt nicht
für die Untersiebenbrunner Tracht bekannt. In bekannt. Daß die mit Anhängern versehene gol­
Abrau-Dürso hingegen fanden sich in den Grä­ dene Halskette der Untersiebenbrunner Dame
bern 353, 410, 416 und 500 je drei silberne Plat­ aus einer Werkstätte des Pontusgebietes stammt,
tenfibeln, wobei in letzterem Grab eine der Fibeln kann aufgrund eines Parallelstückes aus der Go-
mit Goldblech überzogen und mit Schmuckstei- spilalnaja-uliza in Kertsch und eines verwandten
nen besetzt und die Frau auch mit einem massi­ Stückes aus Bakodpuszta kaum bezweifelt wer­
ven Halsring ausgerüstet war. In Grab 300 wie­ den. Übrigens besaß die Untersiebenbrunner
derum fand sich neben drei silbernen Plattenfi­ Dame zwei Halsketten, ein Umstand, zu dem es
beln eine Fibel mit „umgeschlagenem Fuß" wie in dem ebenfalls nicht germanischen Fund II
in Koudiat-Zateur. Bemerkenswert ist auch das von Bolschoj Kamenez (Gebiet Kursk - der so­
Mädchengrab 383 von Abrau-Dürso mit drei genannte Schatz von Sudsha) eine Parallele gibt.
großen silbernen Plattenfibeln, einer Fibel mit Die geflochtenen Halsketten selbst sind hinge­
„umgeschlagenem Fuß", zwei massiven Halsrin­ gen auch in weit im Osten gelegenen alanischen
gen, einem Armring, mehreren Rundschnallen und hunnischen Gräbern (Pokrowsk-Woschod,
mit ovalen Beschlägen, Ovalschnallen mit recht­ Kysylkajnartöbe - Abb. 44) nicht selten. Genau
eckigen Beschlägen, einem gut erhaltenen Spie­ das selbe gilt auch für das in Tierköpfen endende
gel, einem Glasbecher mit blauer Noppenaufla- Armreifenpaar. Die Ohrgehänge aus Untersie­
ge, einer Toilettengarnitur und einem Ohrgehän­ benbrunn sind wie die aus Mezőberény anschei­
ge mit massivem Polyederknopf. Also auch in nend Einzelstücke. Mit ihren auf einem hörn-
diesem Grab fanden sich fast alle Trachtbe­ chenförmigen Ring befestigten Anhängern glei­
standteile des Untersiebenbrunner Grabes. Da­ chen sie jedoch einerseits den östlichen Haarlok­
zu kommt noch, daß die Fibeln dieses Mädchens kenringen der Hunnenzeit, andererseits ähneln
mit einer Ringkette verbunden waren, eine Mo- die Gehänge selbst denen aus dem Grab von
Iragi, die dort keineswegs eine isolierte Stellung
104/2. Goldene Kopfschmuck platte aus Mezőberény einnehmen, können sie doch auf gut bekannte

104/2.
165
105.

Streitfall wird - so scheint es - durch die Bestat­


tungen alanischer Frauen, die von Koudiat-
Zateur bis Abrau-Dürso und Iragi zurückver-
folgt werden können, entschieden, für die „männ­
liche" Tracht- und Ausrüstungsgegenstände gera­
dezu kennzeichnend sind: der massive Halsring
(Abrau-Dürso, 483 in Gräber 259, 292, 306, 500,
516), das Auftreten von zwei Halsringen (Ab­
rau-Dürso, 483 in Frauen- und Kindergräbern
mit silbernen Plattenfibeln), die Gürtel- und
Stiefelriemenschnalle, vor allem aber das Pferde­
geschirr und die Trensen.
Die Parallelen des prächtigen Pferdegeschirrs
von Untersiebenbrunn umringen von Coşovenii
de Jos in Oltenien und Katschin in der West­
ukraine ausgehend gleichsam das Karpatenbek-
ken, ihre Verbreitung weist auf die frühe Phase
der hunnischen Bewegung. Der Untersieben­
brunner Trensentyp kann über seine Gleichstük-
ke (dazu gehören auch die Trensen von Königs-
bruch/Luki in Schlesien und die von Jakuszowi­
ce) bis in das Pontusgebiet und auf die Krim
zurückgeführt werden. Nur seine selbständige
105. Armreif und Riemenzungen, Mezőberény Niederlegung kann als hunnisch-alanische Sitte
angesehen werden. Alles in allem gibt es außer
kaukasische Vorbilder zurückgeführt werden dem Ursprung der Fibeltracht der Fürstin und
(Abb. 42). Die Toilettengarnitur sowohl der dem Knochenkamm des kleinen Mädchens kei­
Frau wie auch des Mädchens von Untersieben­ ne echten germanischen Elemente in den beiden
brunn, der entzweigebrochene Spiegel der Frau, Untersiebenbrunner Bestattungen. Um so zahl­
der ganz erhaltene Spiegel mit Radialstegverzie­ reicher sind die alanischen Trachtenelemente
rung kaukasischen Typs des Mädchens und ihre aus der Hunnenzeit. Die Schmuck- und Ausstat­
Zikaden sind fast „alltägliche" Beigaben und tungsgegenstände selbst sind Schöpfungen der
Trachtbestandteile der Vornehmen der Hunnen­ hunnenzeitlichen Goldschmiedekunst, die sich
zeit. vom Kaukasus bis zu den Alpen verbreitet wa­
Ein Archäologe hat schon vor zwei Jahrzehn­ ren. In Untersiebenbrunn wurden offenbar keine
ten mit gutem Blick erkannt, daß sich unter den Hunnen bestattet. Um so wahrscheinlicher ist
Funden des Untersiebenbrunner Grabes auch es, daß in den Gräbern Familienmitglieder ei­
solche befinden, die in der hunnischen und ger­ nes Anführers der hunnischen Bewegung be­
manischen Tracht der Hunnenzeit seiner Mei­ stattet waren. Die Familie war sicherlich so
nung nach immer (richtiger wäre zu sagen: im wie die Bewegung selbst: zusammengesetzt.
allgemeinen) für Männer kennzeichnend waren. Alanen und Ostgermanen spielten seit dem 4.
Aufgrund dessen äußerte er den Verdacht, daß Jahrhundert eine bedeutende Rolle an der Seite
in Untersiebenbrunn noch ein drittes, nicht er­ der Hunnen, ihre Führer stiegen innerhalb
kanntes Grab, nämlich das eines Mannes vor­ des Hunnenreiches immer höher auf, sie wurden
handen gewesen sei, zu dem zumindest eins der Vasallenkönige und Auserwählte im Dienste
prächtigen Zaumzeuge gehörte. So richtig diese des Hunnenreiches. Es ist anzunehmen, daß
Vermutung theoretisch sein mag, so berechtigt die weiblichen Familienmitglieder eines sol­
ist der Protest des Forschers, der damals (1910) chen Vasallenfürsten oder Auserwählten in
an Ort und Stelle tätig war: Neben dem Grab Untersiebenbrunn die letzte Ruhestätte ge­
der jungen Frau befand sich kein weiteres. Der funden haben.

166
Bogen und Pfeil der Hunnen

Das allerwichtigste Requisit der hunnischen platten zu den bisher größten bekannten eurasi-
Kriegserfolge, nach der treffenden Bezeichnung schen Bogenresten aus dem 3.-5. Jahrhundert
eines hervorragenden österreichischen For- zählen, die auf 180 cm geschätzte einstige Länge
schers „ihre Wunderwaffe", der aus elastischem des Bogens hätte aber die Größe eines hunni-
Holz hergestellte, an beiden Enden und in der schen Kriegers nicht nur auf dem Boden ste-
Mitte mit Knochenplatten versteifte, daher auch hend, sondern auch hoch zu Roß übertroffen.
zusammengesetzter Kompositbogen genannte, Aus diesem Grund nahm man die Länge des
ursprünglich auch mit Hornplättchen verstärkte hunnischen Bogens später „nur" noch mit 160
Rückschlag- oder Reflexbogen ist aus Osteuropa cm an, noch vorsichtigere Forscher mit 140-160
bislang kaum bekannt. Einzelne beschädigte cm. Doch wurde niemals klar ausgedrückt, ob
Überreste von Knochenplatten, die zur Verstei- sich derartige Angaben auf die Länge des Bo-
fung der Bogenenden gedient haben, kommen in gens in gespanntem oder ungespanntem Zu-
hunnischen Opferfunden aus der Wolga- und stand oder gar auf die Gesamtlänge des Bogens
Dnjeprgegend sowie in Katakombengräbern auf beziehen.
der Halbinsel Kertsch und aus Trümmern nord- Durch derartige Rekonstruktionsversuche
pontischer Städte (Tanais, Tiritaka) vor, in den verbreitete sich überall die Vorstellung von hun-
hunnischen Gräbern fehlen sie hingegen. Die in nischen Riesenbögen und in Verbindung damit
langjähriger Erfahrung und mit großem fachli- von mehr als einen Meter langen Pfeilen. Eine
chen Können hergestellten Bögen wurden offen- eigentlich unverständliche Meinung, wurde
bar von den Hunnen nicht gerne in die Gräber doch zur gleichen Zeit aufgrund zahlreicher ver-
mitgegeben oder in das Opferfeuer geworfen, sie läßlicher Befundangaben die Spannweite der un-
wurden lieber vom Vater auf den Sohn vererbt. bedingt leistungsfähigeren, auch zum Abschuß
In das europäische „Eroberungsgebiet" konnten schwererer Pfeile geeigneten awarischen Bögen
wahrscheinlich nur wenige asiatische Bogenma- mit 110-130 cm bestimmt, die der so furchterre-
cher dem hunnischen Heer folgen, daher stieg genden ungarischen „schnellschießenden" Bö-
der Wert der Bögen immer mehr. Es kann als gen aus dem 9./10. Jahrhundert hingegen mit
besonderes Glück angesehen werden, daß in der 120-130 cm. Die Verläßlichkeit letzterer For-
hunnischen Grenzzone Westpannoniens, in ei- schungsergebnisse wurde erst durch einen in un-
nem leider bereits gestörten Grab, eine annä- serer Zeit freigelegten, als Unikat geltenden
hernd vollständige, aus sieben Stücken bestehen- Fund bestätigt: durch den 1974 im gefrorenen
de Garnitur Knochenversteifungen gefunden Boden der Hochgebirgsregion des Kaukasus
worden ist: die Reste eines asymmetrischen Bo- entdeckten, gut erhaltenen Bogen von Mosch-
gens (Wien 11-Simmering, 1930 - Abb. 2). Er tschewaja Balka. Der leider nicht von Fachleu-
wurde anhand der awarischen Bögen rekon- ten freigelegte Bogen mit Knochen- und Horn-
struiert, doch scheint man sich bezüglich der versteifungen aus einem alanischen Grab, das
Abmessungen gründlich verrechnet zu haben. Es auch wundervolle Prachtgewänder enthielt,
stimmt zwar, daß die Simmeringer Knochen- stellt geradezu eine Sensation dar. Die Gesamt-

167
ge des Bogens bloß 100 cm, also in gespanntem
Zustand ist er schon entwickelter und kräftiger,
als der der Hunnen, seine Länge könnte etwa
130 cm betragen haben. Von einem Bogen mit
diesen Maßen konnte man 80-90 cm lange Pfeile
abschießen. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß
hunnische Bögen, deren Stärke nach der her-
kömmlichen Meinung durch ihre großen Aus-
maße wettgemacht werden sollte, für berittene
Bogenschützen unhandlich und daher vollkom-
men ungeeignet gewesen wären. Sic entsprachen
auch nicht dem Bild, das wir uns aufgrund zahl-
reicher Darstellungen reitender Bogenschützen,
so vor allem der Silberreliefs jagender sassa-
nidisch-persischer Könige und der vielen sibi-
rischen Felszeichnungen, machen können. Die
Größe der dargestellten Bögen kann durch-
schnittlich auf 100 cm geschätzt werden.
Zufriedenstellende Ergebnisse wurden nur
durch die Auffindung mittel- und innerasiati-
scher Bestattungen mit Bögen ermöglicht. 1939
wurde das Katakombengrab 10 von Kenkol
(Kirgisien), das nach langen Debatten als früh-
hunnisch anerkannt wurde, aufgedeckt. Neben
einem Mann mit deformiertem Schädel lag ein
asymmetrischer, knochenversteifter Bogen, des-
sen Spannweite in ungespanntem Zustand 105
cm betrug, und ein bloß 81 cm langer Pfeil. Der
Bogen gilt als der früheste Mittelasiens, seine
Knochenplatten können als Vorbilder jener von
Wien-Simmering angesehen werden. Der im
Grab 26/VIII von Kokel in situ gefundene Bo-
gen, der als innerasiatischer Vorläufer des Ken-
koler Exemplars gelten kann, war selbst in ge-
spanntem Zustand nur 100 cm lang; von ihm
konnten 60-70 cm lange Pfeile abgeschossen
werden. Etwas länger als dieser war der in ge-
spanntem Zustand 110 cm lange asymmetrische
Bogen von Minfeng (Abb. 6). Dennoch ist anzu-
nehmen, daß die hunnischen Eroberer des 4./5.
Jahrhunderts bereits mit größeren und leistungs-
fähigeren Bögen und Pfeilen als die oben er-
wähnten ausgerüstet waren, was die bogenver-
steifenden Knochenplatten und Pfeilspitzen von
Kysyl-Adyr neuestens auch bewiesen (Abb. 5).
64. Gläserne persische Parallele des Elektronpokals aas Klare Vorstellungen über die Bögen waren
Nagyszéksás lange Zeit nicht möglich: durch die zahlreichen
beraubten Gräber, durch zu knappe Angaben in
länge der C-förmigen Biegung des annähernd den Publikationen (im allgemeinen ist nicht er-
symmetrischen Bogens aus dem 8. Jahrhundert, sichtlich, ob sich die Spannweiten auf Bögen in
offenbar chasarischer Herkunft, macht 140 cm gespanntem Zustand beziehen) und durch wi-
aus. In ungespanntem Zustand beträgt die Län- dersprüchliche Angaben (oft wurde die Bie-

168
gungskurve der Bögen statt der Spannweite ge­ gehen der Sehne jedoch nachgelassenen Bögen
messen). Erst die vielen neuen Ausgrabungen betrug 140-165 cm, in gespanntem Zustand
und Funde, gerade im mittelasiatischen Aus­ kaum mehr als 120-130 cm. Ein wirklich ent­
gangsgebiet der hunnischen Eroberungen, er­ scheidender Nachweis für die Spannweite hunni­
möglichten eine halbwegs befriedigende Ord­ scher Bögen ist durch das Grab von Aktöbe II
nung. Bogenüberreste des Kenkoler Typs mit in Kasachstan gelungen: Die Spannweite des
7-10 Knochenplatten kamen immer häufiger darin gefundenen Bogens betrug in ungespann­
zum Vorschein (z. B. neben dem Krieger mit tem Zustand 120 cm, in gespanntem konnte sie
deformiertem Schädel in Dshoon-Töbe im Ta­ daher 110 cm kaum übersteigen (Abb. 3). Nur
lastal und neben dem „Fürsten" mit künstlich etwas größer kann der 130 cm lange Bogen aus
deformiertem Schädel in Tugoswonowo), neue- dem Kurgan I von Sewakino gewesen sein, der
stens in der Tien-schan-Gegend: Ketmentöbe- in gespanntem Zustand 115 cm lang war (Abb.
Aktschikarassu, Dshalarik, Kysart, Törken auch 4). Noch größer ist der asymmetrische Bogen
Exemplare, deren Maß im Grab abgenommen von Tatarskije Mogilki aus der späten Hunnen­
werden konnte. Die angezweifelten Maße der in zeit mit einer Spannweite von 120 cm in ge­
Gräbern von Kirgisien (Dshoon-Töbe, Grab 2: spanntem Zustand. Aufgrund all dieser Maß­
142 cm, Kalmaktübe, Grab 1: 128-130 cm) ge­ angaben kann die Spannweite des Simmeringer
fundenen hunnischen Bögen wurden durch die Bogens in gespanntem Zustand auf 120-130 cm
aus dem Gräberfeld von Kara-Bulak bestätigt. geschätzt werden, also für die damalige Zeit ein
Die Länge der in diesen Kurgangräbern ur­ wahrlich großer Bogen. Die Zahl der vor allem
sprünglich gespannt deponierten, nach dem Ver- in Mittelasien gefundenen, bogenversleifenden
Knochenplatten des 3./4. Jahrhunderts, die we­
106. Goldschnallen aus dem Grab von Mezőberény gen ihres Erhaltungszustandes bzw. ihrer Fund-

106.
169
107/1-2.

107/1.-2. Goldene Zikaden aus Nordostungarn und neuen Funde hat sich erwiesen, daß die For­
Mezőberény schung auch die Form der hunnischen Bögen
nicht richtig sah. Symmetrische Bögen zum Ab­
Situation (in beraubten Gräbern nicht mehr in schießen von Pfeilen vom Pferd aus wären völlig
situ oder nicht komplett erhalten) nicht oder ungeeignet für die hunnische „Kriegsart" gewe­
nicht gut rekonstruierbar (zerbrochen, dislo­ sen. Derartige Bögen kommen in hunnenzeitli­
ziert) sind, ist heute kaum mehr überschaubar. chen Fundkomplexen nicht vor. Die Ursache
Unlängst konnten wir auch die innerasiatischen hierfür wird weiter unten noch zu erörtern sein.
Vorläufer aus dem 1.-5. Jahrhundert, die Bo­ Es scheint, daß die Alanen, Germanen und
gen- und Pfeilfunde der Baikalgegend und der Sarmaten die hunnischen Bögen nicht nachma­
Mongolei, kennenlernen. chen konnten; möglicherweise war ihnen dies
Erst in den beiden letzten Jahrzehnten sind auch gar nicht gestattet. Daher galt der in dem
somit die Maße dieser unheimlichen Waffe rich­ germanischen Fürstengrab von Blučina in Mäh
tig erkannt worden. Sie war kleiner als früher ren - allerdings aus der Zeit nach dem Sturz der
angenommen, was aber ihrer Bedeutung für die Hunnen - gefundene ziemlich kleine und schwa­
Kriegskunst keinerlei Abbruch tut. Aus dem che Bogen mit Knochenversteifungen lange Zeit
bisher Gesagten geht auch hervor, daß die für als Unikat. Dabei ist er es nicht. Auch vom
Miniaturausgaben gehaltenen, goldbeschlage­ mittleren Neckartal, aus Rüdern, liegt eine ale­
nen Bögen mit 80-100 cm Spannweite kaum mannische Parallele vor. Aus dem Grab eines
kleiner waren als die üblichen Bögen. Zu Minia­ mit einschneidigem Kampfmesser hunnischen
turausführungen wurden sie nur im Vergleich Typs mit Goldgriff und mit Schwert bewaffneten
mit den falsch angenommenen 160-180 cm lan­ vornehmen Kriegers kamen mit einer schönen,
gen hunnischen Bögen. Aufgrund der vielen zellenverzierten Goldschnalle posthunnenzeitli-

170
65. Zur Zeit der Ansiedlung der Hunnen blühte das Schmiede-
handwerk entlang der Theiß. In Csongrád wurden in zwei
Gräbern mit ihren Besitzern auch die entsprechenden
Werkzeuge gefunden

171
108.
zeit zumeist verwendeten dreikantigen Pfeilspit-
zen aus Eisen mit rautenförmigem Querschnitt
sind 3-4-5-6-7-9 cm lang, die Länge der mei-
sten bewegt sich um den Mittelwert von 5-6 cm.
Neben diesen kommen auch flache Pfeilspitzen
mit rhombischem Blatt und nagelartige mit mas-
sivem Kopf vor, offenbar für unterschiedliche
Bestimmungen gedacht; wie wir gesehen haben,
wurden für spezielle Zwecke Pfeilspitzen aus
Knochenmaterial benutzt.
Seit dem Auftreten der Hunnen haben die
„Nomaden" die Pfeile mit der Spitze nach oben
in den Köcher gesteckt, so daß die jeweils ent-
sprechenden leicht gewählt werden konnten.
Unbekannt ist, wie viele Pfeile in einem Köcher
Platz fanden. Im Grab von Tugoswonowo, Ob-
gegend, fanden sich im Köcher 28-30 Pfeile mit
Eisen- und zwei mit Knochenspitzen, insgesamt
also 30-32 Stück; wahrscheinlich stellt diese
Zahl ein Maximum dar. Abgesehen davon ist
die größte Anzahl von Pfeilen, nämlich 19-20
Stück, bisher aus den hunnischen Gräbern von
Fedorowka und Aktöbe II bekannt. In den
Überresten der Totenopfer sind stets weniger zu
finden (Nowogrigorewka VIII und IX 8 und 12,
Kurgan 17 von Pokrowsk 9 und Seelman/Row-
108. Parallele aus Oros zu der Schwertgriffverzierung noje 7 Stück). Bei den nicht fachgerecht durch-
des barbarischen Fürsten von Pouan in Gallien geführten Ausgrabungen derartiger Fundkom-
plexe dürften offenbar einige Pfeilspitzen abhan-
chen Typs neun dreiflüglige Pfeilspitzen und die den gekommen sein (Makartet 5, Pécs-Üszög-
minieren Knochenplatten eines Bogens zusam- puszta 4, Kalinino 3 und Nowaja Majatschka-
men zum Vorschein - die ganze Ausstattung Schtscherbata-Tal 2). Beachtenswert ist die sich
scheint aus der minieren Donaugegend zu stam- gleichmäßig verringernde Zahl. Wenn man in
men. Mehr ähnliche Funde gibt es hingegen tat- den Köcher des Toten viel weniger Pfeile als
sächlich nicht. möglich legte, so mag dies mit dem militärischen
In dem reich ausgestatteten Grab von Aktöbe Rang des Verstorbenen oder mit Jenseitsvorstel-
II blieb ein aus Birkenrinde hergestellter, 77 cm lungen zusammenhängen. (Kysyl-Adyr: 14,
langer Köcher (Abb. 3) und in einem Nomaden- Wien-Simmering: 10 [+ 1], Kurgan 14 von Ket-
grab aus dem 4./5. Jahrhundert in Tschalai-nor mentöbe-Aktschikarassu und Kysylkajnartö-
in der äußeren Mongolei Chinas ist ein aus Le- be: je 8, Kurgan 23 von Ketmenlöbe-Aktschi-
rakaschu und Žamantogaj: 6 [Abb. 45], Mertwi-
der genähter Köcher ähnlicher Größe unver- je Soli: 5 [Abb. 49], Grab 2 von Szob-Homokdü-
sehrt erhalten. Die Maße stimmen im großen lö:4 + 1, Kurgan 2 von Kenkol, Keszthely-Gáti-
und ganzen mit den durchschnittlich 70-80 cm domb und Grab 4 und 128 von Csongrád-Kaiser-
großen awarischen und ungarischen Köchern ne: je 4, Sewakino [Abb. 4] und Oradea/Groß-
überein. Nach den in südsibirischen und mittel-
asiatischen Gräbern des 3.-5. Jahrhunderts oft
intakt oder fast intakt aufgefundenen Köchern 66. In den nördlichen Küstengegenden des Schwarzen
und häufig rot bemalten Pfeilen waren letztere Meeres sowie in den antiken Städten und Friedhöfen
60-80 cm lang; längere Pfeile müssen als Aus- Pannoniens tauchen zur gleichen Zeit Gürtelschnallen,
nahme gelten (Abb. 43). Entsprechend den Bö- Fibeln und andere Schmuckstücke identischer Form
gen und Pfeilen sind natürlich auch die Pfeilspit- und Verzierungen auf, die dann auch in den Gräbern
zen nicht gleich groß. Die während der Hunnen- der benachbarten „Barbaren" zu finden sind

172
109.

109. Hunnische Goldbeschläge aus einem spät- nicht mehr auffällig, wenn die alanischen Grä-
awarischen Gräberfeld, Kékesd ber der Kaukasus-, Wolga- und Donauge-
gend weder Bögen noch vor allem Pfeile ent-
wardein-Szalka: je 3, Kurgan 3 von Schipowo halten.
und Beljaus je 1 Stück). In den Ferganaer Grä- Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist
bern von Koklasch wurden sie von 16 bis 3 die Bogen-Pfeil-Beigabe in Gräbern eines der
verringert, von anderswo sind genaue Angaben wichtigsten, wenn auch nicht ausschließliches
noch nicht bekannt. Merkmal des hunnischen Volkselementes wäh-
Es ist geradezu gesetzmäßig und heute gar rend der Hunnenzeit.

174
Waffen des Nahkampfes

Es ist verständlich, daß die antiken Autoren der durch die Scheibe geführten Hängeöhrchen
kaum etwas über jene Waffe berichteten, die die darstellen. Leider gibt es bis heute keine verläßli­
wichtigste und sozusagen alltägliche auch bei che Befundsituation, um zu bestimmen, wie und
der römischen und persischen Reiterei war, womit diese Anhänger am Schwert befestigt wa­
nämlich das Schwert. Man betrachtete es daher ren. Nur eines ist gewiß, daß sie 15-20 cm vom
lange Zeit nicht als charakteristische Waffe der Griff herabhingen. Auch ihre Bedeutung ist un­
Hunnen. Das zweischneidige Langschwert mit klar, doch mögen sie den Rang des Schwertes
verhältnismäßig schmaler Klinge und meist star­ und dessen Eigentümers symbolisiert haben. Im
ker Parierstange ist jedoch vom Altai (Tugos­ Katakombengrab 20 von Dshoon-Töbe im Ta-
wonowo), Ostural (Musljumowo), Mittelasien las-Tal wurde bereits ein zellenverzierter, golde­
(Kara-Bulak, Schauschukumtöbe, Ketmentöbe- ner Scheibenkopf gefunden, der - ob das
Aktschikarassu, Dshalarik, Törken usw.) und Schwert erhalten blieb oder nicht - auch dann
vom Kaukasus (Abb. 57) über die südrussischen mit Gewißheit auf das ursprüngliche Vorhan­
und ukrainischen Steppen bis nach Mitteleuropa densein von Schwertern in Grab- und Opferfun­
bekannt und neben Pfeil und Bogen die andere den (Tschegem, Selenokumsk, Kertsch-Gli-
Hauptwaffe des hunnischen Reiters (Abb. 12). nischtsche [Abb. 51], Nowogrigorewka IX, Pécs-
Es unterscheidet sich von den zeitgleichen und Üszögpuszta [Abb. 47], Bátaszék [Abb. 56],
auch etwas jüngeren germanischen Schwertern Pouan [Abb. 52], Childerichgrab Tournai) hin­
eben durch die schmalere Klinge sowie die weist, wenn die Scheibe selbst etwa vernichtet wor­
- allerdings nicht obligate - Parierstange. In den den oder verlorengegangen wäre. Aus der Selten­
Grab- und Opferfunden ist das Schwert so oft heit des Vorkommens einer derartig prächtigen
vertreten, manchmal auch in zwei bis drei Ex­ Schwertperle geht klar hervor, daß nur eine ge­
emplaren (z. B. Pannonhalma, Makartet), daß ringe Anzahl von Schwertern mit solchen ausge­
wir von einer eingehenden Erörterung und Auf­ stattet war, die Mehrzahl der Schwert perlen ist
zählung absehen können; es sollen nur einige viel einfacher.
charakteristische, schöne Prunkschwerter ange­ Wie dies die inner- und mittelasiatischen Grä­
führt werden (Abb. 22). ber (z. B. Tugoswonowo, Kysylkajnartöbe, Ka­
Schon auf den frühesten orientalischen „Für- ra-Bulak) bezeugen, waren die einschneidigen
stenschwertern" findet sich die am Griff ange­ Jagdmesser oder Kampfmesser charakteristi­
brachte Schwertperle, das sind eigenartige, sich sche hunnische Waffen (z. B. Szirmabesenyö
mit den Hunnen verbreitende, pomponartige [Abb. 61], Wien-Simmering und Leopoldau,
Ziergehänge. Es handelt sich dabei um aus Chal- Großwardein/Oradea-Szalka), die auch von den
zedon, Bergkristall, Karneol, Bernstein, Magne­ germanischen Verbündeten übernommen wur­
sit oder Kalkstein sorgfältig geschnittene Zylin­ den (z. B. Érmihályfalva/Valea lúi Mihai, Csök­
der oder Scheiben mit abgerundeten Rändern mö, Blučina, Pouan. Childerichgrab Tournai).
und 3-6 cm Durchmesser. Sie sind mit kleinen Demgegenüber ist das zweischneidige. 60 cm
Goldscheiben verziert, die eigentlich die Köpfe lange Kurzschwert mit breiter Klinge aus Fedo-

175
rowka der östlichste Vertreter diesen Typs zeit (Ketmenlöbe-Aktschikarassu) kennen. Je
(Abb. 46). Es scheint, daß er auf alanischen ein Panzerhemd wurde aus dem Fund von Fedo-
Einfluß bei den Hunnen und den Alanen der rowka im Gebiet der mittleren Wolga und aus
Hunnenzeit hier und da auftauchte (z. B. Kisch- dem Woschod-Fund von Pokrowsk erwähnt.
pek - Abb. 70). Aus den Beschreibungen geht jedoch nicht klar
Der mit einem oder mehreren Fähnchen ge­ hervor, ob es sich um vollständig erhaltene Pan­
schmückte Speer stellt auf den südsibirischen zerhemden oder nur um symbolische Deponie­
Felszeichnungen eine mit Pfeil und Bogen rungen von Teilen handelt. Ein zerbröckeltes
gleichrangige Waffe des asiatischen Reitervolkes Panzerhemd fand sich im Kammergrab von
dar. Bei der Bestattung wurde der Speer auf das Kischpek (Abb. 70). Im selben Grab kam der
Grab des Verstorbenen oder auf dem zu seinem bisher einzige orientalische hunnische Helm zum
Andenken aufgeschütteten Hügel aufgepflanzt. Vorschein (im hunnischen Fürstengrab von
Speereisen werden in hunnischen Komplexen Conceşti lag ein erbeuteter spätrömischer
nur seilen gefunden. Und doch ist es kaum ein Prunkhelm). ein später häufiger vorkommender,
Zufall, daß die Speerspitze von Pecs-Üszögpusz- aus Eisenplatten zusammengefügter Typ. Da im
ta mit der des Woschod-Fundes von Pokrowsk Kreise der Hephtaliten-Hunnen Mittelasiens
nahe verwandt ist und beide als Vorläufer der und der frühen türkischen Militäraristokratie
awarischen Speere anzusehen sind (Taf. 44). des 6. und 7. Jahrhunderts sowohl das Panzer­
Von Schilden als Schutzwaffen der Hunnen hemd wie auch der aus Eisenplatten hergestellte
besitzen wir weder schriftliche Nachrichten noch Helm vorkommt, können wir ihre Vorläufer in
archäologische Spuren. Schwieriger ist die Beur­ den Funden der Hunnenzeit annehmen. Die
teilung der Bedeutung der aus Eisenplatten her­ Frage ihres Ursprungs sollte aber bis zur fachge­
gestellten Schuppenpanzer, da wir sie aus den mäßen Untersuchung der entsprechenden Fun­
mittelasiatischen Kurgangräbern der Hunnen­ de offen bleiben.

176
Sattel und Pferdegeschirr der Hunnen

Die mangelhaften Beobachtungen, die unklaren Vorderende der Sattelbretter angebracht waren,
Fundumstände und vor allem die eigenartigen also an Stellen, die schon von weitem gut sicht-
Opferfunde haben lange Zeit eine Rekonstruk- bar waren (Abb. 23). Der hintere Sattelknopf
tion des hunnischen Sattels unmöglich gemacht. besaß bestenfalls ein schmales Metallband. Die-
Dabei ist seit Jahrzehnten bekannt, daß die drei- se schauseitigen Verzierungen sind für die Hun-
eckigen (trapezförmigen) Besatzbleche mit abge- nenzeit charakteristisch, waren doch auch die
schnittener Spitze und die hornförmigen golde- Schwertscheiden und die Parierstangen nur auf
nen oder vergoldeten Bleche Sattelverkleidun- der Vorderseite verzier'
gen waren. Die gleichen, schon oben genannten Die vor kurzem in Abrau-Dürso freigelegten
Umstände sowie die Sitte, das Pferdegeschirr
nicht dem Pferd mitzugeben, sondern neben dem 110. Krug mit Glättmuster, Körösladány
Toten zu deponieren, haben bis heute die Re-
konstruktion des Riemen- und Zaumzeuges ver-
hindert. Die Konstruktion des Sattels war auf-
grund von Funden schon lange zu vermuten.
Hier seien nur die Form der Bronzebesätze des
Ziegeleifundes von Léva/Lewenz/Levice ge-
nannt, vor allem ihre technischen Eigenarten wie
z. B. die kannelierten Runder und die Befesti-
gungsart (unter den früheren Funden war ein
solcher der Sattelbeschlag mit kanneliertem
Bronzerand aus dem Fund Nowogrigorewka
VIII. und Kurgan 18 von Pokrowsk, sehr ähn-
lich sind die neuerdings in dem überaus reichen
alanischen Katakombengrab von Kisslowodsk-
Lermontow-Fels gefundenen, mit kanneliertem
Band umrandeten Silberplatten mit Schuppen-
muster), außerdem die zur Gänze erhalten ge-
bliebenen, vergoldeten Silberbesätze von Mun-
dolsheim (Elsaß) mit zahlreichen Holz- und Le-
derspuren auf den Rückseiten, die zum Großteil
erhalten gebliebenen, mit kannelierten silbernen
Umrahmungsbändern versehenen Goldblechbe-
sätze von Pécs-Uszögpuszta und zuletzt die im
Kurgan 3 von Schipowo auf Sattelbrettern ge-
fundenen Goldblechbesätze. Wesentlich ist, daß
die Besätze nur am ersten Sattelknopf und am
110.
177
67. Tongefäße vom Boden eines abgebrannten Hauses aus
der letzten Phase des römischen Kastells Intercisa/
Dunaújváros

178
alanischen Pferdegräber aus der Hunnenzeit be­ lichen Hinweise bekannt geworden. Das ist auch
stätigen alle diese Vorstellungen (Abb. 24). Die nicht möglich, da die ältesten aus Holz ge­
auf dem Rücken der Pferdeskelette gefundenen schnitzten, mit Leder überzogenen oder mit
Gold- und Silberbesätze mit Schuppenmuster Bronzeblech verstärkten Steigbügel (das frühe­
ermöglichten die Rekonstruktion des Aufbaus ste Exemplar der letzteren stammt vom Beginn
und der Verzierung dieser Holzsättel. Besonders des 5. Jahrhunderts aus Xiguanyingu) erst von
geeignet für eine Rekonstruktion erwies sich die der ersten Hälfte des 4. bis zur Mitte des
komplette Sattelbesatz-Garnitur von Melitopol 5. Jahrhunderts in den in Nordostchina, zwi­
in der Ukraine. schen der Mongolei und dem Hoang-ho, er­
Wir kennen ähnliche goldene oder vergoldete schlossenen chinesisch-nomadischen Gräbern
Holzsattelbeschläge, zumeist mit Schuppenver­ auftauchen, und es handelt sich auch hier um
zierung, auch aus zahlreichen östlichen hunni­ unpaarige, linksseitige Steigbügel, die das Be­
schen sowie aus alanischen Funden (Concesti, steigen des Pferdes erleichterten. Die neue Erfin­
Olbia, Nowogrigorewka Fund VIII und IX, dung gelangte nicht mehr zu den Hunnen, die im
Kurnajewka, Kalinino, Kertsch Katakombe 6 4. Jahrhundert begannen, von Mittelasien nach
[1909], Galajty, Woschod-Fund von Pokrowsk, Osteuropa zu ziehen.
Wladimirowskoje Kurgan 4/2 (Samara- Gebiet). Ganz gewiß bot aber die an der Wende vom
Es ist zu hoffen, daß die bisher nur erwähnten, 3. zum 4. Jahrhundert entstandene und verbrei­
nicht ausreichend publizierten oder nur frag­ tete innerasiatische Erfindung, der vorn und
mentarisch erhalten gebliebenen Beschläge zu­ hinten mit hohem Sattelknopf versehene Holz­
sammen mit den Holzüberresten und Sattelbe­ sattel den hunnischen Reitern Sicherheit. Die
sätzen aus dem Kammergrab 13 von Kischpek ebenfalls aus nordostchinesischen Gräbern be­
neue und bessere Anhaltspunkte für eine Rekon­ kannten, bis jetzt ältesten (vom Beginn des 4.
struktion des Sattels liefern werden. Die Rekon­ Jahrhunderts) erhaltenen Holzsättel sowie die
struktion der mit Knochen und Silber umrande­ Satteldarstellungen gleichaltriger chinesischer
ten hunnischen Holzsättel erfolgte bisher mit kleiner Pferdeplastiken sind in Form und Kon­
Hilfe der awarischen Sättel (Blučina in Mähren). struktion den europäischen hunnischen Sätteln
Die verschiedenen Ringtrensen, die zum siche­ fast gleich, sogar ihre Sattelknopfbeschläge aus
ren Lenken dienenden Knebeltrensen (z. B. Abb. vergoldetem Bronzeblech sind verwandt (z. B.
46, 49, 50) sowie die Zaumzeugbeschläge und aus Xiaomintun). Diese Sättel sicherten einen
-anhänger gehören zu den üblichen hunnischen festen Sitz, was von den flachen Sätteln oder den
Funden, wie dies bei einem Reitervolk zu erwar­ als Sattel dienenden Decken der germanischen
ten ist. Die Pferdegeschirre aus dem Karpaten­ und römischen Reiter nicht gesagt werden kann.
becken (Pécs-Üszögpuszta, Pannonhalma-Szél­ So überraschend es zuerst auch klingen mag,
domb, Budapest-Zugló, Léva/Lcwenz/Levice- gerade das Fehlen von Steigbügeln erforderte
Ziegelei, Lengyeltóti-Apotheke, Keszthely-Gáti­ von den Hunnen und Persern des 4.-6. Jahrhun­
domb, Szeged-Nagyszéksós) sind bloß Varianten derts den Gebrauch asymmetrischer Bögen. Die
der aus dem Osten bekannten Zaumzeuge. awarischen Bogenschützen hingegen, die als er­
Man ist immer wieder versucht zu denken, ste eiserne Steigbügel benutzten, konnten sich
daß so ausgezeichnete Reiter wie die Hunnen bereits im Sattel erheben und fast stehend zielen.
irgendwelche aus Seilen geflochtenen oder aus Es ist daher kein Zufall, daß durch die Awaren
Holz gearbeiteten Steigbügel gekannt und ge­ und Türken der symmetrische Bogen seine Ver­
braucht haben „müßten", doch sind bisher in breitung fand, durch den eine größere Ziel- und
den Gräbern und Opferfunden keine diesbezüg­ Treffsicherheit gewährleistet war.

179
Drei Totenopfer in Ungarn

Der in Pécs-Üszögpuszta in nur 70 cm Tiefe, auf Klinge, von dem in Pécs-Üszögpuszta nur die
einem ausgedehnten Gebiet verstreut freigelegte mit Edelsteinen versehenen Mundbeschläge der
Komplex, der trotz zum Teil vielleicht in Verlust Scheide, die Goldblechverkleidung der Schwert-
geratener Funde noch immer 66 Goldgegenstän- scheide und die in Goldzellen mit Edelsteinen
de umfaßt, enthält fast alles, was die hunnische verzierte Goldscheibe der Schwertperle erhalten
militärische Führungsschicht charakterisierte blieben. Die Schwertperle selbst, aus Bernstein
und sie auch heute noch archäologisch kenn- oder Kalkstein, ist nicht erhalten. Ebensowenig
zeichnet. Vor allem ist das Merkmal der 30 be- das häufig über einen Meter lange eiserne Lang-
deutendsten hunnischen Funde das Pferdege- schwert, das aber aus osthunnischen und alani-
schirr: eiserne Trense mit vergoldeten Knebeln, schen Funden der Hunnenzeit wohlbekannt ist;
mit Silberrand beschlagene Goldblechbesätze in Ungarn wurden solche vor kurzem in Pan-
mit Schuppen- und Netzmuster eines Holzsat- nonhalma und Bátaszék ans Tageslicht gebracht
tels, Goldbeschläge, Anhänger und Riemenzun- (Taf. 57, 59, Farbtaf. XVIII).
gen des Zaumzeugs (z. B. Abb. 47-48). Die Rie- Die 1979 in Pannonhalma-Széldomb aufge-
menzungen entsprechen genau denen der männ- deckte, 80-100 cm tiefe Grube enthielt seltsa-
lichen und weiblichen Prunkgürtel. Uns sind merweise zwei Schwerter und zwei Trensen. Dies
mehrere Grabfunde (in Ungarn z. B. die beiden mag jedoch nur für Ungarn eigentümlich sein,
Bestattungen von Szekszárd) ohne Pferdege- der Fund von Makartet in der Ukraine beispiels-
schirr bekannt, also müssen diese Riemenzun- weise enthielt drei Schwerter und drei Trensen.
gen bestimmt die Nebenriemen der Gürtel ge- Die 106-107 cm langen Schwerter von Pannon-
schmückt haben. Auch aus dem Osten kennt halma sind jedoch nicht von gleichem Rang:
man viele Männer- und Frauengräber oder Op- Das eine ist mit einer einfachen Parierstange
ferreste - mit und ohne Pferdegeschirr -, die versehen, die Parierstange des anderen ist an der
solche zumeist mit „Schlangenmuster" und auch Vorderseite mit roten Almandinen in Zellen ver-
mit Edelsteinen versehenen, mit gepreßtem Gold- ziert und besaß, den Bruchstücken nach zu
blech überzogenen Riemenzungen mit Bronzeein- schließen, eine mit Schuppenmuster-Goldblech
lage enthielten. Von einer in ähnlicher Weise auf- verzierte Scheide und einen mit Goldblech ge-
einander abgestimmten, verfeinerten Mode der schmückten Griff. Die Trensen sind feiner aus-
Ausrüstung von Reiter und Pferd zeugen auch die geführt als die von Pécs-Üszögpuszta mit Gold-
Grabfunde vornehmer früher Awaren. blech überzogenen Knebel. Die Trensen gehören
Im Fund von Pécs-Üszögpuszta sind alle zu den typischsten „hunnischen", wie das die
schreckenerregenden Waffen der Hunnen ver- Vorgänger von Mertwije Soli (Abb. 49) im Oren-
eint: die eisernen dreiflügligen Spitzen der im burger Gebiet beweisen. Die länglichen Riemen-
goldbeschlagenen Köcher getragenen Pfeile, die zierstücke und kreuzförmigen Riemen Verteiler
zu dem ursprünglich vorhanden gewesenen Re- aus gepreßtem Gold auf bronzenem Grund
flexbogen gehörten, die eiserne Speerspitze und können sowohl zu einem als auch zu zwei Pfer-
das zweischneidige Reiterschwert mit langer degeschirren gehört haben. Von dem Goldblech-
180
besatz des Holzsattels mit Schuppenmuster kam oberen, längeren Ende mit Goldblech überzo-
nur ein kleines Bruchstück ans Tageslicht (Färb- gener kleiner Bogen. In Form und Maßen fast
taf. XVIII-XXX). gleich sind die goldene Bogenverkleidung von
Das Würde- bzw. Rangabzeichen des vorneh- Bátaszék (Abb. 50) sowie die in einem vorneh-
men Hunnen von Pécs-Üszögpuszta war ein am men Männergrab in Kertsch-Glinischtsche ge-
fundene, auf einer Schwertklinge angerostete
68. Die am Henkel nur gelochten oder mit einem Gußhenkel Bogenverkleidung (Abb. 51) und vielleicht auch
versehenen Krüge verbreiteten sich im Karpatenbecken die im Grabfund von Nowo Iwanowka. In Pan-
nach Vorbildern auf der Krim nonhalma fanden sich Goldverkleidungen der

181
beiden Enden und vom Griff eines Miniaturbo- wandten Stücke stammen aus den Funden von
gens (Abb. 55). Derartige Bögen von kleiner Nowogrigorewka (Abb. 52) im Bezirk Sapo-
Größe wurden entweder speziell für die Funeral- roshje. während uns der Typ von Bátaszék - das
zeremonie hergestellt und in dieser Art und Wei- voreinst unbestimmte Bruchstück von Nowo
se verziert oder aber „Goldbögen" wurden be- Iwanowka im Dnjeprgebiet nicht mit eingerech-
reits zu Lebzeiten als Insignien getragen. Der net- nur von der Halbinsel Krim bekannt ist. Es
kleine, goldverkleidete Bogen galt seit der Sky- scheint also, daß die Goldbögen für die westhun-
thenzeit als Würdeabzeichen der Sleppenvöl- nischen Funde, für die Aristokratie der Zeit des
ker und gelangte vermutlich von den mittelasi- Ruga, Bleda und Attila, charakteristischer sind.
atischen Steppen auch unter die Rangabzeichen Ein auf dem größeren Teil der oberen und
der sassanidischen Könige Persiens. Der Gold- mittleren Hälfte mit Goldblech überzogener Bo-
bogen kann bei den Hunnen daher als Steppe- gen war der hunnische Grabfund von Jakuszo-
nerbe wie auch als persischer Einfluß gelten, wice (Abb. 54) nördlich der Karpaten und jen-
jedenfalls ist schwer zu erklären, daß Goldbögen seits der Weichsel, zwischen Krakau und Kielce.
eben für die östlichen hunnischen Funde weniger Alle drei Varianten der goldenen Bögen waren
kennzeichnend sind. Die den goldenen Bogenbe- Rangabzeichen, da sie wegen der dünnen Gold-
schlägen von Pannonhalma am nächsten ver- blechverkleidung nicht gespannt und verwendet
werden konnten. Auch ihre Maße entsprechen
69. Hunnische and „nomadische" Fünde im Karpaten- nicht ihrem ursprünglichen Zweck. Die drei zeit-
becken. Die Verbreitung der Kessel, Sättel, Trensen, des gleichen ungarischen Funde beweisen die relati-
anderen Pferdezubehörs, der Langschwerter, Bögen ve Häufigkeit der goldenen hunnischen Bögen,
sowie Pfeile, Riemenzungen und Diademe zeigt ein- zusammen mit denen von Jakuszowice, Kertsch
drucksvoll die Siedlungsordnung der Hunnen und ihrer und Nowogrigorewka auch, daß die auf ver-
östlichen Verbündeten (Siehe Kartenbeilage) schiedene Weise und in unterschiedlichem Aus-
maß vergoldeten Bögen tatsächlich Würdeabzei-
chen des Hunnenreiches waren. In Kenntnis der
79. Kammergrab eines hunnenzeitlichen Würdenträgers.
Kischpek
Bedeutung des hunnischen Bogens: zu Recht.

182
183
71. Funde aus einem Katakombengrab. Utamysch die goldenen Stiefelschnallen tatsächlich ne­
ben den Knöcheln zum Vorschein. Aber auch in
Was in Pécs-Üszögpuszta möglicherweise in Waffengräbern niedrigeren Ranges jener Zeit
Verlust geraten ist, in Pannonhalma-Szélsőha­ (z. B. Szirmabesenyö - Taf. 41/3) und in ausge­
lom jedoch unter den Funden nicht vertreten raubten oder zerstörten, aber genau dokumen­
war, blieb in Bátaszék erhalten. In einer Tiefe tierten Kriegergräbern (Prša/Perse-Bércz-dűlő)
von 70 cm wurden neben einem goldbeschlage­ wurden silberne Stiefelschnallen ebenfalls neben
nen Schwert mit Schwertperle, goldener Bogen- den Knöcheln gefunden. Innerhalb des Karpa­
verkleidung sowie einer goldblechüberzogenen tenbeckens sind uns von 25-30 Fundorten runde
Riemenzunge schwere, in Zellen mit roten Edel­ Gürtel, Schwertriemen- und Stiefelschnallen be­
steinen verzierte Goldschnallen mit ovalem Ring kannt. Abgesehen von einigen einfacheren mit
und rundem Beschlag geborgen (Farbtaf. XVII). viereckigen Gold- und Silberbeschlagplatten han­
Ebensolche Schnallen sind auch aus Fundkom­ delt es sich um schwere Goldgüsse mit roten
plexen, die mit ungarischen Hunnenfunden ver­ Edelsteineinlagen (Abb. 39). Von den letzteren
wandt sind, außerhalb des Karpatenbeckens sind Exemplare mit unbekanntem Fundort oder
(z. B. Cilnău, Jakuszowice, Radensk, Pawlowka, unbekannten Fundumständen in Museen und
Nowogrigorewka, Nowo Iwanowka, in mehre­ Sammlungen gelangt (Umgebung von Szeged,
ren Funden auf der Krim und in zahlreichen Alcsut-Vértesszentgyörgy, Marcelháza/Marce-
Alanen- und Hunnengräbern im Kaukasus - lová, Mönchhof/Barátudvar, Sobor, Tolna), so
Abb. 40) bekannt. Die kleinen Schnallen ver­ daß wir über deren Zusammenhänge im Fund
zierten die Riemen, die die Stiefel an den Fuß­ nichts Näheres wissen. An anderen Fundstellen
knöcheln befestigten, und waren ebenfalls Ab­ wurden sie in auffallend geringer liefe geborgen
zeichen von Vornehmheit und Rang. Auch Pris­ (Bozsok-Irtási dűlő, Kispirit, Ludányhalászi-
cus erwähnt den goldenen Stiefelschmuck der Gárdos, Fertőmedgyes/Mörbisch-Ried, Gold-
„skythischen" Auserwählten. In den von Ar­ berg), so daß die Annahme, sie stammten von
chäologen freigelegten vornehmen Männergrä­ Totenopfern, nicht von der Hand zu weisen ist.
bern aus der Hunnenzeit oder der Zeiten unmit­ Andere wiederum wurden in, in der Neuzeit
telbar danach (Lébény, Keszthely-Ziegelei, Ár­ zerstörten Kriegergräbern gefunden, so z. B. in
pás-Dombiföld bzw. Blučina in Mähren) kamen Lengyeltóti zusammen mit einer silbernen Gür-

184
telschnalle, mit Riemenzungen, mit einem Schwert kommenen Exemplare fast ausschließlich aus
und Pferdegeschirr. Aus der Táska-Fehérvízi der Zeit der Hunnenherrschaft stammen.
Meierei wiederum kamen die goldenen Stiefel- Hinsichtlich des Charakters und der Zusam-
oder Schwertriemenschnallen zusammen mit mensetzung können sich die sehr ähnlichen
den Bruchstücken der Schwertklinge und die Fundkomplexe von Pécs-Üszögpuszta, Bátaszék
Bernsteinscheibe der Schwertperle ins Museum. und Pannonhalma mit einer Reihe verwandter
Da auch im Bátaszéker Fund ein goldbeschlage- im Osten rühmen. Vor allem mit einigen bedeu-
nes Schwert und die Schwertperle mit Zierschei- tenden Funden im Gebiet von der Dnjeprmün-
be, Goldzellen und Edelsteineinlagen anzutreffen dung bis zur Krim (Nowogrigorewka, Nowaja
waren, ist es nicht ausgeschlossen, daß auch die Majatschka-Schtscherbata-Tal, Radensk, No-
Goldschnalle von Neslin in Syrmien und ein wo Iwanowka, Melitopol-Ksyljarska[ja] balka,
dort gefundenes Langschwert zusammengehör- (Kalinino, im Kaukasus ähnlich), aber ein wenig
ten (Farbtaf. XXVI). später ist der Fund von Galejty) weisen sie eine
Die verschiedenen barbarischen Militärführer überraschende Ähnlichkeit auf, in denen in ge-
ahmten seit Beginn des 4. Jahrhunderts die mit ringer Tiefe oder gar an der Oberfläche Schwer-
Riemen und Gold geschmückten Schuhe und ter, Schwertperlen. Pfeilspitzen, goldene Bo-
Stiefel der römischen Kaiser und persischen genverkleidungen, dem Typ nach sehr ähnliche
Großkönige sowie deren Würdenträger nach. blatt-, kreuz- und halbmondförmige Riemen-
Während der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts beschläge von Pferdegeschirren, Riemenzungen,
wurden goldene Stiefelschnallen von Hunnen, Sattelbleche mit Schuppenmuster, Trensen und
Alanen und Germanen von Mittelasien bis zum verschiedene edeisteinverzierte Schnallen vor-
Atlantik, ja sogar bis Nordafrika getragen. Gleich- kommen. Aus den Zusammenhängen geht ein-
stücke der ovalen oder kreisrunden pannoni- deutig hervor, daß es sich in Pécs-Uszögpuszta,
schen Stiefelschnallen findet man vom Kaukasus Bátaszék und Pannonhalma um Totenopfer für
über Rätien bis nach Norditalien und Gallien. höhere Würdenträger aus der Zeit der Hun-
Aus den Fundumständen im Vergleich mit ande- nenherrschaft im Karpatenbecken handelt. Aus
ren Hunnenfunden zu schließen, dürften jedoch dem Osten kennen wir sechs bis acht ähnliche,
die im pannonischen Raum ans Tageslicht ge- mit ihnen vergleichbare Hunnenfunde.

185
Bestattung der niedrigeren Würdenträger
des Hunnenreiches

Verfolgt man die militärische Rangleiter des der Pontusgegend (Taf. 66), Pfeilspitzen und
Hunnenreiches nach unten, so muß man bis zur vermutlich mit einem langen, zweischneidigen
nächsten nachweisbaren Stufe mindestens zwei Schwert sowie die zahllosen unvollständigen,
Schritte tun. Die im Grab von Léva/Lewenz/ weil nicht fachgerecht geborgenen Funde. Sei-
Levice-Ziegelei gefundenen Pferdegeschirrbe- nem Charakter nach kann der Besitzer des im
schläge aus vergoldeter Bronze, die Eisentrense, sogenannten Depotfund 2 aus Wien-Leopoldau
die Sattelbleche aus vergoldeter Bronze, der sil- - vielleicht in einem Totenopfer - gefundenen
berbeschlagene Peitschenstiel und dann die sil- Schwertes mit Parierstange nur am Schwertgriff
bernen Dolchscheidenbeschläge mit Schuppen- sowie am Mundstück mit goldenen Platten ver-
muster irgendwo aus der Donaugegend von Kis- ziert, hierher gezählt werden. Sehr ähnlich dem
kunhalas weisen auf eine Mittelschicht hin, die letzteren Schwert könnte das neben einem Ske-
aus dem Osten besser bekannt ist. Schwieriger lett ausgegrabene Schwert von Szekszárd-Bar-
gestaltet sich die Beurteilung jener aus der er- tina (1837) gewesen sein, letzteres ist uns leider
sten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammenden nur aus guten Beschreibungen bekannt.
Grabfunde, die vorläufig nur mit Vorbehalt in Der Grabfund von Keszthely-Gátidomb so-
die Militärordnung des Hunnenreiches einge- wie der des makrokephalen Kriegers von Szir-
reiht werden können. Solche sind der Krieger mabesenyö mit Schwert, Kampfmesser, silber-
aus Lébény mit goldenen Gürtel- und Stiefel- nem Gürtel- und Stiefelschnallen (Abb. 61, Taf.
schnallen sowie silberner Schwertscheide (Abb. 41) und der Krieger von Alsónyék mit ebenfalls
38), der Krieger aus Lengyeltóti mit Schwert, deformiertem Schädel mit Schwert und Silber-
silbernem Pferdegeschirr, silberner Trense, sil- schnalle vertreten die militärischen Anführer
berbeschlagenem Gürtel, aber goldener Stiefel- niedrigeren Ranges der hunnischen Streitmacht.
schnalle (Taf. 70, 72, Farbtaf. XXII), der „Rei- Zu letzteren gehört aus Wien-Leopoldau das
ter" von Keszthely-Gátidomb in einer für die Skelettgrab 3 mit Schwertperle aus Bernstein
Wohlhabenden jener Zeit üblichen Kleidung mit und zweischneidigem Langschwert mit Parier-
silbernen Gürtel-, Schwertriemen- und Stiefel- stange, mit Kampfmesser, silberner und bronze-
schnallen, in Bronze gefaßter Eisentrense aus ner Schnalle.

186
Der Fund von Nagyszéksós

Wenn wir die hunnische Rangleiter auch nicht hende Kleidungs- und Ausrüstungsgegenstände
weiter nach unten verfolgen können, so dafür schließen: anhand der neun (aber in siebenerlei
aber nach oben. So hoch hinaus, wie man in dem Formen und Abmessungen!) Gürtel-. Schwert­
mehrere Millionen Quadratkilometer umfassen­ riemen- und Stiefelschnallen mit Zellenverzierung
den Hunnenreich anderswo vorerst noch nicht sowie der Riemenzungen mit Zellenverzierung
hinaufgelangen kann. In der vormals zu Szeged auf verzierte Waffen- und Würdegürtel sowie
gehörenden, jetzt in der Gemarkung von Rösz- auf mit Riemen und Anhängseln geschmückte
ke gelegenen Nagyszéksóspußta wurde seit den Stiefel, ferner auf mit Goldflitter bestickte und
Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Gold ans Ta­ mit Goldfäden durchwobene Kleider oder Män­
geslicht gebracht. Wenn der Volksmund auch tel, auf goldene Griff- und Scheidebeschläge von
übertreibt, indem er von schubkarrenweise nach einem Schwert oder mehreren Schwertern, auf
Hause gebrachtem und vertrödeltem Gold er­ goldbeschlagene Schwertriemen und auf Gold­
zählt, so ist immerhin so viel gewiß, daß kein scheiden eines größeren und kleineren Dolches.
größerer hunnischer Goldfund aus der Donau­ Weitere Goldbruchslücke weisen auf Köcher.
gegend bekannt ist. Bis zum Jahre 1966 erreichte Von Pferdegeschirr stammen die mit schuppen­
die Zahl der in Museen und Privatsammlungen verzierten Goldblechbesätzen versehenen zwei
gelangten Goldgegenstände 200 Stück. Mit we­ (wenn nicht mehr) Holzsättel, ein Trensenbruch­
nigen Ausnahmen ist es verstümmeltes, gebro­ stück mit goldüberzogenem Knebel, goldene
chenes, mangelhaftes und verbogenes Gold, Riemenbeschläge mit Zellenornamentik und
Überreste von heute nur schwer deutbaren Ge­ Anhänger. Kraft und Macht symbolisiert ein
genständen. Das wichtigste Stück ist ein 407 g goldener Peitschenstiel. Auch Gefäße und auf
schwerer, massiver goldener Halsring (Farbtaf. solche hinweisende Bruchstücke befinden sich
XXIV), der mit seinen Abmessungen, seiner unter den Funden: so z. B. eine Elektronschale,
Dicke und Feinheit die Dutzende von Gold- und die in achtblättrigen Blumenfassungen einst mit
Silberhalsringe, die wir vor allem aus den Grä­ eingelegtem Glas geschmückt war, und ein
bern vornehmer hunnischer Männer von Ostka­ orientalischer Elektronkelch, der an seinen
sachstan bis in die Donaugegend kennen (ein durchbrochen gearbeiteten Seiten einst mit
einfacherer, dünnerer Goldhalsreif stammt bei­ runden Glas- oder Edelsteinplatten verziert war.
spielsweise aus dem hunnischen Knabengrab mit ferner mehrere Goldbänder, die auf Holzgefäße,
goldener Stiefelschnalle von Keszthely-Ziegelei), etwa Holzschalen, hinweisen. Eine größere Scheibe
bei weitem übertrifft. Wer diesen Halsring trug, mit Zellenornamentik dürfte den Boden einer
überragte nach Würde und Rang sämtliche bisher Goldschale verziert haben.
bekannten Herren der Hunnenzeit im Karpaten­
becken. Ein schwaches Abbild und eine Parallele des
uns nur in erbärmlichen Bruchstücken erhal­
Aufgrund der erhalten gebliebenen Funde von len gebliebenen unermeßlichen Reichtums von
Nagyszéksós (Taf. 79-90, Farbtaf. XXIV, Abb. Nagyszéksós sind die bisherigen östlichen „fürst­
25-26, 62-63) kann man annähernd auf nachste­ lichen" Hunnenfunde (Conceşti 1812: Riemen-

187
zungen mit Zellenornamentik, Sattelbeschlag, haben zwar keine Kenntnis davon, daß die Hun-
Halsring. Bolschoj Kamenez: Halsringe usw.; nen ihre Toten, wo auch immer, jemals ver-
bloß der Form wegen ist hier einer der östlichsten, brannt hätten. Tatsache ist jedoch, daß ein Teil
aus Musljumowo bei Tscheljabinsk stammenden, der Funde von Nagyszéksós wie der Halsring,
hunnischen Funde erwähnt, der verblüffende Pa- das Messerheft, zahlreiche Goldbeschläge und
rallelen aus Silber zu den Riemenzungen von die beiden Elektrongefäße (aus deren Zellen so-
Nagyszéksós enthält). Mit Nagyszéksós ver- gar die Glaseinlage ausgebrannt ist), stark ver-
gleichbar sind nur die Funde aus den 1904 ent- brannt und deformiert ist; auch verschmolzene
deckten Katakombengräbern von Kertsch und Goldklumpen und Goldtropfen gehören zu dem
andere dortige Grabfunde. Leider gibt es unter Fund. Auf anderen Gegenständen aus Nagy-
den Funden von Nagyszéksós keinen einzigen széksós sind hingegen keinerlei Spuren von
Gegenstand, mit dessen Hilfe der Zeitpunkt ihrer Feuereinwirkung zu beobachten. Unversehrt
Erzeugung oder Vergrabung mit der Genauigkeit sind beispielsweise die Edelsteine der Schnallen,
von einem Jahrzehnt bestimmt werden könnte. die Riemenzungen, die Schwertriemenbeschläge,
Die archäologische Forschung hielt auch den ja sogar der aus dünnem Goldblech gepreßte
Fund von Nagyszéksós jahrzehntelang für ein und ausgeschnittene Kleiderschmuck. Es ist al-
„Brandgrab", für die Überreste eines vom Wind so ursprünglich nur ein Teil der Funde Feuerein-
verwehten Hügelgrabes oder des vom Wind frei- wirkung ausgesetzt gewesen, doch wissen wir
gelegten Grabes eines eingeäscherten Mannes, nicht genau, wie viele, da auch Schmelzversu-
also mit einem Wort: für eine Bestattung. Diese che von Findern und zeitweiligen Eigentümern
Annahme hat jegliche Grundlage verloren. Wir nicht auszuschließen sind.

188
Totenopfer und Fürstengräber

Aufgrund der authentischen Berichte über die


Ausgrabungen in Nagyszéksás kann mit Sicher-
heit behauptet werden, daß die Funde aus einer
geringen Tiefe von 40-75 cm, aus dem Humus
und Subhumus, zutage gekommen sind, gele-
gentlich der ersten Ausgrabung zum Großteil
auf einer kleinen Fläche, „ohne jegliche Spur
eines Skelettes oder einer Bestattung". Die zwei-
te Grabung klärte, daß sich unter der Humus-
schicht, die die Funde enthielt, keine Grabgru-
benverfärbung befunden hatte, nur gewachse-
ner, reiner Sand.
Zur Lösung des Rätsels, das auch das der
hunnischen Kupferkessel ist, führt uns der im
Zusammenhang mit den Kesseln bereits erwähn-
te Fund von Makartet (Abb. 58), der unter ähn-
lichen Umständen wie jener von Nagyszéksós
geborgen worden ist. Er befand sich in so ge- 72. Ein auf der Halbinsel Taman gefundener goldener Arm-
ringer Tiefe, daß die ersten Gegenstände (zwei reif mit Tiertopfenden ist ein hervorragendes Vorbild für
Langschwerter, Bruchstücke eines Kupferkes- die Goldschnalle von Szeged and die goldenen Armreifen
sels, zwei goldene Fingerringe mit Gemme) von von Bakodpaszta
einem Traktor ausgeackert wurden. Bei der
Untersuchung der Fundstelle kamen in einer versehrt. An der Fundstelle waren keinerlei
Tiefe von nur 35 cm aus einer kleinen Grube die menschliche Skelett- oder Leichenbrandreste,
in situ gebliebenen Funde zum Vorschein: weitere „es wäre demnach schwierig, sich vorzustellen,
Bruchstücke des Kupferkessels, Fragmente eines daß es sich um eine Bestattung handelt", heißt
geschmiedeten Bronzekessels mit Eisenhenke), es im Bericht. Die Ausgräber gelangten also zu
Teile eines dritten Schwertes, ein dritter goldener derselben Schlußfolgerung, wie wir zu der weiter
Fingerring mit Gemme, ferner 23 als Kleiderbe- unten, im Zusammenhang mit dem Fund von
satz dienende Goldflitter, eine Trense, dreiflügli- Nagyszéksós und zu der weiter oben im Zusam-
ge Pfeilspitzen und mit vergoldetem Silberblech menhang mit den Kesseln und Kesselbruchstük-
verkleidete Riemenzungen mit „Schlangenmu- ken aus Kupfer und den drei anderen ungari-
ster". An einem Teil der Gegenstände sind Spu- schen Goldfunden gekommen sind: es handelt
ren starker Feuereinwirkung zu erkennen, z. B. sich um die Überreste eines Totenopfers, und
an den Kesselbruchstücken und den Riemen- zwar um die Überreste eines Rituals, das in der
zungen. Andere Gegenstände, wie die goldenen näheren oder weiteren Umgebung des eigentli-
Fingerringe mit Gemmenkopf, sind völlig un- chen Grabes abgehalten worden ist Nach die-

189
fand sich in der Mitte eines sich vom Boden
kaum abhebenden Hügels auf der ursprüngli-
chen Oberfläche ein runder Brandfleck. Hier ka-
men neben verkohlten Birkenholzresten ver-
brannte und deformierte Gegenstände zum Vor-
schein: ein Trensenknebel fragment, der winzige
Rest der Knochenversteifung eines Bogens, ei-
ne Pfeilspitze, ein Eisenmesser, Bronzeschnallen
und wenige angebrannte Riemenbeschläge von
Pferdegeschirrzieraten. Am Rand der Opferstelle
lagen Pferdeknochen und auch ein Topf, mensch-
liche Überreste wurden jedoch bei der fachge-
recht durchgeführten Ausgrabung nicht gefun-
den. Das gleiche wurde auch in Pokrowsk in
zwei nahe beieinander gelegenen, niedrigen
Grabhügeln festgestellt, wobei der einzige Un-
terschied darin bestand, daß um die mit Holz-
asche vermischten Überreste und darunter der
Boden nicht verbrannt war, also die nie ange-
brannten dünnen Riemenbeschläge des Pferde-
geschirrs von einer anderen Stelle hierherge-
bracht und vergraben worden waren. In Po-
krowsk wurden auch Schaf- und Pferdeknochen
gefunden, jedoch keinerlei menschliche Über-
reste. Dies ist um so überraschender, als in
Pokrowsk in einem anderen Kurgangräberfeld
in einem nachträglich gegrabenen echten Grab
(Kurgan 36/2) neben Überresten einer partiellen
Pferdebestattung das Skelett einer hunnischen
73. Krug aas einem gepidischen Grab von Füzesgyarmat
Frau lag. Aus anderen Kurganen jenseits der
Wolga kamen bekleidet begrabene bewaffnete
Hunnen zum Vorschein (Schipowo, Mertwije
sem Bericht soll in Melitopol-Kzyljarskaja bal- Soli [Abb. 49], Koktal).
ka die Frauenbestattung mit Diadem auf dem
künstlich deformierten Schädel von dem an Die frühawarischen Gräber in Europa und die
demselben Fundort früher (1947) gefundenen mit diesen gleichaltrigen türkischen in Inner-
Schwert mit edelsteinverzierten Beschlägen so- asien lassen immer besser den Ritus des eigenar-
wie von den goldenen Sattelblechen, Eisentren- tigen asiatischen Totenopfers erkennen. Der be-
sen mit Bronzeringen, edelsteinverzierten golde-, kleidete und ausgerüstete Tote wurde in üblicher
nen Zaumzeugbeschlägen, verstreuten Pferde- Weise in einem einfachen Grab oder in einem
und Ziegenknochen, die bei der Authentisie- Kurgan bestattet. Gelegentlich der Beerdigung
rungsgrabung (1948) in einer Tiefe von 40-50 cm oder nach verschiedenen Angaben 3, 7 oder 49
freigelegt worden sind, voneinander zu trennen Tage später wurde ein Pferd des Toten beim
sein - all diese sind Reste des Totenopfers eines Totenmahl verzehrt und die Überreste zusam-
Mannes. men mit dem Pferdegeschirr und den Waffen auf
Betrachtet man die Funde der Wolgagegend einen Scheiterhaufen geworfen. Die verbrann-
(Kurgan 17 und 18 von Pokrowsk, Nishnjaja ten Pferdegeschirrteile (Steigbügel, Trense oder
Dobrinka, Seelman/Rownoje), die als Hauptbe- Trensen) und Waffen (Speer oder Speere, Pan-
weis für den hunnischen „Brandbestattungsri- zerüberreste) wurden nach Erlöschen des Feuers
tus" angesehen werden, im Lichte der Fundum- eingesammelt und in der Nähe des Grabes oder
stände von Makartet, Nagyszéksós, Pannonhal- auch in der Umgebung der Totenmahlstelle in
ma und Melitopol, so wird man auf sonderbare einer nur seicht eingetieften runden Grube ver-
Dinge aufmerksam. In Seelman/Rownoje be- graben. Unter Umständen wurde dieses Brand-

190
opfer auch mit unverbranntem Pferdegeschirr vorstellen zu können, müßten alle Funde zu-
und mit Ersatzgürteln ergänzt. Auch ist ein Fall gleich betrachtet werden.
bekannt, bei dem die Opfergaben in einem Bron- Was man über die Fundumstände von Pécs-
zekessel vergraben wurden. In diesen kaum hun- Üszögpuszta. Pannonhalma und Bátaszék weiß,
dert Jahre jüngeren, „nomadischen" Parallelen ist mehrdeutig: Es wurden weder menschliche
liegt das Geheimnis des hunnischen „Brand- Skelett- noch Leichenbrandreste gefunden. Zu
ritus", auf diesen Brauch gehen die vielen, nur einer Zeit, als die Archäologen noch fest davon
in geringer Tiefe verborgenen hunnischen Waf- überzeugt waren, die Hunnen hätten ihre Toten
fen-, Pferdegeschirr- und Kesselfunde zurück. verbrannt, wurden diese Fundumstände (z. B.
Noch etwas kann man aus den frühawari- im Falle von Pécs-Üszögpuszta) geradezu als
schen Bestallungen lernen. Die wertvollste Waf- Beweise für den Brandbestattungsritus angese-
fe, der aus Eisenlamellen zusammengefügte Pan- hen. Demgegenüber sind jedoch gerade die in
zer, wurde nur in außergewöhnlich reich ausge- Pécs-Üszögpuszta erhallen gebliebenen Funde
statteten Gräbern gefunden, war doch der Pan- nicht angebrannt. Es wurde bereits erwähnt, daß
zer an sich die Schutzwaffe der Vornehmen. In unsere drei großen Fundkomplexe mit den für
acht bis zehn frühawarischen Bestattungen von
Rang symbolisieren jeweils sieben kleine heraus-
geschnittene Lamellen den ganzen Panzer, „als 111. Goldene Gürtelschnalle aus dem Grab einer Fürstin
Teil, aus dem im Jenseits ein Ganzes wird". von Bakodpuszta
Die eine Lamellenserie stammt gerade aus dem
in einem Bronzekessel vergrabenen Scheiterhau-
fenfund. Aus Mittel- und Innerasien sind uns
mehrere, dem Brauch symbolischer Panzerbei-
gaben entsprechende Sitten bekannt. Zugleich
versinnbildlichen einige Perlen, eventuell Frauen-
schmuck, in besonders ausgestatteten Krieger-
gräbern, die Zusammengehörigkeit der Lebenden
mit den Toten. Das in der Hunnenzeit in Dul-
ceanca in einer Tiefe von 2 m neben einem unver-
sehrten Männerskelett gefundene Bruchstück ei-
nes goldenen Diadems (?) vom Typ Csorna, das
im Koktal im Kurgan eines bewaffneten Mannes
freigelegte Bruchstück eines Diadems (?) mit
Almandinsteinen und das in Lébény in das Grab
eines Kriegers gelegte goldbeschlagene Schleier-
stück passen gut in diese Gedankenwelt. Die
unvollständigen, fragmentierten und mangelhaf-
ten Opfergaben machen fast die Hälfte aller be-
kannten Hunnenfunde aus. Ihre zumindest teil-
weise absichtliche Zerstörung und ihr Fundzu-
stand sind die Folge des einstigen Totenrituals.
In anderen, nicht wenigen Fällen ist der Ver-
dacht nicht von der Hand zu weisen, daß beim
Einsammeln der auf den Scheiterhaufen gewor-
fenen Überreste nicht immer mit der nötigen
Sorgfall vorgegangen wurde und halbe Trensen,
fragmentierte Knebeltrensen und in Eile zu-
sammengeklaubte Pferdegeschirrbeschläge die
menschliche Hinfälligkeit des Rituals widerspie-
geln. Beide Ursachen trugen dazu bei, daß fast
alle hunnischen Opferfunde mangelhaft sind.
Um sie zu verstehen, um sich das Totenritual
111.
191
„verbrannt" erachteten Funden von Nowogri- der Mehrzahl offenbar in einfachen Gräbern, im
gorewka nahe verwandt sind. In Nowogrigorew- Osten häufig auch unter Hügeln. Die Vorneh­
ka wurden goldene Sattel- und Bogenbeschläge, men begrub man im geheimen und in Einzelgrä-
mit dünnem Goldblech überzogene und mit bern, ebenso wie später die Awarenfürsten und
Edelsteinen geschmückte bronzene Riemenzun­ militärischen Anführer. Der Bestattung der hun­
gen, goldene Gürtel- und Stiefelschnallen mit nischen Würdenträger folgte ein feierliches To­
Edelsteineinlagen, vergoldete Pferdegeschirrbe­ tenmahl. Bei dieser Gelegenheit wurde so man­
schläge und eine Schwertperle aus Bernstein völ­ ches auf den Scheiterhaufen geworfen, was nicht
lig unversehrt geborgen (Abb. 52); man kann ins Grab mitgegeben worden war. Diese Gegen­
daher schwerlich behaupten, sie seien durch stände vergrub man zusammen mit den Überre­
Feuer beschädigt worden. Die edelsteinverzier­ sten des Scheiterhaufens, oder es wurden - im
ten Schnallen sind beispielsweise genauso unver­ Osten häufig unter flachen Hügeln in eine
sehrt wie ihre hier abgebildeten Verwandten aus gesonderte Grube jene Ersatzvorräte gelegt, die
dem Körpergrab von Murga (Taf. 68). Auch die dem Toten nachträglich für das Jenseits mitge­
Stiefelschnallen mit Granateinlagen unterschei­ geben wurden. Mit den Teilen des Totenopfers
den sich in keiner Weise von den neben den gerieten auch die beim Opfermahl gebrauchten,
Skeletten in Lengyeltóti und Lébény geborge­ absichtlich beschädigten oder auf dem Scheiter­
nen. Die Beschädigungen an den Fundstücken haufen deformierten Kupferkessel in die Erde,
von Nowogrigorewka sind unbedeutend, sie ge­ einmal in eine Höhle(!) (Abb. 5). Wir können
rieten also auf ähnliche Weise in die Erde wie demnach die archäologische Gesetzmäßigkeit
ihre ungarischen Parallelen. Ebenso in Nishnaja wie folgt interpretieren: Bei den in geringer Tiefe
Dobrinka, wo mit den angeblich vom Feuer gefundenen Waffen, Pferdegeschirren und Re­
beschädigten Pferdegeschirrbeschlägen sogar sten von Fleischspeisen handelt es sich nicht
der Lederriemen völlig heil zum Vorschein kam ! um Gräber, sondern um Totenopfer. In näherer
In Kapulowka bei Nikopol wurden teils als oder weiterer Umgebung von Nagyszéksós und
„Schatz", teils aus einer archäologischen „Kul­ Makartet, die an angebrannten und beschädig­
turschicht" zerstreute edelsteingeschmückte, ten Fundstücken so reich sind, von Pécs-Üszög­
goldüberzogene Riemenzungen aus Bronze, Pfer­ puszta, Pannonhalma-Széldomb, Bátaszék und
degeschirrbeschläge (Abb. 58) und ein golde­ Höckricht, die vom Feuer des Scheiterhaufens
ner Fingerring mit Gemme gefunden. Unter der kaum angegriffene, schadhafte oder beschädigte
„Kulturschicht" wurden Siedlungsgruben der Waffen und Pferdegeschirre lieferten, und von
Tschernachow-Kultur ausgegraben, die Funde den Kesselfundorten Törtel, Várpalota, Sche-
aus der Hunnenzeit sind also jünger als die aus statschi und noch vielen anderen liegt jeweils das
der Siedlung. Die im Lauf der Ausgrabungen eigentliche, zu den Opferresten gehörende Grab.
gefundenen Schmuckstücke sind übrigens bloß Vielleicht gar nicht immer einmal weit. In Meli­
Reste von bereits früher verschleppten Gegen­ topol war das Frauengrab in der Nähe des Op­
ständen. Es handelt sich um einen Fundkomplex ferfundes den früheren Berichten (1945) über
vom Typ Pécs-Üszögpuszta oder Bátaszék, je­ die Funde zufolge kein Einzelgrab. Was von den
doch auf Nagyszéksóser Art zum Vorschein ge­ vielfältigen Totenopferfunden bisher gefunden
kommen. worden ist, ist möglicherweise nur ein Teil des­
sen, was die eigentlichen Gräber enthalten. Die­
Ebenfalls keine Spur einer Bestattung wies der se Gräber wurden derart im Verborgenen ange­
„Schatz" von Galajty im Čečen-Ingul-Land auf, legt, daß es der Archäologie seit der ersten Hälf­
der beim Tabakpflanzen gefunden und auch ver- te des vergangenen Jahrhunderts nicht gelungen
mittels Grabungsarbeiten kontrolliert wurde. ist, sie ausfindig zu machen. Der Tote aus der
Die Überreste vom vergoldeten Silberbesatz ei­ Grabkammer Tugoswonowo von Kischpek oder
nes Sattels, von Riemenzungen, Pferdegeschirr­ der Vornehme aus Tscharisch zählen nur u den
beschlägen und Zellenverzierungen, die bis in 1 lokalen Führern.
Meter Tiefe zerstreut waren, zeugen davon, daß
die Sitte auch im Kreis der späten Hunnen im Man kann bei dem um 1808 in Conceşti in
Kaukasus vorhanden war. der Nordmoldau gefundenen hunnenzeitlichen
Die hunnischen Männer wurden sicherlich ge­ Grab an die Bestattung eines Reichswürdenträ­
nauso in der Erde bestattet wie die Frauen: in gers aus dem 5. Jahrhundert denken. Auf die

192
Spur führte eine Silberschüssel von mehr als den zentralasiatischen hunnischen „Fürstengr--
einem halben Meter Durchmesser, deren Rand bern" bekannt (Kara-Agatsch. Kanattas). In der
mit Tierfigurenreliefs verziert war. Die Schüs- rechten Seite der Grabkammer ruhte der Tote in
sel hatte das Wasser aus der Erde gehoben. einem durch den feuchten Boden konservierten
Authentisch klingenden Erinnerungen zufolge, Holzsarg; Wasser und Gerbsäure konservierten
die Mitte des vergangenen Jahrhunderts nieder- auch seine mit Goldblech und Edelsteinen be-
geschrieben wurden, enthielt die Grabstätte eine stickte seidene Kleidung. Er trug verschiedenen
aus Steinen zusammengesetzte, mit Steinplatten Goldschmuck - darunter einen Halsring -, seine
bedeckte Grabkammer ähnliche sind uns aus goldbeschlagenen Waffen lagen neben ihm. An
das Kopfende des Sarges war eine wertvolle Beu-
112. Armringe aus dem Grab von Bakodpuszta le gelegt worden, ein spätrömischer Offiziers-

112.
193
113.

194
113. Geflochtene goldene Halskette, Bakodpuszta mit goldenem Griff und zellengeschmücktem
herzförmigem Knauf- Abb. 29) stimmen näm-
helm mit vergoldetem Silberblech überzogen. lich Stück für Stück mit einer langen Reihe
Links vom Sarg lag ein Pferdeskelett mit golde- von Hunnenfunden im Karpatenbecken und im
nem Geschirr, vergoldetem Sattel und golde- Osten überein; inzwischen wurde in Gallien seit
nen Schnallen. Am Fußende der Grabkammer eineinhalb Jahrhunderten kein ähnlicher Fund
schlossen eine silberne Amphore mit Amazono- geborgen. Die zeitgenössische Gallische Chro-
makhia-Darstellung und ein Silbereimer mit my- nik hielt die Namen zweier berühmter Opfer der
thologischen Szenen die Reihe der erbeuteten in der Nähe ausgetragenen mauriacensischen
Schätze ab. Man liest noch von einem Goldta- Schlacht für aufzeichnungswürdig: den des Wi-
blett rechts vom Sarg, auf dem verkohlte Le- sigotenkönigs Theoderich und den Laudarichs,
bensmittel erhallen geblieben sind, aber Nähe- eines „Blutsverwandten Attilas". Das Grab von
res ist darüber nicht bekannt. Die beschriebenen Pouan wurde natürlich von Anfang an mit
Funde gelangten nämlich nur zum Teil in die Theoderich in Zusammenhang gebracht, ob-
Ermitage (1812), die vorhandenen, wie z. B. die wohl dem auf römischem Boden geborenen und
schönen Silbergefäße und der Helm, bekräftigen ab 418 in Südgallien herrschenden König nichts
die Erinnerungen der Augenzeugen. Überreste ferner gestanden haben mag als die erst überwie-
und Bruchstücke der Ausrüstung des Mannes gend nach der Ansiedlung der Goten in Gallien
und des Pferdes: ein 200 g schwerer geflochtener entstandene und überhandgenommene orienta-
goldener Halsring; mit den Riemenzungen von lische Mode und Prunksucht. Ganz abgesehen
Nagyszéksós und Musljumowo verwandte gol- davon ist es unwahrscheinlich, daß der christ-
dene Riemenzungen mit Granateinlage und liche Gotenkönig auf dem Schlachtfeld begra-
Zellenverzierung; Goldblechbruchstücke mit ben wurde, offensichtlich hatte man ihn nach
Schuppenmuster von Holzsattel und Schwert- Tolosa heimgetragen. Besser paßt alles zu einem
scheide; mit Edelsteinen verzierter Goldbe- hohen Würdenträger Attilas - wenn man will:
schlag des Sattelknopfes; edelsteinverzierte und zu seinem Verwandten, zu einem König der Ost-
goldblechüberzogene bronzene Geschirrbe- germanen, Laudarich. Dem würde auch der aus
schläge; Kleiderverzierung aus Goldflitter zum dem Fund hervorgegangene, „als Geschenk er-
Aufnähen, eine Silberschnalle und ein wunder- haltene" Goldring mit einer Inschrift, die nicht
bares kleines Meisterwerk: eine aus Gold gefer- auf den Namen des Eigentümers hinweist und
tigte, genial zusammenkomponierte Fisch- und zum Siegeln ungeeignet ist, nicht widersprechen.
Adlerfigur mit Edelsteineinlage in Schuppenzel- Auf das zu diesem Grab gehörende Totenopfer
len. Es besteht kein Zweifel, daß es sich hier um könnte eventuell der bereits erwähnte, in der
das Grab eines „Auserwählten" handelt. Ein an- Nähe von Troyes gefundene, große und prächti-
deres, ähnliches hunnisches „Fürstengrab" ken- ge Kesselhenkel hinweisen. Pouan liegt den galli-
nen wir bis heute nicht. Es sei denn, wir betrach- schen topographischen Angaben der großen
ten den nordöstlich von Troyes, in Pouan in der Schlacht entsprechend 20-25 km hinter der hun-
Nähe von Arcis-sur-Aube, 1842 gefundenen nischen Frontlinie.
Fürstengrabfund als solches. Die Tracht dieses In Nagyszéksós kann man aufgrund der
vornehmen Mannes, die Schmuckstücke aus pu- Überreste vom Totenmahl auf das Totenopfer
rem Gold (Halsring, Armband, Gürtelschnalle, eines der mächtigsten hunnischen Herren schlie-
die runden Schnallen vom Schwertriemen und ßen. Unter Berücksichtigung der historischen
von den Stiefeln) und seine Waffen (zweischnei- und topographischen Angaben kann nicht aus-
diges Schwert mit goldüberzogenem Griff, geschlossen werden, daß es sich dabei um die
Mundstück mit Granateinlage, goldener Zellen- Überreste des Totenopfers für Ruga oder Attila
knopf der Schwertperle sowie ein Kampfmesser handelt.

195
Die Zikaden

Die großflüglige Zikaden darstellenden Schmuck­ Marchfeld ausbreiteten (Abb. 34). Diese Zika­
stücke zählen indirekt zu den Merkmalen der den sind in zahlreichen Grabfunden aus der Zeit
Bewegung, Ausbreitung, ja sogar der gesell­ um 430 und später (z. B. Šarovce/Nagysá-
schaftlichen Struktur der Hunnen, doch müssen ró-Makóczadomb, Léva/Lewenz/Levice-Kalva-
sie mit Vorsicht interpretiert werden. Die „asia­ rienberg [Abb. 33], Kistokaj-Homokbánya [Taf.
tischen Hunnen", die Hiung-nu, trugen zwar auf 40, 3], Nagybakta/Bakta, Dunaújváros-Interci-
ihren Kopfbedeckungen zikadenförmigen De­ sa-Öreghegy, Monostorszceg/Bački Monoštor-
kor aus verschiedenem Material (Gold, Jade, Ziegelei, Kostolac/Viminacium-Burdelj, Abb. 66)
Bein) und in unterschiedlicher Anzahl als Rang­ einzeln oder paarweise stets als Schmuckstücke
abzeichen. Von den Hiung-nu gelangten die Zi­ von Frauen oder jungen Mädchen anzutreffen.
kaden auch in die Ausrüstung des chinesischen Es ist wesentlich, daß die Einzelstücke (mit Aus­
Heeres, wo sie ebenfalls als Rangabzeichen Ver­ nahme der von Kostolac) nie als Fibeln getragen
wendung fanden. So kennen wir aus der Gegend wurden. An manchen Fundstellen kamen sie zu­
der Großen Mauer eine Anzahl zumeist aus Jade sammen mit paarweise getragenen Fibeln vor, an
geschnittener Zikaden. Es muß aber vermerkt anderen bei solchen Frauen, für die zumindest im
werden, daß aus dem Gebiet zwischen der Gro­ Grab die fibellose Tracht üblich war. Frauen von
ßen Mauer und der Wolga bisher kein derarti­ Rang trugen aus dem Schwarzmeergebiet stam­
ges Exemplar ans Tageslicht gekommen ist. Mit mende goldene, mit Edelsteinen verzierte Zika­
Ausnahme des Katakombengrabes von Kertsch den. Die älteste im Karpatenbecken gefundene,
(„VI. 24.") aus dem Jahre 1904, des Grabfundes aus massivem Gold hergestellte Zikade (Taf. 94)
von Mezőberény und neuestens von Kistokaj stammt aus Sáromberke/Dumbrăvioara im sie-
sind die Zikaden aus den anderen eurasischen benbürgischen Maroslal. Sie wurde nach 400 im
hunnischen Grabfunden unbekannt. Außerdem Stil der Funde aus dem Pontusgebiet hergestellt.
spricht vieles für ihre von Ostasien unabhängige Über die mit Edelsteinen verzierte Zikade von
ostmediterran-antike Herkunft. So sind die gro­ Csömör, die mit der 1904 in Kertsch gefundenen
ßen, aus Bronze gegossenen Zikaden in Panno­ verwandt und in einem Körpergrab mit silberner
nien und im gesamten Illyricum schon lange vor Schnalle und Ohrgehängen (die bei der Auffin­
dem Erscheinen der Hunnen bekannt. Aller­ dung in Verlust geraten sind) geborgen worden
dings unterliegt es keinem Zweifel, daß um 375 ist, sowie eine Goldblechzikade kaukasischen
und danach in den Grabfunden des nördlichen Typs aus Ungarn unbekannten Fundortes kom­
Kaukasus und der Krim eine neue, andersartige men wir zu der bedeutendsten Zikade aus der
Zikadenform auftaucht, und zwar die aus Bron­ Hunnenzeit: zu dem mit Edelsteinen verzierten
ze und Silber gegossenen oder der Mode jener Zikadenpaar aus Györköny, wo es in einem zur
Zeit entsprechenden, in Zellen oder Fassungen Hunnenzeit sekundär verwendeten römischen
mit Edelsteinen verzierten Typen, die sich kurz Sarkophag gefunden wurde (Farbtaf. XXV).
darauf entlang der Weichsel bis zur Ostsee und
entlang der Donau vom Eisernen Tor bis ins Repräsentieren die Fibeln die ,,germanische
Mode" jener Zeit, so die Zikaden vom Kauka-

196
74. Granulierte Schmuckstücke mit Steineinlagen aus Zikadenflügeln (Taf. 65, 80) hinweisen, über-
Mittelasien nahmen dieses aber in der lokalen Formung und
verbreiteten es weiter. Nicht allein das Grab
sus-Krim-Typ die „nichtgermanische Mode". eines jungen hunnischen Mädchens von Mezö-
Letztere dürfte von der griechisch-sarmatisch- berény bestätigt dies, sondern auch das Frauen-
alanischen Frauentracht des Schwarzmeergebie- grab von Iszkaszentgyörgy, das vom Ende der
tes abzuleiten sein. Die nach Europa gekomme- Hunnenzeit oder sogar aus der Zeit kurz danach
nen Hunnen kannten offenbar dieses alte Sym- stammt; das Fehlen von Fibeln und das Tragen
bol, worauf die in Kertsch, Nagyszéksós und einer goldenen Zikade beweist, daß eine nicht-
Léva/Lewenz gefundenen Riemenzungen mit germanische Frau im Grab lag.

197
Siedlungsgeschichte des Karpatenbeckens
zur Hunnenzeit

Die archäologische Tätigkeit von eineinhalb bernen und bronzenen Ohrgehänge mit mas-
Jahrhunderten findet nach vielen Fehlschlägen sivem Polyederknopf darauf schließen. Öst-
und Irrwegen langsam den richtigen Weg. Be- lich der Theiß kam der „barbarisch-römische"
reits eingangs wurde erwähnt, daß als Folge des Einfluß fast gar nicht zur Geltung, bei den nörd-
Hunnenvorstoßes, aber noch vor Beginn der lich des Körös-Flusses siedelnden Gepiden und
tatsächlichen Hunnenherrschaft, in der Gegend bei den südlich von diesen auftauchenden Hun-
von Donau und Theiß Volks- (und Bildungs-) nen war er kaum zu finden. Daraus kann ge-
Elemente aus den Gebieten des Schwarzen Mee- schlossen werden, daß die Hunnen anfangs die
res und der unteren Donau erschienen waren. Theiß als Westgrenze ihres Machtbereiches
Ihr neues Zentrum war, wie sowohl die histori- ansahen, und zwar als eine streng bewachte
schen als auch die archäologischen Quellen be- Grenze.
stätigen, Pannonien. Doch setzten sie sich auch Im Grenzgebiet, im Land der Gepiden, ent-
in den Tälern der Flüsse Hernád-Sajó-Bodrog- wickelte sich zuerst durch hunnischen und alani-
Borzsa und Tarna-Zagyva, entlang dem rechten schen Einfluß (auf solchen ist z. B. die frühe und
Theißufer sowie im Banat fest (Abb. 69). An- massenweise Übernahme von Metallspiegeln mit
fangs blieben drei Gebiete von den Elementen radial verziertem Rücken zurückzuführen), spä-
der unteren Donau und des Pontusgebietes frei, ter), zur Zeit der Blüte des Hunnenreiches, eine
und zwar die Gebiete von drei Völkern, die an eigenartige, selbständige materielle Kultur und
der großen Flucht der Jahre 401-405 gar nicht Mode, die vorerst eher an die Männer- und
oder nur teilweise teilgenommen haben: Gepidia Frauentracht des Schwarzmeergebietes denn an
im nördlichen Teil des Gebietes jenseits der die der Vornehmen am Westufer der Theiß erin-
Theiß sowie in den Tälern der Flüsse Szamos nerte. Die männlichen Vertreter des gepidischen
und Ér, Sarmatia, das zu dieser Zeit bereits auf „neuen Adels" sind uns vorläufig weniger be-
das Gebiet zwischen Donau und Theiß und zum kannt, mit Ausnahme von einigen mit Nah-
Teil vielleicht in das Banat zurückgedrängt war, kampfwaffen der Hunnenzeit (langes zwei-
und Suavia, das einstige Land der Quaden. In schneidiges Schwert, Kampfmesser oder mit
den folgenden Jahrzehnten, die der dauernden beiden zusammen) bestatteten, meist mit Schil-
Anwesenheit der Hunnen vorausgingen, nahm den mit facettiertem Schildbuckel ausgerüste-
das aus der Verbindung alter und neuer Elemen- ten Fußkriegern (Oros, Érmihályfalva/Valea lui
te entstandene, „barbarisch-römische" Hand- Mihai, Ghenci/Gencs, Tiszakarád-Inasa, Tisza-
werk überhand, in Suavia in stärkerem, in Sar- dob-Sziget, Debrecen, Szilágysomlyó, Csökmö).
matia in geringerem Ausmaß. Zumindest läßt Häufiger sind die in der Umgebung von Herren-
die frühe Verbreitung der Tonkrüge mit Glätt- häusern im geheimen, einzeln begrabenen adli-
verzierung, der in Kerbschnittechnik verzierten gen Frauen. Auf Neureichenart prunkten sie in
geometrischen Fibeln (mit dreieckiger Spiral- Gewändern, die mit unförmig großen Silberplat-
platte und rhombischer Hakenplatte - Abb. 34), tenfibeln, Gürtelschnallen und Armringen auf-
der spätrömischen Glasbecher sowie der sil- geputzt waren, sie trugen goldene Ohrringe mit

198
Polyederverschluß, die mit rotem Glas oder mit riet auch der Großteil des zur Hunnenzeit herge­
Edelsteinen eingelegt waren (Balsa, Tiszalök, stellten Schmuckes in die Erde.
Mád, Barabás, Karcag, Szamostatárfalva und Der genaue Umfang des Siedlungsgebietes der
andere sowie noch einige unvollständige Grab­ Sweben zur Zeit der Hunnen ist aufgrund der
funde). Dies alles war aber nur ein schwacher archäologischen Funde noch nicht geklärt. In
Abglanz des Reichtums ihrer hunnischen Her­ der Ebene zwischen Eipel und March muß man
ren. Es soll wiederholt werden, daß sich diese nämlich auch mit östlichen, in der Mehrzahl
Mode nicht bodenständig entwickelt hat, son­ wohl alanischen Gruppen rechnen („Einzelgrä­
dern auf ostgermanisch-alanischen Einfluß des ber" oder kleine Friedhöfe mit Zikaden, Me­
Pontusgebietes zurückgeht. Von unmittelbaren tallspiegeln, Krügen und künstlich deformier­
Beziehungen zum Pontus zeugen die in die Grä­ ten Schädeln wie Ábrahám, Šarovce/Nagysá-
ber gegebenen, in Formen gegossenen Glaspo­ ró, Zsitvabesenyö/Bešenov, Zsitvaudvard/Dvory
kale (Tarnaméra, Barabás, Ghenci/Gencs), ver­ nad Žitavou-Törökdomb, Perse/Prša-Bérc-dűlő.
mutlich auch die frühesten großen Silberplatten­ Hull/Hul, Straže/Vágör, Lewenz/Levice-Kalva-
fibeln. Die mutmaßlich ersten Einflüsse Panno- rienberg, Szob-Kálvária), ja sogar selbst mit
niens und Mösiens erreichten erst zur Zeit Rugas den Hunnen (das Grab mit Pferdeschädel,
und Bledas den Rand des von Gepiden bewohn­ Trense und Sattel in Léva/Lewenz/Levice-Ziege-
ten Gebietes (Fibel von Tiszacsege, Schnalle aus lei, der in Léva/Lewenz/Levice-Alsórétek mit
Tiszaladány). Das volle Aufblühen der hier cha­ einem Pferdeopfer und einem Schwert sowie der
rakterisierten gepidischen Kultur erfolgte erst im Szob-Homokűlő begrabene Bogenschütze).
zur Zeit nach dem Sturz der Hunnenherrschaft. Nach dem Zusammenbruch der Hunnenherr­
Damals verbreitete sie sich auf die gesamte, von schaft werden swebische materielle Kultur und
den Gepiden eroberte Theißgegend, damals ge­ Siedlung nicht von diesen Grundlagen ausgehen.

199
Das Siedlungsgebiet der Hunnen

Von dort, wo sich das Zentrum der Hunnen und lich, wie die vor allem bei Frauen modischen
innerhalb dessen wiederum der königliche Ordu rechteckigen goldenen Schuhschnallen späten
befand, also im Gebiet östlich der Theiß und Typs zeigen, zur Zeit Attilas. Die hunnische
südlich der vereinigten Körös-Flüsse, sind uns Herkunft des Mädchens wird außerdem noch
bisher überhaupt keine hunnischen Friedhöfe durch einen Grabfund aus dem Gebiet Cherson,
und Kriegergräber bekannt. Außer dem Solidus- in der Nähe des für seine Hunnenfunde berühm­
Schatz von Hódmezővásárhely-Sákáncs ist der ten Zjurupinsk-Aleschki gelegenen Kutschugu-
einzige wirklich nennenswerte Fund nur das ry, bestätigt. Die dort Begrabene könnte man als
Grab von Mezőberény. jüngere Schwester der Toten von Mezőberény
Von der östlichen Herkunft des jungen Mäd­ ansehen, so sehr gleichen einander die Tracht­
chens von fürstlichem Rang, das vermutlich am beigaben: ein ähnlicher, aber noch kleinerer gol­
hunnischen Hof gelebt hat, zeugt vor allem seine dener Armring, eine feine goldene Riemenzunge,
Kleidung bzw. seine Tracht. Es trug keine Fi­ goldene Schuhschnallen und Riemenzungen mit
beln, sein prächtigster Schmuck war ein Paar Granat- und Karneoleinlagen, vor allem aber
goldene Ohrringe mit fein granulierten Gehän­ die prächtigen, mit Steineinlagen versehenen
gen, das trotz seiner individuellen Form zu den halbovalen und eckigen Goldplatten, über deren
bei den vornehmen hunnischen Frauen belieb­ Lage und Bestimmung in dem fast zur gleichen
ten, prächtigen Ohrgehängen zählt (Farbtaf. Zeit zufällig aufgedeckten Grab ebensowenig
XXVIII). Ein ebenfalls östlicher, symbolträchti­ bekannt ist wie über die von Mezőberény. Die
ger Schmuck ist die hier gefundene goldene Zi­ Formen und Verzierungen dieser Platten können
kade. Geradewegs „nomadische" Trachtelemen­ bis Mittelasien zurückverfolgt werden (Abb. 74).
te sind der das Kleid zusammenfassende Gürtel Der Bereich des Ordu östlich der Theiß war,
(?) oder die oberhalb der Knöchel auf den Ho­ aus dem Fehlen weiterer Funde, vor allem von
sen zusammengebundenen Schuhriemen (?), von Gräberfeldern, zu schließen, eine militärische
denen ein mit Zellen geschmücktes, goldenes Basis. Archäologische Funde könnten uns nur
Schnallenpaar und goldene Riemenzungen er­ der Ordu selbst und seine unmittelbare Umge­
halten sind, sowie die Bruchstücke eines Stirnrei­ bung, einige Herrenhäuser, Wegstalionen und
fens (?): filigranverzierte halbovale, eckige, dienstleistende Dörfer geben, wenn wir wüßten,
raubtierköpfige und fischförmige Goldplatten wo diese gelegen sind. Die Fürsten und „Auser­
(Taf. 104/1-2). Den fürstlichen Rang des Mäd­ wählten" wurden außerhalb der Basis, westlich
chens von Mezőberény bestätigt auch ein massi­ der Theiß, im geheimen bestattet.
ver Goldarmring mit sich verbreiterndem Ende Nach dem von hunnischen Funden bzw. sol­
(Taf.: 105-107). chen aus der Hunnenzeit praktisch freien Gebiet
Das Grab von Mezőberény ist bisher das ein­ zwischen Theiß und Donau mehren sich die ein­
zige, das in der Gegend des zentralen Ordu der schlägigen Fundorte im Donautal wieder. In der
Hunnen ans Tageslicht gekommen ist. Das vor­ einstigen Provinz Valeria Ripensis bestätigt eine
nehme kleine Mädchen begrub man wahrschein­ Reihe von Funden die Anwesenheit der Hunnen.

200
Charakteristische alanische Fibeln und eine klei­
ne, hunnisch-alanische Riemenzunge aus Gold
(Aquincum, Budapest III. Taf. 101 -obwohl der
wirkliche hunnische Herr von Aquincum, ein
junger Mann mit euromongoloiden Gesichtszü­
gen, in den Sandhügeln auf der Pester Seite, in
Zugló, bestallet wurde, wie die wenigen Überreste
reicher Grabbeigaben beweisen, Taf. 73m 1-5),
ein bronzenes Kesselbruchstück, einige vielleicht
zum Zerschneiden bestimmte Bronzebleche mit
hunnischen Gesichtern und Gestalten (Intercisa,
Dunaújváros-Öreghegy - Abb. 9), die edelstein-
verzierten goldenen Riemendurchzüge eines
Schwertes, das indirekt durch einen im Jahre 443
geprägten Solidus des Theodosius II. (Ad Novas/
Zmajevac/Vörösmart, Abb. 17) datiert ist, ver­
weisen auf einzelne hunnische Wachtposten in
den verlassenen römischen Kastellen. Im Inne­
ren von Pannonien ist die Situation überra­
schend anders. Vom Marchfeld bis Syrmien
zeichnet sich diagonal oder eher in einem sich
gegen Südwesten wölbenden Halbkreis gewisser­
maßen ein gegen Italien gerichteter „Schild"
von Fundstellen ab, der offensichtlich den abge­
schlossenen, zentralen Ordu zu schützen hatte. 114. Gefall aus dem Grab von Bakodpuszta
Die Schutzzone ist in der Mitte im Gebiet
zwischen Leitha und Plattensee bzw. zwischen 115.-117. s. Farbtaleln XX1X-XXXI
diesem und der Drau am stärksten. In diesem
Bereich wurden die meisten der mit Langschwer­ Goldschließen aus den Weinbergen von Fertö-
tern. Bögen, Pfeilen und Pferdegeschirren be­ medgyes/Mörbisch neben dem von Mauern um­
statteten Krieger mit goldenen und silbernen gebenen Scar(a)bantia/Sopron, bei den Grab­
Stiefelschnallen gefunden (Abb. 69). Die Anfüh­ funden Vindobona/Wien 11 und 22, sowie bei
rer des „Hunnenschildes" hatten ihren Sitz in­ den in der Nähe der Festung „Castellum" (Keszt-
nerhalb dieses Schildes, in den befestigten Städ­ hely-Fenekpuszta) gefundenen (Ziegelei, Gáti­
ten und Kastellen des von den Römern evakuier­ domb) festzustellen. Die Waffenträger, die die­
ten Valerien, da die meisten Tolenopfer zwi­ sen Schild bildeten, waren den archäologischen
schen Hügeln in der Umgebung römischer Befe­ Funden zufolge nur zum Teil Hunnen, die ande­
stigungen freigelegt wurden. So gehört das große ren dürften sich aus von den östlichen Ebenen
Totenopfer von Pécs-Üszögpuszta zu Sopianae des Reiches hierher verlegten alanischen, sada-
(Pécs), das von Bátaszék zum Castrum von garischen, skirischen und herulischen Elementen
Lugio/Dunaszekcsö oder zu jenem von Ad Sta- zusammengesetzt haben. Aus den zumeist ver­
tuas/Várdomb, die Grabfunde von Szekszárd- einzelten Funden und Gräbern zu schließen,
Bartina und Csatár gehörten zum Castrum Ad mag ihre Anzahl nicht allzu groß gewesen sein.
Latus. Für den in Herculia (Gorsium/Tác) sta­ Erst aus dem letzten Jahrzehnt der Besetzung
tionierten Hunnenhäuptling dürfte das Toten­ gibt es Münzfunde (in Konslantinopel nach 443
opfer von Várpalota, für den in Iovia (Alsóhe- geprägte Goldmünzen des Theodosius II. mit
ténypuszta) stationierten aber das Kesselopfer der Rundschrift IMP XXX COS XV II aus Tüs­
von Hőgyész dargebracht worden sein. Eine ge­ kevár, Nickelsdorf Miklósfalu, Carnuntum, Sca-
wisse römische Verbindung ist in Pannonia Pri­ rabantia. Quadrata/Barátföld), die mit großer
ma bei den in der Nähe der Stadt Mursella/ Wahrscheinlichkeit mit ihnen in Verbindung zu
Kisárpás gefundenen Goldschließen von Árpás- bringen sind
Dombiföld und Sobor, bei den ausgeackerten Trotz offensichtlicher territorialer Zusammen-

201
hänge ist das Verhältnis der Pannonia Prima dem Schädel des einen Mannes der Totenobo-
besetzenden Hunnen zu den Überresten der ro- lus, ein kaum abgenutzter Solidus des Honorius
manisierten Bevölkerung zur Zeit unklar. Die thessalonischer Prägung, gefunden. Diese Grä­
auch lokale Einflüsse widerspiegelnden Tonkrü­ ber dürften aus der Zeit der Besetzung stammen,
ge und Glasbecher (z. B. die Funde mit künstlich obwohl ein Solidus des Honorius aus dem Jahre
deformiertem Schädel der Frauengräber von 423 noch im Schatz von Szikáncs vorkommt.
Gencsapáti und die der Männergräber von Len­ Eine in Kronstadt/Braşov gefundene goldene
gyeltóti, Lébény, Keszthely-Ziegelei und Árpás- Stiefelschnalle weist bereits auf Gebiete außer­
Dombiföld), vor allem die bei den Hunnen un­ halb des Karpatenbeckens. Zusammen mit den
bekannten, mit ihrer Haartracht offensichtlich in Cîlnău im Bodsau/Buzău-Tal zum Vorschein
unvereinbaren einfachen und verzierten Bein­ gekommenen ähnlichen Goldschnallen beweisen
kämme lassen von Fall zu Fall auf die römischen sie die Benützung des Bodsauer Buzău-Passes
Verbindungen der nichthunnischen Elemente durch hunnische Vornehme, die im Ordu Attilas
schließen. Die Vertreter derartiger Volksgruppen oder in dessen Umgebung lebten und im gehei­
wurden während der Hunnenzeit manchmal in men in den Bergen bestattet wurden.
Ziegel- und Steinplattengräbern sowie in Sarko­ Die bisherigen archäologischen Funde zeigen
phagen spätrömischer Friedhöfe Valeriens bei­ vor allem die Richtung der hunnischen Bewe­
gesetzt (Mözs, Szabadbattyán, Györköny, Csák­ gung, die Ausbreitung des Reiches, die Standor­
vár). te des militärischen Gefolges der Reichsaristo­
In Nordungarn dürfte weniger Militär statio­ kratie und der Fürsten sowie gewisse historische
niert gewesen sein. Darauf weisen die goldenen Geschehnisse und Hinweise auf die gesellschaft­
Stiefelschnallen von Ludányhalászi, die Grab­ liche Struktur. Mehr, z. B. eine übersichtliche
funde mit Schwert und Schwertperle von Tár­ und zusammenfassende Geschichte der hunni­
naméra und Szirmabesenyö sowie der zweite schen Kunst, ist aus den zum Großteil sporadi­
Fund von Kistokaj mit edelsteinverzierter silber­ schen Grabfunden und aus den fast gesetzmäßig
ner Gürtelschnalle und silberner Stiefelriemen­ durch Zufall entdeckten Opferfunden nicht zu
schnalle hin. Im Osten sind von den vereinig­ gewinnen. Der Einfluß des orientalischen Prun­
ten Körös-Flüssen und südlich des Sebes-Körös kes der Hunnen auf die Insignien und Symbolik
bis zum Siebenbürgischen Mittelgebirge nur die der von der Hunnenherrschaft befreiten ger­
Gräber mit Kampfmesser, Pfeil und Schwert manischen Fürsten ist bereits Thema der Ge­
von Körösladány und Oradea/Großwardein- schichte und Kulturgeschichte der folgenden
Szalka bekannt. In Körösladány wurde neben Epoche.

202
Attilas Bestattung

Nach dem Tode des Großkönigs tauchten wie hast, ihre Städte einnahmst, Dich aber, bevor sie
auf einen Schlag die seit acht Jahren zu Statisten alle Deine Beute geworden wären, ihrem Flehen
degradierten und zu Nebenrollen gezwungenen erbarmt und eine jährliche Steuer von ihnen
Hunnen wieder auf. Die Totenfeierlichkeiten angenommen hast. Nachdem Du dies alles mit
waren Angelegenheit der Söhne Attilas, seiner Erfolg vollbracht hast, entferntest Du Dich,
Auserwählten und der Hunnen, „seines Vol- nicht durch feindliche Wunden, auch nicht
kes". Die Trauerfeierlichkeiten waren des al- infolge Ränken der Deinen, sondern im Schutz
lermächtigsten Großkönigs tatsächlich würdig, Deines Volkes, unter Freuden fröhlich, ohne
als ob die daran Beteiligten geahnt hätten, was Schmerz. Wer würde das für einen Tod erachten,
folgen würde. da niemand an Rache denkt?
Die Zeremonie war in der gesamten Abfol- Nachdem sie ihn mit Trauergesang beweint
ge asiatisch: „Die Männer schnitten sich dem hatten, hielten sie über dem Totenhügel ein To-
Volksbrauch entsprechend ihren Zopf ab, ihr tenmahl - oder wie sie ihn nennen [in Wirklich-
furchterregendes Gesicht aber verunstalteten sie keit wie ihn Priscus' Angabenvermittler nannte]
mit tiefen Wunden, so daß der glorreiche Held eine Strava - mit sehr großem Trinkgelage, von
nicht mit Jammergeschrei und Tränen der Frau- einer Übertreibung in die andere fallend: Trauer
en, sondern mit Männerblut betrauert werde." und Unterhaltung lösten einander ab. In der
Die anläßlich derartiger Trauerfeierlichkeiten Nacht aber wurde der Leichnam im geheimen in
abgeschnittenen und mit den Toten begrabenen die Erde gelegt. Er wurde erst mit Gold, dann
Haargeflechte sind durch ewigen Frost in den mit Silber und zuletzt mit Eisen verhüllt, um so
Gräbern der Saka-Fürsten im Altaigebiet und zu symbolisieren, daß diese drei des mächtigsten
der Hiung-nu-Fürsten in der Mongolei erhalten Königs würdig sind. Das Eisen besiegte Völ-
geblieben. ker, mit dem Gold und Silber hat er Würdenzei-
„Sein Leichnam wurde in einem in der Mitte chen beider (römischer] Reiche gewonnen. Die
der Lagerstadt aufgestellten Seidenzelt aufge- vom Feind im Kampf erbeuteten Waffen, ver-
bahrt, hernach folgte eine erhebend schöne Se- schiedene, von Edelsteinen glänzende Pferdege-
henswürdigkeit. Die aus dem gesamten Hunnen- schirre sowie jene Insignien der königlichen
volk erlesenen besten Reiter galoppierten rund Würde wurden mit ihm begraben, die die Zierde
um die Bahre [wie in einem Zirkus, fügt der seines Hofes waren. Und um die menschliche
antike Abschreiber hinzu] und sangen Trauer- Habgier von diesem großen und wertvollen
weisen über die Taten des Verstorbenen." Schatz fernzuhalten, bezahlten sie die Totengrä-
„Größter aller Hunnenkönige, Attila, Sohn ber in schändlicher Weise: Sic wurden erbar-
des Mundschuk, Herr und Gebieter der helden- mungslos niedergemetzelt. So riß der plötzliche
haftesten Völker, der Du allein mit einer zuvor Tod die Begrabenden samt dem Begrabenen mit
nie gesehenen Macht über die skythischen und sich."
germanischen Länder geherrscht hast, der Du Obgleich die eben wiedergegebene Beschrei-
beide römischen Reiche mit Schrecken erfüllt bung, durchwoben mit Motiven eines hunni-

203
schen Klageliedes, wie wir noch sehen werden, ke oder Deckel erhalten: Im Italienischen wird
durch den hundert Jahre später schreibenden z. B. nur der Deckel des Sarges oder Sarkopha-
Jordanes erhalten geblieben ist, übertrifft sie an ges coperchio genannt. Die copercula des Jorda-
Schönheit und Erhabenheit bei weitem die nes sind daher in Wirklichkeit keine Särge oder
schriftstellerischen Fähigkeiten des gotischen gar ein „dreifacher Sarg", sondern irgendwelche
Chronisten. Stil und Wortgebrauch des Textes Bänder, Umhüllungen, Deckel oder mit Metall
verweisen darauf, daß er Wort für Wort aus dem verzierte Leichentücher eines einzigen Sarges. In
verlorengegangenen Teil des griechischen Wer- Kenntnis des Bestattungsbrauches innerasiati-
kes von Priscus stammt und authentisch ist. An- scher Fürsten, der von Attilas Zeit an ein Jahr-
dere zeitgenössische oder spätere Berichte über tausend zurückverfolgt werden kann, darf mit
die Bestattung blieben nicht erhalten. Aus chine- Sicherheit angenommen werden, daß Attila tat-
sischen Quellen ist uns dagegen die osttürkische sächlich in einem Sarg begraben wurde. Wie
Trauerzeremonie bekannt: „Die Leiche wird im die in den Kurganengräbern von Nojon-ul/
Zelt aufgebahrt... man läßt die Pferde zweimal Noin Ula unversehrt erhallen gebliebenen In-
um das Zelt galoppieren ... sie verwunden ihr neneinrichtungen zeigen, ist es nicht ausge-
Gesicht und weinen, so daß sich die Tränen mit schlossen, daß der eigentliche Holzsarg in einer
dem Blut vermischen. Das tun sie sieben Mal..." zur Aufnahme kostbarer Beigaben geeigneten
- es ist also überholt, von „germanischen" Ele- größeren Grabtruhe und diese wiederum in einer
menten dieser Zeremonie zu sprechen. noch größeren Grabkammer untergebracht war.
In der Beschreibung des Jordanes gibt es auch In Nojon-ul/Noin Ula barg die Grabkammer
unklare Textstellen, die er vermutlich unrichtig den Leichnam also tatsächlich in dreifacher Wei-
aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt se. Tatsache ist jedoch auch, daß aus der archäo-
hat und die in der Neuzeit nicht viel besser in logischen Hinterlassenschaft der eurasischen
verschiedene moderne Sprachen weiter übersetzt Steppen keine Metallsärge bekannt sind. Dem-
werden. Der Ausdruck super tumulum eius, das gegenüber kennen wir das Motiv des „golde-
heißt, die Beschreibung des über dem Grabhügel nen, silbernen und eisernen Sarges" aus einem
Attilas gehaltenen Totenmahls, steht in diame- kürzlich veröffentlichten mongolischen Volks-
tralem Gegensatz zu der im folgenden Satz er- märchen. Aus diesem Grund ist es sehr wahr-
wähnten und der Wirklichkeit sicher viel besser scheinlich, daß schon Priscus einen hunnischen
entsprechenden, in der Nacht und im geheimen Volkstrauergesang über die Bestattung Attilas
durchgeführten Beerdigung. Meiner Meinung notierte.
nach können die neuen Ergebnisse der Archäo- Die übrigen Vermutungen im Zusammenhang
logie in diesem Punkt zur Auflösung des Gegen- mit der Bestattung Attilas sind neuzeitliche Miß-
satzes beitragen. Das Trauermahl wurde offen- verständnisse und Phantasieprodukte. Vielleicht
bar jeweils in der Nähe der zum Gedenken an die mit Ausnahme des Grabes Alexanders des Gro-
Könige oder Fürsten errichteten Hügel oder ßen gibt es auf der ganzen Welt kein weiteres
Grabmale abgehalten. Die Überreste dieser To- Grab, das die Phantasie der schatzhungrigen
tenfeiern begegnen uns in den in geringer Tiefe Nachwelt in einem derartigen Ausmaß anregt.
vergrabenen angebrannten Tierknochen und In Ungarn und im gesamten Karpatenbecken
Bronzekesseln sowie in den auf den Scheiterhau- „weiß" man, daß Attila in einem Fluß und na-
fen geworfenen angebrannten oder unversehrten türlich in einem dreifachen Sarg begraben ist.
Totenopfern: Waffen, Pferdegeschirre, Sättel Dabei war bis zur Mitte des vorigen Jahrhun-
und Prunkgürtel. Unbekannt ist allerdings zur derts allerdings nie die Rede davon, daß Attila
Zeit noch die Distanz des eigentlichen Bestat- in einem ab- und wieder zurückgeleiteten Fluß
tungsplatzes von jenem des Totenmahls, ob die (vor allem in der Theiß) begraben worden sei.
Opfergaben also am Ort des Totenmahls oder in In der von Simon von Kéza im 13. Jahrhun-
der Nähe der Bestattung vergraben wurden. Das dert phantasievoll erträumten und zusammen-
Wort coperculum bedeutet im klassischen Latein gestellten hunnisch-ungarischen Chronik, die
höchstens in poetischen Wendungen Sarg, sonst im 15. Jahrhundert gleichsam kanonisiert in
nur Bedeckung, Deckblatt und Umhüllung. die gedruckte (Ungarische Chronik, lateinische
Auch in den Nachfolgesprachen des Lateini- Chronica Hungarorum) des Johannes von Tu-
schen blieb das Wort zumeist im Sinne von Dek- rócz übernommen wurde, ist keine Rede von

204
einem dreifachen Sarg, geschweige denn von ei-
ner Bestattung Attilas in der Theiß oder im Bett
eines anderen abgeleiteten Flusses. Diese Chro-
nik war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Tra-
dition, genauer, sie lebte bis zum Reformzeital-
ter in unveränderter Form weiter. Das heißt, daß
die neuere Version von der mit poetischen Vor-
stellungen verbrämten Bestattung Attilas ein
Produkt erst des vorigen Jahrhunderts ist. Der
vielleicht erfolgreichste ungarische Archäologe
unseres Jahrhunderts, F. Móra, dem wir übri-
gens die Rettung des hunnischen Fundes von
Nagyszéksós verdanken, gelangte während sei-
ner Forschungen nach dem Ursprung dieser irr-
gläubigen Ansichten bis zu A. Ipolyis Werk
Magyar mithologia (Ungarische Mythologie.
Pest 1854) und hielt dieses für die Urquelle. Er
war der Meinung, daß die schaurig schöne, poe-
tische Vorstellung von der Beerdigung Attilas
durch Ipolyi entstanden sei und diese Phantaste-
reien dann in Hunderttausenden Exemplaren
durch literarische Werke und durch den Schul-
unterricht zum Allgemeingut nicht allein der
Ungarn, sondern auch ihrer Nachbarvölker ge-
worden seien. Dem allen stellte er den trockenen
zeitgenössischen Bericht gegenüber: Der Leich-
nam wurde nachts im geheimen in die Erde ge-
legt.
Die Urquelle, die Chronik des Jordanes, war
bis zum Erscheinen der kritischen Ausgabe
Mommsens im Jahre 1882 nur in schlechten Tex-
ten bekannt A. Mócsy machte darauf aufmerk-
sam, daß für die Vorstellung eines dreifachen
Sarges auch die schlechten Textpublikationen
verantwortlich seien: Statt der ursprünglichen
copercula wurde fercula geschrieben, was soviel
wie tragbare Gestelle bedeutet. Als ob Attila auf
mehreren Totenbahren begraben worden wäre.
Diese Sinnlosigkeit überbrückte die französische
Übersetzung der Serie Firmin Didot damit daß
sie von drei Särgen (trois cercueils) spricht. Aus
dem einen, mit drei verschiedenen Metallen ge-
schmückten Sarg, wurden so drei Särge; und
dieser Irrtum blieb auch noch, als der authenti-
sche Text des Jordanes bereits allgemein zugäng-
lich war.
Bei Jordanes ist auch zu lesen, daß im Jahre
410 der Wisigotenkönig Alarich in Süditalien im

75. Triumphsäule des Kaisers Marcianus in Konstantinopel.


Der hart gegen Attila kämpfende Herrscher ließ sich als
Besieger des Hunnenreiches feiern

205
vorher abgeleiteten Busentus-Fluß begraben wor- Jordanes beschriebene barbarische Niedermet-
den sei und man die begrabenden Knechte da- zelung der bei den Erdarbeiten für die Bestat-
nach ermordet hätte (es ist eine Sage oder ein tung Eingesetzten gem bezweifeln, für derartige
Märchen, war doch eine derartige Bestattung Vorsichtsmaßnahmen gibt es nämlich in Europa
aufgrund der technischen Möglichkeiten des Al- bisher keine archäologischen Nachweise. Um so
tertums fast undurchführbar, vor allem inner- mehr sind jedoch aus dem antiken China be-
halb weniger Tage, und das noch in Kriegszei- kannt, und das darf bei der Bestattung der hun-
ten). Irgendjemand begann irgendwann bei Jor- nischen Großkönige nicht außer acht gelassen
danes zwischen den Zeilen zu lesen oder etwas werden. Tatsache ist, daß es den Organisatoren
falsch zu verstehen (wofür der Text bei Jordanes der Totenfeierlichkeiten gelungen ist, die Grab-
ebenfalls Möglichkeiten bietet) und gelangte so stelle geheimzuhalten. Und wenn es den germa-
zu dem Schluß, Attila sei genau so begraben nischen Aufständischen nicht gelang, das Grab
worden wie Alarich. Die Theiß fand fast logisch ausfindig zu machen, so ist es nur verständlich,
Eingang in diese Geschichte, war sie doch nach daß es bis heute nicht entdeckt wurde.
der Donau (die man schließlich nicht so ohne Attilas Grab kann natürlich gefunden werden,
weiteres ableiten konnte) der zweite große Fluß wie alles, was einst in der Erde verborgen wurde.
im Reich Attilas. Anläßlich der im Jahre 1846 Es kann aber nicht gesucht werden. Stellen wir
begonnenen Regulierung der Theiß wurden zahl- uns ein besonders großes Grab vor, in dem viele,
reiche Flußschlingen begradigt, und das etwa viele Kostbarkeilen mühelos untergebracht wer-
gleichzeitig mit der Entstehung der Legende. Ihr den konnten (z. B. Abb. 70/a); es mag so groß
Schöpfer oder ihre Schöpfer empfanden nicht wie ein Zimmer sein. Auf einem einzigen Hektar
als Anachronismus, die vor ihren Augen durch- hätten 500 solcher Gräber Platz, auf einem Qua-
geführten Arbeiten in die Hunnenzeit zu verle- dratkilometer schon 50 000. Da wir von der La-
gen; es gab ja Hunnen und Knechte zu Hundert- gerstadt der Hunnen, in deren näherer oder wei-
tausenden, meinten sie aufgrund der Chronisten. terer Umgebung Attila begraben wurde, einst-
Durch den Vergleich Attilas mit Alarich gelang- weilen nur so viel wissen, daß sie östlich der
ten sie zu dem Schluß, der größere König müsse Theiß, im Norden des Temes-Flusses und im
auch in einem größeren Fluß begraben worden Süden des Körös-Flusses lag, Attila aber ver-
sein. Auf diese Weise mag das populär geworde- mutlich in der östlichen Hälfte des Gebietes zwi-
ne Märchen von der Bestattung in der Theiß schen Donau und Theiß begraben wurde, kämen
entstanden sein. Doch gibt es im Karpatenbek- mindestens 20 000 km2 in Betracht. Auf einer so
ken wohl keine Gegend, wo nicht von ewigen großen Fläche könnte man sich - kein Irrtum ! -
Träumern und Phantasten das Attila-Grab ge- eine Milliarde Attila-Gräber vorstellen. Leichter
sucht wird. wäre es, eine Stecknadel in einem Heuhaufen
Der heutige Wissenschaftler würde die bei zu finden!

206
Das Ende

Nach Attilas Tod wurde sein ältester, von Ary- schwanken begann, als ein tragischer Irrtum.
kan geborener Sohn, Ellak, Großkönig der Hun- Die Anführer und Krieger der Hunnen spalteten
nen. Die Machtübernahme verlief anfangs rei- sich in zwei Lager und wandten sich gegeneinan-
bungslos. Ellak kannte seit Jahren den Großwe- der. An dieser ersten Etappe der Kämpfe betei-
sir Onegesius als seinen Helfer und Freund. Atti- ligten sich die germanischen und iranischen Va-
las Liebling, Ernak, und der seinem Vater ähn- sallen entweder noch nicht, oder sie standen auf
lichste mittlere Sohn, Dengi(t)zik, forderten je- Ellaks Seite. Jedenfalls blieb Großkönig Ellak
doch sehr bald ihren Anteil an der Herrschaft. im Kampf gegen seine jüngeren Brüder sieg-
Wahrscheinlich wünschten sie die Wiederher- reich. Als Ellak jedoch im Jahre 455 von der
stellung der Lage vor 445, also eine Teilung der Gegend der unteren Donau nach Südpannonien
Macht. Sie trachteten nicht nur danach, die Ge- zurückkehrte, stellte sich ihm die Übermacht der
biete zu teilen, sondern mit typischer Steppen- germanisch-sarmatischen Koalition des Karpa-
denkweise auch die unterworfenen Völker, die tenbeckens unter Führung des Gepidenkönigs
sie nicht höher schätzten als die Viehherden Ardarich entgegen. Der letzte Großkönig der
Diese König und Volk in gleicher Weise als Hunnen fand bei der Verteidigung seines Volkes,
Diener betrachtende hochmütige Anschauungs- seines Reiches und seiner eigenen Macht in der
weise erwies sich dann, als die Zentralmacht zu Schlacht am Nedao-Fluß den Heldentod.

207
Die Söhne Attilas

Nach der Niederlage am Nedao blieb den Hun- gegen. Der Kaiser in Konstantinopel erkannte
nen nichts anderes übrig als die Flucht. Ellaks nämlich die Herrschaft des von den Wisigoten
und vielleicht auch Bledas einstige Getreue ver- in Gallien zum Kaiser erhobenen Avitus nicht
suchten ihr Glück im Oströmischen Reich - mit an und beanstandete auch dessen Versuch, die
überraschendem Erfolg. Von der Oltmündung weströmische Herrschaft in dem von den Hun-
entlang des unteren und mittleren Laufes der nen befreiten Pannonien wiederherzustellen
Donau und der Save traten am Nordufer näm- (Herbst 455). Marcianus wollte Pannonien, das
lich neue Feinde auf: mächtige und aggressive jenseits der schwachen Grenze des Oströmischen
ostgermanische Königreiche. Ihnen gegenüber Reiches entlang der Save gelegen war, seinen -
erwiesen sich die ehemaligen Räuber als die be- er meinte verläßlicheren - Verbündeten zuspie-
sten Häscher. Zuerst wurde das bewaffnete Ge- len. Er hielt es für wünschenswert, den unter
folge des mit Attila verwandten Emnetzur und Ardarich mächtig gewordenen Gepiden sowie
Ultzindur aufgenommen und in Ufer-Dazien Edika und seinen Skiren, die im südlichen Teil
(Dacia Ripensis) in den Tälern der Flüsse Utus, des Gebietes zwischen Donau und Theiß, also
Almus und Oescus angesiedelt, also an der am gegenüber Pannonia Secunda, Land genommen
meisten gefährdeten Grenze zu der sich bis zur hatten, feindliche Ostgermanen entgegenzustel-
unteren Donau und dem Olt erstreckenden Ge- len. So kam es im Sommer und Herbst des Jah-
pidenmacht. Andere hunnische Truppen wurden res 456 zur Besetzung des antiken Pannonien
unter dem Befehl eines gewissen Kelkal (Chel- durch die Ostrogoten. König Valamer ließ sich
chal) dem Heer Aspars zugeteilt; sie wurden zu mit seinem kriegerischen Gefolge in der schon
Reitern der mobilen Armee. Der selbstbewußte vor der hunnischen Eroberung dem Oströmi-
und auf seine hunnische Herkunft stolze Reiter- schen Reich angeschlossenen Pannonia Secunda
general Kelkal ging mit harter Faust gegen die nieder. Sie siedelten sich zwischen dem lateinisch
in Thrakien eingedrungenen Ostrogoten vor und Aqua Nigra bezeichneten Flüßchen und dem
ließ diese während der folgenden Verhandlun- gotisch bezeichneten Scarniunga an.
gen in nicht zu übersehender Weise das einstige Dengi(t)zik und Ernak fanden sich jedoch
Verhältnis zwischen Hunnen und Goten fühlen. nicht so ohne weiteres mit dem Abzug der „De-
Dengi(t)zik (Dintzik), der mittlere und Attila serteure" (desertores) ab. Im Winter 456/457
ähnlichste Sohn, sowie Ernak (Irnik), der Lieb- folgten sie den Spuren der Goten, als ob sie nach
lingssohn Attilas, flohen zusammen mit den ih- „geflohenen Sklaven" suchen würden. Zweifel-
nen treu gebliebenen, ihres Landes verlustig ge- los ein Zeichen des veränderten Kräfteverhält-
wordenen Hunnen gegen Osten und begannen nisses war die in hartem Kampferfolgte Abwehr
die Gebiete der Ostrogoten im Pontusgebiet zu des Angriffes der Attila-Söhne durch Valamer;
besetzen. Die aufgestörten Ostrogoten unter Va- jene zogen sich bis zum Danaber/Dnjepr, den sie
lamer wandten sich an Kaiser Marcianus und in ihrer Sprache Var nannten, zurück. Anlaß
baten um eine neue Heimat. Diese Bitte kam den zum zweiten hunnischen Angriff gaben die
Absichten des Marcianus auf halbem Weg ent- Ostrogoten. Ihre Könige bereiteten einen Feld-

208
zug gegen das kleine, mit den Hunnen verwandte schen Gefolge in Dacia Ripensis ein. Den Be-
Volk der Sadagaren (Sadagen) vor, die irgend- fehlshaber der oströmischen Grenztruppen, Ge-
wie in Pannonien ansässig geblieben waren; lei- neral Anagastes (Sohn des Arnegisclus, der 447
der wissen wir nicht genau, wo. Auf diese Nach- in dieser Gegend gegen Attila kämpfte), igno-
richt hin sammelte Dengi(t)zik die Streitkräfte rierte er vollkommen und schickte aus seiner
der ihm treu gebliebenen hunnischen Sippen neuen Position wiederum Gesandte direkt zu
(Stammeshäupter, von deren Existenz und Na- Kaiser Leo. In dem von seinem Vater übernom-
men - als sicheres Zeichen des Zerfalls des Rei- menen hochmütigen Ton forderte Dengi(t)zik
ches - wir hier das erste und letzte Mal hören: für sich und sein Heer sowohl Land als auch eine
Ultzindur, Burtugur, Bittugur. Angiskir, Bardor Jahresrente, andernfalls würde es zum Krieg
oder Bardar) und eilte den Sadagaren zu Hilfe. kommen. Den gestiegenen Wert der hunnischen
Um die schon anmarschierenden Goten vom Krieger spiegelte das Verhalten des Kaisers wi-
Angriff gegen die Sadagaren abzuhalten, stürm- der, der fast schon zu einer Vereinbarung geneigt
te Dengi(t)zik den Sitz des Königs Valamer, die war, indem er betonte, er habe Menschen gern,
noch existierende, mauerbewehrte antike Stadt die aus Feinden zu Verbündeten würden; aller-
Bassiana. Die gotischen Heere verdrängten auch dings forderte er Gehorsam. Es ist unbekannt,
in diesem Fall Dengi(t)zik. Den dadurch ausge- was danach genau geschehen ist, doch dürften
lösten Siegestaumel beschreibt die gotische sich die Gemüter etwas beruhigt haben und die
Chronik wie folgt: „Seit dieser Zeit fürchten sich Verhandlungen vorerst weitergeführt worden
die verbliebenen Hunnen bis zum heutigen Tag sein. Nach deren endgültigem Scheitern rüstete
vor den Waffen der Goten" (459). Dengi(t)zik zum Angriff und hielt erstaunlich
Während der ersten Hälfte der 460er Jahre lange stand. Erst besiegte General Anthemius
konsolidierten Dengi(t)zik und Ernak ihre (ab 12. April 467 weströmischer Kaiser) eine
Macht im Pontussteppengebiet und in der Ebene seiner bis Serdica vorgedrungenen Truppen,
nördlich des Unterlaufes der Donau. Sie schick- dann rechnete 469 Anagastes, der neue Oberbe-
ten im Jahre 466 sogar eine Gesandtschaft zu fehlshaber von Thrakien, mit Dengi(l)zik ab.
Kaiser Leo I.: Sie seien bereit, mit den Fehlern Sein Kopf wurde in Konstantinopel öffentlich
der Vergangenheit abzurechnen, einen regel- aufgespießt, zum großen Jubel der Bevölkerung
rechten Friedensvertrag zu schließen und bäten, der Kaiserstadt, die unter seinem Vater so viel
an einem bestimmten Punkt der Donau, dem Schrecken erdulden mußte.
alten Brauch entsprechend, einen Markt einzu- Die von Ernak befürchtete Gefahr trat tat-
richten, wo Römer und Hunnen ihre Waren sächlich ein: ein Angriff des neuen bulgarischen
austauschen könnten. Die hunnischen Gesand- Zweiges des Türkentums (Bulgaren. Oguren, Sa-
ten mußten erfolglos zurückkehren. „Leo der raguren). Ernak und seine Hunnen hatten je-
Fleischer" ließ einen Handel zwischen den Rö- doch aus dem Schicksal Dengi(t)ziks die nötigen
mern und den hunnischen Herrschern nicht zu, Lehren gezogen. Sie boten sich in bescheidenem
weil die Hunnen, wie er sagte, dem Reich einst Ton mit Erfolg den Oströmern als „Föderaten"
großen Schaden zugefügt hatten. an, erhielten in der nördlichen Hälfte von Scy-
Die Antwort trennte die beiden Brüder. Den- thia Minor (tief heutigen Dobrudscha) Land
gi(t)zik wollte auf die Beleidigung mit Krieg zugewiesen und wurden mit der Grenzverteidi-
antworten, Ernak jedoch widersetzte sich diesem gung betraut. Über ihre Nachkommen hören
Plan, weil im Osten - in seinem Landesteil - ein wir noch lange.
Krieg im Anzug war. Der hitzköpfige Dengi(t)- Die seibständige Rolle der über die Wolga
zik war aber nicht aufzuhalten, er ging den Weg nach Europa vorgedrungenen Hunnen dauerte
seines Schicksals. Wie einst seine siegreichen Ah- ein Jahrhundert, eine Tatsache, die bei der
nen überquerte er im Winter 466/467 die zuge- Prütung ihrer archäologischen Hinterlassen-
frorene Donau und brach mit seinem militäri- schaften nicht außer acht gelassen werden darf.

209
Wenn zwischen zwei Jahreszalen ein Bruchstrich steht, so bedeutet die erste Zahl den Beginn der nominellen Regierung, die nach dem Bruchstrich den
Zeittafel tatsächlichen Beginn. Ein + nach einer Jahreszal bedeutet, daß der Bertreffende eines gewaltsamen Todes starb, auch dann, wenn er in einer Schlachtfiel.

RÖMER HUNNEN GOTEN

Weström. Kaiser m. tatkräftige Menschen Oström. Kaiser u. tatkräftige Menschen Westflügel Grosskönige Ostflügel Ostrogotische Könige Westgotische Könige

Ermanarich (um 3 5 0 - 3 7 5 + )
Valentinianus I. Athanarich
(364-375) Vasallen d. Hunnen Gegner d. Hunnen (364-381)

375 Gratianus Valens Balamber Gesimund Vithimir-Vinitnarius Frithigern 375


(367-383+) (364-378+) (375[?]-?) (375-376+) (376-382?)

Magnus Maximus Theodosius I.


(383-388+) (379-395) Viderich
( 3 7 6 - u m 405+)
Valentinianus II.
(373/75-392+)

Theodosius I.
(392-395)

Eugenius Rufinus
(392-394+) (388-395+)

Honorius Stilicho Arcadius Euthropius Hunimund Alarich I.


(393/95-423) (384/95-408+) (383/95-408) (395-399+) ( ? - u m 405) (391-410)
Uldin Donat
400 Kharaton (?-um 4l2+) Thurismu(n)d 400
(399-410)
(um 412) ( 4 0 5 ? - u m 407+)
Theodosius II. Anthemius Athaulf ( 4 1 0 - 4 1 5 + )
(402/8-450) (405-414) Mundschuk Interregnum
(um 4 1 5 - 4 2 0 ) Sigerich(?-415+)

Iohannes Galla Placidia Ruga Oktar Wallia ( 4 1 5 - 4 1 8 )


(423-425+) (423-450) (422-434) (?-430)
Theoderich I.
425 Galla Placidia Fl. Felix Aspar (418-451+) 425
Regent (425-437) (425-430+) (425-472+) Bleda Attila
(434-445+) (434-445)
Valentinianus III. Fl. Aetius
(424/25-455+) (424/30-454+)

Honoria Augusta Papst Leo I. Chrysaphius


Attila Valamer
(426-454) (d. Große) (441-450+)
(445-453) Ellak
(440-461) (447?-467+)
450 Marcianus (449-453) 450
(450-457) Thurismund
Ellak (451-453+)
Petronius Maximus (453-455+)
Theoderich II.
(455+)
Dengi(t)zik (453-466+)
Avitus Ricimer
(455-469+)
(455-456+) (456-472)
Ernak
Maiorianus (455-?)
(457-461+) Leo I.
(457-474)
460 460
Libius Severus
(461-465)
Anthemius Thiudimer
(467-472+) (467-474)

Orestes
(474-476+)
Ereignisse

vor 375 Die Hunnen überschreiten 422 Angriff der Hunnen auf Mösien 441/42 Gemeinsamer Krieg Bledas
die Wolga und besiegen die Alanen um oder nach 424 Friedensschluß Ru- und Attilas gegen das Oströmische
am 375 Die Hunnen zerstören unter gas mit Ostrom Reich; Sieg auf der Chersones
Balambers Führung das Reich Er- um 424 Ruga verlegt seinen Sitz in die 443 Friedensschluß zwischen den
manarichs Theißgegend Hunnen und den Oströmern (I. Frie-
Ende Sommer 376 Sieg der Hunnen de des Anatolius)
424/25 Aetius erbittet und erhält Hil-
über Athanarich am Dnjestr fe von Ruga; die Hunnen ziehen 445 Attila gelungt an die Macht
Herbst 376 Flucht der Wisigoten un- durch Valeria 445/46 Verhandlungen Corpilios mit
ter Führung von Alavivus und Friti- 425 oder kurz danach Die weströmi- Attila. Aetius überläßt Savia Attila,
gern sche Regierung übersiedelt die Ein- der weströmischer magister militum
9. August 378 Sieg des Wisigoten Fri- wohner und die Regierung von Vale- wird
tigern bei Hadrianopolis ria in die neu organisierte Provinz 447 Attilas Krieg gegen Ostrom;
11. Januar 381 Flucht Athanarichs Valeria Media im Vorraum der Iuli- Schlacht am Utus-Fluß
nach Konstantinopel schen Alpen; Valeria Ripensis wird 448 Anatolius schließt einen Vorfrie-
den Hunnen überlassen den mit Allila
Januar 395 Die Hunnen greifen Mö-
sien an 426 Aetius befreit mit seinen hunni- 448 Der Arzt Eudoxius, Anführer
schen Truppen das von den Wisigo- der Bagauden, flüchtet zu Attila
Frühling 395 Rufinus tritt -angeblich ten besetzte Arelas/Arelate
- mit den Hunnen in Verbindung Ende Sommer 449 Maximinus und
427 Die Oströmer besetzen und an- Priscus am Hofe Attilas
August-November 395 Verheerender nektieren das zum Weströmischen
Angriff der Hunnen gegen Klein- Reich gehörende Pannonia Secunda Frühling 450 Anatolius und Nomus
asien und Syrien schließen mit Attila Frieden (2. Frie-
vor 430 Erfolgloser Feldzug Oktars de des Anatolius)
Sommer 400 Schreckensherrschaft gegen die Burgunder
des Gaina in Konstantinopel Frühling-Sommer 451 Attilas galli-
432 Aetius flüchtet zu Ruga scher Feldzug; Schlacht bei Mauria-
23. Dezember 400 Uldins Sieg über
Gaina 434 Aetius wird mit hunnischer Un- cum
terstützung erneut militärischer Sommer-Herbst 452 Attilas italischer
vor 406 Aetius ist drei Jahre lang rö- Oberbefehlshaber des Weströmi-
mische Geisel bei Alarich Feldzug. Waffenstillstand beim Fluß
schen Reiches; Rugas Angriff gegen Mincio
23. August 406 Stilicho schlägt mit Thrazien
Hilfe Uldins bei Fiesole Radagais 453 Attilas Tod
434/35 Bündnisabkommen der West-
nieder römer mit den Hunnen in Rom; Frühjahr 455 Schlacht am Fluß Ne-
nach 406 Aetius als römische Geisel Pannonia Prima gerät unter hunni- dao. Sturz Ellaks und der Hunnen
bei den Hunnen sche Herrschaft Sommer-Herbst 456 Die Ostrogoten
408 Uldin nimmt die oströmischen 435 Bledas und Attilas Friedensdik- übersiedeln nach Pannonien
Gegenfestungen am Nordufer der tat bei Margus Winter 456/57 Erster Angriff Den-
unteren Donau ein und brennt sie 436 oder 437 Großer Sieg der Hun- gi(t)ziks und Ernaks gegen die
nieder nen über die Burgunder Ostrogoten Pannonies
408/09 Uldin überquert die untere 437 Litorius befreit mit Hilfe der 459 Dengi(t)zik unk Ernak belagern
Donau und führt Krieg um den Be- Hunnen das besetzte Narbona Bassiana
sitz von Castra Martis 469 Sturz des Dengi(t)zik
439 Niederlage des Litorius und sei-
24. August 410 Alarich erobert Rom ner Hunnen bei Tolosa
412 Olympiodorus' Friedensdelega- 440/41 Erfolgreicher Feldzug Bledas
tion bei Kharaton gegen die Oströmer; Pannonia Se-
cunda gerät unter hunnische Herr-
schaft

212
Verzeichnis der Abkürzungen

Acta ArchHung = Acta Archaeologica Acade- Diner: Catalog = Sammlung Géza v. Kárász,
miae Scientiarum Hungaricae, Budapest Catalog der Kunstgegenstände und Antiqui­
täten von J. Diner, Budapest 1890
Acta OrientHung = Acta Orientalia Academiae
Scientiarum Hungaricae, Budapest DissArch = Dissertationes Archaeologicae,
Budapest
Alföldi: Hunnenzeit = Alföldi, A.: Leletek a
hun korszakból és ethnikai szétválasztásuk - DissPann = Dissertationes Pannonicae, Buda­
Funde aus der Hunnenzeit und ihre ethnische pest
Sonderung. Arch. Hung. IX, Budapest 1932 Dolgozatok-Szeged = Dolgozatok a Szegedi
ArchAust = Archaeologia Austriaca, Wien Tudományegyetem Régiségtudományi Inté­
zetéből [Arbeiten des Archäologischen Insti­
ArchÉrt = Archaeologiai Értesítő, Budapest tuts der Universität der Wissenschaften in
Arch. Hung. = Archaeologia Hungarica, Buda­ Szeged]
pest Drewnosti (1982) = Drewnosti epochi weliko-
ArchSb = Archeologitscheski Sbornik, Lenin­ wo peresselenia narodow V-VIII. wekow, So-
grad wjelsko-wengerskij sbornik, Moskau 1982
BAR. = British Archaeological Reports, ELTE = Eötvös Loránd Tudományegyetem,
Oxford (Loránd-Eötvös-Universität der Wissen­
BBÁMÉ = A szekszárdi Béri Balogh Ádám schaften) Budapest
Múzeum Évkönyve [Jahrbuch des Szekszár- ESA = Eurasia Septentrionalis Antiqua,
der Ádám-Béri-Balogh-Museums] Helsinki
Beninger: Der westgotisch-alanische Zug = ÉTK = Értekezések a Történeti Tudományok
Beninger, E.: Der westgotisch-alanische Zug Köréből [Abhandlungen aus dem Bereich der
nach Mitteleuropa, Mannus-Bibliothek Geschichtswissenschaften), Budapest
Nr. 51, Leipzig 1931
Fettich: Szilágysomlyó = Fettich, N.: A szilágy -
BM = Balatoni Múzeum, Keszthely somlyói második kincs. Der zweite Schatz von
BMV = Bakonyi Múzeum, seit 1990 Laczkó Szilágysomlyó. Arch. Hung. VIII, Budapest
Dezső Múzeum, Veszprém 1932
BTM = Budapesti Történeti Múzeum (Histori­ Fettich: 1940 = Fettich. N.: A hunok régészeti
sches Museum der Stadt Budapest) emlékei. In: Attila és hunjai [Archäologische
Csallány: Gepiden = Csallány, D., Archäologi­ Denkmäler der Hunnen. In: Attila und seine
sche Denkmäler der Gepiden im Mitteldonau­ Hunnen]. Hrsg.: Németh, Gy. Budapest 1940,
becken (454-568 u. Z.). Arch. Hung. 227-264, 316-320 (Reprint 1986)
XXXVIII, Budapest 1961

213
Fettich: Nagyszéksós = Fettich, N.: A szeged- LFM = Liszt Ferenc Muzeum, Sopron
nagyszéksósi hun fejedelmi sírlelet. La trou- MAG = Mitteilungen der Anthropologischen
vaille de tombe princiére hunnique à Szeged- Gesellschaft in Wien
Nagyszéksós. Arch. Hung. XXXIII, Budapest
1953 MFM = Móra Ferenc Múzeum, Szeged
FoliaArch = Folia Archaeologica, Budapest MAI = Mitteilungen des Archäologischen
Instituts der Ungarischen Akademie der
GHA = Germanen, Hunnen und Awaren. Wissenschaften, Budapest
Schätze der Völkerwanderungszeit. Verlag
des Germanischen Nationalmuseums, Nürn- MFMÉ = A Móra Ferenc Múzeum Evkönyve
berg 1987 [Jahrbuch des Ferenc-Móra-Museums],
Szeged
Hampel: Alterthümer = Hampel, J.: Alterthü-
mer des frühen Mittelalters in Ungarn I—III, MGH AA = Monumenta Germaniae Histo-
Braunschweig 1905 rica, Auctores Antiquissimi
Hampel: Régibb középkor I. = Hampel, J. : MIA = Materialy i Issledowanija po Archeo-
A régibb középkor emlékei Magyarhonban I. logii SSSR, Moskau
[Denkmäler des frühen Mittelalters in Un- Minajewa: Pogrebenija = Minajewa, T. M.:
garn. I]. Budapest 1894 Pogrebenija s soschshennijem blis gor.
Hampel: Régibb középkor II. = Hampel, J.: Pokrowska. Utschennije Sapiski Pedagogi-
A régibb középkor emlékei Magyarhonban II. tscheskij Fakultet Saratowskowo Universiteta
[Denkmäler des frühen Mittelalters in Ungarn 6, 1927, 91-123
H]. Budapest 1897 MKÉRT = Múzeumi és Könyvtári Értesítő
HMMM = Hansági Múzeum, Mosonmagyar- [Mitteilungen für Museen und Bibliotheken],
Budapest
óvár
HOM = Herman Ottó Múzeum, Miskolc MNM = Magyar Nemzeti Múzeum (Ungari­
sches Nationalmuseum), Budapest
HOMÉ = A Herman Ottó Múzeum Évkönyve
[Jahrbuch des Ottó-Herman-Museums], Mis- MRT = Magyarország Régészeti Topográfiája
kolc [Archäologische Topographie Ungarns],
Budapest
JbfA = Jahrbuch für Altertumskunde, Wien
MTA = Magyar Tudományos Akadémia [Un­
JOÖMV = Jahrbuch des Oberösterreichischen garische Akademie der Wissenschaften],
Musealvereins, Linz Budapest
JPEK = Jahrbuch für prähistorische und ethno- MTAK = A Magyar Tudományos Akadémia
graphische Kunst, Berlin IL társadalmi-történeti tudományok osztá­
JPM = Janus Pannonius Múzeum, Pécs lyának közleményei. Régészet [Mitteilungen
JPMÉ = A Janus Pannonius Múzeum Év- der Abt. II für Gesellschafts- und Geschichts­
könyve [Jahrbuch des Janus-Pannonius- wissenschaften der Ungarischen Akademie
Museums], Pécs der Wissenschaften. Archäologie]. Budapest
JRGZM = Jahrbuch des Römisch-Germani- OAK = Ottschet Imperatorskoj Archeologi-
schen Zentralmuseums, Mainz tscheskoj Komissii, Sankt Petersburg
Katalog Nibelungenlied = Ausstellungskatalog OrnJank = Ornatus pretiosi et argentei e collec-
des Vorarlberger Landesmuseums Nr. 86, tione Nicolai Jankovich
Bregenz 1979 PA = Památky Archeologické, Prag
Katalog Severin = Katalog Severin zwischen Párducz: Hunnenzeit = Párducz, M.: Die eth­
Römerzeit und Völkerwanderung, Linz 1982 nischen Probleme der Hunnenzeit in Ungarn.
KSIA = Kratkije Soobschtschenija Instituta StudArch I, Budapest 1963
Archeologii Akademii Nauk SSSR (Moskau) PLRE 2. = Martindale, J. R.: The Prosopogra-
KSIAK = Kratkije Soobschtschenija Instituta phy of the Later Roman Empire 2. A. D.
Archeologii Akademii Nauk USSR (Kiew) 395-527, Cambridge 1980

214
Pósta: Studien = Pósta, B.: Régészeti tanulmá­ SCIVA = Studii şi cercetări istorie veche (şi
nyok Oroszföldön - Archäologische Studien arheologia). Bukarest
auf Russischem Boden. Budapest - Leipzig SowArch = Sowetskaja Archeologia, Moskau
1905 StudArch = Studia Archaeologica, Budapest
Pulszky: Szilágy-Somlyó = Pulszky, F.: Die TTKAEE = Trudy Tuwinskoj Komplexnoj Ar-
Goldfunde von Szilágy-Somlyó. Budapest cheologo-Etnografitscheskoj Expedizii I.
1890 Moskau 1960, IL Moskau-Leningrad 1966.
PWRE = Pauly-Wissova-Realenzyklopädieder HL Leningrad 1970
klassischen Altertumskunde Vágó-Bóna: Intercisa = Vágó, E. B.-Bóna, I.:
RGA = Reallexikon der Germanischen Alter­ Die Gräberfelder von Intercisa I. Der spätrö­
tumskunde. Begründet von J. Hoops. Zweite mische Südostfriedhof. Budapest 1976
Auflage. Berlin - New York 1973 VMMK = A Veszprém Megyei Múzeumok
RRM = Rippl-Rónai Múzeum, Kaposvár Közleményei [Die Mitteilungen der Museen
Samokwasow: Katalog = Samokwasow. Ja. D.: des Komitats Veszprém], Veszprém
Osnowanija chronologitscheskoj klassifikazii, WMM = Wosinszky Mór Múzeum, Szekszárd
opissanije i katalog kollekzii Drewnostej Pro- (bis 1988 Béri Balogh Ádám Múzeum)
fessora D. Ja. Samokwasowa. Warschau 1892 WPZ = Wiener Prähistorische Zeitschrift, Wien
Sassetzkaja: Solotyje ukraschenija = Sassetz- XJM = Xantus János Múzeum, Győr
kaja, I. P.: Solotyje ukraschenija gunnskoj
epochi. Leningrad 1975

215
Literatur

Die Geschichte der Hunnen hat eine Aufarbei­ gyarország története" [Die Geschichte Un­
tung erfahren, die in ihrer Gründlichkeit, Viel­ garns], Band 1, MTA Történettudományi Inté­
seitigkeit und vor allem Objektivität, wäre sie zete, Budapest 1971, A hunok [Die Hunnen],
nicht in Ungarn und in ungarischer Sprache 1-24 und 104-110. Erschienen in: Magyaror­
erschienen, die Forschungen der nächsten Jahr­ szág története. Előzmények és magyar történet
zehnte in eine viel realere Richtung als die heuti­ 1242-ig [Die Geschichte Ungarns. Vorereignisse
ge hätte leiten können. In dem von dem Turko- und ungarische Geschichte bis 1242], Verlag der
logen Gy. Németh herausgegebenen, 332 Seiten Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Bu­
umfassenden Sammelband „Attila és hunjai" dapest 1984, 265-288, 1586-1590 (2. Ausgabe
[Attila und seine Hunnen] (Budapest 1940) wur­ 1987). Meine weiterentwickelten Ansichten sind
den von dem Innerasien persönlich kennenden zusammengefaßt unter dem Titel: „Die Hunnen
Altaist-Sinologen L. Ligeti die Kapitel „Attila in Noricum und Pannonien. Ihre Geschichte
hunjainak eredete" [Der Ursprung der Hunnen im Rahmen der Völkerwanderung", im Katalog
Attilas] und „Az ázsiai hunok" [Die asiatischen Severin zwischen Römerzeit und Völkerwande­
Hunnen] verfaßt, von P. Váczi der schwungvoll rung (Linz 1982, 179-200), wo auch die für das
geschriebene geschichtliche Teil „A hunok Eu­ Verständnis des historischen Hintergrundes not­
rópában" [Die Hunnen in Europa], von S. Eck­ wendigen archäologischen Funde der Hunnen in
hardt das geistreiche Kapitel „Attila a mondá­ Pannonien behandelt sind, zusammen mit der
ban" [Attila in der Sage], von Gy. Németh „A sich auf die Fundumstände beziehenden Litera­
hunok nyelve" [Die Sprache der Hunnen] und tur.
das selbst in Ungarn auch bisher nicht die ihm Meine Auffassung ist zwar weit entfernt selbst
gebührende Beachtung findende „Hunok és ma­ von dem Gedanken an eine hunnisch-ungarische
gyarok" [Hunnen und Ungarn] sowie von N. Verwandtschaft, dennoch versuche ich, die
Fettich „A hunok régészeti emlékei" [Die ar­ Ereignisse vom Standpunkt der Hunnen zu unter­
chäologische Hinterlassenschaft der Hunnen]. suchen. Meine Betrachtungsweise wurde da­
Dieser mit einem überwältigenden fachliterari­ durch in großem Maße erleichtert, daß die Chro­
schen Apparat ausgestattete Band stellte für nisten der Klöster des Mittelalters über die Alt­
meine Arbeit immer eine Basis dar und war mir ungarn die gleichen Phantastereien des Alter­
richtunggebend. Reprint: Budapest 1986, mit tums wiederholten, das Verzehren des unter dem
einem Vorwort von J. Harmatta (I.-XXXIX). Sattel mürbe gerittenen Fleisches inbegriffen,
Meine eigene Konzeption über die Geschichte die bereits in Verbindung mit den Hunnen zu­
der Hunnen, die sich zu einem nicht geringen sammengetragen wurden. Und obwohl uns Un­
Teil auf meine damals fast zwei Jahrzehnte lange garn von der ehemaligen Glorie der Hunnen
archäologische Forschungstätigkeit stützt, habe kein einziger Lichtstrahl gebührt, ist es vielleicht
ich im Jahre 1970 unter dem Titel „A népván­ verständlich und verzeihbar, wenn wir die Hun­
dorláskor" [Die Völkerwanderungszeit] zusam­ nen nicht nur verständnislos und feindselig be­
mengefaßt. Vervielfältigtes Manuskript zu „Ma­ handeln. Denn eine andere Darstellung gibt es

216
nicht. Ein trauriges Kapitel der Historiographie der These und über die Goldmünzen von Csák­
ist, daß sich auch jene Wissenschaftler nicht von vár: V. Lányi, Die Fundmünzen der römischen
der Voreingenommenheit des Altertums oder Zeit in Ungarn 1. Bonn - Budapest 1990, 45.
eben der neuesten Zeit frei gemacht haben, die Aus der Sicht der ostgermanischen Geschichte
durch ihre weite Entfernung von der Alten Welt analysiert L. Schmidt die durch die Hunnen ver­
oder zumindest von Europa die Möglichkeit ursachten Ereignisse in seinem klassischen
dazu gehabt hätten. Werk: Die Ostgermanen, München 1941. Das­
selbe tut, jedoch unter gewisser Zurückdrängung
Gesthichtswerke der Rolle und Bedeutung der Hunnen, H. Wolf­
In den Standardwerken der spätantiken Ge­ ram. Geschichte der Goten, München 1979.
schichte erscheinen die Hunnen und die Vertre­ Auch in seiner Kürze nützlich ist L. Musset, Les
ter der hunnischen Angelegenheit natürlich aus invasions; Les vagues Germaniques, Paris 1969,
der Sicht der spätrömischen Geschichte, oft nur wo die Geschichte der Hunnen, sich vor allem
im Hintergrund: J. B Bury. History of the Later auf Priscus stützend, zusammengefaßt ist.
Roman Empire, London 19232, I. 101-105, 135, Zur Biographie der Hauptdarsteller des Zeit­
212-213, 223-225, 240-241, 250, 265-298, 318, alters benutzte ich natürlich das Opus von J. R.
405-406, 434 und E. Stein, Histoire du Bas Em­ Martindale: The Prosopography of the Later
ire, Amsterdam 19682, I, 188-189, 237, 247, Roman Empire 2. A. D. 395-527, Cambridge
250, 283-285, 289-293, 317-337, 357, 390-396. 1980. Um nur die wichtigeren Namen zu erwäh­
A. H. M. Jones, The Later Roman Empire nen: Aetius, Anagastes, Anatolius, Anthemius,
284-602, Oxford 19732 152-153, 176-189, Arnegisclus, Aspar, Attila, Bleda, Carpilio, Edi­
192-194, 199-201, 218-219, 223. Meiner Auflas­ ka, Epigenes, Felix, Honoria, Litorius, Maximi­
sung steht nahe M. A. Wes, Das Ende des Kai­ nus, Nomus, Oebarsius, Onegesius, Orestes, Pla­
sertums im Westen des Römischen Reiches, cidia, Plintha, Priscus, Rua, Senator, Theode­
's-Gravenhage 1967. Wichtige Einzelheiten im rich, Theodosius, Theodolus, Vldin, Valentinia­
Zusammenhang mit den Ereignissen n Italien nus, die trotz ihrer philologischen Detailliertheit
unter Stilicho und Aetius enthalten die Mono­ dem Historiker viele Sorgen und Kopfzerbre­
graphien: S. Mazzarino. Stilicone. La crisi impe­ chen bereiten. Von seinen Fehlern stört uns be­
riale dopo Teodosio, Roma 1942, und A. V. sonders die konsequente Verwechslung des von
Sirago, Galla Placidia e La Trasformazione Po­ Priscus ausdrücklich an die Donau versetzten
litica deli' Occidenle, Louvain 1961. Bezüglich Margus mit Horreum Margi an der March (heu­
Pannonien konnte ich nur stellenweise dem te: Čuprija, Serbien).
Werk L. Váradys, Das letzte Jahrhundert Pan- Im englischen Sprachgebiet zählt die erste mo­
noniens 376-476, Budapest 1969, folgen, das derne Aufarbeitung der hunnischen Geschichte
trotz wichtiger Erkenntnisse die Rolle der pan­ nach dem Zweiten Weltkrieg schon zu den Klas­
nonischen Föderaten überschätzt und die Be­ sikern: E. A. Thompson. A History of Attila and
deutung der hunnischen Macht unterschätzt. the Huns, Oxford 1948. Seine Zusammenfas­
Gemäß Váradys Thesen gelangte das pannoni- sung über die historischen Ereignisse ist bis heu­
sche Gebiet zwischen Donau und Drau nie unter te am zuverlässigsten, seine wirtschaftshistori­
hunnische Herrschaft. Dies widerspricht nicht schen Folgerungen nahm die ungarische For­
nur den Aussagen der damaligen Schriflquellen, sch ung jedoch von Beginn an nur mit stark kriti­
sondern auch dem reichen archäologischen schem Vorbehalt auf (vgl. die Rezension von
Fundmaterial Pannoniens. Die Archäologie J Harmatta. ArchÉrt 76, 1949, 117-118). Die
wurde vom Autor bewußt nicht zur Kenntnis den Entwicklungsstand der hunnischen Wirt­
genommen, das bedeutet, daß er sich auf den schaft und Gesellschaft verblüffend unterschät­
Standpunkt einer 50-100 Jahre allen Ge­ zenden Thesen konnten nicht einmal allein im
schichtsschreibung gestellt hat. Eine neue histo­ Licht der archäologischen Funde jemals akzep­
rische Entdeckung von großer Bedeutung ist die tiert werden. Eine ähnlich simplifizierende und
planmäßige Räumung von Valeria Ripensis und verallgemeinernde Auffassung charakterisiert
die Umsiedlung der Einwohner der Provinz: E. das Werk von A. N. Bernschtam, Otscherki isto­
Tóth, Provincia Valeria Media. Acta ArchHung rii gunnow, Leningrad 1951, welches übrigens
41, 1989, 197-226. Archäologische Fundierung der Forschung praktisch unbekannt blieb. Gro-

217
ße Wirkung auf die moderne Beurteilung der don 1973, bzw. deren deutsche Ausgabe: Die
hunnischen Gesellschaft, hauptsächlich zur Zeit Welt der Hunnen. Eine Analyse ihrer historischen
Attilas, hatten die Arbeiten von J. Harmatta: A Dimension, Wien 1978, ein aus Nachlaß-Manu-
hun aranyij [Der hunnische Gold bogen], skripten zusammengestellter, dicker Band, ist be-
MTAK VI/1 1951, 123-187; The Golden Bow züglich der Berichte über die Hunnen zweifellos
of the Huns, Acta ArchHung 1, 1952, 107-151; die bisher über die meisten Einzelheiten verfü-
A hun birodalom felbomlása [Die Auflösung des gende, mit philologischer Methode zusammen-
Hunnenreiches], MTAK II. 2, 1952, 147-192; gestellte Sammlung, ein wahres Lexikon der
„The Dissolution of the Hun Empire. Hun So- „Hunnenkenntnis", mit allen Vor- und Nachtei-
ciety in the Age of Attila", Acta ArchHung 2, len der Kunstgattung. Trotzdem kann der Autor
1952, 277-305; „La société des Huns à l'époque die Hunnen genauso wenig verstehen wie die von
ď Attila", Recherches internationales, à la lu- ihm so scharf und ungerecht kritisierten E. A.
mière du marxisme II. Paris 1957, 179-238. Thompson und andere. In den Detailstudien des
L' apparition des Huns en Europe orientale. Autors, in denen er zu allem eine Analogie sucht,
Acta AntiquaHung 24, 1976, 277-283. F. Alt- die Angaben einmal hyperkritisch, das andere
heim und Mitarbeiter, Attila und die Hunnen, Mal weniger kritisch überblickt, geht gerade das
Baden-Baden 1951; Geschichte der Hunnen Wesentliche der Hunnen und der hunnischen
I-V, Berlin 1959-1962, behandeln alle Hunnen Geschichte unrettbar verloren. Unter den neue-
genannten Völker, doch verlegt sich die Beto- ren Zusammenfassungen verdient das kleine
nung eher auf die Osthunnen. Über die eurasi- Handbuch von L. Hambis, Attila et les Huns,
schen Völkerbewegungen des 1.-6. Jh. im Licht Presses Universitaires de France, Paris 1972,
der orientalischen Quellen: K. Czeglédy, From erwähnt zu werden. Über die eingangs aufge-
East to West: The Age of Nomadic Migrations zählten Standardwerke zur Geschichte der Zeit
in Europe. Archivum Eurasiae Medii Aevi 3, der Franken und Childerichs hinaus noch E.
1983, 22-126. Ein klassisches Werk in diesem Zöllner, Geschichte der Franken bis zur Mitte
Themenkreis ist R. Grousset, L' Empire des des sechsten Jahrhunderts, München 1970,
Steppes. Attila, Gengis Khan, Tamerlan, Paris 30-39 und J. M. Wallace-Hadrill, The Long-
19604 - leider ist der Teil über die Hunnen in Haired Kings and other Studies in Frankish
Europa, 115-125, recht wortkarg. History, London 1962, 158-184 und eine gute
Grundlegende Werke zur Geschichte der Ge- historisch-archäologische Darstellung Galliens
biete nördlich und südlich des Kaukasus wäh- im 5. Jahrhundert: P. Périn - L. Ch. Feffer, Les
rend der Hunnenzeit sind: K. Czeglédy, Kauká- francs. Tome 1. A la conquéte de la Gaul. Paris
zusi hunok, kaukázusi avarok [Kaukasische 1987.
Hunnen, Kaukasische Awaren], Antik tanulmá- Über den Gallienfeldzug Attilas und seine Poli-
nyok 2, 1955, 121-140., K. W. Trewer,Otscherki tik: É. Démougeot, Attila et les Gaulois (Cha-
po istorii i kulture kawkaskoj Albanii IV. w. do lons-sur-Marne 1958). Über die führenden frän-
n.e. - VII. w.n.e., Moskau-Leningrad 1959, kischen Persönlichkeiten der Zeit mit recht ab-
178-334, A. W. Gadlo, Etnitscheskaja istorija weichenden Ergebnissen: R. Wenskus, Childe-
Sewernowo Kawkasa IV. - X. w w., Leningrad rich von Tournai (RGA 4, Berlin-New York
1979 und W. B. Kowalewskaja, Kawkas i alany, 1980), ders., Chlodio (ebd.) und H. H. Anton,
Moskau 1984, 74-131. Streifzug im J. 395: K. Chlodwig (ebd.).
Czeglédy, The Syriac Legend Concerning Ale- Über die Sprache und die Personennamen der
xander the Great. Acta OrientHung 7, 1957, Hunnen bis heute grundlegend ist: Gy. Németh,
231-249. Die Geschichte der Hunnen im Osten, A hunok nyelve [Die Sprache der Hunnen] (Atti-
also in Mittelasien, faßt L. N. Gumilew in Hun- la és hunjai, Op. cit., 217-226, 315-316). Als eine
nu. Sredinnaja Asija w drewnije wremena, Mos- Sprache bulgarischen Typs gewertet: J. Benzig,
kau 1960, zusammen. Das Hunnische, Donaubulgarische und Wolga-
Die vom Herausgeber als „absoluter Wende- bulgarische (Fundamenta I, Wiesbaden [1969],
punkt" apostrophierte, postume Zusammenfas- 685-751). Ausführlich über den Namen *Tengi-
sung von O. J. Maenchen-Helfen, The World of zich-Dengizikh: L. Ligeti, Sur deux mots co-
the Huns. Studies of Their History and Culture. mans (Acta Antiqua Hung 10 [1962] Moravcsik-
Ed. by Max Knight, Berkeley-Los Angeles-Lon- Festschrift, 168-173). Unseren Vorstellungen

218
nah steht: O. Pritsak, The Hunnic Language of Römische Geschichte I—IV, Übers, und Hrsg.
the Attila Clan (Harward Ukrainian Studies VI W. Seyfarth. Berlin 1970-1971; Jordanes: Ro-
[1982], 428-476) - wenn wir der Arbeit auch mana et Getica, Hrsg. Th. Mommsen. MGH
nicht in allem gefolgt sind. Zwei bis drei türki- AA Bd. V. 1. Berlin 1882; Claudius Claudianus:
sche Namenvarianten sind aus dem bereits er- Carmina, Hrsg. J. Koch, MGH AA Bd. X. Leip-
wähnten Vorwort von J. Harmatta übernom- zig 1893, Consularia Constantinopolitana und
men worden. dazu die Continuatio Prosperi Havniensis, fer-
Über die Mongolen und ihr Reich, als über die ner Prosper Tiro: Epitoma Chronicon sowie die
meistbekannte östliche „nomadische" Forma- Chronica Gallica, Hrsg. Th. Mommsen im I.
tion, neuestens: I. Vásáry, Az Arany Horda (Die Band der Chronica Minora, MGH AA Bd. IX.
Goldene Horde], Budapest 1986. Berlin 1892; Hydatius: Chronicon; Marcellinus
Ein Schulbeispiel der falschen topographi- Comes: Chronicon; Cassiodorus: Chronicon;
schen Erläuterungen zum hunnischen Zentrum Victor: Chronicon Caesaroaugustanorum und
ist: R. Browning. Where was Attila's Camp (The die Consularia Italica, Hrsg. Th. Mommsen im
Journal of Hellenistic Studies 73 [1953], II. Band der Chronica Minora, MGH AA Bd.
143-145) - , über die „Route durch das Timok- IX. Berlin 1894; Sidonius Apollinaris: Epistolae
Tal" der Maximinus-Priscus-Gesandschaft - et carmina. Hrsg. P. Mohr, MGH AA Bd. VIII.
doch der kürzere Weg ist nicht immer der schnel- Leipzig 1895; Salvianus: De gubematione Dei in
lere. Die Literatur über die Frage ist uferlos. In der Herausgabe von K. Hahn, MGH AA Bd. I.
Ungarn sind seil 1754 immer wieder die bunte- I. Berlin 19612; der die hunnenzeitlichen Ver-
sten Ideen aufgetaucht, die heutzutage allerdings ordnungen des oströmischen Kaisers enthalten-
schon als wissenschaftsgeschichtliche Sonder- de Codex Theodosianus, Hrsg. Th. Mommsen
heiten gellen. und P. M. Meyer, Theodosiani libri XVI. Bd.
Die Vorstellungen, nach denen die Holzpalä- I—II., Berlin 19623; Excerpta Valesiana, Hrsg.
ste des hunnischen Zentrums von „Germanen" J. Moreau-W. Welkow. Bibliotheca Teubneria-
oder gar „Slawen" errichtet worden wären, ge- na, Leipzig 1968; Les Burgundionum, Hrsg. L.
hören zu den „historischen Krankheiten" der Rudolf Salis, MGH Leges Germanicarum II. 1,
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vgl. dazu die Berlin 1892; Gregorii episcopi turonensis Histo-
kritische Zusammenstellung von F. Vámos, Atti- riarum libri decem, Hrsg. B. Krusch, MGH
las Hauptlager und die Holzpaläste. Sbornik Scriptores rerum Merovingicarum Bd. I. Berlin
Instituta imeni N. P. Kondakova V (1932), 19512; Fredegar: Chronica, Hrsg. B. Krusch.
131-148. MGH Scriptores rerum Merovingicarum Bd. II.
Ich selbst gehe bei meiner Arbeit von dem Hannover 1888; Hieronymus: Epistulae, Hrsg.
Augenzeugen Priscus aus und stütze mich vor I. Hilberg, Corpus Scriptorum Ecciesiasticorum
allem auf die zeitgenössischen Aufzeichnungen. Latinorum LIV-LVI. Wien 1910-1918, schließ-
In deren Licht erweist sich die „klassische" Cha- lich die im 6.-9. Jahrhundert entstandenen und
rakterisierung des Ammianus Marcellinus und aufgezeichneten Legenden der Heiligen von Gal-
seiner Anhänger als typischer Topos. Und dies lien im 5. Jahrhundert: Vita Aniani, Vita Memo-
erkannten auch bereits andere (vgl. bei O. J. rii, Vita Lupi episcopus Trecensis, Hrsg. B.
Maenchen-Helfen, The Date of Ammianus Mar- Krusch, MGH Scriptores rerum Merovingica-
cellinus' Last Books, American Journal of Philo- rum Bd. III. Berlin 19512. Über Datierung und
logy 76, 1955, 384-399, und diesem folgend die historische Authentizität der Vita Aniani neue-
Studien anderer). stens, mit großem Optimismus B. Czut, Acta
Historica Universitatis Szegediensis LXXXI,
Schriftquellen 1983. 3-10.
Die sich auf die Hunnen beziehenden Textstellen Grundlegend zu Priscus und Olympiodorus -
in lateinischer Sprache verwendete ich - mit nur sogar zur Zeit selbst - C. D. Gordon, The Age
ganz wenigen Ausnahmen - im Original, über- of Attila, Fifth Century Byzantium and the Bar-
prüfte diese und übersetzte die in diesem Buch barians, Ann Arbor 1960. Eine etwas kürzere
angeführten Zitate ins Ungarische. Auswahl und weniger gute Übersetzung der sich
Die verwendeten Textausgaben: Ammianus auf die Hunnen beziehenden Fragmente von
Marcellinus: Rerum gestarum libri XXXI = Priscus gibt H. Homeyer, Attila. Der Hunnenkö-

219
nig von seinen Zeitgenossen dargestellt, Berlin menden Kesselfund aufarbeitete, publizierte
1951. Das Buch enthält auch die in Frage kom­ erstmals die zwei aus Ungarn stammenden Kes­
menden Texte des Eunapius, Orosius, Zosimus, sel zusammen mit zwei Parallelen aus dem Wol-
Sozomenos, Sokrates und Kallinikos. Die sich ga-Wjatka-Gebiet und einem aus dem Ob-
auf die West- und Osthunnen (Hephtaliten) be­ Gebiet (Bijsk). Wosinsky bestimmte die Kessel
ziehenden armenischen Quellen wurden von als Opfergefäße innerasiatischen Ursprungs und
L. M. Ter-Mkrtitschjan herausgegeben: Arm- versuchte bereits ihren Zweck anhand der Fels­
janskije istotschniki o Srednej Asii V.-VII. w., zeichnungen von Kysyl-Kaja zu erklären. Für
Moskau 1979. die Zeitbestimmung der völkerwanderungszeitli­
Mit der Lokalisierung der Schlacht auf dem chen Kessel zog auch er die damals noch immer
Campus Mauriacus befaßt sich D. Jalmain an­ nicht veröffentlichten Gold funde von Höckricht
hand von historischen, archäologischen und to­ heran: A kaposvölgyi népvándorlás kori üst
pographischen Angaben sowie mit Hilfe von [Der im Kapos-Tal gefundene Kessel aus der
Luftaufnahmen immer erfolgreicher, ich bin ihm Zeit der Völkerwanderung], ArchErt 11, 1891,
für seine Angaben dankbar. Sein Forschungsbe­ 427-431. Nach seiner Studienreise in Rußland
richt: Attila en Gaule. Archaeologia 205, 1985, formulierte er seine Ansichten noch eingehender
72-75. und präziser: Tolna vármegye az őskortól a
honfoglalásig [Das Komitat Tolna von der Ur­
Die hunnischen Kessel als Leitfaden zeit bis zur Landnahme], Budapest 1896, IL
der archäologischen Forschungsgeschichte 986-992, Taf. 191-192 und Zeichnungen. Die
Die archäologische Literatur der Hunnenfor­ Publikation des Fundes von Höckricht, E. Krau­
schung wurde von mir, mit besonderem Hin­ se, Der Fund von Höckricht, Schlesiens Vorzeit
blick auf die ungarische archäologische Litera­ in Bild und Schrift III, 1904, 46-50, brachte die
tur, eingehend analysiert: Die archäologischen mit den Kesseln zusammenhängenden Fragen
Denkmäler der Hunnen und der Hunnenzeit in der Lösung kaum näher, sie verursachte bloß
Ungarn im Spiegel der internationalen Hunnen­ den emotionell gefärbten Protest J. Hampels,
forschung, Ausstellungskatalog Nibelungenlied, ArchÉrt 25, 1905, 85-87, wo er auch Krauses
Bregenz 19793, 297-317 und 318-325. Abbildungen übernimmt, nachdem Hampel
Den Anfang Frühjahr 1869 gefundenen, in schon vorher in zwei großen Studien ein Be­
der Fachliteratur als ersten veröffentlichten hun­ kenntnis zu der unbedingt skythischen Herkunft
nischen Bronzekessel aus Törtel erkannte bereits und Datierung der Kessel von Törtel, Kaposvölgy
Fl. Rómer als völkerwanderungszeitlich: Képes und der mit diesen verwandten abgelegt hatte.
kalauz a Magyar Nemzeti Múzeum Érem- és Die Bestimmung der ostasiatischen Wurzeln
Régiségtárában, Pest 1870, Abb. 114; ders.: Illu­ der hunnischen Kessel war das Verdienst von Z.
strierter Führer in der Münz- und Altertumsab­ Takács, der, die chinesischen Formen, techni­
theilung des Ung. Nazionalmuseums [sic!], Pest schen Elemente und Ornamente erkennend, als
1870, Abb. 114; ders.: A czakói bronz edény erster aussprach, die Kessel seien die archäologi­
[Das Bronzegefäß von Czakó], ArchÉrt II, 1870, schen Zeugnisse für die hunnische Bewegung:
290-292, Abb. 2. Einige Wochen später, anläß­ Turan 1, 1913, 2-9; Ostasiatische Zeitschrift 3,
lich einer Studienreise nach Berlin, wurde er auf 1914/15, 275; ArchÉrt 35, 1915, 221-222; zu­
die Parallele des Kessels von Törtel aufmerk­ sammenfassend: Chinesische Kunst bei den
sam, nämlich auf den (noch 35 Jahre wissen­ Hunnen, Ostasiatische Zeitschrift 4, 1915/16,
schaftlich unveröffentlichten) Kessel aus Höck­ 174-188. In seinen Arbeiten veröffentlichte er
richt in Schlesien. Und aufgrund der Zusam­ gute Fotografien sowohl von den in Ungarn
menhänge datierte er auch den Fund aus Höck­ gefundenen Kesseln als auch von deren Paralle­
richt (Jedrzychovice) in die Völkerwanderungs­ len in Rußland. Takács gelangte bezüglich der
zeit, ArchÉrt III, 1870, 114-115. P. Reinecke, Zeitbestimmung der Kessel durch die Diskus­
dem nach Alföldis Meinung die richtige Zeitbe­ sion über das in dem Römerkastell Intercisa
stimmung der hunnischen Kessel zuzuschreiben gefundene und eine entscheidende Rolle spielen­
ist, kam erst 26 Jahre später, 1896, zu der glei­ de Fragment (A. Hekler, ArchÉrt 30, 1910, 32,
chen Erkenntnis. M. Wosinsky, der den zweiten, der noch Hampels „skythische" Bestimmung
aus Hőgyész im Tal des Kapos-Flusses stam­ vertreten mußte, gegenüber L. Márton, Praehi-

220
storische Zeitschrift 4, 1912, S. 185, und M. dem Verzeichnis angeführt; er hat nichts mit
Ebert, a. a. O., 453-454 sowie Z. Takács, Ostasia­ dem Kessel zu tun. Bereits T. Nagy hat in seinem
tische Zeitschrift 4, 1915/16, S. 115) zu einer Werk Budapest Műemlékei II. [Budapester
neuen Synthese: Chinesisch-hunnische Kunst­ Kunstdenkmäler II], Budapest 1962, 66-67, auf­
formen IL Hunnische Opferkessel. Bulletin de geworfen, die Kessel von Törtel und aus dem
l'Institut Archéologique Bulgare 3, 1925, Kapostal seien auf ungarischem Boden herge­
205-229. In dieser Arbeit erkannte er mit Hilfe stellt worden, und diese Annahme erstreckte er
des Fundes von Höckricht auch den hunnischen auch auf einige Schmuckstücke.
Ursprung der Funde von Pécs-Üszögpuszta und Mit Verbreitung, Herstellungstechnik, Typ,
Musljumowo. Eine jüngere Studie sollte endgül­ und Rolle befaßten sich zuletzt eingehend R.
tig den ostasiatischen Ursprung der betreffenden Harhoiu-P. Diaconescu, Hunnische Kessel aus
Kesselgruppe entscheiden: Sino-Hunnica, Pe­ Muntenien, Dacia 28, 1984, 99-116. Dabei regi­
trovics Elek Emlékkönyv - Alexis Petrovich An- strierten sie 30 Kennzeichen von 20 Kessel-
niversary Volume, Budapest 1934, 21-31, bruchstücken - auf alle Fälle viel später als
151-162, und zwar ein Jahr vor der Publikation wir, vgl. Katalog Nibelungenlied 1979, a. a. O.
der bis dahin grundlegendsten Sammlung von Im selben Jahr veröffentlichlen das in panno­
Bronzekesseln aus dem Gebiet der chinesischen nischer Hinsicht wichtige Kesselbruchstück
Großen Mauer (Namio Egami und Seichii Mizu- von Celamanlia-Leányvár K. Kuzmová-J. Raj­
no. Inner Mongolia and the Region of the Great tár, Archeologické výskumy á nálezy na Slo­
Wall, Tokyo und Kyoto 1935. Die Vorgänger vensku v roku 1983. Nitra 1984, 138-140, 75,
der europäischen Kessel sind auf den Tafeln Abb. 9 sowie K. Pieta: GHA 1987, 414. IX
XXIV-XXXIV und den Abbildungen 102-114 25a-c.
wiedergegeben, so auch der Kessel von Noin Die Kesseldarstellungen auf den Felszeich­
Ula). Schließlich ist es auch das Verdienst von nungen von Kysyl-Kaja und Bojarskaja als aus
Takács, anhand des in der Umgebung von der Bronze- bzw. frühen Eisenzeit stammend
Troyes gefundenen Kesselhenkels die Ge­ behandelt überzeugend N. A. Bokowenko, Pro-
schichte der europäischen Hunnen erfolgreich blemi sapadnosibirskoj archeologii. Epocha she-
mit den bis zur Mitte unseres Jahrhunderts ge­ lesa, Nowosibirsk 1981, 42-52. Spätestens tagar-
fundenen europäischen Kesseln in Verbindung zeitliche sind aus dem 7.-2. Jahrhundert v. Chr.
gebracht zu haben (Catalaunischer Hunnenfund Vgl. mit der Beobachtung von A. I. Martynow,
und seine ostasiatischen Verbindungen, Acta Lesoslepnaja Tagarskaja kultura. Nowosibirsk
OrientHung 5, 1955, 143-173). Der vollständig 1979, 92.
erhaltene Kessel von Desa (der nach D. Berciu.
Archeologia preistorica a Olteniei, Craiova Allgemeine Forschungsgeschichte
1938, Abb. 234, 292, aus Ciuperceni stammt) der hunnischen Denkmäler
und der Kesselhenkel von Hotărani wurden von Das erste gut aufgearbeitete und publizierte
I. Nestor und C. N. Plopşor, Hunnische Kessel hunnische Frauengrab mit Diadem war jenes von
aus der Kleinen Walachei, Germania 27, 1937, Csorna: A. Lakner, Csornai leletekről [Über
178-182, publiziert. Funde von Csorna], ArchÉrt 9, 1889. 263-272.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung Hampel bestimmte zwar in: A régibb közép­
des letzten Kesselfundes aus Ungarn faßte I. kor I., 17-19, die Zeit der Funde richtig, vermu­
Kovrig die Probleme der bisher bekannt gewor­ tete später sogar ihren hunnischen Ursprung
denen hunnischen Kessel zusammen, wobei sie (ders. 11. 1897, 110), brachte jedoch das Diade-
auch die Resultate der Spektralanalyse der Kes­ mengrab mit den in der Umgebung von Csorna
sel mit einbezog: Hunnischer Kessel aus der später erschlossenen germanischen Grabfunden
Umgebung von Várpalota, FoliaArch 23, 1972, in Zusammenhang. Seit der deutschen Ausgabe
95-121. Ein detailliertes Verzeichnis mit Fotos der Arbeit Hampels im Jahre 1905 ist dieses
der hunnischen Kessel bringt auch Maenchen- falsche Grabinventar (das im Buch von Alföldi
Helfen in dem zitierten Werk auf den Seiten noch durch weitere falsch eingereihte Funde ver­
216-228 und den Abbildungen 48-69. Der mittel­ mehrt worden ist) einer der wichtigen „Beweise"
asiatische „Kesselhenkel" auf Abb. 67 ist jedoch für die nicht existierende gemeinsame „hun­
- so wichtig er auch wäre - fälschlicherweise in nisch-germanische" Frauentracht.

221
Das restaurierte Diadem von Csorna publizierte maten-Hunnen") zu erkennen. Heute wissen
erneut mit einer sich auf alle Einzelheiten er­ wir, aber auch zu Zeiten Hampels wußten alle
streckenden Analyse sämtlicher bisher veröffent­ diejenigen, die selbst die Gräber freigelegt hatten
lichter hunnischer Diademe I. Kovrig, Das Dia­ (M. Wosinsky, B. Pósta, A. Sőtér, E. Kada sowie
dem von Csorna, FoliaArch 36, 1985, 107-148. auch P. Reinecke), daß die Gruppe II die Hin­
Ihre grundlegende Arbeit enthebt mich allerwei­ terlassenschaft der späten Awarenzeit des 7. und
teren eingehenden Betrachtungen. 8. Jahrhunderts umfaßte. Den Irrtum Hampels
Eine gute Beschreibung der frühesten (1818) berichtigte erst Alföldi im Jahre 1926 endgültig
hunnischen Frauenbestattung mit Diadem aus (Der Untergang der Römerherrschaft in Pan­
Szekszárd-Csatár stammt vom Jahre 1865: A. nonien, Bd. 2. Berlin und Leipzig 1926), als er
Gaál-M. Kőhegyi, Tolna megye Pesthy Frigyes die auch im weiteren „Keszthely-Kultur" ge­
helynévtárában [Das Komitat Tolna im Orts­ nannte Gruppe II Hampels in die Awarenzeit
register von Frigyes Pesthy], BBÁMÉ 6-7, setzte.
1975-1976, 309 - ebd. der Bericht über die Gleichzeitig mit dem großen Werk Hampels
Schwertbestattung von Szekszárd-Bartina. Das erschien das umfangreiche Buch seines um
Golddiadem von Szekszárd-Csatár, das mit nichts geringeren Zeitgenossen B. Pósta, Ar­
Steinen verschiedener Größe und Farbe besetzt chäologische Studien auf Russichem Boden
war, war ein echter Fund, der nicht viel später (1905). Pósta, der die Funde selbst einmal in der
in Baja eingeschmolzen wurde, vgl. M. Janko- Hand hatte, die seinerzeitigen Museen Rußlands
vich, Tudományos Gyűjtemény XI, 1827, 14. von Odessa bis zum Kaukasus und bis Tomsk
Bedeutend ungewisser ist das 1858 erwähnte in Sibirien persönlich kannte und die Fundzu­
Skelett vom Balmazújváros-Malátoner Hügel, sammenhänge erkannte, vermutete im IL Teil
dessen Schädel ebenfalls ein goldenes Diadem seines Buches als erster den tatsächlichen archäo­
zierte. Auch dieses wurde zertrümmert und ein­ logischen Nachlaß des hunnisch-germanischen
geschmolzen. I. M. Nepper-J. Soregi-L. Zoltai, Zeitalters. In richtigen Zusammenhängen und
Hajdúsági Múzeum Évkönyve [Jahrbuch des mit richtigen Datierungen publizierte er zusam­
Museums der Hajdúság], Hajdúböszörmény menfassend manchmal als erster die auch heute
1981, 94. noch bedeutenden Funde aus der Hunnenzeit
Die ersten bedeutenden hunnischen Fundin- auf russischem Boden (Musljumowo, Sdwishens-
ventare in Ungarn, und zwar die von Keszthely- koje, Saga, Aleschki, Kertsch), wies auf die
Gátidomb (1895) und Pécs-Üszögpuszta (1900), asiatischen archäologischen Hinterlassenschaf­
veröffentlichte I. Hampel, Újabb hazai leletek az ten der Hunnen hin (Kurgane von Tesch, unter
avar uralom korából [Neuere Funde in Ungarn anderem mit Tonkessel-Beigaben) und bezog
aus der Zeit der awarischen Herrschaft] mit awa­ aus Ungarn nicht nur das Grab von Murga in
rischer Zeitbestimmung (ArchÉrt 20, 1900, diesen Kreis mit ein, sondern auch die Kessel­
98-111). Auf der awarischen Ursprung und der funde von Törtel bis Tobolsk. Außerdem er­
späten Datierung der Funde in das 7./8. Jahr­ kannte er den östlichen Ursprung der Metall­
hundert beharrte er ebenso wie auf der um ein spiegel mit Strahlenstegen auf der Rückseite.
Jahrtausend zu frühen Datierung der als sky­ Mit einem Wort, Pósta schaffte mit bis heute
thisch bestimmten Kessel. Den Irrtum bezüglich währender Gültigkeit die Grundlagen der hun­
Pécs-Üszögpuszta sollte erst T. M. Minajewa im nischen Archäologie.
Jahre 1927 berichtigen. Den Weg Póstas beschritt anfangs nur G. Sup-
Der in großen Zusammenhängen denkende ka (der wegen seiner politisch-revolutionären
und Fundgruppen für das ganze Land systema­ Rolle 1918/19 später in der Geschichte der For­
tisierende Hampel irrte sich auch in einer seiner schung unverdienterweise übergangen wurde).
Größe angemessenen Weise in seinem zusam­ In seiner großen, vom 30. September 1913 da­
menfassenden Hauptwerk (Alterthümer des frü­ tierten Studie, Molívuimándorlás a korábbi kö­
hen Mittelalters in Ungarn, I—III, Braunschweig zépkorban - Motivenwanderung im frühen Mit­
1905). Während er die tatsächlichen hunnenzeit­ telalter, ArchÉrt 34, 1911, 89-110, erschienen in
lichen Funde anderen Fundgruppen (I = Ger­ Heft 2 am 15. April, hob er die entscheidenden
manen, III = Awaren) eingliederte, glaubte er, Einflüsse des Orients auf jene Funde der Völker­
die hunnischen Funde in der Gruppe II („Sar- wanderungszeit hervor, die die europäische Ar-

222
chäologie bis dahin immer als „gotisch" bezeich­ Forschung. Sie stellte korrekt die Parallelen ih­
nete. In einem Kapitel (a. a. O., 105-110, rer eigenen Funde zusammen und verfolgte diese
deutsch 166) vermerkte er richtig die überra­ bis Pécs-Üszögpuszta. Letztere Funde beschrieb
schende Verwandtschaft des goldenen Hänge­ sie von neuem - und richtig-, verglich sie einge­
schmucks mit der Ardaschir-Inschrift von hend mit den von ihr selbst analysierten Funden
Wolfsheim mit der großen, zellenverzierten und korrigierte so als erste die irrtümliche Datie­
Schüssel des Khosrau Parvez I (a. a. O., Abb. 33 rung Hampels. Das Ansehen des deutschspra­
und 34). Dem im Jahre 1870 gefundenen, 43 chigen Werkes von Hampel hielt sie jedoch von
Jahre lang falsch interpretierten, bis heute be­ der letzten Konsequenz ab; sie hielt die in Frage
deutendsten westlichen Fund aus der Hunnen­ stehende Fundgruppe für die Hinterlassenschaft
zeit (Wolfsheim liegt am rechten Rheinufer, in der „sarmatischen" Bewegung des ausgehenden
der Nähe von Mainz) gab Supka nicht nur eine 4. und 5. Jahrhunderts. Wenig später veröffent­
genaue Datierung, sondern brachte ihn aus­ lichte Minajewa, ebenfalls aufgrund der Ausgra­
drücklich mit den Hunnen bzw. der hunnischen bungen Rykows im Jahre 1925, die ersten gut
Bewegung in Zusammenhang. Damit bestimmte erschlossenen und untersuchten Skelettgräber
Supka auch - zwei Jahrzehnte vor der Auf­ aus Kurganen (Zwei Kurgane aus der Völker­
findung! - sowohl die Zeit als auch den ethni­ wanderungszeit bei der Station Šipovo, ESA 4,
schen Hintergrund des in ähnlichem Stil verzier­ 1929, 194-204) sowie andere wichtige Funde,
ten Elektronkelches von Nagyszéksós. Die unter anderem das Diadem von Beresowka.
Nagyszéksós betreffende spätere Forschung Nach den Publikationen Minajewas fehlte ei­
übernahm Wort für Wort Supkas Ergebnisse, gentlich nicht mehr viel, auf der Grundlage ihrer
ohne die Quelle anzugeben, oder zitierte die ein Arbeiten und der von Pósta zusammen mit den
Jahr später erfolgten, ähnlichen Feststellungen Ergebnissen von Takács „Die Archäologie der
M. Eberts (Die Wolfsheimer Platte und die Hunnenzeit" entstehen lassen zu können. Die
Goldschale des Khosrau, Baltische Studien zur auf der Hand liegenden Möglichkeiten erweck­
Archäologie und Geschichte, Arbeiten für den ten auch bald die Aufmerksamkeit A. Alföldis
XVI. Archäologischen Kongreß in Pleskau (Archäologische Spuren der Hunnen, Germania
1914, Berlin und Riga 1914, 57-96). Supka er­ 16, 1932, 135-138) und J. Werners (Bogenfrag­
kannte auch die in Ungarn gefundenen östlichen mente aus Carnuntum und von der Unteren
Münzen: A magyarországi hun uralom néhány Wolga, ESA 7, 1932, 33-58). Beide griffen zwar
éremlelete [Einige Münzfunde der Hunnenherr­ den heutigen Ansichten nach daneben (siehe die
schaft in Ungarn], ArchErt 35, 1915, 224-237, scharfe Kritik N. Fettichs über die Ergebnisse
deutsch 33-48. von Alföldi. Germania 16, 1932, 300-304),
Die von Pósta, Supka bis dahin auch von schlugen aber doch den richtigen Weg ein.
Takács erarbeiteten Grundlagen fanden durch Alföldis Buch Hunnenzeit (1932), welches er
T. M. Minajeva ihre Weiterentwicklung. Sie be­ dem Andenken von Pósta widmete, wurde des­
arbeitete die von P. Rykow im Jahre 1925 in wegen bis beute grundlegend, weil es die bis dahin
Pokrowsk durchgeführten Ausgrabungen und - parallel - erreichten Ergebnisse vereinigte.
ergänzte die Funde des 17. und 18. Kurgans mit Neue Funde wurden zwar kaum mit einbezogen
denen der durch D. Ja. Samokwasow bereits (den damals noch nicht vollständigen Goldfund
1884 in Nowogrigorewka untersuchten Kurgane von Szeged-Nagyszéksós, die Funde von Léva
sowie mit den Angaben und Funden der im und Kiskunhalas), Fundumstände und die Be­
Jahre 1914 ausgegrabenen Kurgane von Nishn­ stimmung der Funde im Zuge seiner Analysen
jaja Dobrinka. Von Minajewa stammt der Be­ mit kunsthistorischen Methoden kaum beachtet
griff der hunnischen „Totenverbrennung" im oder Irrtümer wiederholt (z. B. nennt er die
Zusammenhang mit Funden und Bestattungen damals bereits bestimmten Sattelbeschläge Kö­
(Pogrebenija s soschenijem blis goroda Po- cherbeschläge), doch neu veröffentlichte er auf
krowska, Utschennije sapiski Pedagogitscheskij Fototafeln die alten Funde (Pécs-Üszögpuszta,
Fakultet Saratowskowo Universiteta. Bd. VI/3. Murga, Körösladány. Höckricht, Conceşti. Po­
Saratow 1927, 91-123), welche sie jedoch nicht krowsk, Nishnjaja Dobrinka, Kesselfunde usw.)
immer so bestimmt von den „Scheiterhaufenfun­ und analysierte sie zusammen, als Einheit.
den" trennte wie die auf ihren Spuren arbeitende Eigene Wege in der Erforschung der Hunnen

223
ging N. Fettich, der in seinen Arbeiten hartnäk- Infolge der immer mehr mit sich selbst in
kig gegen den asiatischen Ursprung und Zusam­ Widerspruch geratenden „Resultate" erkannten
menhang der hunnischen Hinterlassenschaft an­ Historiker der fünfziger Jahre (E. A. Thompson,
kämpfte. Die Goldschmiedearbeiten hielt er ge­ F. Altheim, J. Harmatta, oben zitierte Werke,
nauso für Produkte der antiken städtischen damals auch O. J. Maenchen-Helfen, Huns and
Werkstätten des Pontus wie die „fibelverzierten" Hsiung-nu. Byzantion 17, 1944-1945, 222-243,
Bronzekessel. Durch die Einbeziehung des Fun­ oben zitierte Werke und K. Jettmar, Hunnen
des von Szeged-Nagyszéksós aus dem Jahre und Hsiung-nu - ein archäologisches Problem,
1934, jenes von Kertsch aus dem Jahre 1892 Archiv für Völkerkunde 6-7. 1953, 166-180)
sowie des Wolfsheimer Fundes erweiterte er je­ nicht die Rolle der Archäologie in der Rekon­
doch selbst den Kreis hunnischer Hinterlassen­ struktion der Geschichte der Hunnen oder be­
schaften östlichen bzw. „nomadischen" Charak­ zweifelten sogar, daß die mit den Hunnen in
ters: A hunok régészeti emlékei. In: Attila és Beziehung gebrachten Funde tatsächlich von
hunjai [Archäologische Denkmäler der Hunnen. den Hunnen stammten. Der die Archäologie am
In: Attila und seine Hunnen], 1940, 227-264. stärksten bejahende J. Harmatta z. B. erkannte
Sein hervorragendes Werk Nagyszéksós (1953) außer den Kesseln nur die Funde von Nagyszék­
ist die ausführliche Beschreibung des bisher sós als hunnisch an.
größten hunnischen Goldfundes. Es wird durch Die historische Kritik und die über die Me­
prachtvoll ausgeführte, zeichnerische Rekon­ thoden sowie Möglichkeiten der Archäologie
struktionen von I. Méri ergänzt. Szeged-Nagy­ nicht in entsprechendem Maße unterrichtete Ge­
széksós wurde neben einigen seit langem be­ schichtswissenschaft verlangten, ja forderten
kannten hunnischen Funden bedauerlicherweise von der Archäologie etwas, was es nicht gibt und
in ein Milieu eingearbeitet, das zum Großteil auch nicht geben wird: die Hinterlassenschaft
nicht einmal in die Zeit der Hunnen datiert wer­ der einfachen „nomadischen" Hirten, der Mas­
den kann. sen des „gemeinen" hunnischen Volkes. Nach
Die mehr den Spuren Alföldis folgende Ar­ Möglichkeit Gräberfelder, Grabreihen und
chäologie der „Hunnenzeit" in Ungarn sammel­ Grabgruppen, mit eurasischen Waffen und Hir­
te den sarmatisch-ostgermanischen Nachlaß aus tenausrüstung bestattete Männer mit mongoli-
der Zeit vor und während der hunnischen Bewe­ den Schädeln, mit Spinn- und Webewerkzeugen
gung des 4. und 5. Jahrhunderts und widmete versehene Frauen, mit Kindern darum herum,
namentlich der Graborientierung und der Töp­ mit auf diese Welt hinweisenden Lebensmitteln
ferkunst mit Glättverzierung eine über Gebühr für das Jenseits wie Schaf- und Pferdeknochen-
große Beachtung, z. B.: M. Párducz, Archäolo­ überreste, mit einem Wort also die Hunnen nach
gische Beiträge zur Geschichte der Hunnenzeit der Vorstellung des Ammianus Marcellinus.
in Ungarn, Acta ArchHung 11, 1959, 303-398. An neuen Initiativen bestand gerade in der
Mit der hunnisch-alanischen Bewegung verbrei­ Archäologie der fünfziger Jahre kein Mangel.
tete sich auch im Karpatenbecken die Sitte der Gy. László erarbeitete mit der bravourösen Re­
künstlichen Schädeldeformierung. Die archäo­ konstruktion der goldenen Bögen von Jakuszo­
logische Verfolgung dieses eigenartigen Brau­ wice und Pécs-Üszögpuszta sowie mit seiner
ches des 4.-6. Jahrhunderts sowie deren Zusam­ meisterhaften Belebung der Gegenstände aus
menstellung enthält natürlich auch hunnische diesen Gräbern für die Forschung neue Grund­
Bestattungen. Die Forschung überwertete je­ lagen bezüglich des „nomadischen" Elementes
doch - in den Fußstapfen der Anthropologen des Hunnenreiches und der Gesellschaft der
(L. Bartucz und J. Nemeskéri) sowie J. Wer­ Hunnenzeit: Gy. László, A hun aranyíj jelentő­
ners - vielfach deren Bedeutung: M. Párducz, sége. Adatok a hun-nomád birodalom szerkesz­
Hunnenzeit (1963). Die auf Nebenpfade gera­ téséhez [Die Bedeutung des hunnischen golde­
tene Archäologie der „Hunnenzeit" hatte of­ nen Bogens. Angaben zur Struktur des hun­
fensichtlich wenig mit den Hunnen selbst zu nischen Nomadenreiches]. MTAK 1/1, 1951,
tun. Vgl. dazu I. Bóna, Ein Vierteljahrhundert 105-122. Ders.: The Significance of the Hun
der Völkerwanderungszeitforschung in Ungarn Golden Bow. Contribution to the Structure of
(1945-1969), I. Die Hunnen und die „Hunnen­ the Hun Nomad Empire, Atta ArchHung 1,
zeit", Acta ArchHung 23, 1971, 266-273. 1951, 91-106. Später begab sich László jedoch

224
mit seiner künstlerischen Vorstellung der „Be- Neuere archäologische Forschungen
krönung" der Bronzekessel auf einen weniger in bezug auf die östlichen Steppengebiete
gangbaren Weg. Zuletzt: Steppenvölker und
Germanen. Kunst der Völkerwanderungszeit. Dabei besteht an neuen Ergebnissen kein Man-
Wien und München 1970, 39-41. J. Werner, der gel. Grundlegend sind die Arbeiten von I. P.
sich bereits im Erkennen hunnischer Funde aus- Sassetzkaja. Als ersten Schritt berichtigte sie die
gezeichnet halte, stellte mit seiner großangeleg- Chronologie der Hunnenfunde in der Sowjet-
ten, literarischen Sammelarbeit und Kartie- union (O chronologii progrebenij „epochi pere-
rungsmethode die hunnenzeitliche (bei Werner selenija narodow" Nishnewo Powolschja, Sow
„attilazeitliche" auch ein Vierteljahrhundert vor Arch 1968/2, 52-62). Danach faßte sie Angaben,
der Geburt Attilas) Hinterlassenschaft hinsicht- die mit der Pferdebestattung der Hunnenzeit in
lich der Elemente östlichen Ursprungs (künstli- Zusammenhang stehen, zusammen (Osobenno-
che Schädeldeformierung, „östliche" Metallspie- sti pogrebaljnowo obrjada gunnskoj epochi -
gel, Haar- oder Ohrringe, „magische" Schwert- Features characterizing the Funerary Ritual of
anhänger, „iranische" Schwerter, Reflexbogen the Hun Period, ArchSborn 13, 1971, 61-72). In
mit Knochenversteifungen, „nomadische" Holz- einem schönen kleinen Buch bearbeitete sie die
sättel und Sattelbeschläge, Reitpeitschen, Pfer- berühmten hunnischen Funde der Ermitage (So-
degeschirr, „nomadische" Kessel, Diademe, lotyje ukraschenija gunnskoj epochi, Leningrad
Tracht) in einer eigenartigen, schwer verfolgba- 1975). Dann zeigte sie in einer kritischen Arbeit,
ren Reihenfolge zusammen. Und obwohl auch in der sie die hunnischen Denkmäler von der in
Werner nur wenig wesentliche neue Funde oder der sowjetischen Archäologie forcierten „sarma-
Gesichtspunkte in seine Untersuchungen einbe- tischen" Periode absonderte, daß der hunnische
zog, gelanges ihm, durch die nochmalige Veröf- Ritus wie auch die hunnischen Funde völlig neue
fentlichung früher außer acht gebliebener Funde Erscheinungen sind (O roli gunnow w formiro-
und Angaben eine aus Mittelasien nach Europa wanii kultury jushno russkich stepej konza IV-V
gelangte „reiternomadische" Mode und Bewaff- weka naschej ery - The Role of the Huns in the
nung entstehen zu lassen. Aus den isoliert be- Formation of the Culture of Southern Russian
handelten und analysierten Angaben und Fun- Steppelands in the Late fourth and fifth Centu-
den kam schwer eine neue Einheit zusammen - ries. ArchSb 18 (1977), 92-100. 130) - sodann
zweifellos standen damals viel weniger Funde gelangte sie zu einer Zusammenfassung der auf
und Angaben zur Verfügung als heute. Die östli- dem Gebiet der Sowjetunion geborgenen wich-
chen hunnischen bzw. „reiternomadischen" Ele- tigsten hunnischen Funde (O chronologii i kul-
mente verschmolzen so zwar langsam, aber si- turnoj prinadleshnosti pamjatnikow Jushno-
cher zusammen mit allem Neuen, was sie bedeu- russkich Stepej i Kasachstana gunskoj epochi.
teten, in die auch im Geist des Buches zum Aus- SowArch 1978, 53-71, mit zeichnerischen Tabel-
druck kommende „germanische Welt", in der len und Literaturangaben der bis zum Erschei-
sogar die Herrscherschicht der Hunnen für ger- nungsjahr der Arbeit gebundenen, großen Grab-
manisch und iranisch angenommen wird (Bei- inventare). In ihrer folgenden Arbeit, in der (lei-
träge zur Archäologie des Attila-Reiches, 2 Bän- der nur skizzenhaften) Klassifizierung der ein
de, München 1956). Trotzdem zeigt das große Dreivierteljahrhundert unpubliziert gebliebe-
Ansehen des Autors, daß dieses Buch die die nen Katakombengräber von Kertsch und der
Hunnen betreffende, ältere archäologische Lite- daraus stammenden Funde, klarte sie die Zu-
ratur in der westeuropäischen Forschung fast sammenhänge, aber auch die Unterschiede
verwischte. In seiner letzteren Zusammenfas- der Funde aus den Steppen (Bosporskie skle-
sung, Die archäologische Hinterlassenschaft der py gunnskoj epochi kak chronologitscheskij
Hunnen in Südrußland und Mitteleuropa. Kata- etalon dlja datirowki pamjatnikow wosto-
log Nibelungenlied, 273-280, geht J. Werner, tschno ewropejskich stepej, KSIA 158, Mos-
abgesehen von einem Grabfund von Kisslo- kau 1979, 5-17). Ihr können wir die Aufar-
wodsk, über seine Resultate und seinen Stand- beitung der Opferfunde von Kysyl-Adyr ver-
punkt des Jahres 1956 nicht hinaus, historisch danken: Pogrebenije u sela Kysyl-Adyr w Oren-
dagegen beurteilt er die Hunnen und die Rolle burgskoj oblasti. In: Drewnije pamjatniki
Attilas viel realer. kultury na Territorii SSSR, Leningrad 1982

225
54-77. Zur lesten hunnenzeitlichen Datierung drewnosti (83-97). Was die hunnischen Funde
des Melitopoler Diadems und der Funde ent- betrifft, diskutiert Ambros mit Sassetzkaja. Auf
schloß sich im Laufe der mit A. K. Ambros seinen Tafeln vertreten neben Funden aus Ka-
geführten ausdauernden chronologischen Dis- linino, Nowogrigorewka, Beljaus, Rownoje und
kussionen, Data melitopolskowo komplexa. In: den Kesseln auch, als bester Beweis für die Ein-
Drewnosti Ewrasii w skifo-sarmatskoje wremja, heit der hunnischen Archäologie, die Funde von
Moskau 1984, 68-70 [Sie begeht jedoch trotz des Pécs-Üszögpuszta. Jakuszowice, Untersieben-
richtigen Endresultats den Fehler, daß sie das brunn die Hunnenzeit. Demgegenüber hält er
Frauengrab mit Diadem mit dem Tolenopfer daran fest, eine Reihe von berühmten östlichen
eines in der Nähe gefundenen Mannes identifi- Hunnenfunden (z. B. Melitopol, Leninsk,
ziert. Der einstige Leiter der Melitopoler Aus- Aleschki, Fedorowka, Pokrowsk Grab 36 Schi-
grabungen, K. F. Smirnow, in: Woprossy skifo- powo, Kanattas) würde aus dem 6./7. Jahrhun-
sarmatskoj archeologii, Moskau 1954, 216, cha- dert stammen. Und selbst diese Feststellung ist
rakterisierte den Fundkomplex noch als eine nicht ganz glücklich, wie es die in zwei verschie-
„Flußbestattung", was unserer Auffassung nach dene Perioden eingereihten Funde von Nowo-
einem Totenopfer entspricht. Die Trennung der grigorewka und Pokrowsk zeigen. Es gibt jedoch
beiden Melitopoler Funde kann noch aus dem Funde, mit deren Einordnung Ambros die chro-
vom einstigen Mitarbeiter von Smirnow mitge- nologische Schlacht gewonnen hat. Ein solcher
teilten Grabungsbericht herausgelesen werden: ist der Fund von Borowoje in Kasachstan. Die
N. F. Peschanow, Melitopolskaja diadem. KSI- tatsächliche Chronologie des von Bernschtam,
AK 11, 1961, 70-74. -] Abgesehen von der letz- Werner und Sassetzkaja als wichtigster hunni-
ten Frage, erübrigen gerade die zusammenfas- scher Fürslenfund des „Attila-Reiches" im
senden Arbeiten Sassetzkajas, an dieser Stelle Osten bewerteten Grabes von Borowoje (die rus-
auf die einschlägige Literatur der Jahre sische Fachliteratur gibt als näheren Fundort
1960-1980 in der Sowjetunion detaillierter ein- das in der Nähe des ehemaligen Petropawlowsk
zugehen. Ihre letzte Arbeiten in diesem Themen- gelegene Dorf Schtschutschewo an; in der kasa-
kreis sind zwei kritische Zusammenfassungen: chischen Fachliteratur heißt dasselbe Dorf
Gunni w Nishnem Powolshe in: Drewnjaja i
srednewekowaja istorija Nishnewo Powolshja. Tschortandi, in der Nähe von Köktschetaw am
Saratow 1986, 98-113, und Nekatorye itogi isu- Buwrabaj/Borowoje-See gelegen; die letzlere
tschenija Chronologii pamjatnikow gunnskoj Bezeichnung ist jedoch die gebräuchliche) konn-
epochi w Jushnorrusskich Slepjach. Arch 5b 27, te erst kürzlich in überraschender Weise geklärt
1986, 79-91. werden. Aus dem Grab 14 von Kyongju Kye-
rim-ro in Südkorea kam ein gut erhaltener, gold-
Über die Diademe und hunnische Grabfunde beschlagener, mit Schmucksteinen verzierter
mit Diademen zusammenfassend: N. A. Tichano- Dolch mit einer Länge von 32 cm ans Tageslicht.
wa und I. T. Tschernakow, Nowaja nachodka Mit dessen Hilfe konnte aus Fundstücken von
pogrebenija s diademom w Sewero-Sapadnom Borowoje, deren Bestimmung bis dahin unbe-
Pritschernomorje, SowArch 1970/3, 117-126 kannt war (Sassetzkaja, Solotyje ukraschenija
(mit Katalog und Literatur). Nr. 13, 15-19, 27-32), ein verwandtes Exemplar,
Nach dem ersten Abschluß dieses Manu- der Form nach ein Gleichstück des koreanischen
skriptes erschien die umfassende Kollektivarbeit Dolches, rekonstruiert werden. Der koreanische
der sowjetischen Archäologie: Archeologija Dolch stammt aus einer Bestattung nach 520, so
SSSR, Stepi Ewrasii w epochu srednowekowja, daß die Datierung des Dolches und zugleich des
herausgegeben von S. A. Pletnewa, Moskau Fundes von Borowoje mit dem ausgehenden
1981; im ersten Kapitel eine Zusammenfassung 5. und der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, also
oder wenn man will: die „Antithese" über die mit der Zeit der Hephtalitenherrschaft, festge-
Hunnen von dem inzwischen verstorbenen A. K. setzt werden kann. Wegen des Zusammenhanges
Ambros, Wostotschnoewropeiskije i sredneasi- der P-förmigen Öse des Dolches von Borowoje
atskije stepi V. - pervoj polowiny VIII w. und „Taman" war der Autor dieser Arbeit schon
(10-22) und ein vom Standpunkt der hunnischen früher dieser Ansicht, wie er das ausführlich dar-
Archäologie nicht weniger aufregender Beitrag legte in: VMMK 18, 1986, 102-103, 112. Der seit-
von W. B. Kowalewskaja, Sewerokawkasskije dem verstorbene hervorragende Archäologe A.

226
K. Ambros, der die Funde von Borowoje eben- tschnikow D. 1-30, Moskau 1960. Hier bereits
falls aufgrund awarischer Parallelen in das in Ansätzen die Theorie, die Fibeln stammen aus
7. Jahrhundert datierte (SowArch 1971/3, dem Donauraum, d. h. das Karpatenbecken be-
119-120), errang also trotz seines guten Empfin- stimmt die südrussische Entwicklung. Über die
dens nur einen relativen Sieg wegen der zu spä- allgemeine Entwicklung der Blech- bzw. Platten-
ten Datierung. Vgl.: Wakou Anazawa und Juni- fibeln: V. Bierbrauer, Zur chronologischen, so-
chi Manome, The Problems of a Gold Dagger ziologischen und regionalen Gliederung des ost-
with Cloisonné Decorations from Kerim-lo, Nr. germanischen Fundstoffes des 5. Jahrhunderts
14. Tomb in Kyongju, Korea, Kobunka Dansou in Südosteuropa. In: Die Völker an der mittle-
7, Kita-Kishu (Japan), April 1980, 245-278, Taf. ren und unteren Donau im fünften und sechsten
I/1-2. Die letzte Behandlung der Funde von Jahrhundert, Wien 1980, 131-142. Dazu Bemer-
Borowoje/Buwrabaj: K. Akischew und A. Aki- kung: I. Bóna. Germania 60, 1982, 653-654.
schew, Drewneje soloto Kasachstana. Alma-Ata Die späten Fibeln von Szilágysomlyó behan-
1983, Abb. 160-173. Die Datierung der Autoren delt als Zusammenfassung der Elemente ihrer
in das 3.-5. Jahrhundert ist jedoch trotz der I.-IV. Stilgruppe der Hunnenzeit (= Gruppe
unter den Funden zweifellos vorkommenden VI) theoretisch richtig: I. P. Sassetzkaja, Drew-
„hunnischen" Typen (Riemenzungen, granulier- nosti 1982. 14-30. Doch das aus ihren richtigen
te und edelsteinverziertc Goldbleche) genauso - nur bezüglich ihrer Details anfechtbaren - Be-
verfehlt wie die früheren Datierungen. obachtungen gewonnene Endergebnis, daß der
Schatz aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhun-
Tracht - Schleier und Fibel derts und aus dem 6. Jahrhundert stammen
Über den Grabfund von Porschnino (Russische könnte, ist ein archäologischer Unsinn, kennen
Föderation, Oblast Orel; in der Fachliteratur wir doch das umfangreiche und völlig abwei-
irrtümlich unter dem Namen des Dorfes Krugli- chende Fundmaterial dieses Zeitalters (ostrogo-
za verbreitet): B. A. Rybakow, SowArch XVII, tische, swebische, gepidische, langobardische
1953, 50, Abb. 5/1-3. Aufgrund eines Archiv- Zeit) viel besser als das der Hunnenzeit.
fotos die einzige vollständige Publikation; die Die Verbreitung der großen und der edelstein-
Schwertklinge war jedoch falsch zusammen- verzierten Plattenfibeln der Hunnenzeit faßte
gesetzt. Richtige Angaben bei: W. W. Kro- ebenfalls zusammen: A. K. Ambros, Drewnosti
potkin, Rimskije imporlnyje isdelija w Wo- 1982. 107-121. Seine Ausgangsposition, in der
slotschnom Ewrope, Swod Archeol. Istot- Sowjetunion wären alle diese Fibeln Importe aus
schnikow D. 1-27, Moskau 1970, 113. Nr. dem Donaubecken, ist völlig aus der Luft gegrif-
1044, Abb. 54/2-4. fen.
Zu den germanischen Fibeln bleibt immer Die erste gute Publikation des Grabfundes
grundlegend: B. Salin, Die altgermanische vom Gutshof Valmeray in Moult-Argences ist
Thierornamentik, Stockholm 1904. Hier wurden die mit 1876 datierte, eigenhändige Zeichnung
zum ersten Mal Funde aus ganz Europa vorge- von L. Coutil. Bulletin de la société des anti-
stellt, so auch eine Fibel, die Gürtelschnalle und quaires de Normandie VIII. Caen 1878, Tafel
Goldflitter aus dem Fund von „Airan" auf S. 156. Es scheint, daß diese Arbeit selbst der
(140-141). Aufmerksamkeit der französischen Forschung
Marosszentanna: I. Kovács. A marosszentan- entgangen ist. werden doch gewöhnlich die um
nai népvándorlás kori temetö - Cimetière de Jahrzehnte späteren Arbeiten von L. Coutil als
Pépoque de la migration des peuples à Maros- Quellenwerke bezeichnet Vgl. dazu: E. Sahn
szentanna, Dolgozatok (Travaux) Kolozsvár 3, und A. France-Lanord, Le trésor d'Airan cen
1912, 249-342 - 343-367. Über südrussische Fi- Calvados, Monuments et Mémoires Piot 43,
beln zusammenfassend: A. P. Kalitinskij, O ne- 1949. 119-135, Taf. XIII-XV. M. Kazanski hält
kolorych formach fibuly is Jushnoj Rossii. Semi- den „airanischen" Fund für eme „pannonische
narium Kondakovianum 1, 1927. Ders., K wo- Kulturwirkung", den pouaner dagegen ausge-
prossu o nekatorych formach dwuchplastint- hend von der nachhunnenzeitlichen ostrogoti-
schatich fibul is Rossii, a. a. O. 2, 1928. Neuere schen Bestimmung des Fundes von Oros. der auf
Zusammenfassung: A. K. Ambros. Fibuly juga dem fälschlichen Fundort von Németkér basiert
ewropejskoj Ischasti SSSR, Swod Archeol. Isto- für den Grabfund eines um 480 beigesetzten

227
lokalen Würdenträgers. M. Kazanski, Deux Zu Untersiehenbrunn: W. Kubitschek, Jahr­
riches tombes de l'époque des Grandes Invasions buch für Altertumskunde 5, 1911, 32-74.
au nord de la Gaule: Airan et Pouan. Archeolo­ Als gotischen Fund um 400 bewertet: H. Mit-
gie Médiévale XII, 1982, 17-33. scha-Märheim, Dunkler Jahrhunderte goldene
Über Koudiat-Zateur: M. Rostovtzeff, Monu­ Spuren, Wien 1963, 11-21. und neuestens auch
ments et Mémoires Piot 26, 1923, 150-153, Abb. P. Stadler, GHA, 342-344.
23. Dies ist die einzige richtige Wiedergabe des Über männliche Trachtbestandteile: E. Kel­
Fundes. Die Reproduktionen werden, damit der ler, Bemerkungen zum Grabfund von Untersie­
„Kopf' der Fibeln nach oben steht, umgedreht benbrunn, Germania 45, 1967, 109-120. Kritik
gebracht. Auf diese Weise wendet sich der Hals­ dazu: O. F. A. Menghin, Germania 46, 1968,
bandanhänger mit Christus-Monogramm, den 125-126.
Buchstaben Alpha und Omega, nach unten. Moderne Kataloge: R. Noll, Vom Altertum
Vgl. z. B. Taf. 54 in der guten Zusammenfassung zum Mittelalter, Wien 19722, 76-79. W. Ober-
der wandalischen Goldschmiedekunst vor der leitner, Die Römer an der Donau, Wien 1973,
Abwanderung: W. Schulz, Ein Fibeltypus der 279-289, Nr. 747, 1-49. A. Bernhard-Walcher
wandalischen Hasdingen, Jahresschrift Halle 44, und H.-J. Ubl, Katalog Severin, 482-485, Nr. 5,
1960, 298-315. 33a-i - 5, 34a-l, und P. Stadler. GHA, 342-344,
Zum historischen Hintergrund und zur Fund­ VII. 33-36. - Die „ostgermanische" oder eben
stelle des Grabfundes von Koudiat-Zateur: Chr. „alanische" Familienbestattung und die reale
Courtois, Les Vandales et l'Afrique, Paris 1955, Datierung um 430 warf in seiner neuesten Arbeit
178 ff. Zur Geschichte der Alanen in Westeuro­ auch Friesinger auf. H. Freisinger - B. Vacha,
pa: W. A. Kusnezow und W. K. Pudowin, Alany Die vielen Väter Österreichs. Römer-Germa­
w sapadnoj Ewrope w epochu welikowo perese- nen-Slawen, Wien 1987. 5-1 58.
lenija narodow, SowArch 1962/2, 79-95. Zu­ Über das in meinen Arbeiten oft erwähnte
sammenfassend: B. S. Bacharach, A History of fürstliche Grab von Blučina (Mähren): K. Tihel­
the Alans in the West, Minnesota University, ka, Časopis Maravského Musea 39, 1954,
1973. Über die Verbreitung der Kurzschwerter 31-76; Ders., Archeologické rozhledy 6, 1954,
alanischen Typs: R. Harhoiu, Das Kurzschwert 437-441; Ders., Čezavy u Blučiny, Brno 1957,
von Micia. Dacia 32, 1988, 79-90. 45-48; Ders:, PA 54, 1963. 467-498; Ders., Slo­
Zu den Funden I—II von Bolschoj Kamenez bei venská Archeológia 14, 1966. 411-416. Um ein
der Sudscha: L. A. Mazulewitsch, Pogrebenie klares Bild von dem Grabfund und den Fund­
warwarskowo knjasja w Wostotschnoj Ewrope, umständen zu erhalten, müssen alle Publikatio­
Moskau und Leningrad 1934, 15-75, Taf. I-X. nen beachtet werden.
Zusammenfassung über die Fibeln und die Über den gleichaltrigen Fund von Rüdern:
Tracht von Abrau-Dürso: A. W. Dmitrijew, Ran- R. Christlein, Waffen aus dem völkerwande­
nesrednewekowyje fibuly is mogilnika na r. Djur- rungszeitlichen Grabfund von Esslingen-Rü-
so, Drewnosti 1982, 69-107, Abb. 1-10. dern. Germania 50, 1972, 259-263.
Zu Iragi: O. M. Dawudow, Grobniza is sel. Die vergleichende Laboruntersuchung der
Iragi, in: Narodnoje dekoratiwno prikladnoje Granate und der Klebstoffe des I. und II. Schat­
iskusstwo Dagestana, Machatschkale 1979, zes von Szilágysomlyó bekräftigte die hier ange­
184-187. Ders.: Serebrjannoje bljudo is iragins- wendete Datierung und Deutung: B. Arrhenius,
koj grobnicy (Dagestan). SowArch 1984/1, Merovingian Garnet Jewellery. Stockholm 1985.
77-87.
Zum Pferdegeschirr von Coşoveni de Jos: Bogen, Pfeil, Bewaffnung
H. Zeiß und C. Nicolăescu-Plopsor, Ein Schatz- Eine Zusammenfassung über Pfeil und Bogen
fund der Gruppe Untersiebenbrunn von Coşo­ sowie über andere Waffen der Hunnen:
veni, Kleine Walachei, Germania 17, 1933, Gy. László, Die Bewaffnung der Hunnen, RGA
272-285. 2 [1973], 453-454, allerdings auf Angaben und
Über das zusammen mit Plattenfibeln gefun­ Ergebnissen von vor 30-50 Jahren basierend.
dene Pferdegeschirr aus Silber von Kaschtin: Die geschichtliche Entwicklung der mittel­
Ju. W. Kucharenko, O katschinskoj nachodke asiatischen Bögen vollzog mit Hilfe der schriftli­
V. w., Drewnosti 1982, 234-244. chen Quellen und aller erreichbaren Darstellun-

228
gen, auch auf Münzen, B. A. Litwinski nach in: 1932. Zum hunnischen Bogen Mittelasiens
SowArch 1966/4. 51-69. Ihm verdanken wir auch grundlegend A. N. Bernschtam: Kenkolskij mo-
die erste Zusammenfassung der eisernen Pfeilspit- gilnik, Leningrad 1940, besonders die Tafeln
zen Mittelasiens SowArch 1965/2, 75-91. der XXVII-XXVIII. Über den Bogen von Mosch-
seitdem eine neuere folgte: G. A. Brukina- tschewaja Balka: E. Milowanow und A. Jeru-
N. G. Gorbunowa. Shelesnije nakonetschniki salimskaja. Luk is Moschtschewoj Balki.
strel is Fcrgani. Drewnosti Ewrasii w skifo- Soobschtschenija Gos. Ermitasha XLI, 1976.
sarmatskoje wremja, Moskau 1984, 28-36. Über 40-43. Zu den angeführten Bögen und Pfeilen
die asiatischen Vorbilder der hunnischen Pfeil- von Tuwa: S. I. Wajnstejn, TTKAEE III. Lenin-
spitzen ist auch in der zuvor erwähnten Arbeit grad 1970. 15-21. Weitere Publikationen über
von I. P. Sassetzkaja aus dem Jahre 1982 zu Pfeil und Bogen: A. K. Kibirow, Trudy Kirgiss-
lesen: 57-68, Abb. 2-3, über die hunnischen koj archeologo-etnografitscheskoj expedizii II,
Pfeilspitzen: Klassifikazija nakonetschnikow Moskau 1959, 128-132, Ju. Sadneprowski, Ar-
slrel gunnskoj epochi (konez IV-V ww. n. e) in: cheologitscheskije pamjatniki jushnych rajonow
Istorija i kultura sarmatow. Sara tow 1983. Oschskoj oblasti, Frunse 1960, 19-20, J. Ko-
70-84. Über die Pfeilspitzen des Altaigebietes: shomberdijew. Archeologitscheskije pamjatniki
A. M. Iljuschin in: Wojennoje djelo drewnewo i Talasskoj doliny, Frunse 1963, 56-57, Ju. D.
srednewekowo nasselenija Sewernoj i Zentralnoj Barusdin, Kara-Bulakskij mogilnik. Iswestija
Asii, Nowosibirsk 1990, 31-43. Akademija Nauk Kirgisskoj SSR III/3, 1961.
Die Entwicklung des hunnischen Bogens erör- 61-63, F. H. Arslanowa. Drewnosti Kasachsta-
terte anhand der in Inner- und Mittelasien in den na, Alma-Ata 1975, 118, 124-125. Zum Leder-
letzten Jahrzehnten gefundenen Knochenplatten köcher aus Grab 25 von Tschalai-nor siehe Kao-
A. M. Chasanow: Materialnaja kultura naro- gu (= Archaeology, Peking) 1961/12, 673-680,
dow Srednej Asii i Kasachstana, Moskau 1966, Abb. 3.
33-44. Über die Entwicklung des Bogens, Kö- Bezüglich der Schwert-Zierperlen ist bis heute
chers, Panzerhemdes, Helmes und der Pfeiltypen die Monographie J. Werners, „Attila-Reich",
gibt die Publikation Woennoje djelo drewnich die beste - bei ihm heißen sie „magische
plemen Sibiri i Zentralnoj Asii, Nowosibirsk Schwertperlen".
1981, Hrsg. Ju. S. Chudjakow. einen guten Über-
blick. Über die Entwicklung des hunnischen Sattel
knochenversteiften Bogens. Pfeiles, Beiles, Zum Auftauchen des Steigbügels und des Holz-
Schwertes und Kampfmessers Innerasiens in der saltels mit vorn und hinten hohem Sattelknopf
ersten Hälfte des l. Jahrtausends geben drei ist von entscheidender Bedeutung über die chi-
neue Werke eine eingehende und zugleich zu- nesische Entdeckung: Grabfund von Xiguan-
sammenfassende Analyse: Ju. S. Chudjakow. yingzi (Hsi-Kuan-Ying-Tsu, Provinz Liaoning)
Woorushenije kotschewnikow w epochu posd- aus dem frühen 5. Jahrhundert mit bronzebe-
nei drewnosti, (II. w do n. e. V. w. n. e.) in: schlagenem Holzsteigbügel: Li-Yao-Po. Wen-
Woorushenije srednewekowych kotschewnikow wu, Peking, 1973/3. 2-28. Ebenfalls hierüber,
Jushnoj Sibirii i Zentralnoj Asii, Nowosibirsk jedoch ergänzt mit koreanischen und japani-
1986, 23-135, I. K. Koshomberdijew - Ju. S. schen Holzsteigbügelfunden aus dem 5. Jahr-
Chudjakow, Komplex woorushenija kenkolsko- hundert sowie mit Darstellungen auf Pferde-
wo woina. In: Wojennoje djelo drewnewo nasse- und Reiterstatuetten aus Changsha Wakou
lenija Sewernoj Asii, Nowosibirsk 1987, 75- 107. Anazawa - Junichi Manome. The Tomb of Feng
und Ju. S. Chudjakow, Woorushenije kotschew- Su-Fu. Kokogaku Janaru. (Archaeological
nikow Zentralnoj Assii w perwoj polowine I. tys. Journal) Tokio, Nr. 85. 1973/8. 6-12.
n. e. in: Wojennoje djelo drewnewo i srednewe- Publikation des Grabfundes von Xiaomintun
kowo nasselenija Sewernoj i Zentralnoj Asii. (Anyang): Kaogu, Archaeology, Peking, 1983/6,
Nowosibirsk 1990, 44-60. 501-511. Die Rekonstruktion des Sattels mit
Die grundlegende Rekonstruktion der awari- Parallelen a. a. O. 554-559 und Tafel. Von dem-
schen bzw. ungarischen Reflexbögen ist in zwei selben mit weiterer Analyse des Holzsattels und
Werken zu finden: K. Cs. Sebestyén. Dolgozatok des Steigbügels: Wakou Anazawa - Junichi Ma-
- Szeged 6, 1930 und Dolgozatok - Szeged 8, nome The Jin Age Burials from Xiaomintun.

229
Anyang and its Problem. Kokogaku Janaru, 35-55. Knappe Zusammenfassung der Ergebnis­
Archaeological Journal, Tokio, Nr. 227, 1984, se: ders., Der hunnische Fundkomplex von Pan­
31-36, Nr. 228, 1984, 35-38. nonhalma. GHA 156-161.
Über den im Kammergrab von Yountazi (Pro­ Neuestens über Nagyszéksós mit schönen
vinz Liaoning) gefundenen lederbezogenen Holz­ Farbtafeln: B. Kürti. Fürstliche Funde der
steigbügel aus dem 4. Jahrhundert und die lack­ Hunnenzeit aus Szeged-Nagyszéksós, GHA
ierten Sattelknöpfe in Verbindung mit den beiden 163-170, 178-180. Über die aus der Berthie-
obigen Grabfunden: Wakou Anazawa, The Mi­ Delagard-Sammlung stammenden Parallelen aus
gration Period in the East and the West. Tohou Kertsch: O. M. Dalton, The Antiquaries Journal
(Tokio), Nr. 45, 1984, 14-20. Sattelbeschläge 4, 1924, 259-262. Taf. 37/3, 5. 7-8, 10 und D. S.
von Galajty: M. CH. Bagaew, Sow Arch 1977/2, W. Kidd, in: Seven Thousand Years of Jewellery
238-242. (ed. H. Tait). London 1986, 226, a, c-d, h, i
sowie Ders., GHA 110-113, I. 16, 3, I, n, o.
Grab- und Opferfunde Neue Beschreibung mit ausgewählten Farb­
In Ungarn aus der Zeit der hunnischen Herr­ tafeln von Jakuszowice: \V. Menghin, GHA
schaft gefundene neuere reiche Grabfunde: Lé­ 180-181. Über die hochwichtigen Ausgrabun­
bény {R. Pusztai, A lébényi germán fejedelmi sír gen am Fundort, die den Fundort des fürstlichen
- Das germanische Fürstengrab von Lébény, Fundes und sein Verhältnis zu einer nahen spät­
Arrabona 8, 1966, 99-118) und Regöly (Gy. kaiserzeitlichen Siedlung klärten: K. Godlowski,
Mészáros, A regölyi népvándorláskori fejedel­ Jakuszowice, eine Siedlung der römischen Kai­
mi sír - Das Fürstengrab von Regöly aus der serzeit und der frühen Völkerwanderungszeit in
Frühvölkerwanderungszeit, ArchÉrt 97, 1970, Südpolen. Die Kunde 37, 1986, 103-132.
66-92). Zwei reiche Grabfunde können aller Conceşti: Die in der Ermitage aufbewahrten
Wahrscheinlichkeit nach mit östlichen Volksele­ Funde publizierte L. Matzulcnitsch, Die byzan­
menten der hunnischen Bewegung in Verbin­ tinische Antike, Berlin-Leipzig 1929, 123-127,
dung gebracht werden: Keszthely (K. Sági, Hun­ Taf. 35-51. Über die Fundumstände: A. Odo-
kori sír Keszthelyen [Ein Grab aus der Hunnen­ besco, Opere IV., Bukarest 1976, 146, 487-488.
zeit in Keszthely], ArchÉrt 82, 1955, 185-189) Zum Childerichgrab: K. Böhner, Childerich
vergleiche dazu R. Müller, GHA 181, III. 50, von Tournai. RGA 4, 1980, 441-460. F. Dumas,
und vor allem Lengyeltóti (K. Bakay, Bestattung Le Tombeau de Childéric. In: La Normandie
eines vornehmen Kriegers vom 5. Jahrhundert in souterraine. Musée départemental des Antiquités,
Lengyeltóti, Acta ArchHung 30, 1978, 149-172). Rouen 1975, Fasc. 3. Juli - 2. November, Ders.,
Aus dem Theißgebiet wurde seit langer Zeit nur La tombe de Childéric, Paris 1982. Während Du­
ein einziger Grabfund von Bedeutung veröf­ mas auf der Vorstellung vom romantischen Hel­
fentlicht, nämlich der von Szirmabesenyö (G. den, der gegen die Hunnen kämpft, beharrt, hält
Megay, Hun-germán sírleletek a Borsod me­ er das Grab von Pouan für die Bestattung eines
gyei Szirmabesenyőről [Hunnisch-germanische zum Hofe Attilas gehörenden „gotischen" Prin­
Grabfunde aus Szirmabesenyö im Komitat Bor­ zen, womit er die Ausführungen des Autors von
sod], ArchÉrt 79, 1952, 132-134). Das wichtige kompetentester französischer Seite unterstützt.
Grab von Tarnaméra wurde hingegen noch nicht Eine gute Zusammenstellung ist noch der Ka­
publiziert; dessen Kenntnis verdankt der Verfas­ talog: Childéric-Clovis. Rois des Francs 482-
ser dem frühverstorbenen J. Gy. Szabó. 1983. De Tournai â Paris, naissance d'une nation,
Pannonhalma: P. Tomka, Der hunnische Für­ Paris 1983. Über die östlichen Elemente und die
stenfund von Pannonhalma. Acta ArchHung Chronologie (ab 450) der Schwerter von Tournai
38, 1986, 423-488, die Arbeit ist nicht nur als und Pouan K. Böhner, Germanische Schwerter
Fundpublikation hervorragend, sondern gibt des 5.-6. Jahrhunderts. Jahrbuch des Römisch-
auch eine gründliche Übersicht über die hunni­ Germanischen Zentralmuseums Mainz, 34, 1987,
schen Bestattungsbräuche und Totenopfer. 432.
Über letztere: A sztyeppei temetkezési szokások Auf den in den vergangenen Jahrzehnten in der
sajátos változata. A hun halotti áldozat. - Die Fachliteratur oft erwähnten „hunnischen fürstli­
eigenartige Variante der Begrabungsgewohnhei- chen Fund von Moigrad" müssen wir endgültig
ten von den Steppen. Arrabona 22-23, 1986, verzichten, da sich von den fünf unter die Gold-

230
stücke aus der Kupferzeit gemischten völker- XIX, Prag 1982. Ihm verdanken wir ebenfalls
wandemngszeitlichen Objekten herausstellte, die eingehende Zusammenfassung des Fundma­
daß sie moderne Fälschungen sind. I. Bóna. A terials östlichen Typs, das zwischen 375 und 400
mojgrádi kincs hamis népvándorláskori aranya­ am Nordrand der Donaugegend auftauchte:
iról - Über die Fälschungen des Goldschatzes Einflüsse und kulturelle Veränderungen nörd­
von Moigrad. VMMK 18, 1986, 95-113. lich der mittleren Donau zu Beginn der Völker­
Über neuere hunnische Funde im rumänischen wanderungszeit. In: Peregrinatio Gothica ( =
Tiefland: A. K. Florescu, Diadema is solotoj pla- Archaeologia Baltica VII.), Łódź 1986, 175-238.
stinki epochi pereselenija narodow, najdennaja w Zuletzt: Probleme der Völkerwanderungszeit
Buhăeni, Dacia 4, 1960, 561-568; B. Mitrea, Bei­ nördlich der mittleren Donau. GHA, 351-375,
träge zum Studium der hunnischen Altertümer, und nur teils verfolgbar: Zur Chronologie der
Dacia 5, 1961, 549-558 (mit der Veröffentlichung frühen Völkerwanderungszeit im mittleren Do­
der Kesselhenkel von Boşneagu); über die Funde nauraum. ArchAust 72, 1988, 223-304.
von Sucidava: D. Tudor, Sucidava, Bruxelles— Eine gute Zusammenfassung der Funde der
Berchem 1965, 86-104; zusammenfassend über Hunnen und aus der Hunnenzeit in Niederöster-
die Goldfunde des 4. und 5. Jahrhunderts in Ru­ reich geben H. Friesinger und H. Adler, Die Zeit
mänien: R. Harhoiu, The Treasure from Pietroa­ der Völkerwanderung in Niederösterreich, St. Pöl-
sa, Romania, in the Light of Recent Research, ten-Wien 1979. Den hierher bezüglichen Teil hat
BAR. Supplementary Series 24. Oxford 1977. Friesinger geschrieben. Grundlegend ist zu unse­
Über das in der römischen Kontrafestung von rem Thema noch H. Friesinger, Bemerkungen zu
Hinova gefundene hunnische Kesselbruchstück den frühgeschichtlichen Grab- und Siedlungs­
(rand- und rippenverziertes Seitenbruchstück): funden von Wien-Leopoldau, ArchAust 68,
M. Davidescu, Drobeta 4, 1980, 83, Abb. 7. Über 1984, 127-154. Chinesische Bewaffnung und Zi­
den hunnenzeitlichen Friedhof von Großwar- kadentracht Hiung-nu Ursprungs: P. Pelliot.
dein: T. L. Rosu, Hunnenzeitliche Funde aus T'oung Pao (Leiden) 26, 1929, 140 und Anm. I,
Oradea, Dacia 9, 1965, 403-405. W. Eberhard, T'oung Pao 36, 1942, 84.
Über den 408 abschließenden Geldverkehr
der Gegenfestungen an der unteren Donau (Su­ Zikaden
cidava, Hinova usw.): Gh. Poenaru-Bordea- V. Der erste in der Fachliteratur bekannt geworde­
Barbit, Dacia 14, 1970, 251-295. Gh. Poenaru- ne Grabfund mit Zikaden, jener aus Csömör,
Bordea, Studii şi Cercetări de Numismatica 6, wurde von Fl. Romer bereits in die Völkerwan-
1975, 75-80. B. Mitrea, Dacia 24, 1980, 375. derungszeit datiert (A csömöri lelet [Der Fund
Iatrus in Bulgarien: Iatrus-Krivna: Spätanti- von Csömör]. ArchÉrt VI. 1871. 192. 201-202).
ke Befestigung an der unteren Donau I.-III. Die Zikaden aus Csömör und Györköny sowie
Berlin 1979-1986. Mähren: Mehr, als der Titel die aus gegossenem Gold von Saromberek wur­
verspricht, enthält J. Tejral, Mähren im 5. Jahr­ den gemeinsam von F. Pulszky in die Völker­
hundert, Prag 1973, er arbeitet mit der Verwen­ wanderungszeit datiert (Rekeszes ötvösség Ma­
dung der gesamten hierher bezüglichen Literatur gyarországon [Zellen-Goldschmiedekunst in
bis 1970. Er übernahm auch die Systematisie­ Ungarn] ArchÉrt I. 1881. 149-150). Er publi­
rung und kartographische Darstellung eines be­ zierte sie mit einem aus Bronze gegossenen Typ
deutenden Teiles der hunnenzeitlichen Funde zusammen, der jedoch sicher älter, nämlich rö­
der Donaugegend, die Bedeutung der „reiterno­ misch ist. Die bekannte Zusammenstellung H.
madischen" und mit dieser eng zusammenhän­ Kühns. (Die Zikadennbeln der Völkerwande-
genden alanischen Komponente unterschätzte er rungszeit. JPEK 10, 1935. 85-106) verfolgte die­
jedoch einigermaßen. Das ist aber viel eher die se falsche Spur Später konnte Z. Vinski die
Schuld der benutzten Sekundärliteratur als die völkerwanderungszeitlichen Typen, wenn auch
des Autors. Die gründliche und hervorragende nicht in vollständigem Ausmaß, typologisch
Zusammenfassung der mährischen Funde des 5. gliedern (Zikadenschmuck aus Jugoslawien.
Jahrhunderts enthält seine neuere tschechische Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentral-
Monographie: Morava na slonku antiky deut­ museums Mainz 4, 1957, 136-160). Letztere ha­
scher Auszug: Mähren an der Neige der Antike. ben nämlich heute noch ungeklärte, doch nicht
238-244. Monumentu Archaeologica, Tomus zu unterschätzende römische Bezüge.

231
Der einzige hunnische „Fürstinnen"-Fund in Ännliche zellenverzierte Schnallen aus Bron­
Ungarn, das 1884 erschlossene Grab von Mező­ ze: AQVILEIA. Aquileia Nostra 24/25, 1953/54,
berény, erhielt von der Forschung infolge fal­ 106, Abb. 24. Germansberg (Speyer). Werner,
scher Publikationen unverdient wenig Aufmerk­ Op. cit. über Fürst, 176, Taf. 17/12-13. Edingen
samkeit. Die Zusammengehörigkeit der Funde (Mannheim). A. a. O., Taf. 17/14.
ist seit 1890 bekannt und nicht nur die Erkennt­ Hömchenförmige Lockenringe aus Gold: VI-
nis von Fettich, der in seinem Buch über den ENNA-Vienne, aus einem Grab. Premiers temps
Fund von Nagyszéksós in gebührender Weise chrétiens en Gaule meridionele. Antiquité tar­
die Funde des Fürstinnengrabes veröffentlichte. dive et Haut Moyen Age, Lyon 1986, 92, Nr. 182
(M. Jannet). TICINVM-Pavia oder dessen Um­
Hunnische und hunnenzeitliche Funde gebung. Oreficerie c metali i lavorati tardoanti-
westlich vom Karpatenbecken che e altomedievali dal Territorio di Pavia, Spo-
Skelettgräber: Altlußheim, Schwert mit Goldbe­ leto 1967, 112, Nr. 70. Taf. 15.
schlag, Kampfmesser (1932). J. Werner, Beiträ­ Zikaden: Umgebung von Namur. Vom hunni­
ge zur Archäologie des Attila-Reiches, München schen Typ, zellenverziert, aus Gold. H. Kühn,
1956, Taf. 1-3. Wolfsheim, goldener Halsring, JPEK 10, 1935, 87. Nr. 8, Taf 21/7. Beaurepaire
Armreif, Anhänger, zellenverzierte Schnallen (Isère). Vom Pontus-Donau- Typ, mit Edelstein-
(1870). GHA 183-184, III. 55 Taf. 13 (E. Wa- verzierung, aus Gold. H. Kühn. a. a. O. Nr. 7,
mers). Mundolsheim, vergoldete Sattelbeschläge Taf. 21/13.
(1881). Gallien in der Spätantike, Mainz 1980,
193, Nr. 301 (M. Schulze). Fürst, 3 zellenverzier­ Über die asiatischen
te Goldschnallen, Armreif, Trinkglas (1843). J. Wurzeln
Werner, Bayerische Vorgeschichtsblätter 25, Mit Ausnahme der Kessel, Reflexbögen und
1960, 169-171, Taf. 15, GHA 183, III. 54, Taf. 12 Spiegel konnte hunnische Hinterlassenschaft
(Tb. Fischer). Prag 5-Radotin „Grab 1", goldener kaum bis in Gebiete östlich des Ob zurückver-
Schnallenring, Trinkglas, Solidus des Arcadius folgt werden. Die berühmten Kurgane von No-
(1924). B. Svoboda, Cechy v době stěhování ná­ jon-ul (Noin Ula) in der Mongolei können zwar
rodů, Prag 1965, 271, Taf. 32/2, 10) Crimolois zur Zeit nur als Wurzeln (C. Trever, Excavations
(Côte-d'Or), Gürtel-, Schwert- und Stiefelriemen­ in Northern Mongolia, Leningrad 1932; S. I.
schnallen aus Bronze (1867). Les Mérovingiennes Rudenko, Kultura hunnow i noinulskije kurga-
au Musée de Dijon. Collections mérovingiennes ny, Moskau-Leningrad 1962), wenn auch als
du musée archéologique, Dijon 1977, 34, Nr. besonders wichtige gelten. Über die Grabungen
90-92, 95-96 (C. Aronovici-Martin). der Jahre 1954-1957: Z. Doržsüren, Umard hun-
Goldene Gürtel-, Schwertriemen- und Knö­ nu[Nördliche Hunnen], Studia Archaeologica I.
chelriemenschnallen mit rundem Ring und run­ 5. Ulanbatar 1961. Ders., Raskopki mogli hun-
dem, zellenverziertem und edelsteinbelegtem now gorach Noin-ula (1954-1957 w.w.) Mon-
Körper aus der Hunnenzeit, vom hunnischen golskij Archeologitscheskij Sbornik, Moskau
Typ. Einzelfunde: Villers-sur-Authie (Somme). 1963, 36-44. Über neuere Forschungen: I. Erdé-
La Picardie, berceau de la France, Amiens 1986, lyi-Z. Dorjsüren-D. Navan. Results of the Mon-
207, Abb. 175 (D. Bayard). BONONIA-Bologna golian-Hungarian Archeological Expeditions
oder dessen Umgebung. A. Riegl, Jahrbuch der 1961-1964. Acta Arch Hung 19, 1967, 335-370.
K. K. Zentral-Kommission. Neue Folge 1, 1903, Aus Südkorea sind zahlreiche, mit den europäi-
229, Abb. 212. CASTRA REGINA-Regensburg schen Hunnenfunden verwandte, mehr oder we-
oder dessen Umgebung. Die Bajuwaren. Von niger zeitgleiche Funde bekannt (Schwerter, Pfer-
Severin bis Tassilo, München-Salzburg 1988, degeschirr, Sattelbeschläge )Meile, Speere, Diade-
375, M. I. 26, Abb. 6, /3. Gundremmingen- me mit stilisiertem Baum verziert und Metallbe-
Castellum. „Bürgle", vergoldetes Silber, ohne schläge mit der für hunnische Funde so charakte-
Edelsteinverzierung (1971). E. Keller, Das spät- ristischen Schuppenornamentik). Für Korea
römische Gräberfeld von Neuburg an der Do­ macht sich damit ebenso wie für Europa der Ein-
nau, Kallmünz 1979, 57 und Anm. 297, Abb. fiuß der Kultur aus dem Gebiet der Großen Mauer
5/10. Am selben Ort wurden früher Pferdege­ bemerkbar (Akio Ito, Zur Chronologie der frühsil-
schirre vom Untersiebenbrunn-Typ gefunden. lazeitlichen Gräber in Südkorea, München 1971).

232
Bestattung Attilas Die Vorarbeiten der in diesem Buch vorgeleg­
ten archäologischen Analysen dauerten über
Über die Bestattung Attilas und die in diesem dreißig Jahre. Am l. September 1956 reichte ich
Buch vertretene Auffassung über den Fund von bei der Redaktion der Acta Archaeologica die
Nagyszéksós siehe: I. Bóna. A szeged-nagyszék- Arbeit ein: Tanulmányok az európai hun régé­
sósi hun fejedelem [Der hunnische Fürst von szeti leletek közép- és belső-ázsiai kapcsolatairól
Szeged-Nagyszéksós], in: A magyar régészet re­ [Studien über die Verbindungen der hunnischen
génye [Der Roman der ungarischen Archäolo­ archäologischen Funde in Europa mit Zentral-
gie], Budapest 1968, 19763. Früher: J. Morav- und Innerasien]. Ich erörterte den asiatischen
csik, Attilas Tod in Geschichte und Sage. Körösi Ursprung der Kessel - gestützt auch auf die
Csoma Archivum 2, l926-1932, 83-116, neuer­ frühen awarischen Funde, der Reflexbögen, der
dings: I. Ecsedy. The Oriental Background to eisernen Pfeilspitzen, der Langschwerter, der
the Hungarian Tradition about Attilas Tomb. Speerspitzen, des Pferdegeschirrs, der Sättel, au­
Acta OrientHung 36, 1982, 129-153 Ober die ßerdem verglich ich die europäischen Zikaden
Auslegung der copercula neuestens M. Rimóczy mit denen aus dem Gebiet der Großen Mauer
Hamar, Attila temetése (Legenda és valóság) und rekonstruierte den Holzsattel vom Typ Lé-
[Attilas Bestattung. Legende und Wirklichkeit] va-Pécs-Mundolsheim sowie den von Conceşti
Antik Tanulmányok 31, 1984, 73-79. (die vorherige Rekonstruktion ist auch in dieser
Anläßlich der Trauer abgeschnittene und ins Arbeit wiedergegeben). Die Denkmäler der hun­
Grab gelegte lange, geflochtene - oft in Seiden­ nischen Metallkunst teilte ich damals in zwei
scheiden gesteckte - Zöpfe kennen wir aus den große Gruppen: in Erzeugnisse persischen und
asiatischen Bestattungen der Hunnen - Hiung- pontischen Stils; dieser Gesichtspunkt wurde in
nu von Nojon-ul/(Noin Ula Kurgan 6 (26 St.), der vorliegenden Arbeit nicht oder kaum ver­
ebendort Dshuramt-Kondratew-Kurgan (12 St.) folgt. Schließlich versuchte ich mit Hilfe nach
C. Trever, Excavations in Northern Mongolia, strengen Maßstäben ausgewählter, tatsächlich
Leningrad 1932, 50. Taf. 33/2-5. Syry Grab­ als hunnisch einzuordnender Funde einen Ab­
kammer 1 (12 St.). Ujbat Grabkammer 1. 7 (7 riß der archäologischen Geschichte der Hunnen
St.), L. R. Kyslassow, Taschtykskaja epocha, zu geben.
Moskau 1960, 126, Abb. 43(9) und Oglatky Die Herausgabe der bereits lektorierten
Grabkammer 1 (2. St.), A. M. Tallgren, ESA XI und zur Publikation vorbereiteten Arbeit (zi­
(1937) 76, Abb. 4). tiert von M. Párducz, Acta ArchHung II,
Ein interessanter neuer Gesichtspunkt die Be­ 1959, 394, Anm. 499) hielt der Autor unter
stattung Attilas betreffend bei L. Bese. A hármas Berufung auf das damals gerade erschienene
koporsó motívuma egy mongol népmesében. Buch von J. Werner, in Wirklichkeit aber we­
Előmunkálatok a Magyarság Néprajzához 3 gen des nach 1956 über Jen Autor verhäng­
[Das Motiv des dreifachen Sarges in einem mon­ ten Silentiums, für „nicht aktuell" - die Er­
golischen Volksmärchen Vorarbeiten zur Eth­ gebnisse waren tatsächlich in zahlreichen Fra­
nographie des Ungarntums 3], Budapest 1978, gen identisch oder zumindest ähnlich. So
77-80. Der nach Sui-shu LXXXIV. über die blieb die Arbeit ein Manuskript.
Funeralzeremonien der osttürkischen Fürsten Den Lektoren des vorliegenden Buches, Ilona
zitierte Teil bei Liu Mau-tschai Die chinesischen Kovrig und dem allzu früh verstorbenen András
Nachrichten zur Geschichte der Osttürken. Mócsy, sei für ihre freundschaftlichen Ratschlä­
Wiesbaden 1958, in der neuen Übersetzung von ge, mit denen sie in nicht geringem Maße zur
I. Ecsedy, Ancient Turk (Tu-chüen) burial cus- endgültigen Gestaltung des Textes beigetragen
toms. Acta OrientHung 38, 1984, 263-287. haben, der beste Dank ausgesprochen.

233
Erläuterungen zu den Abbildungen

1. Pfeilschießender Reiter mit knochenversteiftem Reflexbogen der Füllerde des Grabes 7/1984 aus dem frühen 3. Jahrhun-
China, Innere Mongolei dert und die Siedlung (vicus) aus der Abfallgrube 30/1984
Alter unbekannt, doch nicht viel älter oder jünger als das vom Ende des 2. Jahrhunderts freigelegt (Ausgrabung und
hunnische Zeitalter. Bronzeguß kleinen Formats. Länge ca. freundliche Mitteilung von J. B. Horváth). Die Überreste
7,5 cm. aus Intercisa stammen von Bögen der syrischen Cohors sa-
Namio Egami, Ancient Northern Cultures of Eurasia. gittariorum equitata = berittenen Bogenschützen aus Heme-
Tokio 1948, nach dem Foto von Taf. 4. sa. Ebenso als völkerwanderungszeitliche Funde hunnischen
oder alanischen Ursprungs, „sicherlich nicht vor dem
2. Knochenversteifungen eines asymmetrischen Reflexbogens Jahr 380", behandelte die Bogenendversteifungen von Car-
Wien 11 - Simmering, Österreich (1930) nuntum, Vindobona und vor allem aus dem Kastell von
Sie stammen aus einem gestörten Grab, so daß ihre ge- Klosterneuburg H. Mitscha-Märheim, Knochenbeschlag ei-
naue Fundlage unbekannt ist. Das Grab enthielt ein Skelett nes Reflexbogens. Akten zum VII. Internationalen Kongreß
mit deformiertem, mongoloidem Schädel. Neben dem linken für Frühmiltelalterforschung. Graz-Köln 1962, 350-351.
Bein zehn auf einen Köcher hinweisende, dreifiüglige Pfeil- Ders., Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren. Wien 1963,
spitzen und ein Henkelkrug mit Glättverzierung. Die Funk- 34. Seitdem ist ihr römischer Ursprung aus dem 2./3. Jahr-
tion der Bogen Versteifungen wurde anhand der Forschungen hundert, das von Klosterneuburg aus dem Kastell der Co-
von K. Cs. Sebestyén (Dolgozatok - Szeged 6, 1930, 178 ff. hors I. Aelia sagittariorum milliaria equitata (berittene Bo-
schon in der ersten Publikation erkannt, doch wurden die genschützen!) stammende Exemplar einbegriffen, überzeu-
verschieden langen Knochenplatten für die Überreste zweier gend bestätigt von H. J. Ubl in: Vindobona. Die Römer im
Bögen gehalten. Erst J. Kalmár gelang es, die Bruchstücke Wiener Raum. Wien 1978, 274-275. Katalog B. 9-11.
richtig zusammenzusetzen. Aufgrund der ersten, sich mit den Trotzdem spuken die Datierung der römerzeitlichen Bo-
Hunnen befassenden Werke von Werner und Alföldi brachte genreste mit Beinendversteifung von eigenartiger Form und
auch Kalmár die Knochenplatten irrtümlicherweise mit Bo- Größe in die Hunnenzeit und die daraus gezogenen histori-
genversteifungen parthisch-syrischer Herkunft des 2. bis 3. schen Schlußfolgerungen auch heute noch weiter. Im ange-
Jahrhunderts aus Carnuntum, Mogonliacum und anderen führten Werk von Salamon werden die römisch-orientali-
römischen Kastellen in Verbindung. Und obwohl gerade schen Beinendversteifungen von Carnuntum von neuem auf
Werner als erster seinen Irrtum korrigierte, indem er sich auf die Hunnenzeit „rückdatiert", die Bearbeiterin eines anderen
die entlang des Limes bis Britannien vorkommenden Bein- römisch-orientalischen Bogenenden läßt die Datierungsfrage
versteifungen römischer Bögen des 2. und 3. Jahrhunderts - auch die syrische Möglichkeit erwähnend - zwischen der
stützte (Germania 18, 1934, 237), hat man neuerdings die zu hunnischen und awarischen (?) Möglichkeil offen (Bíró, T.
Beginn unseres Jahrhunderts im Castrum von Intercisa ver- M.: Bonecarvings from Brigetio. Acta ArchHung 39, 1987,
streut gefundenen, bogenversteifenden Knochen den Hun- 161, Taf 5, 19), obwohl in Brigetio im 3. Jahrhundert auch
nen zugeschrieben, ja sogar eine im Castrum tätige hunni- die Ala Osrhoenorum sagittariorum stationiert war. Die
sche Bogenwerkstätte postuliert (Á. Salamon, ArchÉrt 103, mit dem Exemplar von Brigetio übereinstimmende Beinend-
1976. 207-215 = MAI 6, 1976, 47-54, Taf. 25-26. Dies., versteifung wurde schon aus der severuszeitliehen Schicht
Katalog Severin 171, Abb. 16 - ihre Datierungen [4./5. Jh.) von Ulcisia Castra (Szentendre) mitgeteilt, aus der Zeit, als
wurden ohne Zweifel und Kritik übernommen von J. C. die Ala I. Itureorum sagittariorum die Garnison des Castrum
Coulston. Roman Archery Equipment. BAR 275, 1985, stellte (Nagy. L.: ArchÉrt 52, 1939, 139-140, Taf. 117).
220-366, Catalogue Nr. 25 und J. Tejral. ArchAust 72, 1988, Neuerdings sind die in der 271 geräumten Provinz Dazien
240 ff. Abb 12/1), wobei außer acht gelassen wurde, daß die unter den Ruinen des zur Mitte des 3. Jahrhunderts zerstör-
bei neuen Grabungen an demselben Ort gefundenen 25-30 ten Kastells Tibiscum gefundenen Bogenend- und -griffplat-
Stück ausnahmslos aus Abfallgruben des 2. bis 3. Jahrhun- ten geradezu entscheidend (Benea, D.: Banatica 8, 1983,
derts stammen (Vágó-Béna. Intercisa 243), neuestens wur- 201-223, Taf. 2, und Bona, P.-Petrovszky, M. und R.: Acta
den die Übereste vollständiger Bogenknochenbestände in Musei Napocensis 20, 1983, 418, Taf XI/l-2). übrigens

234
gleichfalls aus mit syrischen Bogenschützen belegten Garni­ führers niedrigeren Ranges kennen. An seinem linken Ohr
sonen (Numerus Palmyrenorum und Cohors I. sagittario- trug er einen einfachen, jahrhundertelang in Mode gebliebe­
rum). nen, aus Bronzedraht gedrehten Ohrring. Beachtenswert
Länge der die beiden Bogenenden befestigenden Kno- sind auch der bronzene Malsreif, Variante zahlreicher silber­
chenplatten: 27.3 bzw. 38,5 cm. Länge der griffversteifenden ner und goldener Halsreifen, sowie der mit Bronzeplättchen
Knochen: 39.0cm. besetzte Waffengürtel vom Typ Kanattas-Kapulowka. Als
Beninger, Der westgolisch-alanische Zug. 72-84, Abb. 37. Verschluß des letzteren diente eine Eisenschnalle mit Bronze-
J. Werner, ESA 7, 1932. 33-58 E. Polasckek, WPZ 19, 1932, beschlag (vgl. Abb. 18. 1-3). In der Beckengegend lag ein
239-240. J. Kalmár, MAG 65. 1935, 151-152, Abb. 1. Die einschneidiges Kurzschwert mit Holzgriff, daneben ein Mes­
Rekonstruktion und die Knochenplatten hatte schon vorher ser. Unter den Bruchstücken eines Köchers neben dem lin­
veröffentlicht: Alföldi, Hunnenzeit. 18-20. Abb. I. ken Knie befanden sich drei Pfeilspitzen verschiedenen Typs.
Zur Rechten des Toten lag ein mit zehn Knochenplatten
3. Grab eines mit Bogen und Köcher bestatteten hunnischen oder versteifter, asymmetrischer Bogen, der in ungespanntem Zu­
orientalischen Kriegers der Hunnenzeit stand 130 cm lang gewesen sein konnte. Sein unterer, kürze­
Ansiedlung Aktöbe II. Gebäude 7. Kasachstan. Oblast rer Teil kam aber unvollständig und zerbrochen zum Vor­
Tschimkent. Sowjetunion schein. Das Grab kann sehr gut mit den frühhunnischen
Einzelbestattung unter dem Boden eines zerstörten und Bestattungen im Talastal, mit dem Einzelgrab Aktöbe II
verlassenen, antiken Kuppelbaus aus Ziegeln Der Tote lag (vgl. Abb. 3) und mit dem Doppelgrab von Kanattas (vgl.
in einem gut erhaltenen Brettersarg mit geschnitztem Holz- Abb. 18) in Verbindung gebracht werden. Aufgrund dessen
rahmen. Särge ähnlicher Konstruktion kommen bei den wurde das Grab von Sewakino in das ausgehende 4., höch­
frühen Gruppen der Awaren asiatischen Ursprungs vor. stens aber in das beginnende 5. Jahrhundert datiert. Aus
Links vom Schädel des auf dem Rücken liegenden kräftigen einem der nahe liegenden Kurgane kam auch ein Tonkessel
Mannes waren in einem mit Kupferblechen beschlagenen mit Fußring zutage.
Holztopf und in einem ähnlichen Holzkrug mit Kupferhen- F. H. Arslanowa, Kurgany „s usami" wostotschnowo
kel Speisen und Getränke mitgegeben. In der linken Ohrge­ Kasachstana, Drewnosti Kasachstana. Alma-Ata 1975,
gend fand sich ein verziertes Stirn- oder Ohrgehänge aus 116-118, 124-126, Taf. I.
vergoldetem Silber, das dem Typ nach zwar vorläufig ein
Unikat, aber mit denen aus Mezőberény verwandt ist. Auf 5. Totenopfer eines hunnischen militärischen Würdenträgers aus ei­
den linken Arm wurden offenbar aus magischen Gründen ner Höhlenbestattung
zwei Pfeile gelegt (die gleiche Situation begegnet uns auch Kysyl-Adyr, RSFSR. Oblast Orenburg, Bezirk Kuwandyk,
beim hunnischen Grab von Wien 11 - Simmering), quer über Sowjetunion
dem Rumpf lagen ein Kampfmesser sowie eine Eisenschnalle Im Karstgebiet zwischen den Flüssen Ural und Ilek, an
mit Ring und runde Riemenplatten. der Grenze von Nordkasachstan, stieß 1977 eine geologische
Alle anderen Ausrüstungsgegenstände und Beigaben la­ Expedition in einer mit einer Steinplatte bedeckten kleinen
gen in einem rund 100 cm hohen, oben 38 cm und unten Höhle beim Grab einer gestörten Bestallung auf Reste eines
28 cm breiten, aus Birkenrinde geflochtenen und mit Birken­ Totenopfers. Von der Bestattung zeugten nur einige Kno­
scheiben verzierten Sack: der in ungespanntem Zustand et­ chenreste. Vor und neben dem Grab kamen im I laibkreis aus
wa 120 cm lange, mit Knochenversteifungen sorgsam verse­ einer höheren Schicht die Gegenstände des Totenopfers zum
hene, leicht asymmetrische Bogen und darunter in einem aus Vorschein. Auch an der Oberfläche war ein Kupferkessel mit
Birkenrinde verfertigten, 77 cm langen Köcher mindestens ausgebrochenem Boden und abgebrochenem Fuß zu sehen
20 dreiflüglige eiserne Pfeilspitzen; der Köcher konnte mit (vgl. auch Taf. 14/1). In der Nähe, neben dem Grab, lagen
einer eisernen Tragöse am Gürtel befestigt werden. Schließ­ Stücke der 85 cm langen Klinge des zweischneidigen Schwer­
lich kam in den Sack neben einem großen Lammrücken auch tes und als Lebensmittelüberreste Pferdeknochen.
das Eisenmesser des Toten. Die Stiefel waren in der Knöchel- Aus der Grube zwischen Grab und Höhleneingang
gegend in zwei Reihen mit Kupfernägeln beschlagen. Die stammten die Garnitur einer Knochenversteifung eines
Bestattung wurde in das ausgehende 4. Jahrhundert bzw. in asymmetrischen Bogens, und 14 Pfeilspitzen - wahrschein­
die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert datiert und ihre lich aus einem Köcher -, darunter 11 dreiflüglige verschiede­
Beziehung zu den Gräbern „nomadischen" Charakters der nen Typs und drei Eisenspitzen mit dreieckigem Querschnitt.
Wolgagegend betont hervorgehoben. Aus der Datierung und Die kleinste hat einen Durchmesser von 3 cm, die Durchmes­
der mittelasiatischen Fundstelle folgt von selbst auch die ser betragen im Durchschnitt 6-6.7 cm Reste eines Waffen-
hunnische bzw. hunnenzeitliche Bestimmung. gürtels. ein eiserner Haken zur Befestigung des Gürtels, zwei
A. G. Maksimowa-M. S. Merschtschijew-B. I. Wajn- 7 cm lange silberne Riemenzungen mit bronzener Fixierplat-
berg-L. M. Lewina. Drewnosti Tschardary. Alma-Ata 1968. te auf dem Rücken, eine goldene und vier silberne Nieten,
71-79. nach Abb. 30-33. zur Tracht gehören noch ein hörnchenförmiger silberner
Lockenring und eine kleine runde Eisenschnalle, schließlich
4. Grabbeigaben eines Kriegers aus Mittelasien verweist eine Eisentrense auf eine symbolische Pferdebestat-
Sewakino, Kurgan I, Ostkasachstan. Bezirk Schemonaicha. tung. Der Komplex kann von der Wende des 4. zum 5.
Sowjetunion (1972) Jahrhundert stammen.
In einem mit einer Steinplatte abgedeckten Grab unter­ I. P. Sassetzkaja. Pogrebenije u sela Kysyl-Adyr w
halb eines von einem Steinkranz umgebenen Kurgans waren orenburgskoi oblasti. In: Drewnije pamjatniki kultur na
ein Mann und ein Kleinkind bestattet. Aus den Beigaben des territtorii SSSR. Sbornik nautschnych trudow Ermilage. Le­
Mannes lernen wir die Ausrüstung eines asiatischen Militär­ ningrad 1982, 54-77 und nach Abb. 2. 4-6.

235
6. Hunnischer Reflexbogen 2. Kumbulta-Werchnjaja Rutha. Ossetien, Sowjetunion.
1.Rekonstruktion eines asymmetrischen hunnischen Auf Bronzeunterlage gepreßtes Goldblech. Durchmesser
Reflexbogens 5.8 cm.
2.Dic Rekonstruktion bestätigt ein einzigartiger Grab- P. S. Uwarowa. Mogilniki Sewernowo Kawkasa, Ma-
fund: In der Nähe von Minfeng im chinesischen Tur- terialy po Archeologii Kawkasa VIII. Moskau 1907, nach
kestan (Autonomer Kreis Ujgur) wurde 1959 in einem Taf. 101/11.
späthunnzeitlichen Brettersarg ein vollkommen erhal-
tener gespannter Bogen gefunden, der in Form und 3. Dunaújváros-Intecisa, Komitat Fejér (1912)
Ausmaß den gespannten asymmetrischen Reflexbogen In Serien hergestellte, noch unausgeschnittene gepreßte
veranschaulicht. Wen Wu 1960/6, 9-12, nach Abb. I. Bronzegesichter; kein römischer Kastenbeschlag! Blech-
größe 7 x 7 cm, Durchmesser des Gesichtes 5,6 cm.
7. Hunnische Pfeilspitzen aus Eisen 1. Paulovits, ArchÉrt 1940, 66-76, nach Taf. XVII.
Es war üblich, in die Gräber 2-30 Pfeilspitzen zu legen, 4. Pokrowsk, Kurgan bei „Woschod -Sowchos", RSFSR,
ihre Zahl hatte aller Wahrscheinlichkeit nach eine bestimmte Sowjetunion (1929)
Bedeutung. Vgl. auch Abb. 3-5, 44, 49, 58.
Auf Bronzeunterlage gepreßte Goldbleche, von denen 23
1.-3. Csongrad-Kenderföldek, Grab 4. Länge 6,2, 5,5 und ein Pferdegeschirr schmückten. Länge 7,8 cm, Breite
4 cm. 5 cm.
M. Párducz. Acta ArchHung II, 1959, 311, nach Taf. I. W. Sinizyn, Iswestija Saratowskowo Nishnewolss-
IV/4-6. kowo Instituta Krajewedenija im M. Gorkowo VII.
1936, 75-76, nach Abb. 4-4a.
4.Eine der vier Pfeilspitzen von Keszthely-Gátidomb.
Länge 5,6 cm. 5. Nowogrigorewka, aus einem „Grab" unbekannter Nu-
J. Hampel, ArchÉrt 20, 1900, 110-111, nach Abb. 8. merierung (VII?) vom Jahre 1884, Oblast Cherson,
Ukraine, Sowjetunion
5.-6. Wien-Simmering, 1930.
Auf Bronzeunterlage gepreßtes Goldblech. Durchmesser
Zwei Pfeilspitzen verschiedener Größe, jedoch gleichen 4 cm.
Typs, die zusammen mit den Knochenversteifungen Nach Samokwasow, Katalog, 60. Nr 3030, Tar. IV/15.
(vgl. Abb. 2) aus demselben Fund stammen. Länge 5 Ders., Mogily russkoj semli, Moskau 1908, 133-135, Taf.
und 6,7 cm. IX/15.
Beninger, Der westgotisch-alanische Zug. 74, nach
Abb. 34. 6. Nowogrigorewka, „Grab" VII, Ukraine, Oblast Cherson,
Sowjetunion (1884)
7.Nowogrigorewka (1884) „Grab" VII (7). Länge
Zwei auf Bronzeunterlagen gepreßte Goldbleche. Durch-
6,0 cm.
messer 4,5 cm.
Nach Samokwasow. Katalog, 61, Nr. 3039-3040, Taf.
Minajewa, Pogrebenija, 100. Sassetzkaja, Solotye
IV/27. Ders., Mogily russkoj semli. Moskau 1908,
133-135, Taf. IX/27. ukraschenija, 73, nach Nr. 82.
7. Wladimirskoe, Kurgan 4. Oblast Samara, Sowjetunion.
8. Die Arcadius-Säule
Werkstattgleich mit Nr. I., Material und Maß sind ähn-
Die zwischen 410 und 421 zur Erinnerung an den 408 lich. Die mongoloide Gesichtzüge sind also gar nicht
verstorbenen Kaiser Arcadius von seinem Sohn Theodosius später, wie es die Bearbeiter glauben wollen.
II. in Konstantinopel aufgestellte Triumphsäule war 56 m Nach I. P. Sassetzkaja, ArchSb 27, 1986, 84, Abb. 1/42
hoch; 233 Stufen führten nach oben. Die Reliefs der 1719 und A. K. Ambros, Chronologija drewnosstej Sewernowo
durch ein Erdbeben schwer beschädigten und abgetragenen Kawkasa. Moskau 1989, 73-74, Abb 30/5.
Säule verewigten Kriege gegen die Westgoten und Gaina, Die in der Ufa-Tukajew-Straße (Baschkirien) zusam-
und gewiß waren auch die Hunnen des Uldin dargestellt, men mit einem Schwert mit schuppenverzierter Silber-
doch sind Details auf der Zeichnung des unbekannten scheide, gepreßten, silbernen und bronzenen Pferdege-
Künstlers aus dem Quattrocento nicht erkennbar. schirrverzierungen, schuppenverzierten Sattel beschlägen,
O. Wulff, Allchristliche und byzantinische Kunst I. Ber- Trense mit Seilenstange, Bronzeschellen und Gürtel-
lin-Neubabelsberg 1916, 168-169, nach Taf. XII/2. schnalle gefundenen 3, auf Bronze aus silbervergoldetem
9. Aus Silber- und Bronzeblech gepreßte bärtige Männergesichter Silberblech gepreßten Scheiben mit Maske von durch-
(Masken) aus hunnenzeitlichen Fundkomplexen schnittlich 6 cm Durchmesser sind wahrscheinlich schon
posthunnenzeitlich. Obwohl die Haartracht der Masken
den Blechen des Fundes von Pokrowsk-Woschod folgt,
Von links nach rechts:
sind die mongoloiden Gesichter bartlos.
1. Engels/Pokrowsk, Kurgan 17. RSFSR, Oblast Saratow, P. B. Achmerow, SowArch 1974/2, 240-245, Taf. 3/1-1
Sowjetunion (1925)
10. Funde aus dem bisher am östlichsten gelegenen hunnischen Für-
Auf Bronzeunterlage gepreßtes Silberblech. Nach den Pu- stengrab aus der Zeit der Völkerwanderung
blikationen mindestens zwei Exemplare. Durchmesser 5 cm.
Nach den Abbildungen in Minajewa, Pogrebenija. 93, Tugoswonowo, am Tscharisch-Fluß, und Nowoselski, RSFSR,
Taf. 1/6, und Alföldi. Hunnenzeit. 78, Taf. XXIV/6, re- Oblast Altai, Sowjetunion (1959)
konstruiert. Auf dem von Alföldi publizierten Foto waren In einer Windung des bei Barnaul in den Ob mündenden
die Bruchstücke falsch zusammengesetzt. Tscharisch-Flusses ruhte in einem Grab gewöhnlichen Aus-

236
maßes (Länge 220 cm. Breitc 80 cm) und normaler Tiefe 11. Ein spätrömischer Feldherr und seine mit Edelsteinen verzierte
(170-180 cm)jener etwa dreißigjährige Mann von gewaltiger Schwertscheide
Statur und mit artifiziell deformiertem, europid-mongoloi- Wahrscheinlich eine Darstellung des Aetius aus dem Jahre
dem Schädel, dessen - leider bereits gestörte - Ausstattung 432
Einblick in den Reichtum der Asien verlassenden bzw. dort Den auf der Tafel I bzw. A des weltberühmten Dipty-
verbliebenen Hunnen gewäbrt. Der Militärführer von Rang chons der Domschatzkammer zu Monza dargestellten feld-
war in voller Rüstung begraben worden: mit einem ur- herrn hatte man im vorigen Jahrhundert noch zumeist für
sprünglich etwa 110 cm langen, goldbeschlagenen, zwei- Aetius gehalten. Erst um die Jahrhundertwende verstärkte
schneidigen Langschwert, einem goldbeschlagenen Kampf- sich trotz Zweifel der größten Autoritäten. O. M. Dalton
messer, einem Messer in einer silberblechverzierten Scheide. und O. Wulff, die - auch bis heute nicht einer gewissen
In einen silberbeschlagenen Köcher waren 30 rotbemalte nationalen Romantik entbehrende - Meinung, auf dem Dip-
Pfeile mit eisernen dreiflügligen Spitzen und 2 mit Knochen- tychon wäre der 408 ermordete weströmische Feldherr ger-
spilzen gelegt. Aufgrund der Bruchstücke waren die Enden manischer (wandalisch-adliger) Herkunft, Stilicho, um 395
und der Griff eines großen Reflexbogens hunnischen Typs (Später meinte man, im Jahre 400, also zur Zeit seines ersten
mit Knochenversteifungen befestigt. Auch beim Trachtenzu- Konsulats) dargestellt. Dementsprechend deutete man die
behör sind alle Charakteristika der Hunnenzeit vertreten: Personen auf der Tafel 2. bzw. B als die Gemahlin Stilichos.
das goldene Stingehänge, der goldene Halsring, die mit Serena, und als seinen 388 (richtig 389) geborenen Sohn
Edelsteinen und Granulation verzierte, mit Goldblech über- Eucherius. Der Trugschluß lag darin, daß zur Identifizierung
zogene silberne Gürtelschnalle, die Schwertriemenschnalle, Stilichos eigentlich die vornehme Frau der 2. Tafel und deren
die Stiefelschnallen und die Riemenzungen mit Zellenverzie- dem 4. Jahrhundert zugeschriebene Kleidung als Grundlage
rung. Der Großteil der in der Ermitage verwahrten und noch genommen wurde und neuerdings als Zeitpunkt der Herstel-
in späteren Jahren ergänzten Funde ist noch nicht publiziert, lung des Diptychons „Stilichos", der wiederholt das Konsu-
ihre Rekonstruktion wird Jahre in Anspruch nehmen. lat innehatte, nach einigen Mißverständnissen (395. 405)
Die nächste Parallele zum Tugoswonowo-Schwertknauf gerade mit Hilfe des vermuteten Lebensalters von „Euche-
stellt der 1884 bei Schadrinsk in der Brjuchanowo-Siedlung rius" angegeben wurde (400). Mit dieser Datierung stand
(ehem. Gouvernement Perm, heute Oblast Kurgan) geborge- zwar die Haar- und Barttracht des Feldherrn im Wider-
ne Schwertknauf aus Chalzedon mit „Goldmütze", offen- spruch. (Um 400 rasierten sich die vornehmen Römer noch
sichtlich ein Überrest eines aus einem ähnlichen Grab stam- und trugen ihr Haar anders, vgl. z. B. den gänzlich anderen
menden Fundes, dar. Der Schwertknauf des Tugoswono- Slil der Diptychen des Probianus um 400 und des Probus
woer Schwertes konnte gerade mit Hilfe dieser Parallele von 406: W. F. Volbach. Elfenbeinarbeiten der Spätantike
rekonstruiert werden. (Sassetzkaja. Solotyje ukraschenija. und des frühen Mittelalters. Mainz 19763, Nr. 1 und 62), dies
53-55, Nr. 35-37. besonders Nr. 33), aber auch mit dem wurde aber stillschweigend mit der germanischen Abstam-
Schwertknauf von Kertsch-Glinischtsche ist er verwandt mung der dargestellten Person gelöst.
(vgl. Abb. 51). Das mit einem Karneol verzierte Slirngehän-
Auf diese romantische und äußerst subjektive Auffassung
ge ist mit den Exemplaren aus Ketmen-Tübe und Alaj in
sowie stilistische und historische Unmöglichkeit wics bereits
Kirgisien, aus Aktöbe II, Aktas I, Satach und Kysylkajnar-
früher A. Rumpf, Stilphasen der spatantiken Kunst, Köln-
töbe in Kasachstan und somit auch mit den goldenen Stirn-
Opladen 1957, 28-29, hin. Rumpf, der stets von sicher da-
gehängen zahlreicher europäischer Hunnenfunde verwandt.
tierbaren Darstellungen (und nicht umgekehrt!) ausging,
Die Riemenzungen und andere Bruchstücke schließen an
verglich die Männergestalt des Diptychons von Monza mit
den Fund von Musljumowo im Gebiet von Tscheljabinsk an,
dem aus dem Jahre 428 stammenden Consulardiptychon des
stellen jedoch frühere Typen dar. Die Riemenzungen
Felix und datierte sie überzeugend in die Zeit um 430, ebenso
von Tugoswonowo sind demnach Vorläufer jener des
wie die anonymen Konsuldarstellungen des zweifellos gleich-
Typs Musljumowo-Concesti-Nagyszéksós. Die anderen
altrigen Diptychons von Novara (ebd., Taf. 22/93 und 95)
Schmuckstücke des Funde knüpfen an jene aus dem Grab
Von unserem Standpunkt aus ist es wesentlich, daß die Hand
einer hunnischen Fürstin von Kara-Agatsch in Ost-Kasach-
und die Handhaltung der (von Rumpf nicht erörterten)
stan, an das Diadem von Kanattas sowie an die mit Edelstei-
Männergestalt auf der weiten Tafel des Diptychons von
nen und Granulation verzierten Riemenzungen des Kata-
Novara denen des kleinen Knaben auf dem Diptychon von
kombengrabes von Dshoon-Töbe an. Eine Variante des in
Monza genau entsprechen (vgl. W. Volbach. Elfenbeinarbei-
Tierköpfen endenden Halsringes von Tugoswonowo liegt im
ten, a. a. O., Nr 64; Volbach versuchte übrigens gerade mit
hunnischen Fund von Kalinino auf der Krim vor, mit dem
dem Diptychon von Novara, den Zeitraum zwischen der
es auch andere Verbindungen gibt. Mit einem Gewicht von
Darstellung des vermeintlichen Stilicho und der zweifellosen
322,8 g folgt er unmittelbar auf den Halsring von Nagyszék-
Felixdarstellung zu „überbrücken" und datierte es unbe-
sös. Die Länge des Tugoswonowoer Schwertes stimmt mit
gründet zwischen 418 und 422, getraute sich aber kein frühe-
der der Schwerter aus Pannonhalma überein, die Verzierung
res Datum anzuführen). Von besonderer Wichtigkeit ist fer-
der Schwertscheide ist mit jener von Nowo-Iwanowka ver-
ner, dal) die zweite Tafel des Felix-Diptychons mit der In-
wandt. Die Rekonstruktion des Schwertes stellen wir uns
schrift MAG VTROQ . MIL . PATR . ET COS . ORD und
jedoch - aufgrund der Parallelen - anders als in der vorläu-
der Darstellung der Fibel, des Mantels und der Schuhe, die
figen Publikation vor. Der Grabfund von Tugoswonowo
neuestens fast in Vergessenheit geraten und nur als Zeichnung
stammt wahrscheinlich aus der Zeit der Entfaltung der hun-
überliefert ist, mit jener des Feldherrn von Monza große
nischen Macht in Europa.
Ähnlichkeit besitzt (R. Delbrück. Die Consular-Diptychen I.
A. P. Umanski, Pogrebenie epochi „welikowo pereseleni- 2. Berlin-Leipzig 1926, Nr. 3). Nicht weniger überzeugend
ja narodow" na Tscharische. Drewnije kultury Altaja i Sa- ist ein Vergleich der Haar- und Bartracht des Monzaer Heer-
padnoj Sibiri. Nowosibirsk 1978, 129-163.

237
führers mit den zeitgenössischen Goldmünzen: Sie steht sichtlich in spätrömischer Feldherrenkleidung dargestellte
der Darstellung des Kaisers Johannes (423-425) am näch- Mann an einem nomadischen Gürtel und auf nomadische
sten. Weise aufgehängt trägt und in der spätantiken Kunst (nicht
In unserer Zeit argumentiert für die Identifizierung der allein unter Berücksichtigung der Elfenbeinschnitzereien)
Diptychon-Figuren Stilicho - Serena - Eucherius mit allge- ohne Beispiel dasteht (die hunnischen Eigenarten des
meinem Erfolg der angesehene W. F. Volbach. Frühchristli- Schwertes und Gürtels haben schon Alföldi und Werner an
che Kunst, München 1958. 57, Taf. 62-63. Ders., Elfenbein- der Darstellung Stilichos erkannt und hervorgehoben!), der
arbeiten. A. a. O. 1952-19761-3, Nr. 63. Ders., Avori di in das 5. Jh. datierbare kannelierte Schildbuckel, die Zwie-
scuola ravennate nel V e VI secolo. Ravenna 1977, 9. Ähn- belknopffibel mit Volutenornament, die aufgrund der Gold-
lich D. Talbot Rice in: II Tesoro del Duomo di Monza. fibel im Schatz von Ténès in Nordafrika verläßlich mit etwa
Milano 1966. 5. Abb. 1-3. 429 datiert werden kann, und nicht zuletzt die beiden Kin-
Bezüglich des Stils und der Darstellungsweise des Dipty- derfiguren auf dem Schild müssen hingegen bei der Identifi-
chons von Monza (die zeitbestimmende Männerfrisur und zierung des Mannes unbedingt berücksichtigt werden. Die
Barttracht, die Frauenfrisur, der Schmuck und die Tracht zwei auf dem Schild zu erkennenden Brustbilder sehen und
sowie nicht zuletzt die Kontrapoststellung der stehenden beschreiben unvoreingenommene Forscher als Kinder. Sic
Figuren) besitzt die bisher in die diesbezüglichen Erörterun- können also keinesfalls die ost- bzw. weströmischen Kaiser
gen nicht einbezogene Silberschüssel von Orbetello entschei- Arcadius und Honorius sein, die im Jahre 400 bereits 16 bzw.
dende Bedeutung. Das Hauptrelief der beschrifteten, genau 23 Jahre all waren, noch weniger Honorius mit dem 400
datierten Schüssel mit 42 cm Durchmesser stellt den weströ- noch nicht lebenden Theodosius II (401-450) sondern
mischen Konsul des Jahres 434, Aspar, Sohn des Ardabu- nur das zur Zeit der Herstellung des Diptychons wirklich
rius, dar, das heißt einen Gegner des eben gestürzten, doch jugendliche weströmische Kaiserpaar, der 12jährige Valenti-
noch im selben Jahr 434 siegreich zurückgekehrten Aetius. nianus und die 13jährige Honoria Augusta. Sic wurden übri-
Aspar, der eine ähnliche Frisur und einen ähnlichen Bart gens im Jahre 428 in einem Doppelbild auf dem Zepter des
(vgl. Abb. 11/1) wie die Männer von Monza und Novara Felix als noch kleinere Kinder dargestellt. Erscheint es auch
sowie die in das Jahr 428 datierte Darstellung des Felix trägt, noch so ungewöhnlich, daß die weströmischen Konsuln eine
ist in Festkleidung und unbewaffnet, ja entschieden in anti- Zeitlang nur das Bild ihrer eigenen Kaiser auf ihren Insi-
militärischer Weise wiedergegeben. (Im Vordergrund liegen gnien getragen haben, so ist dies gut mit dem kühlen Verhält-
übereinandergeworfene römische Ovalschilde, ohne die Na- nis zwischen Ravenna und Konstantinopel zwischen 427 und
men der Besiegten anzugeben.) Die friedliche Festlichkeit 431 zu erklären.
Aspars steht in erstaunlichem Gegensatz zum Konsul des Es ist also wahrscheinlich, daß die alle, frühere Bestim-
Diptychons von Monza. Die Kontrapoststellung der Raven- mung richtig und zutreffend gewesen ist, wonach das Dipty-
na symbolisierenden Frauenfigur auf der linken Seite der chon von Monza den hunnenfreundlichen Aetius mit einem
Schüssel, ihre Kleidung, die doppelte Perlenkette und der in orientalischen, vermutlich hunnischen, auf hunnische Art
der linken Hand gehaltene Blumenstrauß stehen der Frauen- gegürteten Prunkschwert darstellt, lebte er doch in seiner
figur von Monza näher als jede andere Darstellung. Noch Jugend bei Goten und Hunnen, hatte sich hunnische Sitten
augenfälliger ist die Ähnlichkeit des auf der rechten Tafel angeeignet und kam mit Hilfe der Hunnen an die Macht.
von Monza neben seiner Mutter dargestellten Knaben-Prae- Das Diptychon wurde offenbar zur Zeit seines ersten Konsu-
tors mit dem neben seinem Vater stehenden Knaben „Arda- lats im Jahre 432 hergestellt. Auf der rechten Tafel ist die
burius ivnior pretor" (sic!) auf der Schüssel von Orbetello. erste Gemahlin unbekannten Namens des Aetius mit Haar-
Der Stil der Reliefgruppe vom Felix-Diptychon über das tracht und Schmuck der „Galla Placidia" (wegen dieser bloß
Diptychon von Monza und die Aspar-Schüssel bis zur Gen- zeitbedingten Modeerscheinung hielt und hält man sie,
fer Silberschüssel, die Valentinianus Hl. im Kreise seiner fälschlicherweise, für die Kaiserin selbst) sowie sein damals
Offiziere darstellt (F. Staehelin, Die Schweiz in römischer etwa 12 Jahre alter Sohn Carpilio zu sehen, der nach damali-
Zeit. Basel 19483, 317 Abb. 70; M. Martin, Die Schweiz im gem Brauch während des Konsulats seines Vaters praetor
Frühmittelalter. Bern 1965, Taf. 7) und in die Zeit von 428 wurde.
bis zum Ende der dreißiger Jahre des 5. Jahrhunderts datiert Die Maße der Tafel von Monza betragen 32,5x15,8 cm.
werden kann, ist mit Schöpfungen der italischen Großkunst, Nach R. Delbrück, Die Consular-Diptychen. Berlin-
nämlich den Mosaiken des Triumphbogens der Liberius- Leipzig 1929, 245, Nr. 63 (mit Datierung 395). A. Alföldi,
Basilika (Santa Maria Maggiore), verwandt. Die Entste- Germania 16, 1932, 136. Abb. 1. J. Heurgon. Le trésor de
hungszeit letzterer mit etwa 435 wird durch die Inschrift Ténès. Paris 1958, 27, Taf. XL A. Merati. II Tesoro del
XYSTVSEPISCOPVSPLEBI DEI ( = Papst Sixtus III., Duomo di Monza. Monza 1963,4, Abb. 1-2, und R. Conti
432-440) bestätigt (A. Rumpf, a. a. O., 30. C. Cecchelli. I II Tesoro. Duomo di Monza 1983, 14.-16. Nr. 6
mosaici della basilica di S. Maria Maggiore, Turin 1936. W.
Oakeshott, Die Mosaiken von Rom. Leipzig 1968, 83 ff.). 12. Osthunnische Schwerter und Dolche persischen Typs
Der Stil des Diptychons von Monza und die Kleidung der Seit Anfang unseres Jahrhunderts sind uns aus Gräbern
dargestellten Personen sprechen also eindeutig gegen Stili- von Kertsch (Grabkammer 145 und Grabkammer
cho und seine Familie. Über diese negative Aussage hinaus 24/6/1904) eigenartige, trichterförmige Goldgegenstände be-
ist es jedoch notwendig, die wiedergegebenen Personen ge- kannt, von denen vermutet oder angenommen werden kann,
nauestens zu prüfen. Die an den Beinen anliegenden Hosen daß sie einst Schwertgriffe verzierten. Ihre genaue Funktion
germanischen Ursprungs hatten sich zu dieser Zeit bereits beleuchteten aber erst die in der nahen Vergangenheit freige-
längst in der militärischen Kleidung eingebürgert und kön- legten, auf unserer Abbildung dargestellten Funde, die zu-
nen in diesem Zusammenhang außer acht gelassen werden. gleich die Rekonstruktion eines pallaschförmigen hunni-
Das Prunkschwert iranisch-hunnischen Typs, das der offen- schen Schwerttyps sassanidisch-persischen Ursprungs und

238
eines der Form nach ähnlichen Dolches ermöglichten. Sol- Ursprungs ist. Das Zeitalter der Kurgane ist die erste
che Waffen kennen wir zur Zeit nur aus Funden der östlichen Hälfte des 5. Jahrhunderts, die silbernen oder zellenver-
Hunnen und von der Krim, sie sind auch mit den Prunk- zierten Schnallen der Tracht, die Riemenzungen und son-
schwertern von Kertsch-Glinischtsche (Abb. 51) und mit stigen Funde sind hunnischen Typs, zum Teil mit nord-
denen von Tugoswonowo (Abb. 10) verwandt. kaukasischen. zum Teil mit östlichen Funden, zum Bei-
spiel aus Musljumowo, verwandt.
1. Goldverzierung und Schwertknopf eines Schwertgriffes W. F. Gening, Turajewskij mogilnik V. w. n. e. In: Is
Kalinino, Halbinsel Krim. Sowjetunion (1959) archeologii Wolgo-Kamja (Red. A. H. Chalikow). Ka-
Obwohl im äußerst reichen hunnischen Goldfund auch san. 1976, 67-72, nach Abb. 15 und 28.
die echten Fragmente des Schwertes zum Vorschein ka-
men, hielt die ursprüngliche Publikation die mit Edelstei- 5. Rekonstruktion eines Schwertgriffes
nen verzierten Griff- und Scheidenbeschläge (Abb. 17. Musljumowo, RSFSR, Oblast Tscheljabinsk - früher
I-2 zeigt zwei von diesen) für Teile eines weiblichen Dia- Gouvernement Perm, Bezirk Schadrinsk, Sowjetunion
dems, die Schwertperle aus Bernstein hingegen für einen (1895)
Griffknopf. Sassetzkaja sah schon klar, welche Gegen- Das Schwert mit goldblechverzierter Scheide aus dem in
stände das Schwert verzierten, doch konnten wir uns zur nordöstlicher Richtung auch heule am entferntesten be-
annähernden Rekonstruktion des Griffes nur aufgrund findlichen reichen hunnischen Fund war uns schon lange
des Schwertes von Turajewo entschließen. bekannt, die goldenen Verzierungen des Schwertgriffes
I. T. Wyssotskaja - E. N. Tscherepanowa. SowArch konnten aber erst aufgrund des Schwertes von Turajewo
1966, 3. 189-194, nach Taf. 2/10 und Abb. 4, 6, sowie I. rekonstruiert werden.
P. Sassetzkaja. SowArch 1968, 2, 57, nach Abb. 1/10. OAK sa 1895 god (1897) 72-73, Abb. 181-188. Erste,
Ein gewisser Teil der Fachliteratur vom Beginn unse- vollständigere Publikation: Pósta. Archäologische Stu-
res Jahrhunderts hielt - charakteristischerweise - die dien 377-380, Abb. 222-223. Die einzige Veröffentli-
Schwertgriffenden des Dolches und Schwertgriffes von chung der Griffbeschlägeauf Fotos: Fettich, Nagyszéksós
Kertsch und sogar von Musljumowo (!) für das Spitzen- 131, Taf. XIX/7-10 (Fotos verschiedener Größe). Zu den
dekor germanischer Schildbuckel, deren wahre Funktion weiteren Funden vgl. noch Sassetzkaja. Solotyje ukra-
A. M. Tallgren, Finnisch-ugrische Forschungen 20, 1929. schenija 55-58. Nr. 39-44 - den stumpfkegelformigen
35. Anm. 1. erkannte. Die Beschläge des Schwertgriffes Zylinder des Griffansatzas hielt schon Sassetzkaja für die
von Musljumowo betrachtete auch Fettich. Nagyszéksós Zierde eines Schwertgriffes: Sow Arch 1968 /2. 57. Abb.
131 und 135, noch als Griffbeschläge einer Nagaika (Peit- 1/13.
sche).
13. Aspar und Plinta
2. Goldverzierung und Knopf eines Schwertgriffes Die Silberschüssel von Orbetello hat die Gesichtszüge
Kertsch, Grabkammer 145. Halbinsel Krim, Sowjetunion jener beiden Männer bewahrt. die in der hunnischen Ge-
(1904) schichte eine bedeutende Rolle gespielt halten. Aspar. Sohn
Mit Hilfe des Dolches von Cibilium war die Verzierung des alanischen Ardabur, wirkte schon 425 entscheidend am
des Schwertgriffes und der Scheidenöffnung leicht vor- Sturz des Johannes. Kaiser von Aetius, mit. Damals stand
stellbar. er Aetius und seinen Hunnen bewaffnet gegenüber. Als Be-
Das Foto unter OAK sa 1904 god (1907) 72, Abb. 109. fehlshaber der 431 -433 den comes Bonifatius unterstützen-
stellt den zellenverzierten Griff in natürlicher Größe dar den oströmischen Hilfstruppen kämpfte er hartnäckig gegen
Mit Hilfe der von I. P. Sassetzkaja. KSIA 158, 1979, 15. die Wandalen in Nordafrika. Wegen seiner Verdienste wurde
Abb. 4/1-2, 4, 7 mitgeteilten weiteren Funde rekon- er offensichtlich aus gründlichen politischen Erwägungen
struiert. - gerade zur Zeit des Sturzes von Aetius von der Regierung
Galla Placidias ausgezeichnet und Anfang 434 zum Konsul
3. Griff eines Dolches der westlichen Reichshälfte designiert. Nach seinem Eintref-
Cibilium. Gräberfeld I, Grab 43, Abchasien, Grusien. fen in Italien entstand das hier abgebildete silberne Relief
Sowjetunion (um 1970) Aspars als Konsul des Jahres 434. Nach der siegreichen
Der ausnahmsweise unversehrt erhallen gebliebene Rückkehr des Aetius und seiner Hunnen zog Aspar nach
Prunkdolch einer reichen Waffenbestallung des. 5. Jahr- Osten heim.
hunderts. Die Beschläge sind aus Silber, oben auf dem Wie aus direkten und indirekten Angaben bekannt ist.
Griffknopf in Zellen rote Glaseinlage auf rotem, auf der wurden Aspar und seine Soldaten im Jahre 442 von Kon-
Parierstange auf grünem Hintergrund. stanlinopel auf Sizilien zurück berufen und gegen Bleda und
Ju. N. Woronow - N. K. Schenkao. Drewnosti. 1982. Allila eingesetzt. Aspar etlitt jedoch in der Schlacht am
148-154. nach Abb. 18/3 und 19/1 - etwas vereinfacht. Chersones eine Niederlage und bat um Frieden Bei dieser
Gelegenheit geriet der maurische Spaßmacher Zerko(n). der
4. Schwertgriff mit Silberbeschlag noch zur Zeit des libyschen Feldzuges 431-433 in den Dienst
Turajewo, Kurgan V, RSFSR, Tatarische Autonome Aspars getreten war. in Bledas Gefangenschaft und kam an
SSR. Bezirk Elabuga. Sowjetunion (1960) den hunnischen Hof. Es ist uns nichts darüber bekannt, daß
106 cm langes Schwert mit ungewöhnlich schmalem. Aspar sich an den weiteren hunnischen Ereignissen aktiv
24 cm langem Griff. Wurde mit seinen Holzteilen last beteiligt hätte.
unversehrt gefunden, auf dem Griff und auf der Schei- Plinta (griechisch Plintas) war gotischer Herkunft und
de befinden sich bemalte Muster. Die palmettenverzierten entweder in mütterlicher Linie der Onkel oder aber der
Silberbeschläge verraten, daß das Schwert sassanidischen Schwiegervater Aspars, weshalb ihn dieser als „Ahne" auf

239
der Schüssel von Orbetello verewigen ließ. Plinta war magi­ zuerst aufgrund einer Skizze des Fürsten Pawel Putjanin
ster militum im oströmischen Heer und im Jahre 419 Konsul, (M. Wosinsky, ArchÉrt II. 1891. 429-430, Abb. 2. und
danach Oberbefehlshaber der kaiserlichen Garde. Während danach in den Werken Hampels und anderer). Ein gutes
des Angriffs Rugas im Jahre 434 wurde er als Gesandter zum Foto veröffentlichte Z. Takács, Ostasiatische Zeitschrift
hunnischen Großkönig geschickt, doch kam es infolge des 4, 1915/1916, 178-179. Abb. 5. Als Fundort wurde Osoka
plötzlichen Todes Rugas damals nicht zu Verhandlungen. angegeben, woraus in den Publikationen Hampels Otoka
Mit Plinthas Namen ist jedoch der Abschluß des Vertrages wurde (erstmals: Ethnographische Mitteilungen aus Un­
von Margus im Jahre 435 mit Bleda und Attila verbunden, garn IV, 1895. Taf. I. 13 und Abb. 14-15, wo Hampel
der dem oströmischen Reich schwere Verpflichtungen aufer­ allerdings die Zeichnung des Kessels von Soka mit jener
legte. Bei den hoch zu Roß geführten Verhandlungen war von Werchnij Konez verwechselte, so fanden sie mit die­
Epigenes, der 438 Quaestor sacri Palatii wurde, sein Partner. sem Namen und vertauschten Fundortangaben Eingang
Flavius Ardabur Aspar: PWRE H/1, 607-609. (0. in die Werke Fettichs). Später wurden als Fundort Osoka,
Seeck) und PLRE 2. 164-169. Plinta: PWRE XXI, 457-458 Otoka, zwischen Sysran und Sagarina, angegeben; auch
W. Ensslin, und PLRE 2. 892-893. Epigenes. PLRE 2, 396. die neuere Zusammenfassung trug nicht zur Klärung bei
Priscus, der sich in den 470er Jahren als Schriftsteller betätig­ (A. K. Ambros, Archeologija SSR. Stepi Ewrasii w epochu
te, hat - wie dies zu allen Zeiten und in allen Memoiren gang srednewekowja. Moskau 1981, 98, Abb. 4/a-b). Es ist der
und gäbe ist - den Zeitpunkt der späteren Würde des Epige­ Aufmerksamkeit der ungarischen und der sich auf sie
nes vorverlegt, deshalb setzt Martindale - nach Maenchen- stützenden Forschung entgangen, daß der ins Historische
Helfen - den Vertrag von Margus zwischen 438 und 440. Es Museum von Moskau gelangte Kessel kurz nach seiner
erübrigt sich, die historische Unmöglichkeit dieser Datie­ Auffindung tatsächlich unter dem Fundort Osoka veröf­
rung zu beweisen, denn die neuen Herrscher schlossen den fentlicht, dieser Name jedoch bald danach korrigiert
Krieg von Ruga im Jahre 433/434 bei Margus ab. wurde.
Eine vorzügliche Zeichnung des „Silberschildes" von Or­ W. Poliwanowa, Trudy Arelieologilscheskowo Sesda
betello veröffentlicht A. Odobesco, Le trésor de Pétrosa I. VII. Jaroslawl, 1887. I., Moskau 1890, 39. Taf. 1. Die
Paris 1889-1900. 160-161. 493-494. Abb. 201. Ein gutes Richtigstellung des wahrscheinlich fälschlich belegten
Foto der seither häßlich restaurierten Schüssel findet sich in: Fundortes auf Soka erfolgte durch den Topographen des
W. F. Volbach und H. Hirmer, Frühchristliche Kunst. Mün­ Gouvernements: W. N. Poliwanow, Archeologitscheskaja
chen 1958, 65, Taf. 109. karta Simbirskoj Gubernii. Simbirsk 1900, 23, 71, und
Durchmesser der Schüssel 42 cm, Florenz, Bargello. eine genaue mehrfarbige Landkarte. Unter Berücksichti­
gung dieser und anderer unveröffentlichter Angaben wur­
14. Hunnische Kessel aus Ost- und Mittelosteuropa de im ausführlichen archäologischen Kataster der minie­
ren Wolgagegend (P. D. Stepanow, MIA 111, Moskau
1. Kysyl-Adyr, RSFSR, Oblast Orenburg, Sowjetunion 1962, 243, Nr. 247 und Karte 7 D - E ) als Fundort aus­
Aus dem Opferfund im Karstgebiet zwischen den Flüssen drücklich Soka angegeben.
Ural und Ilek (vgl. Abb 5)
Aus zwei Teilen gegossener Kupferkessel, Höhe 3. Chabas-Schijakky kol Flur. RSFSR, Kabardino-Balka-
28,3 cm, mit Henkel 34,5 cm. Fußring fehlt, Boden ist ria, Bezirk Solka, Nordkaukasus, Sowjetunion (1981)
löchrig. Aus einem seit langem bekannten alanischen Friedhof
W. A. Garjainow, SowArch 1980/2, 259-262, nach kamen aus drei bereits zerstörten Grabkammern stam­
Abb. 3. Vgl. noch: Sakrovište na Chan Kubrat, Sofia mende, jedoch den einzelnen Bestattungen nicht zu­
1989, 16. Nr. 1. zuordnende Funde zutage: nordkaukasische Keramik des
4. bis 5. Jahrhunderts, ein Glasbecher mit Spitzboden und
2. Soka, RSFSR, Oblast Uljanowsk (zur Zeit der Freilegung Wabenverzierung, ein erhaltener und ein halber Bronze-
Gouvernement Simbirsk, an der Grenze der Bezirke Sen- spiegel sowie ein kleinerer und ein größerer Kochkessel
gilej und Korsun, jedoch bereits auf dem Gebiet des aus getriebenem Bronzeblech.
letzteren), Sowjetunion Gußbronze, der beschädigte frühere Fußring ist durch
Streufund aus dem Jahre 1884 „vom Ufer des Flusses einen neueren, breiteren ersetzt worden. Gesamthöhe
Osoka". 57,5 cm, Gewicht „etwa 20 kg".
Seine unklar publizierten Fundumstände spielten spä­ W. M. Batschajew, Gunnskij kotel is selenija Chabas.
ter für die weitverbreitete Theorie, die Kessel wären Ufer- SowArch 1984/1, 256-258. Abb. 2.
oder Wasseropfer gewesen, eine große Rolle (nach Nestor Der Verfasser weist daruul hin, daß dieses guterhaltene
und Plopşor viele andere). In zwei Teilen aus Kupfer oder Exemplar der sonst meist fragmentierten-beschädigten
zinnarmer Bronze gegossen. Höhe mit Fußring 53,2 cm, hunnischen Kessel, die in den hunnischen Funden stets
Gewicht 17,7 kg. eine rituelle Rolle spielten, aus einem nichthunnischen
Seine Besonderheit besieht darin, daß er trotz seines Grab, aus dem eines „Einheimischen", stammt. Neuere
einfachen Henkels (vgl. Höckricht) ein sonst nur an den Publikation: J. M. Tschetchenow in: Archeologitsches-
Kesseln von Törtel und Hőgyész zu beobachtendes Zel- kie issledowanija na nowostrojkach Kabardino-Balkarii
lenmuster sowie das rundköpfige Hängemotiv der späten w 1972-1979 gg. Tom 3 Naltschik 1987, 43, Abb. 2.
kaukasischen (Chabaser) und westlichen Kessel, wie die
beiden schon genannten und die von Schestatschi und 4. Iwanowka, Ukraine, Oblast Lugansk, Sowjetunion
Desa, trägt. Er wurde daher vermutlich spät, nach 425, Seine Fundumstände sind unbekannt oder unpubliziert,
hergestellt. jedoch zeugen seine brüchigen Stellen am Rand und an
Bekannt wurde er in der universellen Archäologie den Seiten von einem Opferfund.

240
Gußbronze. Höhe ohne Fußring 33 cm. Gesamthöhe Nur mit einem einzigen Punkt der äußierst gründlichen
41 cm. monogragraphischen Bearbeitung der Autoren kann man
Z. Takács. Sino-Hunnica, Petrovics Elek Emlékkönyv - sich schwer einverstanden erklären: Der ehemaligen
Alexis Petrovich Anniversary Volume. Budapest 1934, 25. Theone von I. Nestor und C. Nicolaescu-Plopşor folgend
Abb. 3. Fettich, Nagyszéksós, 143, Taf. XXXVI/4. Z Ta- wird der Umstand, daß einige hunnische Kessel ia Fluß
kács. Acta OrientHung 5, 1955, 143, Abb. 15. In den ange- .., und in sumpfigem Gebiet gefunden worden sind
führten und späteren Publikationen wird mit Ausnahme der überbewertet. Einerseits ist dies im Tal der unteren Do-
Zusammenfassung von I. Kovrig als Fundort fälschlicher­ nau und der Flüsse Kapos und Argeş gar nicht verwun-
weise immer Iwanowski oder Iwanowskaja genannt. Die derlich, andererseits können aber die Kessel von Törtel.
Kesselmaße gab erst W. A. Gorjainow, SowArch 1980/2, 261, Varpalota und Rázová-Benešov, die in die Überlegungen
bekannt. ebenfalls einbezogen wurden, niemals in einem Fluß oder
Sumpf versenkt worden sein.
5. Scheslatschi, Moldau, Bezirk Resina, Sowjetunion
Der Kessel wurde zusammen mit einem Kupfergefäß 8. Zwischen Desa und Ciupcrceni Noi. Judeţul Dolj. Rumä­
1962 beim Tiefpflügen in einer 80 cm tiefen Opfergrube nien
gefunden. Angeblich wurde der Kessel von Fischern aus dem Was­
Aus Bronze gegossen Gesamthöhe 53 cm. Gewicht ser gezogen, seine Fundumstände sind also unsicher. Der
29 kg. Fundort selbst liegt gegenüber der für Mösien eine
I. A. Nudelman. SowArch 1967/4, 306-308. nach Abb. Schlüsselstellung einnehmenden römischen Donaufe-
1. Vgl. noch C. A. Rikman, Chudoshestwennije stung Ratiaria. Völlig unversehrt.
sokrowischtscha drewnoj Moldawii. Kisehinjow 1969, Aus Kupfer gegossen. Gesamthöhe 54,1 cm.
47-49. D. und I. Berciu in: Istoria Românilor. Bukarest 1935.
265, Abb. 78. I. Nestor und C. N. Plapşor. Germania 21,
6. Rázová bei Horný Benešov, Bezirk Opava (früher Raase- 1937, 178-179, Taf. 39/3. D. Berciu, Archeologia preisto­
Bennisch, Bezirk Troppau, Mährisch-Schlesien) Tsche­ rică a Olteniei. Craiova 1938, 234, Abb. 292 mit den
choslowakei Fundumständen.
Er wurde 1907 am Fuß des 683 m hohen „Schanzenber-
ges" in dem für einen Dammbau abgetragenen Erdreich 15. Frühe irdene Nachahmungen hunnischer Kupferkessel aus Asien
gefunden. Wegen seiner stark angebrannten, z. T. sogar 1. Kokel, K E Grab 40, RSFSR, Autonome Republik Tuwa,
verschmolzenen Oberfläche dachte man bereits anläßlich Sowjetunion
der ersten ausführlichen Beschreibung an ein Tolenopfer In einem Brettersarg kam neben dem Kopf des mit Kö­
oder an eine Einäscherung. cher und Pfeilen ausgestalteten Toten zusammen mit ei­
Gußbronze mit hohem Kupfergehalt. Maß in frag­ nem Holztablett und einer Holzschale ein Tonkessel mit
mentiertem Zustand 22 x 29 cm. Fußring zutage, der sich von den - im allgemeinen einfa­
Anzeiger des Schlesischen Landesmuseums, Troppau chen - die Kupferkessel nachahmenden irdenen Kesseln
1914, 30-32, Taf. 5/5. V. Karger. Allschlesien 9. 1940. derartig unterscheidet, daß er als innerasiatisches Unikat
112-113, und besonders G. Raschke, ebd. 114-119, Taf. bezeichnet werden muß. Die gegliederten Rippen und
14 und 15/3. Vorbild für die frühere Rekonstruktion (J. Warzenmuster an der Außenseite sind genaue Nachah­
Břen in: Pravěk Československa. Prag 1960. 372-373. mungen der zeitgenössischer, kupfergüsse, die Henkel-
Taf. 151) warder Kessel von Iwanowka. Der Form nach form mit der Verzierung im 1-3-1-System stellt das Vor­
steht er jedoch dem neuen Kessel von Kysyl-Adyr, den bild für die Henkel der späterer, Hunnenkessel dar.
Maßen nach dem von Törtel nahe. Höhe 20.7 cm. Randurchmesser 16,7 cm.
Das Grab gehört zu den späten Bestattungen der asia-
7. Ioneşti, Judeţul Dîmboviţa. Munienien, Rumänien
tisch-hunnischen Schurman-Kultur des 2. bis 3. Jahrhun­
(1893)
derts. Der irdene Kessel ist also wesentlich älter als alle
Der Fund wurde bei Kiesgewinnungsarbeiten in 6 m Tiefe hunnischen Kupferkessel Europas.
im ehemaligen Flußbett des Argeş freigelegt. Er war bei S. J. Wajnstein, TTKAEE III. Leningrad 1970. 58-61
trockenem Wetter in der Kurve eines ehemaligen Flusses und 76, nach Abb. 95 Vgl. noch V. N. Basilov -M. F.
in 1,5 m oder noch geringerer Tiefe vergraben worden Zirin. Nomads of Eurasia. Los Angeles-Denver-Wa-
Der Kessel und sein Fußring waren in je zwei Teilen shington. 1989 45.
aus Kupfer gegossen und zusammengelötet worden.
Auch der Fußring wurde an den Kessel gelötet. Das 2.-3. Dshety-Asary, Siedlung 3. Kasachstan. Oblast Kyzyl-
Oberteil des Kessels war oval zusammengedrückt. An orda, Sovietunion.
einer Seite sind kräftige Spuren absichtlicher Beschädi­ Die beiden einander änlichen, in der oberen Schicht des
gungen zu erkennen: Der Zieraufsalz eines Henkels und sogenannten großen Hauses gefundenen, mit Henkel und
der Rand sind ab- bzw. ausgebrochen, die Kesselwand ist Fußring 35 bzw. 39 cm hohen Tonkessel knüpfen mit
an mehreren Stellen gesprungen und durchlöchert, der ihren eckigen Henkeln, die von bis auf den Gefäßkörper
Fußring ist ebenfalls beschädigt und unvollständig. An reichenden Rippen umrahmt sind, mit den senkrechten
der Außenseite waren Rußspuren zu sehen. Leisten und ihren Warzenmustern auch an den vorbin
Gesamthöhe 71,4 cm, ursprünglicher Öffnungsdurch- beschriebenen Tonkessel an. Mit dem ersten Auftreten
messer etwa 37 cm, Gewicht ist nicht angegeben der in die Stufe II von Dshety-Asary gehörenden Tonkes-
R. Harhoiu - P. Diaconescu, Hunnischer Kessel aus sel kann um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert ge-
Muntenien. Dacia 28. 1984. 99-116, nach Taf. 3/8-9. rechnet werden, die obere Grenze ihrer Datierung ist.

241
ungewiß. Die gegenüber dem Tonkessel von Kokel jüngeren det sich auch eine zellenverzierte Scheibe mit Granateinla-
Nachahmungen von Dshety-Asary kamen sicherlich mit den ge orientalischen Typs, wohl von einer Schwertperle.
im 4. Jahrhundert in Mittelasien eindringenden Hunnen in Durchmesser des Schnallenbeschlages 3,3 cm.
die Siedlung. Ihre Henkel sind zwar „archaischer" als jene M. C. Ross, Arts of the Migration Period in the Wal-
des Tonkessels von Kokel, aufgrund ihrer Maße und Verzie- ters Art Gallery. Baltimore 1961, 36-37, nach Abb. 4/b.
rungen schließen sie sich aber doch enger an die hunnischen
Kupferkessel entlang der Wolga an. 4. Mit Goldblech überzogene bronzene Riemendurchzüge
L. M. Lewina, Materialnaja kultura narodow Srednej Asii eines Lang- oder Kurzschwertes. 1941 im Weingarten des
i Kasachstana. Moskau 1966, 55, nach Abb. 7/37-38. Dies., J. Pilisi in Zmajevac-(Vörösmart-),,Várhegy", Jugosla-
Keramika Nishnej i Srednej Syrdari, Moskau 1971, 17, 20, wien, gefunden.
72-73. Abb. 3/194-195 und Abb. 16/15. Bei dem Fundort handelt es sich wahrscheinlich um das
römische Castrum Ad Novas. Mit Goldblech überzogene
16. Hunnischer Opferfand mit Kupferkessel bronzene Riemendurchzüge eines Schwertes oder Dol-
Höckricht, Bezirk Ohlau, heule Jedrzychowice, Bezirk Olawa, ches. An der Oberfläche in Goldfassungen Almandinein-
Oberschlesien, Polen (1831) lagen, an den Rändern gepreßte Perldrahtnachahmun-
Beim Pflügen zutage gekommene Funde, die nach Berlin gen. Länge 4,9 cm.
ins einstige Museum Vaterländischer Alterthümer gelangt 2. Vinski. Situla 2, Ljubljana 1957, 36-38, 50-51, Taf.
sind. Die mit Karneolen und roten Glaseinlagen verzierten 24/92-93. Ders., Seoba Národa. Zemun 1962, 69-70, Taf.
Goldbleche waren sekundär als Beschlagplatten von Schnal- I/l. Neuestens GHA 226, V, 13. mit farbigen Abbildungen
len (1-2) und wahrscheinlich einer Schwertscheide (5-7) ver- - fälschlich als Gepidenfunde.
wendet worden. Laut dem alten Inventar waren sie ur- Aus demselben Fundort kam ein Solidus des Theodosius
sprünglich auf Bronzeblechen angebracht, die sich aber noch II. aus dem Jahre 443, IMP XXXXII COS XVII, zum
im vorigen Jahrhundert vollkommen auflösten. Ebenso mö- Vorschein. Z. Vinski. Republika, Zagreb, 2, 1956, 20,
gen die Riemenzungen (3-4, Höhe der größeren 4,6 cm) Abb. 1: Vorder- und Rückseite der Münze, Abb. 2-3: die
gearbeitet gewesen sein. Die Beschlagplatte der kleinen Riemendurchzüge von vorn und von hinten.
Goldschnalle (8) trägt eine Granateinlage. Die Schüssel mit
einem Randdurchmesser von 24 cm (9) wurde aus Bronze- 18. Kanattas, Kurgan 19
blech gehämmert, der 55 cm hohe Kessel (10) aus Kupfer Zentral-Kasachstan, Oblast Karaganda, Sowjetunion
oder zinnarmer Bronze gegossen.
Unweit des Nordufers des Balchaschsees eine hunnen-
L. von Ledebur, Das Königliche Museum Vaterländischer zeitliche Bestattung in einem groben Steinkammergrab, ähn-
Alterthümer im Schlosse Monbijou zu Berlin. Bertin 1838, lich dem „Fürstinnengrab" von Kara-Agatsch in Kasach-
46, Taf. IV - ein für die Forschung praktisch unbekannter stan.
erster Bericht. E. Krause, Schlesiens Vorzeit in Bild und
Schrift. N. F. III, 1904, 46-50, Taf. 1-13. J. Hampel, Arch 1. Die Frau mit künstlich deformiertem (?) Schädel wurde
Ért 25, 1905, 85-87, Abb. 3. Als Foto erstmals in: Alföldi, zusammen mit ihren zwei kleinen Kindern begraben. In
Hunnenzeit, 77, Taf. 19. Vorliegende Zeichnung nach Krau- der hier nicht abgebildeten linken Kammerhälfte lagen als
se und Alföldi.
Speisebeigaben der Schädel und die Keule eines Ochsen
und eines jungen Pferdes. Die Frau trug auf der Stirn ein
17. Schmuckstücke mit Edelsteinauflagen unterschiedlicher Form halbes, ursprünglich aus drei Platten bestehendes Dia-
und Größe aus der Hunnenzeit dem, dessen fehlende mittlere Platte sowie die andere
1.-2. Schwertscheidenbeschläge von Kalinino bei Krasno- Hälfte der entzweigebrochenen linksseitigen Platte wohl
gwardeiskoje, Krim, Sowjetunion (1959) aus rituellen Gründen zurückbehalten worden waren. Die
mit Goldblech überzogenen Bronzeplatten zieren Alman-
In geringer Tiefe fand man zwischen zerwühlten Men- dine, Bernsteine, Karneole und andere Steine sowie eine
schen- und Pferdeknochen 28 Goldgegenstände, darunter feine Granulation.
mit Edelsteinen besetzte Pferdegeschirrbeschläge aus Länge der unversehrten Platte 6 cm. Die Halskette der
goldüberzogener Bronze, rechteckige und kreuzförmige Frau bestand aus Bernsteinperlen. Ihr Sohn trug einen
Riemenbeschläge, Riemenzungen, Bruchstücke eines 2,5cm breiten, mit Silberplättchen versteiften Gürtel mit
schweren goldenen Halsreifens, Sattelbesälze mit Schup- Silberschnalle.
penomament, Pfeilspitzen und eine Bronzeschüssel. Un- M. K. Kadyrbajew, Trudy Instituta Istorii. Archeologii
ter den ausschließlich auf Männer weisenden Gegenstän- i Etnografii Akademii Nauk Kasachskoj SSR 7, 1959,
den befanden sich auch 4,5 cm breite, mit roten Steinen 179-183, 193-198, Abb. 14 (Grabplan), Taf. 25 (Rekon-
verzierte Goldbleche, die von einer Schwertscheide stam- struktion des Gürtels) und nach Taf. XX.
men könnten (vgl. das Schwert auf Abb. 11).
T. N. Wysotskaja und E. N. Tscherepanowa, SowArch 2. Das erstaunliche Gleichstück des Gürtels von Kanattas
1966/3,187-194, Abb. 2/1 und 4 (als „Diadem" bezeich- aus dem hunnischen Fund von Kapulowka in der Ukrai-
net) und O. Ganina, The Kiev Museum of Historie Trea- ne bearbeitete L. M. Rutkiwska, Archeologija XXIV,
sures. Kiew 1974, nach den Farbfotos von Abb. 74. Kiew 1970, 199-201, 210. Abb. 5/9. Die Länge der hier
3. Südrussisch-ukrainischer Fund teilweise wiedergegebenen, gürtelversteifenden Plättchen
von Kapulowka beträgt 2,8 cm.
Mit Goldblech überzogener Schnallenbeschlag, in den
Zellen Karneoleinlagen. Der Fundort ist unbekannt. Un- 3. In Ungarn kamen aus einem Grab unbestimmbaren
ter den 1929 zusammen angekauften Gegenständen befin- Fundortes im Komitat Tolna acht 3,6 cm lange Verstei-

242
fungsplättchen aus vergoldetem Silber von einem ähnli- 21. Hunnische Diademe
chen Gürtel zusammen mit Silberschnallen ins Museum
(WMM N. 23, 1933, 566/14-21). 1. Stara(ja) Igren, Ukraine, Oblast Dnjepropetrowsk. So-
Eine gute Parallele zu dem Gürtel von Tolna stammt wjetunion (1959)
aus der Schweiz, aus einem Grab des spätrömischen Vin- Stammt aus einem großen Fundkomplex mit Pferderäh-
donissa (Windisch), aus einer für ostgermanisch gehalte- nen und -knochen, zu dem 29 halbovale und viereckige
nen Bestattung einer Frau mit ihrem Kind aus der ersten Goldbeschläge, Riemenzungen usw. gehörten. Außer
Hälfte des 5. Jahrhunderts. dem wiederholt publizierten Diadem wurde bisher aus
Fettich. Nagyszéksós, 71, Taf. LXII/4-13 Vindonissa: dem Fund nur eine Auswahl veröffentlicht.
M. Hartmann in: Gallien in der Spätantike. Mainz 1980. Mit einem Bernstein und roten Schmucksteinen ver-
136. Nr. 191. ziertes Diadem aus mit Goldblech überzogener Bronze,
die Fassungen mit feiner Granulation ausgefüllt.
19. Schipowo, Kurgan 2 Länge 21,5 cm.
Uralgebiet. am Derkul-Fluß, Kasachstan, Sowjetunion I. F. Kowalewa. SowArch 1962/4, 233-238. Abb. I. L
Unter dem niedrigen Kurgan lag in 220 cm Tiefe eine M. Rutkiwska. Archeologija XXII. Kiew 1962, 154-155,
makrokephale Frau mit artifiziell deformiertem Schädel (1) Abb. I. O. Ganina. The Kiev Museum of Historie Trea-
Sic trug einen hörnehenförmigen Lockenring aus Gold (2), sures. Kiew 1974, Farbtaf. 73, und I. W. Bondar, Orfevre-
einen aus vergoldeten) Bronzedraht gedrehten Halsring (3), rie ancienne. Moskau 1975, nach Farbbildern mit Maßan-
eine eiserne und eine bronzene Gürtelschnalle. Neben dem gaben.
rechten Knöchel lagen das kleine Bruchstück eines Spiegels
und ein Spinnwirtel, neben dem Fuß lagen eine Schuhschnal- 2. Nordhang des Berges Kertsch-Mithridates (?). Halbinsel
le und als Wegzehrung Schaffleisch (Schädel und andere Krim. Sowjetunion
Knochen). Bestattung mit schmucksteinverzierten Goldblechen.
Das auf der Stirn der Frau gefundene, auf Leder befestig- Ohrgehängen und mit Karneolen besetzten, ovalen Fi-
te, aus drei Bronzeplatten zusammengefügte Diadem (4) ist beln. Auf dem artifiziell deformierten Schädel fand sich
mit lilaroten Glaseinlagen verziert. das Diadem, dessen Bedeutung darin besteht, daß es
Länge 25-26 cm. wegen seines dreiteiligen Aufbaus und seines Stirnzierates
Nach T. M. Minajeva, ESA IV, 1929, 194-197, Taf. 2-10. mit dem doppelten Falkenkopf die östlichen Diademe
Der Grabplan wurde aufgrund der Abb. 1 umgezeichnet. Die (vgl. Abb. 19: Schipowo, Kurgan 2), wegen seiner Her-
Rekonstruktion des Diadems geschah mit Hilfe der Original- stellungstechnik und Oberflächenverzierung aber die
reste: I. P. Sassetzkaja. ArchSb 10, 196S. 40, Abb. 5/3. westlichen vom Typ Csorna (vgl. Farbtaf. XIV-XV) mit-
einander verbindet.
20. Hunnische Frau mit Diadem
Mit Goldblech überzogene Bronzeplatten, die in 257
Werchneje Pogromnoje. Gräberfeld I, Kurgan 4. RSFSR.
Fassungen unregelmäßig geformte Almandine und Gra-
Oblast Wolgograd, Sowjetunion
nate zieren - auf den beiden Platten mit Vogelköpfen von
In diesem östlich der Wolga freigelegten Grab kann ein grünen Glaseinlagen durchsetzt. Durchmesser zusam-
einzigartiger Grabritus bezüglich der Mitgabe eines Diadems mengesetzt 19 cm, Gesamtlänge 25 cm.
beobachtet werden. Während die Frau von Schipowo das
A. Goetze. Amtliche Berichte aus den Königlichen
Diadem auf ihrer Stirn trug (vgl. Abb. 19), ebenso wie die
Preußischen Kunstsammlungen 29/3. Berlin 1907/8, 62,
Frau von Kanattas die eine Hälfte des aus rituellen Gründen
Abb. 44. Ders., Ein goldenes Diadem der Völkerwande-
entzweigebrochenen Diadems (vgl. Abb. 18/1), wurde in
rungszeit. Festschrift Albert Bezzenberger. Göltingen
diesem Fall das dreiteilige Diadem bei der Bestattung zer-
1921, 52-59. Alföldi,. Hunnenzeit, 59, 76, Taf. VII. Über
brochen, die beiden Außenteile wurden am Becken und beim
die angeblich mit dem Diadem zusammen freigelegten
linken Fuß, der Mittelteil hingegen in der Grabschachtfül-
funde: F. Fremersdorf. Goldschmuck der Völkerwande-
lung gefunden. Alle drei Teile dürften während des Bestat-
rungszeit Sammlung Diergardt. Köln 1953, 37 und Tafel.
tungsvorgangs in das Grab geworfen worden sein. In richti-
ger Position lagen in der linken Ohrgegend ein hörnchenför- 22. Hunnische Prunkschwerter aus Osteuropa
miger Lockenring aus Gold (2). ferner eine Perle (3) sowie
im Fußbereich bronzene Schuhschnallen (4). Als Speisebei- 1. Sowchos „Woschod", Pokrowsk. RSFSR. Oblast Sara-
gaben enthielt das Grab reichlich Pferdefleisch: einen halben tow. Sowjetunion (1929)
Schädel, eine Keule. Rippenstücke und Fesselgelenkstücke Die Fundumstände des Grabes dieses Mannes mit artifi-
Die volle Länge des auf doppelter Bronzeunterlage mit ziell deformiertem Schädel und sehr reichen Funden
Elektronfolie überzogenen Diadems beträgt 28,7 cm (Pferdegeschirr-, Sattel- und Gürtelbeschläge, Speerspit-
(10,5 + 7,7+ 10,5). die größte Breite 3,6cm. Die Oberfläche ze) sind unklar. Da die Funde vom Wasser unterspült
trägt Almandineinlagen in mit gepreßten Doppeldraht- wurden, ist ihre ursprüngliche Lage unbekannt. In der
imitationen gefaßten Zellen. Sehr stark abgetragen und ab- Publikation wurden das 89.5 cm lange Schwert, der in der
genutzt, aus vielen Zellen fehlen die Einlagen. Nähe gefundene 11.7 cm lange Schwerttragbügel aus Ne-
Beschreibung der Grabfunde mit Grabplan: W. P. Schi- phrit und die 9.3 cm lange Parierstange getrennt beschrie-
low. Otscherki po istorii drewnich plemen Nishnewo Po- ben. Die goldene Parierstange (in der Publikation wurde
wolshja. Leningrad 1975, 56-58. Abb. 43/2. Die Funde ver- sie als ,,Kammbehälter" bestimmt) trägt in Zellen gefaßte
öffentlichte. I. P. Sassetzkaja. ArchSb 10. 1968. 35-36. rote Glaseinlagen, die Augen der beiden an den Rändern
Taf. 1/10-14 und 4/2. Eine neue Bearbeitung der Schmuck- angebrachten Vogelkopfe sind durch weiße Glaseinlagen
stücke: Sassetzkaja, Solotyje ukraschenija, 41-42, Nr 11-12 betont. Dieses Schwert mit der mit doppeltem Vogelkopf
(mit Farbfoto des Diadems). verzierten Parierstange iranischen Typs kann als Vorbild

243
einer ganzen Reihe von Prunkschwertern der europäi­ überzogen, sondern nur verziert, (vgl. Abb. 62). In dem
schen Völkerwanderungszeit gelten. Die Zellen der obe­ Grab kamen wichtige. Ethnikum und Zeittellung bestim­
ren Platte sind die nächsten Verwandten der Zellen auf mende Gegenstände zum Vorschein: je ein Kampfmesser
dem Quereisen des 2. Schwertes von Pannonhalma (Farb­ alanischen und hunnischen Typs, hörnchenförmige Zopf-
taf. XVIII). ringe aus Gold (b-c) sowie silberne Gürtel- und
I. W. Sinizyn, Iswestija Saratowskowo Nishnewolshs- Schwertriemenschnallen (d), die das Grab in das zweite
kowo Instituta Krajewedenija im. M. Gorkowo VII. Drittel des 5. Jahrhunderts datieren.
1936, 73-80, nach Abb. I, Abb. 2/2 und 7. A. W. Dmitrijew. SowArch 1979/4, 223-226, nach
Abb. 8. Über die weiteren Funde des Gräberfeldes Ders.,
2. Dmitrowka (russisch: Dimitrijewka)-Wolnaja Woda, Drewnosti. 1982. 69-107.
Ukraine, Bezirk Berdjansk, Sowjetunion
Wurde neben einem Männer- und Pferdeskelett in 2,5 m 23. Rekonstruktion hunnischer Sättel
Tiefe gefunden. In goldener Zelle mit violetter Glaseinla- Früher glaubte man. die aus Funden stammenden dreick-
ge verzierte Parierstange und Schwertperle aus Bernstein. kigen Besätze mit abgerundeter Spitze gehörten auf den
Schwertlänge 100 cm. hinteren Sattelknopf. Dem widersprechen jedoch die Funde
OAK sa 1904 god (1907). 123 und Abb. 215/a-b. selbst, die alten Satteldarstellungen und die auch damals
noch in Verwendung gewesenen nomadischen Sattel.
3. Kisslowodsk-Lermontow-Fels, RSFSR, Bezirk Krasno­
dar, Sowjetunion 1. Aufgrund der schuppenverzierten Gold- und vergoldeten
In dem alanischen Männergrab 10 der Katakombe 2 Blechbesätze aus den Funden von Pécs-Üszögpuszta,
fanden sich eine goldene Prunkschnalle mit einem Raub- Lewenz/Léva/Levice, Mundolsheim, Schipowo 3, Nowo­
vogelkopf und Edelsteineinlage (b), runden Schnallen mit grigorewka VIII und IX rekonstruierter Sattel (I. Bona,
roten Edelsteineinlagen (c), wie sie in hunnischen Fund­ 1956).
komplexen des Donaugebietes häufig auftreten, Riemen­ Zu Mundolsheim: H. Zeiß. Ein hunnischer Fund aus
zungen (d) sowie kreuzförmige und rechteckige, aus ver­ dem Elsaß. Germania 17. 1933, 127-128. Abb. I. Nach
goldetem Bronzeblech gepreßte Pferdegeschirrbeschläge. Alföldi hielt er die Blechbesätze wegen der Holz- und
Letztere sind ebensogut mit dem Fund von Pannonhalma Lederüberreste an deren Rückseite für Schildbeschläge.
in Verbindung zu bringen wie das Schwert selbst (a). Später hat sie J.J. Hatt. Cahier ď Archeologie et d'Histoi-
Das Langschwert von Kisslowodsk ist als Vorbild für re d'Alsace 132, 1952. 119-120. als Zierbeschläge eines
das aus Pannonhalma, vor allem aber das aus Altlußheim gorytos, eines Köchers skythischen Typs, interpretiert.
zu betrachten (zu letzterem: E. Wahle, Forschungen und Zu Schipowo: T. M. Minajeva, ESA IV, 1929,
Fortschritte 10, 1934, 65-67, Abb. 1. F. Garscha, Das 202-203, Abb. 30-31 (mit Überresten der hölzernen Bret-
völkerwanderungszeitliche Fürstengrab von Altlußheim. terenden).
Germania 20, 1936, 191-198, Taf. 38-40. Beide Autoren Zu Nowogrigorewka: Minajeva. Pogrebenija 97, Taf.
erkannten, daß das Altlußheimer Schwert eine „südrussi- VII/26. Sassetzkaja, Solotye ukraschenija 75, Nr. 88.
sche" Arbeit ist, doch datierten sie es viel zu spät, nämlich
in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts, und sahen es 2. Rekonstruktion des Sattels von Melitopol-Ksiljarskaja
zweifelsfrei als germanisch, alemannisch oder gotisch an). Balka aufgrund der Sattelbesätze mit Randleisten aus
In den Zellen der nur an der Vorderseite verzierten Gold und vergoldetem Silber (vgl. Lewenz/Léva/Levice
Parierstange befinden sich rote und gelbe Glasplatten und Pécs-Üszögpuszta), die in den alanischen Gräbern 4,
sowie weiße Glaseinlagen. Die Schwertperle ist ebenfalls 5,9 und 10 von Abrau-Dürso auf den Pferdeskeletten in
aus Glas. Schwertlänge 100 cm. situ gefunden wurden.
A. P. Runitsch, SowArch 1976/3, 256-266, nach Abb. A. W. Dmitrijew. SowArch 1979/4, 212-221, nach
3/19-20 und 5/2. Ähnlich verzierte Schwerter wurden im Abb. 5 (Rekonstruktion des Sattels von Melitopol).
Kaukasus noch im 5. und 6. Jahrhundert angefertigt und Zu Melitopol: W. P. Peschanow. KSIA 11, Kiew 1961,
benutzt, z. B. in Gagra: Ju. N. Woronow, Materialy po 72-73, Abb. 2-3., und neuere: I. P. Sassetzkaja, Data
Archeologii Abhasii. Tbilissi 1979, 53-54, Taf. 31/2l-21a, melitopolskowo komplexa. In: Drewnosti Ewrasii w skifo-
ihre europäischen Gegenstücke gehen also auf hunnische sarmatskoje wremja. Moskau 1985, 68-70, Abb. 1/3, 9.
und alanische Schwerter zurück. Länge der trapezoiden Sattelbrettbeschläge 16 cm,
Breite 8 cm, Gesamtgröße der hörnchenförmigen Be­
4. Abrau-Dürso, Grab 479, RSFSR, bei Noworossijsk, Be­ schläge 55 x 6 x 2 cm.
zirk Krasnodar, Sowjetunion Wichtig für die Rekonstruktion sind auch die silberbe-
Das bei der Zerstörung des Grabes zerfallene Prunk­ schlagenen Satttelbrettenden mit Randleisten und Schup­
schwert kann mit Hilfe der Schwerter von Dmitrowka penverzierung aus der alanischen Katakombe l0 des Ler-
(auf der Parierstange gut erhaltene Zellen Verzierung mit montow-Felsens von Kisslowodsk. A. P. Runitsch, Sow
gleichem Muster, vgl. Abb. 22/2) und Szirmabesenyö Arch 1976/3, 259, Abb. 6/1. Größe 19 x 9 cm.
(ähnliches Schwertortband, vgl. Abb. 61) rekonstruiert
werden. Gleichzeitig ist es einer der wenigen authenti­ 24. Pferdegräber mit Pferdegeschirr und Sattelbeschlägen
schen Beweise in bezug darauf, wie und wo die auf der Abrau-Dürso bei Noworossijsk, Bezirk Krasnodar, RSFSR,
Abb. 37/1-5 dargestellten Mundbeschläge mit Tragtasche Sowjetunion (1974)
an der Schwertscheide befestigt waren. Im Gegensatz zu Die Zeichnungen der Pferdegräber 4, 5 und 9 zeigen gut,
der Schwertscheide von Nagyszéksós war die von Abrau- daß die schuppenverzierten Goldplatten so und dort neben­
Dürso mit einem schuppenverzierten Goldblech nicht einander gelegen haben, mit der verzierten Seite nach oben,

244
wo und wie sich auf dorn Pferderücken Sattelbretter nur 27. „Attilas Münzen"
befinden bzw. beginnen können.
A. W. Dmitrtjew. SowArch 1979/4. 212-215. nach Abb. 1. Nachahmung des Solidus von Theodosius II
I/I—III. Die schuppenverzierten Sattelbrettbeschläge ebenda Érmihályfalva / Valea lui Mihai, Komitat Bihar, Judeţul
unter Abb. 4/1-3, die übrigen Pferdegeschirreste auf Abb. Bihor, Rumänien (1926)
3/1-8, 13-21. Di: in der Sowjetunion gefundenen schuppen­ Die in natürlicher Größe und ziemlich genau umgezeich­
verzierten Sattelbeschläge faßt zusammen I. P. Sassetzkaja net veröffentlichte Münze wurde von der numismatischen
in: Drewnosti Jewrasii w skifo-sarmatzkoj wremja. Moskau Fachliteratur für verschollen erklärt, und diese enthielt
1984, 71-78. Tabelle und Typentafel (Abb. 2). sich mangels eines Fotos auch einer eingehenderen Unter­
suchung.
25. Elektronschale Es blieb jedoch je ein Foto beider Seiten des Solidus
Szeged-Röszke-Nagyszéksós (1934) in mehr als zweifacher Vergrößerung erhalten, nach dem
unsere Zeichnung angefertigt wurde.
Rekonstruktion des auf Taf. 90 wiedergegebenen Scha- Die Originalrundschrift des 443 geprägten Solidus
lenbruchstückes (DN THEODOSIVS PF AVG - IMP XXXXII COS
Fettich. Nagyszéksós, 139, nach Taf. XVI/l6a. XVII PP) wird auf der Nachahmung zwar mit zahlreichen
Fehlern wiedergegeben, ist aber dennoch gut zu erkennen
26. Holzschalen (z. R sieht O[[TNEOOO VS. oder aus 42 wird
XXXXN). Auch die figuralen Darstellungen auf Avers
1. Holzschale mit Goldbeschlägen und Revers sind von höherem Niveau als die des entspre­
Szeged-Röszke-Nagyszéksós (l926, 1934) chenden Solidus von Végardó, hinter der Feinheit der
Mit Hilfe der auf Taf. 88 wiedergegebenen zellenverzier- Zeichnung der Original-Solidi bleiben sie freilich weit
ten Scheibe und eines Goldbeschlages rekonstruierte zurück. Literatur s. bei Farbtaf. XIII.
Holzschale Die Zusammengehörigkeit beider Stücke ist
zwar ungewiß, doch immerhin möglich. 2. Nachahmung des Solidus von Theodosius II.
A. Kiss. FoliaArch 33, 1982, 169, nach Abb. 3. Kápolnokmonostor,. einstiges Komitat Szatmár, Copai-
nic-Mănăştur. Judeţul Maramureş. Rumänien (um 1900)
2. Holzschale mit Elektronbeschlägen Der im Gebiet des Dorfes gefundene Solidus kam in
Szeged-Röszke-Nagyszéksós (1926) dai damalige Museum von Nagybánya. Durchmesser
Mit Hilfe der unter den Funden vorkommenden Beschlä­ 21 mm, Gewicht 4,5 g. Die behelmte Kaiserfigur in
ge rekonstruierte Trinkschale aus Holz. Panzer und mit Lanze der Vorderseite ist schlechter
A. Kiss. FoliaArch 33, 1982, 166-168, nach Abb. 2/1. ausgeführt als auf den Exemplaren von Végardó
Schon in der ersten Publikation war es Fettich klar. (Farbtaf. XIII) und Érmihályfalva, auch die Rund­
daß es sich bei den Blechen um Beschläge von Holzgefä- schrift ist fehlerhafter O]]VOOO . IV
ßen handelte, für ihn ähnelte auch die Gefäßform der von Huckseite erinnert entschieden an die Nachahmung
Szilágysomlyó (Fettich. Nagyszéksós. 135-136). Der aus­ von Végardó, jedoch wurde die zeitbestimmende In­
schlaggebende Beweis für eine derartige Interpretation schrift VOT XXX - MVLT XXXX (430) so fehlerhaft
war damals schon publiziert: Auf einer zu Füßen des kopiert, daß ihr Vorhandensein nur durch das Ge­
Toten deponierten scheibenförmigen Holzschale in dem samtbild der Inschrift und des Münzbildes bewiesen
frühhunnischen Katakombengrab von Dshumgal- wird Aus dem die Emission bezeichnenden CONOB
Kysart, Tien-schan-Gegend, Kurgan 10, waren sehr ähnli­ wurde U OHO .
che, am unteren Ende mit je einer Niete befestigte Bronze- Der unverzierte Rand der Nachahmung ist mit der
beschläge. Münze von Érmihályfalva nah verwandt und unter­
A. N. Bernschtam, MIA 26, Moskau und Leningrad scheidet sich in dieser Hinsicht gründlich von der von
1952, 64, Abb. 36/11-13. Auf Holzschalenresten des Végardó.
Kammergrabes 13 von Kischpek (vgl. Abb. 70) kommen Útmutató a Nagybánvai Városi Múzeum gyűjtemény­
verschiedene Varianten ähnlicher Bronzebeschläge vor eihez - Wegweiser zu den Sammlungen des Städtischen
Die Holzschalen mit Beschlägen sind also östlicher Her­ Museums zu Nagybánya, Nagybánya 1904, 10. E. Chirilă
kunft, ja sie treten auch schon häufig, allerdings ohne - A. Socoian. Tezaure şi descoperiri monetare din colecţia
Beschläge, in mehreren Varianten und Großen in früh­ Muzeului Judeţean Maramureş. Baia Mare 1971. 72-73,
hunnischen Katakombengräbern von Kenkol auf (I. nach Taf. XI/I umgezeichnet.
Koshomberdijew. Aicheologilscheskije pamjatniki Talass-
koj doliny. Frunze 1963. 35-54, Abb. 9/2-4 und in 3. Nachahmung des Solidus von Theodosius II.
anderen gleichzeitigen Gräbern [Kara-Mojnok. Kara- Dina-Berek, Okres Nové Zámky. Bény (früher: Kisbény).
Bulak]) Bemerkenswert ist noch, daß die Holzschalen. ehemaliges Komitat Esztergom (1964)
allerdings mit rechteckigen Beschlagen, auch in den Grä­ Über den Schatz, die Fundumstände und die Münzfäl­
bern von Kertsch ab der Zeit der Hunnenherrschaft auf­ schung vgl. die Beschreibung und Daten der Farbtaf.
tauchen (N. I. Sokolskij. Derewoobrabatywajuschtseneje XIII
remeslo w antitschnych gosudarstwach Sewernowo Pri- E. Kolníková. Numismatický Sborník 10 (1965), 5-50,
tschernomorja. Moskau 1971. 196-197, Taf XXV 9-10. Taf. I-X., über die zwei gefälschten Solidi 43 und Taf. IX.
Taf. XXVI/5-6. Dieser Typ hangt nicht direkt mit den Nr. 107-108. Unsere Zeichnung wurde nach E. Kolníko­
metallbeschlagenen Holzgefäßen der Skythenzeit zusam­ vá. Rimske mince na Slovensku. Tatran 1980, 89, 116,
men. Abb. 68. angefertigt.

245
28. Aureliani/Orléans, Mitte 5. Jahrhundert Pferdegeschirr. Sei es, daß diese Gegenstände zusammen mit
Infolge der Forschungen von J. F. Baratin wurde Ende dem Toten in einem Grab niedergelegt wurden oder daß es
der 1970er Jahre geklärt, daß das Aureliani aus dem späten sich tatsächlich um ein Totenopfer hunnischer Art handelte,
4. Jahrhundert eine die - früher nicht gekannte - Steinbrücke der ursprüngliche Besitzer kann keinesfalls ein Hunne ge­
der Liger/Loire schützende 400 x 500 m große Quadratburg wesen sein. In Frage kommen könnte der an der Seite Attilas
(quadriburgium) war. ein Festungstyp, dessen Parallelen gefallene König Laudarich, ein Verwandter von Attila.
gerade aus Pannonien und Valeria bekannt sind, in erster Die Klinge des einschneidigen Kampfmessers ist 60,2 cm
Linie der Größe fast identisch mit Iovia/Alsóheténypusz- lang und 3 cm breit. Die herzförmige Goldplatte am Knauf
ta. Aus den Orléanser Forschungen ergeben sich zwei ist kleiner als jene von Oros (Taf. 108), ihre Länge beträgt
große Lehren. Einesteils haben wir erfahren, daß die im 3,3 cm. Die Ausmaße und die Form des Kurzschwertes stim­
allgemeinen in ihrer militärischen Bedeutung unterschätzten men mit den hunnenzeitlichen gepidischen und hunnischen
spätrömischen Quadratburgen imstande waren, für eine ge­ Kampfmessern und Schwertern von Szirmabesenyö (Abb.
wisse Zeit auch einer gewalligen Armee zu widerstehen, 61), aus dem ,,Fürstengrab" von Érmihályfalva-Stanc-
wenn sie entsprechend verteidigt wurden. Andernteils wurde Garten, dem Grab VIII desselben Fundortes von Krisán-
klar, wie die von Aetius und Theoderich geführten verbünde­ Besitz, von Klausenburg/Kolozsvár-Kardosfalva (Cluj-
ten Truppen schnell und „unerwartet" die fast schon gefalle­ Cordoş), den Bruchstücken von Ghenci/Genes-Akaszló-
ne Festungsstadt befreien konnten: über die durch die kleine domb sowie von Großwardein/Nagyvarad-Szalka (Oradea-
Festung am Brückenkopf noch gehaltene Steinbrücke. Salca) überein, die in den Gräbern nicht selten zusammen
mit zweischneidigen Langschwertern vorkommen.
M. F. Gleizes-M. Petit in: La Neustrie. (Hrsg. P. Périn
und L.-Ch. Feffer) Rouen 1987, 338-339 und Grundriß nach z. B. D. Cochet, Le tombeau de Childéric I". Paris 1859,
Abb. 137. Ebenda eingehende Literatur. 86 und Abbildung sowie 107, 260, 313 und 378,
Zu Iovia/Kapospula-Alsóheténypuszta: S. Soproni, Der M. Peigné-Deiacourt, Recherches sur le Lieu de la Bataille
spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre. d'Attila. Paris 1860, 1, 4-5, 53, Taf. 11/16-17. É. Salin und
Budapest 1978, 138-142, Taf. 88, und E. Tóth: ArchÉrt A. France-Lanord. Gallia 14, 1956, 68, Abb. 9.
114-115, 1988, 22-61, Abb. 3. Zum ähnlichen pannonischen Während die letztgenannten Autoren im Zusammenhang
aus Floriana/Ságvár und Keszthely-Fenékpuszta E. Tóth, mit dem gesamten Fundkomplex - das Langschwert, dessen
Zur Chronologie der militärischen Bautätigkeiten des 4. Jh. Ursprung wahrlich diskutabel ist. inbegriffen -zu dem veral­
in Pannonien. MAI 14, 1985, 121-136, Taf. 1-6. allgemeine teten Begriff „graeco-sarmatischen" Ursprungs kommen,
Zusammenfassung: St. Johnson, Late Roman Fortifications. können sie sich geschichtlich nicht von dem tief verwurzel­
London 1983, 123, 254. Dort ist aber in Orléans noch der ten „gotischen" Komplex lösen (a. a. O. 73-75). Selbst E.
Forschungsstand vom Beginn des Jahrhunderts, ohne Brük- Keller (Germania 45, 1967, 109 120), der das „attilazeitli­
ke und Türme (101 und Abb. 33) angegeben. che" Grab von Pouan und seine östlichen Zusammenhänge
neu erörterte, schreckte vor Schlußfolgerungen zurück, er
29. Schwertgriff ließ sogar Pouan von der Verbreitungskarte weg.
Pouan. Dépt. l'Aube, Frankreich Die zuletzt ausgezeichnet restaurierten und vielleicht logi­
Ein auf eigene Faust tätiger Arbeiter stieß am Ufer der scher als früher zusammengestellten Fundstücke sind mit der
Aube im Jahre 1842 auf diesen besonders reichen Gold fund. gesamten älteren Literatur vorgestellt bei: J. Bienaimé, Le
Schon um 1860 debattierte man über die Fundumstände, die trésor de Pouan au Musée de Troyes. Troyes o. J. Später
jedoch heute noch unklarer als vor 150 Jahren sind. Die wurden sie von M. Schulze wieder beschrieben, die hunni­
Funde kamen nämlich aus nur 80 cm Tiefe ans Tageslicht: schen und ostgermanischen Elemente hervorhebend. Gallien
„Verschiedene menschliche Knochen, zwei oxidierte Eisen­ in der Spätantike. Mainz 1980, 195-196 und Abb. 305b.
klingen sowie Goldschmuck und Zierate". All das erinnert
sehr an die Fundumstände der Opferfunde von Bátaszék, 30. Alanische Gräber
Pannonhalma, Pécs-Nagykozár-Üszögpuszta, Makart e t, Aus dem in der Nähe von Noworossijsk am Dürso-Fluß
Schtscherbata-Tal, Radensk und Nowo Iwanowka. Man beim Dorf Abrau erschlossenen Gräberfeld, RSFSR, Bezirk
kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, daß das „ex­ Krasnodar, Sowjetunion
humierte Skelett" erst später zu den inzwischen zu Grabbeiga­
ben des Westgotenkönigs Theoderichs I. erhobenen Funden 1. Grab 300. Skelett eines kräftigen Mannes mit künstlich
dazugedichtet worden ist. Denn über den Schädel sowie die deformiertem Schädel, mit auf Steppentracht weisenden
anderen Knochenrequisiten des Königs war schon Mille des Gürtel- und Stiefelschnallen und einem barbarischen
vorigen Jahrhunderts nichts Näheres mehr bekannt. Obolus in der rechten Hand. In der Halsgegend eine
Mit Ausnahme des 87 cm langen, zweischneidigen vergoldete, mit Steinen verzierte Bronzefibel, quer über
Schwertes mit Goldgriff und zellenverziertem Knauf, das der Brust große Silberplattenfibeln. Das während der
sich wegen der der „germanischen" Tragweise angepaßten Bestattung in drei Teile gebrochene (?) oder nachträglich
Riemendurchzüge von den bisher bekannten „nomadischen" gestörte Langschwert ist auf unserer Abbildung wiederher­
Prunkschwertern unterscheidet (was allerdings auch auf eine gestellt und mit dem Chalzedonanhänger in richtiger Lage
nachträgliche Veränderung zurückzuführen sein kann), sind wiedergegeben. Neben dem rechten Arm lagen eine Perlen-
alle Funde von Pouan (goldener Ösenhalsring, Armring mit halskette, ein Bronzespiegel und ein hörnchenförmiger
trompetenförmigem Ende, verschiedene goldene Schnallen, Lockenring, zu Füßen befindet sich eine Tonschüssel.
zellenverzierte Rundscheibe einer Schwertperle, Ösenring)
Erzeugnisse der Donau- oder Pontusgegend. Trotzdem un­ 2. Grab 500. Doppelbestattung eines Mannes und einer
terscheidet sich dieser Fundkomplex wesentlich von den Frau, die sich un den Händen halten. Ein Teil des rechts
oben angeführten Parallelen: Es fehlen Bogenbeschläge und ruhenden Männerskeletts fiel moderner Störung zum Op-

246
fer. Beachtenswert ist das neben seinen Schädel gelegte A. Salamon. A Szekszárdi Balogh Ádám Muzeum
Kurzschwert. Für die Frauenbestattung überraschend ist Füzetei 9. Szekszárd 1968. 3. 4, 9, Abb. 4/2. 6.
die Beigabe eines an den Gürtel geschnallten zweisehnei­
2. Csongrád-Kaserne, Grab 133
digen, silberbeschlagenen Langschwertes, dessen Scheide
ursprünglich auch ein Silberblech mit Schuppenmuster Das Skelett war im Bereich der Beine durch einen moder­
zierte. Die Frau muß aufgrund der im Unterbeinbereich nen Kanalgraben geteilt. Länge der Fibeln 6,1 cm. MNM
gefundenen Schnullen Hosen getragen haben. Unge­ Inv.-Nr. N 54. 2. 224. Die Halskette besteht aus Bern­
wohnt ist auch die neben ihren Kopf gelegte Schafschere. stein- und farbigen Glasperlen. Im rechten Brustbereich
Als Schmuck trug sie eine große Silberplattenfibel und ein zweireihiger Beinkamm.
silberne Armreifen. Das Paarstück der Plattenfibel sowie Párducz. Hunnenzeit. 51, Taf. VIII/I-II. Die Plan-
ihre Perlen, die silbernen Ohrgehänge mit Polyederknopf, zeichnung (Abb. 3) wurde von M. Kőhegyi angefertigt.
der Bronzespiegel, die Haarpinzette und ein Spinnwirtel
33. Grabfund von Léva/Leweni/Levice-Kalvaríenberg
aus Bergkristall waren zu ihren Füßen deponiert.
Tschechoslowakei (1899)
A. W Dmitrijew. SowArch 1979/4, 222-229. aufgrund der
Abb. 6-7 und 9-10 Die Länge der vergoldeten Bronzefibeln (1-2) beträgt
Als ob er vor seiner eigenen Kühnheit zurückgeschreckt sei. 6,4 cm. Die Perlen (3) aus farbigem Glas, Bernstein und
bezeichnet der Verfasser in einer neueren Arbeit das Grab 500 Karneol waren auf einen halben, aus Bronzedraht geflochte­
als ein doppeltes Männergrab. Dank der anatomisch genauen nen Halsring aufgezogen. Der hörnchenförmige Lockenring
Skelettzeichnung bestand allerdings kein Grund zu derlei Be­ (4) und die Zikade (5) (Lange 2,5 cm) sind aus Silber. Der
sorgnis, schon deshalb nicht, weil sich in dem Friedhof eine Weißmetallspiegel (6) mit einem Durchmesser von 5,5 cm
Reihe solcher, wie er sich ausdrückt, „Shemuschtschina" kam in Bruchstücken ans Tageslicht Zu dem Komplex ge­
(„Mannweib" oder umgekehrt) fand: z. B. der im Grab 291 hörte noch ein 10 cm hohes, henkelloses Näpfchen. Die
bestattete Mann mit großen Silberplattenfibeln, hörnchenför- Funde wurden keinesfalls in dem Gefäß vorgefunden, wie
migen Haarringen, einem Lang- und Kurzschwert oder eine dies die die Funde zum Kauf anbietenden Vermittler mit
im Grab 420 bestattete Frau mit einem großen silbernen gewohnter Besserwisserei behaupteten (vgl. Mezőberény.
Plattenfibelpaar und einem Kurzschwert. Farbtaf. XXVIII). Sic stammen sicherlich aus einem Körper-
A. W. Dmitrijew. Drewnosti. 1982, 82, 90-91. grab.
T. Lehoczky. ArchÉrt 28, 1908, 422-423, Abb. 1-3. Unse­
31. Alanische Grabfunde re Abbildung wurde nach dem im ehemaligen Lehoczky-
Jászbereny-Szőlődűlö. Komital Jász-Nagykun-Szolnok Museum in Munkács (Mukatschewo) aufgenommenen Ar­
(1930). Funde aus vier W-O-orientierten Gräbern, MNM chivfoto (ELTE, Lehrstühle für Archäologie) angefertigt.
Inv.-Nr. I. 1930 Die folklorisüschen Fundumstände leben jedoch - wie die
ähnlichen im allgemeinen - auch heute weiter und verbreiten
1. Das aus Grab 4 stammende, zweisehneidige Kurzschwert sich. Sie wurden bereits übernommen von E. Beninger, Die
mit ungewöhnlich breiter Klinge war aufgrund zahlrei­ germanischen Bodenfunde in der Slowakei. Reichenberg
cher Grabfunde (vgl. z. B Abb. 30) eine Nahkampfwaffe und Leipzig 1937, 53, dann von H. Kühn, Die germanischen
der Alanen. Länge 49,2 cm, Klingenbreite 6,3-9,5 a n . Bügelfibeln der Völkerwanderungszeit in Süddeutschland II
Graz 1974, 631 und nach ihm von A. Holl. Annalen des
2.-3. Aus dem bereits altgestörten Grab I stammen die Naturhistorischen Museums in Wien 85/A 1983, 46. A Kiss.
beiden aus Bronze gegossenen, kerbschnittverzierten Fi­ Alba Regia 19, 1981, 179, vermutet geradezu einen Schatz-
beln, die von der Krim bis in das Kurpatenbecken verbfei­ fund.
tet waren. Aus dem erwähnten Männergrab mit Kurz­
schwert folgernd, wurden sie von einer alanischen Frau 34. Waffen, Gußhenkelkrüge und Schmuck östlicher Herkunft im
getragen (vgl. dazu Abb. 32 und 34). Länge 6.2 cm. Karpatenbecken
4. Die Alanen machten manchmal bei der Bestattung die Die aus der Mitte und dem Westteil des Karpatenbeckens
Schwerter durch Zusammenbiegen unbrauchbar, so z. B. früher unbekannten Waffen, Gefäße und verschiedenen
das in Grab 40 von Csongrád-Kenderföldek gefundene Schmuckstücke zeugen vom Eindringen hunnischer, alani-
Kurzschwert. Ursprüngliche Länge 44,5 cm. Ein Paar scher und ostgermanischer Volksgruppen aus dem Osten.
kam aus Grab 136 desselben Friedhofs ohne Verkrüm­ Die neuen Funde sind in kleineren und größeren Gruppen
mung zutage. Länge 43,4 cm verbreitet und stammen hauptsächlich von den ethnischen
Gruppen, die von den Hunnen aufgestört und bis nach
M. Párducz. Acta ArchHung 11, 1959. 313, 318, nach
Pannonien vertrieben worden waren, zu einer Zeit, als die
Taf. 1/8 (Csongrád). Taf. XX1/13-14, XXII/1 (Jászberény)
Hunnen selbst mit Ausnahme von Valerien Pannonien
Zu Grab 136 aus Csongrád-Kaszárnya Párducz, Hun-
überhaupt noch nicht betreten hatten. Die eigentümliche -
nenzeit 51-52, Taf. XI/I. Erst bei erneuter Reinigung
großenteils in Verbindung mit spätrömischen Festungen
stellte sich heraus, daß es sich um den gleichen Typ han­
bzw. Siedlungen - Verbreitung der Zikaden vom pontischen
delt. G. Vörös, GHA. 146. II. 32a.
Typ erfordert noch weitere Untersuchungen.
32. Frauengräber mit kerbschnitttverziertem bronzenen Fibelpaar Die zweischneidigen Kurzschwerter mit breiter Klinge
weisen in erster Linie auf das Eindringen von Alanen hin:
1. Szekszárd-Palánk, Grab 210. Komitat Tolna
Länge der Fibeln 6 cm Die Halskette besieht aus far­ A/1. Jászberény-Szölödúlö. (Vgl. Abb. 31/1)
bigen Glasperlen unterschiedlichen Ausmaßes und hat A/2. Umgebung von Jászberény M. Párducz. Acta Arch
einen großen Bernsteinanhänger Hung 11, 1959, 318, 367

247
A/3. Csongrád-Kenderföldek, Grab 40 und 136, (Vgl. Abb. chen Grab zusammen mit einem Langschwert mit
31/4) eiserner Parierstange und Schwertperle aus Bernstein
A/4. Tiszakarád-Szent Mária-puszta, Komitat Borsod- sowie mit einem Gußhenkelkrug.
Abaúj-Zemplén. MNM Inv.-Nr. 6, 1893, 3, Unpubli- E. Beninger. Mannus 28, 1936, 260. Abb. 8-9, H.
ziert. Friesinger, ArchAust 68, 1984, 130. Abb. 12/8,
A/5. Izmény, Komitat Tolna. WMM Inv.-Nr. N 7, 938, 3, C / 9 . Sigmundsherberg. Niederösterreich (1889). Aus zer­
Länge 40 cm. Während des Zweiten Weltkrieges verlo­ störten Körpergräbern. Unter den Funden auch ein
rengegangen. einschneidiges Kampfmesser.
A/6. Keszthely-Fenekpuszta. Erwähnt von K. Sági, A. Lippert, Germania 46, 1968, 328-329, Abb. 2/4, E.
Arrabona 21, 1979, 115, Ders., Drewnosti. 1982, Szamek. ArchAust 68, 1984, 151, Abb. 16/4-5.
53-54, C/10. Nový Šaldorf, Südmähren. Tschechoslowakei. Aus
zerstörten Gräbern, verwandte Variante ohne Vogel­
Von der Halbinsel Krim stammt der Typ der hunnenzeitli- kopf.
chen Krüge mit Gußhenkel: L. Červinka, Anthropologie Prag 14, 1936, 135,
Abb. 29/9, J. Tejral, Morava na slonku antiky. Prag
B/1. Středa nad Bodrogom/Bodrogszerdahely (Abb. 68/2) 1982, 117-118, Abb. 41/6 und Taf. 24/12.
B/2. Tiszalök-Razompuszta (Abb. 68/3)
Die aus Dreiecken und Rhomben zusammengesetzten
B/3. Csongrád-Kenderföldek, Grab 28
B/4. Regöly (Taf. 17) kerbschnittverzierten, gelegentlich vergoldelen Bronzefibeln
B/5. Wien-Leopoldau, Grab 3 (Abb. 68/4). Zur Literatur wurden von Germanen, Alanen und vielleicht auch Hunnen
vgl. Abb. 68, in gleicher Weise getragen.
B/6. Velke Nemčíce, Bezirk Břeclav, Mähren, Tschechoslo­ D / 1 . Leva/Lewenz/Levice-Kalvarienberg (1899). (Vgl.
wakei. Aus einer hunnenzeitlichen Siedlung zusammen Abb. 33,) Paarweise freigelegt.
mit schönen geglätteten Krügen vom Murga-Typ. D / 2 . Jászberény-Szőlődülő, Grab I (Vgl. Abb. 31/2-3,)
I. Peskár, Památky Archeologické 74, 1983, 184, Paarweise freigelegt.
Abb. 2/1-2. D / 3 . Szekszárd-Palánk. Grab 220. (Vgl. Abb. 32/1,) Paar-
weise freigelegt.
Die kleinen, mit einem Vogelkopf verzierten Bronze­ D / 4 . Csongrád-Kaszárnya. Grab 133, (Vgl. Abb. 32/2,)
schnallen sind östlicher Herkunft. Parallelen aus Bronze sind Paarweise freigelegt.
uns von der Krim (Simferopol, Kertsch) und aus dem Kau­ D / 5 . Szekszárd-Palánk, awarische Grab 100. Einzelfund.
kasus (Tschegem) bekannt, aus Gold aus einem Grab in Á. Salamon, A Szekszárdi Balogh Ádám Múzeum
Kisslowodsk (vgl. Abb. 22/3). Die Glaseinlagen sind aus­ Füzetei 9, Szekszárd 1968, Abb. 4, 5/6,
nahmslos herausgefallen. D / 6 . Kassa/Kaschau/Košice, Ostslowakei, Tschechoslo­
C / 1 . Nyíregyháza, Komitat Szabolcs-Szatmár-Bereg. MNM wakei. Einzelfund. Im Kaschauer Museum frühere
Inv.-Nr. 22,1854. Inv.-Nr. 2356,
C / 2 . Sály-Latorhegy, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén. A. Bálint, Új Magyar Múzeum 1, 1942, 97, Taf. III
Noch nicht inventarisiertes Einzelstück aus den Gra­ unten rechts. Die spätere Fachliteratur publiziert die
bungen Judit Gádors. fälschlich erneut ins Inventar aufgenommene Fibel
C/3. Jánoshida-Káposztásdúlő, Komitat Jász-Nagykun- irrtümlich als „zweiten" Fund von Lewenz.
Szolnok. Paarweise aus einem Frauengrab. MNM D / 7 . Prša/Perse-Bércdűlő, Grab 27,
Inv.-Nr. N 3, 1939, 1-2. A. Točik und J. Drenko, Archeologické rozhledy
Csallány, Gepiden, 235-236, Taf. 202/5-6, I. Kovrig, 2, 1950, 166, Abb. 99, A. Točik. Študijné zvěsti AU-
ArchHung XL, 1963, 196-197, Abb. 13/2-3. SAV 9, Nitra 1962, 202, Abb. 12/2.
C/4. Magyarcsanád-Bökény-Marospart, Komitat Csong­ D / 8 . Csongrád-Kenderföldek, Grab 85 (7).
rád. Aus gestörten Gräbern, darunter auch eine hun­ M. Párducz. Acta ArchHung 11, 1959, 314-315, Taf.
nenzeitliche dreiflüglige Pfeilspitze aus Eisen. Ehema­ XI/5, Kommt in der Beschreibung des fachgemäß
liges Museum in Makó, Inv.-Nr. 661/1938, freigelegten Grabes 58 nicht vor, kam unter dieser
Csallány, Gepiden, 143, Taf. 159/3, Grabnummer nur auf die Tafel. Wahrscheinlich
C/5. Esztergom-Téglagyár (Ziegelei). Angeblich aus einem stammt der Fund aus dem zerstörten, nicht beschrie­
Männergrab, in der Beckengegend. benen Grab 85 und ist identisch mit der Fibel des
A. Balogh. ArchÉrt 1944/45, 301, Taf. 95/6, Csongráder Museums, Inv.-Nr. 85, 2, 12,
C/6. Németkér-Innengebiet, Komitat Tolna. Aus einem D / 9 . Szilágy-Aranyoldal, (Comitat Baranya. Einzelfund.
Frauengrab zusammen mit einem Armring und einer J. Dombay, JPMÉ 1, 1967, 255, Taf. 38/25,
Bernstein-Halskette. Verlorengegangen. D/10. Bodrogmonostorszeg/Bački Monostor, Grab l.
C/7. Mözs-Palánk, Grab 11, Männergrab mit einem glätt- K. Gubitza, ArchÉrt 22, 1902, 339, Abb. 2,
verzierten Krug, einer zellenverzierten Gürtelschnalle Paarweise zusammen mit Zikaden gefunden!
mit Vogelkopf und mit je einer glatten bronzenen Z. Vinski, Problemi seobe naroda u Karpatskoj kotli-
Vogelkopfschnalle im Bereich der Knöchel, (vgl. Taf. ni. Novi Sad 1978,35, Taf. VI.
77/1-2,) 1-2: nach Reinigung und Restaurierung angefertigtes
Á. Salamon. MittArchInst 1958-1968, 148-149, Nr. Foto.
51, Á. Salamon -I. Lengyel, World Archaeology 12/1, D / 1 1 . Lužianky/Sarlóskajsa-Neutraufer, Slowakei, Tsche­
1980, 90, Taf. 1/1-2, choslowakei. Wahrscheinlich aus einem bei der Fluß-
C/8. Wien 21-Leopoldau, Grab 3, Aus einem hunnenzeitli- regulierung zerstörten Grab, (194l).

248
A. Točik, Študijné zvesti AUSAV 9, Nitra 1962, Grabung von E. Istvánovits. ArchÉrt 111, 1984, 262,
195-196, Abb 8/2, Unpubliziert. Aus Silber, Länge 2 cm.
D / 1 2 . Steinbrunn (vormals Stinkenbrunn/Büdöskút). Bur­ E / 5 . Bodrogmonostorszeg/Bački Monostor. Grab I Woj­
genland, Österreich. wodina. Jugoslawien. Aus vergoldeter Bronze. Länge
H. Mitscha-Märheim. Festschrift für Alfons A. Barb. 3 cm.
Eisenstadt 1966, 110, Abb 2/5, K. Gubitza. ArchÉrt 22, 1902, 339-340, Abb. 4
D / 1 3 . Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg. Einzelfund E/6. INTERCISA/Dunaújváros, Komitat Fejér, Grab­
Länge 6,2 cm. fund, 1973, Paar aus Silber, Länge 3,9 cm.
E. Beninger. Materialien zur Urgeschichte Öster­ Zs. Visy. ArchÉrt 108, 1981, 211, Abb. 3/1-2 und
reichs. 4, 1930, 38, Taf 17/2, 4/1-2.
D / 1 4 . Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg. Einzelfund, an­ E/7. Kistokaj-Homokbánya, Komitat Borsod-Abaúj-
dere Variante. Länge 6,9 cm. Zemplén, aus zerstörtem Grab, 1972, Paar aus ver­
E. Beninger, a. a. O., Taf. 17/3. W. Jobst. GHA 330, goldetem Silber, Länge 3,7 cm. Unpubliziert. (Vgl.
VII. 1. g. Taf. 40/3,)
D / 1 5 . Sicia/Šišak, Jugoslawien. Einzelfund. E / 8 . Csömör. (Vgl. Taf. 95,)
H. Brunšmid Vjesnik hravatskojarh društva 8, 1905, E/9. Léva/Lewenz/Levice-Kalvarienberg. 1899, (Vgl.
219, Abb 36 Abb. 33,)
D / 1 6 . ,,Ungarn". Einzelfund. MNM Inv.-Nr 171, 1874, 35, E/10. Šarovce/Sáró-Makóczadomb, Grab 17/1955, Slowa­
F. Pulszky. ArchÉrt 1, 1881, 209, Abb. 4 auf Seite kei, Tschechoslowakei. Aus vergoldetem Silber, Län­
206 Hampel. Alterthümer III, Taf. 10/4 ge 4,4 cm.
D / 1 7 . Halbturn/Féltorony-Bauernhutweide. Burgenland, B. Novotný. Šarovce. Bratislava 1976, 154, Abb. 20/
Österreich. Einzelfund. Bronze, Länge 8,3 cm. B3 und Taf. XXI/2, K. Pieta. GHA 414, IX, 23,
A. Holt. Annalen des Naturhistorischen Museums in E / 1 1 . BRIGETIO/Szöny. Komitat Komárom. Drei ver­
Wien 85/A, 1933, 45-46, Taf. I/2, P. Stadler. GHA schiedene Zikaden:
338, VII, 24 a. Bronze, Länge 3 cm.
D/18, Mitterhof, Grab 3, Niederösterreich. Unpubliziert. Z Vinski, a. a. O., 146, Abb. 19,
A. Hall, a. a. O. unter 46. b. Bronze, Länge 3,6 cm. T Kolník, Skvosty antiky
D / 1 9 . Pobedim/Pobedény. Slowakei, Tschechoslowakei. na Slovensku. Bratislava 1979, 140, Abb. 53,
Streufund. c Bein. Länge 3 cm.
D. Bialeková. Študijné zvesti AUSAV 18, Nitra 1970. I. Borsos. ArchÉrt 18, 1898, 352, Abb. 2 (aus der
368-369, Abb. 1. Sammlung J. Sárközy, Ószőny).
D/20. Bratei/Pretai/Barátbely, Grab 2/1968, Siebenbürgen. E/12. CELAMANTIA/Leányvár. Slowakei, Tschechoslo­
Rumänien. wakei. Bronze, Länge 4 cm.
L. Bârzu. SCIVA 37, 1986, 99-100. Abb. 5/2-3. In K. Kuzmovâ-T. Kolnlk-J. Rajtár. Archeologické výz­
einem ausgeraubten gestörten Grab zusammen ein kumy na Slovensku v roku 1980. Nitra 1981,
Exemplar von 6,3 und eins von 6 cm Durchmesser. 158-159, Abb. 88/10.
Auf der Karte sind Nr 16 und 20-21, rudu verzeich­ E / 1 3 . Györköny. (Vgl. Farbtaf. XXV)
net. E / 1 4 .Großmutschen/Sopronudvard, Burgenland, Öster­
D/21, Bakta/Nagybakta. Grabfund mit Zikade (1990). Wie reich. Bronze, Länge 3,1 cm.
E/20. H. Mitscha-Märheim. ArchAust 50, 194-195, Abb. 18,
E / 1 5 . SISCIA/Šišak, Kroatien, Jugoslawien. Blei, Länge
Die aus der Gegend des Schwarzen Meeres und dem Kau­ 2,2 cm.
kasus stammende Variante der Gold-, Silber- und Bronzezika- Z. Vinski, a. a. O., 138, Abb. 52, Nach Meinung von
den verbreitete sich hauptsächlich entlang der Donau. Die K Simont, GHA 195, IV, 7.a, Silber. Länge 2,4 cm.
großen römischen Variantco der Zikaden sowie die bei den
E/16. NEVIODVNVM/Drnovo. Kroatien. Jugoslawien,
römerzeitlichen Sarmaten der Tiefebene vorkommenden klei­ Bronze, Länge 2,5 cm.
nen Typen (Öcsöd-Bábocka, Tiszafoldvár) dürfen mit den Z. Vinski, a. a. O NO. Abb. 14,
hier in Frage stehenden Zikaden nicht verwechselt werden.
E/17. Devin/Theben/Dévény, Slowakei. Tschechoslowakei
E / 1 . VIMINACIVM/Kostolac, Serbien, Jugoslawien, Aus einer spatrömischen Kontrafestung. Bronze,
Grab 16, Länge 4,3 cm. Länge 3,8 cm.
L. Zotovič, Starinar 31, 1980, 110, Taf. IV/7 V. Placha-K. Pieta. Archeologické rozhledy 38, 1986,
E / 2 . MARGVS/Orašje, Jugoslawien. Aus Silber. Länge 354, Abb. 5/13.
4,6 cm. E / 1 8 . Untersiebenbrunn. Niederösterreich. Aus einem Kin-
Z. Vinski, Zikadenschmuck, aus Jugoslawien. dergrab ein Silberpaar, Länge 5,6 cm.
JRGZM 4, 1957, 140, Abb. 16. W. Kubitschek. JbfA 5, 1911, 64, Taf V. Abb. 1/3-4,
E / 3 . BVRGENAE/Novi Banovci, Wojwodina, Jugo­ E/19. Novy Šaldorf, Grab 9/23, Südmähren, Tschechoslo­
slawien. Sechs in die Hunnenzeit und zu unseren wakei. Bronze, Länge 2,5 cm.
Typen gehörende Bronzeexemplare. Länge um 3 cm. L. Červinka. Anthropologie Prag 14, 1936, 107, Taf.
H. Kühn. JPEK 10, 1935, 90. Taf 24, Nr. 58-59 Z. 29/7, J. Tejral. Morava na slonku antiky. Prag 1982,
Vinski, a. a. O., 138, Abb. 3, 4, 6 GHA 224-225, V, 109-110. 207, Abb. 40/2, 81/2 und Taf. 24/8.
11, b-i. E/20. Bakta/Nagybakta, Karpato-Ukraine, Bezirk Bereg­
E / 4 . Tiszavasvári-Városföldje, Haus I. Komitat Szabolcs- szász, Sowjetunion, Bronze mit abgebrochenen
Szatmár-Bereg. 1982 Flügeienden, Länge 3,9 cm.

249
Typ wie E/10. In einem Frauengrab zusammen mit F / 1 1 . Mözs-Palánkapuszta, Grab 21 und 23, Komitat Tol­
einem hörnchenförmigen Lockenring aus Gold und na. Je ein Silberexemplar.
mit Silberschnallen gefunden. Unpubliziert. Freundli­ A. Salamon - I. Lengyel, World Archaeology 12/1,
che Mitteilungen von Jolanda Tscherkun (1991). Auf 1980, 97, Taf. II/10-11.
der Karte nicht verzeichnet. F / 1 2 . INTERCISA/Dunapentele/Dunaújváros. Einzel-
fund. Gold. MNM 30. 1909, 47, Unveröffentlicht.
Die hörnchenförmigen Lockenringe aus Bronze, Silber und F / 1 3 . Békéscsaba, Komitat Békés. Einzelfund. Gold.
Gold sind im Karpatenbecken seltener und nicht so beliebt MNM 107, 188l, 6. Unveröffentlicht.
gewesen wie im hunnischen und hunnenzeitlich-alanischen
(zu den letzteren s. z. B. die Funde der Katakombengräber Auf der Karte nicht verzeichnet.
von Kisslowdsk, A., P. Runitsch in: Materialy po archeologie F / 1 4 . Tiszadob-Sziget. Komitat Szabolcs-Szalmár-Bereg.
drewnej istorii Sewernoj Ossetii Bd II. 1969, 97 ff. Taf. III/9, Aus einem zerstörten Grab. Silber. E. Istvánovits. Ein
VI/16, VII/8) Osten. Bereits während der ersten Hälfte des Friedhof aus dem 4./5. Jh. in Tiszadob-Sziget. Acta
5. Jahrhunderts wurde dieser Schmuck in die Tracht der ArchHung im Druck. Abb. 17/15.
Gepiden und anderer Germanen aufgenommen. Nach den F / 1 5 . Ungarn. Dieses Bronzeexemplar stammt aus einem
Grabfunden in der Tiefebene und in Siebenbürgen bewahr­ hunnenzeitlichen Männergrab mit einer ovalen Gür­
ten die Gepiden diese Trachtbeslandteile bis in die zweite telschnalle aus Bronze, deren viereckige Beschlag-
Hälfte des 5. Jahrhunderts. platte am Rand kreuz und quer graviert, in der Mitte
F / 1 . Csongrád-Kenderföldek (=Kaszárnya) Grab 14, mit Schupperrmuster verziert ist. mit bronzenen Stie-
Paar aus Silber M. Párducz, Acta ArchHung II, felriemenschnallen und ovalen Schwertriemenschnal-
1959, 311, Taf. V/13-14 Csongrád-Kaszárnya. Grab len. Sammlung Ráth, MNM Inv.-Nr. 1, 1874, 452,
128, Silbernes Exemplar in einem Männergrab mit 457-458, Unveröffentlicht.
Pfeilspitzen. F / 1 6 . Bakta/Nagybakta, wie F./20. Aus einem Frauengrab.
Párducz, Hunnenzeit, 50, Taf. IX/1. Gold.
F/2.a Csongrád Werböczi utca, Kindergrab 5, Silber. F / 1 7 . Szentes-Kökényzug, Grab 77, Vergoldete Bronze.
Párducz, Dolgozatok 12, 1936, 53, Taf. 41/5, Csallány. Gepiden 37, Taf. VI/11, Gepidisch, 2. Hälf­
F/2.b Csongrád - Iskola utca Nr. 8, Frauengrab. Silber te 5. Jh.
M. Párducz, MFMÉ 1968, 28, Taf. 1/3. F / 1 8 . Szenles-Nagyhegy, Grab 27, Gold.
F / 3 . Hejókeresztúr-Homokbánya, Komitat Borsod- Csallány. a. a. O., 50. Taf. XXV/7, Gepidisch. 2.
Abaúj-Zemplén. Silber und Gold paarweise aus ei­ Hälfte 5. Jh.
nem Brandgrab zusammen mit Silberschnalle und F / 1 9 . Szolnok-Szanda, Grab 30. Gold. Gepidisch. 2. Hälfte
Silberanhänger. 5. Jh. Unveröffentlicht.
Csallány, HOMÉ 2, 1958, 83, Taf. 1/2-3.
F / 4 . Lewenz/Léva/Levice-Kalvarienberg, (1889.) Silber. 35. Fibeln aas dem Kaukasusgebiet und ihre Parallelen in Pannonien
(Vgl. Abb. 33,) Im Vorgebiet des Nordkaukasus kamen bei Grabungen
F / 5 . Nyírkarász-Kishalom, Komitat Szabolcs-Szatmár- von alanischen Katakombengräbern zahlreiche einfache und
Bereg, Goldexemplar aus einer nicht untersuchten verzierte, größere und kleinere Blechfibeln aus Bronze, Silber
Nachbestellung. sowie mit Goldblech überzogene edelsteinverzierte Fibeln
D. Csallány. HOMÉ 2, 1958, 89, Taf. 1/5. zum Vorschein. Während der Hunnenzeit wurde das Tragen
F / 6 . Oros-Gegend, Komitat Szabolcs-Szatmár-Bereg, von Blechfibeln zu einer interethnischen Mode. Von den
Gold. I. Kovrig, Acta ArchHung 10, 1959, 211, Taf. kleineren Fibeln können die in einem Stück gegossenen oder
3/9, Publiziert als Németkér-Fund. Zum Fundort vgl. getriebenen Exemplare mit punziertem oder graviertem
Taf. 108, Rand als spezifisch alanisch angesehen werden.
F / 7 . Marchegg, Niederösterreich. Gold mit glatter und
eingekerbter Oberfläche aus einem Frauengrab. 1.-3. AQUINCUM-Budapest III.
R. Pittioni und J. Weninger, Natur und Kultur 29, Silberfibeln ohne näher bekannte Fund umstände
1944, 15, Taf. 1/3-4. aus der während des Zweiten Weltkrieges abhanden
F / 8 . Laa an der Thaya, Grab 2, Niederösterreich. Gold gekommenen Sammlung Schmidt. Länge ca. 12,5,
aus einem Männergrab. 10,5 und 6 cm.
E. Beninger, Eiszeit und Urgeschichte 6, 1929, 148, T. Nagy, Budapest műemlékei II. Budapest 1962,
Taf. 19/25. 65, Anm. 36 auf S. 109, nach Abb. 14, Neben „goti­
F / 9 . Drslavice, Mähren, Tschechoslowakei. Gold aus dem scher" erwägte er bereits alanische Herkunft.
Grabeines Mannes mit deformiertem Schädel, Gürtel-
und Schuhschnallen vom Typ Genesapáti, zusammen 4. Kisslowodsk-Lermontow-Fels, Katakombe 10, Grab
mit einem Glasbecher und einem Henkelkrug. 2, RSFSR, Bezirk Krasnodar, Sowjetunion
L. Červinka, Anthropologie, Prag 14, 1936, 132, Wurden zusammen mit dem auf Abb. 22/3 dargestell­
Abb. 16, J. Tejral, Morava na slonku antiky. Prag ten Prunkschwert und Pferdegeschirr unter den leider
1982, 201, Abb. 8/7. nicht getrennt beschriebenen Männer- und Frauenbei-
F/10. Ivanka pri Dunaji/Pozsonyivánka, Slowakei, Tsche­ gaben gefunden.
choslowakei. Zwei Goldexemplare aus einem Silber, Länge 9,4 cm. (Vgl. das bei Pécs-Basamalom
Frauengrab. gefundene Fibelpaar auf Taf. 98.)
B. Novotný, Sarovce. Bratislava 1976, 96, Unveröf­ A. P. Runitsch. SowArch 1976/3, 260. 265, nach
fentlicht. Abb. 6.

250
5. „Kaukasus" 14. Karlsburg/Alba Iulia, Judeţul/Alba oder Umgebung,
Bronze, Länge 6,5 cm. Rumänien
B. Salin, Die altgermanische Thierornamentik. Stock­ Fundumstände unbekannt. Aus Bronze, Länge 9,3
holm 1904, 19, 364, nach Abb. 36. cm. E. Beninger: Mannus 30, 1938, 129, Nr. 4, K.
Horedt. SCIV 5, 1954, 487-489, Abb. 1/4 A. Papa.
6. Kisslowodsk, Friedhof I, Katakombe 5 Acta Musei Apulensis 4, 1961, 223, nach Abb. 2a.
Bronze. Länge 7,2 cm. Wurde zusammen mit einem Die Siebenbürger Forscher bemerkten im Gegen­
hörnchenförmigen Lockenring aus Silber und einem satz zu Beninger (Der westgotisch-alanische Zug.
schuppen verzierten Silberblech gefunden. 16). daß sie von den Blechfibeln der Marosszentan-
G. E. Afanasjew und A. P. Runitsch, SowArch na-Tschernachow-Kultur schon abweicht, und er­
1970/4, 222-225, nach der schematisierten Abb. 2. klärten dies mit dem nicht beweisbaren „Weiterle­
7. BRIGETIO/Szöny ben" der Kultur in Siebenbürgen. Zuletzt hält K.
Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, Bonn 1986,
Wurde angeblich in einem Grab gefunden, was aber S. 15, Abb. 7/1, sie ebenfalls für hunnenzeitlich.
durch die alten Aufzeichnungen Fettichs nicht unter­
stützt wird (vgl. T. Nagy. a. a. O., 109, Anm. 37). Nach 15. „Friedhof bei der Festung" entlang des Gilatsch-
Fetlich zierten von der Rückseite hineingeschlagene (Kül-Tübe)-Flusses, Grab 5, RSFSR. Nordkauka-
Punkte den Rand, was heute an der überrestaurierten sus. Bezirk Stawropol, Sowjetunion (1965)
Fibel kaum mehr zu erkennen ist. Bronze, Länge Bronze, Länge 7,5 cm.
7,7 cm. An der rechten Brust des Toten, von oben nach
E(ndre) B(iró). Katalog Severin, 550, Nr. 7, 152, unten, kam eine Fibel mit umgeschlagenem Fuß und
Taf. 26. eine vergoldete, mit Steinen besetzte alanische Fibel
8. Pilismaröt-Malompatak. Aus dem Schuttmaterial ei­ aus der Hunnenzeit schon beim Becken zutage. Wei­
ner spätrömischen Kleinfestung. tere Funde: ein Glas mit blauen Glasnoppen ver­
Bronze, Länge 6,8 cm. ziert, goldene Lockenringe, Gefäße und andere
S. Soproni, Der spätrömische Limes zwischen Eszter­ Schmuckstücke. T. M. Minajewa. Drewnosti, 1982,
gom und Szentendre. Budapest 1978, 43, Taf. 33/3, 232, nach Abb. 6/6,

9.-10. Maikop und SOPIANAE/Pécs/Fünfkirchen 16. Schapkino-Kirchenhügel, Grab 7, Georgien, Abcha-


sien, Sowjetunion (1968)
Silberne Fibel mit Goldblechüberzug und umge­
schlagenem Fuß, in den Zellen Almandineinlage Silber, am Fuß mit einem Schmuckstein in mandel­
(Länge 3 cm) und goldene Fibel mit Granateinlage förmiger Fassung. Länge 9,8 cm. Wurde auf der
(Länge 3,2 cm ). Berlin, Königliches Museum. Inv - Brustmitte getragen. Kam zusammen mit einer
Nr. III. d. 2086 und IV. d. 2378, Goldschnalle mit Zellenverzierung (Abb. 40/11) und
M. Ebert, Praehistorische Zeitschrift I. 1909, dem ebendort gefundenen Schwert mit silberner
73-74, Abb. 6-7. Montierung (Abb. 40) ans Tageslicht.
Ju. N. Woronow- W. A. Juschin. SowArch 1973/1,
11. Tschegem. Kabardino-Balkaria, Nordkaukasus, So­ 176, nach Abb. 7/2.
wjetunion Die hier gezeigten alanischen Blechfibeln dürfen
Aus gestörtem Grab, Länge 7,5 cm. nicht mit den germanischen Fibeln in Pannonien, die
B. Pósta in: E. Zichy, Voyages au Caucase et en Asie mit spätrömischer Guß-Ritz-Tcchnik hergestellt
Central II. Description de la collection archeolo- wurden, verwechselt werden. INTERCISA. CAR­
gique. Budapest 1897, 460. Taf. XX/24. NUNTUM. Ternitz usw. vgl. A. Holt, Annalen des
Naturhistorischen Museums Wien 85A, 1983, 39-45,
12. Keszthely-Fenékpuszta
Aus den Ruinen eines spätrömischen Gebäudes. 36. Ostgermanische Grabfunde
Bronze. Länge 6,2 cm. Keszthely. BM. alte lnv.-Nr. Čaňa/Hernádesány, Kreis Kaschau/Košice. Tschechoslowa­
1492. kei (1936)
B. Kuzsinszky, A Balaton környékének archeoló­ Die Verteilung der Funde aus drei Körpergräbern ist
giája [Die Archäologie der Balatongegend). Buda­ unbekannt Die Funde sind im Museum von Kaschau/Koši-
pest 1920, 6I, Abb. 76/2 sowie nach Archivfoto. - ce aufbewahrt. Die vorliegende Zeichnung wurde nach dem
Bereits Kuzsinszky betonte, daß sie von den germa­ mit Maßangaben versehenen Archivfoto im Archäologi­
nischen Fibeln abweicht. schen Institut der Budapester Universität (ELTE) angefer­
tigt.
13. Bajtal-Tschapkan, Autonomes Gebiet Karatschai- Die Länge der Silberblechfibeln beträgt ohne Zierknopf
Tscherkes. RSFSR, Sowjetunion, Katakombengrab 9,7 cm. mit Zierknopf 10,4 cm. Die Rundschnalle ist aus
24. Silber, die beiden ovalen Schnallenringe aus Eisen und die
Bronze mit Noppenverzierung. Länge 4,4 cm. Ringe aus Bronze. Der Kamm ist aus Knochenplatten mit
T. M. Minajeva, SowArch XXVI, 1956, 249, Hilfe von Eisennieten zusammengesetzt.
Abb. 7/2. - Mit einer römischen Zwiebelknoplfiebel A. Bálint, Új Magyar Múzeum Kassa 1, 1942, 17, Taf III
aus dem 4. bis 5. Jh. aus einem Grab. J. Pastor. Svojina Košice III/4, 1949, 193-194, Abb. 3, Vgl.
noch J. Pásztor. Fáklya Košice III. 1953, 25.

251
Auf den neueren, nach unbekannten Quellen publizierten zu einem einzigen Grab zusammenzuziehen. Es ist
Zeichnungen fehlt im allgemeinen die Spiralkonstruklion ebenfalls ein Irrtum, nur ein einziges hunnenzeitliches
der Fibeln. Mit ihnen zusammen wird nur eine schematische Grab sei zum Vorschein gekommen (Punkt B), wäh­
Zeichnung des Kammes wiedergegeben. Die neueste, restau­ rend die Honorius-Münze mit den mit ihr gefundenen
rierte Wiedergabe zeigt dagegen erneut das vollkommene bzw. abhanden gekommenen Funden aus einer „awa­
Fibelpaar. rischen" Bestallung herrühren soll.
K. Pieta. GHA 413, IX, 18, Die Funde von Čaňa sind K. Bakay, MRT 6, A szeghalmi járás [Bezirk Szeg­
zeitgleich mit dem 1893 in Kaschau ans Tageslicht gekom­ halom], Budapest 1982, 118, Nr. 7/105,
menen Silberblechfibel, Schnalle und Henkelkrug von ähnli­
cher Form und Größe enthaltenden Grabfund (J. Mihalik, 6. Scheidenmundbeschlag eines 65 cm langen, einschnei­
A kassai sirleletról [Über den Kaschauer Grabfund). digen Kurzschwertes mit Tragband ähnlich der Nr. 3,
ArchÉrt 14, 1894, 77-79 und Abb.), aber auch mit den in den Aus Grab 7 von Cebelda-Schapkino-Kirchenhügel,
letzten Jahren aufgedeckten Gräbern von Tiszakarád und Georgien, Abchasien, Sowjetunion.
Tiszadob-Sziget (am ehemaligen rechten Ufer der Theiß!), Der Mann war noch mit einer Gürtelschnalle mit
die Blechfibeln ähnlicher Größe und Materials, Kämme, zellenverzierter Beschlagplatte (vgl. Abb. 40/11), mit
Schnallen, Gefäße und auch Waffen enthielten. Diese Grä­ Stiefelschnallen. einem metallbeschlagenen Gürtel
ber zeugen von den in den Tälern des Hernád, Bodrog und und mit Lanzen ausgestattet.
der oberen Theiß zu Beginn des 5. Jahrhunderts lebenden Länge 9,2 cm, Breite 5 cm.
ostgermanisch-gepidisch-alanischen Bevölkerungsgruppen. Ju. N. Woronow - W. A. Juschin, SowArch 1973/1,
176, nach Abb. 7/22c.
37. Dolch- und Langschwertscheidenbeschläge und Tragbänder östli­
chen Ursprungs 7. Dem unter Nr. 2 erwähnten sehr ähnliches schuppen-
verziertes bronzenes Ortband einer Dolchscheide aus
1.-2. Schuppenverziertes silbernes Mundblech und Ort- Grab 17 von Bajtal-Tschapkan aus der Gegend des
band einer Dolchscheide. Bemerkenswert ist das Trag­ Nordkaukasus. RSFSR, Karatschai-Tscherkes Auto­
band mit gezacktem Rand. Von einem unbekannten nomes Gebiet, Sowjetunion
Fundort in Ungarn. Ursprünglich waren sie in der Wurde unter dem 38 cm langen, zweischneidigen
Sammlung des Reformierten Kollegiums in Kiskun­ Dolch eines silberne Stiefelschnallen tragenden Toten
halas verwahrt, gingen während des Zweiten Weltkrie­ mit deformiertem Schädel gefunden.
ges verloren. Länge etwa 8-10 cm.
Länge ll und 10 cm. T. M. Minajeva, K istorii alan Werchnewo Priku-
Alföldi. Hunnenzeit, 74, nach Taf. XXXIII. banja po archeologitscheskim dannym, Stawropol
1971, 132-133, nach Taf 35/4,
3. Mundblech und Tragband mit eingeschnittener Ver­
zierung einer Dolchscheide aus Grab 28 von Csong­ 38. Grab eines Militärführers
rád-Kenderföldek (1949) Lébény-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964)
Breite der Scheide 4,5 cm. Der Beschlag kam zusam­ Vor der Freilegung gestörtes Grab eines Mannes von
men mit dem Fragment eines östlichen Kruges mit auffallend großer Statur. Das Schwert samt den Schwertrie-
Ausgußhenke] zutage. menschnallen sowie die goldenen Gürtelschnallen waren
M. Párducz, Acta ArchHung 11, 1959, 312, nach schon ausgehoben. Mit Hilfe des im Grab erholten gebliebe­
Taf VII/2 und XXV/8. nen Ortbandes und der vom Griffriemen herabhängenden
Bernsteinscheibe konnte die Lage des ursprünglich 95 cm
4 . - 5 . Körösladány-Gát, Punkt B, Komitat Békés (1929) langen Schwertes mit silberbeschlagener Scheide bestimmt
Neben dem Skelett wurden ein glätlverzierter Krug werden (vgl. Taf. 19).
(vgl. Taf. 110), Bruchstücke eines Eisenschwertes mit R. Pusztai, Arrabona 8, 1966, 99-105, nach Abb. 2, Das
bronzenem Tragband und das ähnliche, aber kleinere Schwert wird hier nach der Rekonstruktion auf Abb. 5 in
bronzene Tragband eines Dolches gefunden. seiner ursprünglichen Lage wiedergegeben.
Länge 9 und 7,6 cm.
Das südlich des Körös freigelegte Grab stammt aus 39. Gürtel-, Schwert- und Stiefelriemenschnallen hunnischer Männer
der gleichen Zeit wie das ebendort früher aufgedeckte Die Karte zeigt im selben Maßstab ausschließlich jene
Einzelgrab „5", dessen Schwert und Gefäß in eine Schnallen aus reinem Gold, von denen mit großer Gewißheit
italienische Privatsammlung gelangten; nur der Grab­ bewiesen werden kann, daß sie aus Männergräbern oder von
obolus, ein in Thessaloniki geprägter Solidus des Ho­ ihren Totenopfern stammen.
norius (395-423), kam in das MNM. Die beiden glei­ Die Verbreitungskarte hilft bei der Entscheidung einer
chaltrigen Dokumente, das von Ausgräber Fettich alten Streitfrage. Die früher hauptsächlich als Einzelfunde
selbst angelegte Inventar (MNM N 4, 1929, 25 und ans Tageslicht gekommenen Goldschnallen schrieb man bis
28-29) sowie die sofort erschienene Publikation der in letzter Zeit verschiedenen ostgermanischen Völkern, in
Ausgrabung N. Fettich, ESA V. 1930, 54-60, Abb. erster Linie den Goten, zu und datierte sie in die Zeit zwi­
5/2-3) beweisen eindeutig die Existenz von zwei Ein­ schen dem ausgehenden 4. Jahrhundert und dem Ende des
zelgräbern mit Schwert. Kurz danach wurden die mittleren Drittels des 5. Jahrhunderts. Die Karte bestätigt
Grabfunde neuerlich richtig erörtert: Alföldi, Hun­ hingegen, daß vor dem Erscheinen der Hunnen im Karpa­
nenzeit, 27, Taf. XXXIII, der auf die Gegenwart des tenbecken im „Föderaten"-Zeitalter und auf dem Födera-
Dolches aufmerksam wurde. Leider beging gerade tengebiet, dann nach dem Einzug der Hunnen südlich der
Fettich (1940, 258) den Fehler, die erhaltenen Funde Drau im heutigen Kroatien und in Slawonien keine einzige

252
Goldschnalle des in Frage kommenden Typs in Gebrauch Katalog Severin, 196-197, Anm. 33. Die Schalle ge-
war. Ihre Verbreitung kann auch nicht mit dem kurzen langte unter uns nicht bekannten Umständen 1927 in
Aufenthalt der Westgoten Alarichs in Pannonien und No­ die Vereinigten Staaten; zuletzt veröffentlicht von M. O.
rikum in Verbindung gebracht werden. Ein negatives Bild Ross. Arts of the Migration Period in the Walters Art
ergibt sich auch bezüglich der ostrogotischen Siedlung in Gallery. Baltimore 1961, 30-31, Nr. I.
Pannonien nach 456. Letzteres wird auch durch die Fürsten- 8. Kispirit, Komitat Veszprém. (Vgl. Farbtaf XVV1/13)
gräber der Generation nach dem Sturz der Hunnen sowohl 9. BRIGETIO/Szőny, Komitat Komárom. Einzelfund.
im Westen (Klein-Hüningen, Esslingen-Rüdern, Flonheim. A. Kiss. FoliaArch 32, 1981, 202. Abb. I/I, auf der
Krefeld und das Childerichgrab von Tournai/Doornik) als Karte nicht angeführte einfache Form.
auch im Osten (Blučina, Komárom-Szöny und die Königs­ 10. Atcsutdoboz-Szentgyörgy puszta, Komitat Fejér. Drei
gräber I-III von Apahida) bestätigt, für die schon andere Exemplare. (Vgl. Farbtaf. XXVI/4. 7, 12.)
weiterentwickelte Schnallentypen charakteristisch sind. 11. Keszthely-Téglagyár (Ziegelei), Komitat Zala. Aus ei­
Nach dem außer den östlichen Funden (vgl. Abb. 40) frü­ nem Grabfund. (Vgl. Farbtaf. XXIII).
her allein dastehenden Fund von Nagyszéksós haben jetzt 12. Tasks-Fehérvizi major. Komitat Somogy. Zusammen
die Funde von Bátaszék, Lébény und Lengyeltóti bewiesen, mit einem Schwert mit Bernsteinanhänger. Während
daß alle Schnallenvarianten der Hunnenzeit für die Tracht des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen.
der das Karpatenbecken erobernden hunnischen Herrscher- Fetlich, Nagyszéksós, 176, Anm. 4. Nach einem Ar-
schicht charakteristisch waren. chivfoto publiziert von I. Bóna. Katalog Nibelungenlied,
Anzahl, Ausmaße und Ausführung der Goldschnallen 341. Taf. 17. Ders., Katalog Severin. 188, Abb. auf S. 192.
hingen offensichtlich mit dem im hunnischen Reich einge­ 13. Lengyeltóti. Komitat Somogy. Zwei Schnallen mit Zel-
nommenen Rang zusammen. Die Häufigkeit ihres Auftre­ lenverzierung, eine mit glatter Oberfläche aus einem
tens ist aufgrund der Prüfung der Fundumstände gerade mit Grabrund. (Vgl. Farbtaf. XXII.)
den zahlreichen, in geringer Tiefe niedergelegten hunnischen 14. Buda-Budapest I—II. Aus einem Grabfund. MNM.
Totenopfem zu erklären. Die Verbreitung der Schnallen Inv.-Nr. 5. 1886. 2. Unpubliziert
steht im Einklang mit den hunnenzeitlichen Siedlungsver- 15. Tolna, Komitat Tolna. Mit Karneoledelsteinen verzierte
hältnissen (vgl. Abb. 69), und in Kenntnis der Siedlungsge- Goldschnalle, wahrscheinlich aus einem geschlossenen
schichte des Karpatenbeckens während des 5. Jahrhunderts Fund. British Museum MLA 1901. 7-14, 1. Erste Er-
kann gesagt werden: nur mit diesen. wähnung: Prähistorische Blätter 1890/2. 28. Catalogue
Offenbar sind die auf der Karte eingetragenen Goldschnal- of the Important Collection.., förmed by the late Dr. S.
len - von einigen möglichen Ausnahmen abgesehen - nicht Egger, London 1891, 24, Nr. 201, Taf. XXVI/201. R. A.
nur im Karpatenbecken, sondern in ganz Europa als Rangab­ Smith, A Guide to the Anglo-Saxon and Foreign Teuto­
zeichen jener Würdenträger zu werten, die Priscus während nic Antiquities in the British Museum. London 1923.
seines Aufenthaltes im Hunnenreich charakterisiert hat. Zeit- 152. Taf. XV/7 (mit Fundort Tolnau). A. Kiss. JPMÉ
lich können sie in die drei Jahrzehnte zwischen 425 und 455 14/15, 1969/70,. 123, Taf. 1/5-6. Zum irrtümlicherweise
gesetzt werden Eine genauere Datierung dieser Schnallen ziern- mit ihm zusammen publizierten kleineren Schnallen­
lich einheitlichen Stils ist vorläufig nicht möglich doch beträft paar vgl. Farbtaf. XXVI/5.
ihre Verwendungsdauer ohnedies nur eine Generation. 16. Szekszárd. Komitat Tolna (Vgl. Farbaf. XXVI/1.)
17. Bátaszék-Iskolaudvar. Komitat Tolna. (Vgl. Farbtaf.
1. Laa an der Thaya, Männergrab 2. Niederösterreich, XXVII.)
(1911). Mit hörnchenförmigem Lockenring aus Gold 18. Marcellháza/Marcelová. (Vgl. Taf XXVI/6.)
E. Beninger, Eiszeit und Urgeschichte 6, 1929, 144, Taf. 19. Ludányhalászi-Gárdos, Komitat Nógrád. Ehemals in
XIX/26-29. einer Privatsammlung, ihr Verbleib ist unbekannt.
2. Untersiebenbrunn, Niederösterreich. (1910) W. Kubi­ Fettich. Nagysziksós. 133. Anm. 10 Foto: I. Bóna
tschek. JbfA 5, 1911, 189 ff., Taf. 1/3 und 5. E. Keller. Katalog Nibelungenlied. 341, Abb. 18.
Germania 45. 1967, 109-113, Abb. 1/10-11. 20. Kisterenye-Hársashegy, Komitat Nógrád. Einzelfund.
3. Lébény-Magasmart. Komitat Györ-Moson-Sopron Verbleib unbekannt.
Aus einem Kriegergrab. (Farbtafel Xi). M. Jankovich. Tudományos Gyűjtemény XII/I.
4. Mönchhof/Barátudvar, Burgenland. (1913). Wien. 1828. 30, Taf. 1/7.
Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. VII, B 835. Einzel 21. Szeged. (Vgl. Fatbtaf. XXVI/5.) Zum Paar vgl. 15:
fund. Cataogue.., Egger 24. Nr. 202.
Beninger, Der westgotisch-alanische Zug. 33, Taf. 9. 22. Szeged-Nagyszéksós Vgl. Taf 84 und Fettich. Nagy­
5. Mörbisch/Fertömedgyes, Burgenbnd. (Vgl. Taf. 91) széksós, 116. Taf 1/1-8.
6. Sobor. Komitat Gyór-Moson-Sopron (Vgl. Taf 91) 23. Neštin. Syrmien/Srem. Jugoslawien Am einem Waffen­
7. Bozsok-Irtási dűlő. Komitat Vas (1874). Beim Pflügen grab? (Vgl. Farbbtaf. XXVl/10)
in geringer Tiefe gefunden, über die Fundumstande: 24. Auf der Karte nicht angeführt Pécs-Móra Ferenc utca.
Vasmegyei Lapok vom 21.1., 31.1., 11.2., 11.4. 1875 und Komitat Baranya. Form und Ausmaß der Goldschnal-
26.3. 1876. Erste Veröffentlichung mit hervorragender len folgende (vgl. z. B. Schnalle von Tolna Nr. 15) glatte
Zeichnung: V. Lipp, A Vasmegyei Régészeti Egylet Ev­ Silberschnalle, aber ohne Zellenverzierung. Länge 5.5
könyve [Jahrbuch des Archäologischen Vereins des Ko- cm. JPM Inv.-Nr. N. 69 7. 1.
mitats Vas] 4. 1876, 63-64. Ein Foto summt aus dem­ A. Kiss, JPMÉ 14/15. IV6970 (1974). 121-122, Abb.
selben Jahr: J. Hampel und A. Beszédes Antiquités 7/1, zusammen mit einer Silberschnalle mit eckiger Be-
préhistoriques de la Hongrie. Esztergom 1876/77, Taf. schlagplatte in einem 230 cm tiefen. N-S-onentierten
XXIII/52. über weitere frühere Publikationen I. Bóna. Einzelgrab gefunden.

253
Mit der Ansicht, die Schnallen wären gotischen Ur- Waren früher zellenverzierte Goldschnallen nur von der
sprungs, fand sich schon Alföldi (Hunnenzeit, 61-63) nicht Halbinsel Kertsch, vom „Bosporus" (Kertsch, Kertsch-
ab. Doch die lückenhafte Kenntnis der Fundorte ungari- Glinischtsche, Achtanisowskaja staniza) bekannt, so
scher Exemplare und ihr sporadisches Auftreten in Nordita- tauchten sie in neuerer Zeit auch in hunnischen Grä-
lien. Westeuropa und Nordafrika verleiteten ihn zu übertrie- bern der nordöstlichen Steppen regionen der Krim auf.
bener Vorsicht. Das Vorkommen von Goldschnallen in den
letztgenannten Gebieten bleibt tatsächlich hinter der histori- 6. Tschegem. Kabardino-Balkaria (1897)
schen Rolle der verschiedenen alanischen und hunnischen Goldener Schnallenbeschlag in nierenförmiger Zelle
Gruppen. Söldner und Militärführer zurück. Jedenfalls kam mit Granateinlage. der Schnallenring fehlt.
Fettich in dieser Frage nicht weiter. Werner vertrat die Mei- OAK za 1897 god (1900) 75, Abb. 176, A. A.
nung, die Schnallen wären von Hunnen und Germanen glei- lessen. MIA 3, 1941, Taf. VI I 9 Die von Fettich und
chermaßen getragen worden. Als erster hielt - nach Wissen anderen Forschern für hunnenzeitlich gehaltenen,
des Autors - M. C. Ross. Arts of the Migration Period in the 1897 in Tschegem im Kaukasus gefundenen Schnal-
Walters Art Gallery. Baltimore 1961, 30, die Schnalle von len und anderen Schmuckstücke (OAK sa 1897 god,
Bozsok für ausgesprochen hunnisch. 1900, 75, Abb. 172-176) sind aller Wahrscheinlich-
keit nach bereits nachhunnenzeitlich.
40. Goldschnallen mit ovalen und kreisförmigen zellenverzierten Be-
schlagplatten aus hunnischen Funden der Steppen des Kaukasus, der 7.-10. Tschikarenko. Krim (1951)
Ostukraine, des Don-Gebietes und der Krim Aus einem gestörten Steinpackungsgrab, u. a. zu-
sammen mit Schwertbruchstücken, Krügen und
1 . - 3 . Pawlowka, nahe Krasnyj-Sulin, Oblast Rostow, So- Glasbechern:
wjetunion (IS98) Goldene Schnalle mit ovalem Schnallenring und
Unterhalb der Zähne eines zerfallenen Pferdeschädels ovalem Beschlag, in Zellen mit Almandineinlagen -
das NW-SO-orientierte Skelett. In dessen Schädelnähe zwei davon fehlen -. wahrscheinlich eine Gürtel-
ein Bronzekessel mit Eisenhenkel, bei der rechten Hand schnalle. Länge 6 cm. Breite 3,9 cm.
eine spätantike Silbertasse, an der linken Seite ein zer- Zwei kleinere Goldschnallen, in zweigeteilter Zel-
fallenes Eisenschwert und am Becken Gürtelschmuck. le Almandineinlage. wahrscheinlich Schuh- bzw.
Gürtelschnalle aus Gold, in kreuzförmig angeord- Stiefelriemenschnallen, Länge 4,2 cm. Breite 2,5 cm.
neten Zellen rote Glaseinlagen auf dem Beschlag, Län- Goldene Riemenzungen, auf der Vorderseite in
ge 3 cm. Zellen Almandineinlage, wahrscheinlich Riemenzun-
Kleine Riemenzunge aus Gold, die der Finder ver- gen von Stiefelschnallen, Länge 3,7 cm und 3,8 cm.
bog, mit eingefaßten Karneolen. I. A. Baranow, Pogrebenije V. w. n. e. w sewero-
Verstreckt-rechteckige große Riemenzunge aus Bron- wostotschnom Kryme. SowArch 1973/3, 243-245,
ze mit roten Glaseinlagen in 22 Goldzellen, Länge 5 cm. Abb. 1/1, 4, 5, 7.
P. S. Uwarowa, Drewnosty. Trudy Imperatorsko- Über die Gürtelschnalle und die eine Riemenzun-
wo Moskowskowo Archeologiytscheskowo Obsch- ge bringt ein schönes Farbfoto: Das Museum für
ischestwa XIX, 1901, 70-72, nach Abb. 1-3, historische Kostbarkeiten der Ukrainischen SSR,
In der Fachliteratur wurde die große Riemenzunge Kiew 1984, Taf 28.
irrtümlich als Schwertmundblech von „Sulino" erwähnt.
11. Schapkino-Kirchenhügel, Grab 7, Georgien, Abchasien,
4 . - 5 . Naltschik. Kabardino-Balkaria, Sowjetunion (1913) Sowjetunion (1968)
Goldschnalle, auf dem durch Zellen zweigeteilten, Aus dem auch wegen des Schwertes, der Scheidenbeschlä-
ovalen Beschlag Steineinlage, Länge 3,8 cm. ge und Fibel bereits erwähnten Grab (vgl. Abb. 37/6).
Goldene Riemenzunge mit perldrahtumrahmten In Grab 5 fand sich eine ähnliche Schnalle aus Bronze und
Zellen, Länge 4,2 cm. Silber. Goldene Schnalle verziert mit auf ovalem Bronze-
OAK sa 19l3-19l5 god, Petrograd 1918, 209, Abb. beschlag Rubineinlagen in Goldzellen. Länge 4,4 cm.
258 links oben und Mitte. Dasselbe A. A. Jessen. MIA Ju. N. Woronow-W. Juschin. SowArch 1973/I, 176,
3, 1941, Taf. VII/12 und 14. nach Abb. 7/5,

Der in kaum zur Hand genommenen Blättern pu- 12. Nowo Iwanowka, Ukraine, Oblast Saporoshje, Kreis
blizierte Pawlowka-Fund blieb für die mittel- und west- Nowonikolajewka, Sowjetunion (1961)
europäische Forschung ebenso unbekannt wie die in Männergrab mit einem Schwert und Scheidenbeschlä-
den Krisenjahren 1918 und 1941 veröffentlichten Fun- gen, mit Bruchstücken einer Bogenverkleidung aus Gold
de von Naltschik. Deswegen beurteilte man die kreis- vom Typ Bátaszék-Pécsüszög(?), mit gegossenen, zellen-
förmigen und ovalen Goldschnallen mit Zellenverzie- verzierten Riemenzungen, mit Pferdegeschirr, einer gro-
rung nur aufgrund ihres Auftretens in Kertsch, Mittel- ßen, schmucksteinverzierten Gürtelschnalle und der da-
und Westeuropa und brachte sie mit den Goten in Ver- zugehörigen rechteckigen Riemenzunge.
bindung; als Ausnahme galt nur das Vorkommen in Goldschnalle mit ovalem Beschlag mit zellengefaßten
Nowogrigorewka. Neuere „Ausnahmen" fanden sich Steinen. Länge 4,4 cm.
erst zuletzt in den hunnischen bzw. hunnisch-alanischen I. P. Sassetzkaja. SovArch 1978/1,69, nach Tabelle 5,
Funden von Nowo Iwanowka, Zentralnij, Kisslo- Dies., KSIA 158, 1979, 19, Tabelle 6, Farbfolo: Das
wodsk, Schapkino sowie in Lengyeltóti und Bátaszék. Museum für historische Kostbarkeiten der Ukranischen
Einer ähnlichen Situation begegnen wir auf der Krim. SSR. Kiev 1984, Abb. 28.

254
1 3 . - 1 4 . Zentralnij Kurgan IV/14, Gebiet Rostow. RSFSR. 13. Pouan. Dep. Aube. Frankreich
Sowjetunion (1982) Gold mit Granateinlage.
Aus dem Katakombengrab wurden ein zweischnei- E. Keller. Germania 45, 1967, 113, Abb. I/13,
diges Schwert von 90 cm Länge, zwei Gefäße und 14. Šarovce/Sáró-Makóczadomb, Grab 12/1955, Slowakei,
zwei Goldschnallen freigelegt. Tschechoslowakei
Goldene Gürtelschnalle, den ovalen Riemenbe- Bronze, in der Mitte mit einem Niet durchgeschlagen.
schlag zieren in Goldzellen ein Almandin und in je B. Novotný, Šarovce. Bratislava 1976, 140. Abb.
einer runden Zelle weiße Glaseinlagen. Länge 19/A und Taf. XIX/3.
4,1 cm. 15. Kisslowodsk-Lermontow-Fels, Katakombe 2, Grab 10.
Goldene Schwertriemenschnalle. Länge 1,8 cm. RSFSR. Sowjetunion
S. I. Besuglow- W. P. Kopylow. SowArch 1989/3, Silber, in der Mitte mit einem Niet durchgeschlagen. -
171-173, Taf 2/2-3. Ebd. auch eine ähnliche Schnalle.
A. P. Runitsch. SowArch 1976/3, 258-259, Abb.
1 5 . - 1 6 . Südrußland(?) 3/18.
Goldschnallen mit roter Sichteinlage, Länge 4,1 42. Goldene Ohrgehänge mit Anhängsel
und 3,6 cm The Metropolitan Museum of Art. Untersiebenbrunn, Niederösterreich und Iragi. Dagestan,
Inv.-Nr. 17, 190, 697. Sowjetunion
J. J. Rorimer, Medieval Jewelery. New York
1944, Taf. 10, die Angaben verdanke ich W. Ostoja. Im Schmuckkomplex des Frauengrabes von Untersieben-
brunn ist das goldene Ohrgehängepaar zweifellos das unge-
41. Hunnisch-ahnische Rundschnallen und Ösenringe wöhnlichste - es stellt seit seinem Vorkommen ein wahres
Unikat unter den mitteleuropäischen völkerwanderungszeit-
1. Bajtal-Tschapkan Grab 29, RSFSR, Autonomes Gebiet lichen Funden dar (R. Noll. Vom Altertum zum Mittelalter.
Karatschaj-Tscherkes, Nordkaukasus. Sowjetunion Wien 1974, 77, Nr. 12). Sein einziges wohlbekanntes hunnen-
Silber mit Karneoleinlage. zeitliches Charakteristikum ist der hörnchenförmige Ohr-
T. M. Minajeva, SowArch XXVI. 1956, 25!-252, Abb. ring, von dem die Anhängselgamitur herunterhängt. Das
10/1. Anhängsel selbst besteht aus zwei Teilen. Dem Ohrring
2. Wolnij Aul. Nordkaukasus, RSFSR, Sowjetunion schließt sich ein kugelförmiges Miniaturgoldgefäß an, mit
Grabfund. zylindrischem, geripptem Hals und mehrfach geschweiften
A. K. Ambros, SowArch 1971/2, 102, Abb. 2/15, Bandhenkeln. Von der unteren Hälfte des Goldflakons hän-
3. Kertsch. Sowjetunion. Grabkammer vom 24, Juni 1904, gen von den an kleinen Henkeln aufgehänglen, geflochtenen
Gold mit roter Steineinlage. Golddrähten sieben deltoide Rasselzierden herab.
I. P. Sassetzkaja, KSIA 158, 1979, 10, Abb. 3/56, In der östlichen Archäologie ist das kleine goldene Fla-
4. Achtanisowskaja staniza. Krim. Halbinsel Kertsch. kon ebenso eherbekannt wie der hörnchenförmige Ohrring.
Sowjetunion Im nördlichen Ufergebiet des Schwarzen Meeres, an beiden
Gold. Edelsteineinlage verlorengegangen. Seiten des Kaukasus und des Kaspischen Meeres verbreite-
OAK sa 1900 god (1902), 108, Abb. 220 ten sich in der Römerzeit kleine goldene, silberne und bron-
5. Radensk Oblast Cherson, Ukraine, Sowjetunion zene Parfümflakons ähnlicher Form, meist als Anhänger
Gold mit roter Edelsteineinlage. geflochtener Ketten (K. M. Skalon. ArchSborn 2, 1961,
OAK sa 1897 god (1900). 35, Abb. 107. 126-140. Abb. 9-18). Es gibt unter ihnen auch ein Exemplar.
6. Szeged-Röszke-Nagyszéksós das zusammen mit von geflochtenen Goldkellen herunter-
Gold, Edelstein herausgefallen. hängenden Kugelverzierungen zum Vorschein gekommen
Feilich. Nagyszéksós, 117, Taf. 1/7. ist. In ähnlicher Miniaturgröße wie im Fund von Untersie-
7. Szeged-Röszke-Nagyszéksós benbrunn kommen sie in der westsibirischen Sammlung von
Gold, Edelstein herausgefallen Zar Peter dem Großen vor, sogar der Henkel des einen ist
Fetlich. Nagyszéksós, 117, Taf. 1/8. sehr ähnlich (S. I. Rudenko. Sibirskaja Kollekzija Petra I.
8. Taska, Komitat Somogy Moskau-Leningrad 1962, 48-49, Taf. XXI/II und 53) Die
Zwei Exemplare, Gold mit roten Edelsteineinlagen. von den Ohrgehängen an Golddraht herabhängenden 3, 7,
I. Bóna. Katalog Severin. 188, Abb. auf S. 192. 9 oder 12 Anhängsel sind in gleicher und Kreis häufig (K. M.
9. Lébény, Komitat Györ-Moson-Sopron Skalon. a. a. O., 114-119, Abb. 2-3). - Der Ursprung des in
Gold mit roter Edelsteineinlage. der Mitte Europas als Unikat geltenden Gehängepaares von
R. Pusztai. Arrabona, 8, 1966, 108, Abb. 6/3. Untersiebenbrunn ist also irgendwo im Nordkaukasus und
10. Lengyeltóti, Komitat Somogy in der Gegend des Kaspischen Meeres zu suchen, dort, wo-
Silberplatte, von der die Goldfassung wahrscheinlich hin die Ostgermanen nicht gelangt sind.
verlorengegangen ist. In entscheidender Weise bewies dies der im dagestani-
K. Bakay. Acta ArchHung 30, 1978, 154, Abb. 3/5. schen Bezirk Dachadaew in Iragi 1978 gemachte Frauen-
11. Untersiebenbrunn, Niederösterreich grabfund, der hinsichtlich seines Schmuckkomplexes dem
Gold mit Almandineinlage. Grab der „Fürstin" von Untersiebenbrunn äußerst nahe
E. Keller. Germania 45, 1967, 112, Abb. I I I steht. Von den größtenteils noch unveröffentlichten Funden
12. Mundolsheim, Elsaß, Frankreich wurde glücklicherweise das gerade nur etwas kleinere, golde-
Zwei Exemplare aus Gold mit drei Nieten auf den Be- ne Gehängepaar gut vorgeführt Die Konstruktion des Ge-
schlägen hänges gleicht der von Untersiebenbrunn Vom Ohrring
H. Zeiß. Germania 17, 1932, 127-128, Abb. 1. hangen ein zylindrisches Goldflakon mit geripptem Hals und

255
vom unteren Teil des Flakons von geflochtenen Kelten neun cinen älteren europiden Mann mit mongoloiden Zügen, arti-
kleine Goldschellen herunter. Die einzige wesentliche Ab- fiziell deformiertem Schädel mit einer Trepanationsöffnung
weichung: Das kleine Gefäß hat einen polyederförmigen von 11 cm Durchmesser. Teile des Skeletts waren vermodert.
Körper und rote Edelsteineinlagen (vgl. den Pokal von Am Hals trug der Tote eine 35 cm lange, geflochtene Gold-
Nagyszóksós und die Schalen von Pietroasa, gleichfalls von kette, deren Anhänger ein ein an zwei Seiten durchbohrtes gol-
östlichem Ursprung!). - Diese überraschende Ähnlichkeit denes Stirngehänge mit abgebrochenem Ring bildete, das für
der einzigartigen Schmuckstücke wird durch die auch anson- den ursprünglichen Zweck nicht mehr zu gebrauchen war.
sten auffallende Verwandtschaft von Untersiebenbrunn und Von der Halskette hingen ein Knochen- und ein Bronzeplat-
Iragi gründlich untermauert. tenzierat herab. Der mit einer ovalen Bronzeschnalle verse-
Das Ohrgehänge von Untersiebenbrunn zeichneten wir hene und mit 30 Bronzeplättchen beschlagene Waffengürtel
nach R. Noll. Vom Altertum zum Mittelalter. Wien 19742, war geöffnet über den Rumpf des Toten gelegt. Der Tracht
Abb. 53, (vergrößertes Foto) sowie H. Friesinger-H. Adler, nicht entsprechend - umgekehrt - war das Kampfmesser
Die Zeit der Völkerwanderung in Niederösterreich. St. Pöl- neben dem Toten deponiert an der rechten Seite lag das
ten-Wien 1979, Abb. II (Zeichnung), das Exemplar von Langschwert und schräg über dem Kampfmesser der Köcher
Iragi nach 0. M. Dawudow. Narodnoje dekoratiwnoje is- mit acht dreiflügligen eisernen Pfeilspitzen. Auf die Beine
kusstwo i sowremennost. Machatschkala 1979, 184-187, war quer auch der angespannte Bogen gelegt. Anhand der
Abb. 3, insbesondere aufgrund des prächtigen Farbfotos Überreste der Knochenversteifungen ist schwer zu beurtei-
Nr. 69 in Iskusstwo Dagestana, Moskau 1981 (mitgeteilt von len, ob es sich um einen kleineren ungespannten Bogen oder
D. M. Magomedow) um. um einen zerbrochenen. eventuell im Grab zerfallenen Bogen
handelte. Der bedeutendste Fund dieses Grabes ist jedoch
43, Grab eines Bogenschützen aus Innerasien die Goldblechverkleidung eines ursprünglich aus Holz ge-
Kokel, RSFSR, Tuwinische ASSR, Sowjetunion (1962) schnitzten Pferdekopfes. Die aus Goldblech verfertigten
Die „asiatisch-hunnischen" Friedhöfe von Tuwa, das bis Pferdeköpfe stellen die bisher nicht gewürdigten Stationen
1945 zur Mongolei gehörte, können vorläufig mit den euro- der hunnischen Bewegung von Kasachstan über den Fund
päischen Hunnen nicht in unmittelbare Verbindung ge- von Nowogrigorewka in der Dnieprgegend (vgl. Abb. 52)
bracht werden. Dieses Beispiel dient nur der Erläuterung des und dem Grab von Beljaus auf der Krim (Abb. 59) bis zu
innerasiatischen Hintergrundes. dem Fund von Árpás-Dombiföld (vgl. Taf. 39) in West-
ungarn dar. Ihre aus Holz geschnitzten Vorbilder sind uns
ín dem mit einem Steinkranz von 42 m Durchmesser
aus der asiatischen Taschtik-Kultur und aus den Fürstengra-
umgebenen Kurgan 26 eigentlich eher ein kleiner Friedhof
bern der Frühhunnen-Hiung-nu von Nojon-ul (Noin Ula) in
fand man 46 Bestattungen. Die Toten waren in gezimmerten
der Mongolei bekannt. Der Gürtel von Kysylkajnartöbe ist
Brettersärgen beigesetzt. Um und unter dem Männergrab 8
mit den metallbeschlagenen Gürteln des Typs Kanattas ver-
waren die Sargüberreste noch gut zu erkennen. Hinweise auf
wandt (vgl. Abb. 18), die wirklich gute zeitgenössische Paral-
die Kleidung und Tracht des Toten gaben nur das unter dem
lele jedoch aus dem Kurgan I von Sewakino in Kasachstan
Kinn gefundene, vielleicht die Oberkleidung im Halsbereich
bekannt (vgl. Abb. 4).
einfassende, bogenförmige Goldplättchen, eine eiserne Gür-
telschnalle und zwei den Gürtel verzierende Eisenknöpfe. In Diese Gürtel erinnern an die römischen Militärgürtel des
den Gürtel war ein Eisenmesser gesteckt. 4. Jahrhunderts. Da aber in Kasachstan zu dieser Zeit nicht
Offenbar war der kleine, gespannte, asymmetrische Bo- mit römischem Einfluß gerechnet werden kann, ist es wahr-
gen auf den Sarg gelegt worden. Als der Erddruck zunahm, scheinlich, daß die metallbeschlagenen Gürtel sowohl bei
dürften die rotgefärbten Knochenversteifungsplatten des den Hunnen als auch bei den Römern auf persische Vorbil-
Bogens zerbrochen und mit dem morschen Sargdeckel auf der zurückzuführen sind - daher ihre überraschende Ähn-
das Skelett gefallen sein. Dabei zerbrach auch ein neben dem lichkeit.
Kopf des Toten deponiertes Tongefäß. Ein Gegenstück der geflochtenen Goldkette ist im reich-
Der mit einer eisernen Tragöse versehene Köcher lag im haltigen hunnischen Komplex des Woschod-Fundes in Po-
Sarg auf dem Toten. Im Köcher waren zwei Pfeile mit rotge- krowsk vertreten. Das Stirngehänge des Grabes ist, ebenso
färbien Schäften. Unter den dreiflügligen Spitzen blieben die wie der ganze Grabfund, mit dem Ohrgehänge der Bestat-
aus Knochen geschnitzten Pfeilvorrichtungen erhalten. tung Aktöbe II sowie mit einigen anderen Ohrgehängen aus
Der Eisenkessel mit Henkel und Fußring am Kopfende Kasachstan verwandt (vgl. Abb. 74).
des Sarges ist von besonderem Interesse. Der Tote war mit M. S. Merschtschljew, Poselenije Ksyl-Kajnar-Tobe I-IV
dem üblichen reichen Proviant ausgestattet, große Tongefä- wekow i sachoronenije na nem woina IV-V weka. Po sledam
ße in und neben dem Sarg enthielten Speise und Trank, beim drewnich kultur Kasachstana, Alma-Ata 1970, 86-91, nach
linken Fuß war Hammelfteisch niedergelegt worden. Neben Abb. 6-7, Die Zeichnung des Stirngehänges wurde aufgrund
dem linken Fuß lag auch ein dreieckiges, aus Knochen ge- von K. Akischew-A. Akischew. Drewneje soloto Kasachsta-
schnitztes Amulett(?). na. Alma-Ata 1983, Abb. 154, die geflochtene Kette auf-
S. I. Wajnstejn, Raskopki mogilnika Kokel w 1962 g. grund von Taf. 155 korrigiert.
TTKAEE III., Leningrad 1970, 17, nach Abb. 19-20, Taf.
1/18 und 11/17. 45. Mit gespanntem Bogen bestatteter hunnischer oder hunnenzeitli-
cher orientalischer Krieger
44. Hunnenzeitliches Kriegergrab mit zerbrochenem Bogen Zamantogaj Korymy (Shaman-Togaj), Kurgan 21, Kasach-
Kysylkajnartöbe (Ksyl-Kajnar-Tobe), Zentral-Kasachstan, stan, Oblast Tschimkent, Sowjetunion
Sowjetunion Im Randbereich des kleinen, zu einem wesentlich frühe-
In einer Ruine des Altertums lief eingegrabene Einzelbe- ren Friedhof gehörenden Kurgans 21 war nachträglich in
stattung, ähnlich dem Grab Aktöbe II. Es handelte sich um einem mit Brettern abgedeckten Schacht, der in einer Tiefe

256
von kaum 50 cm begann, ein kräftiger Mann zusammen mit Höhe 24 cm beträgt. Ähnliche Kessel sind in mehreren t o ­
allen bedeutenden Waffen der Hunnenzeit bestallet worden. nischen Fundkomplexen zutage gekommen.
Auf dem Sarg war der knochenversteifte, asymmetrische W. W. Golmsten. Archeologitscheskije pamjatniki Sa-
Bogen deponiert, neben der linken Hüfte und dem linken marskoj Gubernii Trudy Sekzii Archeologii RANION IV,
Bein lag ein 80 cm langes Schwert mit Parierstange und aus 1928. 134-137. nach Abb. 54-63, sowie A. M. Tallgren, Zur
Bein geschnitzten Tragbügel, ähnlich dem aus Nephrit des osteuropäischen Archäologie. Finnisch-ugrische Forschun­
vom Woschod-Fund in Pokrowsk an der Wolga bekannten gen 20, 1929. 35. Abb. 30, nach einem kleinen Foto mit
hunnischen Prunkschwertes (vgl. Abb. 22/1). Neben dem Zentimeterangabe.
rechten Oberschenkel lag ein einschneidiges Kampfmesser,
neben dem linken Knie lagen auf einem Haufen die auf einen 47.-48. Pécsüszög.
Köcher weisenden, dreiflügligen Pfeilspitzen verschiedener Richtig. (Pécs) Nagykozár-Üszőgpuszta, Komitat Baranya
Größe. Die vom Gürtel herabhängende Tasche enthielt die Die eine Hälfte der Funde wurde am 30. Januar 1900 bei
in hunnischen Fundkomplexen nicht selten auftretende Pflügarbeiten auf einem Hügelplateau in etwa 70 cm Tiefe
Haarpinzette, eine Ahle und ein Messer. Über den Knöcheln an der Grenze der Lehmschicht gefunden. Diese Funde
des Toten lagen einlache eiserne Vorläufer der für die Tracht konnten erst nachträglich und nur unvollständig sicherge­
der Hunnenzeit so charakteristischen runden Stiefelriemen- stellt werden. Die andere Hälfte des Fundkomplexes wurde
schnallen. Interessant ist ferner eine neben dem linken Arm bei der systematischen Untersuchung der Umgebung der
des Toten gefundene, mit einer eingravierten Hirschfigur Fundstelle aurgesammelt. Menschen- oder Tierknochen,
verzierte Knochenplatte. Erwähnenswert sind noch der run­ aber auch Leichienbrand kamen dabei nicht zum Vorschein.
ter dem Kopf reichlich niedergelegte Speisevorrat (Lamm­ Die Funde wurden entsprechend dem Verzeichnis der Finder
knochen, Gefäße) und die in einem Henkelkrug neben den ins Inventar des damals errichteten Museums von Pécs
Füßen befindliche Trankbeigabe. In der Publikation wird die (Fünfkircher) aufgenommen. Aufgrund der Fundzusam­
Bestattung in das 3.-5. Jahrhundert dauert. Der in der Kata­ menhänge ukrainischer und ungarischer Opferfunde, vor
kombe 14 ruhende, mit zweischneidigem Langschwert und allem unter Berücksichtigung von Bátaszék und Pannonhal-
runden Eisenschnallen ausgestattete Tote war etwa zur glei­ ma, dürfte das als verrostetes Eisen offensichtlich geringge-
chen Zeit, in der Tat im 4. bis 5. Jahrhundert bestattet schätzte Schwert nicht in das Museum gelangt sein. Es ist
worden. Bei beiden durfte es sich demnach um Vorfahren auch nicht ausgeschlossen, daß goldene Schnallen mit
bzw. Zeitgenossen der europäischen Hunnen handeln. Edelsteineinlage abhanden gekommen sind. Eingehende
A. G. Maximowa - M. S. Merschtschijew - B. I. Wein- zeitgenössische Angaben hinsichtlich der Fundstelle und der
berg-L. M. Lewina, Drewnosti Tschardary. Alma-Ata 1968, Fundumstände blieben mit Ausnahme der Tiefenangabe
184-191, 254-255. nach Abb. 3 und Taf. III-V. zum Leidwesen der Forschung achtzig Jahre lang unbe­
kannt, was zu einer ganzen Reihe falscher Theorien führte.
46. Funde aus dem Grab eines Militärführers Hampel hielt den Fund für einen mit seinem Pferd bestatte­
Fedorowka, Bezirk Kinel (früher Kreis Busuluk). Sowjet­ ten Awaren; er war sich dessen „gewiß", daß das Gold
union (1927) zwischen menschlichen und Pferdeknochen gefunden wurde,
Der Grabfund, dessen Fundumstände uns kaum bekannt und bedauerte den Verlust der beiden Steigbügel. Die Inter­
sind, ist nicht seiner Bedeutung angemessen in die hunnische pretation als hunnisches ,,Reitergrab" tauchte erst kürzlich
Archäologie einbezogen worden. Die Waffe den Kriegers war wieder auf (Budapest története [Geschichte von Budapest] I,
ein 60-61 cm langes, zweischneidiges Kurzschwert, dessen Budapest 1973, 189; Baranya megye története az őskortól a
Scheide mit Goldblech überzogen war und Almandineinla­ honfoglalásig [Geschichte des Komitats Baranya von der
gen besaß. In seinem Köcher befanden sich 19 Pfeile mit Urzeit bis zur Landnahme], Pecs 1979, 342) Von Minajewa.
dreiflügligen Spitzen, zehn kleinere mit kantigen Spitzen und die die Funde nur von den Zeichnungen Hampels gekannt
neun größere rhombusförmige. Sein mit einer Silberschnalle bat, stammt die Annahme, es habe sich „vermutlich" um ein
und mit Silberplättchen (ca. 20 gibt es unter den Funden) Brandgrab gehandelt. Diese Vermutung übernahm Alföldi
versehener Gürtel ähnelt zahlreichen hunnischen Gürteln, bereits als unbestrittene Tatsache, was jedoch von Fettich
von Kanattas über Kapulowka bis Szekszárd (Abb. 18). und László, die von den Originalfunden ausgingen, niemals
Auch die in den Zellen mit Glaseinlagen verzierte silberne anerkannt wurde. In internationalem Ausmaß machte Wer­
Riemenzunge und ein Gartelschmuck mit Zellenornamen- ner den Fund wiederum zu einem Brandgrab. Seiner Mei­
tik, meist aus Gold, ist in reichen hunnischen Funden ge­ nung folgten eine Zeitlang auch in Ungarn einige Forscher.
bräuchlich. Zwei der Silberschnallen hingen wahrscheinlich Erst A. Kiss klärte die Fundumstände endgültig mit Hilfe des
an einem Nebenriemen, die beiden anderen dürften Stiefel im Janus-Pannonius-Museum aufgefundenen handgeschrie­
riemenschnallen gewesen sein. Die im Grab das Pferd sym­ benen Tagebuches und einer zeitgenössischen Zeitungsmei-
bolisierende Trense aus Eisen besitzt silberne Ringe und dung. Beide zeugen eindeutig von einem Opferfund (Arch
silberne Zügelösen. Die Bestimmung einer größeren silber­ Ért 108, 1981, 79-80).
nen Schnalle - zu der wahrscheinlich ein inzwischen zerfalle­ Obwohl Hampel die Funde für awarisch hielt, stammen
ner eiserner Schnallenring gehörte - ist unbekannt Die Rei­ doch von ihm die einzige vollständige, zeitgenössische Be­
he der kleinen Funde schließt ein Goldring mit Hängeöse. schreibung und Veröffentlichung (ArchÉrt 20, 1900, 98-107;
dessen Rolle ungewiß ist, letzterer ist auf unserer Abbildung Hampel. Alterthümer II. 370-362) Eine fachgemäße und
nicht zu sehen. Nichts Näheres ist über das im Grab gefunde­ neblige Beschreibung der Funde erfolgte aufgrund der Pa-
ne Panzerhemd bekannt, nämlich ob es ganz war oder nur rallelen von Pokrowsk, Nowogrigorewka und Nishnaja
ein Teil symbolisch mitgegeben wurde. Aus einer anderen Dobrinka und nach den Abbildungen Hampels durch Mina­
Publikation ist uns ein Kupferkessel mit Eisenrand und jeva, Pogrebenija, 107-108. Die Fototafeln I-VII in Alföldi.
Eisenhenkel bekannt, dessen Durchmesser 41 cm und dessen Hunnenzeit, bewahrten gewissermaßen alle bis 1930 schon

257
arg mitgenommenen und beschädigten Funde von „Pecs- gelungen, aus Bruchstücken die ähnlich verzierte und etwa
Üszög", ergänzt durch einige von Hampel nicht abgebildete gleich große Goldblechverkleidung des Bogenendes von
Bruchstücke. Eine Beschreibung der Funde fügte Alföldi den Pécs-Üszögpuszta (vgl. Abb. 47) zu rekonstruieren und den
Tafeln nicht bei, auch übernahm er bis auf das unglücklich „Schwerttragbogen" von Kertsch-Glinischtsche als Bogen-
gewählte Attribut „eingeäschert" nicht die Fundbestinimun- endverkleidung zu bestimmen. Durch die drei genannten
gen Minajewas. Von den gegen Ende der dreißiger Jahre des Goldblechbögen wiederum war es möglich, die als Würdeab-
20. Jahrhunderts auf frevelhafte Weise beschädigten und zeichen geltenden kleinen Funeralbögen mit ihren goldüber-
eingeschmolzenen Goldfunden ist nicht einmal mehr die zogenen oberen Enden als besondere Gruppe von den anläß-
Hälfte vorhanden. Die besten der erhaltenen Stücke sind auf lich der Trauerfeiern entzweigebrochenen und nur fragmen-
unseren Tafeln 43-52 abgebildet. Auf unseren Zeichnungen tarisch auf den Scheiterhaufen oder ins Grab gelangten Bö-
wurde versucht, den Großteil der Funde von Üszögpuszta gen zu sondern.
aufgrund der Zeichnungen und Fotos von Hampel bzw. Das Ende des Goldbleches stellt wahrscheinlich einen
Alföldi zu rekonstruieren. Die Rekonstruktion des Minia- Tierkopf dar. Länge 24,3 cm.
turbogens mit goldüberzogenen Enden und die mit ihm I. Kovrig, in: Drewnosti. 1982, 8-11, nach Abb. 4/2 mit
zusammenhängende Diskussion erfolgte bereits nach einem gewisser Änderung.
Foto von Alföldi, das von wesentlich besserer Qualität und
viel schärfer ist als das veröffentlichte (Gy. László. Acta 51. Funde aus einem Männergrab
ArchHung 1, 1951, 96-97, Taf. XII/4, Fettich, Nagyszéksós, Kertsch-Glinischtsche, Krim. Sowjetunion (1896)
171-177). Von dem Beschlag ist, wie aus Taf. 47 ersichtlich, Die Bedeutung der Bestattung des auf der rechten Seite
nur der untere Teil vorhanden. dieses Doppelgrabes liegenden reichen Mannes beginnt man
erst heute richtig zu erkennen, es handelt sich aller Wahr-
49. Pferdetrense und andere Grabfunde aus der scheinlichkeit nach um die Bestattung eines Würdenträgers
Kurgangruppe Mertwyje soli bei Iletzkaja Saschtschita des hunnischen Reiches. Das 91 cm lange Schwert mit gold-
RSFSR, Oblast Orenburg, Sowjetunion (1887) blechverziertem Griff besitzt Parallelen unter den Schwer-
Die Funde der mit Steinplatten abgedeckten Gräber sind tern der östlichen Hunnen. Der Schwertknauf aus Chalze-
wegen der Eisentrense mit bronzenen Zügelösen bedeutend. don, mit goldenen Zellen mit roten Glaseinlagen verziert,
Die Trense ist unmittelbares Vorbild für die entsprechenden sowie auch die polyedrische Schwertperle aus Bergkristall in
Stücke aus den hunnischen Opferfunden Ungarns aus Pécs- einer Rundscheibe mit roter Glaseinlage sind alanischen und
Üszögpuszta und Pannonhalma sowie aus dem Grab in osthunnischen Schwertern verwandt. An der Schwertscheide
Budapest-Zugló. Die letzteren weichen von ihrem Vorbild war neben anderen Schmuckstücken ein 26,8 cm langes
nur durch ihre goldblechüberzogenen Knebel ab. Goldblech angerostet, über dessen Funktion auch in der
Neben dem Männerskelett im Stein-Kurgan 1, der eine Publikation bloß Vermutungen angestellt wurden. Wegen
Doppelbestattung enthielt, lagen - in einem Köcher(7) - seiner Maße, Form und Lage konnte es sich keinesfalls um
ursprünglich fünf Pfeile mit dreiflügligen Spitzen. Der Gürtel einen Schwerttragbogen handeln, sondern um eine Bogen-
wurde von einer großen Bronzeschnalle zusammengehalten. endverkleidung vom Typ Bátaszék-Pécs-Üszögpuszta in un-
Die neben dem Mann Hegende Frau trug eine Perlenkette versehrtem Zustand. Das an einen Tierkopf erinnernde Ende
und einen granulierten und mit Edelsteinen besetzten silber- der Bogenverkleidung war einst mit goldenen, mit roten
nen Fingerring. Aus dem Männergrab des Kurgans 2 stam- Steineinlagen versehenen Nieten am Bogen befestigt. Auf
men eine die Pferdebestattung symbolisierende Trense, zwei unserer Abbildung wurde versucht, diesen Beschlag in
Gürtelschnallen und zwei kleinere Stiefelschnallen aus Bron- Draufsicht wiederzugeben.
ze. Im ärmlich ausgestalteten oder bereits ausgeraubten Die Tracht des Toten von Glinischtsche stimmt mit jener
Kurgan 3 fanden sich bloß eine eiserne Gürtelschnalle und der Vornehmen des Hunnenreiches überein: Der Gürtel en-
ein Eisenhaken mit Schlingenende. dete in einer Silberschnalle mit vergoldeter Beschlagplatte
F. D. Nefedow, Kurgany na göre Merlwyja soli, Oren- und einer rechteckigen, edelsteinverzierten Riemenzunge.
burgskowo uesda. Materialy po Archeologii Vostotschnych Die Goldschnallen mit roigrünen bzw. roten Steineinlagen
Gubernii III. Moskau 1899, 10-11, 28-29, nach Taf. 3/1-15, auf den ovalen Beschlägen könnten sowohl vom Schwertrie-
Vgl. noch A. K. Schmidt, ESA 1, 1927, 39-40, Abb. 39/a-m. men als auch von den Stiefelriemen stammen. Die hier nicht
Auf unserer Zeichnung sind die Rippen der verrosteten Kne- abgebildeten goldenen Fingerringe stellen hingegen eine Ver-
bel etwas übertrieben dargestellt. bindung zu den hunnenzeitlichen Grabfunden am Bosporus
Die Parallele des in hunnischen Funden seltenen Silber- und in der Südukraine her.
ringes ist uns aus dem Friedhof von Lebedewka am Ural E. R. von Stern, K voprossu o proischoshdenii „gotskowo
bekannt: K. Akischew-A. Akischew: Drewneje soloto Ka- stilja" predmetow juwelirnuwo iskusstwa. Sapiski Impera-
sachstana. Alma-Ata 1983, Abb. 156-157. torskowo Odesskowo Obschtschestwa Istorii i Drewnosti
XX. 1897, 1-5, nach Taf. 1/2-3, 11-17. Die erhallen gebliebe-
50 . Goldblechverkleidung des oberen Bogenendes nen Funde des Männergrabes (Schwertknauf, Schwert perle
Bátaszék, Komitat Tolna (1965) aus Bergkristall, Blechverzierung des Schwertgriffes, Edel-
Das „Goldblech" lag neben dem Schwert, brach bei der steine und die obere Hälfte des Bogenbeschlages) sind auf
Freilegung entzwei und wurde nach außen verbogen (vgl. einem Farbfoto wiedergegeben: N. G. Dokont, in: Odesskij
Taf. 54). Die auf den beiden Bruchstücken fortlaufenden Archeologitscheskij Musej ANUSSR, Kiew 1983, 177, Nr.
gepreßten Leistenmuster beweisen eindeutig ihre Zusam- 141, Taf. 75, Aus dieser Publikation wurde die vergrößerte
mengehörigkeit. Das Goldblech ist für die hunnische Ar- Seitenansicht der Bogenverkleidung für unsere Arbeit ent-
chäologie von großer Bedeutung. Mit seiner Hilfe ist es nommen.

258
52. Funde sus Nowogrigorewka Schwertscheide verzierte in Wirklichkeit ein Goldblech mit
Heute Knjashe-Grigorewka. Ukraine. Oblast Saporoshe, Schuppenmuster wie bei dem jüngst in Pannonhalma gefun-
einst Kreis Alexandrowka, Sowjetunion (1884) denen Schwert (Farbtaf. XVIII). Höchstwahrscheinlich wur-
Von den am Ufer des Konka freigelegten Opferresten de der Schwertgriff mit einem edelsteinbesetzten Goldband
bieten wir eine Auswahl jener, die mit den Hunnenfunden (oder mit zwei Bändern) verziert. Auch das silberne Ortband
des Karpatenbeckens eng verwandt sind. Die Trennung der und das Scheidenende blieben erhalten, so daß das Schwert
Scheiterhaufenfunde VIII und IX ist nicht problemlos, ihre zusammen mit der vom Griff herabhängenden Schwertperle
Beschreibung ist in den verschiedenen Berichten etwas unter- aus Bernstein ganz gut rekonstruiert werden kann. Der Perl-
schiedlich. Da jedoch in beiden Komplexen dieselben Fund- anhänger von 6 cm Durchmesser wurde in den ersten Publi-
typen vertreten sind, kann an ihrer Gleichzeitigkeit und kationen noch für den Schwertknauf gehalten. Als erster
Zusammengehörigkeit nicht gezweifelt werden. erkannte Fettich seine Funktion und damit auch die der
Von unserer Zusammenstellung war früher nur der 8,3 cm anderen Schwertperlen (Nagyszeksós, 175-176).
große Tierkopf aus Goldblech nicht publiziert. Das Schwert In Jakuszowice kamen erstmals in Ostmitteleuropa Fun-
IX (Lunge 88 cm, Klingenbreite 4,2 cm), das nach dem de unbestreitbar östlicher Herkunft zutage: Waffen wie
Ausgräber mit Gold verziert war, versuchten wir einigerma- Langschwert und Bogen, halbmondförmige bzw. rechtecki-
ßen zu rekonstruieren. Der Bernsteinanhänger mit roten ge Goldbeschläge mit Almandinen in unregelmäßig ange-
Glaseinlagen in Silberzellen hat einen Durchmesser von ordneten und geformten Fassungen, schwere Schwert- bzw.
3,4 cm. Das Zellenwerk des einen Schnallenbeschlags ist Stiefelriemenschnallen mit ovaler, zellenverzierter Beschlag-
heute leer, das des anderen besaß zur Zeit der Auffindung platte samt den dazugehörigen Riemenzungen. Da das Grab
rote Granat- oder Glaseinlagen, es dürfte sich um die übli- früher mit der Bestattung eines Goten in Zusammenhang
chen Stiefelriemenschnallen handeln. Von den mit Edelstei- gebracht wurde, blieben diese Gesichtspunkte fast unberück-
nen verzierten Riemenzungen aus goldblechüberzogener sichtigt. Man hielt das der Form nach politische, mit nordi-
Bronze kamen in den Funden VIII und IX je drei 7,5 cm schen Motiven verzierte Pferdegeschirr für ein ethnisches
lange zutage, von den ähnlich gearbeiteten, edelsteinverzier- Bestimmungsmerkmal, ohne daran zu denken, daß das als
ten 8,9 cm langen blattförmigen Pferdegeschirranhängern je Geschenk erhaltene, erbeutete oder käuflich erworbene an-
zwei. Die mit drei ovalen Karneolen besetzte kleine Riemen- geschirrte Roß für die ethnische Zugehörigkeit des Eigentü-
zunge aus Gold publizierte der Ausgräber noch in ausgebo- mers kaum bestimmend sein kann.
genem Zustand, ihre richtige Form wird hier nach Minajewa Nach N. Aberg. Fornvännen 5, 1936, 270-277, Taf. I-II.
wiedergegeben. Von den in beiden Komplexen gefundenen, Gy. László. Acta ArchHung I. 1951, 92-96, Taf XVIII-
etwa 6 cm langen Goldblechen, die vielleicht von den Enden XIX. St. Nosek. Inventaria Archaeologica, Pologne. Fasc.
von Miniaturbögen stammen, wurde bisher nur eines veröf- 2, Lodž 1959, Taf. 15/1-4.
fentlicht. Die 14 cm langen und 7,2cm breiten, schuppcn\cr- 54. Goldblechverkleidung eines Bogens
zierten Sattelbrettbesätze aus Gold kamen in beiden Funden Jakuszowice, Bezirk Olszawa, Polen
paarweise zutage. Das Bruchstück einer mit Edelsteinen
verzierten, ovalen Goldplatte dürfte ein Schnallenbeschlag Sic wurde ursprünglich als Schwertscheidenbeschlag in-
oder der Teil eines Anhängers gewesen sein. Die Trense ist terpretiert, ihre Funktion erkannte erst László. Die jetzt
aus Eisen, die bronzenen Trensenringe sind durch einen 70 cm langen, fragmentierten Goldbleche verkleideten wahr-
mehrkantigen Schaft an ihr befestigt. scheinlich den oberen und initiieren Teil des Bogens, der
gespannt einen Durchmesser von 80 cm gehabt haben könn-
In der Beschreibung des OAK 1883-1884(1885), LII-LV. te. Seine geringe Größe läßt auf einen symbolischen Funeral-
bzw. in dessen französischer Fassung, Rapports pour bogen oder auf eine Insignie schließen.
1882-1888, St. Petersbourg 1893, MX LXI, entspricht das N. Aberg. Formännen 5, 1936, 271, Taf. I. Gy. László.
Grab VII-VIII dem Grab VIII-IX des Inventarbuches der Acta ArchHung I. 1951, 93-94, nach Taf. XXI. Den in
Ermitage vom Jahre 1911, Auch die Berichte des Ausgräben; Wirklichkeit zum Schwertortband gehörenden „unteren"
sind nicht immer eindeutig, seine vorzüglichen Abbildungen Goldbeschlag habe ich außer acht gelassen (vgl. Abb. 53).
stellen hingegen die wichtigste Quelle Für unsere Wiedergabe
dar: 55. Ornamente der Goldplatten der Bogenenden und des Griffes aus
Samokwasow, Katalog, XXX-XXXl. Taf. IV/2, 7-8, Pannonhalma
19-20 und 26, Ders., Mogily russkoj semli, Moskau 1908, Nach ihrer ursprünglichen Bestimmung seitlich darge-
132-136, Taf. IX. Zu weiteren Funden: Minajewa. Pogrebe- stellt; mit geringer Ergänzung (vgl. Taf. 60-62)
nija, 94-101, Taf. III/17, 22, Taf. IV/25-26, 28, 30, 34 und P. Tomka, Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal-
Taf. V/37-38, Sassetzkaja. Solotye ukraschenija, 68, Nr. 72, ma. Acta ArchHung 38, 1986, 431-434, nach Abb. II.
76, 89-90. Über den Bestattungsritus nach Samokwasow
und Minajewa: Fetlich. Nagyszéksós 136-137. 56. Rekonstruktion des hunnischen Prunkschwertes von Bátaszék
Bezüglich der Fundumstände vgl. den Text zu Taf. 57,
53. Hunnisches Prunkschwert, Schnallen und Riemenzungen Die Verzierungen der Goldbeschläge des Griffes und des
Jakuszowice, Bezirk Olszawa, Polen (1911) Scheidenmundes des 96 cm langen Eisenschwertes figurier-
Aus einem sehr tiefen Einzelgrab eines Reiters (freundli- ten ebenso unter den Funden wie der Perlenanhänger aus
che Mitteilung von K. Godlowski). Das 95 cm lange zwei- Kalkstein (vgl Taf. 53 und Farbtaf XVI) Problematisch ist
schneidige Schwert mit Parierstange ist mit den hunnischen die tropfenförmige Zelle, die am Griff ebenso wie an der
Schwertern (Zainantogaj Grab 21 Nowogrigorewka IX, Schwertscheide angebracht gewesen sein konnte.
Szirmabesenyö, Lengyeltóti, Bátaszék usw.) engstens ver- I. Kovrig. Drewnosti, 1982, 6-9, Abb. 2-3, A(ttila)
wandt. László interpretierte das als Scheidenbeschlag publi- G(aál) und H(annsjörg) U(bl). Katalog Sevenn, 471-472,
zierte lange Goldblech als Bogenbeschlag (vgl. Abb. 54). Die Taf 18-19.

259
57. Schwert mit goldverzierter Parierstange und silbernem Scheiden- eigentliche Bestattung schützenden Steinplatten fand sich die
beschlag Teilbestattung eines Pferdes: Die Haut war abgezogen und
Verin Holm, Schapkino-Friedhof. Georgien, Abchasien So­ eingerollt, Schädel, Bein- und Fesselgelenkknochen lagen
wjetunion (1981) auf einem Haufen. Das Pferdegeschirr war auch in diesem
Das rechts vom Skelett aufgefundene Schwert vereinigt - Fall nicht neben den Pferdeknochen deponiert, sondern zu
obwohl es nachhunnenzeitlich ist - gleichsam alle Elemente Füßen des Toten niedergelegt.
der Konstruktion und der Zierbeschläge der Schwerter von Das in östlichen Hunnenfunden häufig auftretende Gold-
Pannonhalma, Lébény und Szirmabesenyö. Die Gesamtlän­ gehänge mit Edelsteinschmuck und der hörchenförmige
ge des zweischneidigen Schwertes beträgt 90 cm. In den Lockenring aus Bronze wurden nebeneinander aufgefunden
Zellen der 9 cm breiten, bronzenen Parierstange befindet sich und zierten wahrscheinlich einen Zopf. Der 13-15jährige
über gegitterten Goldplättchen eine farblose Glaseinlage. Knabe mit künstlich deformiertem und mongoloidem Schä­
Das silberne Ortband ist 10,5 cm lang. del trug noch keine Waffe, wohl aber einen Gürtel. Seine
vergoldete Gürtelschnalle besitzt mehrere zeitgenössische
Ju. N. Woronow- N. K. Schenkao, Woorushenije woinow
Parallelen. Am ähnlichsten sind die Schnalle aus Katschin in
Abchasii IV-VII. w. w. Drewnosti, 1982, 158, nach Abb.
Wolhynien (Ju. W. Kucharenko. Drewnosti, 1982, 237-240)
23/3-5.
und die schuppenverzierte Gürtelschnalle von Poroszló-
58. Hunnische Opferfunde aus der Südukraine Ráboly-puszta (unpubliziert). Die Stiefel hatten unterhalb
der Knie und im Bereich der Knöchel Riemen mit Silber-
1.-7. Kapulowka, Ukraine, Bezirk Nikopol, Sowjetunion schnallen.
(1961) Bemerkenswert sind die Trense mit bronzeblechüberzoge-
In der verlassenen Siedlung der Tschernjachow- nen Knebeln, die silbernen Riemenverteiter und Riemenzun­
Kultur „verstreut" ans Tageslicht gekommene Pfer- gen aus goldblechüberzogenern Silber, die hier gewiß das
degeschirrbeschläge, Riemenzungen, goldene Fin­ Pferdegeschirr verzierten, und eine mit Eisenblech überzoge­
gerringe, Schnallen und silberne Gürtelbeschläge ne bronzene Glocke mit Griff; eine ähnliche war in dem reich
(zu letzteren vgl. Abb. 18). Die auf Bronzeunterla- ausgestatteten Hunnengrab von Budapest-Zugló (Taf. 73/1).
gen gepreßten Goldbleche sind mit eingefaßten ro­ Eine besondere Beigabe stellt die Pferde- oder Maultierfigur
ten Edelsteinen verziert. Die Länge des längsten aus Goldblech dar, eine Beigabe, wie sie uns in hunnischen
Goldblechs beträgt 16 cm. Funden von Mittelasien (Kysylkajnartöbe, Abb. 44) über
L. M. Rutkiwska (Rutkowskaja), Archeologija Nowogrigorewka (Abb. 52) bis Arpas-Dombiföld (Taf. 39)
XXIV, Kiew 1970, 197-200, nach Abb. 3, Nah begegnet.
verwandt den unweit aufgedeckten Pferdegeschirr- O. D. Daschewskaja. Pogrebenie gunnskowo wremeni
beschlägen von Saga (OAK sa 1899 [1902], 127-128, w tschernomorskom rajone Krima. Drewnosti Wosto-
Abb. 250). tschnoj Ewropy, Moskau 1969, 52-61, nach Abb. 2-5,

8.-10. Showtnewoje, Gemarkung Makartet, Oblast Sapo- 61. Eisenschwert mit Oberresten der Scheide
roshe, Sowjetunion (1967) Szirmabesenyö-Hátsóföld, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén
Erst beim Pflügen, dann bei Grabungen in einer (1950)
seichten Grube gefundenes Schwert und Goldfund. Das Besondere an diesem neben einem Mann mit künst­
Außer zwei goldenen Fingerringen mit Gemme lich deformiertem Schadel niedergelegten, 97 cm langen und
wurden bisher nur die hier wiedergegebenen Pfeil­ mit einer 9,5 cm breiten Parierstange versehenen Schwert ist
spitzen und die Riemenzunge veröffentlicht. das rechteckige Ortband. Sein unterer Abschluß ist mit zwei
W. F. Peschanow und Ja. D. Telegin, Archeolo- Eisen knöpfen verziert, der daran anschließende Ortband­
gitscheskije otkrytija 1967, Moskau 1968, 229-232, rahmen besteht aus tordierten Bronzestäben, die in einander
L. M. Rutkiwska, Archeologija XXII, Kiew 1968, zugewandten Vogelköpfen enden. Identische Lösungen sind
156, nach Abb. 2. uns auch von alanischen Schwertern des Kaukasusgebietes
bekannt (Noworossijsk-Abrau-Dürso, Kurz- und Lang-
11.-15. Radensk, Ukraine, Oblast Cherson, Sowjetunion schwerter aus den Gräbern 300 und 479 (vgl. Abb. 30] sowie
(1897) A. W. Dmitrijew, SowArch 1979/4, 223, Abb. 8/5, 8 und 10).
Von den „an der Oberfläche" entdeckten Funden Die mit Knöpfen verzierten rechteckigen Ortbänder kennen
(Eisenschwert, Trense, Pferdegeschirr) und Bruch­ wir auch von Schwertern der spätrömischen Zeit, so z. B. von
stücken werden hier die mit den oben angeführten dem erst jüngst freigelegten Ziegelgrab von Zalaszentgrót
Funden verwandten Beschläge, Riemenzunge und aus dem beginnenden 5. Jahrhundert, in dem vermutlich ein
die zwei hörnchenförmigen Lockenringe aus Silber in römischen Diensten stehender, barbarischer Militärführer
wiedergegeben. bestattet worden ist. (R. Müller, Zalai Gyűjtemény 6, 1976,
OAK sa 1897 (1900), 34-35, Abb. 108 (Pferdege- 56-63, Abb. 11/5 und Abb. 12). sowie eine bronzene Varian­
schirrbeschläg). Fettich, Nagyszéksós, 140, publi­ te aus einer spätrömischen Befestigung. Da diese eigenarti­
ziert einen Teil der Funde aufgrund von Originalfo­ gen Schwerter des spätrömischen Heeres östlichen, z. T.
tos, nach Taf. XXXV/2, 8, 10, 15-16. iranischen Ursprungs sind, kann das in einem frühsächsi-
schen Grab gefundene Eisenschwert mit drei Zierknöpfen
59.-60. Funde aus dem Grab eines vomehmen Jünglings (vgl. J. Werner, Bayerische Vorgochichlsblätter 31, 1966,
Beljaus, Nordwestkrim, Sowjetunion (1967) 134-139, Abb. 1-3) ebensogut wie dus von Szirmabesenyó
östlicher, „barbarischer" Herkunft sein. In den Fundkom­
Steinkammergrab in einem vereinzelten Kurgan. Unter
plexen der Hunnenzeit ist auch häufig die andere Waffe des
der das Grab abdeckenden Steinplatte und über den die

260
Kriegers von Szirmabesenyö, das 55 cm lange, einschneidige Länge 16 cm Aus Grab A: (4.) ein eiserner Amboß. Höhe
Kampfmesser, anzutreffen. Der Zierknopf des Schwertes ist 14,7 cm, Schlagfläche 7,5 x 7,5 cm, (5.) eine zerbrochene
aus Bernstein geschnitzt. Schmiedezange, Länge 26 cm, (6.) ein Bohrer, Lange 16 cm
G. Megay, ArchÉrt 79, 1952, 132-133, nach Taf. 25, und (7,) ein Hammer, Länge 19,5 cm.
M. Párducz. Acta ArchHung 11, 1959, 310, 317, nach Taf
62. Goldbleche von einer Schwertscheide und von einem Sattelbrett- I/1—3, II/1-3, III/1.
ende
Szeged-Röszke-Nagyszéksós. Rekonstruktionszeichnungen 66. Prunkschnallen, Fibeln und Pferdegeschirrbeschläge
von I. Méri Prunkschnallen verwandter Form und Ornamentik aus
Breite des Schwertscheidenbeschlags 5,3 cm, Durchmes- dem nördlichen Pontusgebiet und dem Karpatenbecken so-
ser des Sattelbesatzes etwa 16 cm. wie im Stil der Schnallen verzierte Fibeln und Pferdegeschirr-
Fettich. Nagyszéksós, 121, nach Taf. XV/I und XIV/I, beschlage. Die schönste zu dieser Gruppe gehörende Silber-
letzteres, etwas geändert. schnalle ist in Jalta gefunden worden. Auf ihrem Beschlag
ist ein dreifacher Tierwirbel dargestellt, auf ihrem Schild-
63. Mit Granat- und roten Glaseinlagen verzierte goldene Pfauen- dorn eine Männermaske. Gerade wegen der überreichen
köpfe und eine Goldperle Verzierung haben wir diese Schnalle hier nicht wiedergege-
Ein „ungarischer" Fund, der wahrscheinlich aus Nagy- ben (I. A. Baranow. SowArch 1975/1, 271-275, Abb. 1-2).
széksós zu dem Antiquitätenhändler L. Mauthner gelangte. Die mit ähnlicher Ornamentik verzierten Fibeln spiegeln die
Die Vogelköpfe sind mit dem Schmuck aus Nagyszéksós barbarisch-römischen Beziehungen zwischen Mösien, Dacia
verwandt, während Parallelen zu der Perle aus dem Nagy- Ripensis und der Theißgegend wider.
széksós gleichwertigen hunnenzeitlichen Grabfund von
Kertsch (24, Juni 1904) bekannt sind (vgl. A. Spizyn, Iswesti- 1. Pantikapaion-Kertsch, Grabkammer 154, Grab 2 aus
ja Imp. Archeologischeskoj Komissii 17, 1905, 118, Abb. 9, dem Jahr 1904, Krim, Sowjetunion
I. P. Sassetzkaja. KSIA 158, 1979, 11, Abb. 2/60-61). Länge Vergoldete Bronzeschnalle, die zusammen mit einem
der Pfauenköpfe 4,5 cm, Längendurchmesser der Perle 2 cm. Paar von Silberplattenfibeln und mit einem goldenen
Fettich. 1940, 239, Taf. IV/l-3, die erste Veröffentlichung Totenkranz gefunden wurde, der mit einem Abdruck
noch aus der ungarischen Sammlung. Nach M. C. Ross, einer Münze Valentinianus I. versehen war. Die Bestat-
Catalogue of the Byzantine and Early Medieval Antiquities tung ist nicht vor 400 zu datieren.
in the Dumbarton Oaks Collection II. Washington 1965, I. P. Sassetzkaja. KSIA 158, 1979, 16, Abb. 3/21-22,
115-116, Nr. 164. Taf. LXXVIII, kamen die Schmuckstücke
1936 aus Ungarn in die Bliss-Kolleklion und dann von dort 2. PANTIKAPAION-Kertsch, Fund von 1905
an ihren gegenwärtigen Aufbewahrungsort. Vergoldete Bronzeschnalle, beschädigt und zerbrochen.
64. Sassanidischer Trinkbecher aus Glas W. W. Schkorpil, Iswestija Imp. Archeologitscheskoj
Die aus dem Iran stammenden grünen Pokale mit Füß Komissii 25, 1907, 42-43 und Abb. A. I Ajbabin. Sow-
vom 4. bis 5. Jahrhundert sind die bisher beste Parallele des Arch 1984/1, 119, Abb. 4/16, behandelt die Schnalle
Elektronpokals aus Szeged-Röszke-Nagyszéksós. Sie ahmen fälschlich als die vorherige vom Jahre 1904, datiert sie
aus Glas mit runden Glasmedaillons als Einlagen einen jedoch richtig in das Ende des 4. und den Anfang des
Kelch vom Typ Nagyszéksós nach und wurden dort herge- 5. Jahrhunderts.
stellt, wo Form und Verzierung entstanden. Gleichzeitig 3. TANAIS/Nedwigowka. RSFSR, Oblast Rostow.
beweisen sie klar, daß der Kelch von Nagyszéksós keine Sowjetunion
Miniaturnachahmung der hunnischen Kupferkessel ist, son-
dern eine echte mittelasiatische Form und Herstellung. Vergoldete Bronzeschnalle aus der „hunnenzeitlichen"
a) Iran. Höhe 9,2 cm. Runddurchmesser 10,2 cm Rom, Scnicht vom Ende des 4 Jahrhunderts. Breite 4,5 cm.
Museo Nazionale d'Arte Orientale. Inv.-Nr. 2705, D. W. Selow in: Drewnosti Nishnewo Dona. Mos-
Bruno Genito. Vetri iranici. Schede 10, del Museo Nazio- kau 1965, 129, Abb. 61
nale d'Arte Orientale. Rom 1978, 16 und Titelfoto. Die folgenden sind auf der Karte dargestellt:
b) Lihsien (Hopei, Nordchina). Grabfund aus der Zeit der
Nord-Shou-Dynastie (1983) 4. Tiszaladány-J. Bárdos-Acker. Komitat Borsod-Abauj-
Höhe 9,5 cm, Randdurchmesser 12,3 cm. Zomplin
An Jiayao. A Glass Bowl from Li Xian's Tomb of fhe Aus einem Grabfund vergoldete Bronzeschnalle (Länge
Northern Zhou Dynasty. - Discovery and Research of 8,2 cm) zusammen mit einer Fibel mit umgeschlagenem
the Sassanian Glassware. Kaogu (Archäologie) 1986/2, Fuß, einem Armring und Perlen.
173-181, Abb. I. und Taf. 1-2, Csallány Gepiden 243, Nr. 17, Taf. 217/3, mit fal-
c) Einen ähnlichen Glaspokal datiert in das 4 Jh. A. von scher Fundortangabe. Der genaue Fundort ist im In-
Saldern, Achaemenid and Sassanian Cut Glass. Ars ventar des MNM N 14, 1931, 1 bzw. in den Fundakten
Orientalis (Washington) 5, 1963, 12 und Abb. nachzulesen. Unpubliziert
65. Schmiedewerkzeuge 5. INTERCISA/Dunaújváros, Westfriedhof. Grab 1993
Csongrád-Kenderfoldek, Komitat Csongrád (1949) (1973)
In dem gestörten und ausgeraubten zweien Männergrab Aus einem mit Dachziegeln abgedeckten, sorgfältig er-
neben dem Skelett; (V) eine Schmidezange. Länge 24.3 cm, richteten Ziegelplattengrab, in welchem eine ungestörte
(2,) ein Punziereisen. Länge 13,2 cm. und (3.) cm Hammer. Männerbestattung mit gefalteten Händen lag. Auf dem

261
Becken die übliche spätrömische Bronzeschnalle, neben 15. Tápé-Lebő, Frauengrab 2
den Knöcheln die Prunkschnalle und zu Füßen ein Vergoldete Silberfibel. Länge 5,9 cm.
glasierter Henkelkrug. Es handelt sich auf alle Fälle um M. Párducz, Acta ArchHung II, 1959, 328, Abb.
ein „römisches" Grab aus der Römerzeit, barbarische 5/77, Taf. XVIII/I.
Nachbestattungen waren in dem komplett freigelegten
Westfriedhof nicht zu finden. 16. Vajuga, Nordserbien, Jugoslawien
Vergoldete Bronzeschnalle, Länge 8,3 cm. Unpubli- Grab 18, Silbernes Fibelpaar aus dem Grab eines
ziert, Grabung von J. B. Horváth. barbarisch-römischen Mädchens. Länge 9,5 cm.
6. Komitat Vas, wahrscheinlich aus der Umgebung von V. Popovič in: Die Völker Südosteuropas im 6, bis
SAVARIA/Szombathely 8. Jahrhundert. München- Berlin 1987, 129-130, Abb.
10 und Taf. 5/2-3.
Vergoldete Bronzeschnalle, Länge 8 cm. MNM N 2,
1932, Unpubliziert. 17. Kronberg(?), Niederösterreich
Überreste von Pferdegeschirrbeschlägen vom Typ Un-
7. Ungarn
tersiebenbrunn.
Vergoldete bronzene Prunkschnalle, Länge 8,1 cm. L. Franz, Germania II, 1927, 33-36, nach Abb. 1.
MNM 20, 1888, 4, Ankauf.
J. Hampel. ArchÉrt 9, 1889,143, Ders.: Alterthümer 18. Untersiebenbrunn, Niederösterreich
III, Taf. 49/2, N. Fettich, Seminarium Kondakovianum Grab einer vornehmen Frau
11, 1928, 107, Taf XV/4. Im Stil der Prunkschnallen verzierter silberner Pferde-
8. BRIGETIO/Szöny geschirrbeschlag. Durchmesser 3,4 cm.
W. Kubitschek. JbfA 5, 1911, 32 ff., nach Taf IV/7
Ovaler Schnallenring mit Dorn- und Silbereinlage aus bzw. Abb. 14, Auf unserer Landkarte nicht verzeichnet.
einem römischen Ziegelplattengrab. Länge 7 cm, Breite
3 cm. Museum Komárno, lnv.-Nr. A-5673, Unpubli­ 19. AQUINCUM/Budapest III., Szőlő u.
ziert, verlorengegangen. Aus einem gestörten spätrömischen Grab. Ovaler bron­
N. Fettich, Seminarium Kondakovianum II, 1928, zener Schnallenring mit silberner Einlage. Länge 8 cm.
107-108, Gy. Alapy, Nemzeti Kultúra, Komárom/ BTM 88, 6, 1, Unveröffentlicht.
Komárno I, 1933, 39.
20. Ungvár/Ushgorod, Karpato-Ukraine, Sowjetunion.
9, Ungarn, vielleicht aus BRIGETIO/Szöny Einzelfund. Ovaler bronzener Schnallenring mit Silber-
Vergoldete Bronzeschnalle, Länge 9,2 cm. Köln, Samm­ einlage, wie Nr. 8, 10, 19, Länge 6,8 cm.
lung Diergardt. J. M. Jankovich, Podkarpatská Rus v prehistorii, Mu-
W. Holmguist. Tauschierte Metallarbeilen des Nor­ kacevo 1931, 52, Taf. XI/31, Auf einer guten Zeichnung
dens aus Römerzeit und Völkerwanderung. Stockholm veröffentlicht von K, W. Bernjakovíč, Slovenská Ar­
1951, 40, Abb. 15/1, R. Madyda-Legutko, Wiadomosci cheológia 5, 1957, 445, Taf. V/3.
Archeologiczne 43, 1978, 6, 15 (Nr. 13) Abb. 5/d.
67. Gefäße aus der obersten, spätesten Schiebt des Kastells
10. Komitat Tolna Intercisa/Dunaújráros
Ovaler Schnallenring mit Silbereinlage. Länge 7,2 cm. Jüngere Gefäßtypen als jene 1965/1969 im Haus A/I
Breite 3 cm. Szekszárder Museum. Verlorengegangen. freigelegten kommen weder im Castrum noch im Friedhof
Nach einem Foto. vor. Mit dem Verfall des Hauses endete auch jegliches römi­
sche Leben im Gebiet des Kastells. Dieses Ereignis kann
11. Békéscsaba aufgrund der historischen und archäologischen Forschungs­
Ovaler bronzener Schnallenring mit Silbereinlage, Län­ ergebnisse in die Jahre 424/425, spätestens jedoch um 434,
ge 7,5 cm. Békéscsabaer Museum 1269 (neue Inv.-Nr. datiert werden. Im Laufe der von E. B. Vágó 1965 durchge­
52.1001.1). führten Grabungen stieß man in einem von späteren Zerstö­
Csallány, Gepiden, 121, Nr. 56, Taf. 215/11. rungen glücklicherweise verschont gebliebenen Weingarten
auf dieses Haus. 1969 kamen bei Untersuchungen des Ver­
12. EMONA/Ljubljana, Jugoslawien fassers weitere Teile des Hauses zum Vorschein. Unmittelbar
Schnalle, Stil und Verzierung wie bei den zuvorerwähn­ unter der Humusschicht lag eine 30-40 cm mächtige, unge­
ten Schnallen, mit viereckigem Beschlag. Breite des störte Schicht aus Brandschutt, Dachziegeln, verbranntem
Schnallenringes 5,6 cm. Lehm und angebrannten Lehmziegeln, die den mit einer
R. Noll, Vom Altertum zum Mittelalter, Wien dicken Ascheschicht bedeckten, gestampften Lehmboden
2
1974 , nach 25, Nr. 33 und einem Archivfoto der des Hauses überlagerte. Der Boden reichte im Norden und
ELTE. Süden bis zu den auf Steinfundamenten, ohne Bindemittel
errichteten Lehmmauern; das östliche und westliche Ende ist
13. Tiszacsege bis heute nicht freigelegt. Die schlecht ausgeführten Lehm­
Vergoldete Silberfibel, Länge 10 cm. Vgl. Taf 73. mauern folgten nicht der Ausrichtung der hier durch die
Jahrhunderte gebauten militärischen Anlagen, sondern ver­
14. Ostružnica, Belgrad, Jugoslawien liefen in einem etwas spitzen Winkel über ihnen. Das Haus
Silberfibel mit Kerbschnittverzierung, Länge 11 cm. wurde also zu einer Zeit errichtet, als die römische Restbe­
P. M. Milosevic, GHA 232, V, 26.e. völkerung bereits zwischen die Mauern des im inneren Teil

262
zerfallenen Kastells gedrängt wurde, also an der Wende des 10. Großer Topf aus feinem Material mit geglätteter brau­
4. zum 5. Jahrhundert. Der runde, mit Steinen umstellte, ner Oberfläche und dunklen Brandflecken. Am Hals
„urzeitliche" Herd mit Lehmplatte und die neben ihm gele­ schwach, auf der Schulter kräftig eingeglättete Muster.
gene, bis zum Rand gefüllte Aschengrube beweisen die lang­ Höhe 24,3 cm. Intercisa-Museum, Inv.-Nr. 68.129.11.
jährige Verwendung dieses Gebäudes als Wohnhaus. Das
Haus fiel zusammen mit allen Einrichlungs- und Gebrauchs­ 11. Großer Topf mit glänzender schwarzer Oberfläche. Am
gegenständen einem Brand zum Opfer. Auf dem Lehmboden Hals schwach glänzende Einglättung, auf der Schulter
lagen, großenteils auf einem Haufen, Eisenwerkzeuge (ver­ kräftiges Glättmuster. Höhe 29 cm. Intercisa-Museum,
schiedene Hacken. Gabeln. Bohrer und Roheisenstangen), Inv.-Nr 68.129.6.
aber auch der zum Kochen benutzte, stark verbrannte und
zerdrückte Bronzekessel. Neben diesem fanden sich ein 12. Krug mit glänzendem, sepiabraunem Anstrich an der
Kochlöffel und auf weitere Frauenarbeit weisende Spinnwir­ Außenseite, der während des Großbrandes an vielen
tel. In der Nähe des Herdes lagen Mahlsteine und der Krug Stellen beschädigt worden und abgesprungen ist. Am
Nr. 12, Sein Inhalt, verkohltes Getreide, war beim Umfallen Hals schwach eingetiefte, glasierte senkrechte Streifen,
zum Teil ausgekippt worden. In der Nähe der Nordmauer auf der Schulter eingeglättetes Wellenmuster. Höhe
kam in zerscherbtem Zustand eine ganze Gefäßgarnitur zum 27,3 cm. Intercisa-Museum, Inv.-Nr. 68.129.9. Enthielt
Vorschein, bis auf die Gefäße Nr. 6 und 12 stammen alle verbranntes Getreide.
Gefäße von dort. Jedoch fanden sich auch jn anderen Stellen
im Hausinneren noch zusammensetzbare Töpfe und Näpfe Die für Pannonien einzigartige unversehrte Gefäßkollek-
(z. B. Nr. 6), die zusammen fast alle zu jener Zeit verwende­ tion stammt ausnahmslos aus provinzialrömischer Produk­
ten Gefaßformen und Ziermuster vertreten. tion. Erst bei den jüngeren Grabungen hat sich herausge­
stellt, daß vor allem die waagerecht kanneliert-gerippte Ke­
1. Topf. Aus körnigem Ton mit waagerecht gerippter ramik (1-6) Für die jüngsten Töpfererzeugnisse der Donau­
Oberfläche An der Außenseite rußschwarz gebrannt, länder charakteristisch ist (A. Mócsy-V. Lányi in: Die spät-
an der Innenseite sepiabraun. Höhe 19,6 cm. Intercisa- römische Festung und das Gräberfeld von Tokod. Budapest
Museum, Inv.-Nr. 68.129.1. 1981, 43-46 bzw. 75, Typ I. sowie Katalog Severin 535-536,
Traismauer 551-553, Tokod. Taf. 46-47). Die glasierten und
2. Zweihenkliger Topf mit waagerecht kannelierter Ober- unglasierten Krüge und anderen Töpfe mit Wellenverzie-
fläche. Hellgrau, mit beim Brand entstandenen sandfar­ rung (7-9) sind für den spätrömischen Burgus von Leányfalu
benen Flecken. Höhe 30 cm. Intercisa-Museum, Inv.- (Alföldi. Hunnenzeit, 81-85, Taf. XXIX-XXXI). besonders
Nr. 68.129.12. aber für die späten Schichten und Gräber von Tokod (V.
Lányi, a. a. O., 75, Typ III), typisch. Es ist auch nicht zu
3. Topf mit waagerecht kannelierter Oberfläche. Außen bezweifeln, daß die Töpfe und Krüge mit Glättmuster aus
schwarz gebrannt, innen grau getönt. Höhe 15,6 cm. Intercisa (10-12) römische Erzeugnisse sind (vgl. K. Ottomá­
Intercisa-Museum, Inv.-Nr. 68.129.16. nyi, Fragen der spätrömischen eingeglätteten Keramik in
Pannonien DissArch 11/10, Budapest 1981, 193-226), im
4. Schüssel mit waagerecht kanneliertem, konischem Un­ Gegensatz zu der früheren Meinung, es handle sich um
terteil. Gegenwärtig dunkelgrau. Höhe 8,8 cm, Rand- „Föderaten"-. also barbarische Keramik (S. Soproni, Der
durchmesser 22 cm. Intercisa-Museum, Inv.-Nr. spätrömische Limes zwischen Esztergom und Szentendre.
68.129.18. Budapest 1978, 36-46, Taf. 41-49 und auch gegenwärtig
J. Tejral. ArchAust 72, 1988, 244 ff. Abb. 12-14).
5. Napf mit waagerecht kannelierter Oberfläche. Außen
mit schwarz-roten Flecken, innen sepiabraun. Höhe 68. Hunnenzeitliche Krüge mit Gußhenkel
9,7 cm. Intercisa-Museum. Inv.-Nr. 68.129.17. Sie entstanden im 3.-4. Jahrhundert auf der Halbinsel
Krim. Seit dem 4. Jahrhundert wurden sie mit eingeglätteten
6, Napf. Ursprünglich taubengrau, außen mit gebrannten Gittermustern versehen und erhielten Ausgußhenkel auf
roten und schwarzen Flecken. Höhe 11 cm. Intercisa- z. T. auch Metallgefäße nachahmenden Kannen.
Museum, Inv.-Nr. 77.215.2.
1. PANTIKAPAION/Kersch, Krim, Ukraine. Sowjet­
7. Fragment einer ursprünglich glasierten Schüssel (oder union. Schwarz, Höhe 23,5 cm.
eines Topfes) mit Wellenbandverzierung. In der Zeich­ I. I. Kruglikowa. MIA 33, Moskau 1954, 110. nach
nung ergänzt. Intercisa-Museum. Inv.-Nr. 77.215.3. Taf. 7/4.

8. Fragmentierter Krug, die untere Hälfte waagerecht 2. Středa nad Bodrogom/Bodrogszerdahely-Baktahegy,


kanneliert, der obere Teil mit Wellenbandverzierung. Tschechoslowakei
Die Außenseite war ursprünglich grün glasiert, davon Siedlungsfund. Von der Siedlung stammen auch andere
blieben nach dem Großbrand nur noch Spuren erhal­ Gefäße, ein gewölbter Schildbuckel und ein Kamm mit
ten. Fragmentarische Höhe 24 cm. Intercisa-Museum. gewölbter Griffplatte. Dunkelgrau. Höhe 34,5 cm.
Inv.-Nr. 68.129.13. B. Polla. Sborník Národního Muzea v Praze 63,
1969, 188-189, nach Abb. 6/1 Rekonstniktionsversuch
9., Krug, grau mit matter Oberfläche. Auf der Schulter unter Abb. 3/1. Hier wurde nach dem Gußhenkel des
eingekratzte Wellenbänder Fragmentarische Höhe Kruges von Regöly anders rekonstruiert Vgl. noch K.
24,6 cm. Intercisa-Museum, Inv.-Nr. 68.129.14. Pieta. GHA 411, IX, 12.

263
haben. Nördlich der Linie Körös-Schnelle Körös bis Sajó-
3. Tiszalök-Rázompuszta, Rázom-major, Komitat Sza- Hernád-Obere Theißgegend kann auf ein vor allem von
bolcs-Szatmár-Bereg hunnischen Kriegern bewachtes Gebiet geschlossen werden:
Angeblich wurde der Krug neben einem W-O-orientier- auf das Gepidia der Hunnenzeit. Ein hervorragender Beweis
ten Skelett zusammen mit einem Kamm mit gewölbter für das Land der in ihrer Kampfurt von den Hunnen abwei­
Griffplatte, einer Lanzenspitze und einem Schildbuckel chenden Gepiden ist die Verbreitung des hunnenzeitlichen
gefunden. Grau, gut gedreht, mit Glättverzierung. Hö­ Typs der gewölbten und konischen eisernen Schildbuckel. Es
he 17,3 cm. In einer Privatsammlung. ist sicher kein Zufall, daß sich entlang der Hernád und Sajó
M. Párducz, Acta ArchHung II, 1959, 230, nach die Grenze zwischen Hunnen und Germanen hinzieht, wo
Taf. XXII/5; bringt ebendort zahlreiche Parallelen aus früher die Siedlungsgebiete der Sarmaten und Wandalen
dem Pontusgebiet. zusammentrafen (vgl. K. K. Végh: HOMÉ 10, 1971, 87-114,
Abb. 1 und Karte).
4. Wien 21-Leopoldau, Grab 3, Mit östlichem Schwert Das eigentliche Zentrum der hunnischen Macht, der
und Kampfmesser bestatteter Mann. fürstliche Ordu und seine Umgebung, dürfte sich zwischen
Schwarz wirkendes Braungrau, unvollständig, untere der Körös und der Aranka oder gar der Temes befunden
Hälfte fehlt. Ergänzte Höhe etwa 20 cm. haben. Zwischen Temes und unterer Donau ist wieder mit
E. Beninger. Mannus 28, 1936, 257, Taf. 10-11, Die militärischen Wachtposten zu rechnen, doch ist dieses Ge­
Bedeutung des Kruges und seinen Zusammenhang mit biet archäologisch noch zu wenig erforscht, um mehr als
dem von Tiszalök erkannte unter anderem H. Mitscha- Vermutungen aussprechen zu können. Der Ordu läßt sich
Märheim, Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren. Die zwischen Szikánes und Mezőberény oder zwischen Szikánes
Völkerwanderungszeit in Österreich, Wien 1963, 42-44, und dem Aranka-Fluß vermuten
doch hielt er ihn für ein germanisches Erzeugnis von der
Halbinsel Krim. Neuerdings behandelt als ein Produkt 70. Kammergrab eines hunnenzeitlichen Würdenträgers
unter ostgermanischem oder hunnischem Einfluß von Kischpek, Kurgan 13, Kabardino-Balkaria, Bezirk Baksan,
H. Friesinger. ArchAust 68, 1984, 130, Abb. 12/11, Sowjetunion (1975)
Kleinere Gußhenkelkrüge „sarmatischen" Typs tre­ Der nur aus Vorberichten bekannte große Grabfund ist
ten bereits im 4. Jahrhundert im Südteil der Ungari­ der einzige, durch welchen wir uns einigermaßen eine Vor­
schen Tiefebene auf. stellung von den wahren Bestattungen der hunnenzeitlichen
Führungsschicht machen können. Rugas und Attilas Grab
69. Die wichtigsten archäologischen Fundorte der Hunnenzeit im müssen ähnlich, nur viel reicher ausgestattet gewesen sein.
Karpatenbecken Unter dem niedrigen Kurgan mit 41 m Durchmesser kam in
Von der Karte können sowohl die Etappen der hunni­ 2,5 m Tiefe eine 4,80 x 2,55 m große, aus Balken gefügte,
schen Eroberung Pannoniens als auch die prinzipiellen S-N-orientierte, zweigeteilte rechteckige Grabkammer zuta­
Grundlagen der Herrschaftssicherung im Karpatenbecken ge. In der 3,60 x 2,25 m großen Kammer I war der größte
abgelesen werden. In der militärischen Grenzzone der Savia, Teil der Beigaben deponiert, während im südlichen Drittel
die erst nach 445 unter hunnische Herrschaft geriet, findet innerhalb der 2,20 x 2,35 m großen Kammer II das W-O-
sich kein einziger hunnischer Fund, obwohl es sich um ein orientierte Skelett lag. Zwar haben der Einbruch der Deck­
archäologisch gut erforschtes Gebiet handelt. In der im Jah­ balken und vielleicht auch die Plünderung der Totenkammer
re 441 eroberten Pannonia Secunda am südlichen Donauufer Schäden an den Beigaben verursacht, im ganzen gesehen ist
kann bloß mit vorgeschobenen Brückenköpfen gerechnet jedoch trotzdem ein einmaliges Grabinventar erhalten ge­
werden. Die Lasten der militärischen Besetzung der Provin­ blieben.
zen „Pannoniae" durch die Hunnen in der Zeit zwischen 425 In der südwestlichen Ecke der Kammer I lag ein aus 32
und 434 hatte sicherlich die Valeria zu tragen, die tatsächlich bogenförmigen Eisenlamellen zusammengesetzter Helm, mit
unter hunnischer Herrschaft stand. Es ist daher kein Zufall, Silberblech überzogen und mit Karneolen in Goldzellen ver­
daß hier vier Opferkessel und drei Totenopfer mit Goldbö­ ziert (Durchm. 22 cm) und mit einer bronzenen Kette. Ent­
gen zutage gekommen sind. Gleichzeitig mit der Besetzung lang der Südwand der Kammer lagen eine Henkelschale aus
der Valeria - wenn nicht schon früher- erfolgte die Inbesitz­ Ton, ein zylindrischer Bronzekessel mit Eisenhenkel und ein
nahme der wichtigen Übergänge im Gebiet zwischen den kleinerer Bronzekessel. Entlang der Ostwand reihten sich
Flüssen Neutra und Eipel sowie die Sicherung des strategisch weitere Gefäße sowie reiches Pferdegeschirr: mit Goldblech
wichtigen Thaya-March-Donau-Gebietes. Die verhältnis­ überzogene und karneolenbesetzte Phaleren mit den dazuge­
mäßig starke hunnische Besetzung vor allem der nördlichen hörigen, mit blauem Glas verzierten Riemenzungen (ähnli­
Hälfte der Pannonia Prima erfolgte nach 434, Die in diesem che aus den hunnischen Funden da Wolgagegend sind z. B.
Bereich freigelegten Funde können mit einer Genauigkeit auch aus Marxstadt bekannt), eine eiserne Trense mit ähn­
von etwa 20 Jahren (434-454/55) datiert werden. lich verzierten Zügelösen, halbmondförmige Anhänger aus
Das Sandhügelgebiet zwischen Donau und Theiß dürfte Bronze, zahlreiche Bronze- und Silberschnallen, Riemenbe­
für die Hunnen mehr oder weniger eine Übergangszone schläge usw. In der nordöstlichen Kammerecke lag unter
gewesen sein, ebenso wie dies später, in den ersten zwei einem verrosteten eisernen Panzerhemd ein schlecht erhalte­
Dritteln des 6. Jahrhunderts, zwischen Langobarden und ner Holzsattel, der mit Bronze- und Silberblechen verziert
Gepiden der Fall war. Mit Ausnahme einiger Gräber in der war; näheres ist leider über diesen Sattel nicht bekannt.
Gemarkung bzw. im Gebiet des heutigen Budapest und Ebenfalls unter dem Panzerhemd lag diagonal ein 51,5cm
zweier Totenopfer zwischen Sandhügeln (Törtel, Nagyszék­ langes, zweischneidiges Kurzschwert. Die beiden in der Mit­
sós) gibt es keinerlei Hinweise, daß sich die Hunnen oder ihre te der Kammer aufgestellten, in Tierköpfen endenden Eisen-
bewaffneten Verbündeten in diesem Gebiet niedergelassen kandelaber (Höhe 54 und 81 cm) sind in ihrer Art einmalig.

264
An der Nord- und Wesltseite der Kammer kamen weitere Edward Daniel Clarke, Travels in various countries of
Ton- und Holzgefäße, mit blauen Steinen verzierte Goldble­ Europe, Asia and Africa. The First part. Russia. Tartary and
che, goldene Rosetten und verschiedene Goldschnallen zum Turkey. London 1810, 396-399 nach der Beschreibung und
Vorschein. In einem Krug lagen eine Fibel und die Hälfte dcm Stich des Armreifens. Gibt als Fundort „Sienna" an. -
eines an der Rückseite mit Radialstegen verzierten Bronze- Das wichtige Vorbild entdeckte D. S. W. Kidd (British Mu­
spiegels mit Ohr (Durchm. 6,2 cm). seum), ihm verdanke ich Bild und Angaben.
In der Kammer II lag nach dem Grabplan ein zerfallenes,
73. Krug
wahrscheinlich gestörtes Skelett. Neben dem Schädel befand
Füzesgyarmat-Szabadkai utca, Komitat Békés (1972)
sich eine Lanzenspitze aus Eisen, (Länge 28 cm) zwischen
den Knochen eine massive Goldschnalle (und menschliche Der aus einem hunnenzeitlichen oder nur etwas jüngeren
Antlitze darstellende, geprellte Goldbleche, eine bronzene gepidischen Grab stammende Krug untermauert durch sein
Pinzette und Fibel. Außerhalb der Kammer in der Schutter- tief eingeglättetes Fischgrätmuster die barbarische Herkunft
de des Kurgans fanden sich an zwei Stellen Pferdeknochen des ähnlich verzierten Kruges von Lengyeltóti (Taf. 72).
(Rippen, Zähne. Wirbel), die Reste des Fleischopfers. Dünnwandig, grau, unvollständig. Höhe 29 cm. Békéscsaba.
Die Bestattung dieses hunnischen Würdenträgers aller Mihály Munkácsy-Museum. Inv.-Nr. 75, 88, I.
Wahrscheinlichkeit nach alanischer Abstammung - dem I. Ecsedy - L. Kovács - B. Maráz -I. Torma. Békés megye
Pfeil und Bogen nicht beigelegt worden waren! - dürfte zu régészeti topográfiája. A szeghalmi járás [Archäologische
Beginn des 5 Jahrhunderts erfolgt sein. Topographie des Komitats Békés. Kreis Szeghalom], MRT
R. Sh. Betrozow, Sachoronenije woshdja gunnskowo wre- 6, Budapest 1982, 97, nach Taf. 46/9.
meni u sel. Kischpek. Sewernij Kawkas w drewnosti i w
srednije weka. Moskau 1980, 113-122, nach Abb 1-3 (Aus­ 74. Granulierte Schmuckstücke aus Mittelasien
wahl). Ders. Kurgany gunnskawa wremeni u selenija Kisch­ Für die Tracht der aus dem Osten in das hunnische Zen­
pek. Archeologitscheskijr issledownija na nowostrojkach trum der Donaugegend gekommenen Menschen waren die
Kabardino-Balkarii. Tom 3, Naltschik 1987, 13-19, Taf. mit in Drejeckform angelöteten Kügelchen verzierten sog.
II—VIII. - Einzelheiten nach einer noch immer unvollsländi- granulierten Schmuckstücke keineswegs charakteristik
gen Publikation. mit Ausnahme der Ohrgehänge von Mezőberény (Farbtaf.
XXVIII) kommen sie nicht vor. Um so typischer waren sie
71. Funde aus einem Katakombengrab aber für die weiten Steppenzonen von der unteren Donau
Utamysch, Kurgan 2, Dagestan, Sowjetunion (1971) über den Balchaschsee bis zum Ob. Aus Männer- und
Die aus dem in der Antike geplünderten Männergrab Frauengräbern sind drei Typen bzw. Varianten granulierter
erhalten gebliebenen Funde stellen ein Verbindungsglied Ohr- und Stirngehänge bekannt: 1. Beljaus-Pokrowsk-Kara
zwischen östlicher und westlicher hunnenzeitlicher Tracht Agatsch (Abb. 59). 2. Aleschki-Marfowka-Sdwishenskoje
dar. Die goldene Gürtelschnalle mit almandinverziertem und 3. Balteni-Leninsk-Selenokumsk. Die granulierten
Dorn kommt auch in Ungarn oft vor, die kleinere Riemen­ Schmuckstücke gehen auf die kuschan-sassanidische Gold-
zunge aus Gold ist wiederum mit jener aus Buda verwandt schmiedekunst in Mittelasien zurück, an deren Stelle bei den
(Taf. 101), während die größeren goldenen Riemenzungen im Karpatenbecken siedelnden Hunnen der spätantik-
Parallelen aus Silber im Grabfund von Musljumowo in der germanische Stil trat. Stützt man sich auf die hunnischen
Tscheljabinskgegend haben, ihre Granulierung verbindet sie Funde aus Ungarn, ist es keineswegs angebracht, in die
wiederum mit hunnenzeitlichen Funden Mittelasiens (Abb. gegenwärtig geführte umfassende Diskussion in der sowjeti­
10 und 74). Parallelen zu den länglichen Riemenzungen aus schen Archäologie einzugreifen, die Granulation in der
Silber begegnen wir in den Gräbern von Kertsch und Len­ Goldschmiedekunst zeitlich richtig einzuordnen. Eine Grup­
gyeltóti (Farbtaf. XXII) Die rechteckigen Silberplättchen pe unserer frühawarischen Funde macht darauf aufmerk­
zierten wahrscheinlich den Gürtel, die kleine runde Gold­ sam, daß die mit in Dreieckform angebrachter Granulation
schnalle kam im Fußbereich zutage. Die halbmondförmigen versehenen Schmuckgegenstände im Osten mindestens bis
Silberanhänger sind in östlichen bunaischen Funden sehr zum 7. Jahrhundert weiterhin in Mode waren. Von jener
häufig. Alle diese Parallelen datieren den Kurgan in das Erwägung ausgehend, werden hier so berühmte Funde wie
zweite Viertel des S. Jahrhunderts. Borowoje/Buwrrabaj. Ufa-Nowikowo und Schamschi, die im
W. G. Kotowitch - W. M. Kotowitsch-S. M. Magomedow, allgemeinen für hunnenzeitlich gehalten wurden bzw. wer­
Utamyschskije kurgany. Sewernij Kawkas w drewnosti i w den, nicht erörtert Eine Gruppe Kasachstaner Schmuck-
srednije weka. Moskau 1980, 55-61, nach Abb. 10. stücke bewahrt wahrscheinlich getreu jene stilistischen und
technischen Vorbilder, von denen der Granulationsstil der
72. Goldener Armreif Steppen ausgegangen war. Authentische Grabfunde (Kanat­
Sennoi, Halbinsel Taman, Sowjetunion (vor 1810) tas. Aktöbe II. Kysylkainartöbe. Alaj) bestätigen, daß sich
Stammt aus einer Sekundärbestattung. die General G. diese Mode im 4, bis 5 Jahrhundert auf den kasachisch-
Vanderweyde bei Kurgangrabungen in einer gewölbten kirgisischen Steppen verbreitete (vgl. Abb. 3, 18/1 und 44).
Grabkammer fand. Massives Gold mit Granatverzierung
Durchmesser 8 cm, Gewicht um 300 g. 1.-2. Ein dieser Gruppe angehörendes, mit roten Steinen
Die Ungeheuerköpfe mit Sägezahn, offenem Mund, die verziertes, goldenes Stirn gehängepaar kam im Fried­
Augen mit runden und der Rücken mit tropfenförmigen hof I von Besoba-Aktasch (Aktaschta) im Siebenfluß-
Granateinlagen, die trassierte Mähne sind die beste östliche gebiet zum Vorschein. Durchmesser. 5,7 cm.
Parallele zu dem Szegeder Goldschnallenhng (Farbtaf P. Agapow-M. Kadyrbajew, Sokrowischtscha drew -
XXX-XXXI). gleichzeitig aber auch das beste Vorbild für newo Kasachstana. Alma-Ata 1979, 116-117, Abb. 3.
die Armreifen von Bakodpuszta (Taf. 112)

265
Dies. in: Kasak SSR Tarichy. Alma-Ata 1980, auf S. 288 mit Golddraht umrahmten Goldkügelchen. Es gibt nur
in Farbe. K. Akischew-A. Akischew. Kasachstana. Alma- wenig andere so gute Beweise für die archäologische Ein­
Ata 1983, Drewneje Soloto, nach Abb. 152-153 korri­ heit des Hunnenreiches wie gerade diese Zierplatten -
giert. Vgl. noch V. N. Basilov-M. E. Zirin. Nomads of leider unbekannter Funktion -, die an zwei entgegenge­
Eurasia. Los Angeles-Denver-Washington 1989, 44. setzten Enden des Reiches gefunden worden sind.
T. N. Shenigowa, a. a. O., 281, Abb. 3/1,
3. Ein ähnliches goldenes Stirngehänge aus dem Dorf Satah
in der Umgebung von Alma-Ata. 75. Die Marcianus-Säule
T. N. Schenigowa, Po sledam drewnich kultur Kasach­ Konstaninopel/Islanbul, um 455/456
stana. Alma-Ata 1970, 280-281, nach Abb. 1/2, Die zwischen winkligen Gassen und Privathäusern be­
findliche, früher fast unauffindbare Säule wurde erst kürzlich
4. Besonders interessant ist das im Sowchos „Gornij gigant" von ihrer Umgebung befreit. Daher ist sie noch immer wenig
im Ostteil des Siebenflußgebietes gefundene Platten- bekannt. Die aus einem Stück gearbeitete, mehr als 10 m
bruchstück aus vergoldetem Silber (Länge 5,3 cm. Breite hohe Granitsäule ruht auf einem viereckigen Marmorsockel.
3,0 cm), da es den im Donaugebiet einzigartigen Zierplat- Auf dem mit Adlerfiguren verzierten Kapitell stand ur­
ten von Mezőberény näher steht als die granulierten sprünglich die Bronzestatue des Kaisers. Auf der vorderen
Goldplatten von Kutschugury (vgl. Taf. 104). Es ist mit Sockelplatte heben zwei geflügelte Viktorien einen Sieges­
einem gerippten Golddraht umrahmt und ebenso wie die kranz in die Höhe, darüber befindet sich die beschädigte
entsprechenden Funde von Mezőberény mit Hilfe von Marcianus-Inschrift.
Nieten an einer Unterlage befestigt. Doch nicht nur die Auf der hinteren Sockelplatte in einem Kranz eingerahmt
mit Golddraht in Zonen geteilte Oberfläche zeigt deutlich ein Schildrelief mit Christogramm verziert Nach einer Foto­
die Verwandtschaft der beiden Stücke, sondern auch die aufnahme des Verfassers (1968).

266
Erläuterungen zu den Tafeln

1. Onyx-Fibel aus dem II. Schatz von Szilágysomlyó (Farbtafel I) eine runde bzw. ovale, mit Edelsteinen verzierte Fibel derar­
Szilágysomlyó im ehemaligen Komitat Szilágy, heute Şimleu tiger größe nur vom Kaiser getragen worden sein, zählte also
Silvaniei, Judeţul Sălaj, Rumänien (1889) zu den Herrscherinsignien. Gegenstand der Diskussion ist:
Der Schau wurde am 20. April 1889, einem Karsamstag, Handelt es sich bei dieser Kaiser-Fibel um ein römisches
in kaum 45 cm Tiefe in einem Haufen gefunden. Da er mit Erzeugnis, das einem barbarischen Fürsten geschenkt
einer dicken Kalksinterschicht überzogen war, wurde er vor­ worden war oder aber um eine geschickte barbarische
erst als wertloser Schult durcheinandergeworfen. Einer Nachahmung?
Nachricht zufolge erkannte B. Orbán, der bekannte Histori­ Der Form nach geht die Fibel auf die spätrömischen, im
ker und Archäologe des damaligen Siebenbürgen, der sich 4. Jahrhundert üblichen Zwiebelknopffibeln zurück. Die ei­
zufällig in Szilágysomlyó aufhielt, die Bedeutung des Fundes gentümlich rohrförmigen Fassungen der Karneol- und Berg-
und rettete ihn. Auf seine telegraphische Verständigung hin kristalleinlagen sind von antiken Goldgeflechten überzogen.
eilte auch F. Pulszky. Generaldirektor des Ungarischen Na­ Auch der Nadelhalter ist eine charakteristisch römische Ar­
tionalmuseums, zur Stelle, und nach sorgfältiger Prüfung beit. Der 8,6 x 6,9 cm große, ovale Onyx in der Mitte ist ein
stellten sie zusammen fest, daß der Schatz auf demselben so kunstvoll geschliffener Edelstein, wie ihn zur damaligen
Grundstück zum Vorschein gekommen war wie der bereits Zeit keine einzige barbarische Werkstatt hätte herstellen
am 3. August 1797 aufgefundene erste Teil, nämlich im können. Der Schmuckeffekt des Edelsteines wird noch durch
kleinen Garten des von I. Pap gemieteten Hauses der Josefi- die in den Onyx eingelassenen Goldzellen mit roten Einlagen
ne Teleszky. Die Verfälschung dieser Fundumstände und im gesteigert, die die in Blau und Weiß schillernde Grundfarbe
besten Fall deren Unkenntnis führten zu zahlreichen Diskus­ des Onyx noch lebendiger gestallen; also eine weitere techni­
sionen und vor allem Theorien, nach denen die beiden Teile sche Meisterleistung. Die 9,6 x 8,1 cm großen Zellenrahmen
des Schatzfundes zeitlich und ethnisch zu trennen gewesen des Onyx sind viel regelmäßiger und feiner gearbeitet als alle
wären. Seit den nicht zu übertreffenden, genauen technischen anderen Zellenreihen des Szilágysomlyó-Schatzes. Unter
Vergleichsprüfungen durch N. Fettich besteht archäologisch Zellenschmuck verstehe ich hier und im weiteren zusammen­
kein Grund mehr, die beiden Teile des Schaues zu trennen hängende Zellen. In diesen wechseln rote, weiße und grüne
und die historisch, ja auch praktisch absurden Theorien Edelsteine einander ab.
weiterzuverfolgen. Schon bei der Auffindung der Fibel fehlten die sonst bei
Das Sammeln des im ersten Teil des Schatzes verborgenen den kaiserlichen Scheibenfibeln immer vorhandenen, lang
Männerschmuckes erstreckte sich über drei Generationen. herunterhängenden Prunkketten aus Gold. Daß solche ur­
Beginn und Abschluß sind eine Generation früher anzuset­ sprünglich auch aul unserer Fibel angebracht waren, bewei­
zen als das Sammeln des zweiten Schatzteiles, der vor allem sen die drei kleinen Ösen auf der Hülse der Nadelspirale und
aus Frauenschmuck zusammengesetzt ist. Die nunmehr ein Achskonsiruktion. Die Kelten wurden sicherlich deswegen
Jahrhundert dauernden historischen, archäologischen, stil­ von der Fibel entfernt, weil der damit Beschenkte, der sie
kritischen und technischen Forschungen zusammenfassend zuletzt trug, kein Anrecht auf die nur dem Kaiser zustehen­
ist zu sagen: Der Schmuck stammt aus der königlichen den goldenen Pendilien hatte.
Schatzkammer des gepidischen Stammesbundes. Sein Ver­ Üblicherweise wird die Onyx-Fibel zu den hier nicht erör­
bergen könnte anläßlich des Eindringens der Hunnen in die terten, älteren Schmuckstücken des II. Schatzes gerechnet.
Tiefebene um 425 stattgefunden haben, im Auftrag und als Tatsächlich überragt sie jene bei weitem und ist keiner der
Tätigkeit jener Personen, die im Zuge des Sturzes der frühe­ Schmuckstückgruppen zuzuordnen. Aller Wahrscheinlich­
ren gepidischen Herrscherdynastie den Geschehnissen zum keit nach ist sie ein Erzeugnis der kaiserlichen Goldschmie-
Opfer fielen. dewerkstatt in Konstantinopel und konnte in Anbetracht
ihres Grundtyps nach 330 in jedwedem darauffolgenden
Von dem aus 25 Stücken bestehenden II. Schatz wird hier
Jahrzehnt AI ihrem neuen Besitzer gelangen Die Abnut-
mit Ausnahme der Onyx-Fibel und des Eidringes nur von
zungsspuren geben über ihr weiteres Los kaum Auskunft.
solchen Schmuckstücken aus dem letzten Vierul des 4. Jahr­
Ihre Zellenschmelztechnik aber wurde zum unübertroffenen
hunderts und dem ersten Viertel des 5. Jahrhunderts eine
Vorbild der barbarischen Goldschmiedekunst von Szilágy­
Auswahl gegeben, die stilistisch und in ihrer technischen
somlyó.
Ausführung eine enge Verbindung zu der hunnenzeitlichen
Goldschmiedekunst herstellen. Länge 17,1 cm. Breite 11,4 cm. MNM Inv.-Nr 122.
Die ihrer Herkunft wegen vieldiskutierte Onyx-Fibel mit 1895 . 1.
dem Goldring Nr. 9 und die drei Goldschalen gehören zu­ Pulszky, A szilágysomlyói kincs [Der Schatz von Szilágy-
sammen zum männlichen Teil des Schaues und sind fürstli­ somlyó], ArchÉrt 9, 1889, 233-238. Ders., A szilágysomlyói
che Regalien. Nach römischen Münzen und Medaillen des két kincslelet. Értekezések a történeti tudományok köréból
4. und 5. Jahrhunderts sowie anderen Darstellungen kann (Die zwei Schatzfunde von Szilágysomlyó. Abhandlungen

267
aus dem Kreis der historischen Wissenschaften), XIV/5, Bu­ 5. Fibelpaar (Farbtafel V)
dapest 1889, über die Fundumstände. Szilágysomlyó (1889)
Pulszky. Szilágy-Somlyó, 29 und Abb. auf den S. 23-24, Der Form, der Verzierung und dem Stil nach stehen von
Fetlich, Szilágysomlyó. 21-23, Taf. VII/l-2, VIII/8, IX/1, allen Fibeln von Szilágysomlyó dieser als Paar gefundenen
X/1. Fibel die aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammen­
2. Fibel (Farbtafel II) den und in reichen Adelsgräbern oder Schatzfunden der
Szilágysomlyó (1889) vornehmen Familien Mittel- und Westeuropas zutage ge­
kommenen Exemplare am nächsten (Untersiebenbrunn, Ai-
Silbergegossene Platte mit Goldblech überzogen. In ran-Moult-Argences, Rábapordány [Taf 25]. Völc/Velţ, Ge-
den angelöteten Goldfassungen rote Schmucksteine auf lénes). Allerdings sind alle diese Fibeln kleiner, einfacher und
glatten Goldfolienunterlagen. Die Kästchenfassungen weisen vor allem keinen Zellendekor auf. Einen solchen
sind von gedrehten Golddrähten eingefaßt. Zwischen den besitzen nur zwei osteuropäische Fibelpaare : auf den Bügeln
einzelnen Fassungen winzige, von glatten Drähten einge­ der meisterhaft gearbeiteten Stücke des Neshiner Schatzes
rahmte Granulation. Am Bügel sind rote Steine in regel­ (Oblast Tschernigow) und auf den Bügeln des weit im Nor­
mäßigen Zellenreihen angebracht. Der Perldraht am Fi­ den in einem alanischen Grab mit Schwertbeigabe gefunde­
belrand und die Wetzspuren am Bügel verweisen auf eine nen Paares von Porschnino (Oblast Orel). Während das
lange Benutzungsdauer. Dieser Vorläufer der Fibeln vom Neshiner Fibelpaar mit den hier nicht erörterten frühen, sehr
Typ Regöly gehört dem Alter nach zu der mittleren abgenutzten Fibeln des IL Schatzes von Szilágysomlyó ver­
Gruppe des Fundensembles (letztes Viertel des 4. Jahr­ wandt ist, sind die Fibeln von Porschnino zweifellos in die
hunderts). erste Hälfte des 5. Jahrhunderts zu datieren (W. W. Kropot-
Volle Länge der Fibel (wie auch des Paarstückes) 16 cm, kin. Swod Archeologitscheskich istotschnikow SSSR, D.
MNM Inv.-Nr. 122, 1895, 14. 1-27, Moskau 1970. Nr. 1044 und 1109, Taf. 53-54, - Das
Pulszky, Szilágy-Somlyó, 27, Abb. auf S. 18. Fettich. Verhältnis zwischen Porschnino und Szilágysomlyó beurtei­
Szilágysomlyó, 29-30, Taf. XIV/1-XV/l. len ähnlich I. P. Sassetzkaja. Drewnosti, 1982, 14-30, und
A. K. Ambros. Drewnosti, 1982, 107-111, Abb. 1,)
3. Fibel (Farbtafel III)
Aus Silber gegossen und mit Goldblech überzogen. In
Szilágysomlyó (1889)
dem Zellenwerk auf den Bügeln und an der Stelle der „Pal-
Diese relativ kleine, als Paar gefundene Fibel weicht im metten" in meisterhaften Zellen rote Granate und je eine
Stil von der Mehrzahl der späten Fibeln ab und ist nur mit grüne Glaseinlage auf gerippten Goldplättchen. An den bei­
dem nachfolgend behandelten, mit zickzackigen Zellen um­ den Bügelseiten aus gekerbtem Draht gewundene und ange­
rahmten Fibelpaar verwandt. lötete Spiralornamente. Auf den Platten reihen sich Granate
Aus Silber gegossen und mit Goldblech überzogen. in einzelnen, mit Perldraht eingerahmten Käslchenfassun-
Fast die gesamte Oberfläche ist mit goldgefaßten Zellen gen. Die Fibel selbst ist mit einem dicken Perldraht einge­
bedeckt, auf der halbkreisförmigen Spiralplatte in kreis­ rahmt. Kaum abgewetzt und benutzt. Die tierkopfförmigen
förmiger, am Bügel und auf der fünfeckigen Hakenplatte Zierknöpfe brachen bei der Auffindung ab und gingen verlo­
in Zickzack-Anordnung. Bloß die Zwischenräume sind ren. Nachträglich kam nur ein Seitenknopf mit Zellen Verzie­
auf beiden Platten mit je vier Granaten in eigenen, mit rung zutage.
Filigrandraht eingefaßten Kastchenfassungen verziert In Gegenwärtige Länge der Fibel 17,4 cm. MNM Inv.-Nr.
den Fassungen wechseln auf beiden Platten grüne und 122, 1895, 12-12a.
rote Steine auf gerippten Goldfolienunterlagen. Auffal­ Pulszky, Szilágy-Somlyó, 26, Abb. von S. 16. Fettich.
lend ist das Fehlen des Perldrahtrandes, was ebenso wie Szilágysomlyó. 30-32, Taf. XVIII-XIX. und Taf. VIII/4
die Abnutzungsspuren des Bügels und Zierknopfes auf (tierkopfförmiger Fibelknopf).
eine lange Tragdauer verweist.
Länge 12,6 cm, zusammen mit dem Zierknopf 13,3 cm, 6. Fibel (Farbtafel VI)
MNM Inv.-Nr. 122 1895, 11. Szilágysomlyó (1889)
Pulszky. Szilágy-Somlyó, 22-25, Abb. auf S. 15. Fettich, Auf diesem Fibelpaar kann sehr gut beobachtet werden,
Szilágysomlyó, 34-36, Taf. XXII. I. welche Form das bei der Onyx-Fibel verwendete Zellenwerk
selbst in der Hand des geschicktesten germanischen Gold­
4. Fibelpaar (Farbtafel IV) schmiedes angenommen hat.
Szilágysomlyó (1889) Aus Silber gegossen und mit Goldblech überzogen. Die
Mit den im Zickzack, fischgrätenartig, in drei Kreisen und Vorderseite ist mit einem in Ährenmuster geflochtenen
kreuzförmig angeordneten Zellen bzw. Fassungen ist dieses Draht umrahmt. Die ganze Fibel ist entlang ihrer Längsach­
Fibelpaar ein Vorbild und eine Parallele zahlreicher hunnen- se durch eine Reihe unregelmäßiger Zellen in zwei Hälften
zeitlicher Goldschmiedearbeiten, unter anderem zu dem geteilt. In den Zellen wechseln role und grüne Steine. Ein
Goldschmuck von Nagyszéksós. wichtiges Zierelement sind die jeweils drei runden Zellen, die
Die Fibeln sind aus Silber gegossen, der Dekor auf Gold­ die Zellenreihe abschließen. In den gevierteilten Innenzellen
blech angelötet. In den Zellen sitzen auf gerippten Goldfo­ sitzen rote und grüne Steine. Beachtenswert ist auch der
lien Almandine und Granate. Kaum abgenutzt, daher nur runde Zellendekor des Bügels. Die Oberflächen der Fibel
kurze Zeit benutzt. sind mit roten Steinen auf gerippten Goldfolien in unregel­
Länge 18,1 und 18,4 cm. MNM Inv.-Nr. 122, 1895, mäßigen Kästchenfassungen bedeckt, dazwischen sind win­
13-13a. zige Kügelchen angelötet, sogenannte Granulation. Die Fi­
Pulszky. Szilágy-Somlyó, 26, Abb. auf S. 16. Fettich, beln sind praktisch nicht abgenutzt, nur auf den Bügeln sind
Szilágysomlyó. 32-34 Taf. XX-XXI. Spuren gelegentlicher Benutzung sichtbar. Der sicher bei der

268
Auffindung abgebrochene Zierknopf blieb auf dem Paar- 10. Fibelpaar (Farbtafel IX)
stück erhalten. Gelénes, vormals Bereg, heute Komitat Szabolcs-Szatmár-
Länge 22,6 cm (das Paarstück mit Zierknopf 24,8 cm). Bereg, ehemaliges Degenfeld-Gut (1889)
MNM Inv.-Nr. 122. 1895, 3. Es wurde bei Grabungsarbeiten in geringer Tiefe ohne
Pulszky, Szilágy Somlyó. 27-28. Abb. oben auf der um- Knochen oder andere Begleitfunde geborgen, war also sicher
schlagbaren Tafelbeilage. Fettich, Szilágysomlyó, 38-39, vergraben worden. Das Fibelpaar wurde ebenfalls dem Na-
Taf. XXV/1. und XXVI/1. tionalmuseum als „Schatzfund" geschenkt. Aus Gold, mit
7. Goldschale (Farbtafel VII) Granaten in Kästchenfassungen geschmückt und mit Per-
draht umrahmt. Zwischen den Granaten perldrahtumrahm-
Szilágysomlyó (1889)
te, angelötete Kügelchen.
Die im Paar angefertigte Schale wurde aus einer einzigen Länge etwa 9 cm. MNM Inv.-Nr. 79, 1889 und 50. 1892,
Goldplatte gehämmert. Am Rand sind an sechs Stellen Der Größe und der Verzierung nach steht es dem um ein
Hobschalen-Metallbänder nachahmende, schmucksteinver- Drittel kleineren Fibelpaar aus Kertsch nahe, ist also wahr-
zierte Altaschen angebracht. In der Mitte des Schaleninne- scheinlich eine Arbeit aus dem Pontusgebiet. Vgl. I. P. Sas-
ren ist eine runde Zierscheibe befestigt, die einen von weißer setzkaja. Drewnosti, 1982, 18, 27, Abb. 3.
Paste umrahmten roten Stein in einer runden Goldfassung J. Hampel. ArchÉrt 10. 1890, 88 und Zeichnung. Hier und
und am Rand ebensolche rote Steine auf gerippten Goldfo- in allen späteren Werken Hampels (z. B. Alterthümer III,
lien in einem im Zickzack angeordneten Zellenwerk besitzt. Taf. 45/2) mit ,,Gelénes" verschrieben. Über die Fundum-
Die drei Schalen von Szilágysomlyó tragen an der Außensei- stände: T. Lehoczky, Adatok hazánk archeológiájához I
te angelötete Ösenringe. Die abgebildete Schale zeigt keiner- (Angaben zur Archäologie unserer Heimat). Munkács 1892,
lei Abnutzungsspuren, sie wurde demnach niemals verwen- 78-79, Eine Fotoabbildung ohne Fundortangabe bei A. Rie-
det. Die Eindellungen entstanden beim Auffinden. Der Form gel. Die spätrömische Kunstindustrie in Österreich-Ungarn.
und der technischen Ausführung nach gehört diese Schale zu Wien 1901, Taf. XII/7.
den jüngsten fundstücken des Schatzes; sie verrät bereits
östlichen hunnisch-alanischen Einfluß. 11. Mann mit künstlich deformiertem Schädel
Durchmesser 12,4 cm. MNM Inv.-Nr. 122, 1895, 15. Soponya-Homokbánya. Grab 4, Komitat Fejér (1959)
Pulszky. Szilágy-Somlyó, 31, Abb. von S. 26, Fettich. Es gehört im Karpatenbecken zu den Seltenheiten, daß
Szilágysomlyó, 42-44, Taf. XXIX-XXX. ein unversehrter deformierter Schädel aus einem ungeplün-
derten Grab bei Ausgrabungen zutage kommt. Der junge,
8. Fibel (Farbtafel VIII) dünnknochige Mann besaß als Beigaben ein Messer, eine
Szilágysomlyó (1889) eiserne Gürtelschnalle und ein Feuerzeug. Wegen seines
Von allen Fibeln aus Szilágysomlyó steht sie der hunnen- Turmschädels galt er zu seiner Zeit als hochgewachsener
zeitlichen „barbarischen" Goldschmiedekunst am nächsten. Mann (180 cm).
Ihre Oberfläche ist von den der Form und Größe der Käst- Germane, Mitte des 5. Jahrhunderts. Grabung und Auf-
chenfassungen angepaßten Almandinen wahrlich zugedeckt. nahme des Verfassers.
Aus Silber gegossen und mit Goldblech überzogen. In den I. Bona. Alba Regia I. 1960. 165, Abb. I
angelöteten Fassungen sitzen auf glatten Goldfolien rote
Steine. Die Fassungen sind mit doppelt geflochtenem Gold 12. Fibel (Farbtafel X)
draht umrahmt. Nur schwach abgenutzt, wurde kaum ver- Regöly-Pénzesdomb. Komitat Tolna (1967)
wendet. Eines der spätesten Stücke des Schatzes. Die Bestattung einer vornehmen Frau ist ein überraschen-
Länge 24,6 cm. MNM Inv.-Nr. 122, 1895, 2, des Zeugnis der bewegten Jahrzehnte der Völkerwande-
Pulszky, Szilágy-Somlyó. 31. Abb. auf der unischlag- rungszeit. Ihr Schädel wurde erst spät artifiziell deformiert,
baren Tafelbeilage. Fettich, Szilágysomlyó, 36-38, Taf da er weder nach hinten rutschen noch sich erheben konnte.
XXIII/1. Als junge Frau erlitt sie am Kopf eine schwere Hiebverlet-
zung, die zwar nie ganz vernarbte, die sie aber doch Jahre
9. Goldring überlebte, bevor sie in orientalischer Prunkkleidung bestat-
Szilágysomlyó (1889) tet wurde. Von dem goldenen Kleiderschmuck blieben 123
Als Armring ist er zu groß, als Malsring nicht zu tragen. Stücke erhallen. Ein Stuck von ihrem Hauptschmuck, eine
Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen soge- Goldkette mit Anhängseln, ist abhanden gekommen, ebenso
nannten Eid- oder Schwurring, der bei der Inauguration wie wahrscheinlich auch andere Schmuckstücke. Die Fibeln
eines Königs verwendet wurde. wurden auf den Schultern der Toten gefunden. Die aus
Der Ring ist aus gewundenem, zusammengelotetem Silber gegossenen und mit Goldblech überzogenen Fibeln
Golddraht gearbeitet, innen hohl und an drei Stellen durch sind von nur annähernd ähnlich angeordneten Kästchenfas-
knotenartige Verdickungen (Nodi) unterteilt. Zwei dieser sungen bedeckt. In diesen Fassungen sitzen dunkelrote Gra-
Knoten haben eine melonenförmige Oberfläche, der dritte nate, in einem einzigen Fall durch grünes Glas ersetzt. Die
trägt ein eingraviertes Fischgrätmuster bzw. ein aus kleinen konzentrischen Rundfassungen in der Mitte der Platten sind
winkligen Linien bestehendes Blattmotiv. Der Ring ist abge- mit dünnem, gedrehtem Golddraht umrahmt. Die Fibeln
wetzt, sicher längere Zeit benutzt worden und gehört zu sind mit einem Perldrahtrand versehen. Hauptdekor sind die
den frühen, Männern zuzuordnenden Gegenständen des Raubvogelköpfe darstellenden Tierknöpfe mit Granatau-
Schatzes. gen.
Durchmesser 12-12,5 cm MNM Inv.-Nr. 122, 1895, 10. Länge 18 cm. WMM Inv.-Nr. 67.3.1.
Pulszky. Szilágy-Somlyó, 30. Abb. auf S. 25, Fettich, Gy. Mészáros. ArchÉrt 97, 1970, 66-73, Abb. 4/1-9/1.
Szilágysomlyó. 40. Taf. XXVII/I. Das durch den Fletcher-Fund 1947 in das New Yorker

269
Metropolitan Museum gelangte Stück mit der falschen da es in Ungarn bisher noch nicht gelungen ist, eine Bestat­
Fundortbezeichnung „Szilágysomlyó" ist der Form nach mit tung mit goldbesetztem Schleier fachgemäß freizulegen und
den Fibeln von Regöly verwandt und stammt wahrscheinlich die Funde komplett zu bergen. Die Zahl der in Regöly
aus derselben Werkstatt. Wie aus den viel später zum Vor­ gefundenen Goldflitter kommt in Pannonien den 81 Exem­
schein gekommenen Fibeln von Regöly vermutet werden plaren bzw. Bruchstücken von solchen aus dem 1903 gefun­
kann, stammt die Fibel wahrscheinlich aus einem vor 1945 denen Körpergrab von Papkeszi-Sáripuszta nahe (BMV
gestörten Grab in Transdanubien. V. K. Ostoia. A ponto- 1903. 1. 2364, D. Laczkó. MKÉRT 3, 1909, 138). Beide
gothic fibula. Bulletin of the Metropolitan Museum of Art Funde bleiben aber gegenüber den rund 500 (noch immer
11, 1953, 146-152. Im Bericht konzentrieren sich die chrono­ nicht kompletten) Stücken aus dem Grab der vornehmen
logischen Anschauungen der ersten Hälfte unseres Jahrhun­ Frau von Untersiebenbrunn, einer mehr oder weniger gleich­
derts. Jüngstens hat auch K. Brown. GHA 217, die Fibel rangigen Zeitgenossin der Frau von Regöly, bei weitem
unter dem Fund von Szilágysomlyó beschrieben und abge­ zurück.
bildet, dadurch ist sie aber noch keine echte Fibel von Szi­ Durchmesser der Stücke 1-3 cm. WMM Inv.-Nr.
lágysomlyó geworden. 67.3.9-14, 67.4.3-5.
Eine ausgezeichnete Parallele der herzförmigen Zellen Gy. Mészáros. ArchÉrt, 97, 1970, 76-80. Abb. 13-15.
entdeckte auf dem Fragment des Frauendiadems von Tschi-
liktu am kasachstanischen Koktalftuß I. Kovrig. FoliaArch 16. Trinkbecher aus Glas
36, 1985. 127-128, Abb. 8, 1-2, Regöly-Pénzesdomb. Komitat Tolna (1967)
Es ist zwecklos, vor eingehenden Materialuntersuchun­
13. Silberschnalle gen aufzuwerfen, ob dieses Exemplar der vom Kaukasus
Regöly-Pénzesdomb, Komitat Tolna (1967) über die Krim und die Ukraine bis Pannonien verbreiteten
Schnalle und Beschlag sind aus massivem Silber. Der spätantiken Gläser aus einer lokalen Werkstatt stammt oder
edelsteinverzierte Dorn ist mit dem der Schnalle von Nagy- von der vornehmen Dame bereits aus dem Osten mitge­
dorog (vgl. Farbtaf. XXVII) verwandt. Die Oberseite der bracht wurde.
kreisförmigen Schnalle ist mit ringförmigen weißen Glasein- Hellgrünes Glas mit dunkelblauer Noppenauflage. Höhe
lagen und Granaten versehen. Die Gürtelschnalle stammt 6,7cm. WMM Inv.-Nr. 67.160.2
aus derselben Werkstatt wie das vorhin erwähnte Fibelpaar, Gy. Mészáros. ArchÉrt 97, 1970, 84, Abb. 19/1, Schon
die Art ihrer Verzierung verweist auf Vorbilder im Pontusge­ vor ihm haben auch die Glasspezialisten L. Barkáczy-A.
biet (I. P. Sassetzkaja, KSIA 158, Moskau 1979, Abb. 3/61). Salamon, ArchÉrt 95, 1968, 31, Abb. 7/1, die Alternative
Das schuppenförmige Zellenwerk mit Granateinlage des Pannonien-Osten aufgeworfen.
vierpaßförmigen Beschlags ist mit der Adlerfibel des hunni­
schen Fundes von Conceşti verwandt (Alföldi, Hunnenzeit, 17. Falkenköpfiger Krug
Taf. XX/3). Regöly-Pénzesdomb, Komitat Tolna (1967)
Gesamtlänge 9 cm. WMM Inv.-Nr. 67.3.5. Der hinter dem Schädel der „Fürstin" von Regöly zum
Gy. Mészáros, ArchÉrt 97, 1970, 74-75, Abb. 10-11, Vorschein gekommene Krug ist zwar ein Unikal, läßt man
Gute Farbaufnahme: GHA 190, Taf. 15/1V. 6.a. jedoch die mit weißer Paste ausgefüllten Augen des Raubvo­
gels außer acht, so ist das Gefäß nichts anderes als eine in
14. Goldene Armreifen Ton übertragene Variante spätrömischer Mrtallkrüge. Es ist
Regöly-Pénzesdomb, Komitat Tolna (1967) wahrscheinlich, daß sogar das Vogelkopfmotiv auf ein spät-
Für das Grab von Regöly ist der Armreif mit trompeten- römisches, orientalisch beeinflußtes Ornament zurückgeht.
förmigen Enden von besonderer Bedeutung. Er ist in Mittel­ Auf den von Sarachane in Istanbul stammenden, heute in
asien und im Kaukasus schon seil dem 1. Jahrhundert häufig der Eckwand der Markus-Basilika von Venedig eingemauer­
und taucht seil dem Ende des 3. Jahrhunderts aufgrund ten Kaiserstatuen der Tetrarchie sind Schwerter orientalisch-
östlicher Einflüsse auch in germanischen Fürsten- und Für­ persischen Stils (?) mit sehr ähnlichen Adlerköpfen darge­
slinnengräbern des Karpatenbeckens auf. (Czéke/Cejkov stellt, ebenso wie Kaiser Honorius ein solches auf dem mit
Osztropataka/Ostroviany Grab 2.). Weitgehende Verbrei­ dem Regöly-Krug zeitgleichen Konsulardiptychon des Pro­
tung in Europa fand dieser fürstliche Armschmuck jedoch bus trägt. Trotzdem kann nicht entschieden werden, ob der
erst zur Zeit der hunnischen Bewegung, zusammen mit den Krug spätantikes, barbarischen Geschmack berücksichti­
im 4. und 5. Jahrhundert neuerlich in Mode gekommenen, gendes Erzeugnis eines Meisters aus dem Pontusgebiet ist
in Tierköpfen endenden Armreifen orientalisch-antiker Her­ oder von einem pannonisch-barbarischen Töpfer nach spät-
kunft. Beide Armreifen sind voll gegossen. römischen Vorbildern hergestellt wurde.
Durchmesser des Exemplars mit trompetenförmigen En­ Aus vorzüglichem Material, gut gedreht und von dunkel-
den 6,4 cm, jenes mit Tierkopfenden 6,1 cm. WMM Inv.-Nr. grauer, schwarz schillernder Farbe. Höhe 38,5 cm. WMM
67,3,6 und 7. Inv.-Nr. 67,160.1,
Gy. Mészáros. ArchÉrt 97, 1970, 75, Abb. 12/2-3, Gute Gy. Mészáros. ArchÉrt 97, 1970. 80-84, Abb. 16-18.
vergrößerte Farbaufnahme: GHA 190, Taf.l5/lV. 6, b-c. Ders., A regölyi „aranysír" - Das „Goldgrab" von Re­
göly, Szekszárd 1972, Taf. VIII-X. mit dem Verwandt-
15. Goldene Schleierbesätze schaftskreis des Kruges, allerdings ohne den vor etwa
Regöly-Pénzesdomb, Komitat Tolna (1967) 100 Jahren in das Museum gelangten, aber erst kürzlich
Es gelang hier, über 120 dieser aus Goldblech gepreßten, publizierten Krug von Pölöske (J. G[ömöri] und
zum Aufnähen gelochten winkligen, dreieckigen und runden H.U[bl]. Katalog Severin, 484, Nr. 5/24b und Taf. 24),
Flitter zu bergen. Ursprünglich mögen es wesentlich mehr der für ein römisches Erzeugnis spricht. GHA 195-196,
gewesen sein, doch läßt sich die genaue Zahl kaum angeben, IV, 6, g.

270
18. Goldene Schnallen und Goldschmuck (Farbtafel XI) und Anlagen gefundenen Krüge mit kanneliertem Körper (in
Lébény-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964) der Reihenfolge ihrer „Verwandtschaft": Szekler Neumarkt/
Die Funktion der aus dem geplünderten Grab eines bar­ Tîrgu Secuiesc, Spanţov, Mitreni, Čistilov, Urleasca; in den
barischen Militärführers stammenden Goldgegenstände ist östlichen Gebieten der Tschernjachow-Kultur ist die Ver­
nicht ganz klar. Die im Beckenbereich gefundene, größte wandtschaft noch weitläufiger) sind schlechte und unge­
Schnalle dürfte eine Gürtelschnalle gewesen sein. Beim schickte Nachahmungen römischer Metall- und Glasgefäße.
rechten Knöchel lag eine kleine Stiefelschnalle, sie war je­ Aus diesem Grund können die wesentlich besser geformten
und gearbeiteten Krüge von Lébény und Pölöske nicht von
doch im Bereich des linken ohne Gegenstück.
den „barbarischen Vorbildern" hergeleitet werden.
1. Goldene Gürtelschnalle. Auf dem scheibenförmigen Be­
schlag in speichenartigem Zellenwerk auf dünnen Gold- Der Krug ist gut geschlämmt, geglättet, gleichmäßig ge­
plättchen weinrote Steineinlage. brannt und von hellgrauer Farbe. Höhe (etwas unvollstän­
dig) 33 cm. HMMM Inv.-Nr. 64.1.15.1.
Länge 4,4cm HMMM Inv.-Nr. 64, 1.10. 1.
2. Goldschnalle mit rundem Beschlag. In dem Zellenwerk R. Pusztai. Arrabona 8, 1966, 105, III, Abb. 8; er hält
aus dünnen Goldplättchen weinrote Steineinlage. den Krug noch für spätrömisch. K. Ottományi, Fragen der
spätrömischen eingeglätteten Keramik in Pannonien, Diss
Länge 4,8 c m HMMM Inv.-Nr. 64, 1 . 1 1 . 1 .
Arch 11/10, 1981, 37-38, 48, Typ II. Taf. VIII. Trotz ihrer
3. Ähnliche, kleinere Schnalle.
guten Beobachtungen bezüglich der lokalen spätrömischen
Länge 3,1 cm. HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 12. 1.
Töpferei nimmt sie in dieser Frage aufgrund des Kruges von
4. Goldener Ösenring eines Nebenriemens. An seinem Be-
Regöly (vgl. Taf. 17) für den barbarischen Ursprung aus dem
schlagteil ein einziger weinroter Stein.
Pontusgebiet Stellung.
Länge 2,1 cm. HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 13. 1.
5. Das Auftreten eines W-förmigen, goldenen Schleierflit- 21. Spätrömischer Kamm
ters im Grab von Lébény ist rätselhaft. Derartige Besätze Lébény-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964)
sind uns nur von den Bestattungen reicher, junger Frauen
dieser Zeit bekannt (vgl. Regöly, Taf. 15), nicht jedoch Dieser wegen seiner Bronzenieten außergewöhnlich gut
aus Männergräbern Wahrscheinlich handelt es sich um erhaltene Kamm wurde unter dem Schädel des barbarischen
ein als Andenken in das Grab mitgegebenes Schleier- Militärführers gefunden (vgl. Abb. 38). Der Kamm ist so­
stück. wohl am Griffteil als auch auf dem Futteral mit dicht anein­
Länge 3,7 cm. HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 9. 1. andergereihten Punktkreisen und geschnitzten Pferdeköpfen
R. Pusztai, Arrabona 8, 1966, 101-105, Abb. 3/1-5. verziert. Obwohl der Kamm bereits bei seiner ersten Veröf­
fentlichung aus triftigen Gründen als römisches Erzeugnis
19. Schwertortband, Schwertperle und Scheidenschmuck vorgestellt worden ist, wird er in einem Großteil der archäo­
Lébóny-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964) logischen und kunstgeschichtlichen Fachliteratur als Vertre­
Das Ortband stammt von der Scheide eines zweischneidi­ ter par excellence der vom Tierstil durchdrungenen, „barba­
gen Schwertes mit einer ursprünglich 90 cm langen und rischen" künstlerischen Auffassung der sich in Pannonien
4,5 cm breiten Klinge. Das am unteren Ende 5,5 cm lange ansiedelnden Germanen angesehen. In Wirklichkeit stam­
und 2 cm breite, in einer kahnförmigen Hülse endende Ort­ men die Kämme mit dreieckigem Griff und Pferdekopfver-
band ist zwar gut, aber unvollständig erhalten zierung und oft mit einem Futteral von Gallien und von der
Länge zusammen mit den Rand beschlägen 18,5 cm Rheinmündung den Limes entlang bis zur Donaumündung
HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 5. 1. und Thrazien zu 90 Prozent aus spätrömischen Gräbern
Vom Schwertgriff hing wahrscheinlich an einer langen (Abbeville, Cortrat, Furfooz, Ala Nova/Rannersdorf. Mo-
Schnur oder einem Riemen der mit einer Silberöse versehene guntiacum/Mainz), aus einem Sarkophag (Colonia/Köln) so­
Bernsteinanhänger Durchmesser 2,7 cm HMMM Inv.-Nr wie aus Städten bzw. Festungen (Treveri/Trier, Bonna/Bonn,
64. 1. 3. 1-2. Colonia/Köln, Genava/Genf. Lauriacum/Loren, Brigetio/
Zu dem erwähnten Riemen dürfte eine kleine Silber­ Szöny, Kupinowo, Augustae/Harlec, DinogetialGarvăn, Ju-
schnalle mit übergroßem Dorn gehört haben. Länge 2,6 cm zac-Serbien. Pernik-Bulgarien) ; sie treten oft auch in mehre­
HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 4. 1. ren Exemplaren auf Die technische Lösung der Kämme und
Den Griff des Schwertes zierten offenbar die Silbernie­ die Art ihrer Verzierung sind so typisch spätrömisch, daß
ten mit Rhombus-Kopf Durchmesser des Kopfes 1,3 cm jene Ausnahmen, als im Laufe des 5. Jahrhunderts auch die
HMMM Inv.-Nr. 64. 1. 8. 1-2. in die Provinzen eindringenden Barbaren solche „schönen"
R. Pusztai, Arrabona 8, 1966, 101-105, Abb. 4/1, 6 und Kämme zu Lebzeiten trugen oder ins Grab mitbekamen
Abb. 6/3, 5-7. (Lébény) oder ihre eigenen Kammacher veranlaßten, solche
nachzuahmen (Gorsium/Tác, germanisches Frauengrab 154,
20. Krug Aquincum-Budaloki út, mit Pferdeköpfen verzierter Kamm
Lébény-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964) mit buckligem Griff), die Regel nur bestärken.
Zum Grab vgl. Abb. 38. Der wohlproportionierte Hen- Aus geschnitzten Knochenplatten zusammengesetzter
kelkrug ist offenbar das Erzeugnis einer westpannonischen Kamm mit Futteral. Länge des Kammes 7 cm. Länge des
römischen Töpferwerkstatt; dem widerspricht auch nicht die Futterals 12cm. HMMM Inv-Nr. 64.1.2.1-2.
Glättverzierung. Ein werkstattgleiches Exemplar wurde zu­ R. Pusztai, Arrabona 8, 1966, 101, 107, Abb. 7. Über den
sammen mit einer bronzenen, mit frühchristlichen Motiven Typ ( = II/3 A-B) S. Thomas. Studien zu den germanischen
versehenen Dolchscheide bereits 1887 in Pölöske, Komitat Kämmen. Arbeits- und Forschungsberichte 8, Leipzig 1960.
Zala, gefunden und kam in das Museum Sopron (L. Bella, 101-102, 180 ff. über den romischen Ursprung des Typs H.
ArchÉrt 20. 1900, 362-364; zum Krug vgl. die Literatur zu Deringer, Provinzialrömische und germanische Knochen-
Taf. 17). Die in den tervingisch-wisigotischen Friedhöfen kämme aus Lauriacum. JOÖMV 112, 1967, 59-60 Abb 1

271
und VII/1. Über seine allgemeine spätrömische Verbreitung,
auch bezüglich des Kammes von Lébény, Vágó-Bóna, Inter­ Györ], Györ 1943, 4, Taf. 1/1, GHA 185, III. 61a. Über den
cisa, 198. - Noch heule wird die überholte Theorie, „den deformierten Schädel aus der Györer Benedektiner-Samm­
Kamm" als typisches ethnisches Merkmal für das Germa­ lung J. Nemeskérí. Acta ArchHung 2, 1952, 225-226, Taf.
nentum anzusehen, vertreten. So hält J. Reitinger, Katalog 74 und Abb. 1-2,
Severin 348, das dem Kamm von Lébény verwandte Exem­ Dör-Kápolnai dűlő. Henkelkrug ans einem Frauengrab
plar aus Lauriacum (Lorch) „sicher" für ein germanisches mit Spinnwirtel. Bei den Grabungen 1951 (B. Szőke) sowie
Erzeugnis des 5. Jahrhunderts, während Stadler, 1957 und 1969 (I. Bóna) wurden an der Fundstelle keine
ArchAust 65, 1981, 158-160, bezüglich des Kammes von Ala weiteren zeitgleichen Bestattungen gefunden.
Nova/Schwechat einen Kompromiß eingeht. Dieser Krug ist gröber gearbeitet und besitzt eine dickere
Die Frage ist neuestens endgültig zugunsten der spätrömi- Wandung als der aus Györ, seine Oberfläche ist ölig-braun,
schen Herkunft entschieden worden. Die mit Pferdekopf die senkrechte Streifenverzierung ist einfach.
verzierten Kämme (und im allgemeinen die mit dreieckigem Höhe 22,2 cm. XJM Inv.-Nr. 108.1948.I. Unpubliziert.
Griff) aus dem Gebiet der minieren und unteren Donau
kommen ausschließlich auf römischem Gebiet und an römi­ 24. Krug mit menschlichem Antlitz
schen Fundorten vor. V. Popovič Die süddanubischen Pro­ Dunaszekcső. Komitat Baranya (1901)
vinzen in der Spätantike vom Ende des 4, bis zur Mitte des Auf dem Territorium des römischen Lugio gefunden.
5. Jahrhunderts. In: Die Völker Südosteuropas. Südosteuro- Drehscheibenware von dunkelgrauer Farbe, mit abgebro­
pa-Jahrbuch 17, München-Berlin 1987, 137-139 sowie die chenem Henkel. Verziert ist der Krug mit eingeglättetem
Verbreitungskarle auf Taf. 14. Tannenzweigmuster, ein Ornament, wie es ähnlich im
5. Jahrhundert auf zahlreichen römischen und barbarischen
Gefäßen zu finden ist. Der Krug endet in einem Kopf mit
22. Spätrömisches Trinkglas orientalischen Gesichtszügen.
Lébény-Magasmart, Komitat Györ-Moson-Sopron (1964) Ursprüngliche Höhe 15,5 cm. mit ergänztem Unterteil
Der Glasbecher kann als lokales, westpannonisches Er­ 22,4cm. JPM Inv.-Nr. 712/1902.
zeugnis angesehen werden. Ähnliche Trinkgläser kommen A. Kiss. JPMÉ 14-15, 1969/70, 121, Taf. 1/7.
zwar zur selben Zeit auch an der Nordküste des Schwarzen
Meeres häufig vor, doch haben sie eine etwas breitere Stand­ 25. Fibel
fläche und sind fast ausnahmslos mit blauer Noppenauflage Rábapordány-Palyidomb, Komitat Györ-Moson-Sopron
verziert. Der Autor der Veröffentlichung und ihm folgend (1925)
die Experten für pannonische Gläser suchen die Werkstatt Der aus 50 Fundstücken bestehende Komplex könnte die
des Glases von Lébény zu Recht im Umkreis der römischen Schmuckgarnitur aus dem Grab einer reichen vornehmen
Stadt Árpás (Mursella). Frau sein, wenn nicht wegen des besonders gut erhaltenen
Dickwandiges, hellgrünes Trinkglas, ergänzt. Höhe Zustandes (vollkommen unversehrte Bernsteinperlen) und
10,5 cm, Randdurchmesser 7,5 cm. HMMM Inv.-Nr. der Zusammensetzung (z. B. der Eidring) der Verdacht auf­
64.1.14.1. käme, es handle sich um einen vergrabenen Familienschatz.
R.. Pusztai. Arrabona 8, 1966, 100-101, 107, Abb. 6/la-c. Es gelang auch Vertretern des Nationalmuseums nicht, über
L. Barkóczy und Á. Salamon. ArchÉrt 95, 1968, 31, Abb. 8/2 das angebliche Grab an Ort und Stelle entsprechende Hin­
(in beiden Publikationen ist das Glas in fragmentiertem weise zu erhalten, was die Meinung bestärkt, daß es sich
Zustand abgebildet). Über ähnlich geformte Gläser aus den auch um einen vor den Hunnen verborgenen ostgermani­
spätrömischen Gräbern von (Kis-)Arpás: E. Bíró, ArchÉrt schen Schatz handeln kann.
86, 1959, 174, Taf. LIV/3 und 7, Über die Gräber mit Glas­ Aus Silber gegossen und mit Goldblech überzogen. Die
funden aus dem 4./5. Jahrhundert in der Pontusgegend zu­ Oberfläche ist mit Granaten in Kästchenfassungen und da­
sammenfassend: N.P. Sorokina, SowArch 1971/4, 85-101, zwischen als Ausfüllung mit angelöteten goldenen Kügel-
über jene der Kaukasusgegend: KSIA 158, Moskau 1979, chen (Granulation) verziert. Die Fibel wird von gekerbtem
57-67. Golddraht umrahmt, dünner Perldraht umfaßt auch die
einzelnen Fassungen. Die abgebildete Fibel ist die kleinere
23. ,,Hunnenzeitliche" Krüge des Paares.
Györ (1884) und Dör (1948), Komitat Györ-Moson-Sopron Länge 12,5 cm. MNM Inv.-Nr. 16.1926.1.
An den zwei Krügen sind die unterschiedlichen Eigenhei­ N. Fettich. IPEK l, 1926, 267, Taf 19/3, Alföldi, Hunnen­
ten der spätrömischen (römisch-barbarischen) Töpferei des zeit, 72-73, Taf. X rechts oben.
4.-5. Jahrhunderts und der barbarischen zu erkennen.
Györ. Der Krug wurde beim Bau der städtischen Wasser­ 26. Würde anzeigender Eidring
leitung in 170-180 cm Tiefe gefunden; offenbar in einem Rábapordány-Palyidomb, Komitat Györ-Moson-Sopron
Grab, und zwar wahrscheinlich eines Mannes europid- (1925)
mongoloiden Typs mit künstlich deformiertem Schädel. Die Was seine Funktion, seine Größe und seine Herstellungs­
Fundstelle befindet sich also auf dem Gebiet der römischen art betrifft, so ist er mit dem Goldring aus dem II. Schatz von
Stadt Arrabona. Szilágysomlyó (vgl. Taf. 9) identisch.
Dunkelgrau, gut geschlämmt und gedreht, auf der Schul­ Über einen Silberkern aus Silberdraht geflochtener Ring.
ter geglättetes Gittermuster. Wegen seines Durchmessers von 9,5 cm ist er ungeeignet, am
Höhe 18,7 cm. Györ, einstige Benedektiner-Sammlung, Arm oder Hals getragen zu werden, so daß er eine männliche
heute XJM, neue Inv.-Nr. 53,319,1, Insignie gewesen sein könnte. Die vergoldeten Silberanhan­
N. Fettich. Györ a népvándorláskorban. Győr története ger erinnern an Zikaden, dürften aber doch eher barbarische
[Győr zur Zeit der Völkerwanderung. Die Geschichte von Nachahmungen von Eichenblättern sein.

272
MNM Inv.-Nr. 16.1926.3. Rückseite ist der Kaiser im Panzer dargestellt. In seiner
Fettich, IPEK 1, 1926, 267, Taf. 19/1, Alföldi, Hunnen- rechten Hand hält er ein Kreuz, in der linken eine Victoriafi-
zeit, 73-74, Taf. XI Mitte oben. gur, die dem Kaiser einen Siegeskranz reicht, mit seinem
rechten Stiefel tritt er auf eine menschengesichtige Schlange.
27. Halsschmuck Die Rundschrift der Münze, VICTORIA AVGGG, verkün­
Rábapordány-Patyidomb. Komitat Gyór-Moson-Sopron det bzw. erhofft den Sieg der drei Augusti, nämlich zu diesem
(1925) Zeitpunkt des Valentinianus III., des Theodosius II. und der
Aus Goldblech gepreßt, an Spiralröttchen hängende ge­ Honoria Augusta. Seit der irrtümlichen Interpretation in der
preßte Blätter. früheren, romantisierenden Fachliteratur (E. Babelon. Re­
Länge der Blätter 2,3 cm. MNM Inv.-Nr. 16.1924.4. vue numismatique 18, 1914, 302ff.) wird diese Münze in
N. Fettich. JPEK, 1, 1926, 267, Taf. 19/4, Alföldi. Hunnen­ historischen und populärwissenschaftlichen Werken immer
zeit, 73, Taf. X, unten. wieder als „Siegesmünze" aus dem Jahre 452 des Valentinia­
nus III. hingestellt, wobei mit dem Sieg der Rückzug Attilas
28. Bernsteinperlen und mit der zertretenen, menschenköpfigen Schlange „natür-
Rábapordány-Patyidomb, Komitat Gyór-Moson-Sopron lich" das Symbol des hunnischen Herrschers gemeint ist
(1925) Falb die in den Jahren 439/440 geprägte Münze überhaupt
Die insgesamt 13 Perlen fanden sich in auffallend gutem den Sieg über einen äußeren Feind verkündet, so kann wohl
Zustand. Durchmesser 5, 3,5, 2,5 und 2 cm. MNM Inv.-Nr. nur der Krieg gegen die Wandalen und mit der menschen-
16, 1926, 34-46. köpfigen Schlange König Geiserich gemeint sein. Derselbe
N. Fettich, JPEK I, 1926, 267, Taf. 19/8-11, Alföldi. Münztyp gehört auch zu den frühen Prägungen vor 450, mit
Hunnenzeit. 74, Taf. XII. deren Hortung, gleichzeitig mit dem Schatz von Szikáncs,
also zur Zeit von Ruga und Bleda, auch die beiden ande­
29. Solidus des Theodosius II. (401-450) (Farbtafel XII) ren Solidus-Schätze des Karpatenbeckens (Biňa/Bény und
Hódmezövásárhely-Szikáncs, Komitat Csongrád (1963) Firtosch/Firtuşu) begonnen wurden. Sic sind also wie die
Der im Jahre 408 als Siebenjähriger auf den Thron ge­ Münzen von Szikánes und der ähnliche Solidus von Kis-
langte Kaiser ist eine tragische Figur in der hunnischen tslek-Alsórét (E. Wicker, Halasi múzeum I. Kiskunhalas
Geschichte. Er war ein außergewöhnlich kultivierter Mann, 1989, 27) offenbar in gleicher Weise mit dem den Hunnen im
Liebhaber der Kunste und schönen Bücher, ein Rechtsge- Jahre 443 bezahlten großen „Goldregen" in Zusammenhang
stalter, Museums-, Bibliotheks- und Universitätsgründer, zu bringen.
Freund der Literatur und der Philosophen. Die Kriege ha­ MNM, Münzsammlung Inv.-Nr. 28.1964.3.
ben seine Herrschaft stark getrübt, er brachte sogar schwere K. Biró-Sey. Numizmatikai Közlöny 74-75, 1975/76, 8,
Geldopfer, um sie zu vermeiden. Auf seinen Goldmünzen ist Taf. 11/30.
er im Panzerhemd, mit Federbuschhelm und einem Speer
dargestellt. Mit einer einzigen Ausnahme stellt er sich in 32. Solidus der lusta Grata Honoria, Schwester von
dieser Weise auch auf den von ihm stammenden 1404 Mün­ Valentinianus III.
zen des Solidus-Fundes von Szikánes dar. Absichtlich wird Die Augusta war 32 Jahre all, als sie sich um Schulz an
hier gerade diese Ausnahme wiedergegeben, nämlich in der Altila wandte. Die Münze stellt die Kaisenn mit dem mar­
ihm zustehenden und würdigen kaiserlichen Pracht, in der kanten Profil einige Jahre vorher, im Herrscherinnenornat
einen Hand eine Schriftrolle, in der anderen ein Kreuz hal­ dar.
tend. Prägung der Jahre 443/444, die jüngste Münze des MNM, Münzsammlung, Jankovich-Sammlung, 365, Un­
Fundes. veröffentlicht.
MNM, Münzsammlung Inv.-Nr. 28.1964.385.
K. Biró-Sey. Numizmatikai Közlöny 74-75, 1975/76, 9, 33. ,,Attilas Münze" (Farbtafel XIII)
Taf. IV/461. Nachahmung des Solidus von Theodosius 11, Sárospatak
Végardó, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén
30. Solidus des Valentinianus III. (419-455) Auf Avers: Theodosius II. mit Helm, im Panzer, mit
Szikánes, Komitat Csongrád (1963) Lanze und Schild.
Die Münze stellt den Sohn der Galla Placidia, Placidius Auf Revers: Sitzende Frauengestalt der Constantinopolis
Valentinianus, im Alter von 20 Jahren dar. Zwar herrschte mit einem Kreuz in der Hand.
er seit dem 25, Oktober 425 nominell neben seiner Mutter MNM, Münzsammlung Inv.-Nr. 122.1966.
(+ 27. November 450), doch im Schatten des Aetius, den er Eine Nachahmung einer 430 geprägten Goldmünze, de­
454 eigenhändig umbrachte, blieb er eine unscheinbare Fi­ ren richtiges Gewicht 4,42 g betrug, im Durchmesser jedoch
gur. Sein Leben, und damit auch die Herrschaft des Hauses 1 mm größer ist als der größte echte Solidus. Die fehlerhafte
Theodosius, endete gewaltsam (16. März 455) Reversinschrift (XOT X + I + ПVJT X + XXI) ist die Ver­
MNM. Münzsammlung Inv.-Nr. 28.1964.3. zerrung des Datums VOT XXX MVLT XXXX. Von dem
K. Biró-Sey. Numizmatikai Közlöny 74-75, 1975/76, Taf. wahrscheinlich 442 neugeprägten Typ gelangten unzählige
11/30. Solidi in das Gebiet des Hunnenreiches, im 445 verborgenen
Schatz von Szikánes wurden 911 Stuck gefunden.
31. Die sogenannte Sirgesprägung des Valentinianus III. Der Solidus von Végardó ist eine verhältnismäßig ge-
Rückseite der auf Taf. 30. dargestellten Münze. Szikánes, schickte Kopie des Vorbildes, die barbarischen Fehler der
Komitat Csongrád (1963) Münzbilder und die sinnlosen Aufschriften (z. B. stall
Die Varianten der in Ravenna und Rom geprägten Münz- THEODO steht TИCCOOO) fallen nur unter der Lupe auf, ein
typen finden sich auch im Fund von Szikáncs. Auf der solches Verkamen ist auch das auf der Rückseite der wahren

273
Solidi gegen den Thron gestützte Schild oder die Buchstaben Ecseg aus der „Umgebung", und MNM RN 86, 1911, 245,
OOAOO statt des Münzzeichens CONOB. von einem Sammler aus Szécsény). Es ist durchaus nicht
Eine Verwandte der Solidus-Nachahmung von Végardó auszuschließen, daß auch Nachahmungen darunter waren.
kam in Kápolnokmonostor (Copalnic-Mănăştur, Judeţul Die gleichförmige, etwas barbarische Umrahmung der
Maramureş, Siebenbürgen. Rumänien) im einstigen Komi- gezeigten Solidus-Nachahmungen, die ähnlichen Fehler der
tat Szatmár zum Vorschein, aus der Umgebung von Frauen- Bilder und Aufschriften beweisen, daß sie mit in einer barba­
bach/Baia Mare, dem Siedlungsgebiet der hunnenzeitlichen rischen Werkstatt gravierten Prägstöcken hergestellt wur­
Gepiden im Szamostal. Das Gewicht betrug 4,50 g, sie war den, es handelt sich also um eine planmäßige Münznachah-
also schwerer als der Solidus von Végardó (Abb. 27/2.) mungstätigkeit. Diese Werkstatt ahmte auf einmal minde­
Das gleiche Münzbild mit ähnlichen Mißverständnissen stens dreierlei Solidi des Theodosius II. nach, und zwar
und falschen Zeichnungen kam auf der Münze von Érmi­ serienmäßig, wie aus den Exemplaren von Biňa zu ersehen
hályfalva/Valea lui Mihai zum Vorschein. Der Solidus im ist. Die in dieser Werkstatt hergestellten Münzen haben
Mund des mit hunnenzeitlichem Langschwert mit Bernstein­ nichts mit den Nachprägungen von Theodosius II. zu tun,
anhänger, hunnischem Kampfmesser, aber mit einem Schild­ die aus dem Reichsgebiet oder der westgermanischen Welt
buckel ausgerüsteten Schild begrabenen gepidischen Krieg­ bekannt sind.
führers war der Totenobolus. Vorbild war der IIIP XXXXN Da bis 449 die ost- und weströmischen Geldsummen
GON XVII PP, d. h. gemäß der Revers-Rundschrift IMP pünktlich am hunnischen Hof eintrafen, war eine Nachprä­
XXXXII COS XVII der von Theodosius 442/443 herausge­ gung nicht nötig, unter den 1439 Solidi von Szikáncs findet
gebene Solidus, ist aber viel schwerer (4,59 g) und 1 -1,5 mm sich keine einzige falsche Münze. Im Schatz von Bíňa/Bény
größer (Abb. 27/1). kommen jedoch bereits zwei Nachahmungen vor, also wur­
Am wichtigsten für die Bestimmung der Münznachah­ den sie zwischen 450 und 453 hergestellt. Eine spätere Zeit
mungen des Hunnenreiches ist der 1964 in Biňa/Bény-Berek kommt nicht in Frage, aus dem Karpatenbecken ist nämlich
(Slowakei, Tschechoslowakei) in einem Gefäß verborgen keine einzige falsche Marcianus-, Leo- oder Zeno-Prägung
gefundene Schatz aus 108 Stücken. Unter den Münzen sind bekannt! Im Namen von Theodosius II. wurden wohl kaum
diejenigen aus den Prägestätten von Valentinianus III. in nach 450 Münzen geprägt, also entstanden sie wahrschein­
Rom, Mediolanum und Ravenna in der Überzahl (53 Stück, lich von der zweiten Hälfte des Jahres 450 an. Die Prägestät-
in Szikáncs fand man nur 32) gegenüber den 40 Stück des te arbeitete höchstwahrscheinlich am Hofe Attilas zur Zeit
Theodosius II. Dieser Fakt macht wahrscheinlich, daß der der Vorbereitungen auf den gallischen Feldzug. Die in Ge­
Hauptteil des Schatzes nach 445 gesammelt wurde, in jenen wicht und Feinheit des Goldes fehlerlosen, hinsichtlich ihrer
Jahren, als das Weströmische Reich ebenfalls zur Entrich­ Größe geradezu anziehend wirkenden Münzen wurden -
tung eines regelmäßigen Tributs gezwungen war. Daß sie im worauf man aus ihrer Verbreitung schließen kann - den
Fund von Szikáncs noch nicht, wohl aber der Solidus von Militärführern der germanischen Verbündeten (Gepiden,
Theodosius II. vom Typ VICTORIAAVG im Münzschatz Sweben) zugeschickt, um den Anschein zu erwecken, der
von Firtosch (einst Udvarhelyszék, Siebenbürgen, Rumä­ Tribut des Theodosius II. für das Jahr 450 sei noch eingetrof­
nien) schon verborgen waren, sowie die aus dem Schatz von fen, die in den fernen Westen ziehenden germanischen Krie­
Szikáncs ebenso fehlenden Prägungen der östlichen und vor ger und ihre daheimbleibenden Familienmitglieder hätten
allem westlichen Kaiserinnen (je ein Stück der Aelia Eudocia also nichts von den Oströmern zu befürchten.
[+460], Galla Placidia [+450], datiert sie in die Jahre nach Végardó: K. Birá-Sey, A Contemporary Counterfeit
Attilas Tod und der Auflösung des Hunnenreiches Coin of a Solidus of Theodosius II. FoliaArch 19, 1968,
(453-455). 99-103, nach Abb. 51/1-2.
Im Schatz von Bíňa/Bény sind im Stil der Solidi von Kápolnokmonostor/Copalnic-Mănăştur: E. Chirilă-A.
Végardó und Érmihályfalva mit zwei verschiedenen Präg­ Socolan, Tezaure şi descoperiri monetare din colecţia Mu­
stöcken gefertigte zwei Solidus-Nachahmungen des Theodo­ zeului Jude|ean Maramureş, Baia Mare 1971, 72.
sius II. mit der Reversrundschrift GLOR ORVIS TERRAR Érmihályfalva/Valea lui Mihai: M. Roska, ArchÉrt 45,
zu finden, mit verzerrter Avers- und Reversaufschrift, letzte­ 1930, 230, Abb. 148/5. Ders., Anuarul institutului de studii
re ungefähr in der Form ­ clasice 1, 1931, 2-3, Abb. 5 - an beiden Stellen als „barbari­
der gibt es im Fund von Szikáncs insgesamt nur zwei, sie sche Nachahmung". Der Münzkatalog von L. Huszár (Acta
kommen aber auch unter den Münzen von Firtosch vor, die ArchHung 5, 1955, 75, Nr. 141) erwähnt ihn mit Druckfehler
auf uns überkommen sind. Auffallend barbarisch ist die in der Gewichtsangabe (0,590 g), so ging er in der falschen
Reversdarstellung des Kaisers mit Labarum in der rechten Form von 5,9 g in die numismatische Literatur ein: A. Săşia-
und einem Globus mit Kreuz in der linken Hand (Abb. nu, Ancient Coinage in Western and Norlh-Western Roma­
27/3). Die Nachahmungen von Bíňa/Bény haben ein Ge­ nia, Oradea 1980, 180. Nr. 143.
wicht von 4,50 und 4,51 g und sind im Durchmesser etwas Biňa/Bény: E. Kolníková, Numismatický Sborník 10,
größer als der Durchschnitt, 21 mm. 1968, 5-50, Taf. I-X, über die zwei gefälschten Solidi 43 und
In Kenntnis der Zusammensetzung des Schatzes von Bí­ Taf. IX, Nr. 107-108. Unsere Abbildung wurde nach Dies.,
ňa/Bény an der Gran ist es jammerschade, daß von dem Rímske mince na Slovensku. Tatran 1980, 89, 116, Abb. 68
Parallelschatz des Eipelgebietes, dem „mehr als hundert" angefertigt.
Solidi des Theodosius II. enthaltenden, in Sóshartyán- Firtosch/Firtuşu-Keselyütetö(1831): S. Ferenczi, Firtos-
Aranyosgödör( = Goldgrube!) im Komitat Nógrád in den vár aranyéremlelete [Der Goldfund von Firtosvár], Székely­
1870er Jahren entdeckten Fund (J. Hampel, AK XIII/2, 1880, ség IV, 1934, Nr. 7-8, 1-16. Ders., Siebenbürgische Viertel-
65), nur zwei Solidi aus der Emission 442/443 mit der Revers- jahrsschrift 62, 1939, 59-78.
rundschrift IMP XXXXII COS XVII ins Museum gelangt Sóshartyán: Pintér, ArchÉrt 7, 1887, 433. G. Fehér, Folia
sind (MNM, Münzsammlung 130,1875, von einem Stifter aus Arch 6, 1954, 93, Taf. 22/2.

274
34. Hunnischer Kupferkessel und in der Umgebung wurden nur sarmatische Tonscherben
Hőgyész-Kaposvölgy, Komitat Tolna (1891) gefunden (J. Wagner, ArchÉrt XIII, 1879, 366. B. Balanyi,
Der Kessel wurde zwischen Hőgyész und Regöly, am Studia Comitatensia 2, 1973, 18, 22 und Anm. 35). Der
rechten Ufer des Kapos-Flusses, zwischen den heutigen Kessel kam in Bruchstücken zutage, die das Nationalmu-
Bahnhöfen Szakály und Regöly, von einem Pflug aus dem seum zusammensetzen ließ. An der Außenseite des Unter­
Torf ausgeackert. Die Fundortangaben stammen von teils fanden sich Rußnecken, am Boden sind auch heute noch
M. Wosinsky, der den Kessel sofort an sich nahm, ihn Brandspuren zu erkennen. Der Kessel ist unten an zwei
veröffentlichte und dann dem Ungarischen Nalionalmuseum Stellen ausgebrochen oder geschmolzen, der Rand ist unvoll­
übergab. Im Museum wurde der Kessel nur mit der Fundort­ ständig.
angabc „Komitat Tolna" inventarisiert. Aus diesem Grund Der Kessel wurde in vier Teilen gegossen, wobei der
tauchten in der Fachliteratur später andere - falsche - Fund­ Oberteil mit den Aufsätzen und der Unterteil separat verfer­
ortangaben wie Pincehely und Simontornya auf. Vor kurzem tigt und sodann mit den zwei anderen Teilen zusammenge­
wurde sogar als Fundort Kurd, ja sogar ,,Kurdcsibrák" fügt wurden. Sein schlanker Fuß von ähnlicher Proportion
verbreitet, wobei eine Verwechslung mit dem „Bronzekessel" wie jener des Kessels von Várpalota ist abgebrochen und
MNM Inv.-Nr. 64. 1886 vorliegt, einem bronzezeitlichen Ge­ verschollen. Doch ist genau zu erkennen, daß er an dem
fäß aus dem Kurder Depotfund, das bereits früher in das Unterteil angelötet war.
Nationalmuseum gelangte. Die Torfüberreste an einer Seite Gesamthöhe (mit Henkel) 88-59 cm, Randdurchmesser
und am Unterteil des Kessels von Hőgyész bedeuten keines­ 46-48 cm. Gewicht 41 kg. MNM Inv.-Nr. 22.1869.1.
wegs, daß er im Moor versenkt worden war. Der Boden Fl. Rómer. ArchÉrt II. 1869/1870, 49-50, 290-292, Abb.
bekam durch starkes Feuer ein Loch, der Henkel brach 2. Ders., ArchÉrt III, 1870, 114-115, Von den Fundumstän-
angeblich bei der Auffindung ab. den wußte noch F. Pulszky. ÉTK 14, 1891, 15-16. Er stellte
Der Kessel wurde zusammen mit den Aufsätzen in zwei fest, daß der Kessel zwar gewaltsam zerbrochen worden war.
Teilen gegossen und nachträglich zusammengeschweißt. die wertvollen Bruchstücke aber nicht eingeschmolzen, son­
Von dem ursprünglich am Unterteil angeschweißten zylin­ dern sorgsam eingesammelt und vergraben worden waren.
drischen Ringfuß blieb nur ein Teil erhalten. All dies weist auf sakrale Tätigkeit hin. Ein genauer Plan der
Gesamthöhe 52 cm. Durchmesser 30-33 cm. Gewicht Fundstelle bei B. Pósta. ArchÉrt 16, 1896, 34-35 und Karte.
16 kg. MNM Inv.-Nr. 79,1891. Ein Foto des Kessels von unten mit der Stelle des abgebro­
M. Wosinsky. ArchÉrt 11, 1891, 427-429, Abb. 1. Ein chenen Sockels bei Z. Takács. Ostasiatische Zeitschrift 4,
gutes Foto vom Unterteil bei Z. Takács. Ostasiatische Zeit­ 1915/1916, 177, Abb. 3, Ausgezeichnete Fotos von drei Sei­
schrift 4, 1915/16, 177, Abb. 3, Ausgezeichnete Aufnahmen len bei Fettich 1940. 246, Taf. X/l-la und X11/2, Vgl. noch
von drei Seiten brachte Fettich, 1940, 246, Taf. XI/la-b und I. Bóna, Katalog Nibelungenlied. 301-304, Abb. la-b.
XII/1, Dieselben Aufnahmen bei I. Bona, Katalog Nibelun­
37. Colddiadem (Farbtafel XIV)
genlied. 303, Abb. 2a-c. GHA 165, III. I.
Csorna, ehemalige Ziegelei der Propstei, Komitat Györ-
35. Hunnischer Kupferkessel Moson-Sopron (1887)
Umgebung von Várpalota, Komitat Veszprém (1958) Wurde südwestlich von der Gemeinde in 180 cm Tiefe auf
Die Fundumstände und der genaue Fundort sind bis der Stirn eines N-S-orientierten Frauenskelettes gefunden.
heute unbekannt. Der in der ersten Veröffentlichung ge­ Am Schädel fanden sich noch grüne Palinaspuren und eine
nannte Fundort Bántapuszta konnte nicht verifiziert wer­ Kopfverletzung. (Vgl. Abb. 12, Regöly). Als zweite Beigabe
den, der neuestens aufgekommene Ort Bérhegy scheint viel stand hinter dem Schädel noch ein grauer Topf oder besser
wahrscheinlicher zu sein. ein Krug mit „schmalerer Öffnung", der jedoch verloren­
Der Kessel wurde zusammen mit den Aufsätzen in zwei ging.
Teilen gegossen und dann zusammengeschweißt. Der Fuß­ Gepreßtes Goldblech, auf ein einst mit ihm zusammen­
ring wurde gleichzeitig verfertigt, mit drei stangenartigen gepreßtes, bereits zerfallenes Bronzeblech aufgezogen. Das
und dann verhämmerten Nieten am Unterteil befestigt und Diadem ist in der oberen Reihe und in der Mitte in Oval- und
schließlich noch verschweißt. Die Verunreinigungen des zur Rundfassungen durch rote Granate und einen großen Kar­
Herstellung des Kessels verwendeten Kupfers sind mit denen neol verziert, darunter in drei Reihen in der Form der Steine
des Kessels von Hőgyész verwandt. Trotzdem ist es unwahr­ angepaßten Kästchenfassungen Granate, die im Mittelteil
scheinlich, daß die beiden Kessel Produkte derselben Werk­ des Diadems durch einige größere Fassungen mit grünem
statt sind. Glas und an den Rändern durch runde Fassungen mit wei­
Gesamthöhe 57,7 cm, davon Höhe des Fußringes 9,1 cm. ßem Glas und viereckige Fassungen mit Bernsteineinlage
Gewicht 20,15 kg. MNM Inv.-Nr. 61.40.1. bunter gestaltet sind. Das Diadem ist beschädigt, fragmen­
Z. Takács. Acta OrientHung 9, 1959, 85, Abb. 1. I. Kov­ tiert und ergänzt.
rig. FoliaArch 23, 1972, 95-100. Abb. 3-8. Ursprüngliche Länge (ca.) 29 cm. heutige Länge 26,7 cm,
größte Breite 4,2cm. MNM Inv.-Nr. 55,36,1, - früher in
36. Hunnischer Kupferkessel einer Privatsammlung. Der jetzige Erhaltungszustand des
Törtel-Czakóhalom. Komitat Pest (1869) Diadems ist das Ergebnis der von G. Báthy durchgeführten,
Wurde beim Pflügen in geringer Tiefe am Fuß des obenge­ von I. Kovrig geleiteten künstlerischen Restaurierung.
nannten Hügels, einer urzeitlichen Siedlung (?) oder eines A. Lakner. ArchÉrt 9, 1889, 263-264, Abb. IV. Alföldi.
Kurgans, gefunden. Die mit dem Kessel eingelieferten Ton­ Hunnenzeit, 76, Taf. VIII. - Der Diadem-Grabfund hat
scherben und Tierknochen sind älter. Die an der Fundstelle nichts mit einem weiteren, in Hampels Berichten und von
10 Jahre später durchgeführten Nachgrabungen verliefen Alföldi veröffentlichten Grabfund mit Fibel und Spiegel des
bezüglich des Kessels ergebnistos; auf dem Czakó-Hügel 5. Jahrhunderts zu tun, der in den Jahren 1888/1889 in einer

275
anderen Schottergrube südöstlich von Csorna aufgedeckt liche silberne Schuhschnalle findet sich auch im Grab von
worden ist, wie das von M. Párducz, Der gotische Fund von Lengyeltóti (vgl. Farbtafel XXII.).
Csongrád. Dolgozatok-Szeged 14, 1938, 131, schon längst 1. Silberne Stiefelriemenschnalle mit viereckigem Beschlag.
geklärt wurde. Neuere Aufarbeitung: I. Kovrig, Das Diadem Gesamtlänge 3,1 cm. HOM Inv.-Nr. 73, 24,64,
von Csorna. FoliaArch 36, 1985, 107-148, Abb. 1-3 und 5. 2. Gürtelschnalle aus Silber. Am Rand des mit Goldblech
überzogenen Beschlags Filigran nachahmender gepreßter
38. Detail des Diadems von Csorna (Farbtafel XV) Perlendekor, auf der Oberfläche rote Steineinlagen in acht
unregelmäßigen Fassungen.
39. Teil der Goldblechverkleidung einer Tierfigur Gesamtlänge 4,7 cm. HOM Inv.-Nr. 73,24,65,
Árpás-Dombiföld, Szérűskert, Komitat Györ-Moson- Ebenfalls aus einem zerstörten neueren Frauengrab:
Sopron(1981) 3. Zikadenfibelpaar aus gegossenem Silber mit abgenutzter
Diese neben der Wand eines römischen Gebäudes einge­ Feuervergoldung.
grabene reiche Einzelbestattung aus der Hunnenzeit stellt Länge 3,7cm. HOM Inv.-Nr. 73.24.66.1-2.
einen neuen bedeutenden Beitrag zur Geschichte der Hun- 4 . - 6 . Ovale Silberschnalle ohne Beschlag. Zur Riemenbefe-
nenherrschaft in Westpannonien dar. Dank dem freundli­ stigung dienten Silbernieten mit Köpfen in der Form des
chen Entgegenkommen der Ausgräber kann an dieser Stelle abnehmenden Mondes. Durchmesser der Schnalle 2,6 cm,
der Kopfteil eines Goldbleches, das ursprünglich eine aus der Nietköpfe 1 cm. HOM Inv.-Nr. 73.24.68 und 73.24.67.
Holz geschnitzte Figur bedeckte, vorgestellt werden. Sic ist 1-2: Schnalle und Nieten sind mit jenen aus den Zikaden­
mit den goldenen Pferde- oder Hirschkuhfiguren aus Nowo­ gräbern von Csömör und Bakta/Nagybakta verwandt.
grigorewka (Abb. 52) und Beljaus (Abb. 59) verwandt. Die­ Unpubliziert. Über die Fundumstände: J. Gádor-M. Hel­
se, zusammen mit dem Goldblech von Kysylkajnartöbe lebrandt, HOMÉ 12, 1972, 600-601. Der Krug abgebildet in
(Abb. 44) sind vorzügliche, nur mit den Kupferkesseln ver­ J. Gádor, A Herman Ottó Múzeum. Miskolc 1979, 12,
gleichbare Beweise für die Hunnenbewegung. Die goldenen Abb. 40.
Tierfiguren gewähren zum ersten Mal Einblick in den in
Asien wurzelnden Tierkult der Hunnen. Der Zusammen­ 41. Silberschnallen
hang der Tierfiguren mit der im Kurgan 6 der klassischen Szirmabesenyő-Hátsóföld, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén
Begräbnisstätte der asiatischen Hunnen von Nojon-ul (Noin (1950)
Ula) gefundenen, mit Lack überzogenen, 16 cm hohen höl­ Die Silberschnallen des mit einem zweischneidigen
zernen Pferdefigur und der aus Holz geschnitzten, 11 cm Schwert mit Bernsteinanhänger und einem einschneidigen
hohen Hirschkuhfigur ist nämlich offensichtlich (C. Trever, Kampfmesser (vgl. Abb. 61) ausgestatteten Kriegers mit
Excavations in Northern Mongolia, Leningrad 1932, 48-49, artifiziell deformiertem Schädel weisen nicht nur auf den
60, Taf. 30/2 und 32/1), ebenso mit der im Kurgan 1 von niedrigeren Rang des Toten, sondern können auch insofern
Kotandi/Katanda im Altaigebiet 1865 gefundenen, 8 cm ho­ als lehrreich bezeichnet werden, als sie die typologischen
hen, aus Holz geschnitzten Pferdefigur (M. Grjasnow und A. Gleichstücke der zellenverzierten Goldschnallen der Vorneh­
Bulgakow, Drewneje iskusstwo Altaja, Leningrad 1958, 6, 93 men sind, die auf die Vorereignisse in der Wolgagegend und
und Taf. 3). S. W. Kiselew (Drewnaja istorija Jushnoj Sibiri, in Zentralasien zurückgehen.
Moskau 1951, 341, Taf. 31/6-7, 10-11) hält diese Figuren für 1. Ovale Gürtelschnalle aus Silber ohne Beschlag.
die Ausrüstung eines Schamanen bzw. für Anhänger einer Durchmesser 4,4 cm. HOM Inv.-Nr. 53.1197.3.
Schamanenkleidung. Obwohl diese Bestimmung der golde­ 2. Silberschnalle vom Schwertriemen. Auf dem runden Be­
nen Tierfiguren, die ursprünglich Holzplastiken bedeckten, schlag eine Niete mit rundlichem Kopf. Länge 3,2 cm.
zur Zeit nicht nachweisbar ist, so kann darüber doch kein HOM Inv.-Nr. 53.1197.2.
Zweifel bestehen, daß sie Religionsdenkmäler der nach Eu­ 3. Silberne Stiefelriemenschnalle vom linken Knöchelbe-
ropa gelangten Hunnen sind. In den Kurganbegräbnisstät- reich. Ähnlich der vorigen, jedoch etwas kleiner, der Niet­
ten im Altaigebiet kamen letztlich solche Mengen dieser nagel fehlt.
Denkmäler aus dem 5. Jahrhundert v.Chr. bis zum 1. Jahr­ Länge 3 cm. HOM Inv.-Nr. 53.1197.1.
hundert n.Chr. (Ulandrik I.-IV. Begräbnisstätte, Taschanta G. Megay, ArchÉrt 79, 1952, 132-133, Taf. XXV/3-5.
I.—II. Begräbnisstätte) zum Vorschein, daß man sie als allge­
mein charakteristische Religionssymbole verstehen muß. 42. Krug
W. D. Kubarew, Kurgany Ulandrika, Nowosibirsk 1987, Szirmabesenyő-Hátsóföld, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén
Abb. 38-39, 40, 43, Taf. 4/4, 9/3, 14/8-9, 42/5, 48/4, 50/5-6, (1950)
52/12, 59/1-8, 75/34, 86/17, 19,22, 96/9, 11. Der hinter dem Kopf des mit Schwert ausgestatteten
Győr, Xantus János Museum. Unveröffentlicht. Kriegers deponierte derbe Henkelkrug ist ein gutes Beispiel
E. T. Szönyi, ArchÉrt 109, 1982, 298. für die barbarischen Varianten der antiken Krugform aus
dem 4.-5. Jahrhundert. Grau, schlecht gedreht, dickwandig,
40. Schnallen und Zikadenfibeln am Hals kaum sichtbare Spuren der Glättverzierung.
Kistokaj-Homokbánya, Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén Höhe 22,5 cm. HOM Inv.-Nr. 53.1197.10
(1972) G. Megay, ArchÉrt 79, 1952, 132-133, Taf. XXIV/2.
Aus einem zerstörten Grab kamen ein Henkelkrug mit
vorzüglicher Glättverzierung und eine silberne Schuhschnal­ 43. Scheidenmundbeschlag eines Schwertes
le mit unverziertern Beschlag zutage. Nach ihrer Form und Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
Größe entspricht sie u. a. der von Zics, Komitat Somogy Fundumstände siehe bei Abb. 47.
(MNM Inv.-Nr. 121.1907; Alföldi, Hunnenzeit, 86, Taf. Goldplatte in 16 unregelmäßigen Zellenfassungen, in zwei
XXXIV/I - publiziert als von unbekanntem Fundort). Ähn­ Reihen Almandinverzierung. Gesamtlänge 12,5 cm, an den

276
Enden Nietenspuren. Zusammengelegt, wiederhergestellt. 48. Pferdegeschirrdekor
Länge 5,4 cm. Breite 2,4 cm. JPM Inv.-Nr. 956/4a. Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900. 104-105, Nr. 18. Alföldi. Die halbmondförmigen, mit Enden aus hellem Gold ge-
Hunnenzeit. Taf. H I / 1 . preßten Bleche in einem Hängeteil sind mit den osthunni-
44. Speerspitze schen Pferdegeschirranhängern eng verwandt. Zusammen
Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900) mit einer Bronzeunterlage waren die Bleche auf Riemen
aufgenietet.
Aus geschmiedetem Eisen. Ihrer Form nach ist sie ein Breite 3 cm. PJM Inv.-Nr. 956.5b.
auffallend guter Vorläufer der aus Asien stammenden, früh- J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900,106-107, Nr. 31-32. Alföldi.
awarischen Speerspitzen. In hunnischen Gräbern und ande- Hunnenzeit. Taf. IV/8-11.
ren Funden kommt die Lanzenspitze nur selten vor, offenbar
darum, weil die Lanze des Verstorbenen auf sein Grab ge- 49. Blattförmiger Anhängerbeschlag eines Zaumzeuges
steckt wurde. Die einzige annähernde Parallele findet sich im Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
Woschod-Fund von Pokrowsk. Vgl. dazu die Literatur bei Der Form nach kennen wir mehrere östliche Parallelen
Abb. 22/1. (vgl. z. B. Abb. 52), die Blattaderung nachahmende gepreßte
Länge 27,9 cm. JPM Inv.-Nr. 956,1, Verzierung ist jedoch einmalig. Die Bleche wurden aus hel-
J. Hampel. ArchÉrt 20. 1900, 99. Nr. 1. Alföldi. Hunnen- lem Gold verfertigt, auf Bronze aufgebracht und am oberen
zeit. Taf. II/1. Ende mit zwei Nieten am Riemen befestigt.
Länge 7,6-8 cm. JPM Inv.-Nr. 956.5a.
45, Knebeltrense
Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 103, Nr. 11-12, Alföldi. Hun-
Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
nenzeit. Taf. V / 1 .
Die mit der Schmiedezange geschickt gerippten Knebel
der Eisentrense sind mit Goldblech überzogen. 50. Riemenzungen
Gesamtlänge 15,5 cm. Länge der Knebel 10,1-10,2 cm. Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
JPM Inv.-Nr. 956, 2. Bei den Hunnen ebenso wie auch später bei den Awaren
J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 99, Nr. 2. Alföldi, Hunnen- dienten diese Riemenzungen als Gürtel- und Zaumzeug-
zeit. Taf. I/5. riemenenden (vgl. Abb. 52 und 58). Die aus hellem Gold-
blech gepreßten Stücke hatten ursprünglich eine bronzene
46. Sattelbeschlag Einlage.
Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900) Länge 5,4-5,6 cm. JPM Inv.-Nr. 956.7c.
Goldblechüberzug vom vorderen Ende eines Sattel- J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 105, Nr. 29, Alföldi. Hun-
breites mit ungewöhnlicher Verzierung, nämlich einem nenzeit, Taf. III/19-21.
aus gepreßten schnurartigen Linien bestehenden Netzmu-
ster - das einzige Gegenstück ist das Sattelbeschlaßfrag- 51. Goldblechbeschlag ton der Vorderseite einer Schwertscheide
ment aus Pannonhalma. Die Löcher an den Rändern Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
weisen auf den rippenartigen Rahmen und die Befesti- Der in das Museum gelangte, fragmentierte, ursprünglich
gung der Blechbesätze. 45,4 cm lange Überrest gehört zu den Schwertern, deren
Unvollständige Breite. Höhe 7 cm. JPM Inv.-Nr. 956,6a. Scheide großenteils mit Goldblech überzogen war (Kertsch,
J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 103, Nr. 10. Alföldi. Hunnen- Altlußheim).
zeit, Taf. IV/14, Gegenstück von Pannonhalma: P. Tomka. Breite 5 cm, zusammen mit dem Umschlag 6,3 cm. JPM
Acta ArchHung 38, 1986, 443, Abb. 19 - als Schuppen- Inv.-Nr. 956.4b.
muster. J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 101, Nr. 7. Alföldi. Hunnen-
zeit. Taf. II/1-2.
47. Goldblechverkleidimg vom Ende eines kleinen Bogens
Pécs. Nagykozár-Üszögpuszta. Komitat Baranya (1900) 51. Riemenbeschläge
Das Goldblech kam bruchstückhaft und in verbogenem Pécs, Nagykozár-Üszögpuszta, Komitat Baranya (1900)
Zustand in das Museum und zerfiel später weiter. Die von Ihre Größe und Verzierung ist genauso unterschiedlich
Gy. László richtig erkannte Funktion wurde durch die Gold- wie bei vielen ihrer östlichen Parallelen (vgl. z. B. Abb. 52
blechverkleidung von Bátaszék (vgl. Taf. 54 und Abb 50) und 58). Einige besitzen in unregelmäßigen Fassungen Al-
bestätigt, wodurch auch die Ergänzung des Stückes er- mandineinlagen. Sie wurden aus hellem Gold gepreßt und
möglicht wurde (vgl. Abb. 47). Die radialen Knitterun- waren zusammen mit einer Bronzeunterlage jeweils an bei-
gen am Unterteil des Bleches sind auf das Umbiegen zu- den Enden an die Riemen genietet.
rückzuführen, die augenartigen Löcher aber stammen Länge 4,5-3,5-3,1 cm. JPM Inv.-Nr. 956.7b. f. g.
von der Befestigung des Goldbleches auf dem wahr- J. Hampel. ArchÉrt 20, 1900, 105, Nr. 21-27. Alföldi.
scheinlich aus Holz gearbeiteten Bogen. Aufgrund dieser Hunnenzeit. Taf. III/5-18.
technischen Spuren interpretierte Fetlich das Blech als
Dolchscheidenortband, das in einer bärtigen Männer- 53. Goldbeschläge eines Schwertes
maske endete. Bátaszék-Iskolaudvar, Komitat Tolna (1965)
Gegenwärtige Länge 10,7 cm. Breite 3,1 cm. JPM Inv.- Bei der Anlage eines Wusserleitungsschachtes im Hof der
Nr. 956.4c. Volksschule Nr. 2 (Kossuth L. u. 38-42) wurden von Arbei-
J. Hampel. ArchÉrt 20. 1900. 101-102, Nr 8. Alföldi. tern in 70 cm Tiefe ein Eisenschwert und daneben elf Gold-
Hunnenzeit, Taf. VI/15. Fettich. Nagyszéksós. 17I-177, Taf. gegenstände gefunden. Zwei weitere, nämlich eine kleinere
LVIII/9. Schnalle und eine tropfenförmige Edelsteinfassung, kamen

277
vor der Kontrollgrabung beim Aussieben der ausgeworfenen senschwert, ohne allerdings zu erwähnen, daß es zu dem
Erde zum Vorschein. Daraufhin wurde vom Museum Szek­ anderen Grab gehörte.
szárd ein 160 x 260 cm großer Suchschnitt angelegt, „doch Bartucz erinnerte sich 1939 offenbar nicht mehr an seinen
fand man weder ein Skelett noch andere Funde". Jedoch in der Presse ein Jahrzehnt früher veröffentlichten Artikel
konnte festgestellt werden, daß die 140 cm tiefe, nur 120 cm (Torzított koponyák) [Deformierte Schädel], Képes Ma­
westlich der Schwertfundstelle gefundene Grube aus dem gyarság vom 26, April 1928, Beilage 17, S. 3), in welchem
vorigen Jahrhundert nichts mit dem Fund zu tun hat (aus er ein vorzügliches Foto vom Bálaszéker Schädel brachte.
dem Originalbericht von Gy. Mészáros vom 9, April 1966). Auf dem Foto ist der auf dem Schädel angebrachte Text
Die mit dem Fund von Pannonhalma des Jahres 1979 voll­ gut lesbar: „Geschenk von Dr. Bálint Kovács aus Bátaszék,
kommen übereinstimmenden Fundumstände können nicht 6, Febr. 1896," Schon Fetzer deutete an, daß Dr. Kovács
genug hervorgehoben werden, deshalb ist es bedauerlich, „die Schmuckstücke von Bátaszék dem Nationalmuseum
daß der Ausgräber in seinen gedruckten Berichten die Fund­ schenkt". Sie gelangten tatsächlich in die Allertumssamm-
umstände veränderte, indem er die Theorie aufstellte, das lung, wo sie als Geschenk des Dr. Kovács inventarisiert
Schwert und die Goldgegenstände seien „Beigaben des be­ wurden (MNM 8, 1896, 1-12), kaum zufällig ebenfalls am
reits Ende des vorigen Jahrhunderts gefundenen und aufge­ 6, Februar 1896, Die im Inventarbuch vermerkten Fundort­
wühlten Körpergrabes" und auch die Neufunde seien „zu­ angaben stimmen mit dem von Fetzer beschriebenen Fund­
sammen" mit menschlichen Knochenüberresten zutage ge­ ort genau überein. Die bruchstückhaften Silbergegenstände
kommen. (Gy. Mészáros, Régészeti Füzetek I. 19, 1966, 35, und den vom Nachbargrab mit Schwert (!) stammenden
Nr. 45; ArchÉrt 93, 1966, 297, Nr. 45). deformierten Schädel schenkte Dr. Kovács zur selben Zeit
Eine entscheidende Rolle bei diesem Irrtum spielte der den entsprechenden Institutionen.
Ende des vorigen Jahrhunderts in die Budapester Anthropo­ Die zwei auf dem Gebiet von Alsónyék gefundenen ge­
logische Sammlung gelangte künstlich deformierte Männer­ störten Gräber können daher nicht mit dem 1,5 km entfern­
schädel von Bátaszék. Dieser ist mit den dazugehörigen ten, in der Innenstadt aufgedeckten hunnischen Opferfund
Angaben nach dem Zweiten Weltkrieg angeblich verschol­ in Zusammenhang gebracht werden. Die am letzteren Fund­
len. Erhalten blieben nur die falschen Angaben von L. Bar­ ort bei den Fundamentierungsarbeiten für ein Gebäude des
tucz, der das Vorkommen des Schädels und dessen Übernah­ 19. Jahrhunderts gefundenen, zerwühlten Menschenkno-
me durch das Museum auf das Jahr 1890 festsetzte, jedoch chen aus unbekannter Zeit lagen tiefer als die Goldgegen­
bezüglich des Fundortes und Spenders richtige, wenn auch stände (jedoch höher als die Gräber auf dem Ziegeleigelän-
etwas unklare Angaben veröffentlichte: A magyar ember IV. dc), sind mit keinem der Funde zeitgleich und haben mit
A magyarság antropológiája (Der ungarische Mensch IV. ihnen nichts zu tun. Von dem Bericht leider irregeführt,
Anthropologie des Ungartums), Budapest 1939, 451 und werden die Fundumstände falsch übernommen:
Abb. 287, Die Fundortangaben stimmen auch schon deswe­ J. Tejral. Mähren im 5. Jahrhundert, Prag 1973, 22 Ders.
gen, weil er die diesbezüglichen Informationen von dem mit ArchAust 72, 1988, 265-266 und I. Kovrig. Drewnosti 1982,
dem Ort vertrauten M. Wosinsky übernommen hat. Párducz, 6 und 245-246,
der sich ausschließlich auf Bartucz stützte (Hunnenzeit, 24, Goldblechbeschläge vom Griff und von der Parierstange
Nr. 27), war ebenso wie den Forschem, die den deformierten des Schwertes mit roten Steineinlagen in Fassungen.
Schädel von Bátaszék mit dem Fund von 1965 in Zusam­ Länge 8,4 und 13,4cm. WMM Inv.-Nr. 65,1,8 und
menhang brachten, entgangen, daß über die tatsächlich im 65,1,13,
Winter 1895/1896 aufgedeckten „Bátaszéker" Gräber gleich­ Tropfenförmige Goldfassung mit herausgefallener Ein­
zeitig zwei wichtige Berichte erschienen waren. Der eine lage.
Bericht stammt von Wosinsky (Tolna vármegye az őskortól Länge 1,5 cm. WMM Inv.-Nr. 65,1,12,
a honfoglalásig [Komitat Tolna von der Urzeit bis zur Land­ Zu unserem Rekonstruktionsversuch siehe Abb. 56,
nahme], Budapest 1896, 864-865), der persönlich an der I. Kovrig, Drewnosti 1982, 7-8, Abb. 3/1-5, A. G[aál]
Fundstelle anwesend war, der andere vom Freund des Arztes und H. U[bl], Katalog Severin, 472, Nr. 5, 11. h, m, n und
Dr. B. Kovács, der die Funde rettete {J. F. Fetzer, ArchÉrt Taf. 19. Die Schwertbeschläge aus reinem Solidus-Gold, vgl.
16, 1896, 94-95). Diese zwei zeitgenössischen Berichte stim­ B. Vorsatz. FoliaArch 36, 1985, 146-147.
men überein und ergänzen einander. Von Wosinsky erfahren
wir, daß die von Fetzer schrittgenau angegebene Fundstelle, 54. Goldblechverkleidung eines Bogenenden
die Ziegelfabrik von Bátaszék, eigentlich schon „zur Gemar­ Bátaszék-Iskola, Komitat Tolna (1965)
kung von Alsó-Nyék gehörte". „Neben dem einen in der Die Bogenverkleidungen von (Pécs-)Nagykozár-Üszög-
Ziegelei aufgedeckten, auf dem Rücken liegenden Skelett puszta und Jakuszowice verbindet die in zwei zusammenge­
fand man Gefäßbruchstücke und Teile eines verrosteten hörigen Teilen erhaltene Goldblechverkleidung. In der Mitte
Eisenschwertes. Der makrokephale (deformierte) Schädel und an den beiden Rändern verläuft eine gerippte Umrah­
dieses Skelettes wurde in das Anthropologische Museum in mung (vgl. Abb. 50).
Budapest geschickt. Nur einen Schritt davon entfernt kam
Lange der Bleche 14 und 10,5 cm, Gesamtlänge 24,5 cm.
in 2 m Tiefe noch ein sehr vermodertes Skelett in gestreckter
WMM Inv.-Nr. 65.1.9-10.
Rückenlage zum Vorschein. In der rechten Hand lagen
I. Kovrig, Drewnosti, 1982, 8-10, Abb. 4/1, A. G[aál] und
Bruchstücke eines Knochenkammes." Über den „in 2 m
H. U[bl], Katalog Severin, 472, Nr. 5,11, i, k, Taf. 19.
Tiefe gefundenen" Silberschmuck des zweiten, reichen
Frauengrabes, den Dr. Kovács bereits bruchstückhaft den 55. Zierperle eines Schwertes (Farbtafel XVI)
Findern abgekauft hatte, berichtet Fetzer in allen Einzelhei­ Bálaszék-Iskola, Komitat Tolna (1965)
ten. Er beschreibt den bei Kovács gesehenen und nicht in das
Museum gelangten zweiseitigen Kamm sowie auch das Ei- Scheibenförmiges goldenes Zellenwerk mit sechs roten
Steinen auf einer Magnesitkugel (MgCO3).

278
Länge 3,2cm, Breite 2,1 cm. WMM Inv.-Nr. 65.1.4. scher Langschwerter in Ungarn (Bátaszék, Lengyeltóti, Szir-
I. Kovrig. Drewnosti, 1982, 7-8, Abb. 3/10. A. G[aál] und mabesenyö).
H. U[bl], Katalog Severin, 471, Nr. 5 ) 1 , d, Taf 19. Gesamtlänge des Schwertes 105,7 cm. Länge der Parier-
stange 9,7 cm. XJM Inv.-Nr. 82,10, 12-13.
56. Goldene Schnallen und Riemenzunge (Farbtafel XV11) P. Tomka. Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal-
Bálaszék-Iskola, Komitat Tolna (1965) ma, Acta ArchHung 38, 1986, 435, Abb. 14/1, 15/1, 16/1.
Goldene Gürtelschnalle. Am ovalen Beschlag in zwei
V-förmigen, meinandergestellten Zellen vier rote und eine 60. Goldblechverkleidung des unteren Bogenendes
grüne Steineinlage. Pannonhalma-Széldomb, Komitat Györ-Moson-Sopron
Länge 4,1 cm. WMM Inv.-Nr. 65.1.1. (1979)
Goldene Schwertriemenschnalle. Am Beschlag in einem Dies ist der erste hunnische Fund, aus welchem die reich
kreuzförmig angelegten Zellenwerk rote Almandineinlage. verzierten Goldbleche von beiden Enden und vom Griff
Länge 3,6 cm. BBM Inv.-Nr. 65.1.2. eines symbolischen kleinen Bogens erhalten geblieben sind
Riemenzunge aus Blei mit Goldblechüberzug. Am oberen Ihre Qualität ist besser als die der anderen Goldsachen des
Ende eine Befestigungsniete. Fundes, sie sind von dunklerer Farbe und aus 24karätigem
Länge 4,8 cm. WMM Inv.-Nr. 65,1,3, Gold (vgl. Abb. 55).
I. Kovrig, Drewnosti. 1982, 7 und 10. Abb. 3/6-9. A. G[aál] Die Goldverkleidung des unteren Bogenendes ausgebo-
H. U[bl]. Katalog Severin, 471, Nr. 5. 11. a-c. Taf. 19. gen, ausgeglättet. Mit gepreßten Punktkreis- Fischgräten-,
Tannenzweig- und Gittermustern verziert.
57. Eisenschwert mit Parierstange Länge 7,1 cm. XJM Inv.-Nr. 82.10.5.
Bátaszék-Iskola. Komitat Tolna (1965) P. Tomka. Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal-
Dieses gut erhaltene und vorzüglich geschmiedete Lang- ma, Acta ArchHung 38, 1986, 431-433, Abb. 11/1. 13/1.
schwert ist ein Musterexemplar der so zahlreichen charakte-
ristischen hunnischen Schwerter. 61. Goldblechverkleidung des Bogengriffes, ausgebogen und ausge-
Gesamtlänge 96 cm, Breite der zweischneidigen Klinge glättet
5 cm, Länge der geraden Parierstange mit rhombischem Pannonhalma-Széldomb, Komitat Györ-Moson-Sopron
Querschnitt 8,5 cm. WMM Inv.-Nr. 82.18.1. (1979)
J. Kovrig. Drewnosti, 1982, 6, Abb. 2, A. G[aál] und Die Schauseite ist mit Fischgrätenmustern, an den Rän-
H. U[bl]. Katalog Severin, 471, Taf. 18/5.9. dern mit von kleinen Kreisen umgebenen Ährenmustern
verziert.
58. Goldbeschlagenes Schwert (Farbtafel XVIII) Erhaltene Länge 6,8 cm. XJM Inv.-Nr. 82.10.6.
Pannonhalma-Széldomb. Komitat Györ-Moson-Sopron
(1979) 62. Goldblechrerkleidung des oberen Bogenendes, ausgebogen und
Beim Ausheben einer Grube wurden in 80-100 cm Tiefe ausgeglättet
in einem Haufen zwei Eisenschwerter, vergoldetes Pferdege- Pannonhalma-Széldomb, Komitat Györ-Moson-Sopron
schirr, Trensen und goldene Bogenverkleidungen gefunden. (1979)
Um die Funde herum waren keine Spuren einer Grube mehr Die Mitte der Schauseile ist mit einem von kleinen Krei-
erkennbar, der Untergrund bestand aus hartem, gewachse- sen eingefaßten, bandartigen Netzmuster verziert, die Rän-
nem Sand. Im Zuge der Nachgrabung konnten von P. Tom- der mit Kreis-Linienreihen, die möglicherweise mit Edelstei-
ka weder an der Fundstelle selbst noch in deren Umgebung nen eingelegte Zellen nachahmen sollen.
irgendwelche Spuren eines Grabes bzw. Überreste von Länge 8,9 cm. XJM Inv.-Nr. 82.10.4.
menschlichen und tierischen Knochen, Leichenbrand oder P. Tomka. Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal-
Asche nachgewiesen werden Ein Teil der Funde wurde von ma. Acta ArchHung 38, 1986, 433, Abb. 11/2-3, 13/2-3.
neuzeitlichen Erdarbeiten gestört. Vielleicht zerbrachen da-
mals einzelne Stücke (z. B. der Sattelbeschlag), andere wie- 63. Pferdegeschirrbeschläge (Farbtafel XIX)
derum gingen verloren. Pannonhalma-Széldomb. Komitat Györ-Moson-Sopron
Das außergewöhnlich lange Schwert (107 cm) hat eine (1979)
lange Parierstange, deren Vorderplatte mit roten Edelsteinen Zwölf rechteckige, aus Bronze gearbeitete und mit hellem
eingelegte goldene zickzackförmige Zellen verzieren, die Goldblech überzogene Riemenbeschläge sowie zahlreiche
Schwertscheide wurde an zwei Stellen von hellen Goldblechen Bruchstücke.
mit Schuppenmuster, der Griff mit gepunzten, mit Zickzack- Länge 5 cm. XJM Inv.-Nr. 82,10.4.
muster versehenen Bändern aus rotem Gold verziert. Drei kreuzförmige Riemenverteiler aus hellem Goldblech
Breite der Parierstange: 11,3 cm. XJM Inv.-Nr. 82. mit bronzenen Gegenbeschlägen.
10.10-11. Durchmesser 3,7cm. XJM Inv.-Nr. 82.10.3.
P. Tomka. Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal- P. Tomka. Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal-
ma. Acta ArchHung 38, 1986, 438-441. Abb. 14/2, 15/2, ma. Acta ArchHung 38, 1986, 427-131, Abb. 6-10.
16/2, 17, Ders. GHA 156-157, III. 2.a-b. Der Analyse gemäß finden sich die besten Parallelen zu
den rechteckigen Beschlägen in Sdwishenskoje (OAK sa
59. Schwert mit Parierstange 1890. 121-122, Nr. 83, 86. Alföldi. Hunnenzeit. Taf. XXV/
Pannonhalma-Széldomb, Komitat Györ-Moson-Sopron 10-11). Kreuzförmige Riemenverteiler kommen in den hun-
(1979) nischen Männergräbern sehr häufig vor (Nowogrigorewka
Die unverzierte Parallele des vorherigen Schwertes mit VIII und IX, Feodosija-Gora Klementowka. Kalinino.
etwas kürzerer Klinge gehört zu den üblichen Typen hunni- Sdwishenskoje - zusammenfassend I. P. Sassetzkaja. Sow

279
Arch 1978/1, 53 ff., Abb. 1/1-2, 8, 10, 14; ferner „Krim", doch größere Schwertriemenschnalle und den erhalten ge­
Pósta, Tanulmányok -Studien, Abb. 270/1,3; Kisslowodsk- bliebenen viereckigen Silberbeschlag der Gürtelschnalle irr­
Lermontow-Fels, A. P. Runitsch, SowArch 1976/3, 256 ff., tümlich als aus „einem Pferdegrab stammende" Funde.
Abb. 4/6), die Riemen Verteiler von Pannonhalma sind an Das eiserne Mundstück mit viel kantigen Bronzestangen
Blütenblätter erinnernde individuelle Varianten. endet in Bronzeringen und -knebeln und ist mit zahlreichen
Silber- und Bronzetrensen aus östlichen Hunnenfunden ver­
64. Knebeltrense (Farbtafel XX) wandt.
Pannonhalma-Széldomb, Komitat Gyor-Moson-Sopron Originale Gesamtlänge ca. 10 cm. MNM Inv.-Nr.
(1979) 76.1895.5-6.
Es fanden sich eine ganze und eine halbe Knebeltrense. J. Hampel. ArchÉrt 20. 1900. 110-111 und Abb. Alföldi,
An den kurz nach ihrer Freilegung geprüften Trensen konnte Hunnenzeit, 60, Abb. 17, B. Kuzsinszky. A Balaton környé­
der Verfasser Brandspuren erkennen, so daß die eine Hälfte kének archeológiája [Archäologie der Balatongegend], Bu­
des fragmentierten Exemplars wahrscheinlich auf dem Schei­ dapest 1920, 100-101.
terhaufen verlorengegangen war.
Die Trensen sind aus Eisen, ihre gerippten Knebel mit 67. Hunnische Grabfunde (Farbtafel XXI)
hellem Goldblech überzogen. Szekszárd-Bal-Parászta (Weinbergparzellen) dűlő, Komitat
Durchmesser 11,6 cm, Länge der Knebel 11,3-11,6 cm. Tolna
XJM Inv.-Nr. 82.10.1. 1. Riemenzunge vom Weinberg des J. László (1935).
P. Tomka, Der hunnische Fürstenfund von Pannonhal­ In einem Nischengrab, das mit aus der Umgebung ge­
ma, Acta ArchHung 38, 1986, 426-427, Abb. 3-4 (vgl. sammelten römischen Dachziegeln abgedeckt war-also
Taf, 45). nicht in einem römischen Ziegelprab! -, fand J. Csalog
ein menschliches Skelett. Zu der eisernen Gürtelschnalle
65. Sattel- und Pferdegeschirrbeschläge gehörte diese eine, mit Goldblech überzogene Riemen­
Lewenz/Léva/Levice, Ziegelfabrik Meisel, einst Komitat zunge. Zu Füßen des älteren Mannes mit künstlich
Bars, Tschechoslowakei (1904) deformiertem Schädel europid-mongoliden Typs stand
Die Fundumstände waren bis heute unbekannt, obwohl ein größerer, beim Schädel ein kleinerer Krug mit Glatt-
sie in den Akten 1, 1924 des Archivs des Ungarischen Natio­ verzierung für die Wegzehrung in das Jenseits.
nalmuseums verzeichnet sind. Bei Lehmabbauarbeiten stieß Bronzene Riemenzunge mit gepreßtem Goldblech-
man am Hügelbang auf ein menschliches Skelett, auf das ein mantel.
Pferdeschädel gelegt war. Das Pferdegeschirr kam neben Unge 5,6 cm. WMM Inv.-Nr. R.l.935.6.
dem Toten zum Vorschein. Auf die Nachricht hin eilte A. J. Csalog, Hunkori sir Szekszárdon [Hunnenzeitliches
Horváth, Lehrer in Vác und ein vorzüglicher Amateurar- Grab in Szekszárd], Laureac Aquincenses I., DissPann
chäologe, an die Fundstelle, er kaufte die Funde und über­ II/10, Budapest 1938, 143-146, Taf. 3/3, Den Schädel
gab sie am 19. November 1923 als Tauschobjekte dem Na­ analysierte L. Bartucz, a. a. O., 8-16, Taf. 77/1-4.
tionalmuseum. 2. Gürtelschnalle vom Maximilian-Weinberg.
Überzüge aus vergoldeter Bronze mit Schuppenmuster Ankauf aus einem zerstörten Grab. Der rechteckige
und kannelierter Randleiste vom Sattelbreitende. Beschlag ist aus Goldblech und mit zwölf Almandinen
Länge 13,5 cm. MNM Inv.-Nr. 1,1924 a-b. in unregelmäßigen Kästchenfassungen verziert. Der zu­
Vergoldete Bronzephaleren. rückgebogene zungenförmige Beschlag ist ebenfalls aus
Durchmesser 3,9 cm. MNM Inv.-Nr. 1,1924 d. Gold.
Rechteckige Riemenbeschläge und zikadenförmige Rie­ Gesamtlänge 7 cm. WMM Inv.-Nr. 1.942.1.
menzungen aus vergoldeter Bronze. 3. Riemenzunge vom Orbán-Weinberg.
Länge der Beschläge 5,5 cm, Länge der Riemenzungen Ankauf aus einem zerstörten Grab. Aus Bronze, mit
4,7 cm. MNM Inv.-Nr. 1,1924 a und c. Goldblech überzogen und gepreßter Verzierung.
Zu dem Fund gehören noch eine eiserne Ringtrense und Unge 5,7 cm. WMM Inv.-Nr. 1.942.2.
ein verzierter Peitschenstielbeschlag aus Silber. 4. Münze aus den in Richtung Őcsény gelegenen Weingär­
Alföldi. Hunnenzeit, 71-72, Taf. XIII-XIV. ten von Szekszárd.
Nach 430 geprägter Solidus des Theodosius II. mit
66. Bronzene Knebeltrense der Rundschrift VOT XXX MVLT XXXXB und dem
Keszthely-Gátidomb-Steinbruch, Komitat Zala (1895) Münzzeichen CONOB. WMM Inv.-Nr. É. 62,18,1,
Zu Beginn des Jahres 1895 wurden in dem Steinbruch, der Wahrscheinlich wurde der Solidus aus einem Grab ge­
vom einstigen Meierhof von Mosóház bis zum Gátidomb borgen und kann so für die Datierung der hunnischen
reichte, verstreut vorkommende, mit Steinplatten und Stein­ Bestattungen um Szekszárd herangezogen werden.
schult bedeckte Gräber gefunden. Die Funde aus einem der I. Bóna, Katalog Severin, 191 und Farbfoto, auf dem
Gräber wurden von der Archäologischen Landesgesellschaft die bis zuletzt für verloren gehaltene Münze noch nicht
angekauft und dem Nationalmuseum geschenkt. Das mit der abgebildet ist.
Trense und der Schwertriemenschnalle aller Wahrscheinlich­
keit nach aus demselben Grab zum Vorschein gekommene 68. Schnallen
zweischneidige Eisenschwert gelangte in die Sammlung des Murga-Szölök (Kohtthalweingärten) dűlő, Komitat Tolna
Rathauses von Keszthely und ging dort später verloren. (um 1894)
Wegen der Trense veröffentlichte Hampel die vier dreiflügli- Die näheren Fundumstände der beim Umgraben in einem
gen Pfeilspitzen aus Eisen (vgl. Abb. 7/4), zwei kleinere, Weinberg neben einem menschlichen Skelett aufgedeckten
runde Stiefelriemenschnallen aus Silber, eine ähnliche, je­ Schmuckstücke sind nicht bekannt. Hampel publizierte die

280
Funde als „aus der römischen Kaiserzeit stammend". Wo- Arch 1979/4, 212-217, Abb. 2/5 und 3/16-17, 22), im Kata­
sinsky hingegen bestimmte zur gleichen Zeit die Funde rich­ kombengrab des Kisslowodsk-Lermontow-Felsens mit ei­
tig als frünvölkerwanderungszeitlich. Für eine kurze Zeit sernem Mundstück und mit in einem vieleckigen Knopf
schloß sich Hampel Wosinskys Meinung an (Hampel, Ré­ endendem Bronzeknebel (A. P. Runitsch, SowArch 1976/3,
gibb középkor II 309, Taf. 201). erwähnte aber den Fund 258, Abb 4/5). Das Exemplar aus Lengyeltóti ist auch mit
von Murga in seiner großen Zusammenfassung in deutscher der Knebeltrense aus der symbolischen Pferdebestattung
Sprache (Alterthümer) nicht, obwohl die Schnallen von von Beljaus auf der Krim verwandt (siehe Abb. 60).
Murga nah verwandt mit den bereits veröffentlichten Länge der Silberknebel 8,4cm, Länge des eisernen Mund­
Schnallen von Nowogrigorewka sind (Samokwasow. Kata­ stückes 12 cm, von den größeren Metallknöpfen des Ge­
log, Taf IX. 21-22, 25) schirrs 43 Stücke, Durchmesser 0,8 cm, RRM Inv.-Nr. 76/83
Gürtelschnalle aus vergoldetem Silber Auf dem Beschläg (Stangenknebel), 76/89 (Knebel), 76/80 (Metallknöpfe).
fünf Karneole in regelmäßigen Fassungen. Länge 5,7 cm. K. Bakay, Bestattung eines vornehmen Kriegers vom
Schwertriemenschnalle aus Silber. Auf dem mit dünnem 5. Jahrhundert. Acta ArchHung 30, 1978, 156, Abb. 6/1-3,
Goldblech überzogenen Beschlag vier Karneole. Lange 4 cm.
Stiefelriemenschnallen aus Silber. Auf den mit Goldblech 71. Silherne Cürtelgarnitur, goldene Schwertgurt- und Stiefelriemen-
überzogenen Beschlägen je zwei Karneole. schnallen (Farbtafel XXII)
Länge 3,7 an. MNM Inv.-Nr. 51.1895.318-321. Lengyeltóti-Apolheke, Komitat Somogy (1976)
Der Fund von Murga wird wegen der mitgefundenen Der Größe und Form nach könnten folgende Stücke zum
Silberfibel mit sog. umgeschlagenem Fuß für Schmuck eines Waffengürtel gehört haben:
Frauengrabes gehalten (Alföldi: Hunnenzeit. 48, 79, Taf. Silberne Gürtelschnalle mit punzierten Verzierungen auf
XXVI /1-6, die Angaben Wosinskys außer acht lassend und dem ovalen, vergoldeten Beschlag.
Hampel korrigierend, spricht Alföldi von einem hunnenzeit- Länge 5,8 cm. RRM Inv.-Nr. 76/79.
lichen barbanschen Frauengrab des Donaugebietes), ob­ Silberne Riemenverbindungsnieten, ähnlich wie die von
wohl die einfache Fibel in dieser Zeit au sich keineswegs ein Csömör und Kistokaj (siehe Taf. 40/5).
Beweis für eine Frauentracht ist. Aus der Größe der mittle­ Durchmesser 1,1 cm. RRM Inv.-Nr. 76/82.
ren Schnalle kann eher auf ein verschollenes oder vollkom­ Riemenzungen aus gegossenem Silber, wahrscheinlich Er­
men korrodiertes Eisenschwert gefolgert werden. zeugnisse aus Kertsch (vgl. I. P. Sassetzkaja. KSIA 158,
1979, 5 ff. Abb. 3/10-12, 71-72).
69. Krug des Grabfundes von Murga Länge 6,9-7,1 cm. RRM Inv.-Nr. 76/84.
(1894) Kleine Silberschnalle eines Nebenriemens.
Wosinsky ist aufgefallen, daß „die Form des Kruges ganz Länge 3 cm. RRM Inv.-Nr. 76/81.
unbekannt und in den Funden der Völkerwanderungszeit Silberner Ösenring eines Nebenriemens, wie er zumeist
bisher nicht vorgekommen ist". Aufgrund dieser Erkenntnis aus Gold von zahlreichen hunnischen Funden bekannt ist.
wird bis heute in der Fachliteratur bei ähnlichen Krügen Länge 2,4cm. RRM Inv.-Nr. 76/85.
vom Murga-Typ gesprochen. Zum Hängegurt des trotz des fragmentierten Griffes noch
Aus schwarzem, graphithaltigem Ton, scheibengedreht, 84 cm langen, mit einer 8 cm langen Parierstange versehenen
gut gebrannt. Am Hals und Bauch Glättverzierung. zweischneidigen Schwertes gehörte eine Goldschnalle mit
Höhe 21,5 cm. MNM Inv-Nr. 51.1895.313 ovalem Beschlag mit drei Nietköpfen. Ursprünglich mögen
J. Hampel, Murgai lelet [Fund von Murga]. ArchÉrt 16, wohl zwei gleiche Schnallen vorhanden gewesen sein.
1896, 95-96 und Abbildung; er zahlt auch die Fibel zu _den Länge 4 cm. RRM Inv.-Nr. 76/87.
in der Römerzeit bevorzugten Formen". M Wosinsky. Tol­ Die eine Stiefelriemenschnalle wurde beim linken Fuß in
navármegye az őskortól a honfoglalásig [Das Komitat Torna situ gefunden, die andere kam ebenfalls zum Vorschein;
von der Urzeit bis zur Landnahme] II. Budapest 1896, Schuhschnallen aus Gold, die ovalen Beschläge mit schwar­
994-995, mit den Fundumständen, ausgezeichneten Fotos zen Glaspaste-Einlagen in V-förmigem Zellenwerk. Eine
(Taf. 239-240) und guter Zeitbestimmung. ähnliche schwarze Einlage ist in der Donaugegend nur in
einer Zelle einer Schnalle von Nagyszéksós zu finden (Taf.
70. Eisentrense mit Silberknebel und Silberknopfbeschläge 85) - die Schnallenringe sind die üblichen.
Lengyeltóti-Apotheke, Komitat Somogy (1976) Länge 3,9 cm RRM Inv.-Nr. 76/88.
Wurde bei Erdarbeiten in einem sehr großen und liefen K Bakay. a. a. O., 151-155, Abb. 3 und 4.
zerstörten Grab neben einem auf dem Rücken liegenden
Männerskelett gefunden. Da sich im Grab keine Pferdekno- 72. Krug
chen fanden, können die Trense und die vergoldeten Silber­ Lengyeltóti-Apolheke, Komitat Somogy (1976)
knopfbeschläge des Zaumzeuges als symbolische Pferdcbe- Der Henkelkrug kam 20 cm oberhalb des Skelettes, rechts
stattung, wie sie in zahlreichen östlichen Hunnengräbern von der Schädelgegend zutage und dürfte auf dem Sarg
vorkommen, bezeichnet werden. Die durchlöcherten und an deponiert gewesen sein. Wahrscheinlich daneben stand ein
den oberen Enden gebogenen Knebel zählten früher zu den mit blauen Noppenauflagen verzierter Glasbecher (vgl. Re­
Raritäten in hunnischen Funden (aus Seelman/Rownoje war göly usw.).
ein Bruchstück publiziert), aus den hunnisch-alanischen Der Krug folgt einer spatrömischen Form, ist aber keine
Gräbern des Nordkaukasus-Gebietes gelangen sie heute um pannonisch-römische Arbeit. Die eingeglätteten Tannen­
so häufiger ans Tageslicht, aus Eisen in den Pferdegräbern zweig- bzw. Fischgrätenmuster und die Zickzackverzierun-
3 und 10 von Abrau-Dürso zusammen mit Sattelbeschlägen, gen tragen barbarischen Charakter. Die beste Parallele dazu
aus dem Pferdegrab 4 desselben Ortes sogar mit eisernem ist der Krug von Füzesgyarmat östlich der Theiß (siehe Abb.
Mundstück und silbernen Knebeln (A. W. Dimitrijew, Sow­ 73) Eingeglättetes Tannenzweigmuster ziert auch den aus

281
dem Fürstinnengrab von Dunapataj-Bakodpuszta stam­ glocke ohne Klöppel wurde zu Füßen der hunnischen
menden, eine antike Form nachahmenden Faltenbecher (sie­ Frauenbestattung mit Diadem von Antonowka (Tiligul II)
he Taf. 114), der wie der Krug aus Lengyeltóti um die Mitte gefunden. Vermutlich gehörte wie in vielen anderen Frauen­
des 5. Jahrhunderts gefertigt worden ist. gräbern mit Diadem auch in Antonowka eine partielle oder
Gut geschlämmt, scheibengedreht, grau. symbolische Pferdebestattung mit Pferdegeschirr zur Grab-
Höhe 33 cm. RRM Inv.-Nr. 76/76. ausstattung, die entweder nicht freigelegt oder nicht erkannt
K. Bakay. a. a. O. 150, Abb. 2. wurde. Die letztere Möglichkeit zogen schon die Autoren M.
A. Tichanowa - I. T. Tschernjakow. SowArch 1970/3, 119
73. Funde aus dem Grab eines vornehmen Hunnen und Abb. 3, in Betracht. Aus all den ähnlichen Berichten
Budapest XIV. Bezirk (Zugló), Egressy út, Ecke Vezér utca geht eindeutig hervor, daß die Klöppel der Glocken aus
(1961) rituellen Gründen entfernt wurden.
Die tatsächliche Bedeutung dieses wahrscheinlich schon In der nördlichen Küstengegend des Schwarzen Meeres
früher beraubt gewesenen und bei Bauarbeiten zerstörten wurden bisher nur in Tanais an der Donmündung ähnlich
Grabes liegt in den in Bruchstücken in das Museum gelang­ geformte und in ähnlicher Technik hergestellte große Vieh-
ten, mit Steinen verzierten Goldblechen im „Diademstil". glocken gefunden, und zwar zusammen fünf Stück außer­
Ihre Rekonstruktion wird Aufgabe der Publikation sein. Die halb der Stadtmauern. Sic wurden als Pferde- oder Kamel­
Bleche wurden neben dem NW-SO-orientierten Skelett eines glocken interpretiert, was durch die Befunde in den Hunnen-
jungen Mannes von europid-mongoloidem Typ gefunden. gräbern bestens bestätigt wird (D. W. Schelow, Antitschnij
Neben oder über dem Skelett lag ein Pferdeschädel mit gorod, Moskau 1963, 122, Abb. 5, Ders., Drewnosti Nishne-
einigen Halswirbeln, der offenbar das ganze Pferd symboli­ wo Dona, Moskau 1965, 76, Abb, 19-20) Die in komplizier­
sierte. Aus der Nähe der Pferdeknochen stammen: ter Technik hergestellten und mit Eisenblech überzogenen
1. Große Viehglocke aus Kupfer- oder Bronzeblech, in­ Bronzeglocken gelangten von Meistern in antiken Städten zu
nen und außen von heute stark korrodiertem Eisen­ den europäischen Hunnen.
blech überzogen. Bügel und Klöppel fehlen. Länge T. Nagy, ArchÉrt 89, 1962, 265, O. Bottyán, Annales
16,8 cm. BTM Inv.-Nr. 84.3.1. Historico-Nalurales Musei Nationalis Hungarici 59, 1967,
2. Fragmentierte, zusammengedrückte und daher wahr­ 455-464, Für die Publikation der hier dargestellten Funde
scheinlich nicht im Pferdermaul, sondern daneben ge­ bin ich T. Nagy und M. Nagy zu Dank verpflichtet.
fundene eiserne Knebeltrense. Durchmesser 7,5 cm.
BTM Inv.-Nr. 76,2,1, Die Knebel waren nur an den 74. Goldener Halsring, Gürtel- und Stiefelriemenschnallen (Farbtafel
Enden mit solchen gerippten Goldblechen wie bei der XXIII)
Trense von Pannonhalma überzogen, von denen aller­ Keszthely-Téglagyár, Komitat Zala (1954)
dings nur ein Bruchstück erhalten blieb. Länge Dies war das erste hunnenzeitliche Knabengrab in Un­
2,5 cm. BTM Inv.-Nr. 76.2.2. garn, bei dem trotz neuzeitlicher Störungen die genaue
3. Rhombischer Zaumzeuganhänger aus Bronze, mit ge­ Fundlage des bedeutenderen Trachtzubehörs beobachtet
preßtem Goldblech überzogen. Länge 4 cm. BTM werden konnte. Dieses Nischengrab ist genauso wie die Be­
Inv.-Nr. 76,2,3, Seine Ergänzung ist vermutlich nicht stattung am nahen Gátidomb in Ungarn alleinstehend, ob­
ganz gut gelungen, denn die besten Parallelen dazu, im wohl es im östlichen hunnischen Bereich häufig auftritt.
hunnischen Grabfund von Feodosija-Gora Klemen- Goldener Halsring mit Hakenverschluß.
towka auf der Krim, besitzen Hängeösen (T. N. Wys~ Durchmesser 12,9 cm, Gewicht 84,6 g. BM Inv.-Nr.
solzkaja und E. N. Tscherepanowa, SowArch 1966/3, 55.22.1.
195, Abb. 3/14). Die gepreßte Verzierung entspricht Der Halsring ist ein charakteristischer Schmuck der hun­
am ehesten den Zaumzeugbeschlägen von Nishnjaja nisch-alanischen und germanischen Männergräber aus der
Dobrinka (Alföldi, Hunnenzeit, Taf. XXIII/5-6). Hunnenzeit (Szeged-Nagyszéksós, Wolfsheim, Pouan, Con­
4 . - 5 . Schelle aus zusammengelegtem und genietetem Bron­ ceşti, Kalinino, Nowaja Majatschka Schtscherbata-Tal,
zeblech mit punzierten Verzierungen unten an der Musljumowo, Schipowo Kurgan 3, Schtscherbakino, Tu­
Vorderseite. Länge 6 cm. BTM Inv.-Nr. 76.2.4. goswonowo usw., vgl. zum Großteil E. Keller, Germania 45,
Die Teilbestattung eines Pferdes und die Trense von Zug­ 1967, 116-118 und Verbreitungskarte), der vor allem infolge
ló haben wir bereits im Haupttext behandelt. Noch aber ist der hunnischen Eroberungen in Europa zu einem Würdeab­
über die eigenartigen Schellen zu sprechen, die im Donau­ zeichen wurde. Die Größe und das Gewicht der Ringe zeig­
raum im Umkreis der Hunnen zum ersten Mal in Erschei­ ten den jeweiligen Rang des Trägers an. So wurde der Hals­
nung getreten sind. Eine Viehglocke oder Schelle zusammen ring von Keszthely aus 21 Goldsolidi verfertigt, der unvoll­
mit einem Pferd oder mit Pferdegeschirr in das Grab zu ständige von Nagyszéksós aus 91 Solidi!
legen, ist ein hunnischer Brauch asiatischen Ursprungs. Eine Im Bereich der rechten und linken Knöchel kamen golde­
zusammen mit einer Trense gefundene Bronzeschelle und ne Stiefelriemenschnallen mit glatten viereckigen Beschlägen
eine eiserne Viehglocke, die jedoch wesentlich kleiner als die zum Vorschein. Länge 2,5 cm. BM Inv.-Nr. 55.22.3-4.
aus Zugló ist, kennen wir aus dem Kurgan 3/1954 (= Kos- Goldene Gürtelschnalle mit unverziertem Beschlag. Da
low 8) von Nojon-ul (Noin Ula). Beide sind abgebildet bei: sie am Fußende gefunden wurde, dürfte der Gürtel abge­
M. Gábori, ArchÉrt 89, 1962, 103, Abb. 2/2-3. Eine 9 cm schnallt im Grab deponiert worden sein. Länge 3,2 cm. BM
lange, aus dem gleichen Material und in der gleichen Technik Inv.-Nr. 55.22.2.
hergestellte Viehglocke und ebenfalls ohne Klöppel befand Der neben den Kopf des jungen Toten gestellte römische
sich unter dem Pferdegeschirr von Beljaus (Abb. 60). Eine Krug stammt aus dem 2.-3. Jahrhundert, dürfte irgendwo in
noch größere als die aus Zugló, nämlich 18 cm lange Vich- der Nähe gefunden worden sein und diente zur Aufnahme

282
eines Getränkes. Die neben dem Krug liegende Fleischbeiga- nen von römischen Friedhöfen hinzuweisen: W. M. Su-
be, die Keule eines jungen Schafes, weist jedoch nachdrück- bar. Nekropol Chersonnesosa Tawritscheskowo I-IV.
lich auf barbarische Grabsitten. ww n. e. Kiew 1982. W. N. Korpusowa, Nekropol Solo-
K. Sági, Hunkon sir Keszthelyen [Hunnenzeitliches Grab toje (Bospor), Kiew 1983.
in Keszthely], ArchÉrt 82, 1955, 185-189 (mit irrtümlicher Der fremde, östliche Ursprung der Bestatteten wird in
Geschlechtsbestimmung als Mädchen). Taf 23/1-4. Erneut erster Linie durch die Schnalle bewiesen. Die gleichen For-
publiziert von Müller, GHA 181, III, 50 und Farbtaf. 10, men (aus Silber) bei den Schnallen des südöstlich von Csorna
ders. in: Sieben Jahrtausende am Balaton Mannheim 1989, 1888 ausgegrabenen Frauen- oder Kindergrabes (Alföldi
63. Taf. 9. Hunnenzeit, Taf. VIII), in größerer Form die Schnalle des
Frauengrabes von Gencsapáti (Taf. 75/1), in Form und
75. Schnallen und Haarpinzette Größe die goldbeschlagene Eisenschnalle des Frauengrabes
Gencsapáti (früher Gyöngyösapáti)-Kápolna domb. Komi- von Drslavice in Mähren, die zusammen mit einem hörn-
tat Vas (1941) chenförmigen Lockenring und einem Glasbecher gefun-
Die Funde, eine N-S-orientierte Frauenbestattung mit den wurde (vgl. Abb. 34.), ferner einige Schnallen aus
künstlich deformiertem Schädel, wurden in einer Sandgrube Gräbern nördlich der Donau und im Osten, besonders in
in 150 an Tiefe aufgedeckt. Rechts des Schädels lag ein Schipowo (den Typ faßte zusammen J. Tejral. Mähren
spätrömischer, grauer Henkelkrug, neben dem Becken ein im 5. Jahrhundert, Prag 1973, 64-65, Taf. IV/6. Ders.,
Hundeschädel. Morava na slonku antiky. Prag 1982, 35-39, sowie Abb.
1. Gürtelschnalle aus vergoldeter Bronze mit punzierter und 8/3, 10/3 und Taf. VIII/2) schließlich die Schnalle von
gravierter Verzierung. Länge 6 cm. Abrau-Dürso Grab 374 (A. W. Dmitrijew, Drewnosti
2. Stiefelriemenschnalle aus vergoldeter Bronze mit punzier- 1982, Abb. 12/8).
-er Verzierung. Länge 4,3 cm. Die in der antiken Welt kontinuierlich bekannte und
3. Bronzene Haarpinzette. Länge 5.5 cm. benutzte Silbertauschierung ist an sich noch nicht zeitbestim-
MNM Inv.-Nr. 6l.47.l-3. mend, dennoch kommt sie in hunnischen Funden, zusam-
J. Nemeskéri. ArchÉrt 1944/1945, 303, Taf. 97/4-5. I. men mit unserem Ringanhängertyp, der gegenwärtig ohne
Bóna, Katalog Severin, 19l, Abb. auf S. 192 Parallele zu sein scheint, selten vor (z. B. auf der Eisenschnal-
le von Schletz, Grab 2, H. J. Windel. ArchAust 72, 1988, 203,
76. Schmuck aus hunnischen Gräbern des gemeinen Volkes Abb. 2).
Tamási-Adorjánpuszta, Koraitat Tolna (1977) Die Bestattungen von Adorjánpuszta weisen auf gehöft-
Auf pannonischem Gebiet kommen Bestattungen ein- artige Siedlungen hin, die von Einzelgräbern und kleinen
facher Hunnen östlichen Ursprungs selten ans Tageslicht. Gräbergruppen umgeben waren.
Bei Erdarbeiten in Adorjánpusztu wurde 1964 in 2 m Gy. Rosner. ArchÉrt 105, 1978, 283.
Tiefe ein künstlich stark deformierter europider Männer-
schädel gefunden. Ungefähr 50 m von dem scheinbaren 77. Bronzeschnallen mit Vogelkopf aus Funden des hunnenzeitlichen
Einzelgrab wurden 1977 weitere Bestattungen zerstort, gemeinen Volkes
darunter solche mit deformiertem Schädel. In den geret- Mözs-Palánku puszta, Grab 11, Komitat Tolna (1961)
teten Gräbern ruhten einfache Männer, Frauen und Aus einem 10 m vom Rand eines mit Ansiedlern mit
Mädchen: deformiertem Schädel und barbarischer Tracht untermisch-
Grab 1. Frau mit einfacher Halskette aus verschieden ten kleinen, aus dem 5. Jahrhundert stammenden römischen
großen blauen Glasperlen, zu den hier vorgezeigten fünf Dorffriedhofes gefundenen, zu den Gräbern des Friedhofes
unversehrten Perlen gehören noch Bruchstücke. in antithetischer Richtung (N-S-orientierung) angelegten
Grab 2. Mädchen mit Fingerring und Armreifen; Einzelgrab. Den von der Population des benachbarten
Silberner Siegelring, auf dem viereckigen Siegel das Mo- Friedhofes abweichenden „neubarbarischen" Charakter der
nogramm Z oder N. Durchmesser 1,8 cm. Männerbestattung bestätigt, daß man nur in dieses Grab in
Ovaler Bronzearmreif mit abgeflachtem bzw. eingekerb- einem eingeglätteten Henkelkrug Getränk sowie Fleischspei-
tem Ende. Durchmesser 4,1 cm. se gestellt hat. Der Henkelkrug ist von barbarischem Stil,
Runder Bronzearmreif mit stumpfem bzw. eingekerbtem sein naher Verwandter befindet sich im Grab B von Cson-
spitzem Ende. Durchmesser 3,9 cm. grád-Kaserne. Die Tracht des Mannes ist für die Steppen-
Grab 4, Frau. landschaft charakteristisch, die eine Schnalle mit Vogelkopf
Ovaler gerippter Bronzeschnallenring mit von halbrun- diente als Gürtelschnalle eines in einer eisernen Riemenzun-
den Bronzenieten durchbrochenen dreieckigen eisernen Rie- ge endenden Waffengürtels (in der Nähe kam auch die Eisen-
menzungen. Länge 3,7 cm. schnalle des Hosenriemens zum Vorschein!), die anderen
Ringanhänger mit Öse, flachgehämmertes Eisen, in Vor- zwei gehörten zu Stiefelriemen.
deransicht mit Silbereinlage (Tauschierung) verziert Durch- 1. Schnallenpaar aus gegossener Bronze mit nach links blik-
messer 4,1 cm, Länge mit Öse 5,2 cm. kendem Vogelkopf verziert, bronzene Vogelaugen, glatte
Szekszárd, WMM Vormerkinventar 77.5.31. Gy. Rosners Schnallenbeschläge. Länge 4.2 cm. WMM, noch nicht
Fundrettung. Unveröffentlicht. inventarisiert.
Spätrömische Schmucktypen. Sie könnten ebensogut 2. Gürtelschnalle aus gegossener Bronze mit nach rechts
lokale pannonische Erwerbungen sein wie östlichen pon- blickendem Vogelkopf. Edelsteinfassung imitierende,
tischen Ursprungs, da die gemischte spätantike Bevölke- viereckige Beschlagplatte und Blechunterlage. Länge
rung mit bereits oft künstlich deformiertem Schädel dort 4 cm, WMM, noch nicht inventarisiert.
ebenfalls solche Perlen, Armreifen und Fingerringe trug. Á. Salamon - I. Lengyel. World Archaeology 12/1,
(Es genügt, in dieser Hinsicht auf die neueren Publikatio- 1980, 93-94, nach Taf. 4 und Taf. 1/1-3.

283
78. Goldener Halsring und Goldschmuck (Farbtafel XXIV) stück mit drei V-förmigen Zellen. Durchmesser 2 cm. MFM
Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád (1912, Inv.-Nr. A.55,148,17, Darunter doppelschildförmige Zier-
1926, 1934) stücke mit roten Steineinlagen in dem dreifach geteilten
Im Weinberg des M. Bálint, Gehöft 124, der bis 1950 zum Zellenwerk.
4. Bezirk von Szeged („Hauptmannschaft Nagyszéksós"), Länge 2,2 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.16. Unter ihnen
heute aber zu der selbständigen Gemeinde Röszke gehört, ovaler Zellenschmuck.
kamen 1912 die ersten Goldsachen zutage. Zwar sind viele Durchmesser 2,3 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.18.
davon verschollen, es blieb jedoch trotzdem eine Menge Alföldi, Hunnenzeit. 63-70 (mit mehreren fehlerhaften
erhallen. Sechs Stücke kamen durch Vermittlung (mit fal- Angaben und Abmessungen). Taf. XV/l-30, 59-60. 62-66
scher Fundortangabc) in die Budapester Privatsammlung 69-70, Taf. XVII/20. Fettich, Nagyszéksós. 117-122, Taf.
von J. Fleissig. Sie gingen während des Zweiten Weltkrieges II/5-6, 9-17, Taf. III/1-2, 21-63, Taf. IV/1. Über den Fund-
zugrunde, doch blieben von ihnen zahlreiche gute Fotos ort A. Kiss, FoliaArch 33, 1982, 176-184. Die hauptsächli-
erhalten. Und sicher gelangten einige Stücke auch in andere chen Funde publiziert erneut B. Kürti, Fürstliche Funde der
Sammlungen (vgl. Abb. 63), 70 Stücke erwarb das Museum Hunnenzeit aus Szeged-Nagyszéksós. GHA 163-166,
in Szeged. Auf die Nachricht von neueren Funden - darunter 178-180, Farbtaf. 3-6.
auch dem Halsring - und um die früheren Funde zu authen-
79. Schwert- oder Zaumzeugbeschläge
tifizieren und zu legalisieren, begann F. Móra 1926 mit
Forschungen in dem Weinberg, allerdings durfte er nur zwi- Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád
schen den Reihen graben. Er fand 93 Goldgegenstände „in Zwölf auf Goldplatte gelötete Kästchenfassungen mit
einem Haufen, ohne jegliche Spur von Skeletten oder Bestat- roter Granateinlage. Der Beschlag ist von einer gekerbten
tungsplätzen". 1934 stieß man an derselben Stelle erneut auf Drahtnachahmung umrahmt. Länge 5,1 cm. Ähnlicher, je-
bedeutende Funde. Daraufhin untersuchte K. Cs. Sebestyén doch etwas längerer und schmalerer Beschlag mit nur sechs
die Fundstelle und ihre Umgebung auf 30 m Länge, 18,5 m Granaten. Länge 5,3 cm. MFM Inv.-Nr A.55.138.19.
Breite und bis 80 cm Tiefe. Trotz größter Sorgfalt wurden Alföldi, Hunnenzeit, a. a. O., Taf. XV/46, 48, Fettich,
nur noch wenige Goldsachen gefunden. Der Boden war Nagyszéksós, a. a. O., Taf. 11/18-19.
unter dem umgegrabenen Humus ungestört, keinerlei Ver-
färbungen oder Eingrabungen konnten festgestellt werden. 80. Riemenzungen mit Zikadenflügeln
Seither kamen in dem Weinberg keine weiteren Funde mehr Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád
zutage. Die einzige Ausnahme: Die Erben der Familie Bálint An der gesamten Oberfläche mit Zellen verziert, waren sie
verkauften dem Ferenc Móra-Museum von Szeged 1965 und mit Hilfe von Nieten auf der Lederunterlage befestigt. Die
1966 Bruchstücke einer Riemenzunge und einer Schnalle, die Edelsteineinlagen sind herausgefallen. Das eine längere
sie als Andenken aufbewahrt halten. Die zu verschiedenen Exemplar wurde bei der Grabung 1934 gefunden.
Zeiten gefundenen Goldstücke gehören eng zusammen, be- Länge 3,1 und 2,3 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.9, 10
weisen doch entzweigebrochene zusammenpassende Teile und 29.
und Paarstücke unzweifelhaft die Einheit des Fundes. Die Alföldi, Hunnenzeit, a. a. O., Taf. XV/49-51, Fettich.
frühere Hauptinventarnummer der in Szeged aufbewahr- Nagyszéksós a. a. O., Taf. I/16-18 und Tuf. XVII/3.
ten Funde war 4/1926, Das Nationalmuseum verwahrte
die als Deposit dorthin gelangte Gegenstände bis zur 81. Goldschmuck mit Granateinlagen
jüngsten Zeit. Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád
Halsring aus massivem Gold, ein Ende fehlt. Gewicht In der oberen Reihe „Lochschützern" ähnliche Zierstücke
407,75 g, d. h. er wurde aus rund 91 -ursprünglich vielleicht mit goldenen Nieten. Bei dem einen Stück blieb ein Teil jener
100 - Solidi gegossen. dicken Silberplatte erhalten, auf der die Zierbeschläge einst
Durchmesser 19,8 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.39. befestigt waren. Aufgrund der typisch hunnischen Trense
Quadratischer, aufnähbarer Kleiderschmuck (Flitter) aus aus dem gepidischen Königsgrab von Apahida II dürfte es
gepreßtem Goldblech (oben). Erhalten sind 26 ganze Stücke sich bei diesen Beschlägen um die einer Trense handeln.
und 10-12 Fragmente. Länge 2,4 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.14.
Breite 1,4 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.21. Der mit Silbemieten zu befestigende dreiarmige und drei-
Innerhalb des Halsringes oben Nietenkopfzierate eines eckige Zellenschmuck könnte von Schwertern oder Lanzen
Kurz- oder Langschwertes aus jeweils drei kreisförmigen stammen, eher jedoch als Riemenbeschlag gedient haben.
Zellen. Seine Parallelen kennen wir aus Pécs-Üszögpuszta Durchmesser der dreiarmigen Beschläge 1,9 cm, der drei-
und Selenokumsk im Vorland des Kaukasus. eckigen 1,7 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.2 und 6.
Durchmesser 1,3 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.7. Alföldi, Hunnenzeit, a. a. O., Taf XV/52-58, Fettich,
Im Halsring links gibt es längliche Beschläge - wahr- Nagyszéksós, a. a. O., Taf. 1/9-10. 12-13, 23-25.
scheinlich von einem Pferdegeschirr in drei runden Fassun-
gen - mit blauweißen Steineinlagen. Erhallen sind mehrere 82. Trensenzierbeschlag, stark vergrößert, aus dem Fund von Sze-
ganze Stücke und zahlreiche Fragmente. ged-Nagyszéksós
Länge 4,5 cm. MFM Inv.-Nr. 55,138,20.
83. Zellenverzierte Beschläge
Daneben in der Mitte vierscheibiger Zellenschmuck mit
roten Steineinlagen unbekannter Funktion. Durchmesser Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád
2,2 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.9. Die Parallelen sind als Die an beiden Enden zikadenflügelförmig gestalteten lan-
kleeblattförmige Variante aus Kertsch bekannt, O. M. Dal- gen Beschläge sind auf der Schauseite mit dreieckigem bzw.
-on. The Antiquaries Journal 4, 1924, 259-261, Taf. 1/7-8. V-förmigem Zellenwerk bedeckt und mit gedrehtem Gold-
Im Halsring rechts oben ein kreissegmentförmiges Zier- draht eingefaßt. Die roten Granateinlagen sitzen auf

284
geriffelten Silberblechen. Möglicherweise dienten diese Be­ mals Goldnieten. Gerade wegen dieser Nieten kann der
schläge zur Verzierung der Parierstange von Prunkschwer­ Verwendungszweck der Scheibe, die den Bodenscheiben der
tern. An einem zugrunde gegangenen Exemplar der Fleissig- zwei größeren Goldschalen aus dem Schatz von Szilágysom-
Sammlung war noch die umgebogene und zur Befestigung lyó (vgl. Farbtaf. VII) sehr ähnelt, erahnt werden; vielleicht
geeignete Goldblechunterlage vorhanden. Eine andere Ver­ war sie auf dem Boden einer Holz- oder Goldschale als
wendungsmöglichkeit wäre die als Riemenzunge. Omphalos befestigt.
Länge des unversehrten Exemplars 8,8 cm MFM Inv.- Durchmesser 4,8 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.28. Einen
Nr. A.55.138.15. Das bisher unpublizierte, fragmentierte Rekonstruktionsversuch siehe auf Abb. 26/2.
mittlere Exemplar kam 1965 in das Ferenc-Móra-Museum. Fettich, Nagyszéksós, a. a. O., Taf. XVII/2.
MFM Inv.-Nr. A.65.11.35.
Alföldi. Hunnenzeit, a. a. O., Taf. XV/61, 71-72, Fettich, 89. Elektronpokal mit Ringfuß
Nagyszéksós, a. a. O., Taf. 11/2-4. Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád (1934)
Der Oberteil ist in einem Stück gegossen, der Fuß angelö­
84. Goldschnallen tet. Im Fuß eine eingepunktete Inschrift, vielleicht die Ge­
Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád wichtsangabe. Der Gefaßkörper ist von runden Zellen unter­
Von oben nach unten und von links nach rechts: brochen, aus denen die ehemaligen Glaseinlagen restlos aus-
Ovale Gürtelschnalle. Länge 3,3 cm, Breite 3 cm. MFM geschmolzen sind. Der Pokal kam verbrannt und deformiert
Inv.-Nr. A.55.138.1. zutage, sein jetziger Zustand ist das Ergebnis einer sorgfälti­
Schwertriemenschnalle. Auf dem dreirippenförmigen Be­ gen Restaurierung.
schlag vier Zellen mit roten Steineinlagen. Länge 4,2 cm. Die der Form nach hervorragenden Verwandten sind die
MFM Inv.-Nr. A.55.138.2. Das zweite Exemplar aus der Trinkbecher aus Glas, die Nachahmungen eines ähnlichen
Fleissig-Sammlung ging zugrunde. Goldkelches (Abb. 64).
Stiefelriemenschnalle. Der runde Beschlag ist in drei Zel­ Höhe 9,4 cm. Durchmesser 11,1cm. MNM Inv.-Nr.
len unterteilt. Länge 4 cm MFM Inv-Nr. A.55.138.4. 81.1.1.
Schnalle mit halbkreisförmig geteilten Zellen im quadrati­ Fettich. 1940. 240-241. Taf. III/1. Ders., Nagyszéksós.
schen Beschlag, in der oberen schwarze Glas-, in den beiden a. a. O., Taf. XV/l und XVII/l.
anderen rote Steineinlagen. Länge 2,9 cm. MFM Inv.-Nr.
A.55.138.5. 90. Eletktronschale
Schnalle, in der nierenförmigen Zelle rote Steineinlage. Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád (1934)
Länge 2,3 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.3. Durch Feuer stark angebrannt, wurde bei der Freilegung
Zu den zwei dornlosen Ösenschnallen aus der ehemaligen zerstückelt. Der Omphalos ist mit blütenblattförmigem Zel-
Fleissig-Sammlung siehe Abb. 39 und 41, Zu der einen gibt lenwerk verziert, die Edelsteineinlagen sind ausgeschmolzen.
es ein gutes Gleichstück im Fund von Pouan. Durchmesser des Blütenzierats 2,7 cm. MNM Inv.-Nr.
Alföldi. Hunnenzeit. a. a. O., Taf. XVI/24-28, Fettich, 81.1.2. Rekonstruktion siehe Abb. 25.
Nagyszéksós, a. a. O., Taf. l/l, 3-6. Fettich, 1940, 239-240. Taf. III/2. Ders., Nagyszéksós.
Taf. XVI.
85. Schnalle mit quadratischem Beschlag, vergrößert
91. Goldschnitten aus der Umgebung ton Sopron/Ödenburg
86.Goldene Riemenzunge Fertömedgyes-Goldberg-dűlő, einst Komilat Sopron, heute
Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Gongrád Morbisch. Burgenland, Österreich (1904)
Aus massivem Gold gegossen. In dem V-förmig geteilten Der Name des Weinberges weist vielleicht auf dort bereits
Zellenwerk rote Edelsteineinlagen. Lange 3 cm. MFM Inv.- früher gemachte Goldfunde. Der Verkäufer machte über die
Nr. A.55.138.12. Fundumstände keinerlei Angaben, wahrscheinlich stieß er in
Eine ähnliche, jedoch längere Riemenzunge mit querge- geringer Tiefe auf die Schnallen.
teiltem Zellenwerk ging in der Fleissig-Sammlung zugrunde 1. Schwert- oder Stiefelriemenschnalle aus Gold. Auf dem
Alföldi. Hunnenzeit, a. a. O., Taf. XV/40. Fettich, Nagy­ schwach ovalen Beschlag drei Zellen, in denen auf Gold­
széksós. a. a. O., Taf. 1/21. folien Almandine sitzen; einer davon fehlt. Gesamtlänge
3.5 cm. LFM alte Inv.-Nr. 19/11, neue Inv.-Nr. 57.13.1-2.
87.Vogelkopfförmiges Zierstück Das Paarstück wurde 1979 gestohlen.
Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád 2. Ovale goldene Gürtelschnalle mit fehlendem Dorn.
Aus Gold mit roten Grunuteinlagen. Seine Funktion ist un­ Durchmesser 4,8 cm. LFM alte Inv.-Nr. 19/11, neue Inv.-
bestimmt; vielleicht stammt es von einer großen Riemenzun­ Nr. 57.13 3. Trotz ihrer ungewöhnlichen Form ist sie mit
ge. Die nächsten Parallelen sind aus Kertsch bekannt, O. M. den Gürtelschnallen des Kurgans 3 von Schipowo, mit
Dalton. The Antiquaries Journal 4, 1924, 259-262, Taf. 1/3. jener aus dem Grab von Gencsapáti und anderen Funden
Länge 1,9 cm. MFM Inv.-Nr. A.55.138.13. verwandt.
Alföldi. Hunnenzeit, a. a. O., Taf. XV/42, Fettich, Nagy­ A. Kugler. Medgyesi aranylelet [Goldfund von Med-
széksós, a. a. O., Taf. 1/22. gyes], ArchÉrt 26.1906. 189-190. Abb. 1 -2. Alföldi. Hun­
nenzeit, 61, Abb. 18. I. Bóna. Katalog Severin, 191 und
88. Scheibenbeschlag Abb. auf S. 192.
Szeged-Röszke-Nagyszéksós, Komitat Csongrád (1934) 3. Gürtelschnalle. Sobor, ehemaliger Grundbesitz Esterhá­
Goldenes Scheibenbruchstück. Im Zellenwerk rote Stein­ zy, Komitat Györ-Moson-Sopron (1914).
einlagen auf geriffelten Silberblechen. Die Scheibe ist mit Nähere Fundumslände sind unbekannt. Der kreisför­
Perldraht eingefaßt. In den kleinen Randösen steckten ehe­ mige Beschlag ist mit zehn Goldzellen verziert, wovon

285
noch vier die roten Steineinlagen haben. Die Art der Zellen- Länge 4,7 cm. MNM Inv.-Nr. 43.1847.ß. Die Schnalle
aufteilung besitzt keine Parallele. Gesamtlänge 5,4 cm. LFM wurde mit den zwei anderen, weiter unten beschriebenen
alte Inv.-Nr. 19/13, neue Inv.-Nr. 57.11.1. auf dem Gut des Palatins Erzherzog Joseph gefunden
I. Bóna. Katalog Severin, 191 und Abb. auf S. 192. und kam aus dessen Nachlaß in das Nationalmuseum.
Neue Inv.-Nr. 62,155,42.
92. Zikadenfibeln (Farbtafel XXV) Alföldi, Hunnenzeit. 88, Taf. XXXIV/9; mit unbe­
Györköny-Dióser Teil, Komitat Tolna (1820) kanntem Fundort.
Im Dezember 1820 stieß man bei Hotzfällerarbeiten auf 5. Szeged (vor 1884). Auf dem schildförmigen Beschlag drei
dem Gut des J. Kapuvári auf einen römischen Sarkophag, unregelmäßige Kästchenfassungen mit roten Edelstein-
der in Sekundärverwendung für eine Nachbestattung be­ einlagen. Länge 3,5cm. MNM Inv.-Nr. 107.1893.4.
nutzt worden war. Die Funde kamen in die Gyönker Samm­ Das Stück stammt aus der Szegeder Sammlung von
lung des Vizegespans S. Magyari Kossa. Im Tausch kamen G. Kárász, wohin es über den Budapester Antiquitäten­
die Fibeln in die Sammlung von M. Jankovich und von dort händler D. Egger gelangte. (I. Bóna. VMMK 18, 1986,
1832 in das Ungarische Nationalmuseum. 37). Das Paarstück dieser innerhalb des Karpatenbek-
Fibelpaar aus gegossenem Silber, mit Goldblechmantel kens als Unikat geltenden Schnalle blieb im Besitz der
vekleidet. Die Augen der Zikaden schmücken Granate, den Gebrüder Egger und gelangte aus dem Nachlaß von
Körper rote Steine in tropfenförmigen Fassungen, Hals und Samuel Egger 1891 in das British Museum; von dort ist
Körper sind filigranverziert, die Flügel aufgelötete Granulie­ uns der Fundort des Schnallenpaares bekannt.
rungen. Diner, Catalog 9, Nr. 14, Taf. II/5, Alföldi. Hunnen­
Länge 6,4 cm. MNM OrnJank 111, 47-48; „in possessione zeit, 87, Taf. XXXIV/4; mit unbekanntem Fundort.
Györköny inventa". Catalogue of the Important Collection..,förmed by the
F. Kubinyi, Mittheilungen der K. K. Centralkommission Late Dr. S. Egger, London 1891, 24, Nr. 202, Londoner
1860, 101, Nr. 29, Abtheilung Ungarn, Kasten 3; ohne Paarstück: bei A. Kiss. JPMÉ 14-15, 1969-1970. Taf
Angabe des Fundortes. F. Pulszky, ArchÉrt 1, 1881, 150 und 1/5, fälschlich ist Tolna als Fundort angegeben.
Taf. la-b; bereits mit richtigem Fundort. Hampel, Régibb 6. „Angeblich" aus Marcelháza, einst Komitat Komárom,
középkor 1,14, Taf. IX/l; ebenfalls mit korrekter Fundort­ heule Marcelova, Tschechoslowakei (um 1889). Auf dem
angabe. Ders., Alterthümer 1, 329, Abb. 820, an dieser Stelle kreisförmigen Beschlag vier kreuzförmig angeordnete
irrtümlich mit dem Fundort Kömlöd, der später auch bei Zellen, in zweien ist noch die rote Steineinlage. Gegen­
anderen Autoren vorkommt. Rückansicht und auseinander­ wärtig ist nur in der einen Zelle ein Bruchstück geblie­
genommen bei Fettich, Nagyszéksós, 152, Taf. XL/4-5, ben. Länge 5,7cm. MNM Inv.-Nr. 62.1889. Ankauf.
4a-5a-b. Alföldi. Hunnenzeit, 88, Taf. XXXIV/10; mit unbe­
kanntem Fundort.
93. Hunnenzeitliche Goldschnallen (Farbtafel XXVI) 7. Alcsútdoboz-Szentgyőrgy. ehemals Alcsút-Vértes Szent-
Ein schlagender Beweis für die Hunnenherrschaft im Kar­ Györgypuszta, Komitat Fejér (um 1838). Auf dem kreis­
patenbecken ist die Goldschnallensammlung des Ungari­ förmigen Beschlag zwölf Zellen in doppelschildförmiger
schen Nationalmuseums. Die Schnallen wurden früher im Anordnung. Die roten Glaseinlagen sind auf geriffelte
allgemeinen als solche mit unbekanntem Fundort publiziert, Goldbleche gesetzt. Länge etwa 6 cm. MNM Inv.-Nr.
obwohl ihr Fundort - wenn er bekannt war - in den alten 43.1847.ß. Neue Inventarnummer 62.155.40. Fundum­
Inventarbüchern angegeben war. Von oben nach unten und stände siehe unter Punkt 4.
von links nach rechts: I. Henszelmann, L'âge du fer. Compte-rendu de la
1. Szekszárd, Komitat Tolna (vor 1878). Auf dem rechtek- huitième Session á Budapest. Budapest 1877, 524, Abb.
kigen Beschlag vier Zellen mit herausgefallenen Steinen. 27, der noch so viel wußte, daß „donné par.., I'archiduc
Länge 3 cm. MNM Inv.-Nr. 2,1878,6, Joseph". Hampel, Régibb középkor I, 45, Taf. 41/8,
Hampel, Régibb középkor I, Taf. 61/4, Ders., Alter­ Ders., Alterthümer II. 48, III, Taf. 41/8, Alföldi, Hun-
thümer III, Taf. 52/4, Alföldi, Hunnenzeit, 88, Taf. nenzeit, 87-88, Taf. XXXIV/8; überall mit unbekann-
XXXI V/12; überall mit unbekanntem Fundort erwähnt. tem Fundort.
2. Ungarn, Fundort unbekannt (vor 1870). Die Schnalle ist 8. Ungarn. Fundort unbekannt. Auf einem nierenförmigen
aus Silber, der kreisförmige Beschlag aus Gold. Drei Beschlag je zwei nierenförmige Zellen mit Almandinen,
unregelmäßige Kästchenfassungen in runder Einfas­ um sie herum rosafarbene Pasteeinlage. Länge 2,2 cm.
sung, einer der roten Edelsteine ist herausgefallen. Länge MNM Inv.-Nr. 24.1889. Ankauf.
4,7 cm. MNM Inv.-Nr. 235,1870.III.12, Ankauf. Alföldi, Hunnenzeit, 89, Taf. XXXIV/16.
Fl. Rómer. ArchÉrt II, 1869,155, Alföldi, Hunnenzeit 9. Unbekannter Fundort in Ungarn (vor 1832). Auf dem
87, Taf. XXXIV/3. kreisförmigen Beschlag drei heute leere Zellen, in denen
3. Unbekannter Fundort in Ungarn (vor 1884). Aus der aber im vorigen Jahrhundert noch die Glas- bzw. Stein-
einzigen Zelle des nierenförmigen Beschlags ist der Stein einlagen vorhanden waren. Länge 3,7 cm. MNM Orn
herausgefallen. Länge 2,8 cm. Aus der Szegeder Samm­ Jank III. 53, Neue Inv.-Nr. 62.155.43.
lung von G. Kárász. MNM Inv.-Nr. 107.1893.6. Alföldi. Hunnenzeit, 88, Taf. XXXIV/11.
Diner. Catalog 9, Nr. 12, Taf. II/7, Alföldi, Hunnen- 10. Nestin, einst Komitat Szerém, heute Neštin, Srem, Ju-
zeit, 88-89, Taf. XXXIV/l5. goslawien. Auf dem kreisförmigen Beschlag sechs radial
4. Alcsútdoboz-Szentgyőrgy, ehemals Alcsút-Vértes Szent- um eine Mittelzelle angeordnete Zellen, in denen früher
Győrgypuszta, Komitat Fejér (um 1838). Auf dem kreis­ rote Steineinlagen waren. Länge 4,9 cm. MNM Inv.-Nr.
förmigen Beschlag neun blütenblattförmig angeordnete 42.1908.
Zellen mit roten Glaseinlagen auf gerippten Goldfolien. Alföldi. Hunnenzeit. 87, Taf. XXXIV/5.

286
11. Unbekannter Fundort in Ungarn (vor 1884). Auf dem gaben. Fettich. Nagyszéksós. 152, Taf. XL/2; fälschli­
ovalen Beschlag ein Zickzack-Zellenwerk mit herausgefal- cherweise mit Mogyoród als Fundort.
lenen Steinen. Länge 3,8 cm. MNM Inv.-Nr. 107.1893 5.;
96. Fibel
aus der Szegeder Sammlung von G. Kárász.
Csege, einst Komitat Szabolcs, heute Tiszacsege, Komitat
Diner, Catalog 9, Nr. 13, Taf. II/6, Alföldi: Hunnen­
Hajdú-Bihar (1868)
zeit. 88, Taf. XXXIV/14.
12. Alcsútdoboz-Szentgyörgy, ehemals Alcsút-Vértes Szent- Aus besonders gutem Silber gearbeitet. Die sorgfältig
Györgypuszta, Komitat Fejér (um 1838). Auf dem kreis­ vergoldete Oberfläche ist mit gravierten und punzierten Mu­
förmigen Beschlag zehn radial um eine runde Mittelzelle stern spätrömischen Charakters verziert.
angeordnete Zellen. Die roten Glaseinlagen sitzen auf Länge 10 cm. MNM Inv.-Nr. 17.1868, ohne Fundortan­
geriffelten Goldblechen. Länge 4,7 cm. MNM Inv.-Nr. gabe.
43.1847.ß. neue Inv.-Nr. 62.155.41. Fundumstände sie­ Fl. Rómer, Archaeologia Közlemények VII, 1868, 184,
he unter Punkt 4. Nr. 988 und Abb. 8, mit Fundortangabe. Aufgrund meiner
I. Henszelmann, a. a. O., 524, Abb. 26, Hampel. Identifizierung: M. Menke, Communicationes Archaeologi-
Régibb középkor I, 45, Taf. 41/9, Ders., Alterthümer II. cae Hungariae 1986, 72, Abb. 1/3.
48 und III, Taf. 41/9, Alföldi. Hunnenzeit. 87, Taf. 97. Weißbronze-Spiegel aus hunnenzeitlichen Gräbern
XXXIV/6; überall mit unbekanntem Fundort. Pilismarót-Öregek dűlő. Komitat Esztergom-Komárom
13. Kispirit - Acker des J. Molnár. Komitat Veszprém (1939)
(1869).
Das „Grab 19" lag am Westrand eines spätawarischen
Der Grundeigentümer fand die Schnalle bei Garten­
Friedhofes. Andere zeitgleiche Bestattungen konnten inner­
arbeiten offenbar in geringer Tiefe. Der Beschlag ist
halb des z. T. aufeinanderfolgenden, z. T. sich überlappen­
durch drei Zellen viergeteilt. Die Steineinlagen fehlten
den spätrömisch-awarischen Gräberfeldes nicht gefunden
bereits bei der Übergabe an das Museum. Länge 5,7 cm.
werden. In dem mit Steinplatten abgedeckten Einzelgrab lag
MNM Inv.-Nr. 38,1870.
zu Füßen einer Mädchenbestattung ein ganzer Spiegel und
Fl. Rómer. ArchÉrt II. 1869, 155, Ders., Századok 4,
daneben Überreste eines rituell zerbrochenen. Das in einem
1870, 209. Alföldi, Hunnenzeit, 87, Taf. XXXIV/7.
silbernen Polyederknopf endende Ohrgehänge, der zweirei­
94. Goldene Zikade hige Beinkamm und die Perlen datieren das Grab in die erste
Umgebung von Sáromberke, einst Komitat Maros-Torda, Hälfte des 5. Jahrhunderts.
heute Dumbrăvioara. Judeţul Mureş. Siebenbürgen, Rumä­ 1. Spiegel aus Weißbronze, auf der Rückseite mit Öse und
nien (um 1880) zehn radialen Stegen.
Sic wurde auf dem ehemaligen Gut des S. Korányi gefun­ Durchmesser 6,3 cm. MNM Inv.-Nr. 1.1940.1.
den. Massiver Guß. Die beiden Augen werden durch Alman­ 2. Fragment eines Spiegels aus Weißbronze mit geometri­
dineinlagen betont. Die gravierten Verzierungen sind mit der scher Verzierung auf der Rückseite. MNM Inv.-Nr.
Ornamentik der pontischen Pferdegeschirrbeschläge von 1.1940.2.
Untersiebenbrunn und Coşovenii de Jos nahe verwandt. Der I. Kovrig. Acta ArchHung 10. 1959, 210, Taf. III/3-4,
Nadelhalter ist eigenartig, er gleicht den spätantiken Gold- Zu den Fundumständen vgl. MRT 5, Komárom megye
perlen des 4.-5. Jahrhunderts. régészeti topográfiája [Archäologische Topographie des
Komitats Komárom]. Budapest 1979, 293-294, Gräber-
Länge 5,7 cm, Gewicht 46,5 g. MNM Inv.-Nr.
feldplan auf Abb. 46 (I. Horváth und M. Kelemen).
45.1881.
3. Fragment eines Weißbronze-Spiegels. Ungarn. Fundort
F. Pulszky. ArchÉrt 1. 1881, 150. Abb. 3a-c. H. Kühn.
unbekannt. MNM Inv.-Nr. 14l.l873,l4, Unpubliziert.
JPEK 10, 1935, 88, Taf. 21/11., Fettich, Nagyszéksós, 152,
Mittelasiatischer Typ oder mittelasiatisches Erzeugnis.
Taf. XL/1.
Ein ähnlicher Spiegel fand sich im Frauengrab I von
95. Zikade Straže an der Waag mit künstlich deformiertem Schädel
Csömör-Ürményi-Weide, Komitat Pest (1871) (J. Neustupny, Obzor prehistoricky 9, [1930-1935] 1936,
13, Abb. 2).
Wurde in Richtung Mogyoród im Flugsand zwischen
Menschenknochen gefunden. Das goldene Ohrringpaar 98. Fibelpaar
der Frauenbestallung kam nicht ins Museum, ebenso wie Pécs-Basamalom, Komitat Baranya (1940)
nur jeweils ein Stück der paarweise gefundenen runden Es wurde in einem mit römischen Dachziegeln abgedeck­
Stiefelriemenschnallen aus Silber und der dazugehörigen ten Grab in der Nähe des römischen Sopianae gefunden.
Riemennieten aus demselben Material dem Museum ge­ Massiv gegossen, an den Rändern mit eingepunzten Ver­
schenkt wurden. Dieser Umstand erhärtet den Verdacht, zierungen. Die von hinten gelochten Platten lassen auf einsti­
auch die als Einzelstück gellende Zikade sei paarweise gen Edelsteinschmuck schließen, die Fassungen sind mögli­
gefunden worden. cherweise schon beim Tragen verlorengegangen. Auf dem
Mit Goldblech überzogene Zikade aus Silber. Ihre vom Autor vor der Reinigung der Fibeln angefertigten Foto
Schauseite ist mit almandinbesetzten Zellen und mit Fili­ sind auch diese Spuren nicht zu erkennen. Die Charakteristi­
grandraht verziert. ka zusammenfassend, gehören die Fibeln eher zu alanischen
Länge 3,2 cm. MNM Inv.-Nr. 168.1871.1. Typen aus dem Kaukasus als zu formenmäßig verwandten
Fl. Rómer, Csömöri lelet [Fund aus Csömör], ArchÉrt gotischen Erzeugnissen.
V. 1871, 198, 201-202, Abb. 1 links. F. Pulszky. ArchÉrt Lange 8,1 cm. JPM Inv.-Nr. 7110.
1, 1881, 150 und Bild Nr. 2; mit irrtümlicher Fundortan­ A. Kiss. JPMÉ 14/15, 1969/70, 121, Taf. I I / l - 2 .
gabc. H. Kühn, JPEK 10, 1935, 88, Taf. 21/3; ohne An­

287
99. Fibel 103. Goldenes Ohrgehänge (Farbtafel XXVIII)
Harkány, Komitat Baranya (1970) Mezőberény, Komitat Békés (1884)
Ihre Fundumstände sind unbekannt. Der Größe und Es stammt aus einem Mädchengrab, zusammen mit
Form nach steht sie dem üblichen Frauenschmuck der Ma- den auf Taf. 104-106 und 107/2 dargestellten Gegenstän­
rosszentanna/Sîntana de Mures-Tschernjachow-Kultur des den.
4. Jahrhunderts nahe. Der durchbrochen gearbeitete, Spit- Den Fundumständen der als aus zwei verschiedenen
zenstickerei ähnliche Rand der halbkreisförmigen Spiral- Gräbern stammend angekauften Funde ging das „Opfer"
platte verrät spätantiken Einfluß, wahrscheinlich die Arbeit des Irrtums in einer im vorigen Jahrhundert als Ausnah­
einer Werkstatt von Pantikapaion (Kertsch) oder Olbya, Für me geltenden Weise nach. Als Fundort der von dem An­
letzteres spricht das einzige nah verwandte Stück aus Grab tiquitätenhändler bzw. dessen Beauftragten einzeln ange­
14 der Begräbnisstätte Ranshevoe aus dem 4. Jahrhundert, kauften und inventarisierten Allsachen wurde jeweils ein
zwischen Odessa und Nikolajew gelegen. Die paarweise ge­ anderer Punkt in der Gemarkung der Stadt angegeben.
tragenen Silberfibeln mit durchbrochener Spitzenstickerei Daraufhin veröffentlichte Pulszky die zu jenem Zeit­
und halbkreisförmigen Platten trug in der späten Tschernja- punkt bereits erworbenen Gegenstände als Beigaben ei­
chow-Kultur im genannten Gebiet eine Ostrogotin. Sie ka­ ner getrennt aufgedeckten „Frauen"- und „Männer"-
men also wahrscheinlich mit den vor den Hunnen fliehenden, Bestattung. Verdacht faßte er erst ein bzw. drei Jahre
380 angesiedelten ostrogotischen foederati nach Pannonien später, als der erste Verkäufer das Gegenstück der zum
(E. A. Symonowitsch, in: Mogilniki tschernjachowskoj kul- „zweiten Fund" gehörigen Goldschnalle und ein weiteres
turi. Moskau 1979, 100, Abb. 21/3-4, Abb. 25/8-9. Exemplar des auch zu dem zweiten Fund gerechneten
Länge ca. 7,5 cm. Silber. Die beiden Bügelenden sind mit Goldbeschlages mit Filigranverzierung in das Museum
Perldraht umrahmt. Die fünfeckige Hakenplatte ist frag­ brachte. Pulszky reiste nach Mezőberény, wo er die Zu­
mentarisch. Gegenwärtige Länge 6,1 cm. JPM Inv.-Nr. sammengehörigkeit der Funde in Erfahrung brachte (Die
70.1.1. Goldfunde von Szilágy-Somlyó, Budapest 1890. 13). Er
A. Kiss, JPMÉ 14/15, 1969/70, 121, Taf. II/3. äußerte sich folgendermaßen: „Alle kamen aus demsel­
ben Grab hervor und nicht aus zweien, wie dies die Ver­
100. Goldenes Ohrringpaar käufer behaupteten, weil der Schau in zwei verschiedene
Regöly, Komitat Tolna (1926) Hände geriet und erst im Museum wieder zusammen­
Stammt aus dem Grab einer Gold- und Glasperlen tra­ kam" (Pulszky, Magyarország archaeologiája II, Buda­
genden Frau. Die Ohrringe enden in massiven polygonalen pest 1897, 86, Taf. 184-185). An den von ihm geklärten
Knöpfen. Fundumständen ist nur so viel umstritten, daß das zu­
Durchmesser 3 cm. MNM Inv.-Nr. 57.l926.a-b. Unver­ sammen mit dem ersten Fund verkaufte Gefäß und ein
öffentlicht. bronzener Armreif viel spätere Gegenstände sind, gepidi-
sche Funde aus der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert.
101. Goldene Riemenzunge Die Goldsachen von Mezőberény konnten somit keines­
„Buda" (1886) falls „im Gefäß" gefunden worden sein (vgl. die angebli­
Sie stammt aus einem Männergrab und stellt zur Zeit im chen Fundumstände von Léva, 1899, Abb. 33). Außer­
Donaugebiet den einzigen Vertreter eines sonst in den östli­ dem wären sie durch die schmale Öffnung gar nicht in
chen Hunnenfunden häufig vorkommenden, kleinen Typs das Gefäß gegangen, sie müssen daher von einer anderen
mit gewulstetem Ende dar. Sic kam zusammen mit einer Fundstelle der Gemarkung stammen.
kleinen goldenen Stiefelriemenschnalle zutage. Goldblech. Das besser erhaltene Exemplar der paarweise gefunde­
Größe 1,8 x 1,6 cm. MNM Inv.-Nr. 5.1886.3. nen Ohrgehänge endet in einem doppelkonischen Zier­
Als unveröffentlichten hunnenzeitlichen Fund erwähnt knopf mit je sechs Flächen. In der Mitte des Zierknopfes
ihn T. Nagy, Budapest története [Geschichte Budapests] I, sitzt ein Almandin, die einzelnen Flächen haben Filigran-
Budapest 1973, 189. und granulierte Ornamentik.
Durchmesser 4,8 cm. MNM Inv.-Nr. 43,1884,1.
101. Goldene Gürtelschnalle (Farbtafel XXVII) F. Pulszky. ArchÉrt 5, 1885, 100-102; zu dem
Nagydorog, Komitat Tolna (1936) Frauengrabinventar der „zwei Funde" publiziert. Ihm
Die näheren Fundumstände sind unbekannt. Das zusam­ folgend und im selben Sinn Hampel, Régibb Középkor I,
men mit ihr in das Museum gelangte, in polygonalen Zellen- 42-43, Taf. 38/2, Pulszkys Korrektur wurde von Hampel.
knöpfen mit roter Glaseinlage verzierte goldene Ohrringpaar Alterthümer II. 44-46, III. Taf. 38/11/2, außer acht gelas­
weist ebenso auf eine Frauenbestattung wie die Schnalle mit sen, was die späteren Mißverständnisse verursachte. Fet­
rechteckigem Beschlag mit Zellenornamentik, die in Ungarn ­ich. Nagyszéksós, 150-152, Taf. XXVIII/3, dem Pulsz­
in Männergräbern nur selten vorkommt. Der Schnallenring kys neuere Feststellungen ebenfalls entgangen sind, hat
aus massivem Gold und der am Ansatz sowie am Tierkopf aber trotzdem die Einheit der „zwei Funde" und ihre un­
mit Granaten verzierte Dorn reiht die Schnalle in die besten bedingte Zusammengehörigkeit bewiesen. Trotz alledem
derartigen hunnenzeitlichen Arbeiten ein. Das Zellenwerk wird auch neuestens „Hampels Trennung" als richtig
des Beschlags ist mit roten Steinen auf geriffelten Goldble­ anerkannt und Fettichs „nicht überzeugender Versuch"
chen gefüllt. Gesamtlänge 6,6 cm. WMM N.3,936,1, als falsch abgestempelt und behauptet, der kleine Arm­
Vezető a szekszárdi Balogh Ádám Múzeum kiállításaiban reif stamme aus einem „kontinental germanischen" Kna-
[Führer durch die Ausstellungen des Museums von Szek­ bengrab und die Kopfschmuckbeschläge gehören zu ei­
szárd], Szekszárd 1965, 50, Taf.XXI/1 (Á. Salamon). Auf nem (nicht existierenden) „fürstlichen" Schwert. J. Wer­
einer Farbaufnahme mitgeteilt von Kovrig. Propyläen ner, Der goldene Armring des Frankenkönigs Childerich.
Kunstgeschichte IV, Berlin 1979, 130, Nr. 33a. Frühmittelalterliche Studien 14, 1980, 4-9 und Anm. 11.

288
104/1. Filigranverzierte Kopfschmuckplatte aus Gold Mädchen während der Hunnenzeit getragenen Würde- und
104/2. Filigranverzierte Kopfschmuckplatten aus Gold zugleich unheilabwehrenden Abzeichen.
Mezőberény, Komitat Békés (1884) 1. Fund aus Nordostungarn. Die Goldzikade ist an den
Zungenförmiges Gegenstück zu einem verschollenen Rändern und auf der Schauseite mit feinem Perldraht
Exemplar ähnlicher Größe und Form. verziert. In den Augenzellen sitzen gelbliche Steine, aus
Länge 4,2 cm. MNM 44.1884.4. den Flügelzellen sind die Steine herausgefallen.
In einem schematischen Eberkopf endender Beschlag. Länge 2,5 cm. MNM Inv.-Nr. 1.1883.3. Ankauf von
Länge 4,1 cm MNM Inv.-Nr. 44.1884.6. einem Juwelier aus Miskolc, der hauptsächlich mit Fun­
Fischförmiger Beschlag. Länge 4,1 cm. MNM Inv.-Nr. den aus der oberen Theißgegend handelte.
52.1887.1. J. DeBaye. Note sur les bijoux barbares. Mémoires de
Gestreckt-rechteckiger Beschlag mit noch erhallen geblie­ la Société nationale des Antiquaires 54, 1895, 10, Taf.
bener Goldniete an einem Ende. Wahrscheinlich ebenfalls II/5, H. Kühn. JPEK 10, 1935, 88, Nr. 19. Taf. 21/10.
das eine Stück eines Paares. N. Fettich. Nagyszéksós. 152, Taf. XL/3.
Länge 4,3 cm. MNM Inv.-Nr. 44.1884.5. 2. Aus dem Grab des fürstlichen kleinen Mädchens von
N. Fettich. Nagyszéksós. 150-151, 194, Taf. XXVIII/ Mezőberény, Komitat Békés (1884). Die Augen- und
9-12. Flügelzellen der Goldzikade enthielten einst Steinein-
lagen
105. Armreif und Riemenzungen Länge 2 cm. MNM Inv.-Nr. 43,1884,3,
Mezőberény, Komitat Békés (1884) F. Pulszky, ArchÉrt 5, 1885, 100-102, Abb. B/la-b. H.
Armreif aus massivem Gold mit trompetenförmigen En­ Kühn. JPEK 10, 1935, 89, Nr. 36, Taf. 21/21, Fettich.
den. Durchmesser 4,5 cm, innerer Durchmesser nur 3,8 cm. Nagyszéksós, 150-151, Taf. XXVIII/1.
Gewicht 32,5 g. MNM Inv.-Nr. 44.1884.1.
108. Goldbeschlag vom Knauf eines Kurz- oder Langschwertes
N. Fettich. Nagyszéksós, 150-151, Taf. XXVIII/8, „Die
Umgebung von Oros, Komitat Szabolcs-Szatmár-Bereg
geringe Größe des Armreifes" verweist nicht nur auf ein
(1950)
„Frauengrab", sondern ausdrücklich auf ein Mädchen im
Kindesalter. Doch ist der Armreif größer als sein nächstes Den unsicheren Fundumständen der 1950 in Oros ge­
Gleichstück im Fund von Kutschugury (Durchmesser kauften Funde konnte erst nach deren Veröffentlichung
2,9-3 cm; Sassetzkaja, Solotyje ukraschenija 61, Nr. 55). nachgegangen werden. Die aus Németkér im Komitat Tolna
Unverzierte goldene Riemenzunge mit T-förmigem Ha­ stammende Verkäuferin halte als Fundort ihr eigenes Hei­
ken. Länge 2,8 cm. MNM Inv.-Nr. 44.1884.3. matdorf angegeben. Tatsächlich aber verkaufte sie in Oros
Das Gegenstück besitzt keinen Haken. Länge 1,9 cm. als Beauftragte anderer die Funde dem Vertreter des Natio-
MNM Inv.-Nr. 52.1887.2. nalmuseums. Die Fundstelle ist sicher die Umgebung von
Diese beiden kleinen Riemenzungen gehören wahrschein­ Oros, wo im Laufe des Jahres 1950 bei Straßenbauarbeiten
lich zu den zellenverzierten Goldschnallen. Die T-förmigen durch Erdbewegungen und Hügeldurchschnitte zahlreiche
Haken haben die Forschung eine Zeitlang irregeführt, weil Funde gemacht wurden. Hierbei kamen gepidische Schild-
ähnliche Hakenbeschläge in der Awarenzeit häufig vorka­ und Schwertbruchstücke aus dem 4.-5. Jahrhundert hervor,
men. Die technische Lösung, die Befesügungsart und die neuestens auch der von Theodosius II. 439-440 geprägte
Ausführung sind jedoch unterschiedlich. Solidus (I. Bóna. Szabolcs-Szatmár megye műemlékei [Die
N. Fettich, Nagyszéksós, 150-151, Taf. XXVIII/6-7 Kunstdenkmäler des Komitats Szabolcs-Szatmár] I. Buda­
pest 1986, 71 und Anm. 253)
106. Goldschnallen Die aus einem Männergrab stammenden und erhalten
Mezőberény, Komitat Békés (1884) gebliebenen Funde sprechen eindeutig gegen einen Fundort
Auf den rechteckigen Beschlägen mit starker Umrah­ in Pannonien, wohl aber für deren hunnenzeitliche Datie­
mung sind die Zellen dreigeteilt, wobei jeweils die beiden rung. So ist der hörnchenförmige Haarlockenring aus Gold
äußeren quadratischen Zellen noch diagonal geteilt sind. In in Transdanubien sozusagen unbekannt, um so häufiger
den Zellen rote Edelsteineinlage. jedoch tritt er in der oberen und mittleren Theißgegend auf
Gesamtlänge 3,2 cm. MNM Inv.-Nr.44.1884.2 und 94.1885. (vgl. Abb. 34), auch in der direkten Umgebung von Oros.
Die Schnallen mit rechteckigen Beschlägen können auch Der in einen ovalen Rahmen gefaßte Almandin gehört zum
in diesem Fall als Charakteristika der Frauentracht gelten Kreis des Diadems von Beresowka und anderer osthunni­
(vgl. die Gürtelschnalle von Nagydorog. Farbtaf. XXVII). scher Funde. Das Zellenwerk des Knaufbeschlages begegnet
Ein nah verwandtes Stück mit ähnlicher Zelleneinteilung ist uns auf Schwertern des Kaukasus und der Krim, die Beigabe
uns aus dem Frauengrab mit künstlich deformiertem Schä­ von 50-55 cm langen Kurzschwertern/Kampfmessern neben
del von Osorukowo im Nordkaukasus bekannt (W. Miller. Langschwertern ist aus dem Gebiet der oberen Theiß und
Materialy po Archeologii Kawkasa I, Moskau 1888, 87-91, Szamos bekannt (Tarnaméra, Szirmabesenyö, Ghenci/
Taf. XX/3). Dies alles unterstützt die Vermutung, im Fund Gencs, Érmihályfalva/Valea lui Mihai). Von dort kennt man
von Höckricht befinde sich auch Frauenschmuck in Sekun­ auch Parallelen zu der Schnalle von Oros.
därverwendung (Abb. 16). Herz- oder schmetterlingsförmiger Goldbeschlag mit git­
N. Fettich. Nagyszéksós, 150-151, 194, Taf. XXVIII/4-5. terartig angeordneten Zellen, in denen rote Granate sitzen.
Die Granate in den kreisförmigen Zellen sind von weißer
107. Goldene Zikaden Glaspaste umgeben. Die Zellen haben nach Meinung von
Die aus Goldblech verfertigten und mit Edelsteinen be­ D.S.W. Kidd ebenso wie diejenigen von Pouan die Form
setzten, kleinen Zikaden sind spezielle ungarische Typen einer Tiermaske oder eines menschlichen Antlitzes. Der
bzw. Funde; sie geben uns Einblick in die von vornehmen Rand ist mit Perldraht eingerahmt.

289
Länge 5,6 cm. MNM Inv.-Nr. N.52.66.2. zuerst in Wien untersuchen, schenkte sie am 21, Februar
I. Kovrig. Acta ArchHung 10, 1959, 211, 244, Taf. III/8, 1860 dem Ungarischen Nationalmuseum und stellte alle in
Dies., Propyläen Kunstgeschichte IV. Berlin 1979, 132, Nr. Erfahrung gebrachten Angaben der Forschung zur Verfü­
40b. - Die nachhunnenzeitliche „ostrogotische" Bestim­ gung. Die Funde waren in den ersten - zeitgenössischen -
mung ergab sich offenbar aus dem falschen Fundort Német­ österreichischen und ungarischen Mitteilungen noch gewis­
kor, was auch die Verwandtschaft mit dem „gotischen" senhaft aufgezählt, gerieten aber bis zum Ende des 19. Jahr­
Schwert von Pouan zu bestätigen scheint. Zu dessen Ur­ hunderts, bis zur Zeit Hampels, in Vergessenheit. Derart,
sprung und zeitlicher Bestimmung vgl. Abb. 29, Die richtig­ daß Fettich, der die Funde 1951 wieder publizierte, die Mit­
gestellten Fundortangaben verdankt der Autor J. Korek, der teilungen Hampels allein aufgrund des Inventarpostens 19.
damals die Funde sichergestellt hat, die Berichtigung des 1860 der Allertumsabteilung des Ungarischen Nationalmu­
Fundortes s. in der im Text zitierten Arbeit des Autors. Zur seums kritisierte. Das gleiche tat im Jahre 1961 auch D.
Darstellung D. S. Kidd, Beauty and the Beast. Anzeiger des Csallány, der den Inhalt von Grab 3 rekonstruierte. In einem
germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 1988, 81-94, Punkt halle sich jedoch das Erzbistum geirrt, nämlich in der
Abb. 3. Bezeichnung der Fundstelle. Es berichtigte zwar - für sich
selbst - den Irrtum, als es 1865 in Bödpuszta einen Obelisken
109. Riemenzungen errichten ließ, um das Andenken an die Auffindung der
Kékesd, Grab 63, Komitat Baranya (1936) Gräber zu verewigen, vermochte aber damit nicht mehr zu
Aus einem awarischen Friedhof. Theoretisch ist es durch­ verhindern, daß die Funde unter der Bezeichnung Bakod-
aus vorstellbar, daß die 567/568 aus Asien gekommenen puszta bzw. veraltet Puszta Bakod bekannt wurden. Diese
Awaren Gürtel- und Pferdegeschirrbeschläge hatten, die de­ Bezeichnung wird den Funden wahrscheinlich für immer
nen der Hunnen ähnlich waren, östlich der Wolga gehen anhaften. Und selbst die erwähnte Gedenksäule wurde an
beide Zeitalter und Moderichtungen ineinander über. Der einer falschen Stelle, nämlich im Blumengarten des Verwal­
Friedhof von Kékesd datiert aber in das Ende des 8, und den ters von Böd-Bakod in Bödpuszta, errichtet. Dies stellte sich
Beginn des 9. Jahrhunderts, ist also von Nachkommen der aber erst 105 Jahre später, im Oktober 1970 heraus, als der
Jahrhunderte früher eingewanderten Awaren belegt worden. Verfasser dieser Zeilen in der Umgebung der Steinsäule
Die gut erhaltenen Gürtelbeschläge hunnischen Typs sind vergeblich Nachforschungen anstellte. Erst aufgrund der
daher unter den mit Greifen und Ranken verzierten, gegosse­ bereits erwähnten zeitgenössischen Angaben und örtlicher
nen Gürtelbeschlägen wildfremd. Das eine Preßblech ist mit Erinnerungen konnte die genaue Stelle der Gräber an der
den hunnischen Pferdegeschirrbeschlägen des 4.-5. Jahrhun­ Südseite des heute noch bestehenden Schulgebäudes lokali­
derts aus Pannonhalma und Nishnjaja-Dobrinka verwandt. siert werden. Die Identifizierungsgrabung führte mit Aus­
Die Spiralverzierung der anderen Riemenzunge ist dem nahme der Ortsbestimmung des zerwühlten Grabes 3 zu
Kopfschmuckblech von Mezőberény ähnlich, Vorläufer sind keinem Ergebnis; die Gruben der Fürstengräber befinden
jedoch bereits auf den Bügeln der Fibeln von Szilágysomlyó sich zum Großteil heute unter dem Schulgebäude.
zu erkennen (vgl. Farbtaf. V und Taf. 104/1). Wahrschein­ Der Autor dieses Buches versuchte zwischen 1968 und
lich fand ein Awäre in der Nähe die beiden Beschläge und 1976 die drei Grabinventare voneinander zu trennen sowie
verwendete sie weiter. ihr Alter und ihre ethnische Zuordnung zu bestimmen
Aus Bronze, mit gepreßtem Goldblech überzogen. (A bakodpusztai germán királynő. A magyar régészei regé­
Länge 4,5 und 5cm. JPM Inv.-Nr. 16.1936.63. nye [Die germanische Königin von Bakodpuszta. Roman
A. Kiss, Avar Cemeteries in County Baranya, Budapest der ungarischen Archäologie]1-3, Budapest 1968, 1972, 1976.
1977, 52, 59, Taf XVI/4-6 und Taf. LXV/8-10. Ders., Bara­ Das Wesentliche der Ergebnisse wird auf Deutsch wortge­
nya megye története az őskortól a honfoglalásig [Geschichte treu zitiert von A. Kiss, Acta ArchHung 35, 1983, 104-112).
des Komitats Baranya von der Urzeit bis zur Landnahme], Aufgrund der Forschungen wird es immer gewisser, daß
Pécs 1979, 342, 392, man auf der einst von Donauarmen umgebenen und ge­
schützten Insel Böd nach dem Untergang des Hunnenreiches
110. Hunnenzeitlicher Henkelkrug zu bestallen begann, und zwar - und das gelang Kiss nun­
Körösladány-Gát, Komitat Békés (1929) mehr anhand eines zusammenhängenden Fundhorizontes zu
Stammt aus dem zerstörten Grab mit Schwert vom Punkt erweitern - die Elite der Skiren, die sich nach den histori­
B (vgl. Abb. 37/4-5). Graugetönt, scheibengedreht, glättver- schen Quellen in dieser Gegend angesiedelt hatten. Ja, wegen
ziert. des Reichtums der Gräber I und 2 ist auch die Möglichkeit
Höhe 28,5 cm. MNM Inv.-Nr. 4.1929.28. nicht auszuschließen, daß es sich bei den Bestatteten um
N. Fettich. ESA V. 1930, 56, Abb. 4/1, Ders., ArchÉrt 44, Familienangehörige des Skirenkönigs Edika, des einstigen
1930, 208-211, Abb. 137. Auserwählten Attilas, handelt.
Das wichtigste Ergebnis, das aus der Zusammenfassung
111. Goldene Gürtelschnalle mit zellenverziertem Beschlag der älteren und jüngsten Forschungen gezogen werden kann,
Dunapataj-Bödpuszta („Bakodpuszta") Grab 1, Komitat ist der Beweis, daß es sich in Bödpuszta um drei einzelne
Bács-Kiskun (1859) Gräber und auch nicht um völlig gleichzeitig bestattete
Am 22, September 1859 wurden bei Fundamentierungs- Frauen handelt. Dadurch gelingt es hoffentlich, den „Grab­
arbeiten für eine Gehöfteschule in 4 Fuß Tiefe zwei W-O- fund von Puszta Bakod", Hampels aus einem einzigen Grab
orientierte Fürstengräber gefunden. Bei Durchsuchung der stammende „Doppelbestattung", die die Chronologie der
Umgebung fand sich in 3 Klafter Entfernung eine weitere, europäischen Völkerwanderungszeit vom Beginn unseres
dritte Bestattung, diese Nachgrabung ist für alle anderen Jahrhunderts bis in die heutige Zeit so verzerrt, aus der
Funde des vorigen Jahrhunderts einmalig. Der Grundeigen­ archäologischen Forschung auszuschalten.
tümer, J. Kunszt, Erzbischof von Kalocsa, ließ die Funde Den Inhalt des schon im Inventarbuch (der Altertumsab-

290
teilung) 19, 1860, 9-13 gesondert eingetragenen Grabes 3 von den nachfolgenden Publikationen vor Fettich übernom­
rekonstruierten bereits Fettich und Csallány (obwohl letzte­ men, Arneth hatte nämlich die Klischees dem Ungarischen
rer irrtümlich auch das Gefäß aus Grab 1 dazuzählte). Die Nationalmuseum geschenkt. A. Ipolyi, Magyar régészeti
eigenartige Tracht, nämlich die zusammen mit zwei kleinen krónika [Ungarische archäologische Chronik], AK II, 1861,
germanischen Bügelfibeln nach alanischer Mode getragene 302, Nr. 457, Fr. Kenner, Archiv für Kunde österreichischer
große Plattenfibel, fiel ihnen jedoch nicht auf. Diese gemein­ Geschichts-Quellen XXIX. 1863, 285-290. Ders., Fundehro­
same Tragweise spiegelt noch im drillen Viertel des 5. Jahr­ nik 1859-1861, Wien 1863, 101-105, Fl. Rómer, Mürégészeti
hunderts die Tradition der einstigen engen hunnisch-alani­ Kalauz [Kunstarchäologischer Führer], Pest 1866, 96-99,
schen Beziehungen des Skirenvolkes wider. auf den Abb. 53 und 143-154 publiziert er als erster die
In den Gräbern 1 und 2 wurden keine Fibeln gefunden, Abbildungen Arneths. Zwischen 1875 und 1950 sind alle
beide Frauen hatten an der hunnenzeithchen Hunnentracht Mitteilungen fehlerhaft, selbst die Beschreibung Pulszkys
festgehalten. Offenbar halten sie das Gefühl, dies entspreche aus dem Jahre 1897 ist unklar. Neue, vollständige Beschrei­
ihrem Rang und ihrer Wurde. Die Funde der Gräber 1 und bung bei N. Fettich, Régészeti tanulmányok a késői hun
2 können heute schon eher voneinander getrennt werden als fémművesség történetéhez - Archäologische Studien zur Ge­
früher, gehören sie doch zwei verschiedenen Zeithorizonten schichte der späthunnischen Metallkunst, ArchHung XXXI,
an. Die goldenen Fingerringe vom Typ Bakodpuszta waren Budapest 1951, 120-123, Taf. XV-XIX. Csallány. Gepiden,
vor Ende der Hunnenzeit unbekannt, um so häufiger waren 232-233, mit der Beschreibung des Grabes 3, das heute aber
sie jedoch in der zweiten Hälfte des 5 Jahrhunderts in Ge­ nicht mehr als eine nachhunnenzeitliche gepidische Bestat­
brauch. Die Parallelen aus dem Schatz von Olbia (M. C. tung angesehen werden kann. A. Kiss, Die Skiren im Karpa­
Ross. Catalogue of the Byzantine and Early Medieval Anti- tenbecken, ihre Wohnsitze und ihre materielle Hinterlassen­
quilies in the Dumbarton Oaks Collection II, Washington schaft, Acta ArchHung 35, 1983, 95-131; auf den Abb. 4-8
1965, Nr. 166, 117-119, Taf. 81/D). in einem Fund von sind die neuesten Fotos der Funde wiedergegeben. Für eine
Kertsch (D. S. Kidd. GHA 110, 1, 16, i - 16. j). aus dem zukünftige neue kritische Bearbeitung des gesamten Fundes
Schatz von Someşeni/Szamosfalva (K. Horedt und D. Prota- wird ein aus dem Jahre 1876 erhalten gebliebenes, großes
se. Germania 48, 1970, 94, Taf. 24/1-3), im Lörracher Grab­ Lichtbild mit Maßangaben richtungweisend sein.
fund {J. Werner, Bayerische Vorgeschichtsblätter 26, 1961, Die Gürtelschnalle gehörte offenbar zur Bestattung der
71, Taf. 6/4) und im Grabfund „aus dem Komitat Bereg" (D. Frau „mit Goldschmuck". Sic geriet nach langem Gebrauch
Csallány. Gepiden 220, Taf. 204/12) stammen ausnahmslos beschädigt und unvollständig in das Grab.
aus dieser Zeit. Auch das Auftreten von vier Fingerringen in Der Schnallenring ist ovalförmig, das Zellenwerk des
einem Grab ist nicht außergewöhnlich, fand sich doch in Beschlages ist auf eine glatte Goldblechunterlage montiert
Someşeni/Szamosfalva neben drei Fingerringen mit rauten­ und mit Hilfe von drei in kleinen Röhrchen eingelegten
förmigem Kopf ein vierter mit Gemme, im Grab I von Nieten zusammengearbeitet. Mit zwei Ausnahmen fehlten
Apahida lagen drei Fingerringe, und auch in den übrigen schon bei der Auffindung die roten Glaseinlagen. Sehr abge­
verwandten Funden wurden mindestens je zwei Fingerringe nutzt.
festgestellt. Länge 6,8 cm, Gewicht 67,35 g. MNM Inv.-Nr.
Zu Grab 2 gehört dem Typ nach auch das goldene Ohr­ 19.1860.4.
ringpaar mit granatbesetzten Zellen auf den Polyederknöp­ Die Schnalle ist sogar einfacher als ihre nächste Parallele
fen. Offen bleibt nur, ob zu Grab 1 zwei Halsketten gehört in Nagydorog (Farbtaf. XXVII). Offenbar auch älter, und
haben können oder ob eine davon Grab 2 zuzuordnen ist. das unterstützt die Bemerkung, daß Schnallen mit rechtecki­
Seit 130 Jahren ist bekannt, daß das „größere Skelett" das gem Beschlag während der Hunnenzeit eher von Frauen
„Skelett mit Goldschmuck" war. Diese Tote war reicher getragen wurden. Der ovale Schnallenring selbst ist der
ausgestaltet als die kleinere oder jüngere Frau von Grab 2, Form und Größe nach eng mit der von Szeged-Röszke-
sie war nicht nur größer sondern auch aller, ihre Beigaben Nagyszéksós verwandt oder werkstattgleich (Taf. 84/1).
und Trachtstücke stammen ausnahmslos aus der Hunnen- N. Fettich. Régészeti tanulmányok - Archäologische Stu­
zeit. dien, a. a. O., 83-122, 195, Taf. XVII/2-2a.
Im folgenden sollen die hunnenzeitlichen Funde des Gra­
bes I erörtert werden. Chronologisch sind dazu auf alle Fälle 112. Goldenes Armringpaar mit Tierkopfenden
einige Flitter aus gepreßtem Goldblech zu rechnen. Ob diese Dunapataj-Bödpuszta („Bakodpuszta") Grab I, Komitat
aber nach germanischer Art Hals- und Ärmelteile eines Klei­ Bács-Kiskun (1859)
des verzierten, wie dies in Hochfelden der Fall war (J. Hatt, Ein werkstattgleiches Paar kam in der südlichen Ukraine
e
Une tombe barbare du V siecle á Hochfelden, Bas-Rhin. zusammen mit einer zellenverzierten Goldschnalle, und zwar
Gallia 23, 1965, 250-256, Abb. 1 und 4). oder ob sie Besätze gewiß aus einem Grab, zutage. Auch im Frauengrab von
des im Karpatenbecken gebräuchlichen alanisch-hunnischen Untersiebenbrunn fanden sich paarweise die goldenen Arm­
Schleiers waren, kann nicht entschieden werden, denn nur reifen mit Tierköpfen. Ebenso trug die vornehme Dame von
sechs gelangten ins Museum. Ein „begehrterer" Goldfund ist Regöly-Pénzesdomb ein Paar goldene Armreifen mit Tier­
bei einem bei Bauarbeiten zerwühlten Grab wohl kaum köpfen zusammen mit einem Goldarmreif mit trompetenför-
vorstellbar. migen Enden. Es kann daher kein Zweifel bestehen, daß die
Über den Fund: J. Arneth, Der Fund von Gold- und Armringe von Bödpuszta zu dem „größeren Skelett" „mit
Silber-Gegenständen auf der Puszta-Bákod unweit Kolocza dem Goldschmuck" gehörten.
in Ungarn. Mitteilungen der kaiserlichen-königlichen Cen- Die breiteren Enden der aus zwei Teilen bestehenden, an
tral-Commission 5, 1860, 102-112, mit 15 Holzschnitten. den dünnsten Stellen gelenkartig ausgebildeten Armringe
Abgesehen von der Zeichnung des Bruchstückes einer Ei- werden von einer Schraube zusammengehalten. Durch diese
senklammer aus Grab 3 wurden alle Holzschnitte Arneths linksgängigen Schrauben mit granatengeschmücktem Kopf

291
lassen sich die Armringe öffnen. Die Armringe sind aus festzustellen, daß die Goldschmiede-Meisterstücke von
Goldblechen zusammengebogen und verlötet. Das Innere Armringen aus Bakodpuszta während der Glanzzeit des
ist mit einer weißen Paste ausgefüllt. Die beiden Teile Hunnenreiches angefertigt wurden, genügt es, sie mit den
der Armringe treffen sich in Tierköpfen aus einer Mi­ früheren Armreifen mit Tierköpfen aus Untersiebenbrunn
schung von Löwe und Eber, die mit kräftigen Zähnen und Regöly bzw. mit den entsprechenden nachhunnenzeitli-
und dichter Mähne einander schreckerregend entgegen­ chen Exemplaren (aus Someşeni/Szamosfalva. „Komitat Be-
blicken. Augen, Augenbrauen, Ohren und Mähnen sind reg" und „Ungarn"), also mit Belegstücken des sich gerade
in Kästchenfassungen und Zellen mit dunkelroten Gra­ entfallenden bzw. des bereits verfallenden Stils zu verglei­
naten betont. Da es sich um Einzelanfertigungen eines chen.
Goldschmiedes handelt, sind die Größen der Armbänder N. Fetttich, Régészeti tanulmányok - Archäologische Stu­
etwas unterschiedlich. dien, 82-83, 121, 195, Taf. XV/l-2, XVI/1. la-b. 2, 2a.
Durchmesser 8,8 und 8,5 cm, Gewicht 76,25 und 79,75 g.
MNM Inv.-Nr. 19.1860.1. 113. Geflochtene goldene Halskette mit goldenen Anhängern
Die Steineinlagen sind zum Großteil gut erhalten. Bei Dunapataj-Bödpuszta („Bakodpuszta") Grab I. Komitat
einem Armring sind jedoch die Fassungen im Nasenbereich Bács-Kiskun (1859)
ausgebrochen, und auch das Scharnier mußte ausgebessert Daß zwei Halsketten gleichzeitig getragen bzw. im Grab
werden. Im Laufe des Gebrauches ist auf beiden Armringen niedergelegt wurden, gilt als Ausnahme. Ein Beispiel dafür
aus je einer Augenbrauenzelle der Stein herausgefallen. ist nur das Frauengrab von Untersiebenbrunn. Die hier
Trotz alledem sind die Armringe kaum abgenutzt, so daß es erörterte Halskette ist von früherem Stil sowie viel abgenutz­
sich um die spätesten Schmuckstücke östlicher Herkunft des ter und schadhafter als die andere Halskette, sie ist also
Grabinhalts handelt. Diese östliche Herkunft wird nicht nur zweifellos älter.
durch die hervorragenden Vorbilder aus der Hunnenzeit Die aus vier Golddrähten geflochtene Halskette besitzt an
bestätigt (Sennoj, Abb. 72, Kertsch, aus der Grabkammer beiden Enden ein zylindrisch geschlungenes Verschlußglied.
vom 24, Juni 1904: goldener Armring mit almandinverzier­ von dem die von den geflochtenen Halsketten von Moult-
ten Tierkopfenden, OAK sa 1904 g, 1907, 79, 124, Bolschoj- Argences und Kertsch bekannten Verschlußhaken fehlen.
Kamenez/Sudsha, Grab II: ein Kettenarmring mit alman­ An der Kette sind zur Zeit noch in der Reihenfolge 3 + 10 + 2
dinverzierten Tierkopfenden; (L. A. Mazulewitsch, Pogrebe­ 15 kleine Ringe mit an diesen befestigten Anhängern er­
nie warwarskowo knasja w wostotschnoj Ewrope. Moskau halten. Die kleinen Beschädigungen an der geflochtenen
und Leningrad 1934, 63, Taf. X), sondern vor allem auch Kette verraten jedoch, daß an ihr ursprünglich 20 An­
durch deren Gleichstücke. Von letzteren hatten ungarische hänger angebracht waren. Die Anhänger sind zweiglied­
Forscher bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts Kenntnis rig, oben befinden sich von gekerbtem Draht umrahmte
(Brief von M. Rosenberg an J. Hampel vom Januar 1904, Dreieckfassungen mit Almandinplättcheneinlagen, an der
Dokumentation des Ungarischen Nationalmuseums 84, unteren Spitze der Dreiecke hängen an weiteren kleinen
1904, G. Supka, ArchÉrt 34, 1914, 184-186), so daß bereits Ringen befestigte eiszapfenförmige, gekerbte Goldstäb­
vor ihrer Publikation klar war, daß die Armringe von Böd- chen. Durch langen Gebrauch sehr abgenutzt. Aus sechs
puszta von einem pontischen Goldschmiedemeister herge­ Zellen fehlt der Stein.
stellt worden waren und der Meister bzw. seine Werke offen­ Länge 35 cm, Gewicht 39,7 g. MNM Inv.-Nr. 19.
bar mit den Hunnen während ihrer Herrschaft nach Ungarn 1860.3.
gelangten. Es handelt sich zweifellos um einen Schmuck aus dem
Ein Exemplar dieses östlichen Armringpaares (Durch­ Pontusgebiet, wie dies durch die Halskette aus der Grab­
messer 8,3 cm) gelangte zusammen mit einer zellen verzierten kammer vom 24, Juni 1904 von Kertsch (A. Kiss, Acta
Goldschnalle (und einer geflochtenen goldenen Halskette ArchHung 35, 1983, 111, Anm. 46, Abb. 16) bestätigt wird.
oder einem Halsring?) aus dem ehemaligen Gouvernement Die Kertscher Halskette besitzt jedoch keine Edelsteinverzie-
Kiew in das Moskauer Historische Museum (Otschet istorit- rung, sondern nur 32 gegliederte Stäbchen-Anhänger. Dieser
scheskowo Museja sa XXV let, Moskau 1916, 77, Taf. 41; Halskette ähnlich ist die eine aus Untersiebenbrunn, die aber
B. A. Rybakow, SowArch XVII, 1953, 50, Abb. 5/6, Ein 50 Stäbchen-Anhänger, Parallelen zu den „Eiszapfen" von
gutes Foto und die Beschreibung gibt auch A. Kiss, Acta Bakodpuszta, besitzt. Die beiden letzteren Halsketten wur­
ArchHung 35, 1983, 110 und Anm. 31, Abb. 17-18). Der den vermutlich in derselben Werkstatt hergestellt, die mit
Aufbewahrungsort des zweiten Exemplars ist unbekannt. Schmucksteinen besetzte aus Bakodpuszta ist jedoch eine
Der aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem südlichen Rand­ besser ausgeführte Arbeit. Zu diesen Halsketten pflegt man
gebiet des Gouvernements Kiew stammende Grabfund dürf­ auch die in Hochfelden im Elsaß gefundene geflochtene
te wegen der Form und der Art der Zellenverzierung der Halskette aus Gold zu zählen, die aber mit ihren 30 spitzen,
Goldschnalle in die Zeit von Dengitzik-Irnek (455-469) zu innen hohlen Blechanhängern nur entfernt verwandt, sonst
datieren sein. Folglich dürften die Armringe von Bakod- aber ebenfalls ein Erzeugnis des Pontusgebietes ist (J. Hatt,
puszta zur Zeit der Herrschaft Attilas (445-453) von ihrer Gallia 23, 1965, 251, Abb. 5).
Eigentümerin erworben worden sein, denn nach 455 waren Die Halskette von Bödpuszta ist aufgrund ihrer Paralle­
die Beziehungen der zwischen Donau und Theiß lebenden len und ihrer Beifunde im Grab kaum später als in den
Germanen zum Pontusgebiet durch die Gepiden unterbro­ dreißiger Jahren des 5. Jahrhunderts hergestellt worden. Sic
chen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß der kann daher als ältere, vielleicht auch als einzige Halskette des
Goldschmied, der die Armringe anfertigte, ursprünglich im Grabes I angesehen werden.
Ordu Attilas tätig war und daß das ukrainische Armringpaar N. Fettich, Régészeti tanulmányok - Archäologische Stu­
von dort vor 453 zu den Ostrogoten oder nach 455 zusam­ dien, 23, 82-83, 121,195, Taf. XV/3, XVIII/l. Neue, farbige
men mit den Hunnen zurück nach dem Osten gelangte. Um Publikation A. Kiss GHA 193, IV, 4, a. Taf. 14.

292
114. Faltenbecher mit Clättverzierung Zur Zeit ist sogar schwer zu ermessen, ob diese Halskette
Dunapataj-Bödpuszta (,,Bakodpuszta") Grab I, Komitat zu dem Grab mit dem „größeren Skelett" und „mit dem
Bács-Kiskun (1859) Goldschmuck" gehörte oder aber zu der späteren Bestattung
Das Gefäß wurde bei der Bestattung „mit dem Gold­ mit dem kleineren Skelett. Die prunkvolle Ausführung der
schmuck" gefunden, das heißt „an der Seite des größeren Kette, ihr „Rang" spricht für das ältere Grab, die techni­
Skeletts". schen Elemente sprechen jedoch eher für das jüngere Grab.
Graugetönt, scheibengcdreht, zwischen der Halsleiste Die Goldkelle besteht aus achterförmigen Gliedern, auf
und dem Mundsaum kurze, geglättete Fischgrätenmaster. die 14 runde Granatperlen aufgefädelt sind, die gleichmäßig
Zwischen der Halsleiste und dem Bauch abwechselnd senk­ größer werden. Zwischen den Perlen sind an kleinen Ösen
rechte Dellen und lange, geglättete Fischgrätenmuster. Das abwechselnd sieben halbmondförmige und sechs herzförmi­
Gefäß kam in fragmentiertem Zustand in das Museum. ge Anhänger mit granatbesetzten Kästchenfassungen ange­
Höhe 18 cm. MNM Inv.-Nr. 19.1860.14. bracht. Die Verschlußkonstruktion besteht aus einer unter
Die Gefäßform provinzialrömischen Ursprungs verbrei­ dem Rand einer Steinfassung verdeckten, schlingenförmigen
tete sich im 3. Jahrhundert bei den germanischen Stammen, Öse und einem mit drei ovalen Steinfassungen versehenen
den nördlichen Nachbarn des Reiches. Das Gefäß aus Böd- Haken. Aus zwei Fassungen sind die Steine herausgefallen.
puszta geht aber nicht unmittelbar auf ein provinzialrömi- Abgenutzt.
sches Vorbild zurück, sondern folgt vielmehr der barbari­ Gesamtlänge 36,5 cm. Gewicht 79,65 g. MNM Inv.-Nr.
schen Tradition und ist das Erzeugnis eines germanischen 19.1860.2.
Töpfers. Das geglättete Fischgrätenmuster mit schräg nach Diese Goldkette ist bisher in ihrer Art einmalig. Ihre
oben angesetzten Gräten ist auch provinzialrömischer Her­ Granatperlen sind wahrscheinlich iranischer oder indischer
kunft. Die langen, nach unten weisenden Gräten sind hinge­ Herkunft. Eine genaue Parallele zu den ovalen Edelsteinfas-
gen ein charakteristisches Motiv barbarischer Töpferei wäh­ sungen der Verschlußkonstruktion ist uns schon aus den
rend der Hunnenzeit (vgl. Lengyeltóti. Taf. 72, Dunaszekcső, Funden von Szeged-Röszke-Nagyszéksós bekannt. Die
Taf. 24, Füzesgyarmat, Abb. 73), das auch in den Gebieten Goldkette wurde also ganz sicher bereits während der Hun­
nördlich der Donau, so weit die Hunnen gelangt sind, anzu­ nenzeit zusammenmontiert. Ferner finden wir die hinter
treffen ist (Henkelkrug aus Velké Némčice, Mähren: I. Peš- Edelsteinschmuck verdeckten Verschlußkonstruktionen in
kař, PA 74, 1983, 179, Abb. 2/9 und 8/3; vorzüglich gearbeite­ der italischen Goldschmiedekunst der Odoakerzeit (die
ter Henkelkrug östlicher Form des 4./5. Jahrhunderts aus Goldkelten der Schätze von Desana und Reggio Emilia),
Zeißholz-Hoyerwerda. Sachsen: Jahreshefte der Gesellschaft außerdem auf Halsketten mit edelsteinverzierten halbmond­
für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz 3, Gör­ förmigen Anhängern aus demselben Bereich (V. Bierbrauer.
litz 1929, Taf. 3). Der spätrömische Vorläufer erscheint schon Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde in Italien, Spoleto
in der Tschernjachow-Kultur, z. B. auf den Krügen von Ka- 1975, Taf. XVII/1-lb. XXXV/1 und LXII/2). Aus all den
bora. Grab 5 (B. W. Magomedow in: Mogilniki tschemja- genannten Gründen dürfte die Kette von Bödpuszta irgend­
chowskoj kultury, Moskau 1979, 32-36, Taf. VI/5, VIII/4). wann gegen Ende der Hunnenzeit angefertigt worden sein
Kurze Zeit, nachdem das fragmentierte Gefäß ins Mu­ N. Fettich. Régészeti tanulmányok - Archäologische Stu­
seum gelangt war, verscholl es. 120 Jahre lang war es nur dien 23, 83, 121-122, 195, Taf. XV/4, XVII/1, I. Kovrig in:
durch die schlechte Zeichnung in der Publikation Arneths Magyarország régészeti leletei - Archäologische Funde in
bekannt. Als Hampel das Gefäß der internationalen Fach­ Ungarn, Budapest 1957, 306, Dies., A bakodpusztai arany-
welt bekanntmachte, war er sich nicht einmal über dessen ékszerek. Magyar Nemzeti Múzeum, Kiállítási lapok [Der
Abmessungen im klaren; er schätzte die Höhe auf nur 8 cm. Goldschmuck von Bakodpuszta. Ungarisches Nalionalmu-
Viel schlimmer war, daß Hampel den in der Publikation seum. Ausstellungsblätter), Régészet 9, Geistvoll bringt die
Arneths als Vorbild für das Gefäß von Bödpuszta illustrier­ Autorin die Granatperlen von Bödpuszta mit jenen indi­
ten, aus Amstetten in Niederösterreich stammenden römi­ schen Edelsteinen in Zusammenhang, mit denen Maximinus
schen Faltenbecher als „zweites Gefäß des Puszta-Bakoder im Herbst 449 in Serdica Edika beschenkte.
Grabes" betrachtete und als gleichfalls zu diesem Fund ge­ 116. Goldene Gürtelschnalle mit Granateinlagen und ihr Detail
hörend veröffentlichte (Alterthümer I, 805, II, 1-3; III, Taf. (Farbtaleln XXX, XXXI) Szeged (1879)
4/1-2). Den römischen Faltenbecher datierte er in das
4. Jahrhundert (tatsächlich stammt er aus dem 3. Jahrhun­ Zwei einander gegenüberliegende Tierköpfe bilden einen
dert) und versuchte so, die Funde von Bakodpuszta diesem runden, innen hohlen Schnallenring. Die Augen der Tiere
chronologisch anzupassen. Hampels Irrtum ist heute eigent­ bilden kleine runde, die Ohren tropfenförmige größere Gra­
lich unverständlich, war doch den Autoren früherer ungari­ nateinlagen, am Hals trassierte, fischgrätartige Mähne. Den
scher Arbeiten (Rómer 1866, Henszelmann 1875) durchaus Dom bildet ein Ungeheuerkopf mit offenem Mund und
bewußt, daß der römische Faltenbecher aus Amstetten Sägezahn, die Augen sind runde, am Hals befinden sich
stammte. Das Gefäß von Bödpuszta wurde im Jahre 1970 tropfenförmige Granateinlagen. Die Oberfläche des vierecki­
von I. Kovrig wieder entdeckt und identifiziert. gen Schnallenbeschlags wird in der Mitte von runden, ovalen
A. Kiss, Acta ArchHung 35, 1983, 104, Taf. 6, Der Autor und herz- oder zikadenflügelförmigen Zellen unterteilt, diese
zählt das Gefäß zum Grab „1-2", womit er den entscheiden­ haben rundum einfache Zellen. 1884 enthielten sie keine
den Hinweis im Inventarbuch außer acht läßt. Steine (A magyar történelmi ötvösmü-kiállitás lajstroma
[Register der ungarischen historischen Goldschmiedekunst-
115. Goldene Halskette mit Granatkugeln und Anhängern mit ausstellung] Budapest 1884, 71, Nr. 10). Rückseite glatte
Granateinlagen (Farbtafel XXIX) Goldplatte, an den vier Ecken mit den glattgehämmerten
Dunapataj-Bödpuszta („Bakodpuszta") Grab I oder 2, Ko- Enden der Nieten von der Vorderseite. Gesamte Länge
mitat Bács-Kiskun (1859) 7,6 cm, Gewicht (1890) 201,4 g.

293
Der Schnallenring knüpft an die Armreifen von Bakodpusz- XVII), im Jahrbuch 1879-1885 der Országos Régészeti és
ta (Taf. 112) und ihre Parallele vom Pontus an, ist aber als Embertani Társulat [Landesgesellschaft für Archäologie und
Schnallenring bis heute ein Unikum. Die Schnalle, vor allem Anthropologie] (Budapest 1886, 6) sowie bei dem die Ká-
die Schnallenbeschlag, ist mit der goldenen Schnalle von rász-Sammlung gut kennenden Szegeder Archäologen und
Nagydorog (Farbtaf. XXVII) und der hunnenzeitlichen Museumsgründer (J. Reizner, Szeged története (Die Ge-
Schnalle von Kruševac in Altserbien verwandt (A. Riegl, schichte von Szeged] I. Szeged 1899, 15). Die andere Mittei-
Spätrömische Kunstindustrie, Wien 1901, Taf. XII/5), wahr- lung (ArchÉrt. XIII, 1879, 32) ist also irreführend, die von
scheinlich gehörten alle drei zu den Gürteln vornehmer einem Vortrag Pulszkys „über zwei in Szeged gefundene
Frauen aus der Hunnenzeit. Goldschnallen aus der Völkerwanderungszeit" berichtet,
Diner: Katalog 8, Nr. 11, Taf. II/7 (Foto), ohne Fundorl- hier wird die einzige Schnalle mit den gleichzeitig besproche-
angabe. Bekanntere Publikation (H. Rupp, Die Herkunft der nen zwei Fibeln aus Pécs verwechselt und dadurch auch die
Zelleneinlage und die Almadin - Scheibenfibeln im Rhein- sich nur auf diese hinweisende neuere Fachliteratur irrege-
land, Bonn 1937, 130, Abb. 65) bringt sie fälschlich mit dem führt (M. Nagy, Szeged története [Die Geschichte von Sze-
Fundort „Sissek", dem angeblichen Fundort eines urzeitli- ged] I, Szeged 1983, 158, Anm. 127).
chen Schmuckes im Diner-Katalog, Taf. II/2. in Verbin- Die Szegeder Schnalle aus der Kárász-Sammlung konnte
dung. Drei von den 1890 im Diner-Katalog aus der Kárász- das Ungarische Nationalmuseum nicht mehr erwerben, weil
Sammlung gezeigten vier völkerwanderungszeitlichen Gold- sie inzwischen in die Tyszkiewicz-Sammlung kam und von
schnallen hat Géza Kárász bestimmt von den Gebrüdern dort 1898 in die Pariser Béarn-Béhaque-Sammlung. Hier ent-
Egger gekauft. Diese drei Schnallen kamen nämlich beim stand die neue Zelleneinlage des Schnallenbeschlags, und hier
Verkauf der Sammlung in das Ungarische Nationalmuseum. wurde sie zum ersten Mal 1905 mit dem falschen Fundort
Der Inventarposten RN 107, 1893 teilt mit daß auf allen drei Sissek katalogisiert. Der Fundort Szeged steht außer Zweifel,
Schnallen der Stempel ET (Egger-Teslvérek = Gebrüder wahrscheinlich wurde die Gürtelschnalle auf dem Öthalom im
Egger) zu finden ist (I. Bóna, VMMK 18, 1986, 37 und Verlauf der Erdarbeiten nach dem großen Hochwasser von
Anmerkung). Die hier angeführte, vierte, herausragend 1879 gefunden. Die Schnalle gelangte um 1988/89 in eine
schöne Schnalle aus der Szegeder Kárász-Sammlung erörter- amerikanische Privatsammlung. Als einen „in Ungarn gefun-
te F. Pulszky 1879 als ausgesprochen „in Szeged gefunde- denen gotischen" Fund beschrieb sie jetzt K [atherine] R
nen" „germanischen" Fund aus der Völkerwanderungszeit. (eynolds) B [rown] in: Glorics of the Past. The Metropolitan
Der Vortrag über eine einzige Szegeder Schnalle figuriert im Museum of Art, New York 1990. 259, Nr. 191,
amtlichen Protokoll der Országos Régészeti Társulat [Ar-
chäologische Landesgesellschaft] (ArchÉrt. XIV, 1880, 117. Der Dorn der Gürtelschnalle (Farbtafel XXXI)

294

You might also like