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GOTT, MENSCHHEIT UND EWIGKEIT

Ein Gang durch die biblische Offenbarungsgeschichte

Einleitung

Die Bibel - der Schlüssel zum Weltgeschehen

Die Bibel ist das Buch der Heilsgeschichte. Sie ist das weltumspannendste Buch aller Bücher,
der gewaltigste Geschichtsorganismus, das Buch der Menschheit. Inmitten der allgemeinen
Menschheitsgeschichte beginnt Gott eine besondere Offenbarungsgeschichte, in der Er Sich den
Sündern als Erlöser und Herr gegenwärtig macht. Der Zug des Evangeliums durch die Welt ist
das eigentliche Thema der Weltgeschichte.
Diesen Seinen Heilsplan vollführt Gott in Zeitaltern und Perioden. Was vor den Äonen in Ihm
ewiger Beschluß war, wird in den Äonen zur Durchführung und Vollendung gebracht.

Von dieser gewaltigen Entwicklung ist die Heilige Schrift Gottes Zeugnis und Urkunde. Nur der
wird ihrem eigentlichen Hauptanliegen gerecht, der sie in diesem Sinne liest. Dann aber wird ihm
eine wunderbare Geschichtsschau aufgehen, und er lernt, die Menschheitsentwicklung unter dem
Gesichtspunkt der Ewigkeit zu betrachten. Die Bibel aber, als die Urkunde dieses Ganzen, wird
ihm damit nicht nur Wegweiser zum persönlichen Heil in Christo, sondern zugleich auch
Schlüssel zum Weltgeschehen.
Diese Geschichtseinheit der Bibel sucht das vorliegende Buch umrißartig zur Darstellung zu
bringen. Entscheidende Grundvoraussetzung ist der Glaube an den göttlichen
Offenbarungscharakter und die geschichtliche Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift. Wer diesen
Glauben nicht teilt, muß heilsgeschichtliches Bibelstudium schon von vornherein ablehnen.

Nur dies sei noch gesagt, daß Christus, der Sohn Gottes Selbst, Sich eindeutig zum Glauben an
die Geschichtlichkeit der ersten Kapitel der Bibel bekannt hat, desgleichen zum Buche Daniel und
ebenso zur Zukunftserwartung der alttestamentlichen Prophetie. Darum kann nur derjenige die
Geschichtseinheit der Bibel verneinen, der die Autorität Jesu nicht voll anerkennt.

Das Buch enthält drei Hauptteile:

I. Gottes Heilsplan in Christus

II. Die Bibel - das Buch der Heilsgeschichte

III. Das kommende Reich Gottes

Die drei Teile des Buches bilden untereinander eine Einheit. Teil I bringt die
Geschichtsdarlegung, Teil II und III bezeugt ihre Berechtigung und Begründung.
Für ein genaueres Studium des Ganzen wirdauf die beiden anderen Bücher des Verfassers
hingewiesen: Das Morgenrot der Welterlösung - Ein Gang durch die alttestamentliche
Offenbarungsgeschichte, und Der Triumph des Gekreuzigten - Ein Gang durch die
neutestamentliche Offenbarungsgeschichte.
Erich Sauer - Missionshaus Bibelschule Wiedenest - Herbst 1955

- Hier Teil I.
Die Teile II und III sind separat unter www.horst-koch.de -

- Die Hervorbebungen im Text und leichte Kürzungen wurden von mir vorgenommen. Horst
Koch, Herborn, 2005 -

Erster Teil: Gottes Heilsplan in Christus


1. Kapitel. Himmel und Erde im Heilsplan Gottes
2. Kapitel. Sieben Hauptoffenbarungswege Gottes mit der Menschheit
3. Kapitel. Das Geheimnis des Volkes Israel
4. Kapitel. Die Geschichte der Tempel Gottes
5. Kapitel. Das Christuszeugnis des Alten Testaments
6. Kapitel. Die Völker vor Gott
7. Kapitel. Die Geschichte des Christus
8. Kapitel. Das gegenwärtige, völlige Heil in Christus
9. Kapitel. Die Gemeinde des lebendigen Gottes
10. Kapitel. Die „Tage“ Gottes
11. Kapitel. Der Richterstuhl Christi und der Große Weiße Thron
12. Kapitel. Der Triumph des Reiches Gottes
13. Kapitel. Satan - der Widersacher Gottes
14. Kapitel. Gottes Gesamtreichsplan und die Gemeinde

Erster Teil: Gottes Heilsplan in Christus

1. Himmel und Erde im Heilsplan Gottes

Der ewige Gott

Als noch kein Stern seine Bahn durchzog, keine Sonne ihre Licht- und Kraftfluten in den
Weltenraum sandte, keine Sternen- und Sonnensysteme sich in gemeinsamer Verbundenheit in
gewaltigen Kurven durch die Unendlichkeit schwangen, da war Gott, ER, der Ewige,
Anfangslose, der in ewig unerklärbarer Harmonie Einheit und Lebendigkeit besitzt, der Vater, der
Sohn und der Heilige Geist, der Urgrund der Ewigkeit, der Lebendige, All-Eine (Ps.90, 2).

Drei göttliche Personen und doch e i n Gott, Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater und
doch freiwillige Unterordnung unter Ihn (1. Kor. 15, 28), Ursache aller Ursachen und doch
Selberunverursacht -, wahrlich, hier sind Geheimnisse über Geheimnisse. Hier steht der endliche
Geist ewig vor dem Rätsel des Unendlichen. Selbst bis in endlose Ewigkeit gelangt
raumzeitliches Denken niemals in die Sphäre der Überweltlichkeit und Überzeitlichkeit Gottes
hinein; denn Gleiches wird nur durch Gleiches erkannt, also Gott nur durch Gott.

Von Gott als dem Schöpfer geht der Weltenplan aus. Gott ist der Ursprung alles außer Ihm
Seienden. Alles ist durch Seinen Willen entstanden und lebt von Seinen Schöpferkräften (Apg.
17, 24; 28).

Christus - der Heilsmittelpunkt

Alle Seine Pläne verwirklicht Gott im Sohn. So wie der Sohn im göttlichen Wesen - eben als Sohn
- die Selbstausstrahlung der Gottheit nach innen und oben ist, so ist Er auch die Ausstrahlung der
Gottheit nach außen und unten hin (Joh.1, 3; Kol. 1, 16; Hebr.1, 2). Er ist der Mittler, das Wort,
durch das Gott spricht (Joh.1,1-3; 14).

Schon vor Grundlegung der Welt hat der Vater den Sohn zum Mittler bestimmt. Darum geschah
schon die Weltschöpfung selbst sofort durch den Sohn (Kol. 1, 16; Joh. 1, 1-3). Im Sohn sind die
Äonen ins Dasein gerufen (Hebr. 1, 2), und weil Gott schon von Ewigkeit her den Einbruch der
Sünde voraussah, hat Er auch den Sohn schon vor aller Zeit zum Erlöser bestimmt, zum Lamm,
„zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt“ (1.Petr. 1, 19; 20).

So muß denn Christus, als Heilsmittelpunkt des Universums, als schon von Ewigkeit her mit dem
Kreuz verbunden geschaut werden. Diese strahlende Zentralsonne aller Gottesoffenbarung und
das Kreuz gehören ewig zusammen. Darum ist auch das spätere Leben Christi am Kreuz ein
Selbstopfer für Gott „durch den e w i g e n Geist “ (Hebr. 9, 14), eine Selbsthingabe in den Tod,
die der Sohn, obwohl mitten in der Zeit ausgeführt, dennoch als eine überzeitliche Tat dem Vater
darbrachte.

Dieser göttliche Erlösungsplan geht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er hat in Gott Selbst seine
Bürgschaft. Kein göttliches Wort fällt hin. Keine gottgegebene Zusage bleibt unerfüllt. In dem
ganzen universalen Weltallgeschehen erweist Sich Gott als der „Ewig-Treue" (Daher auch Sein
Hauptoffenbarungsname Jehova (Jahweh), fast 6000 Mal im Alten Testament. Er bezeichnet
(von hebr. Hawa, werden, sein, herkommend) Gott als den Seienden, Bleibenden, Ewigen als
den Beständigen, Getreuen, als Den, welcher ist und immer wieder ist oder, wie ihn der erhöhte
Herr Selbst erklärt, als Den, der da ist und der da war und der da kommt (Off. 1, 4; 8; 4, 8).) -
und Christus ist, als der geoffenbarte Gott, der lebendige Garant dieser ewigen, göttlichen
Heilsratschlüsse.

Als Symbol dieser Bundestreue hat Gott den R e g e n b o g e n in die Wolken gesetzt (1. Mos. 9,
13-17). Jedesmal, wenn wir den Regenbogen sehen - diese farbenprächtige Lichtbrücke, die
Himmel und Erde miteinander verbindet -, sollen wir an die Zuverlässigkeit und Treue des
begnadigenden Gottes denken, des Gottes, der nicht den Tod des Sünders will, sondern der ihm
auch nach dem Gericht Seine Sonne wieder scheinen lassen, ihm vergeben und ihn in Seinen
Bund neu aufnehmen will.

Das Sternenall Gottes als Hintergrund der Heilsgeschichte

Uns Menschen ist es unmöglich, diesen gesamten Weltenplan Gottes zu überschauen. Als
Endlich-Begrenzte können wir das Unendliche nicht voll erfassen (Hiob 38, 4-7; 1. Kor. 13, 9). Als
sündhaft Gefallene - weil auch unser Denken von Natur mit in dem Bannkreis des Sündenfalls
liegt (Eph. 4, 18) - können wir nicht in die letzten und höchsten Höhen jener heiligen Überwelt
vordringen. Darum thront Gott als der Unendliche in unerreichbarer Höhe über allen Seinen
Geschöpfen (1.Tim. 6, 16).

So hält sich denn auch die Bibel frei von allen Spekulationen. Sie konzentriert sich in ihren
Aussagen durchaus auf die Erlösungsbotschaft, eben auf das, was wir Menschen wissen
müssen, um zum ewigen Heil zu gelangen. Darum beschränkt sie ihre Offenbarungen, der
Hauptsache nach, auf Gottes heilsgeschichtliches Walten für Erde und Mensch. Nur soweit es
gelegentlich erforderlich ist, gibt sie gewisse Andeutungen über den kosmischen Hintergrund
dieses Gesamtgeschehens und auch dies nur im Mysterium, der diese übersinnliche Welt
unserm Blick noch verhüllt. „Das Geheimnis ist des Herrn“ (5. Mos. 29, 29).

Dabei aber läßt sie es unzweideutig erkennen, daß irgendwie Gottes Königsherrschaft Sein
großes Schöpfungsall umfaßt, daß sichtbare und unsichtbare Wirklichkeiten, also Sonne, Mond
und Planeten (Jes. 30, 26; Luk. 23, 45), Engel und Sterne (Hebr. 1, 14; Matth. 13, 39 u. a.),
Cherubim und Seraphim, teils als Zuschauer, teils als Gottesdiener mit der auf der Erde sich
entfaltenden Heilsgeschichte des Menschen in Verbindung stehen.

Schon in uralter Zeit hat man die kosmischen Kräfte in den Symbolen Löwe, Stier, Adler und
Mensch dargestellt.
„Vier sind die Höchsten in der Schöpfung: der Löwe unter dem Wild, der Stier unter dem
Zahmvieh, der Adler unter den Vögeln, der Mensch ist über allen, Gott aber ist der Allerhöchste.“
So sagt es ein vorchristliches jüdisches Sprichwort.
Es sind hier also wesentliche Hauptreiche des geschöpflichen Lebens in ihren Spitzen
zusammengefaßt als sinnbildliche Darstellungen der kosmischen Kräfte überhaupt. Die alten
babylonischen Sternkundigen haben diese Symbole sogar auf die Sterne übertragen und in den
vier Sternbildern Mensch, Stier, Adler und Löwe - zugleich nach den vier Himmelsrichtungen
verteilt - vier Hauptrepräsentanten der ganzen Sternenwelt gesehen. Hesekiel sieht die vier
„Lebewesen“, wie sie gleichsam den Thronwagen Gottes tragen (Hes. 1,5; 10; 15; 22-28),
Johannes, wie sie als Vertreter der anbetenden Gesamtkreatur in ewigem Lobpreis den Thron
des Allerhöchsten umgeben (Off. 4, 7-9; 5, 8-11). Auf das Große gesehen, will diese ganze
Symbolik sagen: Gott ist der Herr des Universums. Das ganze All soll Ihm dienen und Ihn
verherrlichen.

Die Erde im Gesamt-Heilsplan Gottes.

Hauptschauplatz der geoffenbarten Heilstaten Gottes ist die Erde. Ihre Geschichte reicht in noch
fernere Urzeiten zurück als der Anfang des Menschengeschlechts. Über allen Einzelheiten der
Urzeit liegt der Schleier des Geheimnisses. Jedoch dies läßt sich wohl sagen:Der gegenwärtige
Zustand der irdischen Naturwelt zeigt eine verhängnisvolle Disharmonie: Schönheit und
Schrecken, Gemeinschaft und Zerrüttung, Leben und Tod stehen in gewaltigem Kampf
miteinander und lassen erkennen, daß hinter diesem Zwiespalt der Natur ein Zwiespalt im Reich
des Geistes liegt. Dieser kann aber nicht erst mit der Geschichte des Menschen eingesetzt
haben; denn, wie die Versteinerungen der Erdgeschichte zweifelsfrei beweisen, hat es Tod und
Verderben schon in undenklichen Urzeiten v o r dem Beginn des Menschengeschlechts gegeben,
und die Bibel selbst läßt erkennen, daß es schon v o r dem menschlichen Sündenfall ein
Gegenreich des Bösen gegeben hat, das offenbar irgendwie an der Erde und dem Menschen
interessiert war. Daher schon in der Paradieszeit das Gebot, daß der Mensch den Garten nicht
nur bebauen, sondern „bewahren“ solle (1. Mos. 2, 15). Daher auch dann sehr bald darauf das
Auftreten des Versuchers (1. Mos. 3), der eben schon v o r der Versuchung und dem Fall des
Menschen Feind Gottes gewesen sein muß.
Wann diese Macht zum erstenmal in der Geschichte des Universums in dieser gottfeindlichen
Haltung aufgetreten ist und wie sie - die doch als Geschöpf Gottes ursprünglich anders gewesen
sein muß - zum erstenmal so wurde, bleibt restlos unerklärbar. Wie ein furchtbarer Blitzstrahl,
gewitterartig und verheerend, muß diese Katastrophe eingetreten sein (vgl. das Wort Jesu in
Luk.10,18).

Sowohl was die Art als auch was den Zeitpunkt betrifft, bleibt der „Fall Satans“ ein Geheimnis.
Daß sich jedoch verheerende Auswirkungen auf das diesem Fürsten Gottes unterstellte
Schöpfungsgebiet ergeben haben müssen, scheint offensichtlich. Irgendwie werden auch die
durch die erdgeschichtlichen Versteinerungen bewiesenen Zerstörungserscheinungen der Urzeit
damit zusammenhängen (Tod, Raubtiere, Erdkatastrophen), und es scheint klar, daß sich die
vorgeschichtliche Urzeit der Erdentwicklung von diesem Gesichtspunkt aus in zwei
unberechenbar lange Hauptzeiten zerlegt:

1. Urzustand der Erde vor Einbruch der Sünde und


2. Urweltliche Weiterentwicklung der Erde bis zum Auftreten des Menschen.

Hier das Genauere zu erforschen, ist nicht Aufgabe der Heilsgeschichte sondern der
Naturwissenschaft.

Wie weit beim Einbruch der Sünde im einzelnen der Schöpfungsvorgang vorgeschritten war - ob
der Urzustand der Erde schon das Stadium einer abgeschlossenen Entwicklung erreicht hatte,
etwa als „erste Erde“ oder „Urschöpfung“ -, läßt der biblische Schöpfungsbericht nicht mit
Sicherheit erkennen. Er macht auf den unbefangenen Leser nicht den Eindruck, der Bericht einer
„Wiederherstellung“ (Restitution) zu sein, die nach einer etwa zwischen Vers 1 und Vers 2
eingetretenen Urkatastrophe erforderlich geworden sei, sondern er gibt sich durchaus als
„Schöpfungs-Bericht, als Darstellung eines einheitlichen, von Gott gelenkten, fortschreitenden
Zusammenhangs. Über die Frage, ob der Fall Satans zwischen Vers 1 und Vers 2 oder an einem
anderen Zeitpunkt anzusetzen sei, schweigt er völlig. Darum lassen wir es auch in unserer
Darstellung dabei bewenden und reden nicht von einer einst schon fertig gewesenen „ersten
Schöpfung“, sondern nur - ganz allgemein - von einem „Urzustand der Erde vor Einbruch der
Sünde“, ohne nähere Spezialisierungen.

Dennoch aber eröffnen uns auch schon diese bescheidenen Erkenntnisse gewaltige
Perspektiven. Auf diese Erde hat dann Gott später den Menschen gesetzt. Seine
Berufsbestimmung muß darum auch im Zusammenhang mit dieser urzeitlichen Vorentwicklung
geschaut werden. Diese Erde sollte er sich untertan machen und dabei Gottes Diener bleiben (1.
Mos. 1, 28). Als Statthalterkönig Gottes sollte er seine Herrschaft ausbreiten. Das aber hätte
bedeutet, daß in wachstümlichem Maße Gottes Wille auf Erden zur Durchführung gebracht und
die Erde immer mehr für Gott in Anspruch genommen worden wäre. Die Ausdehnung der
Erdenherrschaft eines Gott untertan bleibenden Erdenkönigs wäre nichts anderes gewesen als
die Vollendung der Pläne Gottes auch mit der irdischen Schöpfung und der Triumph Seines
Reiches über das Gegenreich Satans.

Dies gehört zur hohen Berufung des Menschen. Dies erklärt auch die Feindschaft Satans gegen
dieses neue, besondere Werkzeug Gottes. Dies deutet auch das Geheimnis, daß es einen neuen
Himmel und eine neue Erde erst bei der Vollendung der Pläne Gottes mit dem
Menschengeschlecht geben kann, eben erst nach dem Großen Weißen Thron, nach dem
Abschluß der sich auf den Menschen beziehenden Offenbarungsgeschichte Gottes.

Damit aber gewinnt unsere kleine Erde eine Bedeutung für die Geschichte des ganzen
Universums. Auf dem Schauplatz dieses kleinen Planeten wird der Entscheidungskampf
ausgetragen zwischen Gott und dem Teufel. Obwohl winzig - im Vergleich zu den Sternkolossen
des Weltenraums - ist sie, wenn auch nicht der räumlich-materielle, so doch der
heilsgeschichtliche Mittelpunkt des Weltalls. Auf i h r e m Gebiet offenbarte sich der Höchste in
Bundesschließungen und Gotteserscheinungen; auf i h r e m Boden fand die Menschwerdung
des Sohnes Gottes statt; auf einem i h r e r Hügel stand das Kreuz des Welterlösers, und auf i h r
- allerdings dann der „neuen“ Erde - wird einst der Thron Gottes und des Lammes sein (Off.21,1;
22,3).
Diesem Ziel geht der ganze Offenbarungsverlauf entgegen. Gott gibt Seinen Plan mit Seiner
Schöpfung nicht auf, und wie es im Anfang einen Erdzustand gegeben hat „v o r Einbruch der
Sünde“, so wird es einst eine erneuerte und verklärte Erdschöpfung geben, einen
„Vollendungszustand der Erde nach Überwindung der Sünde“, und das Letzte wird das Erste
übertreffen. Die Gegenwart Gottes wird sich voll offenbaren. Das himmlische Jerusalem wird
herniederkommen. Damit aber wird die Erde zum Himmel; denn wo Gottes Thron ist, da ist der
Himmel.

So erlebt es die Ewigkeitsschau des Glaubens - in der Rückwärtsschau bei den vorzeitlichen
Äonen der Urzeit, in der Vorwärtsschau bei den nachzeitlichen Äonen der Vollendung: Aus Gott
geht alles hervor. Zu Gott strebt alles zurück. Er Selbst ist der ewig Unerklärbare. Er wohnt in
einem Licht, da niemand zukommen kann (1. Tim. 6, 16). Darum weihen wir Ihm unsere
Anbetung.

2. Sieben Hauptoffenbarungswege Gottes mit der Menschheit

Groß war der Plan Gottes mit dem Menschen. Als Stellvertreterkönig Gottes auf Erden, als Bild
Gottes und Untertan Gottes sollte er Gottes Willen ausführen, Gottes Bild widerstrahlen, Gottes
Schöpfungspläne auf Erden zur Durchführung bringen, Gottes Wesen verherrlichen und anbeten.
Das war seine paradiesische Berufsbestimmung.

Doch dann kam die Sünde und hat alles verheert. Der „Baum der Erkenntnis“, an dem der
Mensch seinen Gehorsam gegen Gott hatte betätigen und seinen Sieg über den Versucher hatte
erringen sollen, wurde zum Gegenstand seiner Niederlage (1. Mos. 3). Fortan gehen dunkle
Mächte von dieser Katastrophe in seine Geschichte hinein.
Drei Nachtbezirke des Dämonischen

Da ist die dunkle L i n i e d e s T o d e s, in die nunmehr der Gang seiner Geschichte eingebettet
ist. Denn „der Sünde Sold ist der Tod“ (Röm. 6, 23; Hebr. 2, 14; 15).
Da ist die D ä m o n i s i e r u n g der Weltgeschichte, die in erschütterndem Maße Politik und
Religion, Kultur und Zivilisation, Erfindungen und Entdeckungen in ihren Bann zieht. Ohne den
Glauben an das Dasein wirklicher, dämonischer Gewalten, die irgendwie das Handeln der
Menschen beeinflussen und lenken, ist die Völkergeschichte bis in unsere Gegenwart hinein
einfach nicht erklärbar (vgl. Dan.10, 13; 20). Satan ist der „Gott dieser Welt“. (2.Kor. 4, 4;
Joh.12,31; 14, 30; 16, 11).

Da sind es schließlich die geistigen Mächte der Bosheit in den h i m m l i s c h e n Ö r t e r n, die


von diesem ihrem Standort aus auf die Erde einwirken (Eph. 6, 12) und denen darum unser
Kampf gilt, ein organisiertes Reich des Bösen (Off. 12, 7) mit Satan an der Spitze, dem „Fürsten
der Gewalt der Luft“ (Eph. 2, 2).
Ihn zu besiegen und das von ihm geknechtete Erden- und Menschenreich zu befreien, ist fortan
das Ziel der geoffenbarten Erlösungsgeschichte. Dabei aber muß dem Menschen die
Furchtbarkeit seines Falls, die Unzulänglichkeit seiner Kraft und damit die Unmöglichkeit aller
Selbsterlösung gezeigt werden. Nur so kann er dahin gebracht werden, zu erkennen, daß Gott
allein sein Erretter sein muß, daß alles von oben her gegeben, daß alles „Gnade“ sein muß.

Deutlich teilen sich die geoffenbarten Heilszeiten in:

Die Zeit der Uroffenbarung, die Zeit der Heilsvorbereitung und die Zeit der Heilserfüllung.

Diese sieben Heilsgeschichtsperioden sind:

1. Die Zeit des Paradieses - von der Erschaffung des Menschen bis zu seinem Fall.
2. Die Zeit der menschlichen Selbstbestimmung - vom Sündenfall bis zur Sintflut.
3. Die Zeit der menschlichen Herrschaft - von der Sintflut bis zur Erwählung Abrahams.
4. Die Zeit der (patriarchalischen) Glaubensverheißung - von Abraham bis Mose.
5. Die Zeit des Gesetzes - von Mose bis Christus.
6. Die Zeit der Gnade (der Gemeinde) - vom ersten Kommen Christi bis zu Seiner Wiederkunft.
7. Die Zeit des sichtbaren (Tausendjährigen) Gottesreiches - von der Erscheinung des Herrn in
Herrlichkeit bis zu den Ereignissen der Weltvollendung (Weltuntergang, Weltgericht,
Weltverklärung).

Alles, was über diese sieben Heilszeiten hinausgeht, ist uns verhüllt. (Eph.2,7; Off.22,5) Damit
müssen wir uns bescheiden. Aber schon diese Erkenntnisse genügen, um unser Herz zur
Anbetung zu bringen. Groß ist unser Gott. Wundersam sind Seine Wege.

Der Gnadencharakter und die Alleinmöglichkeit des biblischen Heilsweges

Zugleich wird der Gnadencharakter des Heils großartig beleuchtet. In immer neuen Formen wird
es erwiesen, daß der Mensch zu seinem Heil nichts beitragen kann. In einem gewaltigen
Jahrtausende umspannenden Geschichtsbeweis wird es aller Welt offensichtlich vor Augen
geführt, daß Gott Recht gehabt hat, wenn Er bei der Erlösung restlos des Menschen Kraft
ausgeschaltet und alles auf S e i n Tun in Gnade gestellt hat (Röm. 3, 24;28). Damit aber steht
Gott vor Seiner ganzen Kreatur im Himmel und auf Erden als gerechtfertigt da, daß Er gerade d i
e s e n Heilsweg bestimmte (Röm. 3, 4). Sein Heilsweg in Christus erscheint nunmehr nicht nur
als der e i n z i g e , sondern geradezu als der einzig m ö g l i c h e, und der ganze Geschichts-
und Offenbarungsverlauf wird zu einem unwiderleglichen Nachweis, daß es nur einen Weg
geben kann, der die Menschheit zum Frieden führt: Gottes Gnade allein und das Kreuz von
Golgatha. „Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den
Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden“ (Apg. 4, 12).
Hast du diesen Heiland als deinen persönlichen Erretter ergriffen? Bedenke: Es gibt keinen
anderen Weg zu Gott. Nur wer Jesus Christus erlebt hat, steht im Heil. Darum hängt von der
Stellungnahme zu Ihm restlos alles ab. Jesus Selbst spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und
das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14, 6).

3. Das Geheimnis des Volkes Israel

Israel ist Gottes „auserwähltes Volk“ (1.Chron.16, 13; 2.Mose 19, 5; Amos 3, 2). Wie eine Linie
zieht sich seit Abraham seine Geschichte durch die Heilszeitalter hindurch. Wechselvoll sind
Israels Geschicke wie bei keinem anderen Volk der Welt, teils im Lande, teils außerhalb, teils im
Unglück, teils im Glück, bedingt durch Sünde und Buße, Gericht und Begnadigung. Bei dem allen
aber hat Israel seinen Auftrag und seine ihm von Gott zugesagte Hoffnung. Beim Erscheinen des
Messias wird es seine Sünde erkennen und sich zu Gott bekehren. Der Messias wird
triumphieren und die K r o n e empfangen (Sach. 6, 11-13). Das Reich Gottes wird offenbar
werden und die Gesamtmenschheit beglücken. Dies Ganze aber wird nicht zu irgend einer Volks-
oder Kreaturverherrlichung dienen, sondern zur alleinigen Selbstverherrlichung des großen
Gott-Erlösers als des Gottes der Juden und Nichtjuden. „So spricht der Herr: Nicht um euretwillen
tue ich es, Haus Israel, sondern um meines heiligen Namens willen" (Hes. 36, 22; 32).
Nicht ein einziges Volk stand Gott zur Verfügung, um dies zu Seinem „auserwählten Volk“
machen zu können, nicht eine einzige Sippengemeinschaft, ja nicht eine einzige Familie! Daher
die Notwendigkeit eines völligen Neuanfangs und die Berufung und Erwählung eines einzelnen.
Aber mit diesem Einzelmann sollte nun eine vollständig neue Geschichtsführung beginnen - eine
Sonderströmung mitten im Gesamtozean der Völkerwelt -, die, unter vorläufiger Beschränkung
der Offenbarung auf den begrenzten Kreis der Nachkommenschaft dieses Einzelnen, in
unmittelbarer Weise zu Christus und, über Christus und Sein Kreuz, zur weltumspannenden
Ausweitung der Erlösung führen sollte. Dies ist der Sinn der Berufung Abrahams. Auf diese
Weise wurde Abraham zugleich der „Vater aller Gläubigen“ (Röm. 4, 11).

Sinn und Auftrag der Berufung Israels in der Heilsgeschichte

Dreifach war der Sinn der Berufung Israels: sittlich-erzieherisch, offenbarungsgeschichtlich und
missionarisch.

Auf der Schaubühne der Weltgeschichte sollte an seinem Beispiel den Völkern der Welt
offensichtlich gezeigt werden, was Sünde und Gnade, Gericht und Erlösung ist. An Israels
Verhalten und Geschick sollte in unmißverständlicher Weise ein Anschauungsunterricht gegeben
werden, der das Gewissen weckt, um den Sünder zur Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis zu
führen.

Für das Herniederkommen der göttlichen Offenbarung sollte Israel die menschliche
Aufnahmestelle sein, das „Volk des Ohres“, das Gottes Wort hört, - eine Berufung, die ihren
Mittelpunkt und ihre Krönung schließlich darin findet, daß zuletzt nicht nur Gottes Wort, sondern
Gott Selbst kommt, nicht nur Seine Propheten, sondern Sein Sohn (Hebr.1,1;2). Damit aber wird
Israel zum Absteigequartier des Welterlösers, zum Brückenkopf des aus der Ewigkeit
Erscheinenden, zur Heimat des Gottgesalbten (Messias) und durch Ihn zur Geburtsstätte der
christlichen Gemeinde (Joh.4,22; Eph.2,19; 20; Röm.11,17;18; Gal.3,9.14).
In der Ausbreitung des Heils sollte Israel Gottes Zeuge und Mund sein, der Kanal der
Heilsoffenbarung, der Bannerträger der Wahrheit, Gottes Herold unter den Nationen. Darin liegt
seine Sendung zum Prophetischen und Missionarischen. Seine nationale Geschichtsführung ist
zugleich auf das Universale angelegt. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“
(1.Mos.12,3).

Israels Versagen und Gottes Gerichtswege


Immer wieder hat Israel seiner Berufung nicht entsprochen. Darum wurde sein Geschichtsweg
zugleich Gerichtsweg. Allerdings hielt Gott, um Abrahams, Seines Freundes, willen, an Seinem
Endziel fest (Röm.11,16;24).

Drei waren die Hauptnotzeiten. Von diesen hatte die erste nur den Charakter der Drangsal
(5.Mos.4,20; 2.Mos.6,6), jede der beiden anderen vornehmlich den des Gerichts (2.Kön.17,7-23.
Jer.32,31; Matth.27,25). Zugleich verteilen sich diese Hauptnotzeiten, in denen die
Nachkommenschaft Abrahams außerhalb ihres Landes ist auf die drei Hauptzweige der
Menschheit seit Noah, auf Ham, Sem und Japhet.

In Ägypten waren es die H a m i t e n , in Vorderasien die s e m i t i s c h e n Assyrer-Babylonier


(1. Mos. 10, 22) und, seit der Vernichtung des jüdischen Staates durch die Römer, besonders die
allgemeine, j a p h e t i t i s c h e Völkerwelt (1.Mose. 10, 2), in deren Ländern die Nachkommen
Abrahams zu wohnen hatten und in deren Machtbereich sie immer wieder der Gewalttat und
Unterdrückung ausgeliefert waren.
Die Drangsal in Ägypten fand im zweiten vorchristlichen Jahrtausend statt (wohl ungefähr
zwischen 1700 und 1500 v. Chr.).

Die Wegführung nach Mesopotamien geschah in zwei Stufen: zuerst wurde das seit der
Reichsteilung nach Salomos Tode (10. Jahrh.) von Juda getrennte, nördliche Zehnstämmereich
durch die Assyrer in die Gefangenschaft geführt (Zerstörung Samarias 722 v. Chr.). Von da ab
sind die zehn Stämme verschollen und sind somit die „verlorenen“ zehn Stämme geworden.
Dann, anderthalb Jahrhunderte später, kam das Gericht auch über das Südreich. Nebukadnezar
von Babel zerstörte Jerusalem und führte die Bevölkerung des Zweistämmereiches nach
Babylonien (606, 597, 586 v. Chr).

Tiefgreifend war der innere Wandel, den das Volk in der babylonischen Gefangenschaft erfuhr.
War Israels Hauptsünde bis zum Exil der Götzendienst gewesen, so ist das Volk - wohl ganz
stark unter dem Einfluß des Hesekiel, des „Mose des Exils“ - grundlegend von dieser Sünde
geheilt worden. Seitdem ist der Götzendienst nie wieder seine Hauptgefahr und Niederlage
geworden. Gerade in Babel wurde Israel von Babel geheilt.

Dann aber beschritt es bald einen anderen Irrweg. Das Leben erstarrte. Totes Formenwesen
gewann die Oberhand. Aus Glaube wurde Orthodoxie, aus heiligem Streben nach Gerechtigkeit
hochmütiges Pharisäertum, und als Christus erschien, Er, das Ziel und der eigentliche Sinn
seiner ganzen Geschichte, hat das Volk Ihn verworfen und ans Kreuz gebracht. Und in
unbegreiflicher Verblendung haben sie selbstsicher geschrieen: „Sein Blut komme über uns und
unsere Kinder“ (Matth. 27, 25).

Gott hat sie beim Wort genommen. Das Gericht brach herein. Zuerst - im Jahre 70 - zerstörte
Titus Stadt und Tempel. Dann - 65 Jahre später – nach einem nochmaligen Aufflammen des
jüdischen Widerstandes in dem blutigen Aufstand des falschen Messias Bar Kochba
(Sternensohn; unter Berufung auf 4. Mos. 24, 17) - wurde nach verzweifeltem Ringen das ganze
politische Volksgefüge zerschlagen und die Juden unter Kaiser Hadrian des Landes verwiesen.
Damit war auch das Zweistämmereich unterbrochen und ist, ähnlich wie einst das
Zehnstämmereich (722 v. Chr.), in das Feld der Nationen versunken. Seitdem ist Israel in der
Zerstreuung und furchtbarsten Leiden und Gerichten unterworfen (5. Mos. 28, 65; 67).

Israels Hoffnung und Wiederannahme

Aber am Ende der Zeit knüpft Gott wieder mit Israel an. Deutlich sind schon heute markante
Flammenzeichen zu erkennen. Das gegenwärtige Zeitalter neigt sich seinem Ende zu. Der Zeiger
auf Gottes Weltenuhr naht sich der Mitternachtsstunde.

Vier Hauptereignisse sind, was Israel betrifft, bisher ganz besonders hervorragende Signale:
1791: Aufhebung aller Ausnahmegesetze gegen die Juden durch die französische
Nationalversammlung. Seitdem rasche Entwicklung des jüdischen Einflusses in Politik, Presse
und Hochfinanz.

1897: Gründung des Zionismus und damit planmäßiges Streben nach Rückkehr in das Land ihrer
Väter.

1917: Balfour-Erklärung. Palästina zur nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes unter
britischer Oberhoheit erklärt (Konferenz in San Remo 1919).

1948: Gründung des Staates Israel.

Dies alles sind „Zeichen der Zeit“. Sie behalten ihre Bedeutung, auch wenn es noch rückläufige
Bewegungen geben mag (vgl. 2.Thess.2,6;7).

Eins ist bei dem allen aber zu beachten: Die Wiederherstellung Israels gelangt nicht durch
geradlinige „Vollendung“ dieser Zeichen der Zeit zur Verwirklichung. Denn das Reich Gottes
kommt in keiner Weise durch menschlichen Fortschritt. Es ist nicht das Ergebnis von Leistungen
und Entwicklungen auf Erden, sondern ist Geschenk und Kraftwirkung des Allerhöchsten vom
Himmel her (Dan. 7, 13; 14).

So auch bei Israel. Seine letzte Entwicklung vor dem Anbruch des Messiasreiches wird durch
Katastrophen gehen. Gottes Gericht wird in erschütterndstem Maße offenbar.

Die große Trübsal, die Drangsal Jakobs (Jer. 30, 7), wird hereinbrechen.

Dann aber wird der Messias erscheinen. Dem im Lande vereinten Überrest werden die Augen
aufgehen (Off.1,7; Sach.14,4). In Buße werden sie sich zum Herrn wenden (Sach. 12, 10; Jes.
53, 3-6), und Israel wie auch die Völkerwelt werden innerlich erneuert werden (Jes. 11, 1-10;
Zeph. 3, 9).

Christus wird herrschen. Gekrönt mit der Doppelkrone (Sach.6, 11-13 Hebr. 7), wird Er der
Gottkönig über Israel und die Völkerwelt sein.

Bekehrung und Vereinigung Israels (Hos.3, 5; Hes.37, 15-23), Erneuerung der Nationen (Zeph. 3,
9), Friede unter den Völkern (Micha 4, 3 ; 4), Segnungen der Natur (Jes. 11, 6-8; Hos. 2, 23; 24),
erhöhter Glanz von Sonne und Mond (Jes. 30, 26) - dies sind einige der Herrlichkeiten dieses
goldenen Zeitalters.

So erreicht Gott Sein Ziel. Auch in Bezug auf Israel siegt Seine Gnade (Röm. 11, 26; 29). Trotz
aller Krisen im einzelnen wird Gottes Gesamtplan vollendet. Das Wanderziel Abrahams leuchtet
auf. Die errettete Nachkommenschaft des Patriarchen - sein leiblicher und geistlicher Same durch
den Glauben - nimmt teil am Genuß der Erfüllung seiner Sehnsucht. Denn Abraham erwartete
„die Stadt, deren Schöpfer und Baumeister Gott ist“ (Hebr. 11, 10).

Wahrlich: „Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar . . . O Tiefe des
Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11, 29; 33.)
Ihm aber, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (1. Kön. 18, 36, vgl. 31), Ihm, dem Gott Israels
und der Nationen (Röm. 3, 29), Ihm, dem Könige der Zeitalter, dem unsichtbaren, alleinigen Gott,
sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (1. Tim. 1, 17).

4. Die Geschichte der Tempel Gottes

Der Zentralquellpunkt der israelitischen Volksberufung ist der Tempeldienst. Israel sollte nach
Gottes Willen ein „Königreich von Priestern“ sein (2. Mos. 19, 6). Hierbei ging es um das Letzte
und Tiefste in dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch, um die Wiederherstellung und
Vollendung heilig-liebender, personhaft-lebendiger Gottesgemeinschaft.

Der Schnittpunkt zwischen Ewigkeit und Zeit

Hier aber tut sich die ungeheure Kluft auf, die Gott und Mensch voneinander trennt. Nicht nur:
Gott ist der Unendliche und der Mensch der Kleine und Begrenzte, nicht nur: Gott ist der
Schöpfer und der Mensch Sein Geschöpf, sondern: Gott ist der Heilige und der Mensch, seit
Adams Fall, der Sünder! Gott ist der Gerechte und der Mensch der mit Unreinheit und Schuld
Beladene!

Und doch kann nur Anschluß an Gott den Verlorenen retten. Denn Gott ist der Lebensquell, und
nur Gemeinschaft mit Ihm gibt der Kreatur Seligkeit und Heil. Andererseits aber muß die
Begegnung des Sünders mit dem heilig-gerechten Gott für ihn die Offenbarung strafender
Gerechtigkeit bedeuten. Also gerade das, was dem Sünder allein helfen kann - Berührung mit
Gott - müßte ihn vernichten! Hier liegt die gewaltige Spannung, die nur dadurch ihre Auflösung
erfahren kann, daß auf irgendeine Weise dieser Schnittpunkt von Ewigkeit und Zeit beides
zugleich in sich birgt: Gerichtsbarkeit und Heil, Zudeckung der Schuld und Begründung eines
neuen Lebens, Vergebung und Heiligung.

Der Sinn des Allerheiligsten

Hier nun offenbart sich, wie in geradezu großartiger Weise die Symbolik des alttestamentlichen
Tempeldienstes dem Heilsbedürfnis des Menschen entspricht.

Dieser zentrale Vereinigungspunkt von Ewigkeit und Zeit, heiligem Gott und sündiger Kreatur ist
im Mittelpunkt des alttestamentlichen Tempeldienstes symbolisch geoffenbart, das heißt, im
Allerheiligsten von Stiftshütte und Tempel. Und in der Tat, er enthielt in seiner Ausstattung
sinnbildlich diese notwendige, polare Zwei-Einheit: Abbruch des Alten und Einführung des
Neuen, Vergebung und Führung, Sünden-Zudeckung und Heiligung, dargestellt in seiner
Symbolsprache durch Versöhnungsdeckel und Gesetzestafeln, Kapporeth und Thora, so wie sie
über und in der Bundeslade, diesem Zentralgerät des ganzen Gottesdienstes, harmonisch
miteinander vereint waren (2.Mos.25,17-22; Hebr.9,4). Vollkommener kann diese zentrale
Vorausschattung des Heils der Notwendigkeit und dem Ziel der Erlösung tatsächlich nicht
entsprechen.

Christus hat dann diese polare Zwei-Einheit zur Vollendung gebracht. Sein priesterliches Opfer
bringt die „Abschaffung der Sünde“ (Hebr. 9, 26). Sein königliches Amt bedeutet Heiligung und
Herrschaft. So werden beide in Einem erfüllt: der Versöhnungsdeckel und der Bundesladenthron,
Kapporeth und Thora, Zudeckung der Schuld und Neubeherrschung des Lebens, und es enthüllt
sich uns hier, im Licht innerer Erfordernisse und prophetischer Symbole, die Notwendigkeit eines
priesterlich-königlichen Welterlösers.

So ist denn im Allerheiligsten der Schnittpunkt zwischen Ewigkeit und Zeit am vollkommensten
sinnbildlich dargestellt. Darum ist es zugleich - auch in seinen Raumverhältnissen - Symbol der
Vollkommenheit überhaupt. Dies geschieht durch die Würfelgestalt, und zwar sowohl schon in
der Stiftshütte als auch später in den Tempeln, ja hin bis zur Symbolik des Himmlischen
Jerusalem (2.Mos.26,15-20; Hes. 48, 16; Off. 21, 16). Denn der Würfel hat das Gleichmaß nach
allen Seiten, die Harmonie des Gesamten und drückt darum raumsymbolisch die Idee der
Vollkommenheit aus.

Die heilsgeschichtliche Grundidee der Tempel Gottes

Aber zunächst konnte diese Vollkommenheit des Göttlichen, wegen des Einbruchs der Sünde, im
Verlauf der Geschichte noch nicht voll triumphieren. Daher die Notwendigkeit der Darstellung
eines zunächst noch durch einen Vorhang verschlossenen (Hebr. 9, 8), ja sogar im Dunkel
geheimnisvoll verhüllten Allerheiligsten (2.Mos.20,21; 1.Kön.8,12) und die Notwendigkeit der
Beiordnung rangmäßig abgestufter Vorräume, nämlich Vorhof und Heiliges. Erst in der
Vollendung ist das g a n z e Gottesvolk A l l e r heiligstes.

Aber „über allen Himmeln“ ist der Thron Gottes selbst. Dort ist das Gesetz, das das Weltall
regiert. Dort ist auch die Gnade, die die Sünden vergibt und den Herrschaftsthron Gottes zu
einem „Gnadenstuhl“ macht (2.Mos.25,17 (Luther); Hebr.4,16; Röm.3,25), und dort ist, über
allem, die Lichtherrlichkeit Gottes, die, wie die Wolke der Schechina, alles andere überstrahlt
(2.Mose 40,34;35; 1.Tim.6,16).

Die Heilsnotwendigkeit des stellvertretenden Opfers

Die Zentralhandlung des Tempeldienstes ist das Opfer. Erst dadurch wurde alle diese Symbolik
und Heilswirklichkeit möglich. Denn soll der Schnittpunkt von Ewigkeit und Zeit - um den es ja bei
dem gesamten Tempeldienst überhaupt nur geht - rettendes, wirksames Kraftzentrum werden, so
muß die in ihm sich vollziehende Begnadigungshandlung zugleich rechtsgültig sein. Dies aber
kann sie nur sein, wenn sie sich zugleich richterlich und tatsächlich mit der Sünde
auseinandersetzt, also zugleich Sühnung in sich einschließt. Die Sünde aber ist, ihrem Wesen
nach, Trennung von Gott. Gott aber ist das Leben. Darum ist Loslösung von Gott zugleich
Loslösung vom Leben, also Tod. „Der Tod ist der Sünde Sold“ (Röm. 6, 23). Dann aber muß,
wenn eine objektive Sühne erforderlich ist, diese Sühne dem Wesen der Sünde entsprechen,
also ebenfalls in der Trennung vom Schöpfer und Leben, also im Tode bestehen. Nur durch den
Tod kann dem Tode der „Tod“ bereitet werden. (Hebr. 2, 14; Eph. 2, 16). „Ohne Blutvergießen
geschieht keine Vergebung“ (Hebr.9,22).

Auf diese zentrale, unerläßliche Heilshandlung weist das Opfer des alttestamentlichen
Tempeldienstes hin. Es ist eine von Gott planvoll geordnete Erziehungsinstitution auf den
geschichtlichen Heilsmittelpunkt hin. Christus hat dann als „Lamm Gottes“ die Vollendung
gebracht (Hebr. 9, 26). Seine Selbsthingabe auf Golgatha war die wahre Darbringung, Sein
Kreuz der wahre Altar, Sein Blut das wahre Lösegeld und somit Er Selbst in Seiner Person und
Seinem Werk der wahre Tempel, der wahre Hohepriester und das wahre Opfer zugleich.

Die Haupttempel Gottes (in geschichtlicher Folge)

Sieben bzw. acht Hauptformen der Tempelidee sind hintereinander in der


Offenbarungsgeschichte zu erkennen.

1. Die Stiftshütte , errichtet durch Mose um 1500 bei der Gesetzgebung am Sinai, dann
wanderndes Gotteszelt in der Wüste und schließlich, lange Zeit hindurch, Zentralheiligtum Israels
im Lande in der Zeit zwischen Josua und Salomo, besonders in Silo, zusammen von 1500 bis
1000 v. Chr.
2. Der Tempel Salomos , erbaut um 1000, unvergleichbar schöner als die Stiftshütte, doch nach
demselben Grundplan (1. Kön. 6, 1). Jahrhunderte hindurch war er der Mittelpunkt der Verehrung
Gottes, trotz der mit Jerobeam beginnenden abtrünnigen Anbetungsform im Zehnstämmereich.
Zerstört wurde er durch Nebukadnezar von Babel bei seinem dritten Feldzug gegen Jerusalem
(586), und sieben Jahrzehnte hindurch erfuhr der israelitische Tempelopferdienst eine totale
Unterbrechung.

3. Der Tempel Serubabels. Erst nach der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft (536)
unter Serubabel und Josua konnte man mit dem Neubau eines Tempels beginnen…, und so war
es genau das 70. Jahr nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar, daß der zwar
schlichte (Esr.3, 12), aber doch durch besondere Gottesverheißungen ausgezeichnete (Hagg. 2,
9; 10) Tempel eingeweiht werden konnte. Später wurde er durch König Herodes prunkvoll
ausgebaut (Joh. 2, 20). Seine eigentliche Herrlichkeit aber, durch die er auch den Salomonischen
Tempel entscheidend überragt (Hagg. 2, 9), empfing er dadurch, daß es gerade dieser
Serubabelsche Tempel war, in dem Jesus als Knabe war und dann später als Mann und Prophet
lehrte und kämpfte, vor allem aber dadurch, daß es dieser Tempel war, in dem, in der
Todesstunde von Golgatha, der Vorhang zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten zerriß,
wodurch angedeutet wurde, daß die Welterlösung vollbracht, das vollgültige Sühnopfer gestellt
und der unmittelbare Weg zu Gott nunmehr frei war (Matth.27,51; Hebr.9,8).

Bei der Zerstörung Jerusalems durch den Römer Titus ist dann auch dieser Tempel in Flammen
aufgegangen. Von nun an ist Israel, das den Messias verworfen hatte (Matth. 27, 25), „ohne
Opfer, ohne Altar, ohne Leibrock, ohne Heiligtum“ (Hos. 3, 4). Gott aber, dessen Heilspläne
niemals vernichtet werden können, hielt auch hier an Seinen heiligen Zielen fest. Auch jetzt,
mitten in Zusammenbruch und Gericht, gab Er Seinen Grundsatz nicht auf, ja brachte ihn sogar
jetzt desto wunderbarer und tiefer, eben innerlicher und vergeistigter, zur Durchführung. Er berief
Sich Seine Gemeinde und machte sie, durch die Innewohnung Seines Geistes, zu Seinem
Tempel.
Schöpferischer Anfang dieses neuen Weges war der Erlöser Selbst. In Christus, dem
menschgewordenen Gottessohn, „wohnte“ die Fülle der Gottheit „leibhaftig“ (Kol. 1, 19; 2, 9). So
hat Christus, der Heilsmittelpunkt, als der gottgesandte Immanuel in Seiner Person und Seinem
Werk die Tempelwahrheit in vollkommenster Weise zur Verwirklichung gebracht.

4. Der Tempel des Leibes Jesu. Wenn je in der Geschichte des Universums Ewigkeit und Zeit
sich harmonisch vereint haben, dann in Jesus Christus, welcher „Gott, geoffenbart im Fleisch“
war (1. Tim. 3, 16)!
Darum war Er Wander-"zelt" Gottes und Sein Leib wahrer Tempel. So hat Ihn Johannes
geschildert. „Das Wort ward Fleisch und »zeltete« unter uns“ (Joh. 1, 14 wörtlich).
So hat Er Sich Selbst charakterisiert: „Brechet diesen »Tempel« ab, und in drei Tagen will ich ihn
wieder aufbauen.“ So hatte Er von dem „Tempel“ Seines Leibes gesprochen (Joh. 2, 19-22). Er,
der der Herr des Tempels war, der zugleich schon in der alttestamentlichen Zeit sein eigentlicher
Sinn und sein heilsgeschichtliches Ziel war, ist dann in der Fülle der Zeit die Vollausgestaltung
der Tempelidee Selber geworden, „der Tempel“ schlechthin, in Seiner Person und Seinem
Verhalten die idealste und vollkommenste Verwirklichung der Verbindung zwischen Himmel und
Erde (vgl. Joh. 1, 51).

Die Gemeinde ist dann die Fortsetzung Seines Lebens hier auf Erden. „Christus in euch, die
Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol. 1, 27). Darum ist auch sie, durch die Innewohnung Christi durch
den Heiligen Geist, „Tempel Gottes“.

5. Der geistliche Tempel der Gemeinde. In drei Kreisen entfaltet der Herr in diesem Lebensraum
diese große Wahrheit. Er wohnt durch Seinen Geist in der Persönlichkeit des Einzelgläubigen,
dessen Leib dadurch nunmehr ein „Tempel des Heiligen Geistes“ ist (1. Kor. 6, 19).
Er wohnt durch den Geist in der Ortsgemeinde der Gläubigen, die somit Stätte Seiner Gegenwart
und „Tempel Gottes“ ist (1. Kor. 3, 16), und Er wohnt durch denselben Heiligen Geist in der
Gesamtgemeinde aller Erlösten, so daß der ganze Leib Christi „heiliger Tempel im Herrn“ ist, in
dem alle Einzelglieder mitaufgebaut werden zu einer „Behausung Gottes im Geist“ Eph.2,21; 22;
1.Petr.2,4;5.
So ist die Ekklesia des Neuen Bundes Gottes Tempel in der gegenwärtigen Heilszeit.

Die Grundlage ist der Herr Selbst. Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der
gelegt ist (1. Kor. 3, 11). Von Ihm spricht das Zeugnis der ersten Generation. Darum ist alles, was
darauf folgt, „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten“ (Eph. 2, 20).

Die Steine kommen aus zwei „Steinbrüchen“, den Juden und Heiden (Eph. 2, 11; 12), und
werden zu e i n e m heiligen Tempel zusammengefügt. Sie kommen als tote Steine zu Ihm, dem
Lebendigen, und werden durch den Geist Seines Lebens lebendig gemacht (1. Petr. 2, 4; 5). Ihr
Glauben an Christus ist zugleich Glauben auf Christus, ein Sichstützen und „Aufgebautwerden“
auf den „Eckstein“ in Zion (Jes. 28, 16).
Der Zweck dieses Hauses ist, ein „Tempel“ zu sein. Es ist ein „geistliches Haus“, und die „Steine“
in der Wand sind zugleich „Priester“ am Altar (1. Petr. 2, 5; Hebr. 13, 10).
Sie opfern: ihr Leben ist ein Schlachtopfer (Röm. 12, 1), ihr Dienst ein Trankopfer (2. Tim. 4, 6),
ihre Taten geistliche Opfer (1. Petr. 2, 5), ihre Anbetung ein Lobopfer (Hebr. 13, 15).
Sie beten für andere; sie danksagen für andere (1. Tim. 2, 1; 2), im stillen Kämmerlein
umspannen sie die ganze Welt. Sie sind ein Segen für ihre Umwelt; sie bringen andere in die
Nähe Gottes, und so darf in jedem einzelnen von ihnen die Verheißung erfüllt werden:„Ich will
dich segnen, und du sollst ein Segen sein“ (1. Mose 12, 2).
Schließlich aber - so scheint es - wird Gott wieder an die Geschichte des irdisch-sichtbaren
Tempels anknüpfen. ( Wenn - falls Offenbarung 11, 1-2 buchstäblich zu nehmen sein sollte - das
in der Endzeit in das Land seiner Väter zurückgekehrte jüdische Volk noch vor seiner Bekehrung
den Tempel in Jerusalem wiederherstellen sollte, dann wäre dieser als besonderer Tempelbau
außerdem noch zu nennen. Er wäre zwar im tiefsten Sinne nicht ein Tempel „Gottes“, da ihn ja
das ungläubige jüdische Volk erbaut, wohl aber ebenfalls eine besondere Phase in der
Geschichte derTempelidee überhaupt. Mit ihm zusammen wären es dann also nicht sieben,
sondern acht in der Heilsgeschichte der Bibel genannte Tempel, in denen dem ewigen Gott
(wahre oder falsche) Verehrung dargebracht wird).
6. Der Tempel des Hesekiel (Kap. 40 bis 44). Jedenfalls schildert Hesekiel in seiner Weissagung
vom messianischen Heil einen zukünftigen Opferdienst mit so vielen Einzelbestimmungen (z.B.
Hes.45,23; 24; 46, 4-15) und einen zukünftigen Tempel mit so genauen Einzelangaben und
Teilmaßen, (Hes. 40,6-15; 41, 1-4; 43, 13-17), daß es kaum möglich erscheint, dies alles nur
bildlich und geistlich zu verstehen. Die Schwierigkeit, daß sich dann n a c h dem vollbrachten
Werk von Golgatha - trotz der Belehrungen des Hebräerbriefes (10,10; 14; 8,13; 7,18) - doch
noch Opferdienst mit Brandopfern, Speisopfern, Dankopfern, Sündopfern, (Hes.43,18-27; 44,11;
15; 16; 29; 45,17) ein Priesterdienst (Hes. 40, 46) und ein Feiern besonderer Feste (Passah,
Laubhütten: Hes. 45,21; Sach.14,16) fände, würde sich dabei möglicherweise so lösen, daß
diese Opfer ungefähr auf derselben Stufe ständen wie in der Gegenwart Taufe und Abendmahl,
nämlich daß sie Zeichen der Erinnerung wären, Darstellungen des v o l l b r a c h t e n
Erlösungswerkes, rückwärtsschauende Sinnbilder, gleichwie die durch das Kreuz abgeschafften,
alttestamentlichen Opfer vorwärts schauten auf das erst noch zu vollbringende, von ihnen aus
gesehen, noch zukünftige Erlösungswerk.

Zuletzt aber wird die Vollendung kommen und mit ihr auch die Vollausgestaltung der Tempelidee.

7. Das himmlische Jerusalem als Tempel (Allerheiligstes). Deutlich wird in der Bildersprache der
Offenbarung die ewige Gottesstadt als das himmlische Allerheiligste geschildert. Daher ihre
Würfelgestalt (Off. 21, 16 vgl. Hes. 48, 16). Daher überhaupt auch schon das Fehlen jedes
Sondertempels in ihr (Off. 21, 22), da sie ja selbst der vollendete Gottestempel ist. Daher auch
keine Bundeslade mehr (Jer. 3, 16; 17), da ja der Thron Gottes selbst in der Stadt ist (Off. 22, 1;
3) und folglich der sinnbildliche Thronsitz des Herrn als „erfüllt“ seiner Verwirklichung weichen
kann. Während aber in den Tempeln der alten Erde das Allerheiligste noch in Dunkel verhüllt
gewesen war - als Zeichen, daß Gottes Selbstoffenbarung noch nicht voll durchgeführt worden
war -, ist das himmlische Allerheiligste vom Glanz der ewigen, lichtstrahlenden Jaspis-Schechina
erfüllt. Denn die Vollendung ist erreicht.

5. Das Christuszeugnis des Alten Testaments

Jesus Christus ist die innerste Mitte des gesamten göttlichen Heilsrates. Alles, was vor Ihm
geschah, vollzog sich im Hinblick auf Sein Kommen; alles in der Reichsgottesgeschichte
hinterher ward und wird in Seinem Namen vollbracht.

Im Mittelpunkt Seines Heilswerkes steht das Kreuz. Durch die Dahingabe Seines Lebens hat der
Gekreuzigte den Kaufpreis der Erlösung bezahlt. „Ihr seid teuer erkauft“ (1. Kor. 6, 20).
Wie überragt doch dieser Kaufpreis alle sonstigen Zahlungen der Welt! „Wisset, daß ihr nicht mit
vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid . . ., sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi als
eines unschuldigen und unbefleckten Lammes . . . , zuvorersehen, ehe der Welt Grund gelegt
war . . . , von Gott auferweckt von den Toten, der ihm Herrlichkeit verliehen hat“ (1. Petr. 1,
18-21).

Fünf Unterschiede läßt uns Petrus hier erkennen.

Alle sonstige Zahlung ist zeitlich, der Kaufpreis von Golgatha aber ist ewig. Alles Geld - Silber
und Gold - nahm ja seinen Anfang bei der Erschaffung der Welt. Wir aber sind erkauft mit dem
Blut eines Lammes „auserwählt v o r Grundlegung der Welt“.

Alle sonstige Zahlung ist irdisch, der Kaufpreis von Golgatha aber ist himmlisch. Aus den Tiefen
der Erde kommen die Metalle, die Zahlungsmittel im allgemein menschlichen Gesellschaftsleben.
Aus dem Himmel aber kam Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Er sprach. . . "Siehe, ich
komme, daß ich tue, o Gott, deinen Willen“. (Hebr. 10, 5-10).

Alle sonstige Zahlung ist menschlich, der Kaufpreis von Golgatha aber ist göttlich. Der Kaufpreis
von Golgatha aber hat seine Herrlichkeit, seinen Wert, von Gott. Gott hat das Lamm, mit dessen
kostbarem Blut wir erkauft sind, „auferweckt und ihm Herrlichkeit verliehen“.

Alle sonstigen Zahlungsmittel sind endlich ; der Kaufpreis von Golgatha aber ist von unendlicher
Wirkungskraft. Alles Silber und Gold wird einst im Weltuntergang, im Brande der Elemente,
aufgelöst werden (2. Petr. 3, 10). Jesus aber bleibt... (Off. 5).
Das Alte Testament ist um des Neuen willen da. Christus Selbst ist das Ziel und die Seele der
vorchristlichen Offenbarungsgeschichte. Er ist das Ziel der alttestamentlichen Heilsgeschichte,
der Sinn des alttestamentlichen Gottesdienstes, die Erfüllung der alttestamentlichen
Messiasprophetie.

1. Christus ist das Ziel der alttestamentlichen Offenbarungsgeschichte.

Besonders seit Abraham zielt die vorchristliche Heilsvorbereitung planmäßig auf Christus hin.
„Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“ (1. Mos. 15, 6).
Abraham ist der „Vater aller Gläubigen“ (Röm. 4, 11; 12). Schon vor der Beschneidung, also noch
vor jedem „religiösen Werk“, erfuhr er das Rechtfertigungsurteil des frei begnadigenden Gottes
(Röm. 4, 10-12). Er rechnete damit, daß Gott auch aus dem Tode Leben zu schaffen vermag. Er
erwartete den kommenden „Samen“, in dem alle ihm gegebenen Verheißungen erfüllt werden
würden (Gal. 3, 16). Er wartete auf die Stadt, die da Grundlagen hat, deren Schöpfer und
Baumeister Gott ist (Hebr. 11, l0). So ist Abrahams Glaube ein Glaube an die freie Heilsgnade,
an die Auferweckungskraft Gottes, an den kommenden Welterlöser, an das herrliche Ziel der
Endvollendung.

Dies alles ist in Christus erfüllt. Er erwarb das freie Heil. Er lebt als der Auferstandene. Er ist der
Heiland der Welt. Er führt die Seinen zur himmlischen Gottesstadt (Off. 21, 14; 27). So zieht
Abrahams Glaube auf Christus hin. „Abraham sah meinen Tag und frohlockte“ (Joh. 8, 56). So ist
Christus das Ziel des abrahamitischen Verheißungsbundes.
Vierhundert Jahre später gab Gott das Gesetz. Durch Mose offenbarte Er Seinen heiligen Willen,
und nun wurde noch klarer denn je offenbar gemacht, was Heiligkeit und was Sünde ist. „Durch
Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Röm. 3, 20; 7,7). Der Sinn dieses Offenbarmachens des
menschlichen Versagens war aber nicht, daß der Mensch gedemütigt würde, sondern daß der
Sünder zur Buße käme. Nur so konnte seine schreckliche Not an der Wurzel gefaßt und von
Christus getilgt werden (Hebr. 9, 26). Damit aber wird das Gesetz ein „Zuchtmeister auf Christus“
(Gal. 3, 24), und es wird klar, daß Christus - wie das Ziel der abrahamitischen - so nun auch das
Ziel der mosaischen Bundesschließung ist.

2. Christus ist der Sinn des alttestamentlichen Gottesdienstes.


Alle Berufung der alttestamentlichen Priester, alle Handlungen in Vorhof, Heiligem und
Allerheiligstem, alle Festzeiten und Sabbate - sie alle dienten dem einen Ziel, daß Gott mit dem
Menschen „zusammenkommt“ (2. Mos. 25, 22) und ihn in den Genuß Seiner Bundesgnade
aufnehmen könne.

Dazu aber mußte die Sünde voll ernst genommen und richterlich behandelt werden. Handlung
jedoch kann nur durch Handlung, Geschichte nur durch Geschichte, tatsächliche Sünde nur
durch tatsächliche Sühne getilgt werden. Dies ist der Sinn des alttestamentlichen, blutigen
Opfers. In ihm sind die Grundwahrheiten der Sündhaftigkeit des Menschen, der Heiligkeit Gottes,
der Stellvertretung durch heilige Sühne, der Notwendigkeit persönlichen Glaubens, der
Gemeinschaft des Sünders mit dem Opfer (Opfermahlzeit) und, auf Grund alles dessen, das
Geschenk der beseligenden Gewißheit der Vergebung der Sünden vorbildlich ausgesprochen
(Ps. 32, 1; 2).

Damit aber wird der alttestamentliche Gottesdienst in dieser seiner bedeutsamsten


Zentralhandlung ein Vorbild auf das Kreuz. Denn nur als „Lamm“ Gottes hat Christus die
Sündenfrage gelöst. Nur als der „Gekreuzigte“ ist Er der Heilbringer. Nur als der Stellvertreter ist
Er der „Immanuel“, der „Gott mit uns“.

Weil aber diese Heilstat auf Golgatha so restlos unfaßbar ist, hat Gott in der Heilsgeschichte eine
Jahrtausende lange Vorschule für das Verständnis gegeben, eine plastische Vorausdarstellung,
und die Millionen von Opfertieren, die im Vorhof von Stiftshütte und Tempel ihr Leben zu lassen
hatten, wurden zu einem millionenfach wiederholten Hinweis auf das eine Opfer des Sohnes
Gottes, der durch Seine einmalige Selbstdarbringung auf immerdar alle vollkommen gemacht hat,
die an Ihn glauben und durch Ihn geheiligt werden (Hebr. 10, 10; 14). Ohne diese Zielausrichtung
auf Christus wäre der alttestamentliche Tempeldienst wesenlos, ja grausam. So aber erlangt er in
Christus eine auf die Ewigkeit gerichtete, erlösende Bedeutung. Christus ist derSinn des
alttestamentlichen Gottesdienstes.So zielen alle Einrichtungen des Alten Testaments auf eine
Person hin. Die Moralgesetze offenbaren die Notwendigkeit, die Gottesdienstverordnungen die
Art und Weise Seiner Erlösungstat. Er muß kommen, weil sonst alles dem Todesurteil verfällt.
Wenn Er aber kommt, dann kommt Er als Lamm Gottes. Nur so hat Sein Erscheinen erlösende
Bedeutung.
Dies ist die Bedeutung jener wundersamen Reihe gottgegebener Aussprüche, die wir die
israelitische Messiasprophetie nennen.

3. Christus ist die Erfüllung der alttestamentlichen Messiasprophetie.

Wie ein roter Faden zieht sich die Ankündigung des Welterlösers durch die vorchristliche
Offenbarungsgeschichte hindurch. Die Person des Erlösers und Sein Werk, Seine Gottheit und
Seine Menschheit, Seine Familie, Seine Heimatstadt und Zeit, Sein erstes und Sein zweites
Kommen, Seine Leiden und die Herrlichkeiten danach - auch eine Andeutung einer Zwischen zeit
zwischen Seinem ersten und zweiten Erscheinen (Ps. 110, 1; Hebr. 10, 13).

Er kommt aus der Menschheit (1. Mos. 3, 15), aus Sems Geschlecht (1. Mos. 9, 26), aus
Abrahams Samen (1. Mos. 12, 1-3), aus dem Königsstamm Juda (1. Mos. 49, 10), aus Davids
Familie (Jes. 11, 1; 1. Chron. 17, 11).

Seine Heimat ist Bethlehem Ephratha (Micha 5, 1). Er kommt zuerst in Niedrigkeit, wird dann
aber erhöht sein auf Gottes Thron, fortan wartend, bis alle Seine Feinde zum Schemel Seiner
Füße gelegt sind (Ps. 110, 1).

Dann aber tritt Er Seine Königsherrschaft an. Israel wird erneuert (Hes. 36, 25-27), die Völkerwelt
gesegnet,( Jes. 2, 1-5) die Natur beglückt (Jes. 55, 12) und am Ende gibt es einen neuen Himmel
und eine neue Erde (Jes. 65, 17).
Im Mittelpunkt des Ganzen aber steht - wie im Tempelgottesdienst, so auch hier in der
Messiasprophetie - die Erwartung Seines Sühnwerkes. Hell strahlt in Jesaja 53, dieser
wundersamsten Weissagung des ganzen Alten Testaments, das Bild des Erlösers, des leidenden
Gottesknechtes, als des Lammes Gottes auf. Dies ist der Christus des Alten Testaments, der
gottgesalbte Prophet, Priester und König, der von Israel bewußt Erwartete, die unbewußte
Sehnsucht der Völkerwelt.

4. Christus ist der schon in der alttestamentlichen Zeit gegenwärtige, wirksame Gott der
alttestamentlichen Gesamtoffenbarung.

Es war der Geist Christi, der in den Propheten war (1. Petr. 1,11). Seine Herrlichkeit hat Jesaja
geschaut, als er gewürdigt wurde, bei seiner Berufung den Thron des Herrn Zebaoth, des dreimal
Heiligen, zu sehen ( Joh. 12, 41; Jes. 6, 1-3).
Christus war der Fels, der in der Wüste mit Israel mitzog (1. Kor. 10, 4). Er war der Engel
Jehovas, der sich schon zur Zeit Abrahams offenbarte (1. Mos. 16, 7), der Engel des Angesichts
(Jes. 63, 9), der Engel des Bundes (Mal. 3, 1), der schon im Alten Testament geheimnisvoll
auftrat, so daß er bald als Jehova, als Gott Selbst, angeredet und angebetet wird, bald aber von
Jehovah-Elohim unterschieden wird.
Dies Geheimnis wird erst im Neuen Testament klarer geoffenbart. Es gehört zum Mysterium der
Dreiheit und doch Einheit der göttlichen Wesenheiten, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes. Der im Alten Testament geweissagte Messias ist Jehovah-Jesus, der Gott aus Gott und
Gott in Gott, der ewige Sohn, das Wort, das schon im Urbeginn anfangslos und wesensgleich bei
Gott war (Joh. 1, 1).
Damit aber wird das alttestamentliche Gotteswort zu einem Selbstzeugnis des kommenden
Christus. Der Herr ist nicht nur Thema und Ziel, sondern zugleich Urheber und tragendes
Element der ganzen, alttestamentlichen Offenbarung. Das ganze Alte Testament ist Wort Christi.
Christus ist der schon im Alten Bund wirksame wie auch vom Alten Bund erwartete
Gott-Erlöser.So ist Er der Gegenstand alles alt- und neutestamentlichen Glaubens. Von der
Stellungnahme zu Ihm hängt alles Heil für Zeit und Ewigkeit ab.
Ich höre auf Ihn. Ich halte Sein Wort und Seinen Plan stets für weise. Ich tue, was Er sagt. Das ist
neutestamentlicher Christusglaube. Er ist das Ziel der vorangegangenen Gottesoffenbarungen
des Alten Bundes. So offenbart sich im Christus-Jehova-Jesus-Erleben die Einheit beider
Testamente: die Christuserfahrung des Neuen Testaments und das prophetische
Christuszeugnis des Alten Testaments. 1. Petr. 2, 6; Röm. 10. 11.

6. Die Völker vor Gott

Gott ist der Herr der Welt. Als Schöpfer und Weltregierer ist Er zugleich auch der Gott der
Gesamtmenschheit. Zu allen Zeiten - auch seit der Berufung Abrahams und seit dem Einsetzen
Seines Sonderweges mit Israel und der Gemeinde blieb Er von Sich aus in Beziehung zum
ganzen Menschengeschlecht und war Lenker der Völkerschicksale und Herr der Geschichte.

Die Völker in der Uroffenbarung

Von der Erschaffung des Menschen bis zur Berufung Abrahams.

In dieser Zeit ist die Offenbarung Gottes nicht auf ein Einzelvolk oder auf eine irgendwie anders
(d. h. geistlich) zusammengesetzte Einzelgruppe von Menschen (wie die Gemeinde) begrenzt,
sondern gilt allen Menschen schlechthin. Zuerst im Paradiese, dann in der Zeit der menschlichen
Freiheitsprobe und zuletzt in der Zeit der menschlichen Herrschaft war Gottes Selbstkundgebung
an den Menschen schlechthin universal.

Zuerst - nach dem Sündenfall - gab Gott der Menschheit die Möglichkeit allgemein sittlicher
Selbstbestimmung, ohne göttliche Sonderbefehle oder Gesetzesoffenbarung, auch ohne die
Einrichtung menschlicher Obrigkeiten. Dann - nach dem totalen, sittlichen Versagen des
Menschen in derkainitischen Urkultur und dem dadurch notwendig gewordenen Sintflutgericht
stellte Er ihn, durch Einsetzung der Obrigkeit (1. Mos. 9, 6), unter menschliche
Gesellschaftsordnungen.

In Sem, Ham und Japhet, den Söhnen Noahs, kam es nach dem Flutgericht zu einem
Neuanfang. Da Hams Nachkommenschaft der Segenlosigkeit anheimgegeben war (1. Mos. 9,
25), konzentrierte sich der Segen auf die beiden anderen Söhne. Hierbei war Japhets Segen
mehr irdischer Art, als geistig-kulturelle und politische Ausdehnung (1.Mos.9,27). Sems Segen
aber war vornehmlich heilsgeschichtlicher Art und führte, über Abraham und David, zu Christus,
dem Welterlöser (1.Mos.9,26; Luk.3,36; Joh.4,22).

Aber auch in diesem Geschichtsabschnitt versagt der Mensch, wie es der Turmbau von Babel
offenbar macht (1.Mos.11). So hatte sich der Mensch in beiden urgeschichtlichen Perioden als
unfähig erwiesen, auf die für diese Zeiten angesetzten Regierungsgrundsätze Gottes
einzugehen. Die Freiheit mißbrauchte er zu Willkür und Zügellosigkeit (vgl. Lamech: 1. Mos. 4,
19-24), die obrigkeitliche Gesellschaftsordnung zu gewalttätiger Unterdrückungspolitik und
gemeinsamer Ruhmsucht (vgl. Nimrods Weltreich: 1. Mos. 10, 8-12; ebenso der Turmbau von
Babel: 1. Mos. 11).

Darum wurde schließlich ein Wandel in den göttlichen Offenbarungswegen erforderlich. Als die
Menschheit sich in ihrem Wahn zusammenrottete, um im babylonischen Turmbau, in
zusammengeballter Kraft und in eitler Selbstherrlichkeit, dem Allerhöchsten die Ehre zu rauben
(1. Mos. 11, 4), zerschlug Gott diese Einheit, setzte die Gesamtmenschheit beiseite und
beschränkte den Strahlenkreis Seiner eigentlichen Erlösungsoffenbarung zunächst auf einen
Einzelnen und dessen leibliche und geistliche Nachkommenschaft.

Die Völker in der Beiseitesetzung

Von Abrahams Berufung bis zum Beginn des gegenwärtiges Heilszeitalters.

Aber auch jetzt blieb Gott der „Gott der Nationen“ (Röm. 3, 29). Zwar nicht im Sinn unmittelbarer
Heilsoffenbarung und sittlicher Willenskundgebung (Gesetz), wohl aber als Lenker und Richter
der Völkerwelt (Spr. 14, 34) durch Beeinflussung der Obrigkeit (Spr. 8, 14-16) sowohl in ihren
politischen wie ihren militärischen Entschlüssen (1.Kön.11,14; 1.Chron.5,26; Jes.45,1-7) durch
Ordnung der Weltverhältnisse, Festlegung der Grenzen (Apg. 17, 26), Überwaltung der
Geschichtsereignisse (Am. 9, 7), Einwirkung auf das geistige Leben der Völker, besonders
Weltanschauung, Moral und Sitte (Apg. 17, 27). Auch in seiner Flucht vor Gott kommt der
Mensch von Gott eben nicht los. Auch in der Beiseitesetzung war und blieb die Völkerwelt
Gegenstand göttlicher Einwirkungen und Liebe.

Mit Nebukadnezar, der Zerstörung Jerusalems und dem Aufhören des jüdischen Nationalstaates
(586 v. Chr.) trat dann noch ein weiteres Moment hinzu. Nach dem fast anderthalb Jahrtausende
- erlösungsgeschichtlich gesehen - die Völkerwelt lediglich im Hintergrund der göttlichen
Offenbarungen gestanden hatte, wird sie nunmehr wieder direkter Gegenstand göttlicher
Prophetie. Bis dahin war in der israelitischen Gottesbotschaft zwar oft schon von den Nationen
die Rede gewesen (besonders bei Amos und Jesaja) - in Gericht und Verheißung -; aber fast
stets lag auch bei diesen Völkerprophetien der Schwerpunkt auf Israel. Was Gott mit den Völkern
tat, tat Er vornehmlich „um Israel, Seines Knechtes, willen“ (Jes. 45, 1-7). Jetzt aber, als Israel-
Juda, seit der Zerstörung Samarias durch die Assyrer (722) und Jerusalems durch die Babylonier
(586), sein politisches Eigenleben verloren hatte und in die Hände der Weltvölker hingegeben
war, als also „die Zeiten der Nationen“ (Luk. 21, 24) begannen, ist es auch nur folgerichtig, daß
Gott Weissagungen schenkte, die die Geschichte der Völkerwelt behandelten. Dies geschah in
den Traumgesichten Nebukadnezars und den Weltreichsprophetien Daniels (Dan. 2. 4. 7. 8).
Hierbei sieht Nebukadnezar, der Heide, das Außenantlitz der Geschichte, das imponierende
Kolossalstandbild in seiner Einheit, Humanität und Großartigkeit (Dan. 2, 31-36), während Daniel,
der Prophet Gottes, ihrinneres Wesen erkennt, ihre Raubtiernatur, Zerrissenheit und Dämonie
(Dan. 7, 1-8).
Vier Weltreiche stehen hierbei im Gesichtskreis der Weissagung:

Das goldene Haupt , der Löwe mit Adlersflügeln (Dan. 2, 32; 38; 7, 4) das Neubabylonische
Reich (612-538), besonders unter Nebukadnezar (605-562).

Die si1berne Brust (Dan. 2, 32), der Bär, der sich auf der einen Seite aufrichtet (Dan. 7, 5), der
Widder mit den zwei ungleichen Hörnern (Dan. 8, 3; 20) das Medo-Persische Reich, gegründet
von Kores, zerstört durch Alexander den Großen (538-333), besonders durch den
entscheidenden Sieg Alexanders in der Schlacht bei Issus (333).

Der kupferne Bauch und die Lenden (Dan. 2, 32), der Panther mit den vier Flügeln und den vier
Köpfen (Dan. 7, 6), der Ziegenbock (Dan. 8, 5) mit dem einen, großen Horn (Alexander der
Große) - das Griechisch-Mazedonische Weltreich, das sich nach Alexanders Tod (323) in vier
Hauptnachfolger(Diadochen)staaten zerspaltete, die schließlich - besonders im zweiten,
vorchristlichen Jahrhundert - von den Römern überwunden wurden.

Von besonderer Bedeutung für Heilsgeschichte und Prophetie waren hier namentlich die
folgenden zwei:

Das Ägyptische Reich, der König des Südens (Dan. 11, 5; 9; 11). In seinem Staatsgebiet
entstand zwischen 250 und 120 v. Chr. die griechische Übersetzung des hebräischen Alten
Testaments, die aus noch nicht klar erkannten Gründen Septuaginta (70, LXX) genannt wurde
und die später die Weltmissionsbibel des apostolischen Urchristentums war. Und:

Das Syrisch-Babylonische Reich, der König des Nordens (Dan. 11, 6; 7; 11). Hier kam es im
zweiten, vorchristlichen Jahrhundert unter König Antiochus IV. Epiphanes (175-164) zu einer
grausamen Verfolgung der Jehova-gläubigen Juden, die 168 den Makkabäeraufstand auslöste
(168-141). Der gottfeindliche Antiochus selbst war fortan in der Prophetie ein Haupttypus auf den
Antichristen der Endzeit, d. h. das „kleine Horn“ des dritten Weltreiches (Dan. 8, 9; 23) war ein
Typus auf das „kleine Horn“ des vierten Weltreiches (Dan. 7, 8; 20, 24; 25).

Es folgt das vierte Haupt-Weltreich des Buches Daniel. Sein erstes Stadium waren

Die Beine aus Erz und Eisen (Dan. 2, 40), das Schreckenstier, das alles zermalmt und auffrißt
(Dan. 7, 7) - das Römische Weltreich, das alle Kulturvölker der damaligen bekannten Welt
umspannende Imperium Romanum. Besonders nach der Besiegung der Karthager bei Zama
(202 v.Chr.) haben die Römer im Verlauf des zweiten Jahrhunderts vor Christus die Unterwerfung
der meisten Mittelmeerstaaten abgeschlossen. Seit 133 v.Chr. waren sie die Herren der Welt.
Unter ihrem ersten Alleinherrscher Augustus (31 v. Chr. - 14 n. Chr.) wurde Christus geboren
(Luk. 2, 1). Unter ihrem zweiten Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.) trat der Herr öffentlich auf und hat
dann Sein Erlösungswerk vollbracht (Luk. 3, 1). Die Römer waren dann auch die Werkzeuge in
der Hand Gottes, das Gericht an dem abtrünnigen Israel zu vollziehen, das seinen Messias
verworfen hatte (Matth. 27, 25). Titus, der Sohn und spätere Nachfolger Kaiser Vespasians,
zerstörte Jerusalem im Jahre 70. Und wiederum waren es die Römer, die im Jahre 135 den
jüdischen Nationalstaat auflösten und die Juden in die eigentliche Zerstreuung schickten. In
dieser befindet sich das jüdische Volk dann bis auf die gegenwärtige Zeit.[13]

In der Tat hat es sich auch in der Geschichte erwiesen, daß die Idee des vierten Weltreichs
niemals tot war. Auch nach dem Zusammenbruch des Weströmischen (476 n. Chr.) und
Oströmischen Reiches (1453) hat sich seine Lebenskraft immer wieder erwiesen, besonders in
dem Bestand der Römischen Kirche, dem Fortbestehen der römischen (lateinischen) Sprache in
Theologie, Jura, Medizin, Naturwissenschaft und Militär, in dem Fortleben und den Auswirkungen
des römischen Rechts und auch in ganz bestimmten welthistorischen Entwicklungen. - Während
dieser Zeit aber geht das Evangelium durch die Welt.
Die Völker unter der Heilsberufung

Das gegenwärtige Heilszeitalter bis zur Ankunft (Parusie) Christi.

Mit der Botschaft vom Kreuz, vom vollen gegenwärtigen und zukünftigen Heil in Christo als
unserm Stellvertreter und Bürgen, gehen die Zeugen Jesu von Land zu Land, und wo Menschen
sich finden, die sich dieser Heilsbotschaft öffnen und in Buße und Glauben Christus als ihren
persönlichen Heiland annehmen, werden sie teilhaftig Seines Heils und eingegliedert in Seine
Gemeinde. Das Ziel dieser Verkündigung istnicht Verchristlichung der Massen, Christianisierung
der Kultur, Schaffung christlicher Völker und Völkergruppen - dies wird erst in der Missionszeit
des kommenden, sichtbaren Gottesreiches der Fall sein [14] -, wohl aber, „aus ihnen ein Volk zu
nehmen für Seinen Namen“ (Apg. 15, 14)[15] und somit Schaffung eines neuen, übernationalen
Gottesvolkes. „Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier . . . , sondern allzumal
einer in Christo Jesu“ (Gal. 3, 28; Kol. 3, 11). Damit aber entsteht eine
offenbarungsgeschichtliche Dreiteilung (1. Kor.10, 32), zu Israel und den Weltvölkern tritt die
Gemeinde als das „dritte Geschlecht“ hinzu.

Was aber tut die Menschheit am Ende dieser Heilszeit?


Nachdem sie Jahrhunderte hindurch das Heilsangebot von Christus gehört hat, entscheidet sie
sich schließlich - für ihren Feind, den Antichrist! Ein gottgelöstes Kultursystem wird aufgebaut, in
dem führende Kulturvölker, politisch vereint, wirtschaftlich zentralisiert und
religiös-weltanschaulich gleichgeschaltet werden. Nur so ist es durchführbar, daß schließlichalle,
die Kleinen und die Großen, unter Androhung wirtschaftlichen Boykotts, zur Anbetung des Tieres
und damit zur Verleugnung des biblischen Offenbarungsglaubens gezwungen werden, „so daß
niemand kaufen oder verkaufen kann als nur der, welcher das Malzeichen des Tieres hat, den
Namen des Tieres und die Zahl seines Namens" (Off. 13, 17). Durch diese Vereinigung von
Politik, Geschäft und Glaube wird aber das antichristliche Weltsystem eine geradezu
ungeheuerliche, geistige Wiederholung des babylonischen Turmbaus, entsprechend einer
dreiseitigen Pyramide, an deren Spitze die geheimnisvolle Zahl des Tieres 666 steht.
Irgendwie wird das Kultursystem auch in besonderer Beziehung zu Rom stehen. Zugleich wird es
die Zusammenfassung aller gottfernen Weltarbeit der von Gott gelösten Völkerwelt sein, die
Gipfelung aller Weltreiche der Vorzeit, die Generalsumme aller Raubtierreiche der Weissagungen
Daniels. Deshalb wird die antichristliche Bestie auch als Löwe, Bär und Panther zugleich
dargestellt, und die Zahl seiner Hörner (7) ist die Gesamtsumme der Hörner aller vier Raubtiere
der Vision Daniels (Dan. 7, 2-8). Und wenn schließlich die Offenbarung vonzwei Tieren spricht
(Off.13,1-10) von denen das erste unverkennbar im Vordergrund steht, indem das zweite seine
ganze Aufgabe darin sieht, alle Ehre dem ersten Tier zuzuschieben, (Off.13,12) so eben deshalb,
weil das antichristliche Weltsystem zwei Hauptpersönlichkeiten erkennen lassen wird, die das
Ganze zu einem gleichsam leiblich-geistigen Höllenorganismus vereinheitlichen, denpolitischen
Führer und seinen religiös-weltanschaulichen Propagandaminister.

Das letzte Wort aber wird Christus haben. Durch die „Erscheinung Seiner Ankunft“ wird Er Seine
Feinde vernichten (2. Thess. 2, 8; 9; Jes. 11, 4.) und Sein Reich aufrichten.
Die Völker im sichtbaren Gottesreich

Das „Tausendjährige Reich“.

Als der in Herrlichkeit sichtbar erschienene Gottkönig wird Er dann sitzen auf Seinem Thron der
Herrlichkeit und richten alle Nationen der Erde. Sie werden vor Ihm versammelt sein, und Er wird
sie scheiden, wie ein Hirt die Schafe und die Böcke voneinander scheidet (Matth. 25, 31; 32). Die
Entscheidung, um die es geht, wird die Frage sein, wer von denen, die den Gerichtskatastrophen
entronnen sind, Eingang finden wird in das sichtbare Gottesreich, wer aber andererseits wegen
seines Verhaltens dem Gericht des Verderbens anheimgegeben wird (Matth. 25, 34; 46).

Die aber, die dann zum Gottesreich zugelassen werden, werden mit Segnungen überschüttet.
Dann werden die Völker als Völker sich bekehren,[16] und zum e r s t e n m a l in der
Geschichte wird es christliche Nationen und Kulturen im Sinne der Heiligen Schrift geben (Jes.
19, 19; 23; 25). Christus aber, dem gekrönten Menschheits-Gottkönig, wird allerorts Anbetung
dargebracht werden (Mal. 1, 11).

Die Segnungen des Alltags werden sein:

Innere Erneuerung der Völkerwelt (Zeph. 3, 9),


Friede unter den Nationen (Mich. 4, 3 ; 4),
Segnungen der Natur (Jes. 11, 6-8; Hos. 2, 23; 24),
soziale Gerechtigkeit (Jes. 11, 3; 4),
körperliche Gesundung (Jes. 35, 5; 6),
patriarchalisches Lebensalter (Jes. 65, 20),
erfolgreiche Berufsarbeit (Jes. 65, 21-23),
Auflösung zu riesiger Großstädte (Sach. 3, l0) -
Die Völker im letzten Aufruhr. Gog und Magog

Und doch. Auch hier erweist der Mensch, wenn die letzte und schärfste Probe kommt, sein
totales Versagen. Während der Zeit dieses sichtbaren Gottesreiches ist Satan im Abgrund
gefesselt gehalten: Off. 20, 2; 3. Zuletzt aber wird er losgelassen werden, damit auch auf diese
letzte Heilszeit die Probe des Erfolgs gemacht werden kann (Off. 20, 3 ; 7). Und was ist das
Ergebnis? - Nach tausendjährigem Genuß der Segnungen sichtbarer Gottesherrschaft
entscheidet sich die Menschheit für - den Teufel und zieht in hellen Scharen, unter Gog und
Magog, also unter japhetitisch-indogermanischer Führung, gegen Jerusalem, die Gottesstadt, zu
Felde (Off. 20, 8; vgl. 1. Mose 10, 2.).

Hierauf kann es nur e i n e Gottesantwort geben: Feuer fällt vom Himmel und verzehrt diese
gottfeindliche Menschheit. Auch die Erde, der Schauplatz dieser gesamten, menschheitlichen
Fehlentwicklung, wird aufgelöst, damit ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehe (Off. 20,
9-21).

Dies alles ist für den Menschen außerordentlich demütigend. Es beweist aber auch zugleich, wie
Gott Recht gehabt hat, daß Er für des Menschen Heil alle menschliche Kraft ausgeschaltet und
nur e i n e n Heilsweg bestimmt hat: Seine Gnade allein und das Kreuz von Golgatha.

Die Völker auf der neuen Erde

Auch auf der neuen Erde wird es noch „Völker“ geben (Off. 21, 24; 22, 2). Auch die erneuerte
Menschheit wird noch organische Gliederungen haben. Aber alles wird dann wundersam
zusammenklingen. Die himmlische Gottesstadt wird auf der neuen Erde sein (Off. 21, 10). In ihr
selber wird der Thron Gottes und des Lammes sein (Off. 22, 3), und um des Königs der
Herrlichkeit willen, der das Zentrum und Wesen alles himmlischen Lebens ist, werden die Völker
der neuen Erde in dieser vom Himmel herabgekommenen Gottesstadt ihre Hauptstadt und den
Mittelpunkt ihrer Anbetung sehen. „Die Nationen werden durch ihr Licht wandeln, und die Könige
der Erde bringen ihre Herrlichkeit zu ihr“ (Off. 21, 24).

7. Die Geschichte des Christus

Jesus Christus ist der erlösende Mittelpunkt der Heilsgeschichte. Er war der schöpferische
Urgrund schon der alttestamentlichen Offenbarung; denn Sein Geist war in den Propheten. Er
war, in geheimnisvoller Einheit mit Gott, Seinem Vater (Ps. 110, 1), der Gott schon der
israelitischen Geschichte, das Ziel des Gesetzes sowie aller Weissagungen in Tempeldienst und
prophetischer Verkündigung (Messiasprophetie, z. B. Jes. 53). Er war, als der „Löwe aus dem
Stamme Juda“ (Off. 5, 5) und der „Sohn Davids“ (2. Tim. 2, 8), die Wurzel und Krone des
davidischen Königshauses und somit Fundament, Inhalt und Sinn aller Heilsoffenbarungen schon
vor Seiner Menschwerdung.Und dann, in der „Fülle der Zeit“, ist Er Selber erschienen (Gal. 4, 4).
Als der „Stern aus Jakob“ (4. Mos. 24, 17) ist er in Bethlehem aufgegangen, als „Aufgang aus der
Höhe“ (Luk. 1, 78), als die personhaft erschienene Güte und Menschenliebe Gottes, unseres
Heilandes (Tit. 3, 4). Dies ist Seine erste Epiphanie, Sein Kommen zum Heil, zur Errettung der
Sünder, „um Sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Matth. 20, 28), angekündigt von
Johannes dem Täufer als Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt und hinwegnimmt (Joh. 1,
29).
Das Kreuz Christi als Heilsmittelpunkt aller Zeiten

Das Kreuz ist darum das Zentralereignis Seines Erdenwerkes. Es ist die Zentraltat Gottes in der
Erlösungsgeschichte des Universums überhaupt. Es ist die wunderbarste Offenbarung des
Retterwillens Gottes, „damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren werde, sondern das ewige
Leben habe“ (Joh. 3, 16; 17). Es ist, wenn auch nicht zeitlich, so doch innerlich-geistig der
Mittelpunkt der Menschheitsgeschichte.

„Jesus Nazarenus Rex Judaeorum" (INRI), d.h. Jesus von Nazareth, König der Juden - diese in
lateinischer, griechischer, hebräischer Sprache von ungläubiger Hand über das Kreuz gesetzte
Botschaft (Joh. 19, 19; 20) stand darum zugleich unter der Überwaltung des weltregierenden
Heilandgottes. Denn indem diese Inschrift in den drei Hauptsprachen der damaligen Weltkultur -
der Sprache des Staates, der Kultur und der Religion - über das Kreuz gesetzt war, war zugleich
ausgedrückt, daß der aus dem Volk Israel stammende Jesus von Nazareth zu allen Gebieten des
menschlichen Lebens in Beziehung steht, daß Seine Person und Sein Werk äußerlich und
innerlich aller Welt gilt.

In der Tat, wundersam sind die Wirkungen, die von Seinem Heilswerk ausgehen. Es ist, als wenn
mitten in allem Dunkel von Golgatha die Sonne aufgegangen ist und mit ihrem Glanz die ganze
Vergangenheit und die ganze Zukunft bestrahlt.

Die Auswirkungen des Urfalls Satans[17] können nur überwunden werden durch das Kreuz.
Darum reichen die Strahlen, die von Golgatha ausgehen, zurück in die Äonen der
vormenschlichen Urzeit.

Das an der Schwelle des verlorenen Paradieses dem gefallenen Menschen indirekt gegebene U r
e v a n g e l i u m vom Weibessamen und Schlangenzertreter (1. Mos. 3, 15) kann nur
geschichtliche Verwirklichung finden in dem Heilswerk des Gekreuzigten.

Daß Gott nicht verdammen, sondern begnadigen will, was Er in Seiner Bundesschließung mit N o
a h und durch die damals als Bundeszeichen festgesetzte, Himmel und Erde verbindende
Lichtbrücke des Regenbogens bezeugt hatte (1. Mos. 9, 12 ff.), wird auch erst ermöglicht durch
das Kreuz. Denn nur durch das „Blut des ewigen Bundes“ (Hebr. 13, 20) wird die Scheidewand
hinweggetan, die Gott und Mensch voneinander trennt, die Sünde, zu deren Abschaffung durch
Sein Opfer Christus erschienen ist (Hebr. 9, 26).

Die dem A b r a h a m gegebene Verheißung vom Segen für alle Völker,[18] Abrahams
Rechtfertigung allein durch den Glauben,[19] das Opfer von Morija (1. Mos. 22), der
Auferstehungsglaube des Patriarchen (Hebr. 11, 19) - dies alles empfängt auch erst volles Licht
durch die Heilstat des Gekreuzigten und Auferstandenen (vgl. Röm. 4, 23-25).

Und schließlich: Das ganze m o s a i s c h e Gesetz, seine sittlichen Forderungen, seine


gottesdienstlichen Einrichtungen, seine prophetischen Bilder und Messiasankündigungen würden
ewig dunkel und unverständlich bleiben, wenn nicht Christus gekommen wäre, als die Erfüllung
von Gesetz und Prophetie (Röm. 10, 4) und mit einem Opfer alle anderen Opfer beleuchtet,
erklärt und erfüllt und damit den mosaischen Gesetzes- und Tempeldienst für ewig abgeschafft
hätte.[20]

Aber auch die Zukunft steht unter dem Strahlenglanz der am Ostermorgen aufgegangenen
Heilssonne. Denn nun kann es eine G e m e i n d e geben, ein durch das Lösegeld des Blutes
des Sohnes Gotte erkauftes Eigentumsvolk,[21] dessen Heilsgrundlage, Kraft und Ehre allein das
Kreuz ist,[22] nämlich das Kreuz in Verbindung mit der Auferstehung (1. Kor. 15, 13-19), der von
Gott geschenkte Stellvertreter, der für uns starb und für uns lebt (Röm. 4, 25; 5, 10), der auf
Erden das Heil uns erwarb und vom Himmel her, durch Seinen Geist und Sein königliches
Hohespriestertum, uns das Heil zueignet und erhält. [23]

Nur so kann es auch ein sichtbares Gottesreich geben. Denn nur wenn die Sünde überwunden
ist, kann es eine erneuerte Menschheit geben. In jedem Fall gehört auch für Christus persönlich
die Krone zum Kreuz. Dieselbe Erde, die der Schauplatz Seiner Erniedrigung war, muß auch der
Schauplatz und Zeuge Seiner Erhöhung und Verherrlichung werden. Das gehört zur göttlichen
Rechtfertigung des Gekreuzigten vor aller Kreatur. So aber ist Christi Erscheinung in Herrlichkeit
durchaus Frucht Seiner Erscheinung in Niedrigkeit, und auch das Tausendjährige Reich steht
unter den Lichtstrahlen von Kreuz und Auferstehung.
Das dreifache Christussamt

Wunderbar ist die geschichtliche Entfaltung des Erlösungswerkes Christi. Deutlich entspricht
dieser Weg den drei Ämtern des Erlösers, dem Amt des Propheten, des Priesters und des
Königs.

Zuerst steht das Prophetentum im Vordergrund (5. Mos. 18, 15-19). Christus verkündigt in Leben
und Lehre den Willen Gottes und erweist Sich in der Himmelreichsbotschaft als ein Prophet
„mächtig in Worten und Taten“ (Luk. 24, 19).

Dann aber geht dieser Prophet an das Kreuz (Joh. 1,29) und wird Opferlamm und Priester
zugleich (Hebr. 9, 12; 14; 25). Aus dem Land der Lebendigen steigt Er hinab, um durch den Tod
den zunichte zu machen, der die Gewalt des Todes hat, den Teufel (Hebr. 2, 14).

Dann aber hat Gott Ihn auferweckt und erhöht (Phil. 2, 9). Er, der gestorben war, ist auferstanden
am dritten Tage, aufgefahren gen Himmel und ist nunKönig , sitzend zur Rechten Gottes, von
dannen Er kommen wird, um Sein Werk zu vollenden (Hebr. 2, 9; Off. 3, 21).

Das königliche Hohespriestertum Christi

In dieser Zeit - es ist die Haushaltung des Evangeliums und der Gnade - ist Christus im Himmel
Priester und König zugleich. Er verwendet Sich für die Seinen (Röm. 8, 34). Er ist ihr Sachwalter
bei dem Vater(1.Joh. 2, 1). „Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur
Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln“(Hebr. 8, 1). Er ist der Priester in Ewigkeit
nach der Ordnung Melchisedeks (Hebr. 7, 1-25). 18). Darum sehen wir im Glauben Jesum, der
ein wenig unter die Engel erniedrigt war, gerade um Seines Todesleidens willen mit Herrlichkeit
und Ehre gekrönt(Hebr.2,9).

Christi Ankunft (Parusie) und Erscheinung (Epiphanie)

Dabei ist aber dies Priestertum und Königtum des Hocherhöhten (Phil. 2, 9) nur dem Glauben
erkennbar. Er Selbst ist zunächst dem irdischen Auge unsichtbar. Darum muß auch dies noch
seine Entspannung erfahren. Christus muß wiederkommen und Sein Reich aufrichten. Aus
Seiner Abwesenheit muß Er heraustreten und Seine Anwesenheit (Ankunft, Parusie) bewirken.
Er muß Sein Volk zu Sich nehmen, Seine Feinde besiegen und in glanzvoller Erscheinung
(Epiphanie) Sich enthüllen und sichtbar machen (Off. 1, 7). Vor dem „Richterstuhl Christi“ muß Er
Sein Volk offenbar machen und ihr Erdenleben vor Seinem eigenen Antlitz - Kronen und Verlust
verfügend - in das Licht des Himmels rücken (2. Kor. 5, 10; 1. Kor. 3, 14; 15).

Der verherrlichte Christus und Seine verklärte Gemeinde

Dann müssen sie beide, der verherrlichte Christus und die vollendete Christusekklesia, für alle
Ewigkeit untrennbar beieinander bleiben (1.Thess. 4, 17). Darum erleben sie von nun an auch
alles gemeinsam: Er, der Sich zunächst nur in die „Luftregionen“ herabließ, um für die Seinen zu
kommen, wird nun mit den Seinen auf der Erde selbst erscheinen (1. Thess. 3, 13), um dann,
während des sichtbaren Gottesreiches - mit ihnen vereint - vom Himmel her über die Erde zu
regieren. Zuletzt aber wird dieses hineinmünden in die Ewigkeit. Auf der neuen Erde und in dem
auf diese herabgekommenen himmlischen Jerusalem wird Christus dann regieren als
Throngenosse des Vaters (Off. 22, 1), und die Seinen werden bei Ihm sein und Seine Herrlichkeit
teilen (Joh. 17, 24; Röm. 8, 17). Sie werden mit Christus regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit (Off.
22, 5; 2. Tim. 2, 12).

8. Das gegenwärtige, völlige Heil in Christus

I. Der Heilsmittler

Jesus ist, als der Christus, die Erfüllung des Alten Testaments (Christus = Messias = Gesalbter).

Als Träger des Vollmaßes des Geistes Gottes (Apg. 10, 38) ist Er die personhafte
Zusammenfassung der drei Hauptsalbungsämter des Alten Bundes. Er ist Prophet, Priester und
König zugleich. Hierbei bezieht sich Sein dreifaches Christuswerk auf alle drei Seelenkräfte des
Menschen.

Durch die Sünde war das Verderben des Menschen total. Sein Verständnis war verfinstert, sein
Wille böse, sein Gefühl unglücklich.

Als Prophet bringt nun Christus die Erkenntnis und erlöst das Verständnis des Menschen aus den
Banden der Finsternis.

Als Priester bringt Er das Schuldopfer dar, tilgt - zusammen mit der Schuld - auch das
Schuldbewußtsein des Menschen und bringt seinem Gefühl zugleich den Jubel der
Sündenvergebung und die Seligkeit der Gottesgemeinschaft.

Als König richtet Er Seine Heilsherrschaft auf, unterstellt den Willen des Menschen Seinem
eigenen, göttlichen, heiligen Willen und befreit damit den Willen des Menschen aus der Sklaverei
des Sündendienstes.

So entspricht Sein dreifaches Amt den drei Seelenkräften des Menschen, und, wie die Sünde
einst total gesiegt hatte, so hat Christus der Erlöser, als Prophet, Priester und König, nun total
triumphiert.

II. Das Heilsgeschenk

Auf der Grundlage dieser allgenugsamen Heilandstat kann es nun ein Leben in Reichtum und
Freude geben. Der Gläubige ist aus dem Abgrund der Sünde auf die Felshöhe des Heils
gebracht (Ps. 40, 2; 3). Er ist aus dem Höllenkerker der Gottesferne „in himmlische Örter“
versetzt (Eph. 1, 3; 2, 6). Er, der Rebell, ist vom Himmelskönig begnadigt worden und unter die
Edlen des Landes gebracht (Ps.16,3). Ja, er ist zum Glied der Königsfamilie geworden (Röm. 8,
15) und soll einst mit Christus, dem Sohn Gottes, regieren in alle Äonen der Ewigkeit (Off. 22, 5;
1. Kor. 6, 2; 3; Luk. 12, 32).

Welch ein Heil! Sollte das nicht immer wieder unsere Herzen zum Jubel veranlassen? Sollten wir
nicht da in freudiger Dankbarkeit unser Leben Ihm zu Füßen legen, Ihm uns ganz hingeben und
willig und gern bemüht sein, Ihn zu verherrlichen?

Reich gemacht in Christus, ist praktische Verwirklichung dieses Reichtums nun unsere Pflicht.
Dies ist unsere Aufgabe und unser Vorrecht zugleich. Erlöste müssen erlöst leben. Heilsträger
müssen geheiligt wandeln. Die den Himmel besitzen, müssen himmlisch gesinnt sein.
III. Das praktische Heilserleben

Zu einem Überwinderleben sind aber ganz bestimmte geistliche Voraussetzungen erforderlich.


Nur der Christ, der diesen entspricht, wird seines vollen Heils recht gewiß und in der Heiligung
bewährt sein. Wir nennen einige der wichtigsten Grundbedingungen solcher inneren
Geisteshaltung.

1. Der Glaube an das vollbrachte Werk Christi. Uns müssen einmal die Augen aufgehen, wie total
Christus gesiegt hat. Erst dann gibt es ein frohes Siegesleben in unserer Erfahrung. Wir
brauchen uns nicht abzuquälen, um unsere Heiligung selbst zu bewirken. Wir kämpfen eben
nichtzum Siege hin, sondern vom Siege her.
In Sonderheit müssen uns die Augen aufgehen über die Höhe der Gnadenstellung, die wir in
Christus empfangen haben. Wir sind „Auserwählte, Heilige, Geliebte“ (Kol. 3, 12). Wir sind
„Tempel des Heiligen Geistes“ (1. Kor.6,19; Eph. 2,21). Wir sind „Söhne“ des Allerhöchsten (Gal.
4, 6; 7). Christus, der Erstgeborene, schämt Sich nicht, uns Seine Brüder zu nennen (Röm. 8, 29;
Hebr. 2, 11).

Dies Wissen um die hohe Gnadenstellung macht uns nicht hochmütig, sondern von Herzen
dankbar und damit hingegeben und gottgeweiht.

Wem aber diese Schau in die frei geschenkte Gnadenfülle fehlt, wird nie seines Heils froh. Er
bemüht sich in eigener Kraft, erlebt Niederlage um Niederlage, gibt am Ende den Kampf vielleicht
gar auf, und - die Sünde hat praktisch den Sieg davongetragen. Darum ist geistgewirktes
Schauen des vollen Heils in Christus eine entscheidende Voraussetzung für alles wahre,
praktische Heilserleben.

2. Glaube und Hingabe. Glaube ist nicht nur Bejahung der Lehre, sondern zugleich praktisches
Ja des Lebens. Glauben ist, wie Luther sagt, „Leben in Gott“.

Hier aber hängt alles von der Ganzheit einer solchen Hingabe ab. Nur g a n z hingegebene
Christen sind g a n z glückliche Christen. Viele Christen beten um Hingabe - „Herr, gib mir völlige
Hingabe“ -, aber sie übersehen dabei, daß sie in dieser Weise ganz falsch beten. Denn sie bitten,
daß Gott etwas tun solle, was Er gerade von i h n e n erwartet! Die Hingabe istunsere
Verantwortlichkeit. Wir haben zu sagen: „Herr, ich weihe mich Dir“ - und es auch wirklich zu tun!
Dann werden Seine Siegeskräfte in unser Leben hineinströmen, und die Freude des vollen Heils
wird in uns überströmend sein.

3. Hören auf Gottes Wort. Vernachlässigung der Bibel bedeutet Vernachlässigung unseres
eigenen Innenlebens. „Unkenntnis der Heiligen Schrift ist Unkenntnis Christi“ (Hieronymus). Wie
du mit Gottes Wort umgehst, so geht Gott mit dir um. Durch das geschriebene Wort kommt Gott
zu uns, und sein Geist begleitet Sein Wort. Es erweitert unseren Gesichtskreis und zeigt uns
Gottes Reichtum. Sein Wort gibt heilige Gegenstände für unser Denken und Sinnen, es erfüllt
unser Streben mit edlen Zielen, und wer auf Gottes Wort hört und sich freudig unterordnet, wird
erleben:Wenn der Mensch horcht, redet Gott. Wenn der Mensch gehorcht, handelt Gott. 4. Treue
im Kleinen. „Wer im Geringsten treu ist, ist auch in Vielem treu“ (Luk. 16, 10). Nur wer sich im
Kleinkampf des Alltags bewährt, wird erstarken und immer mehr in ein Siegesleben
hineingelangen. Treu sein aber heißt: es genau nehmen im Kleinen, und zwar auch dann, wenn
niemand es sieht. Wer treu sein will, ist sich der ständigen Gegenwart Christi bewußt. Auch
kleine Dinge sind groß, wenn Gott darin ist. Darum verachte nicht den Alltag. An deinem Siegen
oder Nichtsiegen in den kleinen Belastungsproben des Alltags wird es sich entscheiden,
inwieweit das volle Heilserleben dein praktischer Besitz ist.
5. Gebetsleben. Wer haben will, muß beten. Wer aber nicht betet, empfängt nichts (Jak. 4,2).
Untreue im Gebetsleben bedeutet freiwilligen Verzicht auf den Sieg. Nur in der Gegenwart Gottes
fließen die lebendigen Heilsquellen. Willst du also glücklich sein, so werde ein Beter. Gott teilt
Seine Gaben nur unmittelbar vor Seinem Thron aus. Er übersendet niemals ein „Fern-Geschenk“.
Praktisches Heilserleben gibt es nur vor Seinem Angesicht.
6. Zeugenmut. Wer Sieg haben will, muß Zeuge sein. „Sie haben ihn (den Satan) überwunden
durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses“ (Off. 12, 11). Wer Christus
bekennt, wird innerlich stark. Im Sturm wachsen die Wurzeln des Baumes um so tiefer. Durch
mutiges Bekennen werden die Fronten geklärt, Jüngerschaft und Welt voneinander abgegrenzt,
die Entschiedenheit und das Verantwortungsbewußtsein des Nachfolgers Jesu gesteigert und der
ganze, innere Mensch aktiviert und auf Christus ausgerichtet. Darum gehört Bekennermut zu den
praktischen Grundvoraussetzungen vollen Heilserlebens.

7. Freudiges Rechnen mit der Gegenwart Christi. Verwirkliche die Gegenwart Jesu in deinem
Leben. Denke daran: Wo du bist, ist auch Er. Er sieht jede Situation. Er kann dir täglich und
stündlich helfen. Er ist der Immanuel, der „Gott mit uns“. Die Gnade ist erschienen. (Tit. 2, 11.)
Was wir brauchen, ist das praktische Rechnen mit der Wirklichkeit der Gegenwart des Heiligen
Geistes stets heute und hier.

Völlige Hingabe an den Herrn, Befreiung nicht nur von der Schuld, sondern auch von der Macht
der Sünde: Was sind das alles doch für himmlische Lichtstrahlen, die in die Herzen der Erlösten
hineinzuleuchten vermögen.

Zu den Dichtern des edelsten Liedgutes der Gemeinde Gottes deutscher Zunge gehört der
Lutheraner Martin Rinkart, der Ambrosius der evangelischen Kirche, der Dichter des LiedesNun
danket alle Gott , das man als das deutsche Te deum bezeichnet hat (1586-1649). Dieser Mann
Gottes hat in heldenmütigem Einsatz in den Tagen der Pest und allerschwerster Hungersnot im
Dreißigjährigen Krieg seinem Herrn und seiner Gemeinde gedient. Er hatte einen Siegelring mit
der Inschrift: M u s i c a. Martin Rinkart gab diesem Wort seine besondere Deutung: M - V - S - I -
C–A

MEIN VERTRAUEN STEHT IN CHRISTUS ALLEIN!


Und ist dies nicht in Wahrheit die Erfahrung aller geheiligten Menschen Gottes? Ist es nicht so,
daß, wo Vertrauen auf Christus vorhanden ist, auch triumphierende, Freude die Seele erfüllt (Kol.
3, 16; Eph. 5, 19)?

- Nichts hab' ich zu bringen. Alles, Herr, bist Du! -

9. Die Gemeinde des lebendigen Gottes

„Es ist vollbracht!“ (Joh. 19, 30.) Dies ist das gewaltigste Wort, das je auf dieser Erde gesprochen
worden ist. Es war der triumphierendste Siegesruf, ausgerufen in der Stunde scheinbarer
katastrophalster Niederlage. Es ist der schöpferische Quellpunkt einer gottgeschenkten
Botschaft, die in die Menschheit hinausgeht.

Damit aber tritt zugleich etwas völlig Neues an das weltanschauliche und religiöse Denken der
Menschen heran. Alles rein menschliche, religiöse Denken und Handeln ging von den Kräften
des Menschen aus, von seinem geistigen, willensmäßigen, moralischen Streben. Darin liegt, bei
aller Verschiedenheit im einzelnen, das Gemeinsame aller heidnischen Religionen. Jetzt aber
wird dies alles beiseitegesetzt. Der Ausgangspunkt alles Heils liegt nicht unten, sondern rein
oben. Es ist Gott, der alles schafft. Alle menschliche, moralische Aktivierung ist Fehlentwicklung.
Das Heil muß rein Gabe und Geschenk, Offenbarung unverdienter Gottesliebe, ebenGnade sein.

Die Gemeinde als Neuschöpfung Gottes

Dieses himmlische Neuschöpfungswerk war eine göttliche Notwendigkeit. Denn durch die Sünde
ist der alte Mensch restlos verdorben. Weil der Mensch nicht ein Stein, sondern ein geistiger
Organismus ist, arbeitet er das Böse, sobald es einmal in ihn eingedrungen ist, ganz von selbst in
alle Teile seines Wesens hinein. Aus dem Organismuscharakter der menschlichen Persönlichkeit
ergibt sich, beim Eintritt der Sünde, ganz von selbst sein desto tieferer Fall. Die Sünde ergreift ihn
radikal, zentral und total, das heißt, seiner Wurzel, seinem Mittelpunkt, seinem Gesamtumfang
nach. Er ist gebunden und verloren, verkauft und versklavt (Röm. 7, 14).

Darum muß er eine Neuschöpfung werden, und es kann nicht genügen, daß er nur eine
Wendung vollzieht, sich von sich aus „bekehrt“ und eine neue, sittliche Lebensrichtung praktisch
erstrebt. Nein, mit der Buße und der Hinwendung des Menschen zu Gott muß ein schöpferischer
Akt von seiten Gottes verbunden sein. Der sich zu Gott wendende Mensch muß durch das
Wunder derWiedergeburt in dem Kern seiner Persönlichkeit umgeschaffen werden. Nicht nur
seine Handlungen und sein Leben, nein, er selber muß neu werden (Joh.3,7). Dem
Fleischesorganismus der Verlorenen muß, durch göttliche Lebenszeugung, ein
Geistesorganismus von Erlösten gegenübergestellt werden…

Dies aber kann nur durch ein Werk Gottes bewirkt werden; denn wo es auf ein schöpferisches
Tun ankommt, kann nur der Schöpfer persönlich handeln. Weder Engel noch Erzengel haben
schöpferische Kräfte.

Darum ruht die Gemeinde auf göttlichem Grunde, und unser Glaube darf erkennen: Die Sendung
des Sohnes, die Übernahme des Erlösungswerkes durch eine Person der Gottheit Selbst, ist
nicht nur ein Beweis der Unendlichkeit Seiner Liebe (Joh.3,16; Röm.5,8), sondern zugleich auch
ein Ausfluß einer innergöttlichen Notwendigkeit. Damit aber wird die Ekklesia
sofortSohnesgemeinde . Sie lebt vom Werk des Sohnes; ihr göttliches Haupt ist der Sohn; ja, im
Sohne ist sie zur Sohnschaft bestimmt (Eph.1,5; 1.Kor.1,9).

Die Gemeinde als Christusgemeinde.

Die Menschen, die daran glauben, gehören einer vollständig neuen Welt an. Ihr Lebenselement
ist der Erlöser Selbst (Phil. 1, 21), ihre Siegeskraft Seine Gnade (1.Kor.15,10), ihr Ruhm Sein
Kreuz allein (Gal.6,14; 1.Kor.2,2). Glauben heißt „im Empfangenen leben“. Und weil sie alle an
das gleiche Lebenszentrum, Christus, organisch angeschlossen sind, bilden sie auch
untereinander eine Lebenseinheit, sinde i n Organismus, vom gleichen Christusgeist durchströmt
(1.Kor.12,13). Die Gemeinde ist „in Christus“.

Dies stellt das Neue Testament durch das Bild des „Leibes“ dar. Dies Bild zeigt, wie kein
anderes, die Fülle des neutestamentlichen Gnadenreichtums.

Die Gemeinde ist Sein Leib (Eph. 1, 23). Sie wird beherrscht von Seinem Willen; denn das Haupt
ist der Wille des Leibes (Kol. 1, 18). Sie steht in allen ihren Gliedern in unmittelbarer Beziehung
zum Haupt (Kol. 2, 19). Aus dem Haupt empfängt sie ihre Kraft. Aus dem Haupt wächst sie ihr
Wachstum (Eph. 4, 16). Vom Haupt wird sie bewahrt. Christus, das Haupt, ist „des Leibes
Heiland“ (Eph. 5, 23).

Mit der Christusgemeinde tritt ein völlig neuer Menschheitstyp in die Geschichte ein (Eph. 2, 15),
in dem nun auch alle früheren Unterscheidungen (Gal.3,28; 1.Kor.7,19) erlösungsgeschichtlich
ihre Gültigkeit verloren haben (2.Kor.5,16). „Da ist nicht Grieche und Jude, Sklave und Freier,
sondern Christus alles und in allen“ (Kol. 3, 11)… Die Gemeinde ist auch eine
prophetisch-lebendige Vorausdarstellung des großen Zieles der Erlösung: „Siehe da, die Hütte
Gottes bei den Menschen“ (Off. 21, 3).

„Geheimnisse“ der Erlösung in der gegenwärtigen Gemeindezeit

Drei Hauptpersönlichkeiten haben in der nun folgenden Apostelzeit die Wahrheit vom völligen
Heil in Christus in Israel und der Völkerwelt vorwärts getragen: Petrus, Paulus, Johannes. In
dieser Reihenfolge treten sie in der apostolischen Zeit hintereinander als die Hauptführer hervor.
Zuerst Petrus, beginnend in Jerusalem (bes. Apg. 2-12), dann Paulus von Antiochia aus in der
Völkerwelt (bes. Apg. 13-28; 1. Tim. 2, 7), zuletzt Johannes, besonders in Ephesus und den
Gemeinden West-Kleinasiens (vgl. Off. 2 und 3). Petrus, der Mann hoffender Zuversicht (vgl. 1.
Petrusbrief), Paulus, der Herold des Glaubens, und Johannes, der Apostel der Liebe. So leuchtet
sofort in diesem Dreigestirn bedeutendster apostolischer Führerpersönlichkeiten gleich im
apostolischen Zeitalter, in geradezu geschichtlicher Entfaltung, die hohe, sittliche Dreieinheit
christlichen Heiligungslebens hervor: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ (1.
Kor. 13, 13).

Keinem Propheten und Heiligen des Alten Bundes ist je dieser wundersame Geistesorganismus
durch göttliches Weissagungswort vollständig und klar angekündigt worden (Eph. 3, 5, vgl. Matth.
13, 17). Daß Gott, gerade in der Zeit nach der Verwerfung des Messias durch das ungläubige
Israel, einen so großartigen, weltumfassenden Ewigkeitsplan zur Durchführung bringen würde,
war ein „Vorsatz“, der von den Äonen her verborgen war in Ihm Selbst (Eph. 3, 9), ein Geheimnis,
das von den Zeiten der Zeitalter her verschwiegen war (Röm. 16, 25). Nun aber kommt es in der
neutestamentlichen Zeit zu einer Offenbarung der „Geheimnisse des Reiches Gottes“ (Matth. 13,
11). Die Lebens- und Liebesbeziehung zwischen Christus und den Seinen (Eph. 5, 31), die
unterschiedslose Einheit in der Gemeinde zwischen den Gläubigen aus Israel und denen aus den
Nationen (Eph. 3, 1-6; 2, 11-22), die Innewohnung Christi als Hoffnung der Herrlichkeit (Kol. 1,
27), die Entrückung und Auferstehung und die Verwandlung zu geistleiblicher Vollendung (1. Kor.
15, 51), die Wiederannahme Israels nach dem Gericht der Verstockung (Röm.11, 25) - dies alles
sind „Geheimnisse“ des göttlichen Heilswillens, die Er den Seinen zur Bezeugung und
Verwaltung anvertraut hat.

Die Gemeinde als Missionsgemeinde. Die sieben goldenen Leuchter

Mit der Botschaft vom vollen Heil ist die Gemeinde in die Welt gegangen. Zeuge von Christus zu
sein, ist ihr hoher Beruf hier auf Erden (Apg. 1, 8). Darum werden sie „Himmelslichter“ genannt,
die in der Dunkelheit der Welt scheinen (Phil. 2, 15), eine „Stadt auf dem Berge“, die nicht
verborgen bleiben kann (Matth. 5, 14-16), sieben goldene Leuchter (Off. 1, 12), in deren Mitte die
sonnenhafte Lichtgestalt des verklärten Christus ist (Off. 1, 13; 14; 16b). Darum soll Christus und
Sein Kreuz das Thema ihres Lebens sein, und es muß eine jedermann klar erkennbare Wahrheit
sein: „In Wort und Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen“.

Damit aber wird die Gemeinde zugleich auch Missionsgemeinde. Durch sie soll die gar
mannigfaltige Weisheit Gottes kundgemacht werden (Eph. 3, 10), und ist gleichsam die
Fortsetzung der Menschwerdung Christi auf Erden. Sie lebt durch den Geist Sein Leben hier
unten weiter. Sie ist nicht nur „in Christus“, sondern Christus ist auch „in ihr“ (Kol. 1, 27).

Warum treiben wir Mission? Wir treiben Mission, weil Jesus Christus der einzige Retter der Welt
ist. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als nur durch
mich“ (Joh. 14, 6). Aus der Einzigkeit der Erlösung in Christus ergibt sich ihre allumfassende
Weltgeltung und die unabweisbare Verpflichtung der Gemeinde, diesen einen Heiland aller der
ganzen Menschheit bekannt zu machen.

Wir treiben Mission, weil Christus es befohlen hat. Mit Recht spricht man von einem
Missionsbefehl Das Evangelium wird „nach Befehl des ewigen Gottes“ kundgemacht (Röm. 16,
26).

Wir treiben Mission, denn: Mission ist Dank für Golgatha.

Weltumfassend ist der Missionsauftrag, den Christus den Seinen gegeben hat. Viermal kommt im
Missionsbefehl das kleine Wörtchen alle vor und zwar jedesmal in einer neuen Beziehung (Matth.
28, 18-20).

„Mir ist gegeben »alle« Gewalt.“ - Dies ist die Grundlage der Mission. Ohne Christus, den Sieger,
wäre das Missionswerk schon längst verloren. Aber Sein Sieg ist auch unser Sieg.

„Lehret sie bewahren »alles«, was ich euch geboten habe." - Dies ist der Inhalt der Mission. Wir
bringen der Welt das ganze Wort Gottes, den ganzen Heiland, das ganze Heil.
„Und siehe, ich bin bei euch »alle« Tage." - Dies ist die Verheißung der Mission. Der König
sendet nicht nur aus, sondern geht Selbst mit Seinen Streitern mit. Darum ist Seine Gegenwart
ihre Siegeskraft.

Damit aber tritt sie in Gegensatz zur Welt. Das Licht wird von der Finsternis gehaßt. Die Botschaft
der Gemeinde wird abgelehnt und verachtet. Ja, zuweilen sieht es fast so aus, als ob die Heiligen
die Unterliegenden seien.

Die Gemeinde als Hoffnungsgemeinde

Darum muß diese Spannung eines Tages ihre Auflösung erfahren. Christus wird wiederkommen
und Seine Gemeinde zu Sich nehmen. Mit Anwendung göttlicher Kraft (1. Thess. 4, 16) wird Er
Sein Volk zu Sichhinrücken (V. 17), und der Triumphator wird Sich mit Seinen siegreichen
Kämpfern für ewig glorreich vereinen. (1.Thess.4,17; Joh.14,3.34) „Wo ich bin, da wird auch mein
Diener sein. Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren“ (Joh.12, 26). Die Ekklesia ist
eine Hoffnungsgemeinde; sie ist ihres Sieges gewiß…

Von ihrer Entrückung an (1. Thess. 4, 17) wird die Gemeinde untrennbar mit Christus verbunden
sein. Sie wird mit Ihm erscheinen bei der Aufrichtung Seines Reiches. (Kol.3,4; 1.Thess.3,13) Sie
wird mit Ihm regieren in der Zeit der sichtbaren Gottesherrschaft. „Wisset ihr nicht, daß die
Heiligen die Welt richten werden?“ (1. Kor. 6, 2; 3.) „Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es
ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben“ (Luk. 12, 32).
10. Die „Tage“ Gottes

Golgatha ist Zeitenwende, Weltwende, Anbruch einer Zeit, in der eine völlig neue Welt entsteht.
Vom Kreuzessieg Christi und Seinem Triumph am Ostermorgen geht eine Entwicklung aus, die,
durch Jahrtausende hindurchschreitend, zuletzt einmündet in die ewige Weltverklärung. Alle
diese Zeiten sind von dem Gott der Heilsgeschichte durchwaltet und sind darumGottesstunden
und Gottestage.

Im Wesentlichen erscheint die neutestamentliche Heilsentfaltung bis in die Ewigkeit hinein als ein
Ablauf von drei großen Gottestagen, dem Tag des Heils (2. Kor. 6, 2), dem Jüngsten Tag (Joh. 6,
39; 40) und dem Tag Gottes (2. Petr. 3, 12).
1. Der „Tag des Heils“ (2. Kor. 6, 2)

Das ist die Heilszeit, in der wir gegenwärtig leben. Durch Wort Gottes und Geist Gottes wird der
Menschheit die Botschaft der Gnade angepriesen, das Geschenk einer freien Erlösung. Darum
spricht der Herr: „Zur angenehmen Zeit habe ich dich erhört, und am Tage des Heils habe ich dir
geholfen. Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor. 6, 2).
DieserGnadentag wird seinen Abschluß finden, wenn die Vollzahl der Nationen eingebracht und
die Gemeinde vollendet ist (Röm. 11, 25).

Rückwärts schauend ist diese neutestamentliche Heilszeit das Ziel der alttestamentlichen
Vorentwicklung. Darum ist Christus das Endziel aller Jahrtausende vor der Zeitenwende. Mit
Seinem Erscheinen ist darum dieEndzeit (d.h. Ziel-Zeit) gekommen. Dies ist eine organische
Zusammenschau von Weissagung und Erfüllung, die das urchristliche Denken dahin gebracht
hat, schon die ganze neutestamentliche Heilszeit gleich von Christierstem Erscheinen ab als
Endzeit, als letzte Tage zu bezeichnen. So rechnet Petrus in seiner Pfingstpredigt schon das
Pfingstereignis in Jerusalem zu den letzten Tagen (Apg. 2, 17). So kann der Hebräerbrief
erklären, daß Gott in dem Menschgewordenen „in dieser Endzeit“ geredet habe (Hebr. 1, 1), und
so kann Paulus sagen, daß auf uns, die Christusgemeinde, die Endpunkte der vormessianischen
(vorchristlichen) Äonen gekommen sind (1.Kor.10,11). Nach urchristlicher Überzeugung beginnt
eben mit der Menschwerdung Christi die Endzeit (1.Joh.2,18; Hebr.1,1). Sein erstes Erscheinen
ist der Anfang des Endes, und mit Seinem zweiten Erscheinen beginnt das Ende des Endes.
Zuletzt aber wird der Abschluß dieser Endzeit kommen. Auch dieses vollzieht sich in einer
gewaltigen, einen langen Zeitabschnitt umspannenden Entwicklung. Diese ganze Zeit vom
Abschluß des gegenwärtigen Zeitalters bis hin zum Eintreten der Weltvollendung nennt die
Heilige Schrift wiederum einenTag, nämlich den letzten (jüngsten) Tag.
2. „Der Jüngste Tag“

Der Ausdruck jüngster (letzter) Tag findet sich in der Schrift vornehmlich im Munde Jesu (Joh. 6,
39; 40; 44; 54; 12, 48) und gelegentlich auch Seiner Umgebung (Joh. 11, 24). Hierbei bedeutet
jüngster Tag, wie Luther übersetzt, dasselbe wie letzter Tag, wie ja in einer Familie der jüngste
Sohn der zuletzt geborene Sohn ist. Das genaue griechische Wort heißtletzter Tag.
Zu den Ereignissen des Jüngsten Tages gehört, nach den Worten Jesu, die Auferweckung derer,
die der Vater zum Sohn gezogen hat (Joh. 6, 44) und die an den Sohn glauben und ewiges
Leben haben (Joh. 6, 40; 54). Ebenso gehört das Gericht über die Verlorenen zum Jüngsten Tag
(Joh. 12, 48). Nun aber erklärt die Offenbarung Johannes, daß die erste Auferstehung, an der nur
Gläubige teilnehmen werden (Off. 20, 5; 6), zeitlich nicht mit der allgemeinen Auferstehung
zusammenfällt, ja daß das ganze Tausendjährige Reich und die darauf folgende kleine Zeit (Gog
und Magog) dazwischenliegt: „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen
gegeben, Gericht zu halten . . . , und sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.
Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die
erste Auferstehung. Glückselig, wer teilhat an der ersten Auferstehung“ (Off. 20, 4-6). Wenn aber
nun beide Auferstehungen, die erste und die allgemeine, nach den Worten Jesu, zum Jüngsten
Tag gehören, so folgt, daß dieser Tag kein Einzelereignis, sondern eine lange Periode sein muß,
die zum mindesten die Einleitungsereignisse des Tausendjährigen Reiches, dann dieses selbst
und schließlich die darauf folgende kleine Zeit und das allgemeine Weltgericht vor dem Großen
Weißen Thron mit umspannt. So ist also derJüngste Tag ebenso ein Gottestag wie der
gegenwärtige Tag des Heils, der ja gleichfalls bereits schon heute zahlreiche Jahrhunderte
umfaßt. „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ (2. Petr. 3, 8).

Nun aber gehören gerade die Glieder der Gemeinde zu denen, die der Vater zum Sohn gezogen
hat (Joh. 6, 44), die an Ihn glauben und darum ewiges Leben besitzen. Und gerade von diesen
sagt Christus, daß Er sie auferwecken werde am Jüngsten Tage. Dann aber muß auch
dieAuferstehung und die Entrückung der Gemeinde zu den Ereignissen des Jüngsten Tages
gehören und ebenso ihr damit gleichzeitiges Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi (2. Kor.
5, 10).

Den Zeitpunkt dieses Offenbarwerdens der Gläubigen vor dem wiedergekommenen Herrn nennt
Paulus immer wieder den Tag Christi (Phil.2,16; 1.Kor.1,8), wobei er an allen Stellen, an denen er
diesen Ausdruck gebraucht, ausnahmslos von dem spricht, was die letzte Endzeit richterlich für
die Gläubigen der neutestamentlichen Gemeinde bringt. Niemals gebraucht er in dieser
Beziehung den Ausdruck Tag des Herrn.

Der Grund ist folgender: Der Ausdruck Tag des Herrn ist die Wiedergabe des prophetischen
Ausdrucks Tag Jahwehs. Er wurzelt also in der alttestamentlichen Weissagung und hatte von hier
aus, schon seit Joel (2, 1; 2; 4, 14), einen ganz bestimmten Begriffsinhalt. Er bedeutet dieZeit und
Art des Kommens des Reiches Gottes und dieses selbst. Da aber das sichtbare
Herrlichkeitsreich, wegen der Sünden Israels und der Völker, durch schwerste Katastrophen und
Gerichtsoffenbarungen eingeleitet werden muß, bedeutet in der alttestamentlichen Weissagung
der AusdruckTag Jahwehs (des Herrn) dasselbe wie letzte Drangsalszeit, die als große Trübsal
(Dan. 12, 1) über Israel (Jer.30,7) und die Völkerwelt hereinbricht. Im Neuen Testament hat dann
Christus in Seiner Ölbergrede (Matth.24,16; 21; 29) und der Apostel Johannes im Buch der
Offenbarung Weiteres darüber ausgesagt (Off. 6-19). Gelegentlich hat auch Paulus davon
geschrieben (2.Thess.1,6-10; 2,2-12). Wenn aber Joel am Ende seines Weissagungsbuches
ausruft: „Getümmel, Getümmel im Tal der Entscheidung; denn nahe ist der Tag Jahwehs . . . ;
Sonne und Mond verfinstern sich“ (3, 14; 15), und wenn er dann im selben Zusammenhang
fortfährt: „Und es wird geschehen an jenem Tage , da werden die Berge von Most triefen . . . und
alle Bäche Judas werden von Wasser fließen“ (3, 18), dann ist klar, daß er den AusdruckTag des
Herrn nicht nur auf die düstere Gerichtszeit bezieht, sondern auch, was die Länge der Zeitdauer
betrifft, vornehmlich auf die Glanzzeit des sichtbaren Gottesreiches.

An zahlreichen Prophetenstellen wird das Herrlichkeitsreich auch schlechthin mit dem Ausdruck
jene Tage auf die alle Erwartung sich richtet und die so sehr Hauptthema aller Prophetie ist, daß
sie einer näheren Charakterisierung einfach nicht mehr bedarf. Es gibt eben nur e i n e Reihe
seliger Tage, die wahres Glück aus der Ewigkeit in die Zeit trägt, das sind jene Tage (Jer.3,16;
Joel 3,1; Sach.8,23). (Mehrzahl) bezeichnet, weil eben gerade dadurch diese Zeit in besonderer
Weise als das Ziel der Sehnsucht gekennzeichnet wurde, als jene Zeit,
Den Abschluß bildet dann das Endgericht, der Tag des Gerichts (Matth.10,15;11,22), an dem alle
vor Gott zu erscheinen haben, die nicht an der Entrückung der Gemeinde und der ersten
Auferstehung teilgenommen haben. Es ist das Schlußereignis des Jüngsten Tages, die letzte
Vergeltung für Menschen und Engel (Judas 6), die gewaltige Abrechnung vor dem Großen
Weißen Thron (Off.20, 11-15; 2.Petr.2, 9; 3,7; Röm.2, 5).

Damit ist das Endziel erreicht, und die Ewigkeit bricht herein. Diese wird in der Schrift bezeichnet
als

3. Der „Tag der Ewigkeit“, der „Tag Gottes“

Um ihn herbeizuführen, müssen die Himmel in Feuer geraten und aufgelöst werden und die
Elemente im Brande zerschmelzen (2. Petr. 3, 12). Dann ist aller Schauplatz der Sünde dahin,
und eine neue Welt steht da, die in Verklärtheit und Heiligkeit Gott Selber zu ihrem Mittelpunkt
hat (Off. 22, 3). „Auf daß Gott sei alles in allem“ (1. Kor. 15, 28). Und weil dieser Gottestag der
Vollendung nimmermehr enden, sondern in alle Äonen der Äonen fortdauern wird, nennt die
Heilige Schrift diesenTag Gottes eben zugleich auch Tag der Ewigkeit . Dies ist das Ziel, dem wir
entgegengehen. Darum gilt es, vorwärts zu eilen, zu erwarten die Ankunft des Tages Gottes.
„Wachset in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit,
jetzt und in Ewigkeit. Amen!“ (2. Petr. 3, 18).

11. Der Richterstuhl Christi und der Große Weiße Thron

Zwei große Haupt-Endgerichte weissagt die Heilige Schrift: das Offenbarwerden der Gemeinde
vor dem Richterstuhl Christi und das allgemeine Endgericht vor dem Großen Weißen Thron (2.
Kor. 5, 10; Off. 20, 11-15.) Beide liegen zeitlich weit auseinander. Zwischen ihnen liegt das
Tausendjährige Reich (Off. 20, 5).

Abteilungen und Ordnungen in der Auferstehung

Die weithin verbreitete Vorstellung vom Jüngsten Tage als einem Einzelereignis mit nur e i n e m
Auferstehungsgeschehen gleichzeitig für Gerechte und Ungerechte und nur e i n e r göttlichen
Endgerichtshandlung am Ende der Welt entspricht nicht der neutestamentlichen Prophetie.
Vielmehr spricht die Heilige Schrift von einerAuferstehung aus den Toten (Luk. 20, 3 5), einer
ersten Auferstehung (Off. 20, 6), ja einer „Ausauferstehung aus den Toten“ (Phil.3,11 wörtl.). Sie
spricht von Ordnungen innerhalb der Auferstehung und betont, daß diese durch zeitliche
Zwischenräume voneinander getrennt sind. „Gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie
in Christo alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling
Christus, danach die Christo angehören, wenn er kommen wird, danach das Ende (d. h. das
Ende der Auferstehung, nämlich der übrigen Toten (1.Kor.15,22-24)“.Zwar wurde im Alten
Testament alles beides - die Auferstehung zu ewigem Leben und die Auferstehung zu ewiger
Schmach und Schande - in einem Bilde zusammengeschaut (Dan. 12, 2; 13), desgleichen in den
Weissagungen des Herrn Jesu auf Erden (Joh.5,28; 29 vgl. Apg.24,15); aber beim Fortschreiten
der prophetischen Offenbarung (Joh. 16, 12; 13) traten diese beiden alszwei Haupthandlungen
auch zeitlich auseinander: die Auferstehung der Gerechten vor dem Beginn des Messiasreiches
und die allgemeine Auferstehung hinterher, am Ende der Welt. Der Schlüssel ist Off. 20, 5; 6:
„Diese (die Priester Gottes und Christi) lebten und regierten mit Christus tausend Jahre. Die
andern Toten aber wurdennicht wieder lebendig, bis daß tausend Jahre vollendet wurden. Dies
ist die erste Auferstehung. Glückselig, wer teil hat an der ersten Auferstehung.“
In Verbindung mit diesen Stufen der Auferstehung gibt es auch zwei verschiedene
Haupt-Endgerichte.

Der Richterstuhl Christi

Das erste ist das Offenbarwerden der Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi.[24] Dies geschieht
bei der Entrückung der Gemeinde, am Tage Jesu Christi [25] vor der Aufrichtung des sichtbaren
Gottesreiches. Hier wird der Wandel der Gläubigen in das Licht des Angesichts Christi gestellt,
und ein jeglicher wird empfangen, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder
böse (2. Kor. 5, 10), Verlust oder Gewinn (1. Kor. 3, 14; 15), Beschämung (1. Joh. 2, 28) oder
Ehre,[26] Verbrennen oder Bestand des Lebenswerkes (1. Kor. 3, 13; 15) - über dies alles wird
vor dem Richterstuhl Christi entschieden werden (Kol. 3, 24).

Nehmen wir es darum ernst! Wohl ist es wahr: Wer an den Sohn glaubt, ist vom Endgericht
befreit. Denn Christus, sein Bürge, hat an seiner Statt dies Gericht getragen (Jes. 53, 5; 12), und
er selbst ist durch den Glauben mit Ihm eins geworden. Aber ebenso ist es wahr und von
ungeheurer Tragweite, daß der Tag, an dem die Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi zu
erscheinen haben, „in Feuer geoffenbart wird“ (1. Kor. 3, 13). Paulus spricht geradezu von der
erschütternden Möglichkeit, daß ein Gläubiger, wenn auch persönlich errettet, dennoch so
Schaden leidet, daß er einem Menschen gleicht, der bei einem Brande nur mit dem nackten
Leben davonkommt (1. Kor. 3, 15). Möchten wir darum in praktischer Treue leben! Sie ist der
Maßstab, nach dem vor dem Richterstuhl Christi alles beurteilt werden wird. (1. Kor. 4, 2).

Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron

Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron ist dann das eigentliche, allgemeine Endgericht.
Nach dem Zeugnis der Offenbarung findet es erst ganz am Ende der Welt statt, also nach dem
Tausendjährigen Messiasreich und der darauffolgendenkleinen Zeit (Off. 20, 11-15).8) Es folgt
unmittelbar der Vernichtung der abgefallenen Menschheit des sichtbaren Gottesreiches (Gog und
Magog), dem allgemeinen Weltuntergang und der entscheidenden, letzten Besiegung Satans
(Off. 20, 7-10). Vor ihm haben alle zu erscheinen, die nicht schon vorher als Glieder der
Gemeinde vor dem Richterstuhl Christi offenbar geworden waren, also die allgemeine
Menschheit, einschließlich der Völker des Tausendjährigen Reiches. Unübersehbar folgenschwer
ist die Entscheidung. Die Schrift sagt: „Wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem
Buche des Lebens, wurde er in den Feuersee geworfen“ (Off. 20, 15).

So liegen zwischen diesen beiden Gerichten zahlreiche Jahrhunderte. Das eine gehört dem
Anfang, das andere dem Ende des Jüngsten Tages an. Dennoch haben beide für unsere
Botschaft schon Gegenwartsbedeutung.

Wer nämlich in dieser Heilszeit an Christus glaubt, wird als Glied der Gemeinde bei der
Entrückung vor dem Richterstuhl Christi nach seiner Treue beurteilt, hat Lohn oder Verlust und
wird von Christus, dem gerechten Richter, in den Herrlichkeitszustand versetzt, der ihm zukommt.
Über die Frage seiner Errettung ist nichts neu zu entscheiden. Denn wer an den Sohn glaubt,
kommt nicht als noch zu Beurteilenden vor den Großen Weißen Thron. - „Heute, so ihr meine
Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht!“ (Hebr 4, 7.)

12. Der Triumph des Reiches Gottes

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“ (1. Joh. 5, 4). Die ganze
neutestamentliche Heilsentfaltung ist ein gewaltiger Beweis für die Wahrheit dieses Wortes. Die
Sache Gottes geht nicht rückwärts, sondern vorwärts.

Der göttlich-übergeschichtliche Triumph. Die Selbstoffenbarung Gottes als des Heiligen Geistes,
des Sohnes, des Vaters
Nach vollbrachtem Erlösungswerk ist Christus gen Himmel gefahren. Seine Zeugen tragen die
Botschaft vom vollen Heil Gottes in die Menschheit hinaus. Ihre Anwesenheit in der Welt ist
zugleich sichtbare Vertretung ihres abwesenden Herrn (2. Kor. 5, 20). Christus Selbst aber ist
unsichtbar. (1.Petr.1,8; Röm.8,24; 2.Kor.5,7). Alles, was in der Jetztzeit im Reich Gottes
geschieht, wird durch das Wort Gottes und den Geist Gottes bewirkt. Es ist in besonderem Sinne
die Heilszeit der Wirksamkeit desHeiligen Geistes.

Darin aber liegt zugleich eine Spannung von ungeheurer Dynamik. Das geradezu rätselhafte
Geheimnis des gegenwärtigen Zeitalters ist das Nebeneinander von Offenkundigkeit des Reiches
Satans und Verborgenheit des Reiches Gottes, und das eben sogar noch heute, in der Heilszeit
nach Golgatha! Darum muß Gott einen Tag herbeiführen, an dem Er diese Spannung auflöst.
Dies ist der Sinn der Wiederkunft Christi. Christus wird sichtbar werden und Sein Reich
aufrichten. Statt Seiner Abwesenheit wird Er Seine Anwesenheit (Parusie, Ankunft) bewirken,
statt Verborgenheit Offenbarung (2.Thess.1,7), statt Unsichtbarkeit glanzvolle Erscheinung
(Epiphanie). Und dann wird eine neue Heilszeit anbrechen: die Zeit der sichtbaren
Königsherrschaft desSohnes Gottes.

Aber auch dies ist noch nicht das Endziel. Die Schrift sagt: „Er (Christus) muß herrschen, bis er
alle seine Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (1. Kor. 15, 25). Dann wird Er das Reich Gott
Seinem Vater übergeben, und auch der Sohn Selbst wird Dem unterworfen sein, der Ihm alles
unterworfen hat, auf daß Gott alles sei in allem (1. Kor. 15, 24; 28). Dann wird das eigentliche
Endziel erreicht sein: der ewige Zustand, das Reich Gottes des Vaters.

So trägt die neutestamentliche Heilsentfaltung deutlich ein trinitarisches Gepräge. Aus dem
Urgrund des göttlichen Wesens treten die göttlichen Personen immer klarer hervor, und die
Heilsgeschichte seit Golgatha wird zu einer stufenweise voranschreitenden Selbstoffenbarung
des großen Gottes, desHeiligen Geistes,Sohnes und des Vaters. des
Der allgemein heilsgeschichtliche Triumph - Die Entfaltung des Heils in Gemeinde, Völkerwelt
und verklärtem Universum

Das Ziel Gottes in der gegenwärtigen Heilszeit ist die Schaffung der neutestamentlichen
Gemeinde (Ekklesia). Aus allen Völkern heraus werden Menschen durch das Evangelium zu
Christus gerufen. Dies ist zweifellos ein gewaltiges Werk. Wenn einmal die Gemeinde in der
Vollendung vor Christus stehen wird, werden es Tausende mal Tausende und Zehntausende mal
Zehntausende sein; denn die Gemeinde des Neuen Testaments in ihrer Vollzahl ist die
Gesamtheit aller wahrhaft Christusgläubigen aus allen Ländern und Völkern vom Pfingsttage an
bis zur Parusie Christi. Verglichen aber mit den Milliarden der allgemeinen Menschheit ist ihre
Zahl nur gering. Es ist die „kleine Herde“, wie Jesus sie nennt. Dies ist gewiß kein Grund zum
Verzagtsein; denn Wahrheit bleibt Wahrheit, ganz unabhängig davon, ob sie von vielen oder von
wenigen erkannt wird, und gerade dieser „kleinen“ Herde hat Gott das ewige Reich verheißen
(Luk. 12, 32).

Dennoch aber schafft Gott in der Heilsgeschichte auch in dieser Hinsicht eine Ausweitung Seines
Heilsumfanges. Wenn Christus Sein Reich aufgerichtet hat, werden die Völker als Völker unter
die Segnungen Seiner Offenbarung gestellt werden, und Israel und die Völkerwelt in ihrer
Gesamtheit werden in den Strahlenkreis des Herrlichkeitsreiches gerückt sein. Dies ist
unverkennbar die Erwartung der alttestamentlichen Prophetie.[28]

So beweist auch der Werdegang innerhalb der Schöpfung, daß die Sache des Herrn ein
triumphierender Siegesgang ist. Nicht nur die Selbstoffenbarung Gottes, sondern auch die
Erlösungsgeschichte der Kreatur, also das Übergeschichtliche und das Heilsgeschichtliche, das
Ewige und das Zeitgebundene: sie beide bezeugen es gemeinsam, daß das Reich Gottes
triumphiert, daß also der Glaube der Sieg ist, der die Welt überwindet. Jesus ist Sieger.Dann
aber muß dies alles auch praktische Wirkungen für unser persönliches Leben haben.
Der Sieg Christi in der Rechtfertigung und Heiligung des einzelnen
In der Tat, jedesmal wenn eine Menschenseele sich Christus unterwirft und im Glauben Sein
vollbrachtes Heil ergreift (Apg. 26, 19), ist dies ein Sieg des erhöhten Christus durch Seinen Geist
(2. Kor. 2, 14). Und in dem Maße, wie sich dann in einem Leben praktischer Heiligung die
Auferstehungskräfte Christi lebendig wirksam durchsetzen (Phil. 3, l0), den ganzen Menschen
nach Geist, Seele und Leib für Gott ergreifen (1. Thess. 5, 23) und das Innen- und Außenleben
des Erlösten und doch im Glauben an Christus Gebundenen zu einem praktischen
Überwinderleben gestalten,[29] ist dies wiederum ein Beweis und eine Auswirkung dieser
allumfassenden Wahrheit: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“.

Zuletzt aber kommt die Vollendung.

Der volle Triumph in Auferstehung und Weltverklärung

Auch geistleiblich wird sich der Triumph des Reiches Gottes auswirken. Daher die Auferstehung
der Toten und die kommende Geistleiblichkeit (1. Kor. 15, 42-49). Daher - nach dem
Weltuntergang - die Verklärung des Universums (Off. 22, 1) und das Herabkommen der
himmlischen Gottesstadt (Off. 21, l0). Nur so vollendet sich der Sieg der Sache Gottes. „Wenn
aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit und dies Sterbliche wird anziehen die
Unsterblichkeit,dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist
verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? . . . Gott aber sei
Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus!“ (1. Kor. 15, 54-57).

So steht es denn da wie ein leuchtendes Motto der ganzen Erlösungsgeschichte von Ewigkeit zu
Ewigkeit, als Zeugnis göttlicher Kraft, als Ansporn zu freudiger Glaubenszuversicht, als
Verpflichtung zu praktischem Überwinderleben, als Bekenntnis lebendigen Zeugendienstes, als
Erwartung seliger Vollendung:

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

13. Satan - der Widersacher Gottes

Auch Satan hat seine Geschichte. Es ist die klare, eindeutig erkennbare Lehre der Schrift, daß
Satan keine abstrakte Idee, sondern eine konkrete, personhafte, übersinnliche Realität ist, ein mit
höchster Intelligenz begabtes, zwar gefallenes, aber nichtsdestoweniger überaus machtvolles
Geistwesen gerade seine Werke zu zerstören und die gefallene Schöpfung für Gott
zurückzugewinnen, war der Hauptsinn des Erlösungswerkes Christi (1. Joh. 3, 8). ...

- Aus Platzgründen ist der Beitrag Satan - der Widersacher Gottes - unter Gott und Menschheit
zu finden

14. Gottes Gesamtreichsplan

Alle diese gewaltigen Entwicklungen im Bereich des Göttlichen, Menschlichen und Dämonischen
gehören zur Geschichte des Reiches Gottes. DasReich ist das königliche Heilswirken Gottes zur
Durchführung Seines Schöpfungs- und Erlösungsratschlusses.Die sinngemäßeste Wiedergabe
des in der Heiligen Schrift hierfür gebrauchten, griechischen Wortes basileia ist darum mehr
Königsherrschaft als Königreich. [36] Es bedeutet weit mehr als nur königliche Herrschaftssphäre
oder Territorium. Es ist nichts Statisches, kein abgeschlossener Zeitabschnitt, sondern ein
fortlaufendes Handeln und Geschehen. Es ist das heilswirkende königliche Herrschen des
Rettergottes, Sein Reichsregiment als lebendige und machtvolle, im Verlauf vieler Haushaltungen
und Offenbarungsperioden in stets neuen Erscheinungsformen sich kundmachende Gottestat.
Somit ist Reich Gottes mehr als nur „Tausendjähriges Reich“. Schon die alttestamentliche
Gottesherrschaft in Israel war Reich Gottes, das dann später seinen bisherigen Besitzern, den
Juden, wegen ihres Unglaubens weggenommen werden mußte (Matth. 21, 43). Auch die
gegenwärtige Gemeindeheilszeit ist Reich Gottes, das zwar „im Geheimnis“ verborgen (Matth.
13, 11), aber dennoch kraftvoll vorhanden und wirksam ist.[37] Auch der ewige Zustand, die
letzte Vollendung, ist „Reich Gottes“, eben das „himmlische Reich“, für das die Erlösten bewahrt
werden (2. Tim. 4, 18).
Und weil dies alles vom Himmel her kommt, den Himmel in sich trägt und in Gott, als dem König
des Himmels, seinen schöpferischen Urgrund und seine herrschende Spitze hat, heißt
dieseKönigsherrschaft Gottes auch zugleich Königsherrschaft der Himmel . Denn wo Gott ist, da
ist der Himmel, und wo Er regiert, bringt Er den Himmel mit Sich. Darum ist die Botschaft von
Seiner Königsherrschaft zugleich „Evangelium vom Reich“, d. h. rettende Freuden- und
Heilsbotschaft, daß Gott König ist.

Von größter Bedeutung - namentlich für uns, die wir in dem gegenwärtigen Gemeindezeitalter
leben - ist darum am Schluß unserer Ausführungen über den göttlichen Erlösungsplan die Frage:
„In welchem Verhältnis steht die neutestamentliche»Gemeinde« zu diesem »Reich«? Nur kurze
Andeutungen können hier gegeben werden.
Das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zum gegenwärtigen Reich

Es ist ein mehrfaches. Wir denken hierbei an die gegenwärtige Erscheinungsform der
Königsherrschaft Gottes in ihrem geistlichen Vollsinn, an das Reich „im Geheimnis“, d. h. die
Königsherrschaft Gottes in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen des Herrn.
In diesem Sinne sagen wir:

Alle Glieder der Gemeinde gehören zum Reich, und alle wahren Bürger des Reiches gehören zur
Gemeinde. Wohl gehören zur Einflußsphäre des Reiches auch tote Bekenner (Matth.7, 21-23;
13, 41; 22, 11-14) und alle Auswirkungen des Christentums in Moral, Kunst, Kultur,
Gesetzgebung und Weltgeschichte; aber zum eigentlichen Reich selbst gehören nur die, die von
neuem geboren sind (Joh. 3, 3; 5). Diese aber sind in der Jetztzeit die Gemeinde. Darum ist die
stets auf der Erde lebende Gemeindegeneration zugleich die jeweiligeBürgerschaft des Reiches
Gottes in der betreffenden Geschichtszeit (Eph.2,19; Phil.3,20; Kol.1,13).

Ferner:

Die Gemeinde ist die Frucht des Reiches, d. h. das Ewigkeitsergebnis der Wirksamkeit der
gegenwärtigen Königsherrschaft Gottes in Christus durch Sein Wort und durch Seinen Heiligen
Geist. Denn indemdas Wort vom Reich - die Freudenbotschaft vom erlösenden Königsein des
Rettergottes - gepredigt und geglaubt wird, entsteht die Gemeinde (Apg. 20, 25; 28, 31). Die
Bekehrung ist, nach Paulus, ein Gehorsams- und Unterwerfungsakt (Apg. 26, 19), die
Evangeliumsverkündigung ein Buße–Gebieten.[38] Mit der Bekehrung und Wiedergeburt jedoch
vollzieht sich die Eingliederung des einzelnen in die Gemeinde und damit der Aufbau der
Gemeinde selbst.

Die Gemeinde in ihrer Vollendung ist dann die Gesamtheit aller derer, die zu allen Zeiten und an
allen Orten in der gegenwärtigen Gnadenzeit Christus als ihrenHerrn angenommen haben (1.
Kor. 12, 3) und somit aus der „Obrigkeit“ der Finsternis versetzt worden sind in das „Königreich“
(griech. basileia) des Sohnes Seiner Liebe (Kol. 1, 13). Das heißt also, die Gemeinde in ihrer
Ganzheit ist die Vollzahl aller Bürger der gegenwärtigen Reichszeit, die Summe aller
Glaubensgenerationen unter der gegenwärtigen Erscheinungsform der Königsherrschaft Gottes.

Was das geistliche Leben betrifft, so verhält sich die Gemeinde zur gegenwärtigen
Gottesherrschaft wie ein lebendiger Organismus zum Geist. Denn Gemeinde ist da, wo Christus
von erlösten Menschen als „Herr“ anerkannt wird. Die Königsherrschaft Gottes ist also das innere
Wesen der Gemeinde. Die Gemeinde ist der Organismus, in dem das königliche Herrschen
Gottes durch Seinen Heiligen Geist praktisch verwirklicht wird (1. Kor. 12, 3). Darum vergleicht
Paulus die Ekklesia auch mit einem Staatswesen (Phil. 3, 20). Die Erlösten sind einVolk (Apg. 15,
14), Mitbürger der Heiligen (Eph. 2, 19), ein Königreich von Priestern (1. Petr. 2, 9), und Paulus,
der besondere apostolische Bannerträger der Gemeindewahrheit (Eph 3, 1-l0), nennt seine
Mitarbeiter in der Gemeinde zugleich Mitarbeiter am Reiche Gottes (Kol. 4, 11). Und schließlich:

Die Gemeinde ist in der gegenwärtigen Reichszeit die Gesandtschaft des Reiches. Wir sind
„Gesandte für Christum“ (2. Kor. 5, 20). Die Gemeinde hat ihre himmlische „Obrigkeit“, d. h. Gott,
ihren Herrn, und Christus, in dessen „Königreich“ sie ist (Kol. 1, 13), hier im fremden Land zu
vertreten. Dies ist ihre Lebensaufgabe auf Erden.

So ist das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zur gegenwärtigen Erscheinungsform


der Königsherrschaft Gottes, der Hauptsache nach, ein vierfaches. Sie ist

ihren Personen nach die Bürgerschaft des Reiches,


ihrer Existenz nach die Frucht der Reichsbotschaft,
ihrem Wesen nach der Organismus des Reiches,
ihrer Aufgabe nach die Gesandtschaft des Reiches.

So steht hinter der ganzen Geschichte der Gemeinde die Autorität des Reiches Gottes. Mit dieser
königlichen Vollmacht vom König aller Könige ausgestattet (Matth. 28, 18-20), darf sie den
königlichen Heilsbefehl Gottes proklamieren (Apg.17,30; Röm.16,26), in der triumphierenden
Gewißheit: Der Herr aller Herren ist bei uns, …und einst werden wir den König sehen in Seiner
Schöne (Jes. 33, 17).

Das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zum ewigen Reich

Das Reich Gottes in seiner Erscheinungsform als Herrlichkeitsreich ist das


Herrschaftsbetätigungsgebiet der Gemeinde. „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten
werden?“ (1. Kor. 6, 2; 3.) „Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es ist eures Vaters
Wohlgefallen, euch das »Reich« zu geben“ (Luk. 12, 32). Die Gemeinde ist also der
„Regierungsstab“ des kommenden Reiches Gottes.

Und die Geheiligten in Christo werden das Reich „ererben“ (1 Kor.6,10; Eph.5,5; Gal.5,21). Sie
werden in dasselbe „eingehen" (Apg. 14, 22). Es ist ihr Wanderziel…, und es ist ihre Belohnung,
um dessentwillen sie in der Gegenwart leiden (2. Thess. 1, 5).

Damit steht die Gemeinde zu allen Erscheinungsformen des „Reiches“ in lebendiger Beziehung.
Das Reich der Macht soll zum Reich der Herrlichkeit werden; dazwischen liegt das Reich der
Gnade, dessen wesentlicher Inhalt die Erlösung ist.

Darum gilt es, würdig zu wandeln dieser hohen Berufung (Eph. 4, 1). Darum gilt es, mit Paulus,
die Königsherrschaft Gottes zu verkünden (Apg. 20, 25; 28, 31). Darum gilt es, Zeugen- und
Missionsdienst zu tun, um Seelen für Christus zu gewinnen.

Die Reichsbotschaft der Gemeinde

Im Hinblick auf alles sittliche Verhalten des Menschen verkünden wir das „Reich“ als
Totalitätsanspruch Gottes. Evangelium verkünden heißt, den „Heilserlaß“ Gottes heroldartig
proklamieren. Hinter dem Heilsbefehl steht die Reichsautorität des obersten Weltenherrn. Gott
bietet dem Menschen Sein Heilsgeschenk an undbefiehlt ihm zugleich, sich beschenken zu
lassen (Apg. 26, 19; 17, 30).

Im Hinblick auf alle Armut des Menschen verkünden wir das „Reich“ als Geschenk Gottes. Nach
der Schrift wird das zukünftige Reich nicht auf Erden, sondern im Himmel übergeben (Dan.7,13;
Luk.19,12). Es kommt nicht durch Fortschritt, sondern durch Umbruch, nicht durch moralische
Aktivierung, sondern durch göttliche Erneuerung. Nicht Christianisierung der Welt bis zur
erfolgten Verchristlichung der Kultur, sondern zunehmende Feindschaft der Welt bis zur
Ausstoßung des Christentums seitens der Kultur, das ist der Gang, den die biblische Weissagung
prophezeit (2. Thess. 2, 3-12; Off. 13). So total macht der Mensch seine Unfähigkeit offenbar, auf
Gottes Heils- und Reichsgedanken einzugehen. Nicht Bündnis zwischen Gott und
Menschenruhm, sondern Zerschmetterung des gottfeindlichen Weltreichs durch das Gottesreich
(Dan. 2, 34; 44; 45)so vollzieht sich die Vollendung des gegenwärtigen Äons. Diese Wahrheit hat
zugleich einen hohen, apologetischen Wert. Weit davon entfernt, ein Gegenbeweis gegen die
Botschaft der Bibel zu sein, wird damit gerade der zunehmende, allgemeine Unglaube ungewollt
zu einem Beweis für die Richtigkeit der biblischen Weissagung. Gott aber wird zuletzt, nach den
Gerichten der Endzeit, der Menschheit Sein Reich - schenken.
Im Hinblick auf alle Unfähigkeit des Menschen verkünden wir das Reich als Kraft Gottes. Erst das
Reich des erschienenen Gottkönigs wird die politischen und sozialen Probleme der Menschheit
zu lösen imstande sein. Erst Christus wird Friedebringer sein unter den Nationen (Jes. 2, 2-4).
Erst Er wird den Armen und Waisen das wahre Recht sprechen und eine gerechte Verteilung der
Güter der Welt herbeiführen (Jes. 11, 3-5). Erst Er wird das Böse in der Menschheit überwinden
und den Nationen reine Lippen geben (Zeph. 3, 9). So wird Er eine wahre, menschheitliche
Gemeinschaft herbeiführen, und Sein Reich wird, als Kraft Gottes, ein Reich des Friedens, der
Gerechtigkeit, der Heiligkeit und der Liebe sein.

Im Hinblick auf alle Sehnsucht des Menschen verkünden wir das zukünftige Reich als
Menschheitsziel Gottes. Erst die Königsherrschaft des Ewigen bringt die Erfüllung aller
Menschheitsideale. Erst dann wird die Verwirklichung wahren, edlen Menschentums eintreten.
Darum wird das verheißene Reich in der Schrift auch als das „Reich des Menschensohnes“
bezeichnet, d. h. als das Reich, das nicht mehr ein Raubtiersymbol, sondern das Menschenantlitz
zum Motto und Wappen hat, eben das Reich des erschienenen Gottkönigs, der die
Menschheitsgeschichte von ihrem Untermenschentum und Raubtiercharakter befreit und zum
erstenmal wahres Menschentum im Sinn des Schöpfers - also Gottesbildlichkeit (1. Mos. 1, 26;
27) - auf den Thron der Völkergeschichte erhebt (Matth. 24, 30; 26, 64).
Im Hinblick auf alle Feindschaft der Menschen verkünden wir das Reich als den Sieg Gottes. Der
Stein, der den Koloß Nebukadnezars zerschmettert, erfüllt dann die ganze Erde. Darum geziemt
für den Gläubigen zuversichtlicher Geist, Siegesgewißheit und Mut. Darum fort mit aller
Untergangsstimmung und allem Kleinglauben! Fort mit aller Menschenfurcht und aller
Zeugnisfeigheit! Das Evangelium ist keine Winkelangelegenheit! Der Sache des Königs gehört
der ewige Sieg! Und schließlich:

Im Hinblick auf alle Größe der Menschen verkünden wir das Reich als Herrlichkeit Gottes. Darum
rühmen wir Jesus Christus, verkünden Seine Tugenden (1. Petr. 2, 9), zeigen die Größe Seiner
Königsgewalt und die Majestät und Erhabenheit Seiner Person. Er Selbst ist der Inhalt unserer
Botschaft. „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, und Ihn als Herrn“ (2. Kor. 4,
5).

Ihm aber, dem alleinigen Machthaber, dem König der Könige und Herrn aller Herren, der allein
Unsterblichkeit hat, der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat
noch sehen kann, Ihm sei Ehre und ewige Macht! Amen. (1. Tim. 6, 15-16)

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Kennen die Religionen den wahren Gott?

- Das Christuszeugnis in der interreligiösen Begegnung -

- Vortrag -
Das universal menschheitliche Vorkommen von Religion läßt sich einleuchtend nicht mit
Feuerbach und Freud rein psychologisch erklären als bloße Projektion bewußter oder
unbewußter seelischer Vorgänge in eine mythische Überwelt. Vielmehr verdanken sich
Religionen der verschiedensten Gestalt jeweils einem überwältigenden Anstoß einer
geheimnisvollen Übermacht, auf welche dann erst in einem zweiten Schritt der betroffene
Mensch, bzw. die soziale Gemeinschaft, reagiert. So sieht es auch die Bibel: Israels Glauben
fand seine Begründung in einem heilsgeschichtlichen Offenbarungshandeln von oben her,
nämlich Gottes Begegnung mit Abraham und mit Mose. In negativer Entsprechung sieht die Bibel
auch die heidnischen Kulte durch transzendentale Einwirkung entstanden. Denn auch deren
Göttern wird sehr wohl eine übermenschliche Wirklichkeit zuerk annt, wenn auch – v.a. für Israel
– keine Legitimität.

Die gemeinsame Überzeugung fast aller Religionstheologen ist nun die, daß die Religionen sich
in ihrer überirdischen Verursachung zumindest teilweise oder aber – hier gehen die Urteile
auseinander – sogar ganz der Selbstmanifestierung des einen Gottes verdanken. Es handele
sich hier also letztlich, auf der seinsmäßigen Ebene, um denselben Gott, den die Bibel als den
Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde bezeugt, und zu dem sich die Kirche als dem
Dreieinigen bekennt.

Hier ist nun allerdings ein beträchtlicher Meinungsunterschied zu konstatieren, und an diesem
gehen die Schulrichtungen auseinander, - d.h. die (dialektisch) exklusive, die inklusive und die
pluralistische Theologie der Religionen. Die entscheidende Frage lautet: Ist die aus der eben
genannten Überzeugung zu folgernde Identität der höchsten Gottheit, die in vielen Religionen
unter verschiedenen Namen und Vorstellungen verehrt wird, mit dem alleinigen Gott direkt oder
indirekt zu erklären? Vollzieht man also eine völlige Gleichsetzung? Oder aber denkt man eher
an eine Transparenz gewisser außerchristlicher Gottesbilder für den biblischen Gott, wobei man
zugleich erkennt, daß die konkreten Gottesbilder der einzelnen Religionen auch durch sehr
andersartiger Einflüsse mitbestimmt sein mögen und sich hinter den heidnischen Götterbildern
(gr. eidola = Götzen!) auch ganz andere Wesen verbergen bz w. durch sie reden und sogar
handeln können.

Letzteres ist die meinen folgenden Ausführungen zugrundeliegende Schau. Ich setze also mit
den mir nahestehenden Theologen – Dogmatikern und Missiologen - voraus, daß sich der
dreieinige Gott für sein universales, zielgerichtetes Wirken an der Menschheit auch der
vorchristlichen Religionen bedient und daß sich seine Manifestationen in diesen diakritisch
aufspüren lassen. Wir müssen aber – das ist ist nun mein besonderes Anliegen - bei den

konkreten religionsgeschichtlich aufgetretenen Gottesvorstellungen drei Verursachungen - bzw.


Pole - unterscheiden, die in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander stehen: Es sind dies 1.
der theonome,d.h. göttliche, 2. der anthropologische d.h. menschliche und 3. der
dämonologische Faktor. Ich bezeichne diese Analyse als die "tripolare Schau der Religionen".
Diese Sichtweise durchzieht alle meine Äußerungen zu diesem Thema seit dem Jahre 1967. Ich
teile sie auch m it meinen Brüdern und Schwestern im Präsidium des Theologischen Konvents;
denn sie ist sowohl biblisch, patristisch als auch reformatorisch gut begründet. Sie findet ihren
Niederschlag auch in dem Ihnen vorliegenden Entwurf zu einer Theologischen Erklärung zur
Beurteilung der Religionen im Licht des Evangeliums: "Kein anderer Name !"

I. Der theonome Faktor: Gottes Besorgtsein um den gefallenen Menschen.

a) Das auch völkerkundlich aufweisbare universale Vorkommen der Idee einer höchsten Gottheit
- (Pater Wilhelm Schmidt nannte ihn Hochgott, Nathan Söderblom Urhebergott) – läßt sich im
Widerspruch zu allen evolutionistischen Hypothesen am einleuchtendsten aus der ursprünglichen
Einheit der menschlichen Geschichte (vgl. Apg 17,26) erklären. An deren Anfang stehen jene
Ereignisse, von denen die alttestamentliche Urgeschichte (1Mo 1-11) berichtet. Hier machte das
Menschengeschlecht seine grundlegenden Segens-, Gerichts- und Errettungserfahrungen mit
Gott, von denen auch zahlreiche Urmythen weit verstreuter Völker erzählen. Am Anfang der sich
später aufspaltenden Religionsgeschichte steht demnach eine monotheistische Urreligion. Diese
schimmert noch durch zahlreiche empirische Religionen hindurch und bietet der missionarischen
Begegnung willkommene Anknüpfungspunkte.

Eine den gesamten weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte bestimmende Uroffenbarung an


die Stammväter aller menschlichen Rassen ist Gottes in 1Mo 8,21-9,17 berichteter Bundesschluß
mit Noah und seinen Söhnen. In diesem Akt verbürgt sich Gott feierlich, künftig die Schöpfung
vor einer zweiten kosmischen Katastrophe zu bewahren. Er tut dies mit der erstaunlichen, fast
paradoxen Begründung: "denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von
Jugend auf" (1Mo 8,21b). Die tiefeingewurzelte Sünde aller Menschen ist also gerade die
Ursache einer fortdauernden göttlichen Zuwendung zu ihnen, in welcher Er ihnen Nahrung,
Segen, Schutz und für die sozialen Bezüge grundlegende Erhaltungsordnungen gibt (Apg 14,16f;
auch Mt 5,45). Die scheinbare Illogik dieses "denn" findet ihre zunächst verborgene Auflösung in
Gottes heilsgeschichtlichem Plan. Er möchte nämlich die sündige Menschheit in Seiner Geduld
(anoche Rö 3,26; makrothymei in 2Petr 3,9) auf ihre künftige Erlösung durch Jesus Christus
bewahren. Das Dankesopfer Noahs ist also das Urbild eines monotheistischen Kultes, der noch
vor und außerhalb der mit Abraham einsetzenden biblischen Heilsgeschichte praktiziert wurde.
Dieser war dem Dank und Lobpreis für die von Gott, dem Schöpfer und Erhalter, erfahrene
Lebensrettung und seine Wohltaten gewidmet. In Rö 1,21 läßt Paulus erkennen, daß genau das
diejenige Verehrung und der Dank sei, welche Gott aufgrund Seiner seit Erschaffung der Welt
von allen Menschen vernehmbaren ewigen Macht und Größe erwartet. Zwar macht der Apostel
diese Aussage im Sinne eines Vorwurfes gegenüber der tatsächlichen Entartung des Kultes in
der empirischen heidnischen Religionsgeschichte. Trotzdem läßt sich nicht ausschließen, daß die
sich im Noachitischen Bundesschluß exemplarisch dokumentierende Urreli gion tatsächlich noch
in vielen nachfolgenden Generationen praktiziert worden war. Als Vorbild dafür kann Melchisedek
genannt werden, der geheimnisvolle König von Salem – dem späteren Jerusalem. Er wird als
"Priester des höchsten Gottes" (1Mo 14,18) bezeichnet und übt die Vollmacht aus, den Abram
von "Ihm, dem Schöpfer des Himmels und der Erde" her, zu segnen.

Gott beläßt dem Menschen also trotz dessen gefallenem Zustand die Möglichkeit, Ihn in
wesentlichen Zügen – und zwar noch vor bzw. außerhalb der besonderen heilsgeschichtlichen
Offenbarung! – durch seine Vernunft, d.h. hier seine inneren Anschauungsorgane, zu erkennen.
Aufgrund dessen erwartete Gott einen Seinem erhabenen Wesen entsprechenden Gottesdienst
bei allen Menschen in allen Völkern. Diese Sicht bildet nicht etwa ein Sondergut des Paulus. Er
spricht hier vielmehr eine Überzeugung des hellenistischen Judentums aus, die wir auch im Buch
der Weisheit (Kap. 13-15) finden: "Denn aus der Größe und Schönheit der geschaffenen Werke
wird vergleichsweise auch ihr Schöpfer wahrgenommen" (13,5). Zwar erfolgt dieser ihm
geschuldete Gottesdienst im Sinne der reinen Urreligion offensichtlich nirgends mehr, wie Paulus
in Rö 1,21 ff. beklagt.Und doch findet der Apostel in der Verehrung des "unbekannten Gottes" in
Athen (Apg 17,23 ) zumindest eine Abschattung eines solchen Kultes, dem er die Transparenz
für den wahren, von ihm verkündigten Gott zuerkennt.

Eine andere Weise, wie sich Gott den Heiden weiterhin zu erkennen gibt, ist die Einpflanzung der
Forderung Seines allgemeinen Sittengesetzes in das Menschenherz (Rö 2,15). Bestätigt durch
das Gewissenstellt dieses ungeschriebene Gesetz auch die Heiden unmittelbar in Verantwortung
vor Gott, aufgrund welcher Er sie am jüngsten Tage richten wird (V. 16). Die Heiden kennen also
Gott hinsichtlich Seiner ethischen Forderungen. Eine Gestalt, in welcher diese ihren
gesellschaftlich verbindlichen Niederschlag gefunden haben, sind die verschiedenen Religionen;
deren moralische Anweisungen stehen nämlich vielfach in überraschender Nähe zu den biblisch
offenbarten Geboten (Rö 2,14). Ja, in den Mythen der Völker schlägt sich auch die erschütternde
Erfahrung nieder, daß die Götter über die Einhaltung der sittlichen Ordnung wachen und den
schuldig Gewordenen unentrinnbar heimsuchen.
Insofern können die Religionen, weil sie den sittlichen Forderungen die metaphysische Sanktion
verleihen, als Instrumente des Welthandelns Gottes verstanden werden. Durch sie bewahrt Er
Seine für den Bestand allen menschlichen und kreatürlichen Lebens grundlegende Ordnung vor
der Zerstörung. In den Religionen bekundet sich der dreieinige Gott also vornehmlich in Seiner
ersten Person als Schöpfer und Erhalter. Dieses sein segnendes, lebenspendendes,
sinngebendes, schützendes und richtendes Handeln spiegelt sich dementsprechend in bisweilen
ergreifender Weise in zahlreichen Gebeten und Hymnen wider. Manche könnten auch in
christliche Textsammlungen aufgenommen werden, ohne daß sich ihr außerchristlicher Ursprung
störend bemerkbar machen würde.

b) Kann von einem Wirken in außerchristlichen Religionen theologisch legitim auch im Blick auf
Gott, den Sohn, die zweite Person der Dreieinigkeit, gesprochen werden? Dogmatisch ließe sich
das mit Augustin folgern aus der unteilbaren Einheit der opera Trinitatis ad extra (des Wirkens
der drei göttlichen Personen nach außen, d.h. auf die Schöpfung hin). In der zeitgenössischen
inklusiven Religionstheologie, zumal im christozentrischen Modell, bildet sowohl auf
ökumenischer als auch auf römisch-katholischer Seite das Wirken Christi in den Religionen und
durch sie sogar die Grundvoraussetzung. Die Begründungen dafür sind unterschiedlich: Sie
sowohl aus der Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes ("kosmischer Christus" von Neu-Delhi
1961), aus Gottes universalem Geschichtshandeln oder aus der Gnadenlehre (Karl Rahner)
gefolgert werden. (In fast allen diesen Fällen handelt es sich um eine – allerdings zuweilen
vergröbernde – Aktualisierung der patristischen Konzeption vom logos spermatikos).

Eine biblische Basis für eine gründliche Behandlung der gestellten Frage läßt sich am ehesten im
Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,1-10) finden. Hier wird von dem vorzeitlichen logos, der
geschichtlich in Jesus Christus Fleisch angenommen hat, ausgesagt, er sei "das wahre Licht, das
alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen" (V. 9). Alle Einsicht, welche Menschen –
und zwar auch solche außerhalb der biblischen Offenbarung –, in Gottes Wesen gewinnen
können, ja alle tiefere Wahrheitserkenntnis überhaupt, ist bewirkt

durch den ewigen Logos, das schöpferische Wort, das bei Gott war und selbst Gott ist. Das
bedeutet, daß sich auch die in den Religionen vorhandenen Teilwahrheiten in dogmatischer und
ethischer Beziehung dem Licht zu verdanken sind, das der in ihnen anwesende Logos entzündet
und das die Erleuchtung wirkt.

Es darf nun aber – um das biblische Zeugnis in Joh 1,8 nicht für falsche, d.h. religiös
universalistische Behauptungen zu mißbrauchen – nicht der unmittelbare Textzusammenhang
übersehen werden, in welchem diese Aussage des Johannesprologes erscheint. Ihr geht nämlich
schon voraus die kontrastierende andere Aussage in V. 5, daß das Licht in der Finsternis
scheine, "und die Welt hat es nicht begriffen" bzw. "nicht erfaßt". Das innere Zeugnis des Logos
wird von der gottentfremdeten, unter der Herrschaft des Bösen stehenden Masse der Menschheit
entweder gar nicht oder falsch verstanden. Sie gewinnt von diesem inneren Licht des Logos nicht
eine allgemeine Gotteserkenntnis, die gerade auch durch die Religionen vermittelt würde. Erst
recht darf man aus Joh. 1 keine Heilsmächtigkeit der Religionen folgern.. Denn um die Erlösung
der Menschheit zu vollbringen, mußte ja der ewige Logos in Jesus von Nazareth Mensch werden
und unter Pontiu s Pilatus sein Leben zum Sühneopfer hingeben. Die Präsenz des Logos
spermatikos in den Religionen macht diese, auch wo sie angenommen werden darf, keineswegs
zu ordentlichen Heilswegen der nichtchristlichen Völker. Aber sie kann die von ihm innerlich
Erleuchteten für den Empfang der Erlösungsbotschaft von Jesus Christus vorbereiten. Das
bedeutet, daß die christologische Beeinflussung der Religionen bei deren Anhängern die
Sehnsucht nach der Wiederherstellung der verlorenen Gottesgemeinschaft erweckt und sie nach
einem Erlöser Ausschau halten läßt.

In diesem Sinn gibt es in der Tat bei den Heiden Ahnungen, welche der authentischen Erfüllung
im Christusereignis erstaunlich entsprechen. Solche Vorstellungen können entweder in Form von
Mythen, Träumen, Gebeten oder seherischer Vorschau auftreten. Ebenso gibt es Parallelen
zwischen manchen außerchristlichen Ritualen und den christlichen Sakramenten. Auf solche
Analogien wurde sogar Paulus aufmerksam, woraufhin er sie in den Dienst seiner pastoralen
Unterweisung der jungen Heidenchristen stellt (z.B. 1Kor 10,20-21).

c) In den neueren Entwürfen zu einer ökumenischen Theologie der Religionen, die im Rahmen
der Arbeit des Weltkirchenrates vorgelegt werden, tritt seit der umstrittenen Vollversammlung zu
Canberra 1991 eine starke Tendenz hervor, das Prinzip der Vermittlung zwischen Christentum
und anderen "lebendigen Glaubensweisen" (Fremdreligionen) von der zweiten auf die dritte
Person der Trinität, den Heiligen Geist, zu verlagern. An die Stelle der traditionellen
christologischen Betrachtung tritt also eine pneumatologische. Angesichts der in Canberra und
danach sogar massiv aufgetretenen synkretistischen Konsequenzen stellt sich hier die Frage, ob
und inwieweit es theologisch berechtigt ist, von einem Wirken des Heiligen Geistes auch in den
nichtchristlichen Religionen zu sprechen.

Bei der Behandlung dieser Problematik wird man ebenso wie bei der christologischen
Komponente der Religionen so auch bei der pneumatologischen auszugehen haben von der
Untrennbarkeit des Welthandelns der drei göttlichen Personen. Damit verbunden ist besonders in
der Ostkirche bewahrte Erkenntnis der griechischen Kirchenväter, daß die Bibel selbst von einem
universalen Wirken des Geistes spricht. Dieses geht dem endzeitlichen Kommen des Hl. Geistes
zu Pfingsten voraus.

Wenn man nun die Religionen prinzipiell als solche Instrumente verstehen darf, die dem
Welthandeln Gottes dienen, so hat folglich daran auch der Heilige Geist einen wesentlichen
Anteil, - in Ausführung der Ihm eigenen Aufgaben. Wir können fünf Wirkungen des Geistes an der
außerchristlichen Menschheit erkennen, die wir im vorbereitenden Zusammenhang mit Seiner
besonderen heilsgeschichtlichen Sendung zu verstehen haben:

1. Der Geist ist der Mittler des vom Vater geschenkten kreatürlichen Lebens und läßt die
Menschen Erfahrungen machen, durch die sie sich selbst als Objekt seiner gütigen Zuwendung
bewußt werden. In diesem Zusammenhang kann erweiternd von allen Zuteilungen göttlichen
Segens auch im geschöpflichen Bereich gesprochen werden. Dieser ist zwar in der Regel vom
Heil als der endgültigen Wiederherstellung der personalen Beziehung zwischen Gott und den
Menschen zu unterscheiden; aber er ist doch schon antizipierend darauf bezogen.

2. Der Geist erhält den Menschen das Wissen um ihre eigene Geisthaftigkeit. So ermöglicht Er es
ihnen, Erlebnisse des schöpferischen Reichtums Gottes geisthaft zu deuten und darauf kreativ zu
antworten. Von diesem geistigen Gestaltungsvermögen legen auch die Religionen im Reichtum
ihrer Weisheit und ihrer Kunst eindrucksvoll Zeugnis ab. Solche Einsichten und Kunstwerke
entstanden oft im Bewußtsein um die dafür nötige Inspiration durch eine höhere geistige Macht.
Sie können und sollen darum auch den Respekt des christlichen Betrachters erheischen.

3. Zur Geisthaftigkeit des Menschen gehört wesentlich auch das Fragen nach der Wahrheit, also
der Übereinstimmung zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Diese ist bei dem gefallenen
Menschen radikal gestört, zum einen, weil er sich selbst seine sündhafte Gottentfremdung nicht
eingestehen will, zum anderen, weil er den Täuschungsmanövern Satans und der Dämonen
ausgesetzt ist. Bemerkenswerter Weise bildet die Umfangenheit von der Unwissenheit (avidya)
den Ausgangspunkt der Elendsdiagnose in den mystischen Religionen, während das Erkennen
der Wahrheit ihr wichtigstes Heilsziel darstellt. Das Erwachen des unstillbaren Verlangens nach
Erleuchtung kann sehr wohl eine Auswirkung der Berührung von jener göttlichen Macht sein, die
im Johannesevangelium (14,17) der "Geist der Wahrheit" genannt wird." Gewiß ist es erst Jesus
Christus, der sich selbst die Wahrheit nennt (Joh 14,6), der den Menschen in den Religionen die
echte Befreiung b ringt (Joh 8,31f.). Aber er sagt dem Heiden Pilatus, daß Seine Stimme von
dem gehört werde, der aus der Wahrheit ist (Joh 18,37).

4. Das nach Rö 2,15 (vgl. 1,32) den Menschen ins Herz gepflanzte Sittengesetz und das
Gewissen verdanken sich einer Vermittlung durch Gott den Heiligen Geist. Das gilt auch für die
dem Schuldbewußtsein entspringende Furcht vor dem göttlichen Zorn, bzw. auch das
Schuldbewußtsein, das sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen äußert (Rö 2,15b).

5. Der Geist bewahrt dem Menschen die innere Hörfähigkeit für die Stimme Gottes, ebenso wie
er sie dazu anregt, "Gott zu suchen und ihn zu ertasten" (so wörtlich), wodurch sie seiner
unsichtbaren Anwesenheit ja sogar ihrer Wesensverwandtschaft mit Ihm gewahr werden (Apg
17,27f).

Angesichts der hier offenbar werdenden inneren Zusammenhänge zwischen dem universalen
und dem heilsgeschichtlichen Wirken des Geistes wollen wir einer theologischen Deutung der
Religionen auch vom Dritten Glaubensartikel her eine grundsätzkiche Berechtigung nicht
bestreiten. Jedoch haben wir uns gerade hier zu hüten vor allzu direkten und pauschalen
Aussagen, als ob jede einzelne Religion sich einer Vollinspiration ihres Stifters – Zarathustra, Lao
Tse, Gautama Buddha oder Mohammed – verdanke. Vielmehr müssen wir angesichts der
enormen Gefahr einer Verwechslung des Heiligen Geistes mit Geistvorstellungen und Geist-
erfahrungen fremdartigen Charakters gerade an dieser Stelle diakritische Wachsamkeit üben.
Besonders im Blick auf den Heiligen Geist in den Religionen gilt das, was über das vorbereitende
Wirken des dreieinigen Gottes in den Religionen überhaupt zu bedenken ist: Dieses Wirken ist
ein verborgenes, in der unmittelbaren Betrachtung weder auffällig noch nachweisbar. Erst im
Nachhinein, im Licht der Erfüllung der Religionen durch das Evangelium, werden sich die in ihnen
enthaltenen Wahrheitselemente in ihrer vorbereitenden Funktion erkennen lassen. Solche
Elemente sollten in der missionarischen Begegnung bereits als stepping stones angesprochen
und aufgenommen werden. Aber entsprechende Vorschläge bedürfen zunächst einer sorgfältigen
Überprüfung im Licht des Evangeliums.

Zusammenfassend sind hinsichtlich des theonomen Faktors in den nichtchristlichen Religionen


drei Erkenntnisse festzuhalten:

1. Das Hineinstrahlen der allgemeinen Gottesoffenbarung auch in die Religionen macht deren
Anhänger vor dem Urteil des dreieinigen Gottes verantwortlich und darin für die missionarische
Verkündigung ansprechbar.

2. Nirgends sind die Erfahrungen des Welthandelns des dreieinigen Gottes so eindeutig, daß sie
nicht einer sorgfältigen Prüfung und Deutung im Licht des Evangeliums von Jesus Christus
bedürften.

3. Angesichts des gleichzeitigen Wirkens auch des dämonischen Faktors in den Religionen
verbietet es sich, alle in der religiösen Erfahrung, z.B. in Ekstase, wahrgenommenen geisthaften
Mächte mit dem biblischen, trinitarischen Gott in eins zu setzen.

II. Die anthropologische Dimension der Religion:

Die zwiespältige Suche des gefallenen Menschen nach Gott

Eine biblisch stimmige Analyse der Religionenen muß zusammen mit deren von Gott gewirkten
Komponente auch das Menschenbild der Hl. Schrift voll einbeziehen.. In Konzentrierung auf die
religionstheologische Frage möchte ich das hierfür Entscheidende zunächst in drei
Grundaussagen zusammenfassen:

1. Dem Menschen ist als Ebenbild Gottes ein wesensmäßiger Bezug auf diesen eingepflanzt, ein
Gespür für das Göttliche (der sensus divinitatis). Dadurch wird er auch noch in seinem gefallenen
Zustand dazu veranlaßt, unaufhörlich nach seinem Schöpfer zu suchen.

2. Die Religionen sind als Aufwärtsbewegung des gefallenen Menschen in ihrem


Erkenntnisvermögen begrenzt. Sie kommen deswegen nur zu einer unvollkommenen, getrübten
Wahrnehmung Gottes.

3. Aufgrund der durch die Sünde verkehrten Willensrichtung des gefallenen Menschen sind alle
seine religiösen Gestaltungsbemühungen zugleich auch vom Aufruhr gegen Gott und der Flucht
vor Ihm geprägt.

Ich entfalte diese Thesen nun im einzelnen:

Daß der Mensch, auch in seiner Gottentfremdung, ein zutiefst religiöses Wesen ist, wird von den
Vertretern aller drei zeitgenössischer religionstheologischer Hauptrichtungen – der exklusiven,
der inklusiven und der pluralistischen – gesehen. Das kann mit mannigfaltigen Ausdrücken
beschrieben werden, z.B.: "Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit" (Schleiermacher),
"religiöses a priori" (Troeltsch), "Sinn für das Numinose" (Otto), transzendentales Existential"
(Rahner), "Bewußtsein um die äußerste Realität" (Hick). Dietrich Bonhoeffer hat zwar in der
Beobachtung recht, daß die Religion für das Selbst- und Weltverständnis des modernen
Menschen kaum noch eine Rolle spielt. Die bleibende religiöse Verankerung auch des Sünders
(Pred 3,11) ist die menschliche Entsprechung zu jener allgemeinen Selbstbekundung Gottes, die
wir als den "theonomen (bzw. göttlichen) Faktor der Religionen" bezeichnet haben. Durch diese
Entsprechung, d.h. das wechselseitige Entgegenkommen von Gott und Mensch in der natürlichen
Religion, gibt Gott der menschlichen Suche nach Ihm Seine Zustimmung und ihren
heilsgeschichtlich vorlaufenden Sinn. Gott will, sagt Paulus den heidnischen Athenern, daß die
Menschen "ihn suchen, ob sie ihn wohl wahrnehmen und ihn finden möchten" (Apg 17,27a).
Gewiß ist dieser Suche als solcher das Finden des Heils schon vor Christus und außerhalb
seiner nicht versprochen. Aber der der suchende Mensch wird durch die gottgefällige Betätigung
seiner religiösen Veranlagung unter dem Einfluß von Gottes zuvorkommender Güte (Apg 14,17;
Rö 2,4) und Gnade (Joh 6,44; 12,32) vorbereitet für die heilsgeschichtliche Begegnung mit dem
Evange lium. Darum findet die missionarische den ins uns Wohnung nehmenden Heiligen Geist,
ganz schenken will. In Jesus allein will Gott uns und allen Menschen wahre und volle Erkenntnis
seiner selbst geben.

Das bedeutet nicht, daß wir jetzt das widerrufen, was wir zuvor über die natürliche
Gotteserkenntnis auch in den Religionen gesagt haben. Es gibt, daran halten wir fest, auch in
diesen schon ein gewisses Maß des Wissens von Gott. "Denn was man von Gott erkennen kann,
ist unter ihnen [den Heiden] offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart" (Röm 1, 19). Aber dieses
"Wissen", wie Paulus es in VV. 19 + 20 beschreibt, ist ein unvollständiges. Außerdem ist es
aufgrund der menschlichen Undankbarkeit gegen Gott und der Abtrünnigkeit von Ihm in sich
gebrochen und pervertiert (VV. 21-25). Es ist günstigstenfalls noch rudimentär vorhanden.

Neureformatorische Theologen wie der junge Karl Barth und auch manche evangelikalen
Hyperbarthianer - Vertreter einer radikal exklusiven Religionstheorie - neigen dazu, das
grundsätzliche Wissen der Heiden von Gott zu bestreiten. Aber wir dürfen auch an dieser Stelle
nicht biblischer sein wollen als die Bibel. Die Heilige Schrift, besonders der Apostel Paulus, gibt
den Tatbestand der natürlichen Gotteserkenntnis nicht nur zähneknirschend zu; er ist vielmehr
brennend daran interessiert, ihn aufzuweisen. Warum ist es auch für uns unverzichtbar, an der
Lehre von der allgemeinen Gottesoffenbarung festzuhalten? Aus drei wesentlich missionarischen
Gründen:

Erstens gilt es, den Menschen bewußt zu machen, daß auch sie zumindest unterbewußt von Gott
her bestimmt sind, und daß sie ohne ihn gar nicht leben können, weder als einzelne noch als
Gemeinschaft..

Zweitens hält das Wissen auch der Heiden von Gott sie in ihrem sittlichen Leben und auch in
ihrem Kult vor Gott verantwortlich, so daß sie - wenn sie ihm ungehorsam blieben – im Jüngsten
Gericht unentschuldbar dastehen werden (Röm 3,19).
Drittens gibt das Wissen von Gott – und sei es noch so rudimentär – der Missionspredigt die
Chance, die Anhänger nichtchristlicher Religionen von ihren eigenen Voraussetzungen her
abzuholen und sie pädagogisch von der unvollkommenen Vorstufe auf die Stufe der vollen
Erkenntnis in Jesus Christus weiterzuführen, so wie Paulus dies in Athen getan hat.

Man begegnet bei solcher Argumentation gelegentlich dem Einwand: Wenn es stimmt, daß es
auch in den nichtchristlichen Religionen schon Gotteserkenntnis gibt, warum sollen wir dann noch
Mission unter ihnen treiben?

Aber diese Schlußfolgerung ist oberflächlich, Das Entscheidende ist doch nicht, daß Menschen
an die Existenz Gottes – bzw. eines "höheren Wesens" – vage geglaubt haben; denn ein solcher
sog. Glaube, wie ihn nach Jak 2,19 sogar die Dämonen haben, würde uns doch noch nicht aus
unserer Verlorenheit unter dem Zorn Gottes über alle menschliche Schuld retten. Entscheidend
ist noch nicht die Frage: Gibt es einen Gott?, sondern vielmehr wie Luther sie stellte: "Wie kriege
ich einen gnädigen Gott?" Der Mensch kann ihn nicht von sich aus, auch nicht durch ethische
und religöse Werke, gewinnen. Gott selber mußte uns entgegenkommen, und Er hat es getan
und tut es immer noch: In Jesus Christus, seinem eingeborenen Sohn, in ihm allein, und in ihm
ganz. Jesus hat den Abgrund überbrückt, der uns von Gott trennt. Er hat die Entfremdung
zwischen der abtrünnigen Menschheit und dem sich von ihm im Zorn abwendenden Schöpfer dur
ch sein Kreuzesopfer überwunden, so daß wir gerechtfertigt durch den Glauben an ihn Frieden
mit dem Vater haben (Röm 5,1). Ohne diese Liebesoffenbarung in seinem Sohn Jesus Christus
aber bleibt Gott ein Deus absconditus Gott), d.h. ein verborgener, ferner Gott, dessen Walten uns
oft rätselvoll erscheint und ängstigt.

Solche erschreckende Gotteserfahrung schlägt sich auch in den Göttervorstellungen der


nichtchristlichen Religionen nieder, in paradoxer Spannung zwischen ihren eudämonistischen
(die Dämonen als gütig empfindenden) Erfahrungen einerseits und ihrem Horror vor deren
Furchtbarkeit. So ist die nordindische Göttin Kali bzw. Durga einerseits die von den Frauen
geliebte Geberin der Fruchtbarkeit; aber als der Rächerin des Bösen geht von ihr auch Terror
aus. Das wiederum macht sie widersprüchlicher Weise für Diebe und Räuber attraktiv, und die
Statuen in ihren Tempeln zeigen sie mit grausig aufgerissenen Augen, mit nach Blut lechzender
Zunge und mit abgeschlagenen Menschenköpfen in den Pranken.

Ähnlich bleibt den Muslimen ihr Gott Allah - trotz ihrer gehorsamen Unterwerfung unter seinen
Willen - ein Willkürgott, der in seinem unerforschlichen Ratschluß die einen für das Paradies, die
andern für die Hölle bestimmt hat. Darum kennt der Islam keine Heilsgewißheit.

Ich sage es noch einmal: Die Vermittlung zwischen dem zu fürchtenden, letztlich verborgenen
Gott einerseits und dem uns sein Antlitz leuchtend zuwendenden Vater andererseits ist allein in
seiner Heilsoffenbarung durch seinen Sohn Jesus Christus gegeben. Jesus ist die Erfüllung der
alttestamentlichen messianischen Verheißungen. Er ist auch die Antwort auf die Heilssehnsucht
in den nichtchristlichen Religionen. Er erschließt uns das liebende Vaterherz. Er antwortet auch
dem menschlichen Herzen, das unruhig in uns schlägt, bis es Ruhe findet in Gott (Augustinus).

Doch ist Jesus nicht allein die Erfüllung der Religionen; er ist zugleich deren Gericht und ihr
Ende. Nach biblischer Lehre ist die Zeit, in welcher die außerisraelischen Völker in ihren eigenen
Religionen fremden Göttern dienen – nach 5 Mo 4,19 sind es Gestirnsmächte – eine vorläufige
Zeit. Es ist eine Zeit der Unwissenheit und steht als solche unter Gottes heilsgeschichtlicher
Geduld (Röm 3,26; Apg. 14,16; 17,30). Um ihretwillen hat er sich – in Treue zu seinem
universalen Bund mit Noah - den Menschen nicht unbezeugt gelassen. Vielmehr hat er ihnen
beständige Erweise seiner Güte geschenkt. Trotzdem aber haben die Heidenvölker Gottes

Verkündigung hier ihren wesentlichen Ansatzpunkt.

Ausgelöst wird die menschliche Suche nach Gott im allgemeinen dadurch, daß der gefallene
Mensch in der bedrängenden Erfahrung seines Elendes sich seines verlorenen Zustandes
bewußt wird. Indem wir diesen Verlust als ein Abgeschnittensein von der lebensspendenden,
himmlischen Quelle erkennen, wird der Wiederanschluß an diese zum Leitmotiv unseres
Strebens. Beflügelt wird die Suche durch die Hoffnung, daß ihr Mühen nicht vergeblich ist,
sondern ihr die Erlösung schlußendlich zuteil werden wird

Es ist religionsvergleichend auffällig, daß die Betätigung des menschlichen Drangs, die
abgerissene Verbindung mit der Gottheit wieder aufzunehmen, sich in den vorfindlichen
Religionen in sehr ähnlichen Formen ausdrückt: Der Mensch hat das Bedürfnis zu beten, opfern,
meditieren, sich rituell zu reinigen, sich asketischen Disziplinen zu unterwerfen und Pilgerreisen
zu Heiligtümern zu unternehmen. Durch all diese Übungen möchte er die Gottheit wohlgefällig
stimmen. Dabei ist ihm vielfach auch bewußt, daß diese bei ihm eine die äußeren Riten
beglaubigende innere Haltung, die Frömmigkeit, sucht. Beispiele einer solchen, die sich sogar in
inbrünstiger Liebe zu Gott äußern kann, finden sich in vielen Religionen.

Ebenso wissen alle Religionen wenigstens ansatzweise, daß sich mit der Zuwendung zu Gott
auch ein sittliches Verhalten den Mitmenschen und ihrer Gemeinschaft gegenüber verbinden
muß. Dementsprechend gibt es keine menschliche Religion ohne ethische Gebote, die inhaltlich
den Forderungen der zweiten Gesetzestafel sehr ähnlich sein können. Daß unter den Heiden de
facto eine wenigstens teilweise Erfüllung des von Gott ihnen gegebenen Naturgesetzes
geschieht, erkennt auch Paulus (wie Rö 2,14f. u. 26) positiv an, – trotz seiner vorhergehenden,
das Gesamtbild düster schildernden Anklage des Heidentums in Rö 1,18 - 2,32.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich in der Menschheit die Wirklichkeit einer sich in allen
Religionen äußernden Religiosität erkennen läßt, die – wenigstens teilweise - auf Gottes in der
allgemeinen Offenbarung geschenkte Vorgaben positiv antwortet. Diese Schau liegt offensichtlich
dem Gottesausspruch in Maleachi 1,11 zugrunde, der in seiner innerbiblischen Einzigartigkeit
erstaunlich ist: "Denn vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang ist mein Name groß unter den
Völkern, und überall werden meinem Namen Weihrauch und Opfer dargebracht, und zwar reine
Gaben; denn groß ist mein Name unter den Völkern".

2. Dies ist allerdings nicht als allgemeine Zustandsbeschreibung der vorfindlichen Religionen zu
verstehen. Paulus macht nämlich in seiner berühmten Missionspredigt auf dem Areopag in Athen
(Apg 17,16-34) deutlich, daß die von den Heiden in ihrem Kult demonstrierte Gotteserkenntnis
eine sehr beschränkte und gebrochene geblieben ist. Trotz seiner positiven Anknüpfung an den
einem unbekannten Gott geweihten Altar ist das eigentliche Ziel der Predigt nicht aufzuzeigen,
wie weitgehend die athenische Religion, bzw. Philosophie mit dem biblischem Glauben
übereinstimme. Vielmehr will Paulus gerade umgekehrt den Griechen aufdecken, "daß ihnen trotz
gewissen Wahrheitselement ihres Glaubens alles Wesentliche 'unbekannt' ist und sie in die Irre
gehen." Die in sich lobenswerte religiöse Suche der Heiden hat also noch nicht bis zur Erkenntnis
des wahren Gottes geführt. Bestenfalls sind sie zu einem ihnen unbekannten Gott gelangt, hint er
und über dem allerdings letztlich der eine, lebendige Gott Himmels und der Erde steht: "Was ihr
verehrt, ohne es zu kennen, das verkündigen wir euch"(Apg. 17, 23b).

3. Das Scheitern der religiösen Bemühungen des gefallenen Menschen zeigt sich aber nicht nur
in der Unvollkommenheit der Gotteserkenntnis, die er mit seinem natürlichen
Wahrnehmungsvermögen gewonnen. hat. Die Tragik der nichtchristlichen Religion beruht
vielmehr darauf, daß das menschliche Streben, aus der innerweltlichen Eingeschlossenheit
durchzubrechen zur wahren himmlischen Wirklichkeit, selbst hineingenommen worden ist in die
gottwidrige Willensrichtung des Sünders. Der religiöse Mensch sucht nämlich nicht wirklich "von
ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Gemüte" (5Mo 6,5; 10,12; Mt. 10,12) den heiligen
Gott, um Ihn zu lieben und zu ehren. Vielmehr sucht er in seiner sündigen Verkehrung bei Gott
oder gar an Ihm vorbei, was ihm, dem sündhaften Menschen, selbst zur Bereicherung seines
Lebensgenusses wertvoll erscheint, ohne dem Schöpfer dafür die schuldige Verehrung und den
kindlichen Dank zu erweisen. Das wahre Erkennen Gottes is t nämlich von dem rechten Respekt
Ihm gegenüber untrennbar. Deswegen tritt im selben Augenblick, wo sich der Mensch von Gott
dem Geber abwendet zugunsten Seiner Gaben, oder wo er sich egozentrisch in sich selbst
verkrümmt (Luther), die schon angesprochene Verdunkelung seines Herzens ein: Gott überläßt
den sich von Ihm trennenden Menschen sich selbst und den Auswirkungen seiner Sünde (Rö
1,18ff.). Die Religion der Heiden ist, wie Paul Althaus sagt, zustande gekommen durch Abfall von
dem lebendigen Gott, von der Wahrheit, die er in seiner ur-offenbaren Wirklichkeit ist". Ein
abstößiger abergläubiger "Naturkult" verdrängt die reine Gottesverehrung. In der Magie und dem
Spiritismus bemächtigt sich der Mensch selbst durch Beschwörungsriten des Objektes seines
Begehrens. Damit gerät der Götzendiener in die Gefangenschaft der von ihrem
Schöpfungszweck isolierten naturhaften Kräfte und Triebe, wie besonder s schamlos in Gestalt
homosexueller Praktiken (Rö 1,26f.).

Weil der gefallene Mensch vergißt, daß er in allem seinem Tun von Gott abhängig ist, sucht er
den ns Elend bringenden Konsequenzen seiner Sünde dadurch zu entrinnen, daß er sich Wege
und Mittel ausdenkt, sich selbst zu erlösen. Die vielgestaltigen rituellen, gesetzlichen oder
asketischen Bemühungen kennzeichnen den eigenmächtigen Charakter der nichtchristlichen
Erlösungsreligionen. Segen und Heil – auch wenn man sie im Prinzip noch von Gott erwartet –
werden so als Verdienst des frommen Bemühens des Menschen mißverstanden. In jedem
religiösen Akt seitens des sündigen Menschen schwingt immer auch ein Element des Aufruhrs
gegen Gott mit, wie zugleich auch eine Fluchtbewegung; denn der schuldig Gewordene wagt
nicht, sich dem Heiligen verantwortungsbewußt zu stellen.

Die Güter, welche der sündige Mensch in seinen Religionen zu erlangen hofft, können sehr
unterschiedlich sein. Die Spannweite reicht von der Sicherstellung der elementaren
Lebensbedingungen in den Stammesreligionen bis hin zur Überwindung des Todes in einem
wiedergewonnenen ewigen Leben, z.B. bei den alten Ägyptern. Leben, Wissen und Macht sind
die Objekte des Begehrens, um derentwillen schon das erste Elternpaar willentlich das Gebot
Gottes übertrat und dadurch die Gemeinschaft mit Ihm aufkündigte. Diese Objekte werden noch
überboten durch das sich mit ihrem Begehren verbindende blasphemische Verlangen, wie Gott
zu sein, d.h. sich selbst zu vergotten, statt die Vollendung seiner Gotteskindesschaft von Gott her
gehorsam abzuwarten (vgl. Joh 10,34-36; 1Joh 3,1-3; 2Petr 1,4b). Mit diesem überheblichen
Begehren ist die totale Emanzipation des Menschen von seinem Schöpfer erreicht. Eva und
Adam schieben Gottes ausdrückliches Verbot bei seite und bezweifeltn die Wahrheit Seiner
Worte, um die Verwirklichung des Sinnes ihrer menschlichen Existenz in eigene Hände zu
nehmen.

Dieses Anmaßen stammte allerdings ursprünglich nicht aus ihrem eigenen Herzen. Vielmehr ist
es ihnen gemäß des Urberichts in 1Mo 3 eingeflüstert durch eine außermenschliche, gottwidrige
höhere Macht. Das führt uns zum dritten wesentlichen Bezugspunkt unseres tripolaren
Religionsverständnisses:

III. Die dämonische Dimension:

Die heidnische Religion im Bannkreis des Teufels

Wenn man in die theologische Diagnose der Religionen die Versuchungsgeschichte einbezieht,
ja sie sogar zum Ausgangspunkt macht, so wird es offenbar, daß in der biblischen Schau des
Heidentums vom 1. Mosebuch bis zur Johannes-Apokalypse die dämonische Perspektive eine
mitbestimmende Rolle spielt. Erkennt man in der folgenschweren Versuchung des Weibes durch
die Schlange einen kultstiftenden Akt, so wird es unheilsgeschichtlich einsichtig, daß in den
Beweggründen der heidnischer Religionen, im Vollzug heidnischer Opfer und in den heidnischen
Ekstase-Erfahrungen, okkulte Mächte als real gegenwärtig und wirkend diagnostiziert werden.
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament begegnet uns eine Gleichsetzung der heidnischen
Götter mit den Dämonen (5Mo 32,17; Ps 106,37; 1Kor 10,20), und die heidnische Religion als
solche wird dem Bereich der Finsternis bzw. der Herrschaft des Teufels zugeordnet (Apg 26,18;
2Kor 6,14-18; Eph 2, 2; Kol 1,13). Die dämonische Kompone nte gilt es in Anbetracht ihrer
mitbestimmenden Bedeutung, im Auge zu behalten. Allerdings müssen wir dies - gemäß unserer
tripolaren Schau - tun in spannungsvoller Zusammenschau mit den beiden oben behandelten
Dimensionen, der göttlichen und der menschlichen.

Daß die Religion in der Tat neben allem positiv Beeindruckenden oder unser Mitgefühl
Erweckenden auch eine finstere Seite besitzt, vor der bereits die apostolischen Missionare
erschraken (Apg 17,16) ist auch die Erfahrung der neuzeitlichen Missionsgeschichte. Nicht nur
Missionare berichten über ihre erschreckenden Erlebnisse von Manifestationen okkulter
Wirklichkeit sowohl in den "animistischen" als auch in den höheren Religionen. Unwiderleglicher
noch sind die Zeugnisse neubekehrter Christen, welche gerade im Kampf mit ihren bisherigen
fremdreligiösen Bindungen die versklavende Gewalt der darin wirkenden okkulten Kräfte
erfuhren.

Die biblische Schau vom dämonischen Ursprung und Wesen der Fremdgötterverehrung wurde
von den altkirchlichen Vätern voll übernommen und aktualisiert. Nach Justinus und Clemens sind
die heidnischen Götter böse Dämonen, die die Menschen hassen. Sie veranlassen sie, den
trügerischen Mythen zu glauben und entsprechende schamlose Kulte zu praktizieren. Auch noch
Augustinus verurteilt unter Berufung auf Ps 56,5, Ps 115,5 und 1Kor 10,19f. den sakrilegischen,
dämonischen Charakter der heidnischen Riten. Er erklärt die Götter des Polytheismus als
"nutzlose Idole, unreine Geister und verderbliche Dämonen oder ganz gewiß Geschöpfe und
nicht Gott". Diese Schau hat sich weitgehend durch die ganze Geschichte von Kirche, Mission
und Theologie gehalten bis in das erste Drittel dieses Jahrhunderts

Dagegen ist die dämonologische Diagnose in der zeitgenössischen Religionstheologie


weitgehend zurückgetreten; ja sie ist durch die rationalistische bzw. auch theologische
Entmythologisierung sogar völlig ausgeblendet worden. Auch in der offiziellen römisch-
katholischen Missions- und Religionstheologie begegnen uns seit dem II. Vatikanischen Konzil
nur noch verhaltene Hinweise auf den in der früheren Lehrtradition doch so nachdrücklich
hervorgehobenen düsteren Zug der nichtchristlichen Religionen.

Zu Recht konnte Walter Freytag "das Dämonische in den Religionen" als einen "vergessenen
Faktor in der Diskussion über die Religionen" bezeichnen.

Die Religion des Menschen hat also schon von Anfang an zwei gegensätzliche transzendentale
Veranlassungen, die sich beide auf den "Baum der Erkenntnis" (2Mo 2,9) als religiöses Ursymbol
beziehen: Die eine ist das sich gegen den eigenmächtigen Genuß seiner Frucht richtende Verbot
Gottes, an welchem der Mensch in seiner Gottesbeziehung reifen sollte; die andere
Veranlassung ist die Verlockung der Schlange, welche den religiös Suchenden in die
entgegengesetzte Richtung weist: Erlangung des Heils aus eigenen Kräften oder gar aus Satans
okkulten Quellen.

Ich fasse zusammen: Die außerbiblischen Religionen haben von Anfang an drei zu
unterscheidende Veranlassungen: eine (in sich selbst widersprüchliche) menschliche Motivierung
und zwei einander entgegengesetzte tranzendentale Ursprünge, nämlich einen göttlichen und
einen dämonischen. Angesichts dieser Ambivalenz ist es theologisch unzulässig, den
nichtchristlichen Religionen pauschal eine eindeutige Ausrichtung auf das Evangelium hin
zuzusprechen.

IV. Jesus Christus – der einzige Weg, Gott wahrhaft zu erkennen

Unsere religionstheologische Untersuchung hat ergeben, daß wir die Frage: "Kennen die
Religionen den wahren Gott?" – wenn sie so zugespitzt gestellt wird – mit "Nein" beantworten
müssen. Die Hl. Schrift zeigt uns eindeutig, daß die außerisraelischen Völker in ihren heidnischen
Kulten fremden Göttern dienen, und daß sie dies in weitgehender Unwissenheit und Täuschung
über den wahren, lebendigen Gott Himmels und der Erde tun. Mit diesem biblischen Befund
stimmen auch die Ergebnisse der empirischen Religionsgeschichte überein.

Nun finden sich andererseits in zahlreichen Religionen –sogar unter urtümlichen Stämmen -
gewisse Anschauungen von der Gottheit, die – wenn auch gebrochen und überfremdet – dem
entsprechen, was die biblischen Autoren über Gottes Selbstbekundung in Schöpfung, Geschichte
und im menschlichen Gewissen aussagen(Röm 1, 19-23). Deswegen tun wir gut daran, diesen
sich von zwei Blickwinkeln her ergebenden dialektischen Tatbestand in einer "natürlichen
Theologie" festzuhalten.

Darüber hinaus gibt es später entstandene Religionen, welche zu uns noch vertrauter klingenden
Aussagen über Gott gelangt sind. Sie haben diese nämlich übernommen aus der
Wirkungsgeschichte des Christentums - v.a. der Missionspredigt -, sie dann allerdings auch
synkretistisch verfälscht. Das ist nämlich das Wesen einer "nachchristlichen Religion", die durch
diese Verbindung von Ähnlichkeit und Verkehrung zur "antichristlichen Religion" wird.

Besonders trifft dies für den Islam zu. Dessen Begründer Mohammed hatte ja auf seinen
Handelsreisen auch die eindringliche Verkündigung syrischer Mönche gehört und war von dem
im Namen des einen Gottes betonten eschatologischen Gerichtsernst tief beeindruckt worden.
Das spiegelt sich auch in den ersten, zur mekkanischen Zeit niedergeschriebenen Suren wider.
Im Koran wird Allah – der arabische Name für Gott – als allmächtiger und allwissender Schöpfer
beschrieben, der die Geschicke der Menschen in seinen Händen hält und ihnen am Jüngsten
Tage nach ihren guten und bösen Taten vergelten wird. Diese Aussagen, noch dazu, wenn alle
Suren ihn eingangs als den "Barmherzigen und Allerbarmer" bezeichnen, sind ja in sich nicht
falsch. Aber aus zwei Gründen vermitteln sie keine zureichende Gotteserkenntnis:

Zum einen fehlen dem islamischen Gottesbild wesentliche Züge der authentischen
Gottesoffenbarung im Alten und Neuen Testament: Die Muslime erfahren nicht, daß – wie es im
1. Johannesbrief (4, 8) heißt – Gott Liebe ist. Auch fehlt unter den vielen Beinahmen, welche sie

Allah geben, - man zählt 99 solcher – ausgerechnet derjenige, der für uns Christen der wichtigste
ist, weil Jesus uns gelehrt und durch seine Versöhnungstat ermöglicht hat, Ihn so anzurufen:
Vater! (Matth. 6,9) Abba, lieber Vater! (Röm 8,15)

Zum anderen werden im Koran vehement einige Aussagen über Gott bestritten, die für das
christliche Bekenntis zu Gott grundlegend sind, nämlich seine Dreifaltigkeit, die damit verbundene
Göttlichkeit Jesu als Sohn Gottes des Vaters, wie schließlich auch die personale Gottheit des
Heiligen Geistes. Gott in drei Personen anzurufen, wäre sogar die unvergebbare Sünde "shirk =
Beigesellung) und wird als Blasphemie scharf verurteilt.

Aufgrund dessen nimmt das islamische Gottesbild die Züge eines dem Menschen weit entrückten
Willkürpotentaten an, der letztlich nur ein anderes Wort für das blinde Schicksal ist. Wenn aber
die Muslime meinen, den Willen Allahs nicht nur erkannt zu haben, sondern ihn in gehorsamer
Unterwerfung rücksichtslos vollstrecken zu müssen, können im Namen Allahs die grausamsten
Verbrechen begangen werden. Dafür liefert der islamistische Terror in vielen Ländern
entsetzliche Beispiele.

In Gestalt des koranischen Allah ist also die des biblischen Gottes verzerrt. Das liegt zum einen
daran, daß im Islam menschliche Spekulation an die Stelle der persönlichen Selbstoffenbarung
Gottes einen rationalen Monotheismus gesetzt hat. Zum anderen – schlimmer noch! – muß
bereits der den Mohammed inspirierende Offenbarungsengel Gibrel (=Gabriel) als ein lügenhafter
Geist identifiziert werden. Dieser widersprach angeblich im Namen Allahs diametral zentralen
biblischen Aussagen über die Gottessohnschaft Jesu (Sure 9,3o; 19,91-93) und seinen Sühnetod
am Kreuz (Sure 4,156). Im Licht von 1 Joh 4, 2f müssen wir diesen Geist diakritisch als einen
Dämon, ja als den Geist des Antichrist entlarven; denn dieser ist es ja, der die Menschwerdung
Gottes in Jesus Christus bestreitet. .Das aber bedeutet, daß aus den im Namen Allahs getanen
antibiblischen Äußerungen des Koran wie auch aus deren fanatischer Anwendung heute, z.B. der
islamistischen Anweisung und Praxis, Christen erbarmungslos zu verfolgen – letztinstanzlich
Satan selber spricht.

Wie aber konnte es zu zu diesen schrecklichen Entgleisungen des koranischen Ein-Gott-


Glaubens kommen? Die Ursache ist die: Schon Mohammed selbst verkannte, daß der ewige,
lebendige, eine Gott, auf dessen allmächtiges Walten er in der Tat gestoßen war, sich
authentisch, wahrhaftig und abschließend in Jesus von Nazareth geoffenbart hat. Dieser war
nicht bloß ein Prophet, wie Mohammed selber einer zu sein meinte. Vielmehr ist in Ihm Gott
selbst in Menschengestalt (Matth 11,27), in unlösbarer Verbindung beider Naturen, zu uns
gekommen, um uns den Vater zu offenbaren, um uns mit Ihm zu versöhnen und uns zu Seinen
Kindern zu machen. Sagt Jesus doch von sich selbst: "Wer mich sieht, der sieht den Vater" (Joh
14,9). Schon im Johannesprolog (1, 18) heißt es ja: "Niemand hat Gott je gesehen; der
Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat Kunde [d.h. authentische und volle
Kenntnis] von ihm gebracht."

Wahre Gotteserkenntnis, die über die vage Gottesahnung der Religionen weit hinausgeht, ist
möglich geworden, weil Gott selber im Kind von Bethlehem als Heiland zu uns gekommen ist und
sich uns in ihm, vermittelt durch zurückgehaltenen Zorn in dieser Zeit ständig provoziert, - und
dies besonders auch durch die abstoßenden Zügen ihrer Religionen: In der von diesen
gedeckten Unmoral – man denke an die hinduistische Witwenverbrennung – im Stolz der
Selbstrechtfertigung und schließlich sogar im Streben, sich selbst zu vergotten.

Zu all diesen gottwidrigen Zügen sagt Gott in seiner Volloffenbarung durch Jesus Christus ein
schneidendes Nein, zumal die Menschen sich dadurch in einen Selbstwiderspruch zu ihrem
besseren eigenen Wissen um Ihn (Röm 1,21.28; Apg. 17,29) begeben. Darum ergeht mit der
Verkündigung des Evangeliums an die Heiden zugleich auch ein Gericht über ihre Religionen.
Deren Zeit ist nunmehr endgültig abgelaufen; die

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Satan - der Widersacher Gottes

Auch Satan hat seine Geschichte. Es ist die klare, eindeutig erkennbare Lehre der Heiligen
Schrift, daß Satan keine bloße, abstrakte Idee, sondern eine konkrete, person hafte,
übersinnliche Realität ist, ein mit höchster Intelligenz begabtes, zwar gefallenes, aber
nichtsdestoweniger überaus machtvolles Geistwesen.[1] Gerade seine Werke zu zerstören und
die gefallene Schöpfung für Gott zurückzugewinnen und in Gott und für Gott zu verklären, war
der Hauptsinn des Erlösungswerkes Christi (1. Joh. 3, 8).

Die Heilsgeschichte der Bibel läßt sechs aufeinanderfolgende Hauptzustände Satans und des
Dämonischen erkennen. Diese sind von verschiedener Zeitdauer.

Luzifer in der höchsten Himmelswelt

Wenn auch die Heilige Schrift von den allerletzten, übersinnlichen Hintergründen des
Weltall-Geschehens nur wenig andeutet und auch nur mit der größten Zurück haltung vom
Ursprung und der Zulassung des Bösen spricht, so muß es dem bib lischen Denken doch
feststehen, daß der gewaltige Engelfürst, der heute, als Satan, der große „Widersacher“ Gottes
ist, nicht immer von vornherein in diesem Zu stand gewesen sein kann. Denn wenn Gott der
Schöpfer des gesamten Universums ist (Kol. 1, 16), muß auch Satan, seiner Existenz nach, auf
Ihn zurückgeführt wer den. Dann aber ist klar, daß, weil Gott der Heilige nichts Sündiges und
Gemeines unmittelbar aus Seiner Schöpferhand hervorgehen lassen kann, dies Geschöpf nicht
von vornherein böse, sondern fleckenlos und rein gewesen sein muß. Und darum muß es auch
erst später, an einem uns nicht erkennbaren, urweltlichen Zeitpunkt und auf eine uns völlig
unerklärbare Weise, den ersten, bösen Gedanken gefaßt haben und von Gott abgefallen sein.
Aus gewissen Hinweisen der Schrift läßt sich die Vermutung gewinnen, daß in Sonderheit
Hochmut das Wesen dieser dämo nischen Ursünde gewesen ist.[2] So war Satan ursprünglich
ein „Lichtträger“ (lat. Lucifer) göttlicher Herrlichkeit. Ja, es scheint, daß ihm, als einem der
besonderen Engel-Bezirksfürsten, ein großer Teil des Universums zur Verwaltung „übergeben"
worden war (vgl. Luk. 4, 6!). In diesem ursprünglichen Lichtzustand (vgl. Hes. 28, 14) war dieser
Engelfürst Gottes in der höchsten Himmelswelt.

Satan in den niederen „himmlischen Örtern“

Doch dann trat dieses Urereignis ein, das aller Not im Universum zugrunde liegt. Luzifer fiel von
Gott ab und stand fortan als Fürst eines organisierten Gegenreichs Gott und Seinem Lichtreich
entgegen. Er war „Feind" und „Wider sacher" geworden.[3] Mit diesem Fall war sein Sturz aus
den höchsten Himmels regionen verbunden. „Ich sah den Satanas vom Himmel herabfallen wie
einen Blitz“, erklärt Christus (Luk. 10, 18). Satans Weltbezirk wurde mit in die Auswirkungen
seines Falles hineingezogen. Er selbst blieb in den niederen Himmelsregionen (Eph. 6, 12) der
„Fürst der Gewalt der Luft“ (Eph. 2, 2). Doch hat er auch von hier aus, wie die Geschichte Hiobs
(Hiob 1, 6; 2, 1), die Weissagungen des Sacharja (3, 1) und die Offenbarung des Johannes (12,
10) beweisen, für be stimmte Gelegenheiten Zutritt zum Himmelsthron. In diesen niederen
„himmlischen Örtern“ bleibt er, bis er in der Endzeit mit seinen Engeln und Dämonen vom
Erzengel Michael auf die Erde „herabgeworfen“ werden wird (Off. 12, 7-13).

Im einzelnen sind für diese ganze, unübersehbar lange Zeit drei Haupt-Unter zeitabschnitte
erkennbar:

a) Satan als Widersacher Gottes in der vormenschlichen Erdenzeit: Von seinem Fall bis zur
Erschaffung des Menschen. In dieser Zeit
ist Satan der Herr der verheerten Schöpfung.

b) Satan als Widersacher Gottes in der vorchristlichen Mensch heitszeit. In dieser Zeit ist Satan,
nach seinem Sieg über den Menschen
(1. Mos. 3), der unbesiegte Herr der von ihm besiegten Menschheit: vom Sünden fall des
Menschen bis zum Kreuzestod Christi.

c) Satan als Widersacher Gottes in der christlichen Gemeindezeit. Dieser Zustand währt vom
Kreuzessieg Christi bis zum
Herabgestoßenwerden Satans auf die Erde durch den Erzengel Michael (Off. 12, 7-13). In
dieser Zeit ist Satan der grundsätzlich
durch das Kreuz Besiegte,[4] aber doch noch - außerhalb der Gemeinde (Kol. 1, 13) - auf
Erden regierend.[5]

So setzt mit dem Sündenfall des Menschen in der Menschheitsgeschichte gleich sam eine
schwarze Schlangenlinie ein. Sie züngelt sofort nach drei Rich tungen:

in die Unterwelt - dort schafft sie die Todeslinie; denn der Sold, den die Sünde zahlt, ist der Tod
(Röm. 6, 23),

in die Menschenwelt - dort schafft sie die Dämonisierung der Völkergeschichte (vgl. Dan. 10, 13;
20) und

in die obere Geisterwelt - dort ist Satan fortan, auch im Hinblick auf die Ent wicklung des
Menschen, der „Fürst der Gewalt der Luft“ (Eph. 2, 2).
Dann aber trat jenes gewaltige Ereignis ein. Satan wurde am Kreuz grundsätz lich besiegt. Der
Fürst der Welt wurde gerichtet,[6] der Starke vom Stärkeren über wunden (Matth. 12, 29), der
Schlange der Kopf zertreten (1. Mos. 3, 15). Und mit dem Fürsten der Finsternis wurde auch sein
Reich überwunden. Durch das Kreuz hat der „in die Ferse Gestochene“ die Fürstentümer und
Gewalten ausgezogen, ihrer Rüstung beraubt, sie öffentlich an den Pranger gestellt und Triumph
über sie ge halten (Kol. 2, 15). Von nun an kommt es zu einer fortschreitenden Entdämonisie
rung der Menschheit. Denn jedesmal, wenn ein Mensch durch den Glauben die Heilswirkungen
des Gekreuzigten für sich in Anspruch nimmt, wird seine Persön lichkeit - dieser Teilbezirk der
Herrschaft Satans - dem Bösen entwunden. Der Fürst der Welt wird „hinausgeworfen“ (Joh. 12,
31), ein Teil seines Reiches ist ent dämonisiert, und der Gerettete ist aus der Obrigkeit der
Finsternis versetzt in das Königreich des Sohnes Gottes.[7] So ist Satan in Wirklichkeit der große
Verlierer. Zwar bleibt er zunächst noch eine Majestät, wenn auch eine gefallene und finstere
(Judas 9); zwar sucht er noch mit Macht und List den Menschen zu verblenden (2. Kor. 4, 4), zu
beherrschen und zu verderben (Eph. 2, 2); zwar sucht er sogar die Erlösten und Erretteten zu
belasten und anzuklagen;[8] aber dennoch bleibt es bestehen, daß Christus der Sieger ist und
die Seinen an Seinem Siege teilhaben werden.

Zuletzt aber wird es zu dem entscheidenden Endkampf kommen.

Satan auf der Erde

Alles steigert sich zur Endkrise hin. Darum werden die Gegensätze nicht all mählich
ausgeglichen, sondern verschärft. Darum ist das Ende der Namenchristen heit nicht etwa eine
schließlich erreichte Kulturverchristlichung, sondern das Anti christentum. Darum ist auch die
Endentwicklung zugleich der Entscheidungskampf zwischen Gott und dem Teufel. Dabei aber
wird Satan, trotz all seines Wütens, der Unterlegene sein. Es entsteht „ein Kampf in dem
Himmel“, und Michael und seine Engel werfen den Drachen und seine Engel auf die Erde herab
(Off. 12, 7-9). Zwar bedeutet dies, daß Satan jetzt in ganz besonderer Weise auf der Erde wüten,
die ungläubige Menschheit dämonisieren, ja, ein antichristliches Völkersystem zu teuflisch
inspirierter Herrschaft und Macht emporheben kann (Off. 13, 4-8); aber dies Toben und Wüten
sind doch nur die krampfhaften Zuckungen eines der Besiegung und Fesselung
anheimgegebenen, wilden Revolutionärs (Off. 12, 12).

Zuletzt kommt der Endschlag. Christus erscheint, mit Ihm die Heerscharen des Himmels (Off. 19,
11-16), und wie Satan und die antichristliche Völkerrevolte dasvorletzte Wort in der
Menschheitsgeschichte gehabt haben werden, so wird nun Christus das letzte Wort haben. „Und
es wurden ergriffen das Tier und der falsche Prophet . . . und in den Feuersee geworfen, der mit
Schwefel brennt“ (Off. 19, 20), und was Satan selbst betrifft, so sagt Johannes, der Prophet: „Und
ich sah einen Engel aus dem Himmel herniederkommen, welcher den Schlüssel des Abgrundes
und eine große Kette in der Hand hatte. Und er griff den Drachen, die alte Schlange, welcher der
Teufel und der Satan ist, und er band ihn tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und schloß
zu und versiegelte über ihm“ (Off. 20, 1-3).

Satan im Abgrund

Im Zustand dieses Gefesseltseins bleibt Satan während der Zeit des Tausend jährigen Reiches.
Jetzt kann die Menschheit aufatmen. Denn die Verführungsmacht des Teufels ist ausgeschaltet
(Off. 20, 3). Die schwarze Schlangenlinie, die seit dem Herabgeworfensein Satans durch den
Erzengel Michael von der niederen Himmelswelt auf die Erde herabgeschnellt war und sich eine
Zeit (von Off. 12 bis Off. 19) auf der Erde selbst entlanggewunden hatte, wird nun in die Unter
welt gestoßen und windet sich dort unten während dieser ganzen Zeit der tausend Jahre (Off. 20,
3; 7). Sie kann aber keinen Einfluß nehmen auf das Geschehen auf der Erde selbst. Das
bedeutet für die Mensch heit eine ungemein große Erleichterung, Gott untertan zu bleiben.
Andererseits bedeutet es eine Erhöhung der Verantwortlichkeit, wenn der Mensch nun trotzdem
dennoch sündigt. Daher auch die schärfere Gerichtsbarkeit im Tausendjährigen Reich.[9]
Satan wieder auf Erden. Gog und Magog

Zuletzt aber muß auch auf diese glanzvolle Zeit des sichtbaren Gottesreiches die Probe des
Erfolges gemacht werden. Auch die Völker des Millenniums sollen freie
Entscheidungsmöglichkeit haben. Niemand soll Gott in der Ewigkeit gezwungen dienen. Darum
„muß“ Satan nach den tausend Jahren losgelassen werden, wenn auch nur für eine „kleine Zeit“
(Off. 20, 3 b; 7).

Das Ergebnis ist erschütternd. Die Menschheit verwirft den gütigen Gott, der sie in
tausendjähriger Friedensherrschaft mit einer geradezu unbegreiflichen Fülle von Segnungen
überschüttet hatte und erwählt sich Seinen Todfeind, den Teufel! Dar um ist Weltgericht und
Weltuntergang die einzige Antwort, die der heilige Gott jetzt nur noch geben kann (Off. 20, 7-15).

Satan im Feuersee

Der Teufel aber, der die Menschheit verführte, wird in den Feuer- und Schwefel see geworfen, wo
sowohl das Tier (der Antichrist) ist als auch der falsche Prophet (Vers l0). Ihnen folgen im letzten
Endgericht vor dem Großen Weißen Thron alle, deren Namen nicht geschrieben gefunden
wurden im Buche des Lebens.[10]

Von einem Herauskommen aus dem Feuersee und einer endlichen Errettung auch der im
Endgericht Verdammten weiß die Heilige Schrift nichts. Aus dem Feuersee zeigt die Bibel keine
Verbindungslinien wieder zu Gott zurück. Das ist ungeheuer ernst. Hier gilt es, ganz unter der
Bindung des göttlichen Wortes zu bleiben. Wie erschütternd ist dies Ganze! Wie furchtbar sind
die Gewalten, die hinter aller Sünde und allem Elend eines gefallenen Menschengeschlechts
stehen! Aber wie gewaltig ist erstrecht Gott! Er überwindet den Feind, macht Seine eigene
Siegeskraft offenbar und schenkt allen, die sich auf Seine Seite stellen, ewiges Leben.

Darum die ernste Frage: Auf wessen Seite stehst du? Auf der Seite Gottes oder Seines
Gegners? Eine Neutralität gibt es hier nicht. Entweder ist Christus dein Glück oder Satan dein
Verhängnis! Bedenke: Von deiner persönlichen Stellung nahme hängt dein eigenes, ewiges
Geschick ab. Darum wähle Christus, das Leben, auf daß du lebest.

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SATAN, DER FÜRST DIESER WELT

- DER WIDERSACHER DES MENSCHEN -

I. Gibt es einen persönlichen Teufel?

Die Bibel lehrt das Dasein eines persönlichen Teufels.

Über diese Lehre ist viel gespottet worden, in ungezählten Fällen allerdings ohne eigenes,
ernsthaftes Nachdenken. Gar zu oft ist »Freidenker«-sein nicht viel mehr als »frei« sein vom
»Denken«. In Wahr heit aber erweist sich auch hier die biblische Weltanschauung als über die
Kritik und Gedankenlosigkeit ihrer Gegner turmhoch erhaben Dies zeigt schon eine kurze
naturphilosophische Überlegung.

1. Das Zeugnis von Natur und Geschichte.


Unleugbar ist die uns bekannte Naturordnung keine vollkommene. Eine absolute Welthar monie
existiert nicht. Vielmehr bietet uns die Natur einen rätselhaften Zwitterzustand dar von Glück und
Unglück, Weisheit und Unver nunft, Zweckmäßigkeit und Zerrüttung. Jubel und Jammer, Güte
und Grausamkeit, Lebensfreude und Todesweh - dies alles durchzuckt den Organismus der
Erdwelt

a. Die Disharmonie in der Welt. Diese beweist zunächst noch nicht das Vorhandensein
gottfeindlicher Mächte. Denn Unvollkommenheit an sich braucht noch nicht notwendig eine Folge
von Gottwidrigem zu sein. Es ist klar, daß zu den vom Schöpfer Selbst gegebenen Ge setzen der
raum-zeitlichen Welt auch der Grundsatz der Entwicklung gehört. Die Welt, wie Gott sie will, muß
werden. Im Begriff der Ent wicklung aber liegt es, daß das, was sich entwickelt, sich aus einem
relativ niederen Zustand in einen höheren und vollkommeneren ent wickelt, bis zuletzt das
Endziel des ganzen Werdeganges erreicht ist. Eine absolute Gleichheit des
Vollkommenheitsgrades der einzelnen Stufen würde den Begriff der Entwicklung und des
Werdens aufhe ben. Wenn es also nun einen Gradunterschied zwischen relativ un vollkommenen
und relativ vollkommeneren Stadien in der Schöpfung gibt und geben muß, so ist, für eine auf ein
Werden hin angelegte Welt, eine solche relative Unvollkommenheit etwas Gottgewolltes und
Gottgegebenes, solange die Entwicklung andauert.

Dies ist aber nicht die Unvollkommenheit, welche die gegenwärtige Welt offensichtlich
kennzeichnet. Allerdings zeigt sie auch zahlreiche solchenormalen Unvollkommenheiten, die mit
dem Begriff jedes Wachstums notwendig gegeben sind. Vorherrschend ist aber eine andere
Unvollkommenheit, eine anormale, die ein Prinzip der Hem mung in sich birgt. Niemand wird
behaupten, daß Sterben nur ein geringerer Grad vom Leben, daß Lügen nur eine Vorstufe der
Wahr heit, daß Mord ein Anfangsstadium der Nächstenliebe sei. Sinnlos und wirklichkeitsfremd
ist darum die Idee des Pantheismus, daß al les, was wir als »Übel« empfinden - sogar das Böse
und der Tod - keine unnormalen, sondern normale Unvollkommenheiten seien, d. h. notwendige
Durchgangsstadien des Gottwelt-Evolutionsprozesses, etwa wie Kälte nicht ein Widerspruch zur
Wärme, sondern nur ein geringerer Grad der Wärme sei.

Nein, durch die Natur geht ein ganz anderer, viel gewaltigerer Riß! Hinter dem Kampf in der Natur
steht offenbar irgendwie eine Revolution. Der unserer Erfahrung zugängliche kleine Ausschnitt
aus dem Kosmos ist für jeden Beobachter in einer rätselhaften Verfas sung. »Auf der einen Seite
zeigt er zuviel Vernunft, Weisheit und Glück, um die Gottesleugnung zu rechtfertigen; auf der
andern Seite zeigt er zuviel Unvernunft, Bosheit und Unglück, um den Gottesglau ben
wahrscheinlich zu machen. Er macht den Eindruck eines großar tigen Tempels in trümmerhaftem
Zustande, dessen tiefsinnige In schriften von einem Unbekannten boshaft und geschickt karikiert
worden sind« (Dr. von Gerdtell).

Daß es Dinge in der Welt gibt, die wir als etwas Böses und Übles empfinden, ist zweifellos. So
die Störungen des Gleichgewichts der Naturkräfte, die Leiden und der Tod bewußter, lebendiger
Wesen. Fragen wir aber nach dem Woher, so ist ebenso sicher, daß das Vor handensein des
Bösen und des Übels mit dem Begriff eines persön lichen, heiligen und vollkommenen Gottes im
Widerspruch steht. Wohl ist das Gute im Weltenplan Gottes nicht möglich ohne die Mög lichkeit
des Bösen; aber die Wirklichkeit des Bösen und die damit verbundenen, tatsächlichen
Weltstörungen können nimmermehr als etwas Notwendiges von Gott gesetzt worden sein. Denn
wäre dies alles im Anfang nötig gewesen, so ist nicht einzusehen, warum es nicht immer so
erforderlich sein sollte.

b. Die Wirklichkeit des Dämonischen. Nein, will man mit dem Be griff der Schöpfung als einer
Offenbarung des Wesens des Schöpfers und mit dem Begriff der Offenbarung als einer
Sichselbstoffenbarung des heiligen und vollkommenen Gottes Ernst machen, so ist es restlos
unmöglich, eine Welt, die vom Scheitel bis zur Zehe dem Verderben verfallen ist, unmittelbar, so
wie sie ist, auf Ihn als den alleinigen Ursprung zurückzuführen. Dann aber können das Böse und
alle Übel auch nicht mehr als notwendige Durchgangsstadien der Weltentwick lung aufgefaßt
werden, als ein bloßes Noch-nicht des Vollkommeneren, sondern sie müssen als wirkliche
Hemmungen und Querwirkungen betrachtet werden und mithin als etwas Real-Konkret-Positives,
das sich der gottgewollten Weltentwicklung entgegenstellt. Das aber heißt: das Vorhandensein
des Weltleides und aller Übel beweist das Dasein einer transzendenten, von Gott nicht gewollten,
realen, dynamischen Gegenmacht. Die se aber muß ihrerseits als eine Persönlichkeit gedacht
werden, da Ethisches beziehungsweise Unethisches nur von bewußten, freien Wesen ausgesagt
werden kann.

Im Begriff eines absoluten und ewig vollkommenen Gottes liegt es, nur Einer zu sein und als
solcher der Ursprung alles außer und neben Ihm Bestehenden. Folglich muß auch diese
Gegenmacht, ihrer Exi stenz nach, auf Ihn zurückgeführt werden. Weil aber Gott zwar wohl etwas
geschichtlich noch Unvollendetes, nicht aber etwas Seiner Welt idee stracks Widersprechendes
schaffen kann, muß auch sie ursprüng lich rein und fleckenlos aus der Hand des Schöpfers
hervorgegangen sein. So bleibt zur Erklärung ihres gegenwärtigen, gottfeindlichen Zustandes nur
die Möglichkeit einesAbfalls übrig.

Mit diesem Ganzen ist die Existenz des Teufels als eine naturphi losophische Denknotwendigkeit
erwiesen.

Auch naturwissenschaftlich lassen sich gar keine Gegengründe ge gen diesen Glauben
einwenden. Die Naturwissenschaft lehrt, daß es in der Welt die allerverschìedensten Arten von
Lebewesen gibt. Al lein auf unserer kleinen Erde gibt es weit über zwei Millionen Lebe arten. Es
gibt Fische, die nur in der tiefsten Tiefe, und Vögel, die nur in der höchsten Gebirgsluft leben
können. Es gibt Tiere, die nur in der Hitze der Tropen, und andere, die nur in der Kälte der Polar
länder leben können. Aber alle sind wirkliche Lebewesen, so ver schieden auch ihre Natur ist. So
kann es auch - schon vom rein naturphilosophischen Denken aus geredet - Wesen geben,
dieohne stofflichen Leib sind, gleichwie die Lebewesen unserer Erdenwelt alle mit stofflichem
Leib sein müssen. Von einem naturwissenschaftlichen Überholtsein des Glaubens an das Dasein
guter oder böser Geist wesen kann darum überhaupt nicht die Rede sein.

Der moderne Mensch steht der Teufelsidee meist nur schon des halb von vornherein ablehnend
gegenüber, weil er dabei fast immer sofort an die derb-sinnliche und populär-schauerliche,
lächerlich-gro teske und albern-phantastische Teufelsvorstellung des Mittelalters denkt. Richtig
sagt Professor Dr. Ebrard: »Alle Einwände der Phi losophie gegen den Teufel gehen nicht gegen
ihn, wie er in der Bibel geschildert wird, sondern gegen die falschen Ideen, die man sich zu vor
über ihn ersonnen hat.« Und mit dem Tübinger Paläontologie- Professor Dr. Frhr. von Huene
muß gesagt werden, »daß die komische Figur mit Hörnern und Pferdefuß, die man im Mittelalter
und noch heute vielfach dem Teufel in Wort, Bild und Literatur gibt, mindestens ein Spielen mit
dem Feuer, ja eine Frivolität genannt wer den muß. Die Gefahr ist viel ernster und seine, auch
heutige Macht viel bedrohlicher, als die meisten Menschen es ahnen.« - »Gott mit der reinen
Sache, die Er hat und vertritt,offenbart Sich; der Böse mit der entgegengesetzten verbirgt sich«
(Professor Dr. Erich Schäder).

In Wahrheit ist der Teufel ein mit höchster Intelligenz begabtes, zwar gefallenes, aber
nichtsdestoweniger überaus machtvolles, per sönliches Geistwesen, dessen Existenz weder
philosophisch noch na turwissenschaftlich in irgendeiner Weise angreifbar ist. Und da es gerade
die Erde und der sie umgebende Teil des Weltalls ist, wo wir die Disharmonie, den Tod und das
Verderben beobachten, drängt sich schon der rein spekulativen Naturbetrachtung der Schluß auf,
daß diese Erde und wohl auch das mit ihr verbundene Sonnensystem die Domäne dieses
weltenbeherrschenden Machtwesens sei.

2. Biblischer Beweis.

Alle diese Schlüsse finden nun auch durch die Heilige Schrift ihre Bestätigung. Zweifellos ist der
Glaube an die Existenz eines persönlichen Teufels der Glaube Jesu und Seiner Apostel.
a. Das Zeugnis Jesu und Seiner Apostel. Schon gleich zu Anfang Seines öffentlichen Dienstes
weiß Jesu Sich in einen unmittelbaren Kampf mit Seinem Erzfeind, dem Teufel, gestellt. Die
ganze Versu chungsgeschichte Jesu beweist über allen Zweifel, daß es sich hier um eine
tatsächliche und ganz persönliche Auseinandersetzung zweier Hauptgegner handelt. Sowohl die
Berichterstattung der Evangelisten wie auch die Art des Verhaltens Jesu und Seine Worte selbst
zeigen klar, daß es sich hier nicht um ein bloßes »Prinzip« des Schlechten handelt, sondern um
eine wirkliche, tatsächliche vorhandene, spre chende und handelnde Person, eben nicht nur
»das« Böse, sondern »den Bösen«. »Der Versucher trat zu ihm hin und sprach« (Matth. 4, 3).
»Der Teufel nimmt ihn ... und stellt ihn auf die Zinne und spricht« (V. 5). »Dann verläßt ihn der
Teufel« (V. 11). »Der Teufel weicht von ihm« (Luk. 4, 13). Umgekehrt ebenso: »Jesus spricht
zuihm« (V. 7). »Jesus antwortete ihm« (Luk. 4, 3;). »Jesus spricht zu ihm« (Matth. 4, 10).

In gleicher Weise bezeugen auch andere Worte Jesu Seinen Glauben an die Existenz eines
persönlichen Teufels. Er sagt, Satan habe ein »Königreich« (Matth. 12, 26). »Ich sah den
Satanas herabfallen wie einen Blitz vom Himmel« (Luk. 10, 18). Er nennt ihn den »Für sten
dieser Welt« (Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11). Die ungläubigen Juden seien seine Kindеr. »Ihr seid
vom Vater, dem Teufel« (Joh. 8, 44). Golgatha ist für Ihn eine ganz persönliche
Entscheidungsschlacht ge gen diese persönliche Feindesgewalt. »Der Fürst der Welt kommt.«
»Der Fürst der Welt ist gerichtet.« »Der Fürst dieser Welt wird her ausgeworfen werden.«

Denselben Glauben teilen Seine Apostel. Darum spricht Paulus von dem »Fürsten über die
Mächte der Luft« (Eph. 2, 2), der seine »Gedanken« (2. Kor. 2, 11), ja, seine »Diener« hat, die
sich als Diener der Gerechtigkeit verstellen, gleichwie er selbst, der Satan, die Ge stalt eines
Lichtengels annehme (2. Kor. 11, 14). Der Zweck seiner eigenen, missionarischen Sendung
besteht für ihn darin, den Men schen »die Augen aufzutun, auf daß sie sich bekehren ... von der
Gewalt (Obrigkeit) des Satans zu Gott« (Apg. 26, 18), und siegesgewiß erklärt er im Römerbrief:
»Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter eure Füße zertreten« (Röm. 16, 20).

Den gleichen Glauben bezeugt Johannes. »Der Teufel sündigt von Anfang« (1. Joh. 3, 8). »Die
ganze Welt liegt in dem Argen« (1. Joh. 5, 19). »Der Sohn Gottes ist erschienen, daß er die
Werke des Teufels zerstöre« (1. Joh. 3, 8). Ohne Schwierigkeit ließe sich die Zahl sol cher
Beweise aus dem Evangelien und Apostelbriefen vermehren.

Wer diesen urchristlichen Glauben nicht teilt, kann unmöglich Jesus und Seine Apostel
verstehen. Es ist für den Glauben ein völlig unvollziehbarer Gedanke, daß Christus Sich in dieser
Frage etwa geirrt und an gewissen, bloßen Zeitvorstellungen Seiner Umwelt teil genommen
habe. Denn schon ganz abgesehen von der Tatsache, daß Christus, trotz Seiner
Selbstentäußerung, als menschgewordener Gottessohn über jeden Irrtum erhaben war, wür de
ein Irrtum in dieser Frage noch dazu bedeuten, daß Christus Sich über die Mächte, mit denen Er
Selbst zu kämpfen und die Er zu überwinden hatte, also über den Hintergrund, die geschichtliche
Vor aussetzung und das Ziel Seiner ganzen, eigenen Erlösertätigkeit ge täuscht habe! »Diese
Annahme aber ist«, wie Professor Erich Schäder mit Recht sagt, »für den Glauben unerträglich,
der mit Jesus als dem Erlöser und dem Bringer des Reiches Gottes im Geist verbunden ist ... Mit
dem Gedanken an Gottes Gericht über »das« Böse, d. h. die Sünde, verbindet sich ihm der
Glaube an das Gericht über »den« Bösen, der versucherisch und treibend hinter der
menschlichen Sünde steht.«

b. Weltuntergang und kosmische Revolution. Dazu kommt noch ein Weiteres. Nach der Bibel
wird einmal nicht nur die Erde, sondern auch der ganze, mit ihr verbundene Himmel in einer
gewaltigen Ge richtskatastrophe vergehen. Die Himmel werden mit Krachen aufge löst und die
Elementarstoffe in Flammenglut zerschmolzen werden. Die Erde wird mit all ihren Werken in
Feuer aufgehen, so daß alles dem Untergang verfällt (2. Petr. 3, 10; Offb. 20, 11; Matth. 5, 18).
Wenn aber nun die Schöpfung nur eine relative, aber sonst normale Unvollkommenheit eines
stetig voranschreitenden Wachstums hätte, so wäre auf keinen Fall einzusehen, warum sie nicht
ohne eine so furchtbare Katastrophe, nämlich in allmählicher Aufwärtsentwicklung ihrem Ziele
entgegengehen könnte. Und da es ferner unmöglich ist, diese Gerichtskatastrophe in ihrem
gesamten Umfang, auch in bezug auf die Himmel, als Folge des Sündenfalls der Menschen, der
Be wohner der Erde, anzusehen, so bleibt auch von diesem Gesichtspunkt aus nichts weiter
mehr übrig, als an eine übermenschliche Ursünde, eine kosmische Revolution zu denken, die im
Reiche der Geister statt gefunden haben muß.

c. Das Zeugnis der bibischen Urgeschichte. In diese Richtung scheint auch eine Andeutung der
Heiligen Schrift zu weisen. Der Mensch sollte den Paradiesesgarten bebauen und »bewahren«
(1. Mose 2, 15). Es muß also schon damals eine Gefahrenquelle vorhanden ge wesen sein, die
eine »Bewahrung« erforderlich machte. Die spätere Versuchungsgeschichte der Bibel beweist,
daß dieser Schlußfolgerung tatsächlich die Wirklichkeit entsprach. Es gab schon in jenen
Anfangs tagen der Menschheitsentwicklung eine Macht des Bösen, die dem Reich des Guten
entgegengesetzt war (1. Mose 3). Dabei muß diese gottfeindliche Gewalt in irgendeiner
Beziehung zur Erdenwelt ge standen haben, da sie gerade auf dieser ihre Verführungskunst
ausübt.

d. Engelorganisationen im Reich des Lichts und im Reich der Fin sternis. Aus den Weissagungen
Daniels erkennen wir, daß gewisse Gebiete der Schöpfung Gottes jeweilig bestimmten Engeln
unter stellt sind. Ihre Aufgabe ist es, in diesen, ihnen von Gott zugewiese nen
Schöpfungsbezirken im Namen Gottes die Herrschaft und Ver waltung auszuüben. Darum sind
sie zugleich »Wächter« und Hüter der Weltordnung Gottes (Dan. 4, 13). Auf ihre »Anordnung«
hin kön nen Königreiche, ja, Weltreiche zerschmettert werden. »Siehe, ein Wächter und Heiliger
stieg vom Himmel hernieder. Er rief mit Macht und sprach: Hauet den Baum (d. h. die
Königsherrschaft Nebukad nezars) um ... Durch >Beschluß< der >Wächter< ist dieser Ausspruch,
und ein >Befehl< der Heiligen ist diese Sache« (Dan. 4, 14; 17). So sagt auch Stephanus, daß
das Volk Israel das Gesetz auf »Anordnungen von Engeln hin« empfangen habe (Apg. 7, 53).

Grundsätzlich ähnlich ist die äußere Form der Organisation im Reich der Finsternis. So spricht
das Buch Daniel von einem »Engelfürsten von Griechenland« (Dan. 10, 20) und einem
»Engelfürsten von Persien« (V. 13). Damit sind zweifellos dämonische Geistesmächte gemeint,
die diese heidnischen Völker inspirieren und leiten. Auf der anderen Seite ist, in der Welt des
Lichts, der Erzengel Michael der Engelfürst des Volkes Israel, »der große Fürst, der für die Kinder
deines Volkes steht« (Dan. 12 ,1), »euer (Engel)fürst« (Dan. 10, 21).

Die Offenbarung des Johannes läßt erkennen, daß es sowohl in der unsichtbaren Welt des Lichts
als auch in der Welt der Finsternis geradezu Engelarmeen gibt, die je unter der Anführung eines
beson ders hervorragenden Engelfürsten stehen. So hat Michael »seine« En gel, und so hat der
Drache »seine« Engel: »Und es entstand ein Kampf in dem Himmel. Michael und >seine< Engel
kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte und >seine< Engel, und sie siegten nicht ob
... Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, welche Teufel und Satan
genannt wird ... Geworfen wurde er auf die Erde, und >seine< Engel wurden mit ihr
hinabgeworfen« (Off. 12, 7-9).

Dies alles zeigt, daß es Engelorganisationen gibt, »Throne, Herrschaften, Fürstentümer und
Gewalten«, wie Paulus es ausdrückt, nicht nur in der sichtbaren, sondern auch in der
unsichtbaren Welt (Kol. 1, 16; Eph. 1, 21). Von hier aus, so scheint es, ergibt sich auch eine
Möglichkeit, noch weitere Zusammenhänge des übergeschichtlichen Hintergrunds der
Weltallgeschichte zu ahnen.

e. Satan als gefallener Engelfürst Gottes. In der Versuchungsge schichte Jesu bietet Satan dem
Herrn alle Macht und Herrlichkeit der Reiche dieser Welt an, wenn Er nur niederfalle und ihn
anbete. Die Möglichkeit und Durchführbarkeit dieses seines Angebots begründet er mit dem
Hinweis darauf, daß ihm die Herrschaft über die Welt einst »übertragen« worden sei. »Mir ist
sieverliehen worden, und ich kann sie geben, wem ich will« (Luk. 4,6).

Dies ganze Angebot wäre aber für den Herrn als Versuchung von vornherein wesenlos gewesen,
wenn nicht tatsächlich eine solche Rechtsgrundlage für Satans Herrschaft in der Welt bestanden
hätte. In anderem Fall hätte Jesus nur einfach darauf hinzuweisen brauchen, daß für diesen
Rechtanspruch und diese Verfügungsmöglichkeit Sa tans in Bezug auf die Herrlichkeit der Welt
gar keine Voraussetzun gen vorhanden seien. Der Herr läßt aber diese Behauptung Satans
sachlichunwidersprochen und erklärt nur, daß man Gott allein an zubeten habe und Ihm allein
dienen solle (Luk. 4, 8). Damit aber er kennt Er grundsätzlich dem Versucher die Vollmacht an,
über die Reiche dieser Welt gegenwärtig verfügen zu können.

Das Gleiche liegt den verschiedenen Worten Jesu zugrunde, in de nen Er Satan den »Fürsten
dieser Welt nennt (Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11).

Mit diesem Ganzen verbindet sich das Zeugnis des Buches der Offenbarung. Denn wenn es dort
für die Zeit des Endes des gegen wärtigen Zeitlaufs heißt: »Die Herrschaft über die Welt ist an
unsern Herrn und seinen Gesalbten gekommen, und er wird als König in alle Ewigkeit herrschen«
(Offb. 11, 15 vgl. 19, 6), so liegt in diesen Worten ebenfalls die Andeutung, daß das Reich der
Welt bis zu jenem Au genblick unter der Botmäßigkeit eines andern, eben des Fürsten die ser
Welt, steht. Nun verstehen wir auch, warum der Erzengel Mi chael bei seinem Streit mit dem
Satan um den Leib des Mose nicht wagte, ein lästerndes Urteil über ihn auszusprechen, sondern
nur sagte: »Der Неrr strafe dich« (Judas 9).

Den Fall dieses gewaltigen Lichtfürsten scheint auch, wie schon die Rabbinen annahmen, die
Schilderung des gestürzten Babels bei Je saja mit im Auge zu haben: »O, wie bist du vom
Himmel gefallen, du Glanzgestirn, Sohn der Morgenröte« (Jes. 14, 12). Auch Hesekiel entlehnt
offenbar die Bilder seiner Beschreibung des Falles von Ty rus jenem Urereignis: »Du warst ein
gesalbter Cherub, der da schirmt; ich hatte dich dazu bestellt; auf dem heiligen Götterberge
weiltest du; inmitten feuriger Steine wandeltest du. Unsträflich warst du in all deinem Tun von
dem Tage deiner Erschaffung an, bis Verschuldung an dir gefunden wurde. Dein Sinn war
hochfahrend ge worden infolge deiner Schönheit; du hattest deine Weisheit außer acht gelassen
um deines Glanzes willen« (Hes. 28, 14-17).

Zweifellos ist in diesen beiden Prophetenworten nicht unmittelbar vom Fall Satans die Rede!
Offensichtlich ist das Wort Jesajas gegen den buchstäblichen, menschlichen König von Babylon
und das Wort Hesekiels gegen den buchstäblichen, menschlichen König von Tyrus gerichtet.
Darum können diese beiden Schriftabschnitte auch nicht als entscheIchnde, lehrhafte
Grundlagen für den Fall Satans angesehen werden. Aus bildhaften und dichterischen Worten
lassen sich nicht ohne weiteres lehrhafte Folgerungen ziehen. Diese müssen vielmehr in
bildlosen und unmittelbaren Schriftaussagen begründet sein. Diе Bedeutung der bildhaften
und dichterischen Schriftworte liegt vor nehmlich im Illustrativen und zwar, um der
Botschaft für Herz und Empfinden des Lesers und Hörers vermehrten Eindruck zu verleihen.
Dennoch ist unverkennbar, daß die Art und Weise der hier gegebe nen Schilderungen weit über
den Rahmen des rein Menschlichen und bloß Dichterischen hinausgeht.

Ähnlich wie König David ein Abbild seines himmlischen Ober herrn Christus ist, so sind hier diese
beiden heidnischen Könige Abbilderihres dämonischen Oberherrn.

Verschiedentlich in den Psalmen geht die Form der Schilderung von Erlebnissen Davids weit
über den menschlichen Rahmen seiner irdischen Persönlichkeit hinaus (z.B. Ps. 16; 22) und wird
mit der Geschichte des himmlischen »David« verflochten. So ähnlich - nur eben in umgekehrtem
Sinne - ist das Verhältnis der Könige von Babel und Tyrus zu Satan, ihrem Gebieter, der die
Geschichte der heidnischen Weltreiche als ihr eigentlicher Oberherr lenkt und inspi riert.

Darum kann der Sturz dieser heidnischen, irdischen Könige in sol chen poetischen Schilderungen
zugleich mitgeschaut werden mit dem Sturz des Königs des Reichs der Finsternis, und sowohl
Jesajas wie auch Hesekiel können die Bilder ihrer Beschreibung des Falles von Babel und Tyrus
jenem erschütternden Urereignis entlehnen, das in Wahrheit aller menschlichen Sünde, allem
menschlichen Aufruhr und auch allem menschlichen Zusammenbruch zugrundeliegt. Eine
verborgene mystische Bedeutung ist in diesen Prophetenworten verwo ben mit ihrer mehr
unmittelbaren, sofortigen Bezugnahme auf ört liche und historische Personen und Ereignisse. In
diesem indirekten Sinn nennt ein englischer Schriftausleger unserer Zeit, Dr. J. H. Bax ter, die
Könige von Tyrus und Babylon mit Recht »Spiegelbilder der Majestät Satans in seinem Fall«.

f. Die Verschwiegenheit der Bibel. Daß die Heilige Schrift über all diese Fragen nicht offenkundig,
ausführlich und unmittelbar redet, hängt mit ihrem ganzen Charakter und ihrer Zielsetzung
zusammen. Sie will, als die Urkunde des Heils, dem Menschen, prophetisch-geschichtlich, den
Weg zur Erlösung zeigen, ihr aber nicht, philoso phisch, das System einer Geschichts-, Welt-
oder Ewigkeitsanschau ung vermitteln. Denn wenn sie das wollte, würde kein Mensch sie
verstehen. Darum redet sie auch über den Ursprung des Bösen nur kurz und mittelbar, nur in
gelegentlichen, bildhaften Andeutungen, niemals aber in direkten Belehrungen und nirgends in
zusammenhän gender, unverhüllter Form. Sie will uns ja nicht die Geschichte der Engel, sondern
die Heilsgeschichte der Menschen beschreiben. Sie will uns das sagen, was wir wissen müssen,
um den Weg der Erlö sung zu finden.

Offenbaren tut Gott eben immer nur Sich Selbst. Dabei hat Er die Absicht, durch Wort und Tat
einen Heilsweg auf Erden zu ermög lichen, auf dem die sündige Menschheit zu Ihm
zurückgeführt wer den kann. Das Ziel Seiner Offenbarung ist also nicht theoretisch, son dern
praktisch. Darum bringt auch die Bibel keine denkmäßig-theolo gisch aufgebaute
Zusammenfassung von religiösen Lehrsätzen, etwa in der Art eines Katechismus oder einer
Dogmatik - so wertvoll solche Arbeiten in ihrem Aufgabenbereich auch sein mögen -, son dern
ganz schlichte, geschichtlich-prophetische Urkunden über das Wirken und Walten des Höchsten
im Leben hienieden. Dadurch sol len unsere Augen geöffnet werden, und eine neue Welt soll sich
uns auftun, in der wir Gott Selbst leben sehen.

Indem aber die Sonne der wahren Gottesidee am Firmament un seres Erkennens aufgeht, gießt
sie die Tageshelle ihres ewigen Lichts zugleich auch über die ganze Welt in uns und um uns aus.
Und da die göttliche Offenbarung ohne ihren übergeschichtlichen Hinter grund schlechthin
unbegreifbar wäre, muß die Heilige Schrift auch ihn kurz berühren, aber eben
nurhintergrundartig. Und da zu die sem Hintergrund auch wesentlich die Entstehung und
Wirksamkeit des personhaft Bösen gehört, läßt sie ebenfalls sein Dasein und seine Entwicklung,
wenigstens durch Andeutungen, in verhüllter Weise durchblicken.

II. Ursünde und Weltgestalt

Mit dem Fall Satans war aber auch, wie die spätere Ähnlichkeit des menschlichen Sündenfalls -
nur diese in kleinerem Maße - zeigt (1. Mose 3, 18), ein Sturz seines Herrschaftsgebietes
verbunden. Wie hernach der sündige Mensch, so zog zuerst Satan den ihm anvertrau ten
Schöpfungsteil in den Bannkreis seines Falls mit hinein.

Daher auch das Vorhandensein des Todes in den vormenschlichen, geologischen Perioden. Man
mag den biblischen Schöpfungs bericht verschieden auffassen. Man mag ihn ansehen als Bericht
über die eine, zusammenhängende, erstmalige Erschaffung der Erde, also als wirklichen
»Schöpfungs«bericht, oder man mag ihn erklären als Bericht über eine »Wiederherstellung« der
Erde nach irgend einer Zerstörung infolge des Falls Satans; man mag ferner die geologi schen
Perioden verschieden in den irdischen Schöpfungsbericht ein reihen: entweder in die Zeit vor
oder während des Tohuwabohus von Vers 2 oder parallel mit den sechs Schöpfungs»tagen« als
Perio den selbst; Tatsache ist, daß beide Erklärungsweisen sowohl miteinander wie auch mit
dem Zeugnis der Naturwissenschaft darin über einstimmen, daß der Tod schon vor dem
Auftreten des Menschen auf Erden vorhanden gewesen ist.

Gerade diese Übereinstimmung ist in unserem Zusammenhang von entscheidendem Wert. Der
Tod in der Urwelt ist keine geologische Hypothese, sondern eine paläontologische Tatsache. Für
jeden, der auch nur etwas von diesen Tatbeständen weiß, ist es völlig unbe streitbar, daß die
bestimmt voradamitischen Versteinerungen (»Fos silien«) Spuren von Tod und Verderben, ja, oft
grausamer Lebens vernichtung aufweisen.

Gerade diese Tatsache hat der Unglaube in seinem Kampf gegen die biblische Offenbarung
siegesgewiß ausgebeutet. Schon der Geo logieprofessor Karl Vogt, der materialistische
Anhänger Darwins, triumphierte: »Da hilft kein Spreizen des Glaubens noch fromme Salto
Mortales, um über diesen Stein hinwegzukommen, der in eurem Garten liegt. Der Tod hat von
Anbeginn, und sagen wir gleich, in höchst grausamer Weise existiert. Es sind, im allgemeinen
gesprochen, kaum schrecklichere Qualen von dem menschlichen Grübeln erfunden worden als
die sind, durch welche die Natur ihre Geschöpfe um bringt.« Die Natur ist, wie ein anderes
Anhänger Darwins es einmal ausgedrückt hat, »an Zähnen und Klauen geradezu rot von
Blutgier«.

Aber dies ganze Triumphgeschrei voreilig siegesgewisser Bibel feinde und ebenso alle ähnlichen
Bedenken ernster Zweifler werden zum Schweigen gebracht, wenn wir erkennen: Es ist durchaus
mit der Schriftlehre vereinbar, daß es Tod und Verderben schon vor dem menschlichen
Sündenfall auf der Erde gegeben hat. Nur muß dies eben alles auf den uranfänglichen Fall
Satans zurückgeführt werden. Die Urwurzel alles Leids in der Kreatur ist jene kosmische Revolu
tion, jener Aufruhr Satans gegen Gott, und die damit verbundene Einführung von Disharmonie
und Zerstörung in den Weltbezirk, der ihm als ursprünglichem Lichtfürsten Gottes vom Schöpfer
zur Verwaltung anvertraut worden war.

Der Mensch ist dann später, in seinem Fall, nicht der Urheber von Sünde und Tod im Weltall an
sich, sondern das Eingangstor dieser schon vorher vorhandenen Sünde in die von ihm
abstammende Men schenwelt. In seiner Erklärung von Römer 5 - besonders Vers 12 »Durch«
den Menschen kam Sünde und Tod in die Welt - weist Prof. Karl Heim darauf hin, daß der
Apostel hier das griechische Wort dia (»durch«) nicht mit dem Akkusativ (4. Fall), sondern mit
dem Geni tiv (2. Fall) verbindet (griech. nicht: di' hena anthropon, sondern: di' henos anthropou).
Während aber das griechische »durch« (dia) mit dem vierten Fall den Urheber und
Entstehungsgrund einer Sache be zeichnet, bedeutet griechisch »dia« mit dem zweiten Fall einen
»Durch«gangspunkt, z. B. ein Eingangstor, »durch« das man in ein Haus eintritt. So ist, beim
Sündenfall des Menschen, die schon vor seiner Erschaffung vorhandene, satanische Macht des
Bösen wie »durch« einen »Durch«gangspunkt in die Menschenwelt eingedrungen. Das Wort
kosmos »Welt« bedeutet bei Paulus häufig nicht Welt all, sondern Menschenwelt, z. B.1. Kor.
1,20; 4,13.

Das Böse, als satanische Macht, war also schon vor der Schöpfung des Menschen vorhanden.
»Die Herrschaft, die der Tod schon in der vormenschlichen Urzeit in der ganzen Schöpfung
ausgeübt hat, hat ihren Grund darin, daß die satanische Empörung gegen die Allgewalt Gottes
schon vor der Entstehung des Menschen in der ganzen Krea tur in Kraft getreten war. Auf der
ganzen Schöpfung liegt darum ein Bann, der von der satanischen Macht herrührt, die die
lebendige Schöpfungswelt unter die Sklaverei der Vergänglichkeit gebracht hat.«

Wann und wie dies verhängnisvolle Urereignis selbst stattgefun den hat, vermag niemand zu
sagen. Der vorgeschichtliche äonische Zeitpunkt des Falles Satans bleibt uns völlig unerkennbar.
Darum ist es auch nicht möglich, ihn mit Sicherheit genau in den biblischen Schöpfungsbericht
einzuordnen. Fand er in der Zwischenzeit zwi schen dem ersten und dem zweiten Vers der Bibel
statt, wie die Ver treter der Restitutionsauffassung annehmen? Oder an irgend einem späteren
Zeitpunkt der kosmischen Weiterentwicklung, etwa zwi schen der Weltschöpfung und dem
Beginn der ersten pflanzlichen und tierischen Lebewelt, deren Fossilien (Versteinerungen) jetzt in
den untersten Erdschichten zu finden sind, die also einst in jenen Urzeiten zugrundegegangen
und erstorben ist? Das heißt - wenn die Perio denauffassung des Sechstagewerkes recht haben
sollte - ganz allge mein irgendwann innerhalb der Zeitspanne zwischen Vers 1 und Vers 11 des
mosaischen Berichts? Wer will diese Fragen mit Gewiß heit beantworten? Sicher ist nur - so
dürfen wir wohl sagen -, daß sich der Fall Satans vor dem ersten Auftreten von Leid und Tod im
Weltall ereignet hat.

In jedem Fall ist die Geschichte der Erde von da ab durch den Widerstreit zwischen Verderben
und Weiterentwicklung, Tod und Leben, Böse und Gut, Finsternis und Licht, Satan und Gott
entscheidend beeinflußt.

Auch nach der Erschaffung des Menschen blieben nicht unwesent liche Auswirkungen dieser
Urkatastrophe bestehen. Das Reich der Finsternis behielt seinen Fortbestand. Auch wurde ihm
der Zutritt zur Erde nicht verwehrt.

Wie immer das Werk der sechs Schöpfungstage zu deuten ist und wie immer man die
geologischen Perioden mit dem Schöpfungsbe richt verbinden mag: In jedem Fall ist auch nach
den Andeutungen der Schrift klar erkennbar, daß die Erde durch ihre Zubereitung im
Sechstagewerk noch nicht ohne weiteres dem Wirkungsbereich Satans entzogen worden war.
Mit ihrer Zubereitung war noch nicht ihre ab solute Vollendung bewirkt. Mit der Beendigung des
Sechstagewerkes war noch keine sofortige Verbannung der dämonischen Mächte aus ihrem
Umkreis und Bereich verbunden. Auch in der Folgezeit hatten diese die Möglichkeit, irgendwie
auf der Erde weiterzuwirken. Nur so erklärt sich der Auftrag Gottes an den Menschen, den
Garten Eden nicht nur zu bearbeiten, sondern zu »bewahren« (1. Mose 2, 15). Nur so erklärt sich
auch das Auftreten der »listigen« Schlange und die Versuchungsgeschichte überhaupt.

Durch dies Ganze eröffnen sich zugleich gewaltige Perspektiven zur Beantwortung der Frage
nach Zweck und Ziel der Menschenschöp fung im kosmischen Weltrahmen. Durch den Sieg des
Menschen über den großen Widersacher Gottes sollte dieser Zustand überwunden werden. Hier
lag eine hohe Aufgabe des neuen Herrn der irdischen Schöpfung.

Damit aber erkennen wir zugleich einen Zusammenhang der Menschheitsgeschichte mit der
Geschichte der unsichtbaren Welt und des Weltalls überhaupt. Die Geschichte der Natur
verbindet sich mit der Heilsgeschichte. Die Vorgeschichte der Erde wird zu einem wich tigen
Kommentar des Geschichtsziels der nachfolgenden Menschheit.

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Die himmlische Herrlichkeit

und die Vollendung der Gläubigen

Von Dr. Lothar Gassmann

Einleitung

Was wissen wir denn eigentlich über den Himmel? Mancher wird Negativbegriffe anführen
können, etwa dass es im Himmel kein Leid, keinen Schmerz, keinen Tod geben wird. Können wir
mehr über den Himmel wissen?

Der Himmel ist die Dimension der Ewigkeit, die Dimension Gottes. Es ist schwer, mit unseren
menschlichen Mitteln und Begriffen etwas darüber auszusagen. Und doch hat uns die Heilige
Schrift einiges darüber offenbart, wie es einmal in der Herrlichkeit sein wird, wenn wir bei Gott
dem Vater und dem Lamm, Seinem Sohn Jesus Christus, Der zu Seiner Rechten sitzt, sein
werden.
Jesus Christus, unser Herr, kam selbst vom Himmel und kehrte wieder zum Himmel zurück. Er
kennt die Herrlichkeit und kann sie uns offenbaren. Schon in Seinem irdischen Leben sagte Er:
Wer Mich sieht, der sieht den Vater (Johannes 14,9). Wer Jesus sieht, der sieht Gott.

Jesus Christus, aber auch schon die Propheten des alten und neuen Bundes und die Apostel
haben den Vater, haben Gott geoffenbart. Die Bibel ist voll von Hinweisen auf die wunderbare
himmlische Herrlichkeit, die auf alle Gläubigen wartet, die Jesus Christus als ihren Herrn und
Heiland angenommen haben.

Bevor ich näher auf einzelne Bereiche eingehe, möchte ich das Ziel unseres Christenlebens
nennen. Das Ziel unseres Glaubenslebens ist, dass wir Gott schauen dürfen, wie Er ist, in Seiner
Macht und Herrlichkeit, dass wir Ihn lieben und Ihm dienen dürfen. Und als zusätzliches
Geschenk gibt uns Gott die ewige Seligkeit, Frieden und Freude in alle Ewigkeit.

Der Weg in die ewige Herrlichkeit ist einzigartig - und es gibt nur einen Weg: Der Herr Jesus hat
gesagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer
durch Mich. (Johannes 14, 6).

Dieser Weg führt über das Kreuz von Golgatha, indem Er dort stellvertretend für uns gestorben
ist, um uns von unseren Sünden und von Tod und Teufel zu erlösen. Weil Jesus Christus die
Versöhnung mit Gott für uns erworben hat, können wir das himmlische Ziel erreichen, wenn wir
über unsere Sünden Buße tun, der durch Jesus geschenkten Versöhnung Glauben schenken
und dem Herrn treu bleiben.

Das Thema „Die himmlische Herrlichkeit,“ ist genauso unendlich, wie Gott selbst und der Himmel
ist. Einige Einblicke, die uns in der heiligen Schrift gegeben sind, möchte ich nun in aller
Schwachheit und Unvollkommenheit, die uns Menschen anhaftet, versuchen zu betrachten. Das
Thema übersteigt an für sich unser menschliches Fassungsvermögen. Anhand einiger zentraler
Bibeltexte greife ich nachfolgend vier Themen auf:

1. Wir sollen nicht nach irdischen, sondern nach himmlischen Schätzen streben.

2. Wir können Anfechtungen und Leiden ertragen in Erwartung der himmlischen Herrlichkeit
und Seligkeit.

3. Der himmlische Auferstehungsleib

4. Einblicke in den Himmel (insbesondere in der Johannesoffenbarung)

1. Wir sollen nicht nach irdischen, sondern nach himmlischen Schätzen streben

Betrachten wir zunächst Matthäus 6, 19 - 21: Jesus Christus spricht: Ihr sollt euch nicht Schätze
sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe nachgraben und
stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo
die Diebe nicht nachgraben noch stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.

Woran hängt unser Herz? Sind wir gebunden an die irdischen Dinge, an die Liebe zum Besitz, zu
dem, was vergänglich ist, oder sehen wir über dies hinaus und trachten nach dem himmlischen
Schatz? Diesen Schatz können wir nur erfassen im Glauben an unseren Herrn Jesus Christus.
Sind unsere Herzen Herz als Christen schon nach dem Himmel ausgerichtet oder sind wir
irdischen Dingen so verhaftet, so von ihnen gebunden, dass wir nicht froh dem Herrn begegnen
könnten, wenn Er jetzt käme, uns zu entrücken?
Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. Der Herr Jesus sagt auch: Sorget nicht um euer
Leben, was ihr essen und trinken werdet auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet
(Matthäus 6, 25). Und in Matthäus 6, 32 + 33: Nach solchem allem trachten die Heiden. Denn
euer himmlischer Vater (Gott) weiß, dass ihr all dieses braucht. Trachtet am ersten nach dem
Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, dann wird euch solches alles zufallen.

Wenn wir die Priorität richtig setzen, die richtige Perspektive haben, uns zuerst nach Gottes
Reich ausstrecken und mit unserem ganzen Herzen in dieses Reich gelangen möchten, dann
wird Gott uns auch das alles, was wir zum äußeren Leben brauchen, dazugeben. Viele
Missionare haben das schon erlebt. Es wurden ihnen zur rechten Zeit auf wunderbare Weise die
Gaben gegeben, die sie dringend benötigt hatten. Glaubensmissionen leben von diesem
Vertrauen auf Gottes Fürsorge. Auch wenn rein menschlich keine Hilfe zu erwarten ist, hoffen sie
auf das Handeln des Herrn.

Der Herr macht uns deutlich, dass wir als Christen zwar in der Welt, aber nicht von der Welt sind.
Wir leben in dieser geschaffenen Welt, sollen uns aber von ihr nicht binden lassen. Wir sorgen
zwar für das Irdische, sollen uns aber nicht ständig um das Irdische sorgen. Selbstverständlich
sollen wir für unsere Familie haushalten und wirtschaften, aber nicht so, dass wir uns damit
zersorgen und der Erhalt des täglichen Lebens unser einziger Lebensinhalt wird. Nein, das Reich
Gottes soll in unserem Herzen des ersten Platz haben. Dies müssen wir uns immer wieder sagen
und darauf hinleben.

Wir stehen ständig in der Gefahr, uns zu sehr in das Irdische hineinzuversenken, sei es in Arbeit,
Beziehung oder Freizeit. Blicken wir aber zuerst auf Jesus und hat Er den ersten Platz in
unserem Leben, so bekommen alle irdischen Dinge ihren richtigen Stellenwert und wir erkennen,
dass die Freude am Herrn die wahre Freude ist. Wir müssen uns dann nicht damit zersorgen, ob
gerade alle irdischen Bedürfnisse abgedeckt sind. Sorgen wir zuerst um die Sache des Herrn, so
wird der Herr uns versorgen.

Dabei können und sollen wir uns dann auch um diejenigen Menschen kümmern, die viel ärmer
sind als wir. In der Mission gehören Brot und Evangelium zusammen, aber das Evangelium ist
das, was das ewige Leben schenkt. Der Herr Jesus sagt: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern von einem jeden Worte, das aus Gottes Munde kommt (Matthäus 4,4).

Dies ist also der erste Aspekt: Nicht nach dem Irdischen, sondern nach dem Himmel streben.

2. Anfechtungen und Leiden ertragen in Erwartung der himmlischen Herrlichkeit und Seligkeit.

Schon die Christen im ersten Jahrhundert nach Christus mussten Verfolgung leiden. Der Brief
des Apostels Petrus ist an die Fremdlinge in der Zerstreuung gerichtet. Er will unseren Blick in
seinem Trostbrief nach oben, auf Jesus Christus, lenken.

Wir betrachten nun einen Abschnitt aus dem ersten Petrusbrief, Kapitel 1. In 1. Petrus 1, 3 lesen
wir: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn, Jesus Christus, Der uns nach Seiner großen
Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu
Christi von den Toten.

Wir sind also wiedergeboren durch den Geist Gottes zu einer lebendigen Hoffnung. Wir leben
nicht nur im Hier und Jetzt, sondern in der Hoffnung auf eine ewige Herrlichkeit. Diese
Herrlichkeit hat uns Gott erworben durch Jesu stellvertretenden Sühnetod am Kreuz von
Golgatha für unsere Sünden und durch die Auferstehung Jesu von den Toten. Durch Seine
Auferstehung läßt Jesus Christus uns teilhaben an Seiner Macht und Herrlichkeit, wenn wir an
Ihn glauben und Er in unserem Herzen Wohnung genommen hat. Jesus Christus hat ja selbst in
Seinem Erdenleben auch schon Tote auferweckt wie Lazarus, die Tochter des Jairus und den
Jüngling von Nain. Diese Totenerweckungen, wenn sie auch machtvolle Wunderzeichen waren,
haben für uns keine Heilsbedeutung. Nur Jesu Auferstehung schenkt uns die Verbindung mit
Ihm, dem Erstling der neuen Schöpfung Gottes, wenn wir an Jesus Christus glauben.

Weiter heißt es in 1. Petrus 1, 4: ... zu einem unvergänglichen und unbefleckten und


unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel. Dieser himmlische Schatz, dieses Erbe
vergeht nicht, sondern bleibt den Gläubigen immer erhalten. Auch gibt es keine Erbstreitigkeiten,
denn Gott teilt das Erbe, die Erlösung in der ewigen Herrlichkeit in Seiner Gerechtigkeit zu.
Dieses Erbe ist unbefleckt und völlig rein, reingewaschen durch das Blut des Lammes auf
Golgatha und es hat in alle Ewigkeit Bestand.

Wer empfängt dieses Erbe? Die Antwort steht in Vers 5 - 7: ... für euch, die ihr aus Gottes Macht
durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, welche bereit ist, dass sie offenbar werde zu
der letzten Zeit. Darüber freut euch, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in
mancherlei Anfechtungen, damit euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde
als das vergängliche Gold, das durch Feuer bewährt wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart
wird Jesus Christus.

Petrus schreibt an die bedrängte Gemeinde in der Verfolgung, die wir in der Endzeit zunehmend
erleben. Es gibt heute viele Brüder und Schwestern im Sudan und in anderen islamischen
Ländern, die Verfolgung bis hin zum Martyrium erleiden müssen. Im reichen Westen sind wir ja
mehr von der Verführung als von der Verfolgung bedroht. Aber auch uns kann Verfolgung
drohen, wenn bestimmte Gesetze, z.B. in der Europäischen Verfassung, in Kraft treten und
entsprechend gehandhabt werden, insbesondere das „Antidiskriminierungsgesetz“.

Dieses erschwert es, Sünde (wie z. B. Homosexualität) oder Irrlehre (z.B. in nichtchristlichen
Religionen und Kulten) beim Namen zu nennen. So steht z. B. in der EU-Charta sinngemäß zu
lesen: „Es ist verboten, Menschen mit anderer Religion und mit anderer sexueller Orientierung zu
diskriminieren.“ So kann uns Christen unsere Haltung gegenüber Homosexualität als
Diskriminierung ausgelegt werden, wenn wir uns z. B. auf Römer 1 berufen, wo gesagt wird, dass
hierbei Frau mit Frau und Mann mit Mann Schande treiben.

Homosexualität ist für uns Christen ein seelsorgerliches Problem. Wir wollen dem Betroffenen in
aller Liebe helfen, können aber nicht sagen, dass sie keine Sünde sei, wenn die Bibel dies doch
ausdrücklich feststellt. Wird die Sünde namenlos gemacht, so verliert auch die Erlösung und in
letzter Konsequenz auch die Mission ihre Bedeutung, da ja der Mensch dann angeblich keine
Bekehrung mehr benötigt, wenn jedes Verhalten erlaubt und legitimiert ist. Die Aussage in der
EU-Charta bezieht sich allerdings nicht nur auf Homosexualität, sondern auf jede sexuelle
Orientierung, d. h. auch auf Sodomie und Polygamie und andere Perversionen. Hier wird die
Wahrheit zu Boden gerissen.

Dies kann dazu führen, dass die Christen, die Sünde noch beim Namen nennen und dem Sünder
zur Buße verhelfen wollen, in Bedrängnis geraten. Für diesen Vorgang gibt es noch viele weitere
Beispiele, wie etwa die Vereinheitlichung der Menschheit und andere antichristliche Prozesse, die
im Gange sind. Die Welt wächst immer mehr zusammen zu einem antichristlichen Reich mit einer
die Wahrheit relativierenden Religions-Ökumene.

So kann die Verfolgung sehr schnell über uns hereinbrechen und doch sagt uns das Wort Gottes:
Darüber freut euch, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei
Anfechtungen (1. Petrus 1,6).

Auf echte Christen kommen Anfechtungen, Versuchungen, Bedrängnisse aller Art zu - und zwar
zu folgendem Zweck: ... damit euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde als
das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewährt wird (1. Petrus 1,7).

Gold geht durch eine Schmelze hindurch, in welcher es gereinigt und geläutert und so von der
Schlacke befreit wird. Dies ist ein Beispiel für das Christenleben: Die Hitze der Verfolgung und
Bedrängnis dient dazu, dass das Echte, das Gute bestehen bleibt und das Unechte, das
Schlechte hinaus muß. So haben Christen im Ostblock es erlebt und bezeugen, dass Verfolgung
die Gemeinden zusammenschweißt und die wahren Gläubigen zusammenrücken. Die
Scheinheiligen aber fallen ab, wenn der Druck zu groß wird. So zeigt es sich dann auch, wer nur
halbherzig in der Gemeinde dabei war und wer wirklich entschieden ist, dem Herrn auch in der
Verfolgungszeit zu dienen.

Weiter heißt es in 1. Petrus 1,Vers 8: Ihr habt Ihn (Jesus Christus) nicht gesehen und habt Ihn
doch lieb und nun glaubt ihr an Ihn, obwohl ihr Ihn nicht seht und freut euch mit
unaussprechlicher und herrlicher Freude, die ihr das Ziel eueres Glaubens davonbringt, nämlich
der Seelen Seligkeit.

Gemeint ist die Seligkeit unserer unsterblichen Seele. In Vers 12 lesen wir: ... und selbst Engel
hat es gelüstet, das zu schauen (was uns bereitet ist). Hier ist unsere himmlische Hoffnung
gemeint.

Ich fasse die Gedanken dieses Abschnitts noch einmal zusammen: Es ist ein Erbe für uns
vorbereitet, das nicht vergeht, - ein Erbe im Himmel - das Erbteil der gläubigen Gotteskinder.
Jetzt - hier auf Erden - müssen wir durch Leiden, durch Läuterungen hindurch, welche dazu
dienen , dass das Unechte abfällt und das, was echt ist und für den Herrn brennt, bestehen
bleibt. Das Ziel ist, Jesus zu schauen und ewig bei Ihm zu sein.

3. Der himmlische Auferstehungsleib

Wie wird nach unserem irdischen Tod unser Auferstehungsleib beschaffen sein, wenn der Herr
uns auferweckt? Auch darüber gibt uns die Bibel Auskunft. Der Herr Jesus selbst hatte einen
Auferstehungsleib, der ganz anders beschaffen war als Sein irdischer Leib. Aus den
Auferstehungsberichten geht hervor, dass Er in diesem Leibe die Naturgesetze durchbrechen
konnte. Jesus Christus konnte zum Beispiel einfach im Raum bei den Jüngern erscheinen, ohne
eine Tür zu öffnen.

Sein Auferstehungsleib war ganz anders als Sein irdischer Leib - und doch konnten die Jünger
den Herrn an Seinen Nägelmalen und an Seinen Worten und Taten erkennen. So ist diese
Auferstehung eine leibliche Auferstehung. Jesus hat ja auch in diesem Leibe bei den Jüngern
Fisch gegessen. Als die Jünger Angst hatten, sie sähen einen Geist, sagte Jesus: Ein Geist hat
nicht Fleisch und Knochen und forderte sie auf, Ihn anzufassen, um sich davon zu überzeugen
(Lukas 24, 39 ff.). Der ungläubige Thomas durfte Jesus berühren, seine Hände in Jesu
Nägelmale legen und rief schließlich überwältigt aus: Mein Herr und mein Gott! (Johannes 20, 27
f.). Dieser Ausruf, den Jesus unwidersprochen so angenommen hatte, ist auch ein Beweis für
Jesu Gottheit!

Betrachten wir nun die Verse 1. Korinther 15, 40 - 44: Es gibt himmlische Körper und irdische
Körper. Aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen.
Einen anderen Glanz hat die Sonne, einen anderen Glanz hat der Mond, einen anderen Glanz
haben die Sterne, denn ein Stern übertrifft den anderen an Glanz. So auch die Auferstehung der
Toten. Es wird gesät (ausgesät, wie beim Ackerbau) verweslich und es wird auferstehen
unverweslich. Es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in
Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird
auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen
Leib.

Betrachten wir noch einmal den Vergleich zwischen irdischem und himmlischem Leib: Der
irdische Leib hat das Kennzeichen der Verweslichkeit. Unsere äußere „Hülle“, wenn man es
einmal so sagen will, unser Fleisch, hat keinen Bestand. Es verwest im Grab, die Knochen
bleiben noch etwas länger erhalten, und verwittern dann aber auch. Und doch hat Gott auch
unseren irdischen Leib wunderbar geschaffen. Ohne ihn könnten wir uns auf der Erde gar nicht
bewegen und begegnen. Betrachten wir die Wunderwerke wie z. B. unser Herz oder unser
Gehirn, dann können wir nur staunen. Und doch wird dieser irdische Leib verwesen, vergehen,
doch der himmlische Leib wird ewig bleiben.

Über das Wesen der Auferstehung wird ja viel diskutiert. Gemäß verschiedenen biblischen
Aussagen gibt es nach unserem irdischen Tode zuerst einen Zwischenzustand, in welchem der
Mensch auf den Jüngsten Tag wartet, nach welchem er dann mit dem himmlischen Leib
überkleidet wird. Viele Ausleger sind der Meinung, dass wir gleich nach dem irdischen Tode mit
einem himmlischen Leib überkleidet werden. Wenn wir aber z.B. die Begebenheit des reichen
Mannes und des armen Lazarus in Lukas 16 betrachten, so sehen wir, dass hier deutlich von
einem Zwischenzustand mit einer nicht näher definierten Daseinsform die Rede ist. Der reiche
Mann leidet Schmerz und möchte seine noch auf der Erde lebenden Brüder warnen. Die
Begebenheit hat sich also zeitlich vor dem Jüngsten Tage zugetragen, auf den beide, Lazarus
und der reiche Mann noch warten. Die Begebenheit ereignete sich also noch in der
Heilsgeschichte. Sie ist auch kein Gleichnis, wie immer wieder behauptet wird, da ein Eigenname
(Lazarus) darin genannt wird, was in Gleichnissen nie vorkommt. Vielmehr erzählt Jesus hier eine
Tatsache aus der jenseitigen Welt, in welche er als Gottes Sohn Einblick hat.

Vieles zu unserem Thema bleibt geheimnisvoll und schwer verständlich, aber es gibt in der
Heiligen Schrift doch immerhin Andeutungen hierzu. Eine davon ist, dass unser Herrlichkeitsleib
nicht verwest, er wird nicht verfaulen im Grab, sondern ewig bestehen.

Der irdische Leib ist ein Leib der Unehre, der himmlische Leib ein Leib der Herrlichkeit. Keine
Flecken und Runzeln werden an ihm sein, kein Schmutz – auch keine Verdauungsvorgänge wie
im Irdischen. Martin Luther hat einmal den Satz geprägt: „Ich bin nichts als ein stinkender,
verfaulender Madensack.“ Mit dieser derben Sprache hat er seine irdische Vergänglichkeit
bezeichnet. Der Auferstehungsleib hingegen wird herrlich sein.

Der irdische Leib ist ein Leib in der Schwachheit und der himmlische Leib ein Leib in der Kraft.
Gemeint ist die Kraft Gottes, die darin unmittelbar wirkt. Ich beziehe mich hier natürlich auf den
Leib der erlösten Menschen. Die Unerlösten werden auch weiterleben - und zwar in der
Feuerhölle, der Gehenna, wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht (Markus 9, 47
f.). Die Realität der ewigen Verdammnis ist sehr ernst zu nehmen. Im Gegensatz zur Liberalen
Theologie und verschiedenen Sekten lehren wir kein Evangelium ohne Gesetz, keine Erlösung
ohne Gericht und keinen Himmel ohne Hölle. Nein, im Gegenteil: Im Gegenüber zur
schrecklichen Realität der ewigen Feuerhölle erstrahlt der Himmel Gottes erst recht in seinem
unvergleichlichen Glanz! Wir dürfen und wir müssen zu Jesus kommen, wenn wir die himmlische
Herrlichkeit einmal erleben wollen.

In dem himmlischen Leib wirkt die Kraft Gottes und er ist ein geistlicher, ein himmlischer Leib,
aber doch auch ein Leib. Wir sind nicht nur Geist, wenn wir leiblich auferstehen, sondern haben
Struktur - eben einen Leib. In diesem werden wir uns auch wiedererkennen. Es ist ein Leib ohne
irdische Mängel und Begrenzungen, ohne unsere irdische Schwachheit. In dieser Vollendung tritt
dann die Gottebenbildlichkeit, die wir in der Verbindung mit Jesus Christus haben, noch
deutlicher hervor.

Hier möchte ich dringend vor jedem angeblichen „Kontakt“ mit Toten warnen. In 5 Mose 18, 9 ff.
wird vor sämtlichen okkulten Praktiken (z.B. vor Astrologie, Magie, Zauberei, Wahrsagerei,
Hellseherei, Spiritismus etc.) gewarnt, besonders auch vor Praktiken, die mit dem Totenreich
zusammenhängen: Wenn du in das Land kommst, das dir der HERR, dein Gott, geben wird so
sollst du nicht lernen die Gräuel (Abscheulichkeiten) dieser Völker zu tun. Dass nicht jemand
unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer laufen läßt oder
Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt, oder Bannungen oder
Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei (Astrologie) vornimmt oder die Toten befragt. Denn
wer das tut, der ist dem HERRN ein Gräuel. Wer dies tut, kann nicht zu Gott kommen, denn diese
Dinge sind schwere Sünden vor Gott.

In Bezug auf den Ewigkeitsleib betrachten wir noch 1. Korinther 15, 54 - 57: Wenn aber dies
Verwesliche (dieser irdische, vergängliche Leib) die Unverweslichkeit anziehen wird, und wenn
dieses Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird erfüllt werden das Wort, das
geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist
dein Sieg? Aber der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.
Gott aber sei Dank, Der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus.

So sind Tod, Hölle und Sünde durch Jesus Christus besiegt. Diese schrecklichen Zustände wird
es in der Herrlichkeit für die Gläubigen nicht mehr geben. Ein Grund zu großer Freude!

In seinem Büchlein „Wie wird es im Himmel sein?“ führt William MacDonald Folgendes in Bezug
auf den Herrlichkeitsleib der Gläubigen aus:

„Wir werden dort einen solchen Herrlichkeitsleib haben, wie ihn der Erlöser als Auferstandener
hatte. Dieser Leib wird weder Flecken, Runzeln, Muttermale noch etwas dergleichen an sich
haben. Kein Zeichen des Alterns, kein Gebrechen, nichts dergleichen wird zu ihm passen. Nur
nie verblühende ewige Jugend, unermüdliche Frische von Gefühlen, die niemals abnehmen
werden. Die Gemeinde wird dann heilig und untadelig sein. (Wie sehr freuen wir uns darauf,
wenn es auch in der Gemeinde einst keine Spaltungen und Irrlehren mehr gibt!). Am Ende
werden wir geheiligt sein. Unreine Gedanken, gemischte Gefühle und sündige Handlungen
werden der Vergangenheit angehören. Nie mehr werden wir das Herz Christi durch unsere
Tendenz zu Fehltritten bekümmern. Der Egoismus (auch eine große Not!) wird augenblicklich
verschwunden sein. Unser Körper wird nicht mehr an Krankheiten zu leiden haben. Er wird nie
mehr mit Bazillen, Viren, Infekten, bösartigen Geschwüren oder Herzkrankheiten zu kämpfen
haben. Nie mehr Tabletten, Antibiotika, Röntgenstrahlen, intravenöse Injektionen,
lebensverlängernde Behandlungen usw. Krankenhäuser braucht man nicht, Ärzte und
Krankenschwestern werden überflüssig sein. Leiden werden der Vergangenheit angehören.
Knochenbrüche, Arthritis, alles Ach und Weh wird nur noch in der Erinnerung existieren. Sorgen
werden unbekannt sein. Es wird keine gebrochenen Herzen mehr geben. Der Erlöser wird alle
Tränen abwischen.“

Dies ist die wunderbare Hoffnung, die wir schon heute aus dem Worte Gottes schöpfen dürfen.

5. Einblicke in den Himmel

(insbesondere in der Johannesoffenbarung)

Einblicke in den Himmel wollen wir nicht aus Neugier, sondern in aller Kindlichkeit aus Vorfreude
tun. Zu diesem Thema gibt es in der Bibel mancherlei Hinweise auch im Alten Testament, z.B. in
1. Mose 1, Hiob 1, in etlichen Psalmen, bei den Propheten, z. B. bei Jesaja im Kapitel 65 oder in
Daniel 7, aber ich möchte mich nun auf die Johannesoffenbarung (die Offenbarung Jesu Christi
an den Apostel Johannes) konzentrieren. Hierzu lesen wir zunächst Auszüge aus dem vierten
Kapitel jenes Buches und dann aus weiteren Kapiteln. Nach den sieben Sendschreiben kommt
im vierten Kapitel die großartige Szenerie zum Tragen, in welcher wir einen Einblick in den
Himmel erhalten. Die Überschrift dazu lautet in der Lutherbibel: „Vor dem Thron Gottes“.

Offenbarung 4:

Danach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel. Und die erste Stimme, die ich
gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune, die sprach: Steig herauf! Ich will dir zeigen, was
nach diesem geschehen soll. Alsbald kam der Geist über mich und siehe, ein Thron war gesetzt
im Himmel und auf dem Thron saß einer. Und der da saß, war anzusehen gleich wie der Stein
Jaspis und Sarder und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen gleich wie ein Smaragd. -
Der auf dem Thron sitzt, ist Gott der Vater. Gott wird hier mit Edelsteinen verglichen, ein Bild für
seine Reinheit und Schönheit. Gott selber ist für keinen Menschen zu sehen, aber Johannes
erhält hier eine Schau von Gottes Herrlichkeit. Der Regenbogen, das Zeichen des Bundes mit
Noah, steht dafür, dass die Menschen wieder zu Gott kommen dürfen, dass Gott gnädig ist.

Und um den Thron waren 24 Throne. Und auf den Thronen saßen 24 Älteste mit weißen Kleidern
angetan und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen. - Zu dieser Stelle wird viel gemutmaßt.
Wenn ich Erläuterungen - nach bestem Wissen und Gewissen - dazu gebe, so müssen auch
diese anhand der Heiligen Schrift nachgeprüft werden. Wir haben hier, das darf man nie
vergessen, Einblicke, die geheimnisvoll sind. Hier sind 24 Älteste genannt. 24 ist zweimal 12. Die
Zahl 12 spielt in der Bibel und besonders in der Offenbarung eine große Rolle. Die Zahl 12 steht
für die Vollkommenheit. Die 24 Ältesten setzen sich zusammen aus den 12 Repräsentanten der
zwölf Stämme Israels (Juda, Benjamin usw.) und den 12 Aposteln des neuen Bundes (Johannes,
Matthäus usw.). Diese sitzen nun auf Thronen im engsten Kreis um Gott, welcher in der Mitte ist.
Gott ist im Zentrum. Niemals nehmen Menschen den Platz Gottes ein, aber die 24 Ältesten sind
gewürdigt, ganz nahe bei Gott zu sein. Die weißen Kleider drücken die Reinheit aus, welche
erworben wurde durch das Blut des Lammes Jesus Christus. In Gottes Gegenwart und Licht
können nur gereinigte Menschen sein. Die goldenen Kronen auf ihren Häuptern sind die Kronen
der Überwinder, die durch Anfechtungen, Leid, Verfolgung und Prüfung gegangen sind. Es sind
die, welche überwunden haben durch des Lammes Blut.

Und von dem Thron gingen aus Blitze, Stimmen und Donner. - Diese Ereignisse - Blitze,
Stimmen und Donner - begleiten oft die gewaltigen Gotteserscheinungen, so auch schon am
Berg Sinai im Alten Testament (2. Mose 19). Sie bekunden Gottes Gegenwart. Schon ein
Gewitter ist ein gewaltiges Erlebnis. Vor dem Thron Gottes wird dieses unübertrefflich sein. Diese
Erscheinungen stehen sicherlich auch mit dem Gerichtshandeln Gottes in der Offenbarung in
engem Zusammenhang. Gott kündigt bereits hier Sein Gericht über die Sünde, über das Böse,
über die antichristlichen Mächte der Endzeit (Offb 13 und 17 f.) an.

Und sieben Fackeln mit Feuer brannten vor dem Thron, welche sind die sieben Geister Gottes. -
Hier begegnet uns die Vollzahl sieben. Auch sie symbolisiert wie die Zwölf Vollkommenheit. Die
Sechs hingegen ist die Zahl des Menschen. So ist 666 die gesteigerte Zahl des anmaßenden
Menschen und so auch die Zahl des Antichristen (Offb 13,18). Sechs, das ist sieben minus eins:
der Mensch ohne Gott! Möglicherweise stehen die sieben Geister für Engelwesen oder als
Ausprägung der Wirkungen des Heiligen Geistes.

Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer, gleich dem Kristall... - Im Tempel im Alten
Bund gab es ein gläsernes Meer. Dies war ein Becken, mit Wasser gefüllt zum Zwecke der
Reinigung. Wer zu Gott tritt, der muß erst gereinigt sein. Um vor Gottes Thron zu treten, muß
man erst durch dieses Meer der Reinigung schreiten. Auch der Kristall symbolisiert diese
Reinheit.

... und mitten am Thron und um den Thron vier himmlische Gestalten voll Augen vorne und
hinten. – Bereits der Prophet Hesekiel im Alten Bund schaute vier Gestalten um Gottes Thron,
welche allerdings je vier Gesichter haben (Hesekiel 1). Es sind Wesen, die in unmittelbarer Nähe
Gottes sein dürfen. Hesekiel beschreibt sie folgendermaßen: Die erste Gestalt war gleich einem
Löwen, die zweite gleich einem Stier, die dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch und die vierte
Gestalt war gleich einem fliegenden Adler. In der Kirchengeschichte hat man diese Stelle immer
wieder symbolisch auf die vier Evangelisten bezogen, da sie den Herrn Jesus von vier
verschiedenen Aspekten her verherrlicht haben. So wurde der Löwe Matthäus, der Stier Markus,
der Mensch Lukas und der Adler Johannes zugeordnet. Aber sicherlich handelt es sich vom
ursprünglichen Textzusammenhang her um Engelwesen.

Und eine jegliche der vier Gestalten hatte sechs Flügel und sie waren außen herum und inwendig
voll Augen und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott,
der HERR, der Allmächtige, Der da war und Der da ist, und Der da kommt. - Gott selbst spricht ja
in 2. Mose 3 bei der Offenbarung am Dornbusch zu Mose: Ich bin, Der Ich bin; Ich werde sein,
Der Ich sein werde. Der da ist, Der da war und Der da kommt: Gott ist allumfassend in Raum und
Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit, A und O, Anfang und Ende; unbegreiflich groß. Er hat das
Universum geschaffen. Es gibt unzählbare Galaxien. Schon unser Sonnensystem ist für uns
überwältigend an Ausdehnung und Schönheit, und die Lichtpunkte, die wir nachts sehen, sind -
bis auf die Planeten unseres Sonnensystems - Sterne von anderen Galaxien. Und unendlich
majestätischer und unfaßbarer ist der Schöpfer der Welt!

Heilig, heilig, heilig ist Gott, der HERR: Dreimal heilig! Hier begegnet uns auch ein Hinweis auf
die Dreieinigkeit: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Und wenn die Gestalten gaben Preis und Ehre und Dank Dem, Der da auf dem Thron saß, Der
da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, fielen die 24 Ältesten nieder vor Dem, Der auf dem Thron saß
und beteten Den an, Der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit und legten ihre Kronen nieder vor dem
Thron und sprachen: Herr unser Gott, Du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft. Denn
Du hast alle Dinge geschaffen und durch Deinen Willen haben sie das Wesen und sind
geschaffen. - Die Ältesten ehren Gott und nicht sich selbst, obgleich sie auch auf Thronen sitzen.
Es sind Könige, die den höchsten König, den König aller Könige, ehren, die allen Ruhm an Ihn
allein weitergeben. Die vier Gestalten preisen Gott, und die Ältesten fallen nieder. Ihre Throne
stehen unter Gott und sie legen ihre Kronen Gott zu Füßen.

Welcher König auf Erden legt seine Krone vor einem anderen König nieder? In der
Menschheitsgeschichte ist mir da kein Beispiel bekannt. Aber diese gekrönten Überwinder legen
vor Gottes Thron ihre Kronen ab und sprechen das Lobpreisgebet: Du bist würdig zu nehmen
Preis und Ehre und Macht. Und warum?: Du hast alles geschaffen! Die Anbeter und uns! Kein
Geschöpf hat sich selbst erschaffen. Durch Deinen Willen haben sie das Wesen und sind
geschaffen. Das heißt: durch den Willen Gottes werden sie bis heute erhalten. Der Schöpfer ist
auch der Erhalter allen Seins.

Und nun kommen wir zu der bewegendsten Stelle: Das Lamm allein ist würdig, die Siegel zu
öffnen! Der Thronstaat Gottes ist nämlich nicht leer, er ist voller begnadeter Wesen. Und nun tritt
ein Lamm auf. Es ist unscheinbar und steht da wie geschlachtet.

Offenbarung 5:

Und ich sah: Mitten zwischen den Thronen und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten
stand ein Lamm, wie wenn es erwürgt wäre und hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind
die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. Und Es kam und nahm das Buch aus der
rechten Hand Dessen, Der auf dem Thron saß. Und da es das Buch nahm, da fielen die vier
Gestalten und 24 Ältesten nieder vor dem Lamm und ein jeglicher hatte eine Harfe und goldene
Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen. Und sie sangen ein neues Lied und
sprachen: Du bist würdig zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel, denn Du bist erwürgt
und hast mit Deinem Blut für Gott erkauft Menschen aus allen Geschlechtern und Sprachen und
Völkern und Nationen und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht und sie
werden herrschen auf Erden.

Dieses Lamm kann niemand anderes sein als unser Herr und Heiland Jesus Christus. ER ist das
Lamm, das geschlachtet wurde, Gottes Lamm, wie schon Johannes, der Täufer von Jesus
bezeugte, das sich für uns als Sühnopfer für unser Sünden gab. ER selbst war unschuldig und
ging für uns an das Kreuz. Das Lamm gilt unter den Tieren als das geduldigste und wehrloseste
Tier. Er wehrt sich nicht und schreit nicht, wenn es zur Schlachtbank geführt wird. Es vergießt
lediglich Tränen. Genau so handelte Jesus Christus auf dem Weg nach Golgatha. In
Gethsemane ergab Er Seinen Willen als Sohn in den Willen Gottes des Vaters. Seine Seele war
betrübt bis in den Tod und Sein Schweiß rann wie Blutstropfen, aber um unserer Rettung und
Seligkeit willen widerstrebte er dem Leidensweg nicht.

Lamm ist in Offenbarung 5 also eine Bezeichnung für den Sohn Gottes, obgleich ER im selben
Kapitel auch als der Löwe von Juda bezeichnet wird. Durch Sein Opfer auf Golgatha hat Er die
Vollmacht, das Buch mit den sieben Siegeln, den Gerichtssiegeln zu öffnen. Dieses zarte,
wehrlos scheinende Lamm leitet die Gerichte über die Welt ein, die Es abgelehnt hat.

Wie wird dieses Lamm beschrieben? Es hat sieben Hörner. Diese Hörner sind Symbole Seiner
Macht. Die sieben Augen sind Symbole Seiner Weisheit, Seines Allwissens, Seiner Allgegenwart.
Die sieben Geister sind ein Ausdruck für den Heiligen Geist, den Jesus Christus denen schenkt,
die Ihn aufnehmen. Geschlachtet wurde Jesus Christus, Gottes Lamm am Kreuz von Golgatha
für die Sünde der Welt.

Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, Der auf dem Thron saß. Dies
macht deutlich, dass Jesus Christus zur rechten Hand (zur Rechten) Gottes des Vaters sitzt, was
Seinen Stand, Seine Gerechtigkeit und Heiligkeit ausdrückt. Gott, der Vater, wird hier symbolisch
als Person dargestellt mit Händen und Füßen. Und als das Lamm das Buch nahm, fielen alle
anderen Wesen anbetend nieder, nicht nur vor Gott, dem Vater, sondern auch vor dem Lamm.

Dann wird ein Lied angestimmt. Im Himmel wird auch Musik sein, welche allerdings unsere
Vorstellungen übersteigt. Die Harfe wird als Instrument im Himmel immer wieder genannt. Die
Nennung der Schalen voll Räucherwerk kann uns hier auf der Erde sehr trösten und ermutigen:
Sie sind die Gebete der Heiligen. Heilig ist jeder, der zu Jesus Christus gehört, der ausgesondert
ist für den HERRN.

Und sie sangen ein neues Lied und sprachen: Du bist würdig zu nehmen das Buch und aufzutun
seine Siegel. Allein Jesus Christus ist würdig, dies zu tun. Denn von Ihm ist gesagt: Du bist
erwürgt und hast mit Deinem Blut für Gott erkauft Menschen aus allen Geschlechtern und
Sprachen und Völkern und Nationen. Jesus Christus hat stellvertretend für uns den Sühnetod auf
sich genommen. Durch Sein Opfer hat ER diese Würde vom Vater verliehen bekommen.

Hier kommt auch die Weltmission zur Vollendung: Aus Menschen in aller Welt setzt sich die
Gemeinde im Himmel zusammen. Auch dies ist ein Geheimnis. Im Kapitel 6 in der Offenbarung
wird auch noch einmal die unzählbar große Schar von Erlösten genannt. Es ist daher wichtig,
dass alle Menschen auf der Erde das Evangelium hören. Aus diesem Grunde sind die
Bibelübersetzungen so bedeutend, damit wirklich alle Sprachen erreicht werden.

Und Du hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht und sie werden herrschen auf
Erden. Dies ist unsere höchste Bestimmung: in der herrlichen Vollendung Priester und Könige
Gottes sein zu dürfen.

Und ich sah und hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die
Ältesten her und ihre Zahl war viel tausend mal tausend (nun schaut Johannes die Engelwelt in
einer gewaltigen Zahl) ... und sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das erwürget ist, ist
würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
Und alle Kreatur, die im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und im Meer und alles, was
darinnen ist, hörte ich sagen: Dem, Der auf dem Thron sitzt und dem Lamm sei Lob und Ehre
und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und die vier Gestalten sprachen: Amen. Und die
Ältesten fielen nieder und beteten an.

Hier lesen wir einen wunderbaren Lobpreis, welcher in der Musikgeschichte bis in die Gegenwart
vielfach vertont wurde. Man hat versucht, mit menschlichen Melodien diesen himmlischen
Lobpreis wiederzugeben. Das Lamm ist würdig!. Es gibt einfache und auch vielstimmige
Vertonungen. Im Himmel in der Vollendung dürfen wir dann diesen Hymnus mit der großen Schar
vor dem Thron Gottes singen.

Auch in Philipper 2 steht zu lesen, dass alle Kreatur ihre Knie beugen wird vor dem Herrn und
bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Viele, die es zu
Lebzeiten versäumt haben, werden ihre Knie beugen müssen. Sie sind dann verloren, aber sie
werden sehen, was sie versäumt haben, nämlich sich zu Jesus Christus zu bekehren, zu Ihm zu
kommen und Ihn als ihren Heiland anzunehmen. Möge jeder, der dies liest, diese Entscheidung
bei Lebzeiten treffen und sie nicht hinausschieben. Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verstockt
eure Herzen nicht! So mahnt uns Gottes Wort (Hebräer 3,15). Wir wissen nicht, wann der Herr
uns abruft und wann unser letzter Tag anbricht.

Im Buch der Offenbarung sind viele solcher Lieder überliefert. So findet sich in Offenbarung 1, 6 f.
der Hymnus: Dem Der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch Sein Blut und uns
gemacht hat zu Königen und Priestern vor Gott, Seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die
Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

In Offenbarung 4, 8 ertönt der Lobpreis: Heilig, Heilig, Heilig Herr, Gott, Allmächtiger, Der da war
und Der da ist und Der da kommt.

In Offenbarung 7 und 15 erklingen weitere Hymnen. Dabei wird übrigens deutlich, dass nicht nur
Gott, der Vater, angebetet wird, sondern auch der Sohn, das Lamm. Manche Sekten behaupten,
man dürfe nur den Vater und nicht den Sohn anbeten. Aber dies ist nicht wahr. Schon im
Johannesevangelium sagt Jesus Christus: Was ihr den Vater bittet und zugleich: Was ihr Mich
bittet ... (Johannes 14, 13 f.). Also wir dürfen auch zu dem Sohn beten, zu dem Herrn Jesus
Christus. Er ist der einzige Mittler zum Vater, der Sohn Gottes, wie es im 1. Timotheusbrief
Kapitel 2 Vers 5 zu lesen steht. Kein Mensch, sondern nur Er allein ist der Mittler, wahrer Mensch
und wahrer Gott.

Offenbarung 7

In Offenbarung 7 ist von 144.000 Menschen die Rede, die versiegelt werden aus den Stämmen
Israels. Diese Stelle betrifft meiner Ansicht nach tatsächlich Israel, da die Stämme sogar
namentlich aufgezählt werden. Man kann diese Stelle daher schlecht auf die Gemeinde
anwenden oder geistlich umdeuten, wie es verschiedene Ausleger getan haben und tun. Ab
Offenbarung 7, 9ff sind dann die Heiden-Nationen (im Unterschied zum nationalen Israel)
genannt:

Danach sah ich und siehe, eine große Schar, welche niemand zählen konnte aus allen Nationen
und Stämmen und Völkern und Sprachen, die standen vor dem Thron und vor dem Lamm,
angetan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen und riefen mit großer Stimme und
sprachen: Das Heil ist bei Dem, Der auf dem Thron sitzt, unserem Gott, und dem Lamm! Und alle
Engel standen um den Thron und um die Ältesten und die vier Gestalten und fielen vor dem
Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit
und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Und
es hob der Ältesten einer an und sprach zu mir: Wer sind diese mit den weißen Kleidern angetan
und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir:
Diese sind’s, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und
haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und
dienen Ihm Tag und Nacht in Seinem Tempel und Der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen
wohnen. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten. Es wird auch nicht auf sie fallen die
Sonne oder irgendeine Hitze, denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten
zu dem lebendigen Wasserbrunnen und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.

Hier wird die Brautgemeinde nach ihrer Entrückung aus der Trübsal beschrieben. Sie ist gereinigt
durch das Blut des Lammes und mit weißen Kleidern angetan. Sie steht vor dem Thron Gottes,
und dies wird ein Gottesdienst sein ohne Mühsal und ohne Murren, sondern in Freudigkeit. Es
wird nicht langweilig sein im Himmel, sondern viel Positives zu tun geben. Die Brautgemeinde
wird Gott Tag und Nacht in Seinem Tempel dienen. Und es wird nichts Schöneres für uns geben
als dieses. Dienen wird ja oft negativ aufgefaßt, aber der Gottesdienst beim HERRN erfüllt den
Menschen.

Und Der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Was wird denen alles geschenkt, über
denen Gott wohnt, den Überwindern, zu denen hoffentlich auch wir gehören: Es wird keinen
Hunger und keinen Durst mehr geben, wenngleich es offen bleiben muß, ob es in der Ewigkeit
noch Essen und Trinken gibt. Es ist in der Bibel vom großen Hochzeitsmahl die Rede. Es könnte
auch im Himmel Früchte geben, wenngleich uns gewiß nicht irdischer Hunger und Durst quälen
wird. Auch die Hitze der Sonne wird es nicht mehr geben. Denn das Lamm mitten auf dem Thron
wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen. Hier ist von den lebendigen
Wasserbrunnen die Rede. Man mag dies bildhaft oder wörtlich verstehen, jede Art Durst, auch
der der Seele wird gestillt werden. Gott wird unsere Bedürfnisse in einer guten Weise stillen, so
dass es uns an nichts mangeln wird. Das Lamm Gottes, das für unsere Erlösung alles getan hat,
wird uns weiden.

Auch wird es verschiedene Kronen geben. Im Anschluß an William Mc Donald zählen wir fünf
verschiedene Kronen auf:

1. Die Krone der Freude. Es ist die Freude darüber, dass man in Treue Seelen gewonnen hat
für den Herrn (1.Thessalonicher 2, 9). Die Bibel spricht diesbezüglich vom Preisgericht, in
welchem die Werke der Gläubigen als Gold, Silber oder Heu und Stoppeln beurteilt werden. Das
Preisgericht im Gegensatz zum Weltgericht beurteilt die Gläubigen, die nicht mehr verdammt,
aber beurteilt werden.

2. Die Krone der Gerechtigkeit für alle, die Jesu Erscheinen lieb gewonnen haben (2.
Timotheus 4, 8).

3. Die Krone des Lebens für erduldete Versuchungen (Jakobus 1, 12): Selig ist der Mann (der
Mensch), der die Anfechtung überwindet.

4. Dann erwähnt der Apostel Petrus im 1. Petrusbrief Kapitel 5 die Krone der Herrlichkeit für
treue Hirten, die die Schafe Christi treu geweidet haben. Dies gilt auch für die Ältesten, die ihr
Amt in einer guten und verantwortlichen Weise wahrgenommen haben.

5. Eine besondere Krone für Märtyrer, für Blutzeugen, die treu waren bis in den Tod
(Offenbarung 2, 10): Sei getreu bis an den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben.
Vorher spricht der Herr vom Leiden, vom Gefängnis, das manche Gläubige erdulden müssen.

Diese Kronen sind Siegeskränze, Freudenkränze, die der Herr für uns bereithält.
Nun kommen wir zu dem Ausblick auf die völlige Vollendung, die in wunderbaren Worten vom
Apostel Johannes in Offenbarung 21 beschrieben wird:

Offenbarung 21

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde
vergingen und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von
Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet wie eine geschmückte Braut ihrem Mann. Und ich
hörte eine große Stimme von dem Thron, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den
Menschen! Und Er wird bei ihnen wohnen und sie werden Sein Volk sein und Er Selbst Gott wird
mit ihnen sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht
mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Denn das erste ist
vergangen. Und Der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, Ich mache alles neu. Und er spricht:
Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss.

Hier ist von einem neuen Himmel und einer neuen Erde die Rede. Das bedeutet: Die jetzige
Schöpfung wird völlig abgebrochen werden. Es wird nicht an sie angeknüpft, sondern sie wird
völlig neu geschaffen werden. Siehe Ich mache alles neu!, spricht der HERR.

Sekten wie die Zeugen Jehovas sind ja der Ansicht, dass die Erde nur ein bisschen gereinigt
wird. Nach der Schlacht von nach Harmagedon würden die meisten Menschen dann auf der
gereinigten Erde leben. Nur einige Mitglieder ihrer eigenen Gruppierung (die fälschlich mit den
144.000 in Verbindung gebracht werden) würden mit Christus im Himmel regieren. Hierbei
handelt es sich jedoch um eine völlige Verdrehung der biblischen Wahrheit. (Ausführlich habe ich
dies in meinem umfangreichen Buch über die Zeugen Jehovas ausgeführt.) In 2. Petrus 3 steht
demgegenüber deutlich zu lesen, dass die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Gott wird
Himmel und Erde völlig neu erschaffen.

Denn der erste Himmel und die erste Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr. Wenn wir an
das Tier aus dem Meer (Offenbarung 13) denken, den Antichristen, so kann hier mit dem Wort
„Meer“ auch das Völkermeer gemeint sein, aus welchem die gottfeindlichen Mächte gekommen
sind. Auch dieses wird es nicht mehr geben. Das Meer hat ja auch etwas Bedrohliches an sich,
so kann man z. B. im Meer ertrinken. Nun aber sind Gottes Gerichte sowohl über die Welt wie
auch über die gottfeindlichen Mächte vollzogen: Der Antichrist, der Teufel, der falsche Prophet,
die Ungläubigen sind im Feuersee, in der Feuerhölle.

Schließlich erfolgt die Neuerschaffung des Kosmos: Der neue Himmel und die neue Erde, wobei
die neue Erde aus dem Himmel, von oben, kommt. Man kann hier am besten von einem neuen
Gesamtkosmos sprechen. Die neue Erde ist eine neue und keine erneuerte Erde, und auch das
himmlische Jerusalem ist eine völlig neu erschaffene himmlische Stadt, die sich aus dem Reich
Gottes herabsenkt.

Dies ist der Unterschied zum Turmbau von Babel in 1. Mose 11: Da wollten die Menschen einen
Turm bauen, der bis zum Himmel reicht, nämlich von unten nach oben Dieses Streben von unten
nach oben kennzeichnet das Wesen jeder Religion und ist das eigentliche Wesen der Sünde. Der
christliche Glaube ist daher keine Religion, sondern Erleben der Gnade Gottes, die uns von oben
her – von Gott – durch die geistliche Wiedergeburt erfasst (Johannes 3).

Ebenso wie das Gnadengeschenk von oben, so schickt Gott Sein neues Jerusalem von oben
nach unten zu den Menschen. Dies ist das Wesen der Gnade, das Wesen Gottes: Nicht der
Mensch erarbeitet sich das Reich Gottes, sondern Gott streckt Sich aus Liebe nach dem
Menschen aus und sendet Sein neues Jerusalem.

Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet
wie eine geschmückte Braut ihrem Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron, die
sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!

Wenn wir das Wort „Hütte“ hören, denken wir an die Stiftshütte im Alten Testament, die
Gegenwart Gottes bei Seinem Volk! Nun ist Gottes Gegenwart ganz nah und direkt unter den
Menschen! Gott wohnt nun direkt bei Seinem Volk in der Vollendung und Sein Volk darf direkt in
Seiner Gegenwart sein. Und Er wird bei ihnen wohnen und sie werden Sein Volk sein und Er
selbst Gott wird mit ihnen sein.

Und was tut der Herr, der liebende Gott? Er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der
Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das erste
ist vergangen. Alle Schwachheit, alle Vergänglichkeit, die dieser Schöpfung angehaftet hat, wird
hinweggenommen sein. Ein herrlicher Ausblick! Ich mache alles neu, spricht der Herr.

Diese Offenbarung richtet sich auch gegen alle Ideologien der Weltverbesserung, die auf dieser
vergänglichen Erde das Weltfriedensreich gründen wollen. Diese Idee entspringt dem Geist des
Antichristen. So gibt es große Bestrebungen, schon heute und hier auf dieser Erde ein perfektes
Friedensreich aufzubauen, was das Zusammenrücken der Menschheit zeigt. Dieses Einheitsreich
wird auch eine Zeitlang halten, dann aber wird das Verderben über es kommen. Dieses Reich ist
natürlich nicht das Reich Gottes, sondern dessen antichristliche Vorwegnahme. Dieses
Geschehen zeichnet sich ab. Die Staaten rücken immer enger zusammen und werden eine
Weltregierung einsetzen, eine Weltpolizei, einen Weltgerichtshof ... Es ist die antichristliche
Nachäffung dessen, was Gott hier in der Offenbarung verheißen hat.

Aber es gilt: Allein Gott der HERR macht alles neu - und nicht die Menschen aus ihrer eigenen
Kraft heraus. Selbstverständlich sollen wir uns als Christen auch für den Frieden einsetzen, aber
nicht in der übersteigerten Erwartung, ein einheitliches Weltfriedensreich aus eigener
menschlicher Kraft zu erschaffen - dies wäre nur der neue Turmbau zu Babel, und der wird
schließlich scheitern.

Und Er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich
will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet,
der wird es alles ererben und Ich werde sein Gott sein und er wird Mein Sohn sein.

A und O – das sind der Anfangs- und der Endbuchstabe des griechischen Alphabets: Alpha und
Omega. Anfang und Ende ist Gott und Jesus Christus, der Anfänger und Vollender des Glaubens
und auch des Weltalls.

Das Wasser, das kostbare Lebenswasser, bekommt der Mensch, der es begehrt, umsonst, aus
Gnade geschenkt. Es ist teuer erworben durch das Blut Jesu Christi, aber nur aus Gnaden
erhältlich. Der Mensch kann dafür nichts geben, er kann es nur aus Gottes liebenden Händen
empfangen. Wer überwindet, wird erben: Das heißt auch, wer sich nicht das Malzeichen des
Tieres (666) aufprägen läßt, wer Jesus die Treue hält inmitten der Verfolgung und Bedrängnis
durch den Antichristen und seine Vorläufer, besonders in der Zeit der großen Trübsal, aber auch
während der ganzen Kirchengeschichte. Die Erben sind dann für immer Söhne bzw. Kinder
Gottes.

Nun kommt eine Warnung in Vers 8: Der feigen Verleugner aber und Ungläubigen und Frevler
und Totschläger und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und aller Lügner, deren Teil
wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.

Hier sind diejenigen geschildert, die nicht im Reich Gottes, im Himmel sein werden, sondern in
der Feuerhölle. Und wer sind diese?: Die feigen Verleugner, die sich nicht zu Jesus Christus
bekannt haben. Der Herr sagt: Wer nun Mich bekennt vor den Menschen, den will Ich auch
bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer Mich aber verleugnet vor den Menschen, den will
auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater (Matthäus 10, 32 +33). Dies ist ein sehr
hartes Wort, das uns vielleicht auch schockiert. Wir sollen aber wirklich nicht die Menschen
fürchten, die nur den Leib töten können, sondern Gott in einer guten Weise fürchten, so dass wir
uns ohne Menschenfurcht zu Ihm bekennen und Jesus Christus verkündigen.

Eine gute Möglichkeit, sich zum Herrn zu bekennen, ist das Verteilen von Traktaten. Die
Nachteile, die wir durch dieses Bekennen vielleicht in Kauf nehmen müssen, sind nichts im
Vergleich zur ewigen Verdammnis. Die feigen Verleugner werden nicht im Himmel sein, sondern
in der Hölle; ebenso die Ungläubigen, die Jesus Christus abgelehnt haben; die Frevler, die Ihn
verspottet und gelästert haben; die Götzendienst getrieben haben; die Totschläger und Mörder -
alle die diese Gräuelsünden begangen haben und nicht davon umgekehrt sind. Mit Unzucht ist
jede Art sexueller Unzucht gemeint: Ehebruch, Hurerei, sexuelle Perversionen und vieles andere.

Wenn der Mensch aber umkehrt - und dies ist das Wunderbare – dann gibt es für alle diese
Sünden Vergebung. Niemand soll verzweifeln, der Böses getan hat und daher denkt, er dürfe
nicht in den Himmel. Dafür ist ja der Herr Jesus Christus gestorben, damit wir unsere Schuld
beim Ihm abgeben dürfen, denn Er hat sie ja für uns getragen und gesühnt. Dies ist keine billige
Gnade, denn sie hat den Sohn Gottes das Leben gekostet. Wir sind erlöst durch das teure Blut
Jesu Christi.

Zauberer, Okkultisten kommen auch nicht in den Himmel. Der Okkultismus nimmt ja überhand,
und der Teufel, dem die Hölle bereitet ist, versucht noch viele Menschen mit sich ins Verderben
zu reißen. Wer sich auf Okkultismus (Wahrsagerei, Pendeln, Horoskope, Tarock etc.) einlässt
und verlässt, wird keinen Platz im Himmel haben (vgl. 5. Mose 18, 9 ff.).

Götzendiener sind die Anhänger heidnischer Religionen, auch solche, die sich selber vergotten,
oder die irgendwelche Gegenstände statt Gott verehren. Diese werden auch in der Hölle sein.

Lügner, die auch verdammt sind, sind Menschen, die gewohnheitsmäßig ein Lügenleben führen.
Auch wir sollten jede Lüge, die uns bewusst ist, unter das Blut Jesu bringen. Lüge ist vielleicht die
häufigste Sünde von den genannten.

Der zweite Tod, der auf die Verdammten wartet, folgt dem ersten, dem irdischen Tod und ist die
Verdammnis im Feuersee, die ewige Strafe.

Wir kommen nun wieder auf das himmlische Jerusalem zurück und dessen Beschreibung:
Es kam zu mir einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, voll der letzen
sieben Plagen und redete mit mir und sprach: Komm ich will dir das Weib zeigen, die Braut des
Lammes. Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die
heilige Stadt Jerusalem hernieder fahren aus dem Himmel von Gott.

Die Beschreibung, die nun folgt, müssen wir eventuell symbolisch verstehen. Sie ist angelehnt an
die Bilder irdischer Edelsteine und Mauern, und stellt wiederum auch durch die Vollzahl 12 bzw.
12 x 12 = 144 ein Bild für Vollkommenheit dar. Eine wörtliche Bedeutung möchte ich aber nicht
ausschließen:

Sie hatte die Herrlichkeit Gottes und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis,
klar wie Kristall. Und sie hatte eine hohe und große Mauer und hatte zwölf Tore und auf den
Toren 12 Engel und Namen darauf geschrieben, nämlich der zwölf Geschlechter der Kinder
Israel: von Morgen drei Tore, von Mitternacht drei Tore, von Mittag drei Tore, von abends drei
Tore. - Dies sind die Tore, die Eingänge in die Stadt, die zwölf Stämme Israels, die Anfänge der
Heilsgeschichte. Das Heil kommt von den Juden (Johannes 4,22). Jesus Christus war nach
Seiner leiblichen Abstammung (Maria) ein Jude. In der Geschichte Israels wurde Sein Kommen
vorbereitet. Er als der Sohn Gottes verkörpert und bringt das Heil.

Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf
Apostel des Lammes. So stehen die Tore für den alten Bund und die Grundsteine für den neuen
Bund. Jesus Christus ist der Eckstein, der gelegt ist. Die Grundsteine, die zwölf Apostel, sind die,
welche die Botschaft, das Evangelium von Jesus Christus in die ganze Welt hinausgetragen
haben. Die Tore und die Grundsteine ergeben zusammen wieder 24, in Anlehnung an die 24
Ältesten, von denen wir bereits gehört haben.

Und der mit mir redete, hatte einen Meßstab, ein goldenes Rohr, dass er die Stadt messen sollte
und ihre Tore und Mauer. Und die Stadt liegt viereckig und ihre Länge ist so groß wie die Breite
(also ein Quadrat) und er maß die Stadt mit dem Rohr auf 12000 Feld Wegs (1200 Stadien =
2200 Km; größer als die Entfernung von Berlin nach Moskau). Die Länge und die Breite und die
Höhe der Stadt sind gleich (Die Stadt ist also ein Würfel und wird in Grafiken z. B. in
Heilszeitkarten auch immer so dargestellt. Wieder ein Bild für Vollkommenheit). Und er maß ihre
Mauer 144 Ellen nach Menschenmaß, das der Engel gebrauchte. Nach modernen Maßen 70
Meter Höhe. Dies ist schwer wörtlich zu nehmen, da die Höhe der Stadt schon mit 2200 Km
angegeben worden ist. Diese Angabe ist meiner Ansicht nach ein Bild für eine vollkommene
Mauer, durch die nichts Unreines in die Stadt hineinkommen kann.

Nun aber wird die Herrlichkeit dieser Mauer beschrieben: Ihre Mauer war aus Jaspis und die
Stadt aus reinem Golde gleich dem reinen Glase. Also nicht Gold, das undurchsichtig ist, sondern
Gold, das rein ist wie Glas, vollkommen rein. Und die Grundsteine der Mauer um die Stadt waren
geschmückt mit allerlei Edelgestein. Der erste Grundstein war ein Jaspis, der zweite ein Saphir,
der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sarder,
der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein
Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. Diese Edelsteine sind eine
Wiederholung des Priesterschmucks aus dem alten Testament. Sie sind Symbole für die Reinheit
der Priester, der Apostel, die Priester und Könige des Höchsten sind. Und die zwölf Tore waren
zwölf Perlen (so herrlich wie eine Perle) und ein jegliches Tor war von einer einzigen Perle und
die Gassen der Stadt waren lauteres Gold wie durchscheinendes Glas.
Nun kommt ein neuer Abschnitt, ein neuer Aspekt: Jeder jüdische Zuhörer wird sich fragen, wie
es sich in dieser Stadt mit dem Tempel verhält, wo wohl das Allerheiligste, der Tempel ist. In
Hesekiel 40-48 ist ja viel von dem Tempel in der zukünftigen Gottesstadt die Rede Dabei ist
allerdings anzunehmen, dass der Tempel bei Hesekiel sich auf das Tausendjährige Reich
(Offenbarung 20) bezieht, wohingegen diese Stelle in Offenbarung 21 auf die ewige Herrlichkeit
nach dem Tausendjährigen Reich Bezug nimmt:

Und ich sah keinen Tempel darin, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel und das
Lamm. In dieser vollkommenen Stadt herrscht die vollkommene Gottesgemeinschaft zwischen
Gott und den erlösten Menschen, zwischen Gott und Seiner Gemeinde. Hier ist kein Tempel und
kein Opfer mehr nötig. In Hebräer 9 steht, dass Jesus Christus ein für allemal das vollkommene
Opfer für die Sünde der Welt dargebracht hat, nämlich: Sich Selbst am Kreuz von Golgatha.

Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit
Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Die kosmischen Lichtquellen des Weltalls
Sonne und Mond sind nun auch überflüssig. In 1. Johannes 1 wird ausgeführt, dass Gott Licht ist,
und dieses wunderbare Licht scheint nun den Erlösten.

Und die Völker werden wandeln in ihrem Licht. Also nicht nur Israel, sondern die Geretteten aus
allen Nationen werden nun in die Stadt hinzukommen. Die Tore sind die zwölf Stämme Israels,
die Grundsteine die Apostel und die Völker werden nun hinzukommen, da Jesus Christus den
Zugang ermöglicht. Er sendet Seine Jünger zu allen Völkern (Matthäus 28,18-20).

Und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Eine große Pilgerschar wird zu
dieser Stadt wandern. So wohnen außerhalb dieser Stadt die Völker, aber sie haben Zutritt zur
Stadt.

Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tags, denn da wird keine Nacht sein. So ist in
Jesaja 2 die Rede davon, dass die Völker zum Berge Zion pilgern werden, vielleicht schon im
Tausendjährigen Reich, aber auch in der ewigen Herrlichkeit.

Und man wird die Pracht und die Herrlichkeit der Völker in sie bringen. Und es wird nicht
hineingehen irgendein Unreines und nicht, der da Gräuel tut und Lüge, sondern allein diejenigen,
die geschrieben sind im Lebensbuch des Lammes. Weder aus dem heidnischen Umfeld noch
aus dem Judentum wird etwas Unreines in die Stadt hineingehen dürfen, sondern nur wer durch
das Blut Jesu gereinigt ist und im Lebensbuch des Lammes steht - die Kinder Gottes. Auch wird
es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden geben; man denke an Epheser 2 - der
Zaun ist abgebrochen, die Feindschaft ist beendet. Christen aus Juden und Heiden werden in alle
Ewigkeit die eine Schar der Überwinder bilden.

Offenbarung 22

Und er zeigte mir einen Strom des lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem
Thron Gottes und des Lammes; auf beiden Seiten des Stromes mitten auf der Gasse ein Baum
des Lebens, der trägt zwölfmal Früchte und bringt seine Früchte alle Monate und die Blätter des
Baumes dienen zur Heilung der Völker. Und es wird nichts mehr unter dem Bann sein. Und der
Thron Gottes und des Lammes wird darinnen sein und Seine Knechte werden Ihm dienen und
sehen Sein Angesicht und Sein Name wird an ihren Stirnen sein. Und es wird keine Nacht mehr
sein und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott, der Herr
wird sie erleuchten und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Nun wird der Lebensstrom erwähnt, der Strom des lebendigen Wassers, klar wie Kristall.
Unendlich viel reiner als jedes Wasser, das wir heute kennen. Dieser Strom geht vom Throne
Gottes und des Lammes aus. Wir sehen, dass Gott und das Lamm zusammengehören. Jesus
Christus hat diese Heilung und Erlösung durch Sein Opfer am Kreuz erst ermöglicht, und Er ist
Gott. Jesus Christus sagte: Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden
Ströme lebendigen Wassers fließen (Johannes 7,38). Die Gläubigen sind mit diesem Wasser (ein
Sinnbild für den Heiligen Geist) verbunden und können es hier auf Erden weiterreichen.

Und auf beiden Seiten des Stromes mitten auf der Gasse ein Baum des Lebens. Nun wird uns
das Paradies, das vollendete Paradies geschildert. Die Heilsgeschichte, geschildert in der
Heiligen Schrift vom Anfang zum Ende, ist abgeschlossen.

Im Paradies am Anfang der Bibel in 1. Mose 3 stehen zwei wichtige Bäume: Der Baum der
Erkenntnis des Guten und Bösen, mit dem der Teufel den Menschen zum Sündenfall verführte,
damit der Mensch angeblich wie Gott werden konnte. Dies führte zur Trennung zwischen Gott
und dem Menschen. Daher wurde dem Menschen auch der Baum des Lebens verwehrt. Aber
nun am Ende der Heilsgeschichte, da die Gläubigen durch das Blut des Lammes gereinigt sind,
dürfen sie vom Baum des Lebens essen, nämlich die Frucht der Unsterblichkeit, die Frucht des
ewigen Lebens. Dieser Baum bringt die Heilung der Völker und trägt zwölf Mal Früchte im Jahr.
Auch hier begegnet uns wieder die Zahl der Vollkommenheit: eine vollkommene Frucht. Die
Blätter dienen zur Heilung der Völker.

Und es wird nichts mehr unter dem Bann sein. Das heißt, es wird keinen Fluch mehr geben;
keine Schlange, die den Menschen verführt; keinen Tod, keine Krankheit.

Und der Thron Gottes und des Lammes wird darinnen sein und Seine Knechte werden Ihm
dienen. Freudigen priesterlichen Dienst wird es für die Erlösten geben am Throne Gottes.

Nun gelangen wir zum Ziel unseres Glaubens: ... und sie werden sehen Sein Angesicht ... das
wunderbare Antlitz Jesu Christi, welcher für uns die Dornenkrone getragen hat und für uns
gestorben ist. ... und Sein Name wird an ihren Stirnen sein. Die Erlösten werden versiegelt sein
mit dem Zeichen Gottes. Sie werden Sein Eigentum, Seine Geliebten Kinder bis in alle Ewigkeit
sein. Keiner wird sie aus Gottes Hand mehr reißen können, keine Versuchung, kein Satan, kein
Antichrist wird sie mehr angreifen. Endlich sind sie vollendet, endlich an Gottes Thron
angekommen, endlich dürfen sie Gott schauen.

Nun ist erfüllt, was Jesus Christus in der Bergpredigt verheißen hat: Selig sind die, die reinen
Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Matthäus 5,8).

Die Offenbarung schließt damit, dass die Erlösten mit Gott regieren dürfen, mit Ihm herrschen
werden; sie haben eine wunderbare Stellung.

Zusammenfassung und Schluß

Wie wird es im Himmel sein? Können wir etwas darüber sagen? In aller Demut und Vorfreude
haben wir einige Kennzeichen der himmlischen Herrlichkeit zusammengestallt:

- Das Ziel lautet, daß wir Gott schauen, ihn lieben und ihm dienen dürfen (Offb 4 f.; 7,15; 22,4).
- Als Lohn erwartet uns ewige Seligkeit, Freude und Friede (1. Petr 1,9; Offb 7,16 f.).

- Der Weg zum Himmel führt allein über Jesus Christus, der für uns starb am Kreuz auf Golgatha
(Joh 14,4; Apg 4,12; 1. Kor 3,11).

- Als Vorbereitung sollen wir trachten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit; dann wird
uns alles andere aus Gnaden zufallen (Mt 6,33).

- Im Himmel wartet auf uns ein Erbe, das nicht vergeht (1. Petr 1,4).

- Wir werden Gott mit allen Engeln loben (Offb 4 f.).

- Wir werden einen neuen himmlischen Körper bekommen, der unverweslich, rein und voller Kraft
ist (1. Kor 15,35 ff.).

- Wir werden reingewaschen sein durch das Blut Jesu Christi, des für uns geopferten Lammes,
und weiße Kleider tragen (Offb 7,14).

- Hölle, Tod und Teufel können uns nicht mehr anfechten, auch nicht Krankheit und Leid, Hunger
und Durst u.ä. (1. Kor 15,55-57; Offb 21,1 ff.).

- Der Himmel ist ein heiliger Ort, in den nichts Unreines hinein kann (Offb 21 f.).

- Feige Verleugner, Ungläubige, Frevler, Mörder, Unzüchtige, Okkultisten, Götzendiener, Lügner


und alle anderen Sünder werden keinen Platz im Himmel haben - es sei denn, sie sind zu Jesus
Christus umgekehrt und haben für ihre Schandtaten Buße getan (Offb 21,8).

- Für Gläubige aber gilt: Wir werden Könige und Priester Gottes sein (Offb 5,10).

- Wir werden Menschen aus allen Stämmen, Völkern, Sprachen und Nationen vor dem Thron
Gottes treffen (Offb 7,8).

- Es wird für die Überwinder verschiedene Kronen geben: die Krone des Lebens für erduldete
Versuchung (Jak 1,12), die Krone der Freude für Seelengewinner (1. Thess 2,9), die Krone der
Gerechtigkeit für alle, die im Warten auf den HERRn standhaft geblieben sind (2. Tim 4,8) und
die Krone der Treue für alle Blutzeugen Jesu Christi (Offb 2,10).

- Das neue Jerusalem, die Stadt aus dem Himmel, wird eine Schönheit und Reinheit besitzen, die
mit menschlichen Worten nur angedeutet werden kann: reines Gold, Edelsteine, Perlentore,
vollkommene Maße, Gott selbst ist ihr Licht (Offb 21 f.).

Treffend sagte der bekannte Erweckungsprediger Charles Haddon Spurgeon über die
himmlische Herrlichkeit: "Die Straßen aus Gold werden uns wenig beeindrucken, und die
Harfenklänge der Engel werden uns nur wenig erfreuen im Vergleich zu dem König in der Mitte
des Thrones. Er ist es, der unsere Blicke und Gedanken an sich ziehen wird, der unsere Liebe
entfachen und all unsere geheiligten Gefühle auf ein Höchstmaß unaufhörlicher Anbetung
bringen wird. Wir werden Jesus sehen."

Und Newton spricht von drei Wundern, wovon eines das größte ist: „Wenn ich in den Himmel
komme, werde ich drei Wunder sehen: Das erste Wunder wird sein, viele Menschen zu sehen,
die ich dort nicht erwartet habe. Das zweite Wunder wird sein, dass ich viele Menschen dort nicht
sehen werde, von denen ich dachte, dass sie dort sein werden. Und das dritte und größte
Wunder wird sein, dass ich selbst dort sein werde.“
ICH WERDE DORT SEIN ALLEIN AUS GNADEN - ERLÖST DURCH DAS BLUT DES LAMMES.

Wir beten: Lieber Herr Jesus Christus, wir danken Dir, dass Du uns erkauft hast mit Deinem
teuren Blut am Kreuz auf Golgatha und wir danken Dir, dass dies das größte Wunder ist, wenn
wir einmal bei Dir sein werden am Thron des Vaters und des Lammes. Schenke, Herr, dass viele
es annehmen können im Glauben. Trage uns alle hindurch bis an unser Ende, dass wir Dir treu
bleiben auch in antichristlicher Bedrängnis. Segne uns und lass uns Dir immer ähnlicher werden,
dass wir Dir dienen dürfen bis zum Sieg In der ewigen himmlischen Herrlichkeit. Amen.

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Warum lässt Gott es zu?

»Es ist mir wirklich ein Rätsel«, sagte der Professor zu einem Kollegen, »wie sonst so
verständige Leute dazu kommen zu sagen, sie glaubten an einen guten, allwissenden,
freundlichen und allmächtigen Gott, den sie eine Person nennen.
Das geht wirklich über meinen Verstand! Denn diese Leute und es scheint nicht wenige von
ihnen zu geben scheinen fest von ihren Ansichten überzeugt zu sein und bilden sich auf
irgendeine Weise sogar ein, dass sie eine persönliche Beziehung zu diesem ihrem Gott besitzen.
Bis zu einem gewissen Grade kann ich ihr Gerede von ihrem Glauben an diesen Gott verstehen,
wenn sie etwa einen schönen Sonnenaufgang im Gebirge sehen oder eine Orchidee in voller
Blüte oder selbst gesunde junge Männer und Frauen.

Aber sie müssen sehr beschränkt sein, wenn sie nicht die andere Seite des Bildes sehen, die all
diesem widerspricht.

Was ist denn zu der Katze zu sagen, die die Maus beschleicht und mit ihr spielt, sie dann
langsam zu Tode quält und schließlich auffrißt? Ist das nett und freundlich?

Was sagen wir zu der jungen Mutter, die an Krebs zugrunde geht, deren Leib schon nach
Verwesung riecht, bevor er in den Sarg gelegt wird? Ist das denn schön, ist das ein Wink und
Zeichen der großen Weisheit und Freundlichkeit ihres Gottes, der alles so erschaffen hat? Und
der Todeskampf des Vaters, und die zurückgelassenen Kinder?

Plant ihr Gott all dies ebenso gut wie die Sonnenaufgänge? Wenn er alles geschaffen hat und
allmächtig ist, muß er es so geplant haben. Wenn das so ist, kann er dann auf irgendeine
sinnvolle Art gut genannt werden?

Und was sagen wir zu den Greueltaten des Krieges, besonders des modernen Krieges? Man
denke nur an die vergasten oder auf andere scheußliche Weise umgebrachten Menschen in den
Konzentrationslagern, von denen viele zu seinem auserwählten Volk gehörten!

Warum ließ ein guter, liebender, allmächtiger Gott solche Greuel zu? Selbst sonst gottlose
Menschen hätten ihnen sofort Einhalt geboten, wenn sie die Macht dazu gehabt hätten. Aber ihr
Gott ließ dies jahrelang geschehen.«

»Schau in ein anderes Gebiet, nur für einen Augenblick«, fuhr der Professor fort, »und sage mir,
was du über die raffinierten Quälereien denkst, die wir rings um uns her in der Natur sehen.
Nimm zum Beispiel den Vorgang der Malariaübertragung; dieser führt uns Anzeichen eines
sorgfältig durchdachten Planes vor Augen, der nur darauf gerichtet ist, das Wirtstier zu quälen
und zu plagen. Für mich sieht das Ganze aus wie ein merkwürdiges Planen sowohl des Guten
als auch des Schlechten für das Menschengeschlecht.
Nein, dieses religiöse Zeug kann ich nicht glauben! Meine Vernunft und mein gesunder
Menschenverstand können dies eben nicht verkraften. Soweit ich es erkenne, sieht es so aus, als
ob ein Gott oder Schöpfer, falls er existiert, zu gleicher Zeit gut und böse wäre, was doch
natürlich vom Stand¬punkt des menschlichen Denkens aus Unsinn, Nihilismus ist.

Ein allmächtiger und guter Gott dürfte nicht gleichzeitig so viele Beweise einer anscheinend
durchdachten, geplanten Güte im Universum und so viele Zeichen einer berechneten, kalten
Bosheit zeigen: Dies führt zu glattem intellektuellem Nihilismus! Können wir erwarten, dass
irgendjemand auch nur versuchen könnte, sich solch ein höheres Wesen vorzustellen,
außerordentlich weise und gut, und doch gleichzeitig furchtbar rachsüchtig und böse, ein Wesen,
das alle möglichen Arten von Plagen und Quälereien für Mensch und Tier ausdenkt? Das ist doch
geradezu sinnlos! Und der alte Kunstkniff, einen Teufel anzunehmen, um dieser Schwierigkeit
Herr zu werden, und ihn als Quelle alles Übels hinzustellen, wird natürlich auch nicht genügen.

Wenn Gott allmächtig und gut wäre, würde er den so ge¬nannten Teufel sofort ausschalten, und
er käme überhaupt nicht als Ursache des Bösen in Frage. Und wenn Gott, was den Teufel
anbetrifft, nicht allmächtig wäre und seine Wirksamkeit nicht verhindern könnte, müßte der Teufel
auch ein Gott sein, und dann kämen wir schließlich zu den primitiven − Ideen von Göttern im
Himmel, die sich gegenseitig bekriegen Ideen, die natürlich durch den intellektuellen Fortschritt
schon vor Jahrhunderten aufgegeben wurden.«

»Ich sagte früher oft«, fuhr er mit Nachdruck fort, »dass ich ein Agnostiker sei und deshalb über
diese Dinge überhaupt nichts Sicheres wisse. Aber jetzt, nachdem ich älter geworden bin, bin ich
zu der Überzeugung gelangt, dass ich in Wirklichkeit ein Atheist bin. Ich glaube überhaupt nicht
an einen Gott, er sei gut oder böse. Solch ein Glaube bringt mehr Schwierigkeiten, als er
wegnimmt, und macht die Dinge eben noch komplizierter. Heutzutage klammere ich all diese
Dinge aus meinem Denken ganz aus. Ich habe es nicht nötig, meinen Verstand noch länger
damit verdunkeln zu lassen. Dazu kommt noch, dass ich nicht einsehe, wie irgendein
intelligenter, ehrenwerter Mensch anders glauben könnte als ich.«

Ist das nicht ganz genau die Frage vieler denkender Menschen heutzutage? Warum ist es so,
wenn Gott allmächtig ist und wenn er Gott ist, muß er eben so sein. Warum bringt er nicht all
dieses Chaos zum Stillstand, all diese Krie¬ge, all den Betrug, die Ungerechtigkeiten, das Elend
und die Krankheiten in der Welt? Es ist so, wie mir vor Jahren ein Student sagte: »Wenn Sie
wollen, dass ich an Ihren Gott glauben soll, erwarte ich zuallererst, dass er eine bessere Welt
erschafft!«

Falls er uns Menschen liebt, wie uns die Bibel versichert, warum läßt er nicht all das Elend
verschwinden und bringt alles anständig in Ordnung? Weil er sich nicht mehr um uns kümmert?
Wenn er uns vergessen hat und nicht mehr für uns sorgt, warum sollen wir uns um ihn kümmern?
Wenn er allmächtig wäre, könnte er natürlich alles sofort ändern.

Er wäre nicht länger Gott, wenn er nicht allmächtig wäre, und wenn es sich so mit ihm verhält,
warum brauchen wir uns dann um ihn zu bemühen? Gerade deshalb, weil er es zuläßt, dass das
Böse neben dem Guten existiert, werden so viele zu Atheisten, wie es tatsächlich bei meinem
Freund, dem oben angeführten Professor, der Fall ist.

Wir sollten uns nicht verleiten lassen zu denken, dass solche Fragen besonders modern seien
und dass wir sehr fortschrittliche Denker seien, wenn wir so fragen. Als nach dem Sündenfall
Disteln und Dornen aus der Erde emporwuchsen, hätten Adam und Eva leicht dieselben Fragen
stellen können. Warum ließ Gott all dieses zu? Liebt er uns nicht mehr und sorgt er nicht mehr für
uns? Hiob stellte dieselbe Frage, als das Unheil über ihn und seine Familie hereinbrach. Er ist
Gott, er hätte es verhindern können, wenn er gewollt hätte. Denn sicher muß er allmächtig sein,
weil er Gott ist, und muß es deshalb können. Wollte er es noch? Sorgte er noch für Hiob? Wenn
nicht, warum sollte Hiob sich dann so lange um ihn kümmern und ihm dienen?
Zugegeben, es gab noch eine Menge Dinge in Adams und Hiobs Leben, die darauf hindeuteten,
dass Gott sich doch noch um sie sorgte, trotz Disteln und Dornen und Familienkatastrophen, aber
es war kein klares Bild mehr vorhan¬den. Es gab nun Beweise für und gegen Gottes Liebe und
Fürsorge, wenn man sich in der Umwelt des Menschen umsah. So erhob sich damals derselbe
Widerspruch wie jetzt, und die Frage bleibt heute wie damals: »Warum soll man trotz aller
gegenteiligen Beweise an einen guten Gott glauben und ihm vertrauen?«

Ein Physiker stellte sie mir in folgender Weise: »Warum wertet Gott den Glauben an ihn so hoch,
dass er ihn zur wichtigsten Bedingung macht, um in sein Reich zu gelangen? Denn der Glaube
ist nichts anderes als das Ergebnis des Sichzwingens, etwas für wahr zu halten, von dem
augenscheinlich gerade das Gegenteil schon bewiesen ist. So scheint Gott etwas hoch zu
bewerten, was gegen unsere Natur und den gesunden Menschenverstand verstößt, nämlich die
Beschränkung einer unserer höchsten Fä¬higkeiten, der Fahrigkeit, Beweise zu führen und
danach zu handeln. Der Glaube vertraut auf etwas, was er nicht sieht, das heißt, er akzeptiert
einen Beweis, den er nicht erbringen kann.« Anders ausgedrückt lautet die Frage dieses
Physikers: Warum sollte Gott es als Voraussetzung für eine besondere Gnade betrachten, wenn
der Mensch trotz gegenteiligem Beweis glauben würde?

Um zu unserem ersten Gedankengang zurückzukehren, lautet die Frage: Wenn ein und dasselbe
Wesen sowohl das Gute als auch das Böse, sowohl das Schöne als auch das Häßliche zuläßt
und plant, dann ist alles ernsthafte Denken über ihn mit den uns gegebenen Denkfähigkeiten
unmöglich.

Bevor wir fortfahren, laßt uns fragen, was die Bibel über den Stand dieser Dinge lehrt. Das erste
Kapitel des Römerbriefes lehrt vollständig klar und kompromißlos, dass die Schöpfung überhaupt
keine Widersprüche enthält, und gibt uns nur eine einzige Vorstellung von Gott, nämlich dass er
ein herrlicher, allmächtiger Schöpfer-Gott ist und dass sein Universum nur seinen Ruhm
verkündet. »Denn, was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; Gott hat es ihnen
offenbart. Denn Gottes un¬sichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird
ersehen seit der Schöpfung der Welt und wahrge¬nommen an seinen Werken, so dass sie keine
Entschuldigung haben« (Röm. 1,19.20).

Demnach lehrt also die Bibel, dass ein Mensch, der das Weltall betrachtet und nicht gleichzeitig
die ewige Macht der herrlichen Gottheit sieht, der, wenn er das Sichtbare sieht, keine
Rückschlüsse auf das Unsichtbare zieht, ohne Entschuldigung ist.

Ja, die Bibel geht in dieser Richtung noch einen Schritt weiter, indem sie in demselben Kapitel
(Röm. 1,21) lehrt, dass ein Mensch, der Gott durch seine so herrlich geschaffene Welt sieht und
ihm nicht dafür dankt und ihn preist, überwältigt von den Wundern, die des Schöpfers Weisheit
offenbaren, dass ein solcher Mensch seine Gedanken dem Nichtigen zuwendet und dass sein
unverständiges Herz verfinstert wird. Das heißt, wenn ein Mensch das Weltall betrachtet und
nicht von selbst vor Dank zu Gott überfließt und ein Gottesverehrer wird, dann wird dieser
Mensch im Laufe der Zeit unfähig, seine höheren Fähigkeiten, wie etwa sein Denken, auf rechte
Weise zu gebrauchen. Außerdem wird sein »Herz« verfinstert, d. h. seine Sittlichkeit wird
abgestumpft. Kein Gottesverehrer zu werden, wird als ein Missbrauch der Denkorgane
betrachtet, und Missbrauch führt ganz allgemein zur Entartung des betreffenden Organs.

Zusammenfassend können wir sagen, dass die Heilige Schrift nicht viel Sympathie für den
Menschen zeigt, der solche intellektuellen Schwierigkeiten, an Gott zu glauben, hat, wie sie oben
erörtert wurden. Nach ihrem Maßstab sollte ein Blick auf das Universum für jeden Menschen von
durchschnittlicher Intelligenz genügen, um von der Existenz Gottes überzeugt zu werden, und
sollte ferner dazu ausreichen, aus ihm einen eifrigen Gottesverehrer zu machen.

Es bleibt also die Frage, warum die Bibel diesen Standpunkt vertritt, obwohl es klar ersichtlich ist,
dass denkende Menschen überall in der Welt durch den Blick ins Universum nicht zu Verehrern
Gottes wurden, sondern im Gegenteil, dass sie auf intellektuelle Schwierigkeiten vieler Art
stießen und sich sogar vielfach von Gott abwandten.

Die Erforschung des Sichtbaren (Röm. 1,19: »was man von Gott erkennen kann«) hat ihnen nicht
das Unsichtbare geoffenbart, sondern hat dazu geführt, dass sie an das Unsichtbare überhaupt
nicht mehr glauben und daher davon absehen, ein Wesen in der unsichtbaren Welt zu verehren.
Der Grund dafür ist wiederum, dass die sichtbare Welt so viele Widersprüche und
Anachronismen zeigt, dass das Unsichtbare, nach dem Sichtbaren beurteilt, entweder lächerlich
oder unnötig wird, überflüssig für weiteres ernsthaftes Denken.

In vielen Kreisen ist demnach ein Christ zu sein gleichbedeutend mit »intellektuell drittrangig«. Es
wird ange¬nommen, dass der Christ verstandesmäßig unfähig ist, die Widersprüche und Fehler,
die seinem ziemlich naiven und intellektuell unmöglichen Glauben eigen sind, zu begreifen.

Aber entsprechen die oben genannten Schwierigkeiten den Tatsachen? Stehen denn dem
Glauben an den Gott der Bibel wirklich unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege? Vielleicht
kann ein persönliches Erlebnis diese Fragen besser klären als weitere theoretische Erörterungen.

Vor dem Zweiten Weltkrieg besichtigte ich oft den Kölner Dom. Dieses schöne gotische Bauwerk
bewunderte ich besonders, manchmal stundenlang, mit den anmutigen, emporstrebenden
Pfeilern, dem prächtigen hochgewölbten Dach, den mittelalterlichen bunten Glasfenstern und der
Orgel. Je mehr ich diesen Bau bewunderte, desto mehr bewunderte ich auch die Baumeister und
Maurer, die im Laufe von Jahrhunderten diesen schönen Dom entwarfen und erbauten. Denn all
diese anmutigen Linien waren offenbar sorgfältig von Experten entworfen worden, die nicht nur
die mathematischen Grundlagen solch eines Baues kannten, sondern auch einen hohen
Schönheitssinn besaßen. Auch die Qualität dieser handwerklichen Kunst war wirklich erstklassig,
abgesehen von der Schönheit der allgemeinen Konstruktion. So bewunderte ich unsere
Vorfahren, als ich ihr Handwerk untersuchte. Wenn man bedenkt, dass sie keine modernen
maschinellen Vorrich¬tungen besaßen, die ihre Arbeit erleichterten, muß man ihr damaliges
Werk als ein Wunderwerk betrachten.

So zeigt die Struktur dieses Domes zweifellos etwas von dem Geist, der dahintersteckte. Sich
vorzustellen, dass solch ein wohlbedachtes Gebäude so einfach entstanden wäre, ohne dem
Geiste von Sachkennern entsprungen zu sein, hieße am eigenen Verstand zu zweifeln.

Während des Zweiten Weltkrieges war Köln das Ziel von vielleicht mehr schweren Luftangriffen
als jede andere Stadt in Westeuropa, und da der Dom direkt am Rangierbahnhof steht, der
regelmäßig und schwer bombardiert wurde, wurde er oft getroffen und viele Male schwer
be¬schädigt.

Ich erinnere mich noch gut an die Enttäuschung, als ich den Dom im Herbst 1946 zum ersten Mal
nach dem Kriege wieder sah. Die beiden berühmten Türme standen noch und ragten aus dem
furchtbaren, unvorstellbaren Trüm¬merfeld empor. Außer dem Dom selbst war fast alles dem
Erdboden gleichgemacht oder in Trümmer zerfallen. Von ferne sahen die Türme noch gut aus,
aber wenn man sich ihnen näherte, sah man riesige Löcher in ihrem massiven Mauerwerk.
Mehrere hundert Tonnen Beton und Ziegel¬steine waren in ein Riesenloch hoch oben in einem
Turm hineingebaut worden, um das Mauerwerk teilweise wieder zu ersetzen, das von einer
Sprengbombe weggerissen worden war. Das Dach war in Trümmern, die Orgel zerstört, die
Fenster herausgefallen, und überall lag knietief eine unbeschreibliche Masse von Trümmern,
zerfetztem Holz, pulverisiertem Mauerwerk und riesigen Steinblöcken, die teilweise
Bombenlöcher zudeckten.

Dieses chaotische Bild machte einen tiefen Eindruck auf mich, als ich an die frühere Schönheit
und Ordnung dieses Fleckchens Erde dachte. Aber während diese Gedanken durch meinen Kopf
gingen, kam doch ein Gedanke in mir auf − nie verband ich irgendwie das Trümmerfeld dieses
einst so schönen Gebäudes mit der Unfähigkeit oder einer Absicht der Architekten oder
Handwerker, die es erbaut hatten. Ebenso wenig begann ich an der Existenz dieser Baumeister
zu zweifeln, weil ihr Werk nun vor meinen Augen in Trümmern lag. Man hätte wahrscheinlich
lange Zeit angestrengt nachdenken müssen, um auf solch eine absurde Idee zu kommen.

Fürwahr, selbst inmitten des allgemeinen Trümmerfeldes zeigten die Überreste, die auf die
frühere Schönheit dieses Gebäudes hindeuteten, wie gut die Architekten alles geplant hatten. Die
mächtigen aufstrebenden Pfeiler standen noch, die anmutigen gotischen Bögen waren noch da;
sogar die Bombenlöcher im Mauerwerk machten es offenbar, wie gut die Architekten es
entworfen und wie fachmännisch die Männer gebaut hatten, selbst an Stellen, die
jahrhundertelang menschlichen Blicken entzogen waren. Bis in ihre innersten Teile zeigte die
ganze Ruine gerade das Entgegengesetzte zu dem obigen absurden Gedanken und tat kund,
wie gut das ganze Gebäude erdacht und konstruiert worden war. Man könnte noch weitergehen
und behaupten, dass der zerstörte Bau in gewisser Hinsicht noch besser als das unversehrte
Gebäude die Vollkommenheit der Planung und Konstruktion zeigte. Das war kein mit Stuck
versehenes Gebäude, außen fein, aber innen, wo niemand normalerweise hinsehen konnte, ganz
minderwertig, wie bei vielen modernen Gebäuden.

Sehr wahrscheinlich würde niemand die Architekten beschuldigen, eine Ruine gebaut zu haben.
Ganz offenbar war der Dom nie als eine solche geplant. Dies würde auch nicht zu der Tatsache
passen, dass er jetzt eine Ruine ist. Es war im Allgemeinen leicht, zwischen dem zu
unter¬scheiden, was Ruine und was geplant war.

Obwohl der Dom gleichzeitig Vollkommenheit und Zerfall zeigte und sonst ein gemischtes Bild
darbot, hätte diese Tatsache doch nie zur Entstehung der beiden folgenden Gedanken geführt:

1. dass, weil der Dom eine Ruine, eine Mischung von Chaos und Ordnung war, kein
erfinderischer Geist, kein Architekt dahinter stand;

2. dass, weil das Gebäude ein Gemisch von Zerfall und Ordnung war, man nicht mehr hoffen
könne, irgendwel¬che charakteristischen Merkmale des dahinterstehenden Geistes zu erkennen.

Der zerbombte Dom erinnert mich oft an den Zustand der Schöpfung, wie wir sie heute sehen,
wahrlich ein gemischtes Bild, ein Durcheinander von Ordnung und Chaos, Schönheit und
Häßlichkeit, Liebe und Hass, al¬les unentwirrbar miteinander verzahnt. Aber an diesem Punkt sei
daran erinnert, wie unlogisch es wäre, automatisch daraus zu folgern:

1. deshalb stehe hinter dem Gebäude der Schöpfung kein Geist, kein Schöpfer. Und doch ist
genau dies die Einstellung unseres Atheisten, wie oben ausgeführt wurde. Wir erinnern uns, dass
der Atheist sagte, er sehe nichts als Widersprüche in der Natur, und er schließe deshalb den für
ihn verwirrend wirkenden Gottesbegriff ganz aus seiner Gedankenwelt aus;

2. deshalb könnte man keinerlei charakteristische Merk¬male des hinter der Natur stehenden
Geistes erkennen. Im Allgemeinen ist es ziemlich leicht, zwischen dem Plan und der
dazwischengetretenen Unordnung zu unterscheiden, auch in der Natur. In einem Trümmerfeld
erkennt man oft die wirklichen Absichten des dahinterstehenden Erbauers noch besser als in
dem unbeschädigten Gebäude. Zum Beispiel hat das Studium der Krebszellen (»ruinierte« Zellen
jenes »Körper« genannten Gebäudes) viele unvermutete Ge¬heimnisse über den Aufbau und die
Struktur der gesun¬den Körperzellen zutage gebracht, die auf andere Weise nicht so leicht
entdeckt worden wären.

Also, obwohl die Schöpfung ein (aus Gut und Böse) gemischtes Bild darbietet, ist es unhaltbar,
daraus zu schlie¬ßen, dass deshalb kein Schöpfer existiere und keine Eigen¬schaften seines
Geistes in ihr zu sehen seien. Oft zeigt das zerstörte Gebäude diese Eigenschaften besser als
der un¬beschädigte Bau. Der »Schaden« in der Schöpfung bringt oft die charakteristischen
Eigenschaften des dahinterste¬henden Geistes besser ans Tageslicht als ihr ursprünglicher
Zustand.
Und doch behaupten die Atheisten und Agnostiker, dass man durch den Blick ins Weltall nichts
über den Geist des Schöpfers erfahren könne, angeblich größtenteils wegen des aus Gut und
Böse, Ordnung und Unordnung bestehenden Bildes, das das Universum darstellt. Aber dass
diese Einstellung unlogisch ist, tritt deutlich zutage. Römer 1 lehrt auch die Unhaltbarkeit dieser
These. Ja, die Bibel lehrt in demselben Kapitel, dass Krankheit, Tod, Hass und Häßlichkeit
äußere Zeichen eines Zustandes der »Unordnung« sind, und dass sie sich ziemlich leicht von
Gesundheit, Leben, Liebe und Schönheit, dem ursprünglichen, unbeschädigten Zustand
unterscheiden lassen.

Also ist die Lehre von Römer 1, dass die Schöpfung, sogar die gefallene oder »zerstörte«
Schöpfung, genug von Gott offenbart, um jeden ehrlich denkenden Menschen zu Dank und
Anbetung zu veranlassen, zweifellos nicht unlogisch, sondern vielmehr eine wahre Darstellung
der gegebenen Tatsachen.

Natürlich sind alle Veranschaulichungen und Gleichnisse in der Art, wie sie bisher gebracht
wurden, unvollständig, und unser Dom ist keine Ausnahme. Eine Unvollstän¬digkeit in unserer
Darstellung liegt natürlich darin, dass die Erbauer des Doms seit langem tot sind und nicht die
Bombardierung ihres Meisterwerks verhindern konnten. Gott ist nicht tot, wie wir voraussetzen.
Deshalb taucht jetzt die Frage auf, warum ein allmächtiger Gott, der, wie wir annehmen, sein
Meisterwerk, die Schöpfung, liebt, nicht die »Bombardierung« seines Meisterwerkes verhindern
konnte? Hier kann uns natürlich unser Gleichnis vom Kölner Dom nicht mehr helfen.

Fragen dieser Art (»Warum gebietet Gott diesem nicht Einhalt?«) tauchen gewöhnlich dann auf,
wenn der Fragende sich nicht die Mühe gemacht hat, genau zu überlegen, wie die Liebe oder
irgendeine Tugend überhaupt beschaffen ist. Wenn man genau überlegt, was die Liebe oder
irgendeine andere Tugend ist, löst sich dieses Problem meist ganz schnell von selbst, und zwar
auf eine Weise, die den Verstand durchaus zufrieden stellt. Deshalb wollen wir uns sogleich als
Einleitung folgende Frage zu dem Problem stellen, das wir nun betrachten wollen: Was ist das
Wesen der Liebe im Besonderen und der Tugend im Allgemeinen?

Natürlich können wir hier nicht umfassend und lückenlos über Gottes Liebe sprechen, denn er ist
unendlich, und alles Unendliche liegt jenseits unseres Denkens. Deshalb beabsichtige ich hier
nicht, auf das Wesen der Liebe oder der Tugend im Allgemeinen vom göttlichen oder
menschlichen Standpunkt aus in erschöpfender Weise einzugehen, sondern wir wollen diese
Frage nur insoweit betrachten, als sie unser Hauptproblem betrifft.

Nach der Bibel ist es klar Gottes Wille, dass wir so viel wie möglich von seiner Liebe verstehen
und begreifen können, wenn auch er und seine Liebe unendlich ist, während wir endlich sind.
Deshalb gab er uns eine Botschaft von seiner Liebe in einer Form, die wir begreifen können. Er
tat dies, indem er uns als Beispiel die menschliche Liebe, besonders die Liebe zwischen Braut
und Bräutigam, vor Augen führte. Die Liebe des Sohnes Gottes, Jesus Christus, zu uns
Menschen wird oft mit der Liebe verglichen, die ein junger Mann für seine Braut empfindet.
Christus bezeichnet sich wiederholt als der Bräutigam und die Gemeinde als seine Braut.

Wie begann diese Liebe zwischen Braut und Bräutigam? Eines schönen Tages sah der junge
Mann das Mädchen und empfand eine Zuneigung zu ihr, die sich besser erleben als beschreiben
läßt. Wenn die junge Dame wirklich eine Dame ist, dann wird dieses Verhältnis nicht von ihr
ausgegangen sein, sondern von dem jungen Mann (das heißt, wenn er wirklich ein Mann ist).
Zuerst mag sie seine Zuneigung nicht bemerkt haben, bis zu dem Augenblick, da er begann, sie
zu umwerben, vielleicht, indem er ihr Blumen schickte oder auf eine andere vorsichtige Weise.
Aber ehe das Werben anfängt, ist die Liebe gewöhnlich einseitig und eine einseitige Liebesaffäre
kann wahrhaftig sehr schmerzlich sein, denn die Liebe muß auf Gegenseitigkeit beruhen, wenn
sie glücklich sein und Zufriedenheit bringen soll.

Eine brennende Frage möchte der junge Mann in diesem Zustand vor allen anderen Fragen
beantwortet haben: Wird meine Zuneigung von ihr erwidert? Und das Liebeswerben bewirkt, dass
diese Frage beantwortet wird. Denn eines Tages bemerkt das junge Mädchen seine
Aufmerksamkeit und Zuneigung und muß ihrerseits eine Entscheidung treffen: Erwidere ich seine
Zuneigung? Kann ich sie erwidern? Wenn sie klug ist, wird sie sich diese Frage jetzt sehr genau
überlegen und wird vielleicht ihre Eltern oder ihre Freundinnen zu Rate ziehen oder sonst
jemand, der in diesen Dingen mehr Erfahrung hat als sie selbst.

Falls sie und ihre Berater meinen, sie dürfe diese Zuneigung erwidern, muß sie sich klar darüber
sein, ob sie ihn auch lieben kann. Und wenn sie diese Frage mit »ja« beantworten kann, werden
die beiden bald zu einer Aus¬sprache zusammenkommen, und groß ist dann die Freude der zwei
Herzen, die sich in Liebe und Treue einander anvertraut haben.

Aber um Liebe zu wecken und erwidern zu können müssen einige Punkte beachtet werden:

1. Der junge Mann muß das junge Mädchen umwerben. Sobald jedoch an die Stelle des
Werbens Zwang tritt, hören Freude und Liebe auf, und an ihre Stelle treten oft Hass und
Herzeleid. Ihrem ganzen Wesen nach beruht die Liebe auf der freien, gegenseitigen Zustimmung,
verbunden mit absoluter Achtung des freien Willens des Partners. Anders ausgedrückt, die
Grundlage für die Liebe ist die Freiheit zu lieben, gegenseitige Einwilligung oder die absolute
Freiwilligkeit bei beiden Partnern, sich ihrer gegenseitigen Zuneigung zu versichern. Ohne dies
Freiheit ist wahre Liebe unmöglich.

Als Elieser, Abrahams Knecht, Rebekka gefragt hatte, ob sie Isaaks Frau werden wolle (1. Mose
24), wollte er sie einfach mitnehmen, nachdem er die Einwilligung ihrer Angehörigen erhalten
hatte. Aber die Angehörigen sahen sofort ein, dass dies keine Grundlage für Liebe und Heirat sei,
und verlangten, dass Rebekka selbst öffentlich gefragt werden müsse, ob sie Isaak wolle oder
nicht. Deshalb riefen sie sie und fragten sie vor der ganzen Familie, wie sie in dieser Sache
gewillt sei. Erst nachdem sie ihre öffentliche Einwilligung dazu gegeben hatte, die auf ihrem
eigenen, freiwilligen Entschluß beruhte, willigten ihre Verwandten in die Heirat ein. Sie wußten,
dass es keine andere Grundlage für Liebe und Heirat geben konnte.

Dieselbe Grundlage gilt für Liebe und Heirat in allen zivilisierten Ländern. Beide Ehepartner
müssen bei der Trauung öffentlich ihren freiwilligen Entschluß durch ihr »Ja« bekunden.

2. Die erschütternden Folgen, die durch Außerachtlassung dieser einfachen Tatsache entstehen,
kann man in der Liebesgeschichte von Amnon und Tamar sehen (2. Sam. 13). Amnon verliebte
sich heftig in die schöne Königstochter Tamar, jedoch fehlte ihm die Geduld, sie zu umwerben
und ihre Liebe und Einwilligung zu gewinnen. Auf arglistige Weise gelang es ihm, mit ihr allein zu
sein, indem er eine Krankheit vortäuschte, und zwang sie dann. So rasend war er in seiner
»Liebe«. Eine »Liebe«, die nicht werben und warten kann, ist oft nur ein anderer Name für
»Wollust«.

Die Folge dieses Verhaltens war, dass sich seine heftige »Liebe« im Nu in einen ebenso
glühenden Hass verwandelte (2. Sam. 13,15) wie es dann in solchen Fällen zu sein pflegt.
Tamars Herz war natürlich gebrochen, und »sie blieb einsam in Absaloms, ihres Bruders Hause«
(2. Sam. 13,20). Das junge Mädchen leidet gewöhnlich viel mehr unter einem zerbrochenen
Verhältnis als der junge Mann, was erkennen läßt, wie notwendig es ist, heranwachsende Jungen
zu lehren, dass ein Mädchen kein Spielzeug ist, sondern als etwas angesehen werden muß, das
man nicht verletzen darf.

Daraus dürfen wir folgern, dass man zur Liebe absolute Freiheit zu lieben haben muß. Dabei
verstehen wir unter Liebe nicht bloße körperliche Vereinigung, die von Wollust herrühren kann,
sondern Vereinigung aller drei Teile, aus denen wir bestehen, nämlich von Körper, Seele und
Geist. Bloße körperliche Vereinigung ohne die gegenseitige Liebe des ganzen Wesens beider
Partner, nämlich von Leib, Seele und Geist, verstößt gegen ein grundlegendes Naturgesetz und
bewirkt eine umso stärkere Verhärtung des Charakters, je mehr sie praktiziert wird. (Heute
kö¬nen viele Geisteskrankheiten auf Verstöße gegen Naturgesetze dieser Art zurückgeführt
werden.) Falls bei einem der Liebenden an die Stelle der Liebe Zwang tritt, schwindet die
Möglichkeit, sich aufrichtig zu lieben, rasch dahin, und die Folge davon kann Hass sein. Anders
ausgedrückt, um wirklich lieben zu können, muß echte Freiheit zum Lieben vorhanden sein, was
natürlich auch das Gegenteil mit einschließt, d. h. die echte Freiheit, nicht zu lieben.

3. Dies dürfen wir vielleicht in unserem dritten Punkt zusammenfassen: Damit die Möglichkeit für
eine wirkliche Liebe gegeben ist, muß die absolute Freiheit zum Lieben oder Nichtlieben
garantiert sein. Eine wirklich freie Wahl zum Lieben oder Nichtlieben ist überhaupt die
Vorausset¬zung für eine wahre Liebe.

4. Die Bibel lehrt, dass Gott selbst Liebe ist. Weil er selbst Liebe ist, sucht er Gegenliebe, reine,
warme, echte Liebe unsererseits; denn die Liebe wird nur zufrieden gestellt, wenn sie auf
Gegenseitigkeit beruht, wenn sie er¬widert wird. Er, der Bräutigam, umwirbt uns und möchte die
Gegenliebe seiner Braut, der Menschen auf Erden, gewinnen. Er kann uns eine solche Liebe
nicht aufdrän¬gen oder aufzwingen. Schon der bloße Versuch, sie mit Gewalt zu gewinnen,
würde die ganze Grundlage der Liebe zerstören. Als unser wahrer Freund tut er alles, um uns die
Echtheit seiner Liebe zu beweisen. Er geht darin so weit, dass er in Jesus Christus auf die Erde
kommt und Mensch wird. Hier nimmt er freiwillig den Tod auf sich, um uns von Schuld und
Sündenketten freizumachen. Größere Liebe hat niemand als der, der sein Leben für seinen
Freund läßt. Jesus Christus tut in seinem Werben um die Liebe der Menschen noch mehr als
dies. Er läßt sein Leben für seine Feinde und führt uns so die aller¬größte Liebe vor Augen,
deren ein Mensch überhaupt fähig ist. All dies kann nur teilweise dargestellt werden durch den
Vergleich der Liebeswerbung des Bräutigams um die Braut.

5. Nun überlege einmal einen wichtigen Punkt in Form einer Frage. Was würde geschehen, wenn
Gott den Men¬schen so geschaffen hätte, dass er keine eigene sittliche Entscheidung treffen,
sondern nur automatisch Gottes Willen tun könnte, geradeso, wie wenn sich ein Schloß öffnet,
wenn man den richtigen Schlüssel hineinsteckt? Oder geradeso, wie ein Verkaufsautomat einen
Riegel Schoko¬lade liefert, wenn man den richtigen Geldbetrag hineinsteckt. Wenn der Mensch
so beschaffen wäre, dass er Liebe gäbe, wenn Gott den richtigen Knopf drückte, wäre das dann
tatsächlich Liebe? Kann ein solches System, in dem man dazu geschaffen ist, eine Tugend
irgendwelcher Art zwangsweise hervorzubringen, überhaupt eine Tugend erzeugen?
Angenommen, Gott würde, um unserer Liebe ganz sicher zu sein, uns die Entscheidungsfreiheit
zum Lieben oder Nichtlieben wegnehmen und uns tatsächlich wie einen Automaten erschaffen.
Er würde auf den Knopf drücken, und wir würden ihm unsere »Liebe« als die
selbstverständlichste Sache der Welt entgegenbringen. Könnte man erwarten, dass solch ein
Geschöpf überhaupt auf irgendeine Weise wirkliche Liebe besäße? Um unserer Liebe sicher zu
sein, muß er uns die freie Willensentschei¬dung zum Lieben oder Nichtlieben, unserem Wunsch
ge¬mäß, gestatten; dies liegt notwendigerweise dem Wesen der Liebe und in der Tat auch jeder
anderen Tugend zugrunde.

Deshalb schließt die Absicht Gottes, wahre Liebe zu wecken, stets das Risiko ein, dass der
Gegenstand der Liebe seinerseits überhaupt nicht liebt. Gott wollte und will auch heute noch ein
Reich der Liebe auf Erden und im Himmel errichten. Aber wenn er das tut, muß er das oben
erwähnte Risiko mit in Kauf nehmen. Es liegt im We¬sen des Guten, der Liebe und der Tugend,
dass das Werben um Liebe ein Wagnis ist, dass die Liebe nicht erwidert zu werden braucht, dass
derjenige, bei dem Gott Liebe erwe¬cken möchte, seine Liebe nicht erwidert. Deshalb schieben
gewöhnlich gerade die Menschen, die nicht viel über, das Wesen der Liebe und der Tugend
nachgedacht haben, Gott so gern die Rolle des Diktators zu und meinen, er würde auch in
unseren Tagen brutale Gewalt ausüben.

Dasselbe Risiko ist in der Absicht, irgendeine andere Tu¬gend zu wecken, enthalten. Nehmen
wir zum Beispiel das Almosengeben. Wenn mich ein armer Mann um Geld für eine Mahlzeit bittet
und ich ihm etwas gebe, tue ich etwas Gutes. Wenn ich jedoch sage, dass Bettler von den
Steuern und Abgaben unterstützt werden sollen, und die Stadtbehörden schicken mir ein
Schreiben, dass ich eine Steuer zur Unterstützung der Armen und Bedürftigen zu zahlen habe,
und ich diese als eine pflichtgemäße Abgabe bezahle, so liegt darin keine Tugend, wenn auch
der Arme genau denselben Geldbetrag von den Stadtbehörden erhielte, indirekt aus meiner
Tasche, den ich ihm direkt aus meiner Tasche gegeben hätte.

Im ersten Fall gebe ich ihm freiwillig einen Geldbetrag. Dies ist eine tugendhafte Handlung. Im
zweiten Fall be¬zahle ich meine Steuern, weil dies meine Pflicht ist. Aber darin liegt keine
Tugend, es ist das wenigste, was ich tun kann. Gezwungene Wohltätigkeit ist überhaupt keine
Wohltätigkeit, sondern eine Steuer. Wenn ich ein Kind dazu zwinge, »gut« zu sein, wenn wir
außer Hause Besuche machen, mag es äußerlich gut sein (wofür ich sehr dankbar bin), aber
seine »Güte« dürfte sehr oberflächlich sein. Äußerer Zwang allein kann niemanden dazu bringen,
gut zu sein oder Tugend zu üben. (Damit ist absolut nichts gegen Gewaltanwendung als Strafe
für Übeltäter gesagt, wo Zwang notwendig ist und Abhilfe schaffen kann. Aber an sich bewirkt er
nichts Gutes.)

Dies enthüllt eine Schwäche der sozialisierten Welt, in der alle »Wohltätigkeit« und alle
Liebeswerke vom Staat organisiert werden. Diese hören dann auf, Wohltätigkeit oder
Liebeswerke zu sein, sobald sie nicht mehr auf Freiwilligkeit beruhen. Ein anderer wichtiger Punkt
soll hier auch erwähnt werden. Der freiwillige Geber von Geld und Gütern (von Almosen, um dies
altmodische Wort nochmals zu gebrauchen) erhält einen Segen durch sein Tun. Jesus selbst
sagte: »Geben ist seliger denn Nehmen.« Das Sichüben in einer Tugend veredelt und bereichert
den Charakter und gibt dem, der sich darin übt, wahre Freude und Befriedigung. Der
Steuerzahler bezahlt hingegen seine Steuer, weil er muß und vielfach tut er es widerwillig. Diese
innere Verfassung gibt keine Freude und veredelt nicht den Charakter.

Die Waisenhäuser eines Georg Müller wurden ganz durch freiwillige Spenden unterstützt und von
freiwilligem Personal betreut. Sie waren ein wahrer Zufluchtsort voll Liebe, Freude und Ruhe für
Tausende von Waisenkindern.

Aber wie oft ist die staatliche Anstalt, die solche Privateinrichtungen ersetzt, die durch
Steuermittel unterhalten wird und in welcher Berufspersonal arbeitet, was Liebe betrifft, ebenso
kalt wie die Steine und der Beton, aus denen die Anstalt errichtet wurde. Der Wohlfahrtsstaat
tötet zu oft Liebe und Wohltätigkeit, die früher die trei¬benden Kräfte bei der Gründung der
privaten Anstalten waren, indem er alles selbst übernimmt, um vielleicht einige Mißstände zu
beseitigen. Sobald freiwillige Geldspenden und freiwilliger Dienst unterbleiben, besteht die
Wahrscheinlichkeit, dass die Liebe an solchen Orten ausstirbt.

Noch betrüblicher ist natürlich die Wirkung dieser Tatsache auf den Charakter, wenn dadurch
nicht mehr die Möglichkeit gegeben ist zu Tugend und Opfer. Diese Wirkung auf den Charakter
ist sicherlich eine der ernsthaftesten Schwierigkeiten, denen die moderne, hochsozialisierte und
organisierte Welt gegenübersteht. Dadurch wird der Weg für Diktatoren geebnet, die über die
»Menschenmas¬sen« (ein Lieblingsausdruck Hitlers) herrschen wollen. Charakterstärke, die
notwendig ist, um einem Tyrannen zu widerstehen, entsteht nicht ohne die Wirkung, die ein
lebenslanges Sichüben in der Tugend mit sich bringt, und nicht, ohne dass man den
verschiedenen Wechselfällen des Lebens begegnen kann, die oft dadurch erschwert werden,
dass man um des Gewissens willen leiden muß.

Die moderne, sozialisierte Welt neigt dazu, diese charakterbildenden Lebensbestandteile zu


entfernen, oft aus einer falschen, menschenfreundlichen Haltung heraus (»jedes Bedürfnis für
jeden von der Wiege bis zum Grabe zu befriedigen«). Das Ergebnis dieser Tatsache ist, dass
immer weniger Menschen die Charakterstärke besitzen, bereit und willens zu sein, für ihre
Überzeugung zu leiden.

Als Gott die himmlische Welt und die Engel erschuf, woll¬te er damit das Allerbeste erschaffen
und gründete deshalb ein Reich der Liebe und der Tugend. Aber um dies zu verwirklichen, mußte
er den Einwohnern echte Freiheit garantieren, was er auch tat. Die Engel und ihr Oberster,
Luzifer, erhielten einen Charakter, der sie zu echter Liebe zu ihrem Schöpfer und ihren Gefährten
befähigte. Sie hatten damit die Möglichkeit, echte Liebe auszuüben, um Liebe zu werben und mit
Liebe umworben zu werden, was natürlich auch die entsprechenden entgegengesetzten
Möglichkeiten mit einschließt, die Möglichkeit, all dies ab¬zulehnen. Die Bibel berichtet es als
eine Tatsache, dass ein großer Teil der Engel ihrem Obersten Luzifer folgte, als er sich in
Willensfreiheit entschloß, nicht zu lieben und dem Liebeswerben des Schöpfers den Rücken zu
kehren. Dadurch, dass sie sich ihm, dem einigen und alleinigen Gott, verschlossen, wurden sie
natürlich böse, lieblos und fielen dem Verdammungsurteil anheim.

Also zeigt das bloße Vorhandensein des Bösen in einer Welt, die von einem allmächtigen Gott
geschaffen wurde, dass das Gute und die Tugend an sich wirklich echt sind, und dass die Liebe
an sich wirklich Liebe ist und nichts anderes wie manchmal gelehrt wird (»Liebe ist eine
ver¬steckte Form des Egoismus«). Das bloße Vorhandensein des Bösen in der Welt eines
allmächtigen Gottes ist in der Tat ein guter Beweis, dass Gott wirklich Liebe ist.

Nachdem Luzifer, der Oberste der Engel, sich für das Böse entschieden hatte, wollte er
missionarisch tätig sein und suchte Gefährten für sich zu gewinnen, indem er andere dazu
veranlaßte, denselben Weg einzuschlagen. Deshalb ging er zu Adam und Eva, die auch mit
einem zur Liebe fähigen Charakter erschaffen worden waren und deshalb frei wählen konnten.
Es ergab sich, dass auch sie eine falsche Wahl trafen. Weil sie dem alleinigen Gott den Rücken
kehrten, wurden sie böse und brachten Sünde und Leid in die Schöpfung hinein.

Aber zeigt dies nicht alles, wie hoch Gott die Menschen achtet? Er nimmt unsere
Entscheidungen, uns selbst und unsere Liebe wirklich ernst, ernst genug, um darum zu werben,
was wiederum das Wesen seiner Liebe offenbart. Denn wahre Liebe achtet und respektiert
immer den Part¬ner, um den sie wirbt. Dies erklärt auch, warum Gott die Menschen durch
»törichte Predigt« ruft und sucht und nicht dadurch, dass er uns mächtige Engel oder
Geisteser¬scheinungen von anderen Welten schickt. Sie würden nur die Leute erschrecken,
wenn sie in übernatürlicher Macht und Herrlichkeit erscheinen würden.

Aber Gottes Ziel ist es, unser Vertrauen und unsere Liebe zu gewinnen. Deshalb verwendet er
die natürlichsten Mittel, die verfügbar sind, damit diejenigen, die er zu gewinnen sucht, völlige
Entscheidungsfreiheit haben und nicht durch Machtdemonstrationen eingeschüchtert werden,
welches die Mittel eines Diktators und nicht eines Lie¬benden wären.

Deshalb wendet er im Allgemeinen keine Methode an, die die Menschen dazu zwingen würde,
seine Liebe anzunehmen; denn man kann niemanden zu der Liebe zwingen, die von Gott
gesucht wird. Man kann so¬gar die Wunder Jesu mit den oben dargelegten Methoden
vergleichen.

Zusammenfassend können wir sagen, dass Gott es zuließ, dass das Universum »bombardiert«
wurde (um unseren früheren bildlichen Ausdruck zu gebrauchen), weil der Plan für eine Welt, die
echter Liebe und Tugend fähig ist, dieses Risiko mit einschließt; der Plan, ein Reich der Lie¬be,
ein Reich der völligen Freiheit zu errichten. Ohne diese Möglichkeit freier Willensentscheidung
kann man eben gerade das Beste überhaupt nicht erreichen.

Aber was tat Gott nun, nachdem die Schöpfung einmal die falsche Richtung eingeschlagen und
dem Einzug des Guten den Rücken gekehrt hatte?

Nachdem der Abfall nun einmal eingetreten war, was jetzt?

Die Schrift sagt, dass Gott in seiner Allwissenheit natürlich schon über alles Bescheid wußte,
sogar bevor der Mensch und die Engel die falsche Wahl getroffen hatten, und dass er für diesen
Fall sogar schon sorgfältige Vorkehrungen getroffen hatte. Diese Tatsache, dass Gott den
Sündenfall deutlich vorausgesehen hatte, lange bevor er stattfand, ist für viele zu einem Stein
des Anstoßes geworden. In Wirklichkeit aber sind hier nur wenig intel¬lektuelle Schwierigkeiten,
wenn man die Sache sorgfältig betrachtet, und zwar aus folgenden Gründen:
Wenn ich einen Menschen eine Zeitlang sehr genau beobachte, kann ich kleine
Wesenseigentümlichkeiten an ihm feststellen. Er sagt zum Beispiel jedesmal »Ah«, bevor er ein
schwieriges Wort ausspricht. Oder er kneift die Au¬genbrauen zusammen, bevor er einen netten
Witz erzählt. Im Laufe der Zeit kann ich aufgrund meiner vorhergehenden Beobachtungen
voraussagen, was er gleich tun wird, noch bevor er es wirklich tut.

Aber meine Fähigkeit, das vorauszusagen, was er tun wird, macht mich keineswegs für sein Tun
verantwort¬lich. Ebenso macht die Tatsache, dass Gott voraussehen konnte, was Adam und Eva
und das Menschengeschlecht überhaupt tun würden, ihn nicht notwendigerweise dafür
verantwortlich, besonders darum nicht, weil er ihnen ausdrücklich den freien Willen gegeben hat.
Gott sah den Sündenfall der Engel und der Menschen voraus und war sogar schon vor der
Erschaffung der Welt dazu bereit, sei¬nen Sohn als ein Opfer für die Sünde zu senden.

Jedoch meinen viele, dass dieses Vorherwissen Gott notwendigerweise in die Schuld des
Sündenfalles mit hineinverwickeln muß. Wie wir sahen, macht ihn jedoch das Vorherwissen
keineswegs für den Sündenfall verantwort¬lich, und doch bilden viele es sich ein. Ganz im
Gegenteil, die echte Möglichkeit der freien Willensentscheidung, die er uns verliehen hat, damit
wir lieben und uns in wahrer Tugend üben können, entscheidet, dass die Geschöpfe schuldig
sind und der Schöpfer unschuldig ist.

Viele werden sich an dieser Stelle fragen, warum erschuf denn Gott überhaupt die Engel, den
Menschen und die Welt, obwohl er das Chaos voraussah, das der Möglichkeit zur freien
Willensentscheidung folgen würde, wo er doch all den Hass, das Elend und den Kummer
voraussah? War das nicht ziemlich schadenfroh, so zu handeln, wo er die Folgen kannte? Wäre
es nicht besser gewesen, dies alles ungeschehen sein zu lassen angesichts dieses kommenden
Unheils? Im Prinzip erheben sich dieselben Fragen in der Ehe. Bei der Trauung wissen wir, dass
wir einmal den Schmerz der Trennung durch den Tod erleben werden. Deshalb heißt es ja bei
der kirchlichen Trauung auch: »… bis der Tod euch scheidet« (wenn nicht Christus
wieder¬kommt, bevor wir sterben).

Und doch nehmen wir all diesen Kummer und das Her¬zeleid auf uns, von dem wir wissen, dass
es kommen wird, weil wir glauben, dass die Freude der Liebe und die Be¬reicherung des
Lebens, die dadurch entsteht, dass wir uns dem Geliebten zur Verfügung stellen, sei es auch nur
für einen Tag (und vierzig oder fünfzig Jahre gehen dahin wie ein Tag), besser ist als überhaupt
keine Liebe.

Die Liebe in der Art, wie Gott sie will, bereichert den Charakter und veredelt die Seele; sie
entschädigt uns in überreichem Maße für die Versuchungen, denen wir gera¬de durch sie in
Zukunft und Gegenwart ausgesetzt sind. Wir stehen hier vor der Frage, was schwerer wiegt. Alle,
die die Liebe kennen, werden immer sagen, dass die Liebe weit mehr ins Gewicht fällt als die
Sorgen und Nöte, die sie mit sich bringt. Augenscheinlich denkt der Schöpfer, der die Liebe in
Person ist, ebenso, denn er erschuf uns tatsächlich trotz allem und wagte den gewaltigen
Versuch, weil er davon überzeugt war, dass die Wärme der Liebe die Bitterkeit des Leidens weit
übertrifft. Liebe für einen Tag ist unendlich mehr wert als überhaupt keine Liebe, und wo Leben
ist, ist Gelegenheit zur Liebe vorhanden. Außerdem währen Anfechtungen und Leid hier auf
Erden nur eine kurze Zeit, während die Charakterveredlung derer, die durch Leiden vollkommen
gemacht werden, ewig währt. Wohin wir unseren Blick auch wenden, müssen wir zuge¬ben, dass
die Schöpfung, wenigstens vom Standpunkt der Liebe aus betrachtet, den Versuch wert war.

Aber was kommt nun, nachdem der Sündenfall stattgefunden hat und die Sünde in die Welt
gekommen ist? Was tut der Gott, der die Liebe in Person ist? Lasst uns die Frage auf eine
andere Art stellen. Was tut ein rechter Liebhaber, der mißverstanden und abgewiesen wurde?
Die Schrift sagt: »Die Liebe ist langmütig und freundlich … sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet
das Böse nicht zu … sie verträgt alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf« (1. Kor.
13,48).
Man erwartet von der wahren Liebe also Langmut, Freundlichkeit, nicht gereizt zu werden, alles
ertragend in der Hoffnung, dass das Liebeswerben doch zuletzt mit Erfolg gekrönt wird. Gott sah
die falsche Willensentschei¬dung, die Chaos und Verderben in die Welt brachte, lange voraus,
und als es dann so weit war, brauste er nicht auf und vernichtete alles auf der Stelle, wie viele es
erwartet hätten, die selber so handeln, wenn ihnen etwas Ungehöri¬ges oder Unrechtes zustößt.
Er versuchte viel mehr, durch seine liebevolle Geduld zu retten, was er aus dem furchtbaren
Verderben retten konnte. Er hatte in Treue und mit großem Ernst Menschen und Engel vor den
Folgen einer falschen Entscheidung gewarnt, aber er versperrte sich natürlich nicht selbst den
Weg zu unseren Herzen, indem er versuchte, uns zurückzuzwingen. Dies hätte bedeutet, dass
die Möglichkeit zu echter Liebe für immer ausgeschaltet worden wäre. Er versuchte stets in
Langmut und Geduld, uns wieder zur Liebe und zur Vernunft zu bringen. Dieser Versuch
erreichte seinen Höhepunkt, als er seinen Sohn sandte, der freiwillig sein Leben für uns alle
opferte. Denn der Sohn ging freiwillig und aus eigener Entscheidung in den Tod. Er versuchte
nicht einmal, sich zu verteidigen, sondern kam, wie er selbst sagte, um für die Sünde vieler zu
sterben.

Jetzt wartet er und wirbt um uns in der Hoffnung, dass alle Menschen zur Erkenntnis der
Wahrheit kommen: »Welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis
der Wahrheit kommen« (1. Tim. 2,4). »Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es etliche für
eine Verzögerung achten, sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren
werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre« (2. Petr. 3,9). Das ist so gemeint, wie es
dasteht, und schließt nicht notwendigerweise ein, dass sich tatsächlich alle Menschen zur Buße
kehren werden. Gott aber ist bereit und willens, alle anzunehmen, die sich von ihren eigenen
Wegen abwenden und sich zu ihm bekehren.

Dass Gott, bevor er die Übeltäter richtet, so lange wartet, nachdem sie das Werk seiner Hände
ins Verderben stürzten, ist ein weiteres Zeichen seines wahren Charakters. Es beweist, dass er
ein Gott der Liebe ist, voll liebender Freundlichkeit, Geduld und Langmut, der sich nicht leicht
erbittern läßt.

Das, ist die einzige Erklärung, die ich für die Tatsache geben kann, dass ein allmächtiger,
allwissender und ge¬rechter Gott nicht schon lange sein vernichtendes Urteil über alle Sünder,
das heißt über alle Menschen (denn wir gehören alle in diese Kategorie »Sünder«, wenn wir
gegen uns selbst und unsere Mitmenschen ehrlich sind) gespro¬chen hat, und einen
»Marionettenstaat« auf Erden und im Himmel errichtete, der seinen Willen sofort in absolutem
Gehorsam ausführt, so wie es jeder rechte Tyrann oder Diktator machen würde, wenn sich die
Menschheit sei¬nem Willen so widersetzt wie dem Willen Gottes.

Jedem, der daran zweifelt, ob man sich Gottes Willen wi¬dersetzen kann, entweder in unserem
eigenen Leben oder im Leben der anderen, kann man dies folgendermaßen klarmachen: Frage
dich selbst, ob Gott eine gewisse sadis¬tische Tat plante, die uns bekannt ist und von der du
viel¬leicht mit betroffen wurdest. War es Gottes Wille, kaltblü¬tig und auf scheußliche Weise
sechs oder sieben Millionen Juden zu vergasen, darunter Frauen, Kinder und Greise? Zu
behaupten, dies sei irgendetwas anderes als Widerstreben gegen den Willen Gottes, hieße die
Scheußlichkeit dieser Sünde herabzumindern. Dasselbe kann man von der Anwendung der
Atomwaffen auf wehrlose Städte mit all den schrecklichen Folgen behaupten.

Aber es wäre vielleicht noch mehr gegen Gottes Willen, wenn er einen »Marionettenstaat«
aufrichten sollte, was bedeutete, dass er seinen Willen durch Zwang durchsetzen würde. Damit
würde er auch das geringe Maß an Liebe, dessen wir durch seine Geduld noch fähig sind,
ausschalten und unmöglich machen. Selbst die geringe Liebe und die wenigen, die sich zu ihm
bekehren, wodurch sie durch seine Liebe erquickt, und neugemacht werden, ist unendlich mehr
wert als überhaupt keine solche Möglichkeit.

Wenn der Herr sofort Gericht gehalten hätte, wären viele, die sich inzwischen bußfertig zu ihm
gekehrt haben, für ihn und sein Reich verloren gegangen.

Von dem verstorbenen König Georg VI. und seiner Gemahlin, Königin Elisabeth, wird folgende
Geschichte erzählt. Ich kann nicht für ihre Glaubwürdigkeit garantie¬ren, lege sie aber auf eine
solche Weise dar, dass der Punkt, den ich erörtern will, klar hervortritt.

Als junger Mann verliebte sich der spätere König von Eng¬land in die hübsche Elisabeth von
Schottland. Bald darauf ging er zu ihr und hielt um ihre Hand an. Aber sie wies ihn ab. Man sagt,
dass der Prinz nicht der Mann war, der auf Frauen besondere Anziehung ausübte; er war in
seinen Redewendungen und in seinem Auftreten wohl ein wenig ungeschickt.

Der junge Prinz Georg war zutiefst betrübt über diese Abweisung und ging zu seiner Mutter, der
Königin Mary, um sich bei ihr einen Rat zu holen. Königin Mary hörte sich seine Geschichte voller
Mitgefühl an, und als er fertig war, sagte sie, sie wolle ihm nur die eine Frage stellen, ob er
Elisabeth wirklich liebe, oder ob eine andere ihm auch genügen würde. Nach kurzem Überlegen
entgegnete der junge Prinz, dass er Elisabeth heiraten wolle und sonst niemand auf der ganzen
Welt. Die Mutter antwortete darauf: »Dann gibt es für dich nur eins. Gehe wieder zu ihr hin und
frage sie noch einmal!«

Also überwand der junge Prinz seinen Stolz, nahm allen Mut zusammen, den er noch hatte, und
fragte die reizende junge Schottin noch einmal. Aber er erhielt wieder einen Korb. Nachdem er
sich etwas von diesem Schock erholt hatte, fragte er seine Mutter nochmals um Rat, und sie
hörte wiederum geduldig zu. Sie brachte ihm ihr ganzes Mitgefühl entgegen und fragte nochmals,
ob er sie auch nach dieser zweiten Abweisung wirklich liebe. Es war ihm aber ganz klar, dass er
nur sie unter all den zur Wahl stehenden Damen begehre und liebe. »In diesem Fall«, sagte die
Mutter, »gibt es für dich nur eins. Gehe wieder zu ihr hin und frage sie noch einmal!«

Nach einiger Zeit der Vorbereitung ging der junge Prinz also zum dritten Mal zu der hübschen
jungen Schottin. Sie merkte natürlich, wie ernst es der Prinz meinte, wie beständig seine Liebe
war und dass sie sein ein und alles war. Und noch etwas merkte sie. Sie begann zu spüren, dass
seine Liebe in ihrem Herzen eine Gegenliebe entfacht hatte, und die Glut dieser Liebe fing an,
etwas von seiner Liebe zurückzustrahlen. Daher konnte sie sagen, dass sie ihn liebe und seine
Frau werden wolle. Damit, so heißt es, begann ein sehr glückliches Familienleben, das bis zum
Tode des Königs währte.

Liebe erzeugt Gegenliebe, aber oft muß sie sehr geduldig, langmütig und freundlich sein, bis das
Feuer im Herzen des zukünftigen Partners entfacht ist. Und wenn es einmal entfacht ist, muß es
regelmäßig unterhalten werden, damit die Liebesglut so erhalten bleibt, wie Gott sie beabsichtigt,
nämlich, dass beide Liebenden so erwärmt und erfrischt werden, dass sie sich des Glückes
freuen können, welches wahre Liebe mit sich bringt.

Natürlich kommt bei jeder Liebe einmal eine Zeit, wo man dem werbenden Teil eine endgültige
Antwort geben muß, die »ja« oder »nein« lauten kann. Eines Tages mag der umworbene Teil die
Liebe zurückweisen und eine endgültige Absage geben. Aber nicht nur der Umworbene kann sich
freiwillig für oder gegen den Werbenden entscheiden. Auch der werbende Teil kann auf dieselbe
Weise seinerseits entscheiden, wie lange er um Liebe werben und Absagen ertragen will. Sogar
diese letzte Entscheidung, sich nicht mehr um die Liebe des anderen zu bemühen, wird in Liebe
gefällt werden und, so lange wie überhaupt möglich, hinausgeschoben werden. Wenn jedoch die
Umworbene etwa einen anderen heiratet, ist die Frage nach jedem weiteren Werben
entschieden.

Die Schrift sagt, dass dies im geistlichen Sinn auch eintre¬ten kann, wenn sich der Geist Gottes
nicht mehr um den Geist eines Menschen bemüht. Wir Menschen können dies nur selten
beobachten, dass Gottes Geist einen Menschen aufgibt und nicht mehr um ihn wirbt. Aber dass
so etwas vorkommt, ist Tatsache, wenn es auch dem Auge des Sterblichen verborgen ist. Gott
wirbt um uns als der vollendete Freier. Jesus ist der Freund unserer Seelen, un¬ser wahrer
Herzensfreund; aber es kommt ein Zeitpunkt, an dem wir endgültig »einen andern heiraten«
können und uns vom Werben des Heiligen Geistes ausschließen. Wir mögen unser Herz
materiellen Dingen zuwenden, wir mögen uns gesellschaftlichen und sündhaften Dingen
zuwenden und es nicht zulassen, dass jemand uns deshalb tadelt. Damit wenden wir uns ganz
von ihm ab. Dann sind die Tage des Liebeswerbens vorbei.

Der Hebräerbrief spricht an mehreren Stellen vom Ende dieser Tage, z. B. in Kapitel 3,11; 6,46;
10,26-30. Die End¬gültigkeit solcher Tage bietet uns wahrlich ein düsteres Bild und soll uns als
ernsthafte Warnung dienen, falls wir irgendeine Neigung verspüren, über das Handeln Gottes mit
uns leicht hinwegzugehen.

Nach einer kurzen Betrachtung über das Wesen des Chaos und des Bösen und nach einer
Betrachtung über das Wesen Gottes, wie er sich in der Schrift offenbart (wobei nicht versucht
wird, der Theologie nachzueifern, sondern vielmehr die Gedanken eines Laien zum Ausdruck
gebracht werden in der Sprache, die ein Laie versteht), scheint es nicht intellektuell unhaltbar zu
sein, an einen vollkommenen, allmächtigen Gott zu glauben, dessen Wesen vollkommene Liebe
ist.

Wenn Gott tatsächlich Liebe ist und wenn er sich als vollkommener Mensch in Christus offenbart
hat (was Christus unmißverständlich sagt), sollten wir bestimmt den jetzigen Zustand der Welt so
erwarten, wie er ist, bis Gott alle diejenigen aus dem Verderben herausgerettet hat, die sich
retten lassen, alle, die Buße tun und sich zu ihm bekehren wollen, wodurch sie die Vergebung
ihrer Sünden empfangen und zum Frieden kommen, der »höher ist als alle Vernunft«.

Wenn jedoch das Rettungswerk so weit wie möglich vollendet ist, und alle diejenigen, die Gott
aus dem alten, zerbombten Wrack herausretten kann, in Sicherheit gebracht worden sind (so ist
die Mahnung des Apostels Petrus gemeint: »Lasset euch erretten aus diesem verkehrten
Geschlecht« Apg. 2,40), dann wird Gott, wie er es versprochen hat, den ganzen Dom, das ganze
Werk seiner Schöpfung erneuern und es sogar noch besser machen, als es zu Adams Zeit und
vorher war.

Er wird eine neue Erde und einen neuen Himmel erschaffen, wo die Gerechtigkeit herrschen
wird. Man kann doch kaum glauben, dass er seine eigene Schöpfung immer im Chaos ließe,
nicht wahr? Er hat verheißen, dass er dies nicht tun wird. Gott sagt in seinem Wort, dass alle in
dieser neuen Schöpfung mitregieren werden, die durch Buße erneuert und geläutert und durch
die Liebe seines Geistes erwärmt und gereinigt worden sind und deshalb den gegenwärtigen,
üblen Zustand der Welt nicht mehr lieben. Welche Weisheit darin liegt, solche Menschen an der
Herrschaft über dieses vollkommene Reich teilhaben zu lassen, kann man ziemlich leicht
einsehen. Sie haben schon einmal geschmeckt, wie bitter es ist, eine falsche Entscheidung
getroffen und sich von dem einzigen Gott abgewendet zu haben.

Daher ist es unwahrscheinlich, dass sie nochmals denselben Fehler machen und wieder Leid in
die Welt bringen. Man sagt, dass ein gebranntes Kind das Feuer scheut. So scheut auch der
errettete Sünder die Sünde. Mit diesen er¬retteten Menschen wird Gott sein neues Reich
bevölkern. Gegenwärtig wirbt er noch um solche Menschen, auch jetzt in diesem Augenblick.

Über die neue Schöpfung wird der Eine herrschen, der sich als der Geeignete für ein solch hohes
Amt erwiesen hat. Könnte es einen besseren Beweis für seine Eignung zum Herrscher geben als
die Tatsache, dass er seine Untertanen so sehr liebt, dass er bereit war, für sie zu sterben? Die
meisten Herrscher verlangen von ihren Untertanen, dass sie ihre Treue durch ihre Bereitschaft
zeigen, für ihren Herrscher zu sterben.

Bei Christus ist es gerade umgekehrt. Er starb aus eige¬nem, freiem Willen, damit seine
Untertanen leben können. Gewiß wird ein solches Reich gut regiert und verwaltet werden. Gewiß
werden seine Untertanen glücklich sein. »Er hat uns kundgetan das Geheimnis seines Willens,
nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle
der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus; das, was in dem Himmel
und das, was auf der Erde ist« (Eph. 1,9.10, Elberf. Übers.). Die Verwaltung der Fülle der Zeiten
bezieht sich natürlich auf die Herrschaft des verhei¬ßenden Gottesreiches. Alles in diesem Reich
wird in Christus zusammengefaßt. Das Teilhaben des Menschen an dem kommenden
Gottesreich beginnt schon hier und jetzt, indem er sich aus dem gegenwärtigen Verderben
dadurch herausretten läßt, dass er sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt, der ihn für immer von
seinen Sünden erlöst hat.

»Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste
Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heili¬ge Stadt, das
neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet wie eine geschmückte Braut
ihrem Mann. Und hörte eine große Stimme von dem thron, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes
bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst,
Gott, wird mit ihnen sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird
nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist
vergangen« (Offb. 21,14).

A. E. Wilder-Smith (1915 -1995) studierte die Naturwissenschaften an der Universität Oxford und
erhielt 1941 seinen Doktor in Organischer Chemie von der Universität Reading. 1945 - 49 betrieb
er Krebsforschung als Countess of Lisburne Memorial Fellow am Middlesex Hospital, Medizin.
Institut der Universität London. Er war Forschungsleiter der Pharmazeutischen Abteilung einer
Schweizer Firma von 1951- 55 und las Chemotherapie und Pharmakologie an der Universität
Genf 1955 - 64. Von der Universität Genf erhielt er 1964 einen Doktor der Naturwissenschaften.
Im gleichen Jahr wurde ihm in Zürich von der E. T. H. sein dritter Doktortitel verliehen.

Prof. Dr. Wilder-Smith war Gastprofessor der Pharmakologie an der Universität von Illinois, am
Medical Center, Chicago, von 1957- 58 und 1964 - 69, und lehrte 1960 - 62 als Gastprofessor der
Pharmakologie am Medizinischen Institut der Universität Bergen in Norwegen. Von 1969 -71
arbeitete er als Professor der Pharmakologie in Ankara in der Türkei. Von 1970 -77 war er
Drogenberater bei den U.S. NATO-Streitkräften in Europa.

In den letzten 20 Jahren seines Lebens unternahm er Vortragsreisen in der ganzen Welt und
sprach in mehr als 1 000 öffentlichen Auditorien und Gemeinden und hielt 370 Vorlesungen und
Debatten an Universitäten.

Neben 45 eigenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen schrieb er 25 Bücher in Englisch oder


Deutsch.

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DER KÖNIG DER ERDE

- Ein Zeugnis vom Adel des Menschen nach Bibel und Naturwissenschaft -

- Auszug -

Fünfter Teil:

Über den Ursprung des irdischen Königsreichs des Menschen

- Bemerkungen über den biblischen Schöpfungsbericht -


Einleitung

Die Erde ist das Königreich des Menschen. Sie ist der Schauplatz, auf dem sich sein Adel und
seine hohe Bestimmung entfalten soll. »Der Himmel ist Gottes, des großen Königs, Thron, und
die Erde ist Seiner Füße Schemel« (Matth. 5, 34. 35).

Aber auch schon diese kleine, irdische Welt ist ein Zeugnis von der Herrlichkeit des großen
Schöpfers. Sie ist zugleich Grundlage und Ausgangspunkt auch der ewigen Adelsbestimmung
ihres irdischen Königs. Die irdische Schöpfung ist Vorstufe der himmlischen. Darin liegt ihre Ehre
und ihre Hoffnung.

Wie ist dies irdische Königreich des Menschen entstanden?

Diese Frage kann kaum von der Frage nach dem Königsadel des Menschen selbst getrennt
werden. So beginnt auch die Heilige Schrift mit einem Schöpfungsbericht und läßt ihn gipfeln in
dem Befehl des Himmelskönigs an Seinen Stellvertreter, den Erdenkönig: »Machet euch die Erde
untertan und herrschet!« (1. Mose 1, 28). Auch in der Bibel wird somit die Königsberufung des
Menschen mit dem Bericht über die Entstehung seines irdischen Königreichs verbunden. Der
biblische Schöpfungsbericht steht durchaus unter dem Gesichtspunkt des Königtums des
Menschen. Er schildert den Werdegang der Erde als die Entstehung des menschheitlichen
Königreichs.

Hier allerdings taucht eine Fülle von Fragen auf, biblische und naturwissenschaftliche, alte und
neue, und mannigfaltig, oft widerspruchsvoll sind die Antworten, die darauf gegeben worden sind.

Im Folgenden bemühen wir uns, einen kurzgefaßten, neutralen, sachlichen Einblick in gewisse
Hauptprobleme zu geben, die sich hier darbieten. Natürlich konnte vieles auch Wichtiges kaum
berührt werden. Eine ausführliche Behandlung der Reihenfolge der einzelnen Schöpfungstage,
wie auch eine Gegenüberstellung der Hauptauslegungsweisen des biblischen
Schöpfungsberichts findet der Leser im Anhang. Durch den Vergleich des einzelnen Für und
Wider möge er zu einer eigenen, grundsätzlichen Urteilsbildung und Stellungnahme gelangen.

1. AUSLEGUNGSWEISEN DES BIBLISCHEN SCHÖPFUNGSBERICHTS

I. Daß die Tage des mosaischen Schöpfungsberichts buchstäbliche Vierundzwanzigstundentage


gewesen seien, war die Ansicht fast aller Kirchenväter, ferner der Scholastik, d. h. der Theologie
des mittelalterlichen Katholizismus, und des älteren Protestantismus. Für England ist aus dem
17. Jahrhundert besonders der irische Erzbischof James Ussher zu nennen, dessen
alttestamentliche Chronologie in der Folgezeit führend geworden ist und sich in zahlreichen
englischen Bibelausgaben noch heute findet. Ebenso sein Zeitgenosse Dr. John Lightfoot,
Professor für Hebräisch und Vize Chancellor of Cambridge University.

Im 19. Jahrhundert waren es der englische Bibelausleger G. H. Pember (Earth's Earliest Ages,
1876) und die im gesamten englischen und amerikanischen Sprachgebiet heute weit verbreitete
Scofield Reference Bible von Dr. Scofield, Dr. Pearson, Dr. Gaebelein. Für Deutschland sind für
diese Zeit unter anderem die Theologieprofessoren Baumgarten und Keil zu nennen, denen
zufolge der biblische Schreiber unter dem Wort »Tag« im Schöpfungsbericht durchaus
buchstäbliche Vierundzwanzigstundentage verstanden habe. Ebenso in jüngster Zeit Dr. H.
Rimmer, England (1937).

II. Besonders zahlreiche Vertreter unter positiven Schrifterklärern und bibelgläubigen


Naturwissenschaftlern hat die Periodenauffassung gefunden. Sie übernahm zugleich die
Aufgabe, die Übereinstimmung der Schöpfungswerke der »sechs Tage« mit der Reihenfolge der
geologischen Schichten nachzuweisen (»Konkordistische« Deutung). Dennoch reichen die
Anfänge einer Periodenauffassung bis in frühchristliche Zeiten zurück. Mit Recht erklärt Dr. C. F.
H. Henry in seinem Buch »The Protestant Dilemma«, Grand Rapids 1949. P. 66: »Es ist wahrlich
nicht etwa so, daß die Periodenauffassung eine Ausflucht moderner Fundamentalisten sei, um
dies Kapitel in einer gewissen Verlegenheit vor den Ergebnissen moderner Wissenschaft zu
rechtfertigen, denn die Kirchengeschichte weist lange vor dem Aufstieg moderner Wissenschaft
auf solche Verfechter der Periodenauffassung hin.«

Besonders aber wurde sie bald nach dem Aufkommen der Erdgeschichte und
Versteinerungskunde seit dem 19. Jahrhundert von bibelgläubigen, führenden
Naturwissenschaftlern vertreten, so von dem Franzosen Cuvier, einem der Hauptbegründer
dieses neuen Zweiges der Forschung, eines der größten Namen in der Geschichte der
Naturwissenschaft. Geradezu überrascht von der sich jetzt zeigenden, erstaunlichen
Übereinstimmung zwischen Geologie und Genesis erklärte Cuvier: »Mose hat uns einen
Weltentstehungsbericht hinterlassen, dessen Genauigkeit sich mit jedem Tage
bewundernswerter bestätigt.«

Für die Vereinigten Staaten und Canada nennen wir James Dana und J. W. Dawson, die beiden
bedeutendsten Geologen Nordamerikas im 19. Jahrhundert. James Dana in seinem »Manual of
Geology« (Handbuch für Geologie),J. W. Dawson in seinem Werk »The Origin of the World
according to Revelation and Science«, 1877.

Unter den Theologen der gleichen Zeit sind es bekannte Namen wie F. Godet (Professor in
Neuchatel, Schweiz), J. H. A. Ebrard (Professor in Marburg), O. Zöckler (Professor in Gießen und
Greifswald), Dekan Keerl. Die Zahl dieser Namen ließe sich ohne Schwierigkeit vermehren.

In der neuen und neuesten Zeit sind es unter anderen Professor F. Bettex, 1919, Professor Dr. E.
Hoppe, 1915, desgleichen der Botaniker Professor E. Dennert 1911, der Astronom Professor
Johan¬nes Riem (Sternwarte Hamburg, 1911), der Paläontologe Professor Freiherr von Huene,
Universität Tübingen 1947, der Mediziner Professor A. Rendle Short, Universität Bristol, 1947.

III. Einen vermittelnden Standpunkt nahm bereits im 19. Jahrhundert der Dorpater Theologe
Professor Johann Heinrich Kurtz ein. In ähnlicher Form heute der Engländer P. J. Wisemann,
1949 und der Amerikaner Dr. B. Ramm, 1955. Die sechs Tage seien zwar buchstäbliche
Vierundzwanzigstundentage, aber nicht die Tage der eigentlichen göttlichen
Weltschöpfungshandlung selbst, sondern »Offenbarungstage«, in denen Gott den Menschen
Seine Weltschöpfungswerke kundgetan hat, die ihrerseits jedoch von ganz anderen, nämlich
unübersehbar langen Zeitmaßen bestimmt gewesen waren. Im Verlauf dieser sechs
Vierundzwanzigstundentage zeigte Gott den Menschen, was Er im Verlauf der geologischen
Perioden vollbracht hatte. Hierbei geschah dies zugleich in ihrem eigenen Nacheinander, sodaß
in der Aufeinanderfolge der Offenbarungstage auch die wesentliche chronologische Reihenfolge
der Schöpfungswerke erkennbar wurde, allerdings nicht in einer Schilderung aller Einzelheiten,
sondern in großen, allgemeinen Umrissen.

In zwar nicht ganz gleicher, aber doch ähnlicher Weise hatte schon der Kirchenvater Augustinus
(354 430) gemeint, die sechs Tage seien sechs Bilder, in denen Gott die Engel Seine Werke
schauen ließ.

IV. Verwandt hiermit ist die »ideale« Auffassung der sechs Tage. Sie wurde vertreten von den
Theologen Hermann Strack (Professor in Berlin) und J. P. Lange, dem Herausgeber des
bekannten, umfangreichen, nach ihm genannten Theologisch Homiletischen Bibelwerks, das erst
noch vor nicht vielen Jahren in englischer Sprache in Amerika neu herausgegeben worden ist.
Bei Gott, dem Überzeitlichen, gilt nicht das menschliche Zeitmaß. Bei Ihm »ist ein Tag wie
tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag« (2. Petr. 3, 8). Daher sind auch die sechs Tage
des göttlichen Weltschaffens, als »Tage Gottes«, in keiner Weise irgendwie Erdentagen zu
vergleichen, weder Vierundzwanzigstundentagen noch irdischen Zeitperioden. Die sechs Tage
bezeichnen, nach Strack, »6 bei der Schöpfung zu unterscheidende Hauptmomente, 6 Phasen
oder Seiten der schöpferischen Tätigkeit Gottes, 6 Hauptgesichtspunkte, unter welchen die
schöpferischen und weltbildenden Akte Gottes geordnet werden können.«

V. Schon in früheren Zeiten gelegentlich vertreten, aber erst besonders seit dem Aufkommen der
Geologie am Anfang des 19. Jahrhunderts in bibelgläubigen Kreisen weit verbreitet ist die
Restitutionsauffassung des biblischen Schöpfungsberichts (lat. restitutio = Wiederherstellung).
Nach dieser Auslegung hat der Fall Satans zwischen dem ersten und zweiten Vers von 1. Mose 1
stattgefunden, so daß die ursprünglich von Gott schön und vollkommen erschaffene Welt, infolge
des göttlichen Gerichts und der Zerstörungsmacht des Bösen, in den Zustand des Tohuwabohu
(»wüste und leer«) gekommen ist. Das sich daran anschließende Werk der sechs Tage ist dann
nicht die eigentliche, ursprüngliche Welt«schöpfung« selbst, sondern ein Werk der
Wiederherstellung.

Diese sogenannte Restitutionshypothese ist nicht etwa ein Erzeugnis erst moderner Spekulation.
Vielmehr finden sich Spuren davon schon in der altchristlichen Literatur zur Zeit des
Kirchenvaters Augustinus (um 400). Im 7. Jahrhundert wurde sie von dem angelsächsischen
Dichter Caedmon vertreten. Um 1000 bekennt sich König Edgar von England zu ihr. Besonders
betont wurde sie im 17. Jahrhundert durch den Mystiker Jakob Böhme. Auch Michael Hahn
gehört zu ihren Anhängern.

Besonders starke Verbreitung fand sie dann seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche
gläubige Bibelleser, die mit den Ergebnissen der geologischen Forschung bekannt geworden
waren, sahen in ihr einen Weg zur Harmonie zwischen Bibel und Naturwissenschaft. Sie
erkannten die von der Geologie geforderten, langen Entwicklungszeiträume an, schalteten sie
aber in den Zwischenraum zwischen Vers 1 und Vers 2 des biblischen Berichts ein. Hierbei
sahen die meisten von ihnen die sechs »Tage« als Vierundzwanzigstundentage an. Einige,
namentlich die Naturwissenschaftler unter den Vertretern dieser Auslegungsweise, sahen in dem
Tohuwabohu von Vers 2 ebenfalls eine Folge des Falles Satans, vertraten aber für das
Wiederherstellungswerk der sechs Tage die Periodenauffassung.

So wurde diese Restitutionsauffassung bereits im Jahre 1814 von dem schottischen Gelehrten
Dr. Th. Chalmers und 1833 von dem englischen Mineralogieprofessor Dr. William Buddand
vertreten, von letzterem in seinem Werk »Geology and Mineralogy considered with reference to
Natural Theology«, 1833.

Andere Vertreter sind der Geologieprofessor K. V. Raumer (1865), der Naturforscher Professor
G. H. v. Schubert (1860) und, unter den Naturwissenschaftlern der allermodernsten Zeit, der
Geologe Freiherr von Huene, Professor der Paläontologie in Tübingen, einer der bedeutendsten
Saurierforscher der Gegenwart. Von den Philosophen seien genannt Friedrich von Schlegel
sowie J. Hermann von Fichte, weiland Philosophieprofessor in Bonn und Tübingen, der Sohn des
bekannten Philosophen J. Gottlieb Fichte. Von den Theologen erwähnen wir Männer wie die
Professoren Franz Delitzsch, Michael Baumgarten, J. H. Kurtz, E. W. Hengstenberg, ferner Prälat
Oetinger, Dekan Keerl, Th. Fliedner, den Leiter der Kaiserswerther Diakonissenanstalt. Ebenso
Professor Bettex, Jakob Kroeker, ferner den in Deutschland weithin bekannten Evangelisten
General von Viebahn (1914). Ebenso schreibt Dr. theol. Haarbeck in seiner Kurzgefaßten
Biblischen Glaubenslehre: »Am meisten Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich, daß unser
Erdsystem in vorweltlicher Zeit das Lichtreich Satans vor seinem Fall war und daß ihm, infolge
seines Falles, sein Reich genommen und zur Wohnung für den Menschen umgeschaffen wurde«
(Elberfeld 1930. S. 57). Ebenso Lic. W. Möller in seinem Werk Biblische Theologie des Alten
Testaments, Zwickau 1938. S. 50¬
Bekannt sind ferner die Schriften des Engländers G. H. Pember, sowie die im gesamten
englischen Sprachgebiet weitverbreitete Scofield Reference Bible. Aus neuerer Zeit ist ferner zu
nennen Dr. H. Rimmer in seinem Werk »Modern Science and the Genesis Record« (1937).

Diese Verschiedenheiten unter den Auslegungen bibelgläubiger Schrifterklärer beweisen, daß wir
sorgfältig und vorsichtig sein müssen in der Gewinnung unserer eigenen Stellungnahme, daß wir
in keinem Fall selbstsicher dogmatisieren dürfen, sondern Duldsamkeit Verständnis haben
müssen auch für abweichende Meinungen. Vor allem aber beweisen sie, daß wir in
Bescheidenheit unserer eigenen Unzulänglichkeit bewußt sein müssen, eingedenk der Frage, die
der Schöpfer Selbst Seiner irdischen Kreatur, gerade auch im Hinblick auf die Fragen der
Weltschöpfung vorlegt:

»Wo warst du, als ich die Erde gründete?« (Hiob 38, 4 - 7). »Das Verborgene ist Jehovas, das
Geoffenbarte ist unser und unserer Kinder ewiglich« (5. Mose 29, 29).

2. BIBLISCHER SCHÖPFUNGSBERICHT UND NATURWISSENSCHAFT

1. Ist eine rein »religiöse« Auffassung des biblischen Schöpfungsberichts berechtigt? Unter
teilweiser Bejahung bibelkritischer Gesichtspunkte ist auch eine »rein religiöse« Auffassung des
biblischen Schöpfungsberichts entwickelt worden. Man sagt: Es komme im Wesentlichen nur auf
seine geistlichen, »theologisch prophetischen« Botschaften an; seine äußere,
schöpfungsgeschichtliche Einkleidung aber sei zeitbedingt und nehme an den
naturwissenschaftlichen Irrtümern des alt orientalischen Weltbildes teil. Hierbei sei der biblische
Schöpfungsbericht allerdings in bewundernswertem Maße frei von allen mythologischen, oft
geradezu phantastischen Ausschmückungen der babylonischen und ägyptischen Kosmogonien
seiner heidnischen Umwelt. Es sei aber gerade ein Handeln der Herablassung und Güte Gottes,
daß Er Seine ewigen, geistigen Wahrheiten den Menschen, die auf einer naturwissenschaftlich
noch nicht so vorangeschrittenen Kulturstufe lebten, in der Formensprache ihrer Zeit und Umwelt
kundtue. In keinem Fall komme es also auf die naturwissenschaftliche Richtigkeit des
Gesamtaufbaues und der Einzelangaben des biblischen Schöpfungsberichts an. Er behalte
trotzdem seinen Charakter als Botschaft und Offenbarung Gottes.

Hierauf antworten wir: Der Hinweis auf eine etwaige Einkleidung göttlicher Wahrheiten in die
Form menschlicher, zeitgeschichtlicher sachlicher Irrtümer widerspricht der absoluten
Wahrhaftigkeit Gottes. Er kommt letzten Endes auf den Grundsatz hinaus: »Der Zweck heiligt die
Mittel«.

Zweifellos ist das eigentliche Hauptanliegen des biblischen Schöpfungsberichts durchaus


geistlicher Art. Auch alle naturwissenschaftliche Betrachtung darf dies niemals vergessen. Dies
gilt zugleich im Hinblick auf die ganze Heilige Schrift. So sagt schon Augustinus mit Recht: »Wir
lesen nicht in den Evangelien, daß der Herr gesagt habe: Ich werde euch den Geist senden, der
euch belehrt über den Lauf der Sonne und des Mondes: Christen sollen sie werden, aber nicht
Sternkundige.«

Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß das erste Kapitel der Bibel seine geistlichen Belehrungen in
der Form eines geschichtlichen Berichts bringt. Unverkennbar bezeugt es eine Reihe von
aufeinanderfolgenden Handlungen Gottes und damit zugleich einen naturgeschichtlich
voranschreitenden Charakter des Schöpfungsvorgangs. Darum sollten wir, gleichwie wir das
Geistliche im Schöpfungsbericht nicht übersehen dürfen, auch das Schöpfungsgeschichtliche in
ihm nicht geringschätzen. Das eine hat das Vorrecht, das andere aber behält sein Recht.

Der Satz: »Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch«, darf darum nicht so verstanden
werden, als ob die biblischen Originaltexte selber naturkundliche, sachliche Irrtümer enthielten.
Es kann und wird niemals wirklich eine Disharmonie zwischen dem Wort Gottes und dem Werk
Gottes bestehen. Wenn sich das Wort Gottes auch nicht auf Einzelheiten des
Weltschöpfungsvorgangs einläßt, so wird es doch stets mit den Tatsachen soweit diese wirklieb
als Tatsachen erwiesen worden sind im Einklang stehen.

Unlogisch und unbesonnen wäre der Hinweis, es käme in der Bibel ja nicht auf die Richtigkeit der
in ihr mitgeteilten Natur und Menschheitsgeschichte an, sondern eben nur auf die Tatsache: Gott
spricht!

Denn wie soll Gott zu uns Menschen, die wir mitten im Natur- und Geschichtsverlauf leben,
anders reden als eben nur in der Geschichte und durch sie? Das heißt, wie soll Er anders zu uns
sprechen als vornehmlich durch die geschichtlichen Ereignisse, besonders Heilsereignisse, und
die geschichtlich vollzogenen Weissagungen und Reden der alttestamentlichen Propheten sowie
Jesu und Seiner Apostel? Wenn aber Gott zu uns geschichtsgebundenen Menschen nur durch
die Geschichte spricht, wo bleibt Sein Reden, wenn diese »Geschichte« >Nicht Geschichte< ist,
wenn diese Ereignisse sich nicht ereignet haben, wenn diese Reden von Jesus, den Propheten
und Aposteln nicht gelehrt worden sind?

Wohl ist die vergangene Geschichte in sich selbst nicht die Hauptsache abgesehen von den
entscheidenden Heilsereignissen des Erlösungswerkes , sondern die geistliche Botschaft, die
Gott in ihr und durch sie zu uns heute und zu jeder Gegenwart spricht. Aber ohne daß sie
»geschehen« ist, wäre auch Gottes Reden nicht geschehen, und unser Glaube wäre ohne jedes
zuverlässige Fundament.

2. Volkstümliche Ausdrucksweise der Bibel in ihren Aussagen über Weltbild und Natur. Daß sich
die Bibel in ihren naturkundlichen Bemerkungen volkstümlicher Ausdrucksweise bedient, kann
nicht als Gegenbeweis gelten. Denn auch wir Heutigen, die wir doch gewiß keine Ptolemäer mehr
sind, reden vom »Aufgang« und »Untergang« der Sonne und sagen: »Die Sonne >steht< hier«
oder »Der Mond >steht< dort am Himmel.« »Wem fällt es denn heutzutage ein«, fragt Professor
E. Hoppe, »anstatt zu sagen: >Die Sonne geht auf<, sich folgender Worte zu bedienen: >Die
Erde hat sich so weit um ihre Achse gedreht, daß die durch die Strahlenbrechung abgelenkten
Sonnenstrahlen gerade den Beobachtungsort berühren<? Mit Recht bedient sich auch die ganze
Bibel durchaus der allgemeinen Sprache des Verkehrs unter Menschen, und diese ist, bis auf
den heutigen Tag, die Sprache des Augenscheins, das heißt, der scheinbaren Bewegung und
Beobachtung. In gleicher Weise benutzen wir sie auch heute noch, es sei denn, daß wir ein
Lehrbuch der kosmischen Physik schreiben wollen.«3

Bedeutsam aber ist, daß die Heilige Schrift keine einzige naturgeschichtliche oder geschichtliche
Behauptung enthält, die sich, ihrer Substanz nach, als inhaltlich falsch herausgestellt hat.

So ist es also unser Recht, ja, unsere Pflicht, den Schöpfungsbericht auch naturgeschichtlich zu
betrachten.

3. Grundsätzliche Übereinstimmung der Reihenfolge der Schöpfungswerke zwischen 1. Mose 1


und Geologie. Hier nun stehen wir vor einer höchst auffälligen und beachtenswerten Tatsache,
die einfach anerkannt werden muß, ganz gleich, wie auch der Glaube oder der Unglaube dazu
Stellung nehmen mag.

Wie immer auch die »Tage« im Schöpfungsbericht aufzufassen sind als


Vierundzwanzigstundentage oder als Perioden, als buchstäbliche »Offenbarungstage« oder als
völlig andersartige »Gottestage« , und wie immer auch der Schöpfungsbericht als Ganzes zu
erklären sei als Bericht über die ursprüngliche, einmalige Welt und Erdschöpfung an sich oder
als Bericht über eine »Wiederherstellung« der Erde nach Satans Fall, und zwar auch dann
entweder in buchstäblichen Tagen oder in Perioden :
Tatsache ist, daß die Reihenfolge der in ihm genannten Schöpfungswerke, ihren wesentlichen
Grundzügen nach, der Reihenfolge der Erdschichten und der allgemeinen Aufeinanderfolge der
Fossilien entspricht, so wie sie der paläontologische Tatbestand der modernen Naturforschung
erkennen läßt. An dieser Tatsache kann auch die Behauptung nicht rütteln, wie sie heute oft
vorgetragen wird nicht selten in geradezu überheblichem Geist und Ton , die Feststellung
solcher Übereinstimmungen zwischen Geologie und Genesis sei eine überflüssige, längst
überholte und veraltete, ja, rückständige Form der Apologetik. Es ist einfach wahr und kann
weder geleugnet noch wegdisputiert werden, was Professor Karl Heim in folgenden Worten
ausdrückt: »Was der biblische Verfasser beschreibt, ist die prägnante Zusammenfassung eines
Gesamtbildes, das nach dem geologischen Befund in einem Zeitraum von über anderthalb
Milliarden Jahren entstanden ist.«

Allerdings dürfen die im Folgenden genannten Übereinstimmungen zwischen Schöpfungsbericht


und Geologie nicht überschätzt werden. In keinem Fall dürfen sie ohne weiteres als bewußte
Erkenntnisse des heiligen Schreibers selbst aufgefaßt werden, als ob er diese neuzeitlichen
naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse schon damals »gemeint« habe. Überhaupt
müssen wir uns hüten, Ergebnisse oder Theorien moderner Forschung in das Denken längst
vergangener Jahrtausende hineinzutragen. Auch die biblische Inspiration ist daran völlig
uninteressiert.

Andererseits geht der gottgemeinte Sinn der heiligen Texte zuweilen weit über das Verständnis
sogar ihrer eigenen, menschlichen Schreiber hinaus. So, möglicherweise, auch hier. Denn Gott,
der die ganze Weltentstehung bewirkt hat und ihren Entwicklungslauf genau kennt, ist der
eigentliche Verfasser der Heiligen Schrift, auch des biblischen Schöpfungsberichts. Der
menschliche Schreiber ist nur das Werkzeug Seiner Inspiration.

4. Ausgangspunkt, Wert und Grenze des wechselseitigen Vergleichs zwischen Genesis und
Geologie. Hierbei dürfen wir allerdings nicht, um die Harmonie zwischen Bibel und Natur zu
erkennen, von den Lehren der Naturforschung ausgehen, um uns erst danach eine Exegese des
»Sechstagewerkes« zurechtzulegen. Vielmehr müssen Bibelglaube und Schriftauslegung den
umgekehrten Weg gehen, das heißt, von der Bibel zur Naturbetrachtung, von der Auslegung des
gottgegebenen Berichts zu einem Urteil über die parallelen Grundlinien der menschlichen
Weltentstehungslehren. Niemals jedoch darf es zu einer Abhängigkeit der Schriftauslegung von
dem jeweilig erreichten Stand der Naturwissenschaft kommen, der noch dazu oft sogar recht
schwankend ist. Auch darf in keiner Weise das Leitmotiv bestehen, die biblische
Schöpfungsgeschichte unter allen Umständen mit dem modernen Denken harmonisieren zu
wollen.

Bei diesem allen darf auch nicht übersehen werden, daß es, im Hinblick auf die allerältesten
Entwicklungsphasen des Sonnensystems, keine absolute Übereinstimmung unter den
Naturforschern und Astronomen gibt. Schon der Göttinger Physikprofessor G. Chr. Lichtenberg
zählte kurz nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts fünfzig Hypothesen über die Sonnen und
Erdbildung auf und erklärte sarkastisch, neun Zehntel von ihnen gehörten mehr zur Geschichte
des menschlichen Geistes als zur Geschichte der Erde. Dann ist es zu einer fast hundertjährigen
Vorherrschaft, ja geradezu Alleinherrschaft der beiden Theorien von Kant und Laplace
gekommen.

Kant hatte seine Theorie 1755 in seinem König Friedrich dem Großen gewidmeten Buch
»Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels«, Laplace die seinige im Jahre 1796 in
»Exposition du système du monde« entwickelt.

Für ihre Zeit waren beide Weltenstehungstheorien wissenschaftliche Großleistungen ersten


Ranges. Sie stimmten mit allem überein, was man im 18. Jahrhundert über das Sonnensystem
wußte. Dann aber sind, auf Grund weiterer Beobachtungen, neue Erkenntnisse gewonnen
worden, die nicht mit ihnen übereinstimmen. (Beide nahmen an, daß das Sonnensystem aus
einem Urnebel entstanden ist...) Darum gelten sie heute als überwunden und sind in
wissenschaftlichen Kreisen, in ihrer ursprünglichen Form, längst aufgegeben worden.

Aber auch in den neueren Erklärungsversuchen ist der menschliche Geist über ein Suchen und
Fragen nicht hinausgekommen. Dies gilt besonders für die Probleme der eigentlichen Sonnen
und Sternbildung und damit zugleich des »Stern Zeitalters« der Erde, das heißt, der
Zusammenballung der ursprünglichen, kosmischen Nebelmaterie zu »Weltkörpern«. So gibt es
auch heute, im zwanzigsten Jahrhundert, noch nicht eine gemeinsame, einheitliche
Weltentstehungslehre der gesamten, modernen Astronomie und Astrophysik. In seinem Werk
»The Origin of the Earth« (Der Ursprung der Erde) 1951 zählt der englische Gelehrte W. M.
Smart nicht weniger als zehn verschiedene moderne Theorien über die Entstehung des
Sonnensystems auf.

So muß also auch vom rein naturwissenschaftlichen Standpunkt aus zur größten Vorsicht im
Hinblick auf Feststellung »unbezweifelbarer Erkenntnisse« gemahnt werden. Schon die
Tatsache, daß ein Erklärungsversuch den anderen ablöst, beweist, daß keine, alle
Naturwissenschaftler voll befriedigende Erklärung besteht, die allen vorhandenen Erkenntnissen
der Naturforschung gerecht wird und darum auch allgemeine Zustimmung gefunden hat.

Erst für die späteren Zeitabschnitte seit der Bildung der ersten, Fossilien enthaltenden
Erdschichten, das heißt also, erst für die Entwicklungsphasen, die die Geologie zu erforschen
hat, kann man, im Hinblick auf die allgemeinen Hauptfragen der Aufeinanderfolge der Perioden,
im großen und ganzen von zuverlässig gewonnenen Erkenntnissen sprechen. Das heißt, dies ist,
im Sinn der Periodenauffassung des Schöpfungsberichts, erst möglich hinsichtlich des dritten,
fünften und sechsten Schöpfungs -»tages«.

Auch dürfen wir keineswegs meinen, durch Feststellung gewisser Übereinstimmungen zwischen
Bibel und Naturwissenschaft die Richtigkeit oder gar die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift
»beweisen« zu wollen.

Denn erstens sind, wie soeben gesagt, nicht wenige naturwissenschaftliche Forschungen noch
im Fluß und bieten keine gesicherten Ergebnisse dar, und zweitens ist unsere eigene Auslegung
der Schrift durchaus nicht in allen Einzelheiten irrtumsfrei und in keiner Weise von vornherein der
Heiligen Schrift selbst gleichzusetzen.

Vor allem aber muß gesagt werden: Die Bibel ist ein Löwe, und ein Löwe kann sich selbst
verteidigen! Das Buch Gottes bedarf nicht der Beschützung durch seine menschlichen, gläubigen
Leser! Seine Autorität stammt von seinem göttlichen Autor! Bei aller Hochachtung vor wahrer
Wissenschaft und guter Apologetik: Die Propheten benötigen nicht die Professoren als ihre
Protektoren! Vor dem Forum der Wahrheit brauchen Gottes Zeugen keine menschlichen
Advokaten! Gottes Weisheit steht fest, auch ohne menschliche Wissenschaft (1. Kor. 1, 19 31)!
Oder wie es der große französische Mathematiker Blaise Pascal, einer der größten Geister
Europas, ein Mann also, der doch gewiß kein Schwachkopf war, in seiner Bekehrungsstunde
1654 niedergeschrieben hat: »Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht Gott der Gelehrten und
Philosophen.«

Und selbst wenn es Einzelfälle geben sollte, wo die Bibel in geschichtlichen oder
naturgeschichtlichen Aussagen durch offenbar gutbegründete, wissenschaftliche Darlegungen
eines Irrtums bezichtigt werden sollte, so halten wir es mit den Worten Augustins, des größten
aller Kirchenväter, in einem Brief an Hieronymus, den gelehrtesten aller Kirchenväter: »Wenn ich
hier oder da auf etwas stoße, was mit der Wahrheit nicht übereinzustimmen scheint, so zweifle
ich keinen Augenblick, daß entweder die Abschrift fehlerhaft sei oder daß der Übersetzer den
Gedanken des Originals nicht genau ausgedrückt hat oder daß ich die Sache nicht verstanden
habe.«
5. Schrift und Schriftauslegung. – Naturwissenschaftliche Tatsachen und naturwissenschaftliche
Theorien. Überhaupt dürfen wir die Schrift nicht ohne weiteres mit unserer eigenen
Schriftauslegung gleichsetzen. Die sogenannten Widersprüche zwischen Bibelglaube und
Naturforschung sind in Wahrheit nicht ein Konflikt zwischen Bibel und gesicherter
Naturerkenntnis, sondern zwischen Schriftauslegung und naturwissenschaftliche Theorie, oft
geradezu ein Zusammenprall zwischen persönlich ungeprüfter, einfach übernommener,
volkstümlicher Tradition und naturphilosophischer Spekulation.

In jedem Fall gilt es bei der Schriftauslegung genau hinzusehen, was die Schrift eigentlich sagt
beziehungsweise nicht sagt, und sich nicht durch Befangenheit unter überlieferte
Auslegungsweisen irgendwie binden zu lassen! Unsere Aufgabe ist es, vorurteilsfrei die
biblischen Texte zu untersuchen und nicht mehr in sie hineinzulegen, als sie wirklich besagen.
Hüten wir uns, in den Fehler der Kirche zur Zeit des Kopernikus zu verfallen! Damals glaubten die
Vertreter des Christentum der Astronomie gegenüber ein Weltbild das ptolemäische festhalten
zu müssen, weil man meinte, der biblische Text verlange das so, und doch war dies ein Irrtum!
Heute ist mancher in ähnlicher Lage der Geologie und Paläontologie (Erdgeschichte und
Versteinerungskunde) gegenüber. Gar zu leicht verwechseln wir die eigentliche Wahrheit der
Schrift mit unserer eigenen persönlichen Auffassung von ihr und kommen leicht in die Gefahr zu
meinen, die Schrift sei angegriffen, wenn man unserer persönlichen Schriftauslegung nicht
beipflichtet. Ferner:

Ungelöste Fragen sind für den Aufrichtigen und Ernstsuchenden nicht unbedingt
Glaubenshindernisse. Auch der wissenschaftlich Tieferdenkende weiß um die Grenzen seiner
Erkenntnismöglichkeiten. Und überhaupt: Der Glaube kann warten. Einst werden wir erkennen,
gleichwie wir erkannt worden sind (1. Kor. 13, 12).

Dennoch mag es manchem Zweifler und Wahrheitssucher eine Hilfe sein, wenn ihm durch
Hinweise auf Übereinstimmungen zwischen Bibel und Naturforschung gewisse Steine aus dem
Wege geräumt werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Apologetik gibt der Astronom Johannes Riem folgende
Zusammenfassung: »Die in dem mosaischen Schöp¬fungsbericht niedergelegten Anschauungen
kosmologischen Inhalts können sich auch vor der strengsten Kritik sehen lassen.« Oder, wie es
der Engländer Dr. A. R. Riley geradezu triumphierend sagt:

»Das erste Kapitel der Bibel hat dem Sturm getrotzt. Es geht aus dem Kampf mit fliegenden
Fahnen hervor. Jede einzelne seiner Aussagen ist bestätigt durch die besten
Naturwissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts!«

ANHANG

Erster Teil.

DIE REIHENFOLGE DER SCHÖPFUNGSWERKE IM EINZELNEN

1. Die Tatsache einer Weltschöpfung an sich.

»Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.


Ihr Schall pflanzt Seinen Namen fort.
Ihn rühmt der Erdkreis, Ihn preisen die Meere:
Vernimm, o Mensch, ihr göttlich Wort!« (Chr. F. Gellert).

Gott hat Himmel und Erde gemacht (1. Mo. 1, 1; Kol. 1, 16).

»Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.... Alle Dinge sind
durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist« (Joh. 1, 1. 3).

Durch diese seine Botschaft von einer alleinigen Weltursache und einer Weltschöpfung aus
Nichts durch den ewigen Gott steht der biblische Offenbarungsglaube und in Sonderheit der
biblische Schöpfungsbericht unendlich erhaben über allen Götter und Weltentstehungslehren
seiner heidnischen Umwelt mit ihren, noch dazu großenteils wild romantischen, grotesk
phantastisch mythologischen Ausschmückungen und überwucherungen.

a. Biblischer Schöpfungsglaube und babylonischer Weltenstehungsmythos.

Der höchststehende heidnische altorientalische »Schöpfungs«(?)mythos ist der babylonische. An


jedem Neujahrstage wurde er in Babylon, dieser Mutter- und Zentralstadt der Kultur der alten
Welt, in der öffentlichen, offiziellen Festliturgie feierlich zur Verlesung gebracht. Aber wie stellt er
den Vorgang des Weltwerdens dar?

Er schildert die Weltenstehung als einen Kampf zwischen Marduk, dem Gott des Lichts, dem
Stadtgott von Babel, mit einem finsteren, chaotischen Ungeheuer Tiamat. Er bewegt sich also
von vornherein in einem grundsätzlichen Dualismus. Schließlich trägt Marduk den Sieg über
Tiamat davon. Das Ungeheuer wird getötet. Seine Leiche wird in Stücke zerlegt, und aus den
Stücken dieser Leiche wird die Welt aufgebaut.

So sieht dieser höchste Weltenstehungsmythos, den die alte Kulturwelt hervorgebracht hat, das
»Schaffen« eigentlich nur als ein siegendes »Gestalten« an, als ein Niederringen bereits
vorhandener, chaotischer Widerstände, nur als ein »Formen« eines schon vorher bestehenden,
gegebenen Materials. Zu der Vorstellung einer Weltschöpfung aus Nichts durch einen alleinigen,
allmächtigen Gott vermag sich das babylonische Denken nicht emporzuschwingen. Hier kann nur
die Offenbarung Gottes selbst das wahre Licht schenken.

»Durch den Glauben erkennen wir, daß Gott die Welt aus Nicht-Erscheinendem (d. h. durch Sein
Wort) gemacht hat« (Hebr. 11, 3). Zur Anerkenntnis eines Weltanfangs und einer Weltschöpfung
ist Glaube an einen persönlichen, lebendigen, allmächtigen Gott erforderlich.

Auch modernes, rein naturwissenschaftliches Forschen vermag nicht, bis zu diesem ersten und
letzten Welturgrund hindurchzugelangen.

Dennoch weiß auch der Glaube die Hinweise der Natur und Naturforschung zu würdigen. Auch
wenn die Denkarbeit des mensddichen Geistes und die Zeichensprache der Natur die Wahrheit
Gottes nicht zu »beweisen« vermögen, so können sie sie dennoch bezeugen.

Auch naturwissenschaftliches Denken unserer Gegenwart wendet sich gegen die atheistisch
materialistische Behauptung einer Anfangslosigkeit und Ewigkeit von Welt und Materie. Wir
nennen ein Doppeltes:

b. Urnebel, Masse und Weltanfang.

Bei aller Mannigfaltigkeit im einzelnen gehen doch alle neuzeitlichen Weltentstehungslehren von
der Annahme eines viele tausend Grad heißen, glühenden Umebels aus. Dieser habe sich auf
irgendeine Weise abgekühlt, zusammengezogen, sei in rotierende Bewegung geraten, und so
seien aus dieser Urmasse, durch Schleuderkraft (Zentrifugalkraft) und Zusammenballung,
allmählich die Weltkörper entstanden.

Aber gerade hier tauchen bedeutsame chemisch physikalische Probleme auf.

Nach der Dalton'schen Auffassung über die Gase gibt es keine Massenanziehung in ihnen,
sondern, irn Gegenteil, nur wechselseitige Abstoßung ihrer Teile. Sie haben kein ursprüngliches
Volumen, sondern suchen unaufhörlich, einen größeren Raum einzunehmen. Die ursprüngliche
Nebelmasse müßte also gleichmäßig den ganzen Weltraum eingenommen haben.

Dazu kommt Folgendes: Es gibt wegen der extrem hohen Temperaturen überhaupt keine
chemischen Verbindungen. Es sind nur noch Atome vorhanden, die sich nicht zu Molekülen
verbinden.

Auch die Schwerkraft (Gravitation) konnte unmöglich in Tätigkeit treten, weil ja der flüchtige Stoff
in vollkommener Gleichheit im ganzen Weltraum verteilt war.

Ebenso konnte die ursprüngliche Nebelmasse von sich aus gleichsam von »innen« her nicht zu
einer ersten Bewegung gelangen. Denn, nach dem Trägheitsprinzip, bleibt jeder Körper solange
in seinem Zustand (Ruhe bzw. Bewegung), bis eine außer ihm liegende Kraft auf ihn einwirkt.
Wie aber sollte ein solcher Anstoß von »auf3en« her erfolgen können, da ja das ganze Weltall
von dieser glühenden Nebelmasse erfüllt gewesen war und es folglich überhaupt gar kein
»Auf3en« wie ebenso auch kein eigentliches »Innen« gegeben hätte?

Eine Änderung dieses Zustandes wäre nur durch Eintreten einer Abkühlung möglich geworden.
Aber von dieser hätte auch nicht die Rede sein können, da es ja überhaupt kein kälteres
»Außen« gab, in das diese Urnebel Gasmasse ihre Wärme hätte ausstrahlen können, wobei sie
sidi dann, durch Verminderung der Temperatur, zusammengezogen hätte! Der Urzustand hätte
also ewig bestehen müssen. Man macht sich die Sache also doch wahrlich gar zu leicht, von
einer Abkühlung der Urnebelmasse zu reden, ohne nachgewiesen zu haben, wohin diese
ausstrahlende Wärme geströmt sein soll!

Wir sehen, ohne die Zuhilfenahme einer höheren Kraft, die etwas anderes ist als die
Urnebelmasse selbst, kann die Entstehung der Welt nicht begriffen werden. Richtig sagt darum
der Astronom Professor Johannes Riem: »Wir stellen fest, daf3 schon die reine Tatsache der
Existenz des heutigen Kosmos ein unzweideutiges Gegenzeugnis gegen den Materialismus und
ein unzweideutiges Zeugnis von der Schöpferkraft und Allmacht der höchsten kosmischen
Intelligenz ist. Sonst befänden wir uns noch heute inmitten des alten Chaos.«

Wollten wir aber, wie viele es tun, versuchen, die Entstehung des Urnebels, aus dem unser
jetziges Sonnensystem hervorgegangen sei, aus dem Zusammensturz zweier früherer Sonnen
oder Sonnensysteme zu erklären, so kämen wir auch damit keinen Schritt vorwärts. Denn dann
wäre es nunmehr unsere Aufgabe, die Entstehung dieser früheren Sonnen zu erklären. Das
ganze Problem wäre also nur rückwärts verschoben, aber in keiner Weise gelöst.

Nein, begreiflich gemacht werden kann das Dasein eines geordneten Kosmos nur durch den
Glauben an das Dasein und das schöpferische Wirken einer höheren, kosmischen Macht.
Zugleich aber wird dies Ganze zu einem Zeugnis wider die Anfangslosigkeit der Materie und für
die Tatsache eines Weltanfangs durch Weltschöpfung.

Wir stehen also vor einer unausweichlichen Wahl: entweder glauben wir an Gott, als den
Schöpfer von Himmel und Erde, oder wir müssen auf alle Erklärung und alles Verständnis in
diesen entscheidenden Fragen des Weltfundaments von vornherein verzichten.
c. Das Zeugnis der Radioaktivität wider eine Anfangslosigkeit und Ewigkeit von Welt und Materie.

Ein zweites Zeugnis der modernen Naturwissenschaft bezüglich eines Weltanfangs bietet der
Zerfall radio aktiver Substanzen. Zugleich ist er ein Zeitmesser zur Altersbestimmung der
Erdsdiiehten und der Erde selbst. Professor Karl Heim schreibt:

Wir haben innerhalb unseres Sonnensystems ein ziemlich sicheres Mittel, um das Alter von
Weltkörpern festzustellen. Das ist der Radiumzerfall bei radioaktiven Substanzen, dessen
Ablaufzeit meßbar ist. Man hat an Gesteinen, die radioaktive Substanzen enthalten,
Untersuchungen angestellt über den bereits erfolgten Zerfall. Daraus konnte errechnet werden,
vor wie langer Zeit das betreffende Gestein sich gebildet hat. Man spricht von »Gesteinsuhren« in
den geologischen Schichten, die gleichförmig durch die Jahrmillionen der Erdgesdüchte ticken
und an denen wir späten Wanderer auf dieser Erde sehen und ablesen können, wieviel Uhr es
ist. An diesen »Uhren« sehen wir: Unsere Erde ist, nach den ältesten geologischen Schichten,
etwa anderthalb Milliarden Jahre alt, wahrscheinlich noch älter, aber jedenfalls nicht mehr als das
Dreifache davon.«

Ein Stoff ist radioaktiv, wenn er kleine Atompartikel abstößt, die dann mit sehr großer
Geschwindigkeit wegfliegen. Radium und Uranium sind die in der allgemeinen Öffentlichkeit am
meisten bekannten Substanzen dieser Art. Durch die Atombombe hat die gesamte
Kulturmenschheit der Gegenwart von diesen radioaktiven Erscheinungen Kenntnis bekommen.

Da Uranium solche Atompartikel mit größter Geschwindigkeit abstößt, zerfällt es, bis es
schließlich Blei geworden ist. Die Geschwindigkeit dieses Zerfallsprozesses ist bekannt. Sie ist
immer die gleiche, welchen Temperaturen und Druckverhältnissen die Materie auch unterworfen
sein mag. Man hat in Laboratorien radioaktive Substanzen Temperaturen und Druckverhältnissen
ausgesetzt, die höher und größer sind als alle diejenigen, die man auf der Oberfläche unseres
Planeten finden kann. Dabei hat sich herausgestellt, daß der Verfallsprozeß weder beschleunigt
noch verzögert wurde. So können die Physiker, durch diese »Blei Methode«, an dem Grad des
Zerfalls, das heißt, an dem Gehalt von Uranblei im Uranerz, sagen, wie alt ein Stück Uranium ist
(So schreibt Dr. A. Neuberg in seinem Buch »Das neue WeltbiId der Physik." Göttingen 1941, S.
82: "Ein Gramm Uran zerfällt in 80 Millionen Jahren. Wenn sich also in 100 Gramm Uran ein
Gramm Uranblei befindet, so wird das Gestein etwa 80 Millionen Jahre alt sein." Alle diese
Zahlen aber können, trotz sorgfältigster Forschungen, durchaus noch nicht als völlig gesichert
angesehen werden. Daher ist, in bezug auf alle Einzelangaben, größte Zurückhaltung
erforderlich.)

In seinem Buch »The Christian View of Science and Scripture sucht Dr. B. Ramm dies durch
folgenden Vergleich in volkstümlicher und vereinfachter Form dem Leser nahe zu bringen, dem
die Methoden radioaktiver Messungen nicht bekannt sind.

Er weist auf eine Pendeluhr hin. Die Anzahl der Zentimeter, die die Gewichte nach unten
gesunken sind, zeigt an, wie lange die Uhr seit ihrem Aufgezogensein schon geht.

Durch Abmessen am Zähler, wieviel Treibstoff noch im Tankbehälter eines Autos ist, der bei der
Abfahrt ganz gefüllt worden war, gewinnt man eine Vorstellung, wieviele Kilometer man gefahren
ist.

Die Resthöhe am Gewicht der Pendeluhr beziehungsweise der Restbestand des Treibstoffes im
Autotank geben also eine entsprechende Möglichkeit, auf den Anfangspunkt der Uhrzeit
beziehungsweise die Abfahrt des Autos zurückzuschließen.

In ähnlicher Weise läßt sich durch Feststellung des Atomgewichts und des Verhältnisses des
vorhandenen Urans zu den Rückständen (Uranblei bzw. Helium) berechnen, wie lange der
Zerfallsprozeß eines Stückes Uranium gedauert hat und wann sein zeitlicher Beginn war.
Zugleich ist damit eine Möglichkeit gewonnen, das ungefähre Alter der betreffenden geologischen
Schicht zu bestimmen, in der sich das Uranium gefunden hat (vgl. Prof. Dr. A. Titius, Natur und
Gott. Göttingen 1931, S. 400).

Durch weitere Messungen, Überlegungen und Berechnungen gelangt man zu der Vorstellung
eines Uranfangs aller Existenz, sowohl der irdischen wie auch der kosmischen. Ob dieser
grundlegende Anfang zwei oder drei Milliarden Jahre zurückliegen mag, wie viele Physiker
glauben, oder ob diese Zahlen wesentlich kleiner oder vielleicht gar noch größer sein mögen, ist
in unserem Zusammenhang nicht von wesenhafter Bedeutung. Der Punkt, um den es sich hier
handelt, ist die Tatsache, daß auch die moderne Forschung die Vorstellung eines Uranfangs des
Universum fordert, sodaß also die Natur nicht ewig, sondern zeitlich ist und darum an einem
bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit ihren Anfang gehabt haben muß.

Zu diesen physikalischen Beobachtungen kommen noch astronomische hinzu. Es ist festgestellt


worden, daß die Spiralnebel, aus denen ja das Weltall besteht, mit der Geschwindigkeit des
Lichtes, also 300 000 Kilometer in jeder Sekunde, sich immer weiter in die Ferne bewegen,
sodaß der Radius des Weltalls mit Lichtgeschwindigkeit zunimmt. Die Spiralnebel mit ihren
Millionen von Sonnen vollziehen also eine geradezu unbegreiflich schnelle Fluchtbewegung,
sodaß sich das Weltall räumlich immer weiter ausdehnt. Der große englische Astronom Sir
James Jeans, einer der größten Gelehrten des 20. Jahrhunderts, hat ein Buch über diese
Tatsachen geschrieben unter dem Titel »The Expanding Universe« (deutsch wörtlich »Das sich
ausdehnende Universum«). Der deutsche Theologieprofessor Karl Heim, der zugleich
Mathematiker und Naturwissenschaftler ist, hat für diese erstaunliche Tatsache das Wort
»Weltgranate« geprägt. Damit soll ausgesprochen sein, daß, aufgrund sorgfältigster
Beobachtungen, in der Fixsternwelt eine Bewegung in die fernsten Fernen hinein festgestellt
worden ist, die aber zu irgend einem Zeitpunkt Millionen, vielleicht drei bis vier Milliarden Jahre
zurückliegend einmal irgendwie ihren Anfang und Ausgangspunkt gehabt haben muß. Damit
aber bezeugen beide Wissenschaften Physik und Astronomie ganz unabhängig voneinander
dieselbe Tatsache, daß das Weltall eine »Geschichte« hat, daß also von einer Anfangslosigkeit
und Ewigkeit von Welt und Materie, unter den Gesichtspunkten der allerneuesten Forschung,
nicht mehr geredet werden kann.

»Der kühne Traum der Philosophen, daß die Welt ewig sei, ist heute schon rein
naturwissenschaftlich gesehen unwahrscheinlich geworden« (Prof. Karl Heim). Zugleich aber ist
damit auch die Erwartung eines Weltendes gegeben. Das Weltall ist wie eine aufgezogene Uhr,
die immer mehr abläuft und die, wenn sie sich selbst überlassen bliebe, eines Tages stillsteht.

Wir wiederholen: Wir sind weit davon entfernt, mit naturwissenschaftlichen Erwägungen die
Aussagen der Bibel »beweisen« zu wollen. Dennoch mag es nützlich sein, eine solche
grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den Gedankengängen der modernen Physik und
Geologie mit dem Fundamentalsatz der Bibel über einen Welt»anfang« (Joh. 1,1) und eine
Weltschöpfung (1. Mose 1) nicht zu übersehen. Mögen auch die Zahlenangaben der
Naturwissenschaft noch mancher Bestätigungen oder vielleicht sehr wesentlicher Berichtigungen
bedürfen: Die Tatsache selber ein Weltanfang an sich wird von beiden Seiten, Bibel und
moderner Naturforschung , übereinstimmend bezeugt.

Als nächstfolgende Hauptübereinstimmung zwischen biblischer und naturwissenschaftlicher


Weltentstehungslehre gilt den Vertretern der Periodenauffassung:

2. Der zunächst noch ungeformte Urzustand der Materie vor Beginn der weiterführenden,
göttlichen Schöpferimpulse.

So sagt auch der biblische Bericht: »Die Erde war wüst und leer« (hebr. tohu wabohu), das heißt,
»gestaltlos und gehaltlos«. Diesem entspricht auch das naturwissenschaftliche Denken. Bei aller
Verschiedenheit in Einzelfragen ist die Annahme eines ungeformten, »gestaltlosen« Urnebels der
gemeinsame Ausgangspunkt aller neuzeitlichen Weltentstehungslehren.

3. Die Erschaffung der Erde, des Lichts und der Pflanzenwelt (am Anfang, am ersten und dritten
»Tage«) vor dem Werk des vierten »Tages« (betreffend Sonne, Mond und Sterne).

Über diese Reihenfolge ist nicht selten gespottet worden. Doch völlig zu Unrecht.

Die entscheidende Schlüsselfrage ist, nach der Periodenauffassung, wie das Werk des vierten
Tages zu verstehen ist: War es die eigentliche Erschaffung der Gestirne selbst als
Himmelskörper im Weltraum oder war es lediglich ihr erstes Hervortreten und Sichtbarwerden als
Lichter für die Erde? Bringt also der Schöpfungsbericht, in allgemeinen Umrissen, die
Entstehungsgeschichte des gesamten Weltalls oder beschränkt er sich abgesehen von Vers 1
nur auf die Geschichte der Erde? Ist er kosmologisch oder terrestrisch? Griech. kosmos, Welt;
lat. terra, die Erde.

Beide Erklärungen sind von bedeutenden Schriftauslegern vertreten worden. In keinem Fall aber
ergibt sich mit Notwendigkeit ein Widerspruch zwischen Bibel und Naturforschung. Spotten
können über diese Reihenfolge nur solche, die über diese Fragen nicht ernst und gründlich
genug nachgedacht haben.

Denn man kann doch mit Recht fragen: Sind überhaupt die Gestirne nach dem biblischen Bericht
erst am vierten Tage geschaffen worden? Hat nicht der Schreiber selbst gleich zu Anfang –
bereits in Vers 1, also schon vor der Lichtschöpfung des ersten Tages gesagt: »Im Anfang schuf
Gott die Himmel und die Erde«? Und bezeugt nicht das Buch Hiob, daß die himmlischen Sternen-
und Engelheere schon vor der Zubereitung der Erde bestanden haben? Haben sie doch diese mit
Jubel und Wonne entstehen sehen! »Worauf sind ihre (der Erde) Grundpfeiler eingesenkt, oder
wer hat ihren Eckstein gelegt, während die Morgensterne allesamt laut frohlockten und alle
Gottessöhne jauchzten?« (Hiob 38, 4 7). Außerdem gebraucht der biblische Bericht in 1. Mose 1,
16 nicht das hebräische Wort bara, das ein Schaffen aus Nichts bedeutet, sondern das Zeitwort
asah, das ein Zurechtbereiten aus schon bestehendem Stoff bezeichnet, - z. B. ein Schiff bauen
(machen: 1. Mos. 8, 6), - und spricht er nicht lediglich davon, was diese Gestirne vom vierten
Tage an für die Erde sein sollen: eben Lichter zur Beherrschung von Tag und Nacht?

Nach der Erstarrung der Erdoberfläche, also nach Abschluß des »Stern Zeitalters« der Erde,
muß unser Erdball in den folgenden geologischen Perioden zunächst mit einer sehr dicken
Wasserdampfatmosphäre umgeben gewesen sein. Die Hitze, die vom Erdinneren her zunächst
immer wieder in besonderer Weise hervorbrach und die Erdoberfläche damals noch
außerordentlich stark erwärmte, ließ viel Wasser auf der Erde verdunsten und »hüllte sie in eine
dichte Nebelschicht ein, etwa wie in einer Waschküche« (Prof. Dr. H. Rohrbach). So waren die
Gestirne zwar schon vorhanden, aber noch nicht als solche von der Erde aus klar erkennbar.

Dann könnte das Werk des vierten Tages einfach darin bestanden haben, daß die Gestirne durch
Dünnerwerden und Aufklärung der Erdatmosphäre als einzelne Lichter am Firmament
hervortraten.

Dann wäre von einer Entstehung der Erde vor der Sonne überhaupt nicht mehr die Rede. Auch
wäre das Licht des ersten Tages in Wirklichkeit schon das Sonnenlicht gewesen, nur eben durch
die dicke Dunst und Wolkendecke verhüllt. Zugleich würde es auch keinerlei Schwierigkeit
bedeuten, daß die Entstehung der Pflanzenwelt schon am dritten Tage, also ebenfalls vor dem
Werk des vierten Tages, genannt wird. Denn dann hätten ja die Pflanzen schon damals die für
ihren Lebensprozeß notwendigen Lichtstrahlen empfangen, nur eben durch einen Wolkensdileier
lündurch, wie dies in gewissem Maße wenn auch bedeutend weniger auch heute noch bei
stark bedecktem Himmel geschieht.
In diesem Sinne erklärt auch die Stuttgarter Jubiläumsbibel: »Wenn erst am vierten Tage die
Erschaffung der Gestirne erzählt wird, so soll damit nicht der zeitliche Hergang der Schöpfung
des Alls berichtet werden; sondern die Gestirne bekamen erst jetzt ihre Bedeutung als Lichter für
die Erde, während ihre Bedeutung und Stellung im Weltall garnicht erwähnt wird« (zu 1. Mose1,
15).

Nach dem Urteil anderer namhafter Schrifterklärer spricht aber der genaue Wortlaut des Textes
von einem Handeln Gottes an den Himmelskörpern selber. Wohl hebt er die Beziehung von
Sonne, Mond und Sternen zur Erde besonders hervor. »Gott setzte Lichter an der Ausdehnung
des Himmels als Zeichen zur Beherrschung von Zeiten und Tagen und Jahren«, »zur
Beherrschung des Tages und zur Beherrschung der Nacht«, »um auf der Erde zu leuchten«.
Aber er sagt nicht, daß dies durch irgendein Handeln Gottes an der Erdatmosphäre vollzogen
worden sei, sondern vielmehr: »Und Gott machte das große Licht (die Sonne) und das kleine
Licht (den Mond) und die Sterne (V. 16). Folglich ist das Werk des vierten Tages nicht
erdatmosphärisch, sondern astronomisch und kosmisch zu verstehen.

Der erste Vers des Schöpfungsberichts: »Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde« ist
entweder Überschrift des Ganzen oder besagt die Erschaffung der noch ungeformten Materie
und Grundstoffe oder, atom physikalisch ausgedrückt, des »Schwingungsfeldes« an sich, aus
dem Gott dann, in der Folgezeit der Schöpfungsgesdüchte, Sonne, Mond und Sterne und die
Erde, unter Seiner Leitung hervorgehen ließ.

In keinem Fall spricht Vers 1 von einer Entstehung der Himmels¬körper vor der Erde; denn er
nennt die Himmel und die Erde gleichzeitig. »Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde«.

Was Hiob 38, 4 7 betrifft, so ist das Gewicht dieser Stelle durchaus zu würdigen. Andererseits
dürfen aus einer dichterischen Stelle nicht zu weitragende kosmologische Schlußfolgerungen
gezogen werden. In jedem Fall spricht sie von einem Lobpreis und einer Anbetung des
Schöpfers, was aber doch wohl nur von lebendigen, bewußten, geistigen Wesen ausgesagt
werden kann. Darum muß mit den »jubelnden und jauchzenden Morgensternen und
Gottessöhnen« die Engelwelt gemeint sein, die bei der Grundsteinlegung der Erde den Schöpfer
pries. Die Engelwelt aber ist schon vor der Entstehung des materiellen Universums geschaffen
worden.

Das Wort »Glanzstern« wird, ebenfalls in poetischer Rede, in Jesaja 14, 12 nicht astronomisch,
sondern bildhaft auf ein geistiges, persönliches Wesen angewendet in diesem Fall auf den
König von Babel, wie der Zusammenhang mit Jesaja 13, 1 beweist: »Ausspruch über Babel,
welchen Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat.« Am Schluß des Buches der Offenbarung
nennt sich der Herr selbst den »glänzenden Morgenstern« (Off. 22, 16). In Hiob 1, 6 und Hiob 2,
1 werden die Engel als »Söhne Gottes« bezeichnet.

Von einer Entstehung der Himmelskörper vor dem Erdball ist also in Hiob 38, 4 7 kaum die Rede.

Aber auch bei dieser Erklärung des vierten Schöpfungstages, als Zubereitung der Himmelskörper
im Weltraum selbst, bietet die Reihenfolge der vorangegangenen Schöpfungswerke keine
ernsthaften Schwierigkeiten.

a. Die Entstehung des Lichts vor der Zubereitung der Sonne. Nach den Weltentstehungslehren
der Naturwissenschaft hat der »Urnebel«, aus dem sich dann später (!) die Sonnen und
Sternsysteme entwickelt haben, die sehr hohe Temperatur von vielen tausend Grad Celsius
gehabt. So muß also der ganze Baustoff des Weltalls bereits in seinem Anfangsstadium eine
einzige, glühende, leuchtende Masse, ein großes, feuriges »Licht«, gewesen sein. Folglich gab
es also »Licht«, auch nach den Lehren der modernsten Astrophysik, schon unübersehbare
Zeiträume hindurch vor der eigentlichen Bildung von Sonne, Mond und Sternen.
»Der schlichte Mensch«, schreibt ein Naturwissenschaftler unserer Tage, »sieht in unserer
Sonne die Quelle des Lichts, das unsere Erdwelt durchflutet. Von sich aus kann er unmöglich auf
den Gedanken kommen, daß das Licht in der Natur nicht unbedingt von der Sonne abhängig sei.
Dazu kommt, daß es im Orient keine eigentliche Dämmerung gibt. Vielmehr hebt dort die
Tageshelle sofort mit Sonnenaufgang an und hört, ebenso plötzlich, mit Sonnenuntergang auf.
Daher kann man sich dort eigentlich kaum eine andere Hauptlichtquelle denken als das
unmittelbare Sonnenlicht. Und doch wird im Genesisbericht die Unabhängigkeit des Lichts von
der Sonne vorausgesetzt!«

Nicht zu Unrecht fragt darum Dr. Boardman in seinem Buch »Creative Week« (Die
Schöpfungswoche): »Inwiefern kann die Akademie der Wissenschaften Mose einen Mann der
Unwissenheit nennen, weil er erklärte, das Licht habe schon vor der Sonne bestanden, während
man gleichzeitig Laplace einen Wissenschaftler nennt, der doch genau dasselbe behauptet hat?«

Durch diese erstaunliche Übereinstimmung sah sich der französische Physiker Jean Baptiste Biot
geradezu zu dem Ausspruch veranlaßt: »Entweder hatte Mose in den Wissenschaften eine
ebenso tiefe Unterweisung wie diejenige unseres Jahrhunderts, oder er war inspiriert.«

b. Die Entstehung der Erde vor der Zubereitung der Sonne. Auch nach den astronomisch
physikalischen Erklärungen, die das Sonnensystem aus dem Zerfall eines Spiralnebels
hervorgehen lassen, ergibt sich die gleiche Reihenfolge. Denn wenn die Planeten aus dem
feurigen Urnebel, im Verlauf seiner Umdrehung, herausgesprungen sind, so müssen sie, infolge
ihrer verhältnismäßigen Kleinheit, in dem 273 Grad kalten Weltraum viel schneller erkaltet sein
und sich viel rascher zusammengezogen und zu eigentlichen »Weltkörpern« geballt haben als
die unvergleichlich größere Urmasse. Diese muß also noch lange Zeit hindurch als ein elliptisch
geformtes, nebelsternartiges Gebilde bestanden haben, bis man sie recht eigentlich als
»Weltkörper« und »Sonne« bezeichnen kann. Auch darf ja sowieso doch erst der nach
Abstoßung aller Planeten übrig gebliebene Rest »Sonne« genannt werden.

So hat schon der Tübinger Geologieprofessor F. A. Quenstedt geradezu erklärt: »Wie wahr sagt
doch Mose, daß die kleine Erde sich schon lange vor der viel größeren Sonne ballen mußtel«

Und was schließlich die Entstehung der Pflanzenwelt vor der Entstehung der Sonne betrifft, so
wäre, sowohl vom kosmologischen wie auch vom botanischen Standpunkt aus, zu sagen, daß
auch hier keine wirklich ernsthafte Schwierigkeit besteht.

c. Die Erschaffung der Pflanzen (am dritten »Tage«) vor der Zubereitung der Sonne (am vierten
»Tage«). Damit ist zugleich zum Ausdruck gebracht, daß das pflanzliche Leben nicht unbedingt
gerade vom Sonnenlicht abhängig ist. Auch hierüber hat der Unglaube vielfach gespottet. Die
Antwort der Periodenauffassung lautet: Die lebende, mit Blattgrün (Chlorophyll) ausgestattete
Substanz der Pflanzen benötigt für den Ernährungsvorgang (die sogenannte »Assimilation«)
zwar, außer der Kohlensäure der Luft, den jeweilig erforderlichen Salzen des Erdbodens und
dem Wasser, auch das Mitwirken bestimmter Lichtstrahlen. Aber es wäre ein Fehlschluß, zu
meinen, daß dies gerade unbedingt die Sonnenstrahlen sein müßten. Vielmehr weiß man heute
durch bestimmte Experimente, daß es im Sonnenspektrum zahlreiche Strahlen gibt, die für den
pflanzlichen Assimilationsprozeß völlig unwirksam sind. Erforderlich ist für diesen fast nur die
Beleuchtung durch die roten, orangeroten und gelben Strahlen. Darum erklärt der Botaniker
Professor Dennert: »Es würde für ihn also schon ein Licht genügen, das nur diese Strahlen
enthielte. Daraus ergibt sich, daß es töricht und kurzsichtig ist, die Sonne als solche für die
Pflanzen für unerläßlich zu halten ... Es wäre vielmehr möglich gewesen, daß auch ein
allgemeiner, lichtspendender, glühender Weltenstoff die Rolle der Sonne den Pflanzen
gegenüber im Anfang übernommen hätte.« Und er fügt hinzu: »Jedenfalls ist es auch hier
wiederum im höchsten Grad wunderbar, daß der Berichterstatter nicht den an sich viel
naheliegenderen weil eben volkstümlich verständlichen Gedanken vertritt, daß erst die Sonne
und dann die Pflanzen entstanden seien; sondern er bezeugt vielmehr die umgekehrte
Reihenfolge, deren Möglichkeit vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus erst in den letzten
Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erkannt wurde.«

4. Die Schöpfung der Pflanzen (am dritten »Tage« vor der Tierwelt (am fünften und sechsten
»Tage«). Auch hierfür findet die Periodenauffassung volle geologische Bestätigung. Die untersten
Gesteinsbildungen weisen allerdings keine fosssilen Pflanzenreste auf. Vielmehr treten letztere
schon sofort vermischt mit tierischen Versteinerungen auf. Dadurch könnte im ersten Augenblick
der Gedanke an eine gleichzeitige Entstehung auftauchen. Doch genügt eine kurze, ganz
einfache Überlegung, um zu erkennen, daß dem nicht so gewesen sein kann, und zwar aus zwei
Gründen:

Die Tiere brauchen zum Einatmen Sauerstoff, während sie Kohlenstoff ausatmen. Eine an
Kohlenstoff überreiche Atmosphäre würde der Tierwelt keine Lebensmöglichkeit gewähren. Nach
den Forschungen der Geologie (Erdgeschichte) muß aber die Luft der Erde anfangs sehr viel
Kohlenstoff enthalten haben, war also für die Tierwelt ungeeignet. Die Pflanzen dagegen atmen
Kohlenstoff ein und Sauerstoff aus, konnten also sehr wohl vor der Tierwelt da sein, noch ehe die
Atmosphäre ihren Überreichtum an Kohlenstoff verloren hatte. So schreibt auch Professor A.
Rendle Short: »Sauerstoff, sowohl in der Atmosphäre als auch aufgelöst in Wasser, ist für
tierisches Leben erforderlich und wird normalerweise nur von der Tätigkeit des pflanzlichen
Blattgrüns (Chlorophylls) abgeleitet.« So ist »Grund dafür vorhanden, zu glauben, daß tierisches
Leben nicht möglich war, bevor es eine Pflanzenwelt gab, die die Atmosphäre hinreichend mit
Sauerstoff versorgte.«

Der zweite Grund ergibt sich aus der Verdauungstätigkeit der Tiere. Die Pflanzen sind in der
Lage, anorganischen Stoff (Mineralien) in sich aufzunehmen und ihn, mittels der Assimilation, in
organischen umzuwandeln, zu Kohlehydraten, d. h. Zucker und Stärkemehl. Das Tier aber ist nur
imstande, von organischer Nahrung zu leben, d. h. lebender oder solcher, die vorher gelebt hat.
Folglich setzen die Tiere die Pflanzenwelt als schon vorher bestehend voraus. Tiere können nicht
entstehen und leben, wenn nicht schon vorher Pflanzen da sind. So müssen auch die uralten
laurentinischen Schichten, die heute ohne Versteinerungen sind, zu ihrer Zeit eine reine
Pflanzenwelt enthalten haben, deren Spuren für uns allerdings verwischt sind und die deshalb
nicht »versteinert« werden konnte, weil die einzelnen Pflanzen noch zu klein und zu zart
gewesen waren. Auf diese Pflanzenwelt der vor kambrischen Zeit folgt dann zunächst im
Kambrium die Zeit der wirbellosen Tiere.

Hierbei nennt der biblische Bericht vom dritten Schöpfungstage nicht so sehr die zarten
Uranfänge der Pflanzenwelt, sondern zugleich ihre ersten großen, anschaulichen Formen, das
heißt, nicht nur Gras und Kraut, sondern auch »fruchttragende Bäume« (1. Mose 1, 12).

Ein Ähnliches tut er in seiner Schilderung des fünften und sechsten Schöpfungstages, und zwar
dort im Hinblick auf die Wassertiere (V. 20: »große Seeungeheuer«), die geflügelten Tiere und
die Landtiere. Auch hier gibt er für beide »Tage« eine ausführlichere Aufzählung der
Schöpfungswerke erst für die Zeit, in der das Tierreich bereits gewisse höhere, leicht erkennbare
Formen erreicht hatte, die dann in grundsätzlicher, voller Ausbildung hervortraten, das heißt, als
Knochenfische, Reptilien und Vögel bzw. (am 6. Tage) die Säugetiere. Auch diese Reihenfolge
wird, im Sinn der Periodenauffassung, von der Versteinerungskunde voll bestätigt.

Die Pflanzenwelt besteht zeitlich vor der Tierwelt. Dies ist also in doppelter Hinsicht wahr: sowohl
was die allerersten Anfänge als auch was die ersten erreichten Höhepunkte im Verlauf des
Gesamtwerdegangs betrifft.

Die allerersten Anfänge der Pflanzenwelt bestanden, wie der Ernährungsvorgang bei Pflanze und
Tier beweisen, schon vor den allerersten Anfängen der Tierwelt (im Präkambrium bzw.
Kambrium). Und was die ersten höheren Vollausgestaltungen betrifft, so gilt die gleiche
Reihenfolge.

Bei der Pflanzenwelt waren die ersten Höhepunkte bereits im Devon und Karbon (der
Steinkohlenzeit) erreicht, also schon im erdgeschichtlichen »Altertum« (Paläozoikum). Die
Tierwelt aber erreichte ihre ersten, höher entwickelten Formen erst im erdgeschichtlichen
»Mittelalter« (Mesozoikum), vom Trias bis zum Tertiär.

Daß bei diesem Ganzen die Heilige Schrift nicht eine vollständige Aufzählung aller Einzelheiten
gibt, sondern ihren Hauptnachdruck auf die geschichtlichen Höhepunkte, die wichtigsten Etappen
und die am deutlichsten hervortretenden Lebeformen legt, ist in ihrem Wesen begründet. Denn
die Bibel ist kein Lehrbuch der Geologie und Paläontologie, sondern, in ihrem eigentlichen
Anliegen, geistliche Offenbarungsurkunde. Sie beschränkt sich darum in ihren Aussagen über die
Natur durchaus auf das Grundsätzliche, Bedeutsamste und Notwendige. Darum nennt auch ihr
Schöpfungsbericht die jeweiligen Schöpfungsordnungen in ihrer allgemeinen Reihenfolge erst
dann, wenn sie in größeren, anschaulichen Formen vorhanden waren. Alles andere gilt nur als
Einleitung und Vorbereitung und ist nicht Gegenstand ausführlicherer biblischer Belehrung. Dies
ist das Gebiet und die Aufgabe der Naturwissenschaft. Überhaupt gilt ja auch sonst bei allem
Werden des Lebens der Grundsatz: Gott zeigt Seine organischen Schöpfungen immer erst dann,
wenn sie ein gewisses Stadium der Entwicklung erreicht haben.

5. Die Schöpfung der Wassertiere (am fünften »Tage«) vor den Landtieren (am sechsten
»Tage«). Dies wird für die Periodenauffassung von der Versteinerungskunde ebenfalls bestätigt.
In den allerältesten Schichten des geologischen »Altertums« (Paläozoikum) das heißt, im
Kambrium, Silur und Devon finden sich fast nur Wassertiere. Das Silur bietet höchst wenige,
das Devon fast gar keine Reste von Landtieren.

Erst im geologischen »Mittelalter« der Erde (Mesozoikum), nämlich in den obersten


Triasformationen, finden sich zahlreiche, ausschließlich das Land bewohnende Tiere. Die
eigentlich reiche Hauptentfaltung dieses großen Tierstammes, in Sonderheit der Säugetiere,
erfolgt sogar erst noch viel später, im Tertiär. Weil aber nun der Schöpfungsbericht die jeweiligen
Schöpfungsordnungen erst dann nennt, wenn sie in größeren, anschaulichen Formen vorhanden
waren, muß auch die Schöpfung der Landtiere erst nach der Fisch und Vogelschöpfung genannt
werden. Dies geschieht dann auch tatsächlich in der Schilderung des sechsten, letzten
Schöpfungstages, und zwar dort in seinem ersten Hauptabschnitt.

6. Die Schöpfung »geflügelter Tiere« (am fünften »Tage«), vor den Landtieren (am sechsten
»Tage«). Die eigentlichen »Vögel« erscheinen in den geologischen Felsenurkunden allerdings
ziemlich spät, sogar erst nach den ersten Säugetieren, nämlich in der Kreide und besonders
Tertiärzeit. Dennoch treten schon sehr lange vorher - bereits im uralten Silur die ersten
»geflügelten Tiere« auf. Dies geschieht in der Form großer, fliegender Insekten. Tatsächlich
gebraucht der biblische Text hier ein Wort (hebr. oph), dessen Begriffsumfang weit über die
Spezialbedeutung »Vögel« hinausgeht. Es ist dasselbe Wort, das in 3. Mose 11, 20 23 und 5.
Mose 14, 19 auf Insekten angewandt wird. So gibt auch das Hebräisch Aramäische Wörterbuch
von Professor Gesenius Buhl für »oph« in 1. Mose 1, 21 die ganz allgemeine Übersetzung
»geflügelte Tiere«. In gleichem Sinne bemerkt Professor Lange in seinem Bibelwerk zu dieser
Stelle: »Wir fassen oph als allgemeinere Bezeichnung >Geflügeltes<, was auch von Insekten
gilt.«

In der Tat gab es schon im Karbon geflügelte Tiere. Einige von ihnen waren sogar von
erstaunlicher Größe, zum Beispiel, das bis zu 50 Zentimeter lange, fliegende Titanophasma
Fayoli. Ja, der Steinkohlenwald besaß sogar bereits das größte aller fliegenden Insekten der
ganzen Erdgeschichte. Es erreichte eine Flügelspannweite von 70 Zentimetern. So hat also die
Schöpfung »geflügelter Tiere«, nach dem gemeinsamen Zeugnis von Genesis und Geologie,
tatsächlich schon vor der Erschaffung der Land und Säugetiere stattgefunden.
7. Der Mensch als Abschluß des Ganzen. Auch nach dem Zeugnis der Erdgeschichte ist der
Mensch das allerletzte Glied der Schöpfung. Seit dem Auftreten des Menschen sind wohl viele
Arten von Tieren ausgestorben, deren Knochen sich mit Menschengebeinen zusammengefunden
haben. Aber noch nie ist eine Art nachgewiesen worden, die sich seit dem Beginn der
Entwicklung des Menschengeschlechts neugebildet hätte.

So ist die Erschaffung des Menschen eine Schöpfungstat Gottes auf breitester Grundlage. Die
ganze irdische Schöpfung »erscheint als ein architektonischer Aufbau, der in Stufen immer höher
emporsteigt. Zuerst kommen die Pflanzen, dann die Wassertiere und geflügelten Tiere, dann die
Landtiere, und auf der höchsten Stufe steht der Mensch«. Der Mensch ist somit das letzte und
oberste Glied des Ganzen und als solches der Zielpunkt der gesamten irdischen Kreatur.

Die allgemeine materielle, pflanzliche und tierische Schöpfung geht von Anbeginn bis auf Adam.
Von Adam beginnt der geistige und geistliche Bau, der zugleich ein Schatten der zukünftigen
Dinge ist bis auf Christus, den letzten Adam (1. Kor. 15, 45 50). Zwar wird die Weiterentwicklung
durch die Sünde dann bis aufs tiefste erschüttert. Aber in Christus, dem letzten Adam, wird
dennoch der ewige Sieg errungen.

So ist die irdische Schöpfung die Vorstufe der geistlichen, und die geistliche Schöpfung ist das
Ziel und die Vollendung der irdischen. Der geistliche Bau der Gemeinde und die Neuschöpfung
von Himmel und Erde wird den materiellen Bau der ganzen, bisherigen Schöpfung unendlich
übertreffen.

Zusammenfassung

Hält man dies alles zusammen - und das obige ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem zu
Gebote stehenden Riesenmaterial -, so erweist sich auch heute noch, im Licht der allerneuesten
Forschung des zwanzigsten Jahrhundert, nach dem Urteil der Periodenauffassung, das Wort des
großen französischen Mathematikers, Physikers und Elektrikers Ampère (gest. 1836) als zu
Recht bestehend: »Die Reihenfolge, in welcher die organisch gebildeten Wesen auftreten, ist
genau die Reihenfolge der Sechstagewerke, wie sie uns die Genesis darstellt.«

Für den Glauben aber ist dies zugleich ein Zeugnis von der göttlichen Inspiration. Die ganze
biblische Schöpfungsgeschichte stellt sich ihm dar als ein gottgegebener Bericht über den
Ursprung aller Dinge, der dem Menschen - der ja nicht dabei gewesen war - nur durch
Offenbarung kundgetan werden konnte und wurde.

In gleicher Weise erklärt Prof. A. Rendle Short: »Diese Erwägungen bringen eine geradezu
erstaunlich vollkommene Übereinstimmung zwischen dem Schöpfungsbericht und den
Entdeckungen der modernen Naturwissenschaft ans Licht. Gerade in Anbetracht des wilden
Rätselratens über den letzten Urgrund und Ursprung von Erde und Natur, wie es unter den
anderen Völkern des Altertums geläufig war, steht die Genauigkeit von 1. Mose 1 in einsamer
Großartigkeit da. Die Geologie ist eine junge Wissenschaft. Die Klassifikationen der Erdschichten
sind nicht viel älter als einhundert Jahre. Wir können gewiß sein, daß der Verfasser des
biblischen Schöpfungsberichts keine seiner Informationen vom Jagen nach Fossilien gewonnen
hatte. Weder bloßes Raten noch eigene innere Schau hatten ihn die richtige Reihenfolge in der
Anordnung der Schöpfungsereignisse gelehrt. Der Bericht trägt die Merkmale einer göttlichen
Inspiration.«

Zugleich ist der Bericht sachlich und kurzgefaßt. In allem wird der Blick auf das Wesenhafte
festgehalten, und auch dies wird nur in sehr summarischer Weise genannt. Auf
naturwissenschaftliche Vollständigkeit wird nicht Wert gelegt und wäre auch in keiner Weise am
Platze gewesen. Ebenso wird keine Aussage gemacht über die Art und Weise und die
»Methoden« des göttlichen Schöpferhandelns. Darum berichten uns zwar Genesis und Geologie
in großen Umrissen dieselbe Geschichte; aber ihre Wechselbeziehungen sind nur sehr
allgemein.

Auch decken sich der zeitliche Rahmen der biblischen und der geologischen Geschichte nicht
volltständig. Der geologische Zeitrahmen ist nicht so umfangreich wie der biblische. Denn die
geologischen Dokumente des Lebendigen reichen nur zurück bis in das Präkambrium. Das heißt,
im Sinn der Periodenauffassung, biblisch ausgedrückt: Die Geologie sieht nicht weiter zurück als
bis in den dritten Schöpfungstag. Erst von da an beginnt ihre Zusammenschau und Parallelität
mit dem Sechstagewerk. Für die vorangegangenen, allerfrühesten Entwicklungen - d. h. die
Entstehung der Fixsternwelt, des Sonnensystems und für das Stern Zeitalter der Erde - lassen
sich, naturwissensebaftlich, nur gewisse allgemeine Folgerungen aus physikalischen und
astronomischen Beobachtungen ziehen.

Dabei bedient sich der biblische Schöpfungsbericht einer schlichten, allgemeinverständlichen,


volkstümlichen Darstellungsweise, eben der allgemeinen Umgangssprache, also gleichsam einer
»vor-naturwissenschaftlichen« Ausdrucksform. Modern naturwissenschaftliche Klassifikationen
und Terminologien - die noch dazu, im Verlauf der Forschung, ja dauernd im Fluß sind und daher
stets neuen Schwankungen unterliegen - durften hier von vornherein nicht in Anwendung
gebracht werden. Dies wäre für die Form eines für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmten, noch
dazu vor über dreitausend Jahren geschriebenen Berichts das denkbar Ungeeigneteste gewesen
und zugleich ein Zeichen großer, pädagogischer Unweisheit. Gott aber ist allweise in all Seinen
Methoden und vollkommen in all Seinem Tun.

So ist der ganze Bericht ein Ausdruck göttlicher Weisheit, Größe und Einfachheit. Er ist ein von
Gott Selbst gegebener Abriß über den Schöpfungsvorgang, der uns in großen, knappen
Grundzügen in Gottes gewaltige Werkstatt hineinschauen läßt. Er ist so kurz gefaßt, daß man ihn
mit den Heeresberichten der Kriege verglichen hat, von denen es auch jedermann bekannt ist,
daß hinter den wenigen, lapidaren Worten eine Fülle von Vorgängen und Ereignissen steht und
von ihnen gemeint ist.

Der katholische Gelehrte Dr. Ludwig Zenitti sagt 1946 in der Zeitschrift »Begegnung« (Zeitschrift
für Kultur und Geistesleben): »Der mosaische Bericht gibt also nicht die ganze, bisher erkannte
Entwicklungsgeschichte der Erde in allen Einzelheiten wieder. Aber er gibt, in
naturwissenschaftlich richtiger, zeitlicher Aufeinanderfolge, jene auffälligsten Abschnitte aus ihr,
die als wesentlich erscheinen und für den einfachen Menschen wie auch für den Tiefersehenden
immer die wesentlichen bleiben werden.«

Oder wie es Professor Karl Heim ausdrückt: »Für den Bibelleser ist das überraschend, daß der
Bauplan der Schöpfung, den uns die paläontologische Forschung zeigt, in allen wesentlichen
Grundzügen mit dem übereinstimmt, was im ersten Buch Mose vom dritten, fünften und sechsten
Schöpfungstag gesagt ist.«

ZWEITER TEIL

VIERUNDZWANZIGSTUNDENTAGE ODER PERIODEN?

Die Frage, ob die »Tage« im biblischen Schöpfungsbericht buchstäbliche


Vierundzwanzigstundentage oder Perioden gewesen seien, behandeln wir in zwei Abschnitten.

Zuerst gehen wir von der buchstäblichen Auffassung aus und nennen, bei der Aufzählung ihrer
Hauptbegründungen, zugleich gewisse Antworten der Periodenauffassung.
Dann geben wir einige Gesichtspunkte der Periodenauffassung, die deren Vertreter als ihre
Hauptbegründungen ansehen.

Auch hier bemühen wir uns einer neutralen Darstellungsweise. Durch Vergleich der
beiderseitigen Argumente deren Gewicht der einzelne verschieden bewerten mag möge der
nachdenkliche Leser zu einer eigenen Urteilsbildung gelangen.

I. Die sechs »Tage« als Vierundzwanzigstundentage

Die Vertreter der buchstäblichen Auffassung erklären:

1. Das hebräische Wort jom »Tag« kann wohl zuweilen einen längeren Zeitraum bedeuten (z. B.
Jes. 61, 2; Joel 4, 18; Vgl. 2. Kor. 6, 2 u. a.); wenn es aber mit einem Zahlwort verbunden ist,
bedeutet es im Alten Testament sonst stets einen Vierundzwanzigstundentag (1. Mose 7, 17 24
u. a.), und gerade mit einem Zahlwort ist es auch hier im Schöpfungsbericht verbunden (»erster«,
»zweiter« ... Tag).

Die Periodenauffassung erklärt, daß dieser Beweisgrund nicht ausreiche; denn warum sollte nicht
auch einmal von »erster, zweiter, dritter ... Periode« gesprochen werden können?

2. Die Teilung der Tage in »Abend und Morgen« ist ein Beweis, daß nur
Vierundzwanzigstundentage gemeint sein können (vgl. Daniel 8, 14).

Darauf erwidert die Periodenauffassung, daß die im Alten Testament so oft vorkommende
Verwendung des Wortes »Tag« im Sinn von »Periode« durchaus auch einen Gebrauch des
Wortes »Abend« und »Morgen« in diesem weiteren Sinne zuläßt.

3. Bei einer Deutung von Tag = Periode ist schwer begreiflich, was dann die »Abend«perioden
vorstellen sollen.

Darauf erwidert Professor Franz Delitzsch, daß auch bei der Periodenauffassung die Worte
»Abend« und »Morgen« einen durchaus einleuchtenden Sinn ergeben: »Mit jedem Anheben
göttlichen Schaffens wurde es Morgen; mit jedem Nachlassen göttlichen Schaffens wurde es
Abend.« Ähnlich schreibt Professor Lange in seinem Bibelwerk: »Nach Analogie des ersten
Tages ist der Abend die Zeit einer besonderen, chaotischen Gärung der Dinge, der Morgen die
Zeit der ihr entsprechenden neuen, schönen, festlichen Weltbildung.« So auch Professor A.
Rendle Short: »Wahrscheinlich ist der Ausdruck »Morgen und Abend« eine symbolische
Aussage, daß es abwechselnd Perioden der Tätigkeit und der Ruhe auf Seiten des Schöpfers
gegeben hat.«

Die Restitutionstheorie hat hiergegen eingewandt, diese Auslegung sei unmöglich, da doch im
Schöpfungsbericht die Abende den Morgen vorausgingen. Die Antwort lautet: In Wirklichkeit
gehen in 1. Mose 1 die Tage den Morgen voraus! Sonst dürfte es nicht heißen: »Und es ward
(nicht: »war«!) Abend, und es ward Morgen.« Abend und Morgen können hier also nicht die
Anfänge der beiden Tageshälften sein, sondern nur deren Schluß. So schon beim ersten
Schöpfungstage. Der Sinn ist: Mit der Schöpfung des Lichts begann der erste Morgen, und dann
»wurde« es Abend, und endlich, als es wieder Morgen «geworden« war, war ein Tag voll. Wir
haben hier also nicht die gesetzlich priesterliche Rechnung, nach welcher der Tag mit
Sonnenuntergang beginnt (vgl. Ps. 55, 18; Neh. 13, 18; 3. Mo. 23, 32; Dan. 8, 14), sondern eine
vor und außergesetzliche von Morgen zu Morgen. So wie der erste »Tag« durch den
Schöpfungsbefehl »Es werde Licht!« mit einem Morgen begann, so begann auch jeder folgende
Tag mit einem Morgen und währte durch bis zum nächsten Morgen, das heißt, bis eine neue
Schöpfungsperiode einsetzte.

4. Die Anordnung des siebenten Tages als des heiligen Tages (Sabbats) würde hinfällig, wenn
man die »Tage« nicht als buchstäbliche Tage faßt.

Aber gerade hiergegen betont die Periodenauffassung, daß der siebente »Tag«, der dem
Sechstagewerk folgt, als der »Ruhetag« Gottes, fraglos nicht als Vierundzwanzigstundentag,
sondern als »Gottestag« verstanden werden müsse. Auch hält Gottes Ruhen von Seinem
Schöpfungswerk immer noch an. Seit der Erschaffung des Menschen sind keine neuen Arten von
Lebewesen entstanden.

Die Bedeutung des siebenten Tages als des Tages der Ruhe ist »gewiß diese, daß der Mensch
Gottes letzte und größte Schöpfung war und daß seitdem keine weitere vollständig neue und
verschiedenartige (tierische) Lebeform auf Erden aufgetreten ist« (Prof. A. Rendle Short).

Ferner beweise das Wort des Hebräerbriefes von der »Sabbatruhe« Gottes und der
»Sabbatruhe«, die dem Volk Gottes aufbewahrt bleibt, daß mit dieser Sabbatruhe nicht ein
Vierundzwanzigstundentag gemeint sein kann (Hebr. 4, 9. 10).

5. In der Gesetzgebung am Sinai wird die israelitische Woche durch den Hinweis auf die
Schöpfungswoche begründet. »Sechs Tage sollst du arbeiten ... ; aber der siebente Tag ist ein
Ruhetag zu Ehren des Herrn. Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel und die Erde
geschaffen; aber am siebenten Tage hat er geruht« (2. Mo. 20, 9 11). Hier beweist die parallele
Gegenüberstellung, daß zum mindesten Mose und seine alttestamentlichen Leser, wie bei der
israelitischen Woche, so auch bei den Schöpfungstagen nur an Vierundzwanzigstundentage
gedacht haben können.

Die Periodenauffassung hält die Erklärung für völlig ausreichend, daß hier einfach zum Ausdruck
gebracht werde, die menschliche Woche von sieben Tagen habe ihren Ursprung in der göttlichen
Woche von sieben Schöpfungsepochen.

6. Der biblische Berichterstatter sieht eine besondere Verherrlichung Gottes darin, daß Gott für
so gewaltige Werke nur je einen buchstäblichen Vierundzwanzigstundentag gebraucht habe. So
mühelos schafft der Allmächtige!

Hierzu bemerkt die Periodenauffassung, daß diese Schlußfolgerung wohl im volkstümlichen


Denken oft gezogen worden ist, daß es aber in der ganzen Heiligen Schrift selbst keinen einzigen
Hinweis darauf gibt, daß gerade in der Schnelligkeit des göttlichen Schöpferhandelns eine
besondere Verherrlichung Gottes gelegen habe. Auch Psalm 33, 9 bezeuge nur, daß es Gottes
königliches und allmächtiges Wort war, durch das die Welt ins Dasein gerufen wurde. Über die
Zeitdauer besagt auch dies Psalmwort nichts.

Zu beachten sei ferner, daß in der Bibel kein einziges Ereignis vom Zeitpunkt der Weltschöpfung
selbst ab datiert wird.

In jedem Fall wäre es Torheit, zu sagen, eine Periodenauffassung des Sechstagewerkes streite
mit dem Begriff und der Würde eines persönlichen Schöpfergottes. Denn wenn Gott auch mit
einem Schlage die Welt in Vollendung hätte schaffen können, so vermindert es doch weder Seine
Weisheit noch Seine Macht, wenn Er in Seinem Rate beschlossen hatte, dies nicht zu tun.
Vielmehr ist eine von Gott gelenkte, stufenweise Aufwärtsführung des Schöpfungsverlaufs
genauso der Herrlichkeit eines allmächtigen Schöpfers würdig wie eine in einem einzigen
Augenblick vollendete Tat.
Auch eine Weltschöpfung in sechs buchstäblichen Tagen wäre ja nicht ein sofort fertiges Handeln
Gottes gewesen, ohne Benutzung irgendeiner gewissen Zeitdauer, so unvergleichlich kürzer
diese auch gewesen wäre. So beweist der Umstand, daß die Schrift von einem Sechstagewerk
spricht, zur Genüge, daß Sich Gott bei der Weltbildung tatsächlich der Form voranschreitender
Schöpferhandlungen bedient hat. Gerade diese letztere Tatsache veranlaßte den Naturforscher
J. Reinke (Professor der Botanik in Kiel) 1908 zu dem Ausspruch, die biblische Schöpfungslehre
sei »der wichtigste Fortschritt menschlicher Erkenntnis. Der Atheismus ist ein Rückfall in
prämosaische Barbarei.«

Auch hat Gott sowieso ganz offensichtlich den Grundsatz der Entwicklung in die Schöpfung
hineingelegt. Man müßte sonst die Entwicklung des Huhns aus dem Ei leugnen! Alle
Einzellebewesen entstehen auf dem Wege des Voranschreitens von niederen zu höheren
Formen, um zuletzt eine feststehende, höchste Stufe zu erreichen. So kann es auch bei der
Gesamtlebewelt und ihren verschiedenen Lebearten, unter göttlicher Führung und durch eine
Reihe immer weiterer, neu einsetzender, göttlicher Schöpferhandlungen, ein organisches, zweck
und gesetzmäßiges, zielstrebiges Emporsteigen von niederen Stufen zu höheren gegeben
haben. »«

Ferner erklären die Vertreter der buchstäblichen Auffassung:

7. Die Einteilung des Schöpfungswerkes in sechs Tage (Perioden) ist bei der Periodenauffassung
schwer erklärbar.

Dieser Einwand ist nicht ohne weiteres zu übersehen. Dennoch nennen wir einen
Erklärungsversuch, den Prof. Dr. E. Hoppe in seinem Werk »Glauben und Wissen«, 1923, gibt.
Nicht alle Vertreter der Periodenauffassung werden sämtlichen Einzelheiten dieses
Erklärungsversuchs zustimmen. Auch wir haben im Hinblick auf gewisse Punkte manche
unbeantwortete Fragen. Dennoch ist dieser Erklärungsversuch durchaus beachtenswert. Er fügt
sich ein in beide Erklärungsweisen des mosaischen Berichts, sowohl die kosmologische, wie
auch die rein terrestrische, d. h. ob das Werk des vierten Schöpfungstages astronomisch oder
erd atmosphärisch aufzufassen ist. Prof. Hoppe schreibt:

»Die erste Periode umfaßt die ganze Entwicklung des Kosmos aus der Materie durch
Lichtätherschwingungen.

Die zweite Periode umfaßt die Entwicklung der Erde aus einem Nebelball zu einer festen Erde
mit Atmosphärenhülle. Das ist wieder eine naturwissenschaftlich wohl abgegrenzte Periode.

Die dritte Epoche umfaßt dann die ganze vorkambrische, azoische Periode, wie sie geologisch
bezeichnet wird, welche mit dem Auftreten des Pflanzenlebens abschließt.

Das vierte Tagewerk umschließt die Zeit, in welcher wenn wir uns der Nebularhypothese
bedienen die Sonne, nach Absonderung der unteren Planeten, zu einer Kugel von der
gegenwärtig vorhandenen Größe zusammengezogen war. Das ist wieder ein
naturwissenschaftlich wohlumgrenzter Inhalt.

Endlich teilt der fünfte und sechste Tag die geologischen Formationen von der kambrischen
Schicht bis zum Diluvium in zwei Abschnitte, deren Trennung etwa in der mesozoischen Periode
mit dem Auftreten der ersten Beuteltiere gegeben wäre.

Natürlich sollen die Perioden nicht von gleicher Dauer sein, sondern es sind nur Zeitabschnitte für
bestimmte Inhalte. Faßt man die Sache so auf, so ist dieser Bericht nicht etwa eine
naturwissenschaftliche Lehre, aber doch so vernünftig, daß man nicht nur gegenwärtig, sondern
für alle Zeiten damit völlig einverstanden sein kann.«

Nicht alle Vertreter der Periodenauffassung werden einer so genauen Einteilung folgen. Sie zeigt
aber, daß es auch unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist, für die Sechszahl
von Schöpfungsperioden und ihre gegenseitige Abgrenzung ernsthaft gewisse Erklärungen zu
suchen.

Zum Schluß muß noch bemerkt werden, daß die Erklärung der Schöpfungstage als
buchstäblicher Vierundzwanzigstundentage, angesichts der geologischen Forschungen, nur im
Zusammenhang mit der Restitutionsauffassung des Schöpfungsberichts aufrecht erhalten
werden kann. Denn völlig unmöglich ist die »Sintfluttheorie«, die alle diese neu entdeckten
Tatbestände der Erdgeschichte als Folgen der Sintflut darzustellen versucht.

Irgendwann aber müssen diese geologischen Entwicklungen, die nur Torheit und Unkenntnis
grundsätzlich zu leugnen imstande sind, stattgefunden haben, wenn also nicht in den sechs
Tagen, dann vor den sechs Tagen, in solchem Fall also zwischen 1. Mose 1, Vers 1 und Vers 2.
Dann aber kann das Sechstagewerk nur eine »Wiederherstellung« der Erde gewesen sein, und
die buchstäbliche Auffassung der Schöpfungstage steht und fällt mit der Anerkennung der
Restitutionstheorie.

II. Die Unmöglichkeit der Sintfluttheorie

Völlig unmöglich ist der Versuch, die geologischen Tatbestände als Folgen der Sintflut
aufzufassen. Drei Hauptgründe sprechen dagegen:

1. Es ist vom Gesichtspunkt der Erdgeschichte und Versteinerungskunde ganz ausgeschlossen,


daß eine einmalige Flut von wenigen Wochen oder Monaten alle diese neuentdeckten
Tatbestände bewirkt haben könnte. Das Studium der versteinerten Pflanzen und Tiere sowie die
Untersuchung der Gesteinsschichten selbst haben zweifellos erwiesen, daß die Erde viele,
unübersehbar lange Entwicklungsperioden durchgemacht haben muß, bis ihr das Wirken der
Elemente Wasser, Luft und Feuer die gegenwärtige Gestalt gegeben haben. Nur Unkenntnis und
Torheit sind imstande, diese Forschungen grundsätzlich zu verneinen.

Aus der fast zahllosen Reihe von Beweisen nennen wir nur folgendes. In seinem Buch »The
Christian View of Science and Scripture« London 1955 (Die Schau des Christen über
Wissenschaft und Bibel) schreibt Dr. B. Ramm: »Um 30 cm Kohle zu produzieren braucht es 30
Meter Humusboden ... Im Yellowstone Park (U.S.A.) sind 600 Meter Erdschicht freigelegt worden,
welche zeigen, daß achtzehn aufeinanderfolgende Wälder durch Lava vernichtet worden sind.
Jeder einzelne Wald mußte sich entwickeln und wurde dann erst mit der Lavaschicht bedeckt.
Ehe dann ein neuer Wald entstehen konnte, mußte die Lavaschicht verwittern, um den
Humusboden zu bilden, in welchem wieder Bäume wachsen konnten. Die Anzahl der Jahre, die
alles dies in sich schließt, ist weit größer, als die wenigen tausend Jahre, welche die Flut
Geologen angeben könnten.«

2. Die Sintfluttheorie wird ferner auch schon durch die eine Tatsache widerlegt, daß sich noch nie
zwischen den versteinerten Pflanzen und Tieren auch versteinerte Menschenreste gefunden
haben. Daher muß jene Katastrophe bzw. müssen jene Katastrophen lange vor der Geschichte
des Menschengeschlechts stattgefunden haben.

3. Vor allem aber würden, wenn eine einmalige Flut alles aufgewühlt und überschwemmt hätte,
die versteinerten Pflanzen und Tierreste in völligstem, nur vom Schwergewicht bis zu gewissem
Grade beeinflußten Durcheinander der Arten und Gattungen daliegen. In Wahrheit aber weisen
sie eine stets den jeweilig übereinander liegenden Schichten entsprechende, genau geordnete
stufenweise Steigerung ihrer Organisation auf.

In der ältesten Periode des »Altertums« der Erde, im Kambrium, stehen die wirbellosen Tiere im
Vordergrund. In der nächsten Periode, dem Silur, erscheinen die Wirbeltiere und zwar in ihren
niedrigsten Formen, den ersten Fischen. Dann, im Devon, werden die Fische zahlreicher. In der
nun folgenden Steinkohlenzeit (im Karbon) treten die ersten Amphibien auf, im Trias mit dem
das »Mittelalter« der Erde beginnt erscheinen die noch höher organisierten Reptilien, die mit
den Sauriern des Jura eine gewaltige Entwicklung erlangen. Allmählich treten in der Folgezeit in
der »Neuzeit« der Erde, besonders im Tertiär die beiden höchsten Klassen der Wirbeltiere in
den Vordergrund, das heißt, die Säugetiere und Vögel. Schließlich erscheint der Mensch als der
Beherrscher der Erde.

Zeigt dies alles nicht ganz offensichtlich eine allmählich ansteigende Vervollkommnung der
Organisation innerhalb der aufeinanderfolgenden Erdschichten? Die untersten und ältesten
Schichten enthalten einfachere Wesen. Die folgenden und höheren bergen, ansteigend, immer
mannigfaltigere und zusammengesetztere Formen. je näher wir also der Gegenwart kommen,
desto vollkommener und mannigfaltiger wird die Lebewelt. Zuletzt treten die hoch und
höchstorganisierten Geschöpfe auf, so daß sich diese geradezu als Ziel und Ergebnis der
früheren Perioden darstellen. Diese ganze, systematisch aufgebaute Aufwärts Stufenfolge in den
geologischen Schichten zu erklären, ist die Sintfluttheorie in keiner Weise in der Lage.

III. Die sechs »Tage« als Perioden

Als Hauptgründe zu Gunsten der Periodenauffassung werden in der Regel die folgenden
Gesichtspunkte geltend gemacht:

1. Die umfassendere Bedeutung des Wortes »Tag« an zahlreichen Stellen der Bibel. Man fragt:
Haben wir den biblischen Text überhaupt richtig aufgefaßt? Ist es nicht ganz offenbar, daß an
vielen Stellen, sowohl im Alten wie im Neuen Testament, das Wort »Tag« eine Periode bedeutet?
So leben wir im Zeitalter der Gemeinde am »Tag des Heils«, der jetzt, seit Christi Kommen,
schon fast zweitausend Jahre lang währt (2. Kor. 6, 2)! Vom »Tag des Herrn« reden die
Propheten und meinen damit die ganze Endgeschichte, oft ein¬schließlich des Tausendjährigen
Reichs (Joel 2, 1. 2; 4, 18; Hes. 13, 5 u.a.) Ja, der zweite Petrusbrief redet sogar vom »Tag der
Ewigkeit«.

2. Göttliches Zeitmaß für göttliches Handeln. Man fragt ferner: Sind nicht die sechs
Schöpfungstage »Gottestage« gewesen? Müssen sie darum nicht mit göttlichem Längenmaß
gemessen werden? Bei Gott gilt eben nicht das rein menschliche Zeitmaß. Bei Ihm »ist ein Tag
wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag« (2. Petr. 3, 8; Ps. 90, 4).

3. Der Umstand, daß im Schöpfungsbericht von »Tagen« schon v o r der Bereitung der Sonne
die Rede ist (erster, zweiter, dritter »Tag«). Manche Vertreter der Periodenauffassung haben
geradezu die Frage gestellt: Wie kann man überhaupt dem biblischen Schreiber schon rein
menschlich und logisch, zunächst abgesehen von aller Inspiration die Gedankenlosigkeit
zutrauen, von »Tagen« als buchstäblichen Vierundzwanzigstundentagen zu reden (1 . 3 »Tag«)
für die Zeit schon bevor die Sonne (am 4. Tage) zur Beherrschung von Tag und Nacht für die
Erde bereitet wurde? Denn erst seit der Erschaffung der Sonne beziehungsweise dem
Durchbruch des Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre, seitdem diese dünner und entsprechend
lichtdurchlässiger geworden war, konnte von rein buchstäblichen Vierundzwanzigstundentagen,
das heißt, Sonnentagen geredet werden. So schreibt Professor Dennert: »Es erscheint mir
unannehmbar, daß ein so scharfsinniger Kopf, wie es der Berichterstatter der Genesis offenbar
war, nicht gemerkt haben sollte, daß er von einem »Tage« in unserem Sinne nicht reden durfte,
ehe die Sonne da war, die doch auch nach alter Ansicht den Tag regiert.« Ebenso erklärt H. L.
Strack: »Hieraus ergibt sich, daß die Deutung (24stündige) Erdentage nicht nur nicht nötig,
sondern sogar unmöglich ist.« In gleichem Sinne nennt Prof. D. Otto Zödder die Fassung der
»Tage« in 1. Mos. 1 als Vierundzwanzigstundentage geradezu eine »exegetische
Unmöglichkeit«.

Diesem Argument der Periodenauffassung kann aber entgegengehalten werden, daß nach Hiob
38, 4 7 die Sonnen und Sternenwelt schon vor der Grundlegung der Erde erschaffen war, sodaß
das »Licht« des ersten Schöpfungstages bereits das Sonnenlicht gewesen war und daß das
Werk des vierten Schöpfungstages nicht in der eigentlichen Erschaffung der Himmelskörper
bestanden habe, sondern in ihrer Sichtbarwerdung auf Erden durch Aufhellung und
Dünnerwerden der Erdatmosphäre. Dann könnte es Morgen und Abend, Tag und Nacht auch
schon in ganz buchstäblichem Sinne vor dem vierten Schöpfungstage gegeben haben. Nur
wären dann eben vorher die Himmelskörper selber wegen der Wolkenschicht hier auf Erden nicht
klar erkennbar gewesen.

Ein entscheidendes Hauptargument zu ihren Gunsten sieht die Periodenauffassung in der


folgenden Tatsache:

4. Die auffallende Übereinstimmung der allgemeinen Reihenfolge der Schöpfungswerke von 1.


Mose 1 mit derjenigen in den geologischen Schichten. Die geologischen Felsenurkunden und der
biblische Schöpfungsbericht erzählen also einfach dieselbe Geschichte und laufen parallel. Dies
findet noch eine weitere Bestätigung darin, daß, nach dem Zeugnis der Geologie, die
vorangegangenen Perioden des Tertiär, ohne irgendeinen radikalen Bruch, in den gegenwärtigen
Zustand der Erdgeschichte übergehen, das heißt, in Quartär, Diluvium, Eiszeiten, Alluvium und
damit schließlich in die Zeit des Menschengeschlechts. Durch dies Ganze aber beweist diese
Übereinstimmung in der Reihenfolge der Sechstagewerke mit der Geologie die Richtigkeit der
Deutung der »Tage« als Perioden und wird zu einem Zeugnis wider die buchstäbliche Auffassung
der Schöpfungstage als Vierundzwanzigstundentage. In gleicher Weise erklärt Professor Rendle
Short: »Die erstaunliche Übereinstimmung der naturwissenschaftlichen Reihenfolge mit der
biblischen Reihenfolge der Schöpfung scheint anzuzeigen, daß die biblischen »Tage« Perioden
geologischer Zeit entsprechen.«

5. Die Neutralität des biblischen Textes in naturwissenschaftlichen Einzelfragen. Aus den Worten
des Schöpfungsberichts: »Die Erde lasse Gras ... Kraut ... hervorsprossen. . . >nach seiner
Art< ... Gott schuf die Wassertiere . . . >nach ihrer Art< . . ., alles Geflügelte >nach seiner
Art< . . ., die Landtiere ... >nach ihrer Art<« (V. 11. 21. 25) haben Vertreter der buchstäblichen
Auffassung der Tage als Vierundzwanzigstundentage einen Beweis für die »Konstanz« der Arten
und einen Gegenbeweis gegen die Periodenauffassung gesehen. Darauf ist erwidert worden:
Lassen nicht die Worte »Die Erde lasse hervorgehen« das Wie? dieser Entstehung der
Lebewesen durchaus offen? Ist in ihnen nicht vielmehr einzig und allein die Tatsache
ausgesprochen, daß alle lebendigen Wesen kraft göttlichen Worts entstanden sind? Läßt es der
biblische Bericht dem Naturforscher nicht völlig frei, unter Anerkennung des Schöpfers, dem
»Wie?« dieser Entstehung nachzusinnen? Und ist es nicht ebenso vereinbar mit dem biblischen
Text, zu sagen, daß Gott in die einzelnen Formen der Lebewelt bei ihrer Erschaffung die Kraft
hineingelegt habe, sich immer weiter zu entfalten und durch Umbildung der einfacheren Formen
zu immer vollkommeneren emporzusteigen, und zwar »jedes nach seiner Art«? Aus diesem
letzten Ausdruck eine naturwissenschaftliche Lehre über eine »Konstanz (Unveränderlichkeit) der
Arten« herauszulesen, ist doch gewiß sehr gewagt! Genau derselbe Ausdruck steht im Grundtext
in 3. Mose 11, 14 15. 19. 22. 29 und bedeutet dort ganz offensichtlich nichts anderes als »in allen
ihren Varietäten«. Die Israeliten sollten unter anderem folgende Tiere nicht essen: den Adler ... ,
den Geier. . ., den Falken »nach ihrer Art«, d. h. in allen ihren Varietäten. Über eine
Veränderlichkeit oder Unveränderlichkeit (»Konstanz«) der Arten etwa der 790 000 heute
lebenden und der noch dazuzurechnenden, ungezählten, ausgestorbenen Arten ist in diesem
Ausdruck auch nicht das Allergeringste ausgesprochen, weder in bejahendem noch in
verneinendem Sinne. Vielmehr ist der Text völlig neutral und besagt weder das eine noch das
andere.
Abzulehnen ist in jedem Fall die Deszendenztheorie in ihrer Form der Theorie Charles Darwins
(1809-1882), als ob der ganze Naturverlauf ziellos vom »Zufall« (chance) beherrscht gewesen sei
und die einzelnen Lebearten (species) im »Kampf ums Dasein« (struggle for existence) durch
»natürliche Auswahl und Zuchtlese« (natural selection) entstanden seien. Das Entscheidende ist
der Glaube an eine göttliche Führung in der gesamten Naturgeschichte.

Zwar gibt es in der Natur zweifellos einen »Kampf ums Dasein«, in dem der Schwächere
unterliegt und der Stärkere der Sieger ist. Auch gibt es eine Anpassung der Lebearten an ihre
jeweilige Lebenssituation. Ebenso scheint es eine gewisse Vererbung neu erworbener
Eigenschaften zu geben, sodaß man in gewissem Sinne mit Recht von einer teilweisen
Weiterentwicklung und einem Übergehen niederer zu höheren Lebeformen sprechen kann. Völlig
unbestreitbar ist auch der durch die Fossilien der jeweilig übereinander liegenden geologischen
Felsenurkunden unzweideutig bezeugte Aufstieg des allgemeinen Pflanzen und Tierlebens zu
stets neuen, höheren Ausgestaltungen.

Aber ebenso ist es auch ersichtlich, daß der »Kampf ums Dasein« in dem weiten Ausmaß und
der großen Bedeutung, wie Darwin ihn voraussetzt, in der Natur überhaupt nicht existiert. Er ist
vornehmlich ein negatives, »ausjätendes« Prinzip, in dem manches, ja vieles, aber nicht alles,
Schwächere untergeht, sodaß damit dem Stärkeren der Sieg und freie Bahn verschafft wird.
Keineswegs ist er aber der große, positive Faktor in der Natur, der stets neue Formen
hervorbringt. Überhaupt herrscht er nicht als das Entscheidende im gesamten Naturleben. Auch
sind nicht wenige der schwachen, ja schwächsten Lebeformen von der ältesten, kambrischen
Formation nicht ausgerottet worden, sondern leben fast unverändert (!) heute noch. Dahingegen
sind hervorragend organisierte, ja starke und riesige Lebeformen, z. B. die Saurier der Jura und
Permzeit, trotz ihrer Überlegenheit und Kraft nicht übrig geblieben, sondern ausgestorben.

Auch ist manches höchst ausgebildete Organ körperlichen Lebens schon in den allerältesten
Erdzeitaltern vorhanden gewesen, kann also überhaupt nicht als Ergebnis irgendeiner Art von
Vererbung, Weiterentwicklung oder »Evolution« aufgefaßt werden. »Es ist sehr zu beachten, daß
schon die ältesten uns bekannten Wirbeltiere wie ebenso die Fische des Silur Augen hatten, die
soweit wir von ihren versteinerten Überresten urteilen können, den Augen der jetzt lebenden
Fische gleichartig waren und in allem Wesentlichen auch den Augen der Säugetiere. Nichts
deutet darauf hin, daß sich diese Augen aus irgend etwas Einfacherem heraus entwickelt hätten.
Sie treten vielmehr gleich bei ihrem allerersten Erscheinen in absolut vollendetem Zustand auf
den Schauplatz. Einige der ältesten Versteinerungen der Welt, eine Art der Tintenfische aus dem
unteren Kambrium, hatte Facettenaugen genau wie unsere heutigen Insekten und unsere
heutigen Krebs und Krustentiere. In einigen versteinerten Triboliten kann man sogar die Facetten
zählen« (Prof. Rendle Short).

Außerdem muß festgestellt werden, daß es sich bei den oben genannten Vererbungen,
Weiterentwicklungen und Übergängen von niederen in höhere Formen innerhalb der Grenzen der
jeweiligen Familien, die Übergänge von niederen zu höheren Formen ermöglichen, nur um Kräfte
handelt, die innerhalb ein und derselben Familie, Gattung und Ordnung sich auswirken.

Es besteht ein höchst auffälliges Fehlen an fossilem Beweismaterial zur Erklärung der
Hervorbringung neuer Klassen und Ordnungen. Trotz größter Bemühungen und sorgfältigster
Untersuchungen seitens darwinistischer Naturforscher ist es einfach bis auf den heutigen Tag
nicht gelungen, die fehlenden »Zwischenglieder« (Darwin: missing links) nachzuweisen.

Vielmehr erscheinen in diesen geologischen Schichten die eigentlichen Hauptarten und


Hauptstämme in ihren Grundformen ganz plötzlich, ohne jede erkennbare, direkte, allmähliche,
vollständige Überbrückung zu bereits vorher bestehenden Lebeformen, also ohne auch nur den
geringsten Hinweis auf ihren Ursprung und ihre Herkunft. Der fossile Tatbestand der Geologie
weist also auf eine Anzahl von Neuanfängen hin, nämlich jedesmal dann, wenn eine neue
Ordnung oder Familie, die mit neuen Organen ausgestattet ist, plötzlich auftritt.
Zahlreiche Naturforscher suchen dies durch »Mutation« (»Erbsprung«, lat. mutare, verändern) zu
erklären, wie diese tatsächlich auch heute noch im Naturleben zu beobachten ist. Zugleich darf
aber auch nicht übersehen werden, daß wenn auch ein solcher »Erbsprung« zu einem
Ausgangspunkt für höhere Lebeformen werden kann , er in den allermeisten Fällen eine
Abwärtsentwicklung (Degeneration) bewirkt, während eine Aufwärtsbewegung durch Mutation nur
die Ausnahme ist.

Darum ist, nach der Periodenauffassung, für den, der an den lebendigen Gott glaubt, die andere
Erklärung zum mindesten ebenbürtig, ja, wohl noch vorzuziehen, daß Gott an solchen
Wendepunkten der Naturgeschichte in wiederholtem Maße neue »Starts« vollzogen habe, das
heißt, Neuanfänge von noch nicht dagewesenen Lebefor¬men durch spezielle einzelne göttliche
Schöpferhandlungen.

Der biblische Schöpfungsbericht selbst gibt über diese Fragen keine näheren Einzelheiten.
Sicher ist, daß die Naturforschung nicht von einem absoluten »Beweis« einer lückenlosen
Evolution aller Formen aus einer gemeinsamen Urzelle sprechen kann. Dies mag ein
naturphilosophischer »Glaube« vieler Naturforscher sein, ist aber kein eindeutig
nachgewiesenes, unbezweifelbares naturwissenschaftliches »Ergebnis« und selbst dann stünde
es, nach der Ansicht mancher Vertreter der Periodenauffassung, nicht unbedingt in
unversöhnlichem Widerspruch zum biblischen Schöpfungsbericht, da dieser über solche
Einzelfragen ja überhaupt schweige, sondern nur die Tatsache berichtet, »daß« alles von Gott
durch Sein Wort geschaffen worden ist, aber keine Aussage über die Art und Weise mache,
»wie« Gott dies getan hat.

In jedem Fall aber offenbart sich die Sinnlosigkeit des Darwinismus in seiner Behauptung, daß
alles vom »Zufall« beherrscht gewesen wäre und auch heute noch sei. Als ob je eine Uhr ohne
die planende Intelligenz des Uhrmachers, ein Dom durch zielloses Durcheinanderwürfeln von
Steinbrocken, eine Symphonie, wie die Neunte Symphonie Beethovens, durch zufälliges
Zusammenfallen von Tintenklecksen entstanden sei! Nein:

»Wo rohe Kräfte sinnlos walten,


Da kann sich kein Gebild' gestalten.« (Schiller)

Ähnlich fragt Professor Rendle Short: »Ist es glaubhaft, daß ein blinder, nur vom Zufall
beherrschter Naturprozeß, wie die >Natürliche Auslese< (Darwin: natural selection) es wäre,
einen Geist hätte hervorbringen können wie einen Shakespeare oder einen Edison?«

Sir Arthur Keath, einer der hervorragendsten Anatomen Englands, der überall als Agnostiker
angesehen worden ist, das heißt, als einer, der keine feste Ansicht über die weltanschaulichen
Hintergründe für möglich hält, hat sogar einmal erklärt: »Ich würde ebenso leicht die Lehre der
Dreieinigkeit glauben wie die Behauptung, daß lebendes, sich entwickelndes Protoplasma durch
bloße Würfe des Zufalls jemals das menschliche Auge hätte ins Dasein bringen können.«

Zum Schluß sei noch bemerkt, daß Darwin selbst, trotz seiner Theorie im Gegensatz zu sehr
vielen seiner Anhänger kein absoluter Gottesleugner gewesen ist. Dies beweisen seine
Aussprüche: »Selbst zur Zeit meiner größten Schwankungen war ich nie ein Atheist in dem
Sinne, daß ich das Dasein eines Gottes geleugnet hätte.« »Die Frage, ob ein Schöpfer der Welt
existiert, ist von den größten Geistern, die je gelebt haben, bejaht worden.« »Ich nehme an, daß
wahrscheinlich alle organischen Wesen, die jemals auf dieser Erde gelebt haben, von irgendeiner
Urform abstammen, welcher das Leben zuerst vom Schöpfer eingehaucht worden ist.« Dabei
handelt es sich bei ihm allerdings um einen Gottesbegriff im Sinn des »Deismus« also um einen
Schöpfergott, jedoch ohne Eingreifen in die Natur und ohne Offenbarung.

6. Die geologischen Zahlenangaben. Die Jahrmillionen der Geologie muß man allerdings mit
großer Zurückhaltung aufnehmen. Von Huene nennt für die noch versteinerungsfreien
Urschichten (das »Azoikum«) 1900 Jahrmillionen. In Bezug auf das Gesamtalter des Erdballs
schwanken die Zahlen zwischen 3 und 5 Milliarden Jahren.

Die Rechnung wäre gewiß richtig, wenn man nur beweisen könnte, daß das Fortschreiten der
Entwicklungen zu allen Zeiten ein gleichmäßiges gewesen wäre. Die Schwierigkeit und
Unzulänglichkeit bei all diesen Berechnungen ist aus naheliegenden Gründen aber immer die,
daß aus den Beobachtungen einer sehr kurzen Zeit auf sehr lange Zeiträume geschlossen wird.
Dies gilt auch bezüglich der Zahlenangaben, die aus dem radioaktiven Zerfall von Uranium in
Uranblei errechnet werden, obwohl diese Messungen eine größere Zuverlässigkeit in Anspruch
nehmen können als frühere Methoden.

Mit Recht schreibt Professor Rendle Short: »Schätzungen, die von der Dicke von
Tropfsteinablagerungen oder Flußsandschichten abgeleitet werden, die oberhalb menschlicher
Reste gelagert sind, machen keinen großen Eindruck auf uns. Denn die Schätzungen sind nur
auf die Ablagerungsgeschwindigkeit der Gegenwart aufgebaut, während diese Geschwindigkeit
in der Vergangenheit wahrscheinlich viel größer war. In der Periode der Eiszeit waren die
Flußläufe geradezu enorm, und Sand und Kiesablagerungen müssen sich hundertmal so schnell
aufgehäuft haben wie heutzutage. In einigen, Versteinerungen bildenden Brunnen wachsen die
kalkhaltigen Ablagerungen außerordentlich schnell, und dies kann auch in manchen Höhlen der
Vergangenheit so gewesen sein.

Dennoch ist, trotz all dieser Einschränkungen, die alte Meinung, die Erde sei ungefähr 6000
Jahre alt, völlig unhaltbar. Allein um eine dünne Schicht von nur zwei (!) Zentimetern Kohle zu
liefern, wäre ein heutiger Buchenwald von einhundert Jahren erforderlich! Und wie dick sind die
Steinkohlenschichten im Innern der Erde! Nach Prof. Bettex stellenweise über zwölf Meter dick!
Und oft liegen verschiedene Steinkohlenflöze übereinander! Und dabei ist die Steinkohlenzeit ja
nur eine der zahlreichen, geologischen Perioden. Wie unübersehbar lang müssen doch da die
Entwicklungszeiten des Gesamtwerdegangs der Erdoberfläche gewesen sein! Dies ist in jedem
Fall richtig, auch wenn wir genauere Zeitberechnungen im einzelnen mit Zuverlässigkeit nicht
anstellen können.

7. Geologisches Erdalter und biblische Heilsgeschichte. Schließlich hat man bemerkt: Wie kann
es überhaupt so lange Schöpfungsperioden gegeben haben, da doch die Dauer des
gegenwärtigen Bestandes nur wenige Jahrtausende umspannt? Dann würde ja die ganze,
geoffenbarte Heilsgeschichte der Bibel, die doch den eigentlichen Hauptinhalt der Heiligen Schrift
ausmacht, dagegen ganz klein und unverhältnismäßig kurz erscheinen. Im Wesentlichen
miteinander übereinstimmend, schätzen unsere heutigen Geologen das Gesamtalter der Erde auf
ungefähr nicht unter 2850 Millionen Jahre. Hierin ist das Steinzeitalter der Erde miteingerechnet,
das heißt, der Übergang der feuerflüssigen Erdoberfläche in die erste Erstarrungskruste. Nimmt
man nun, mit dem Paläontologen Professor von Huene, diese Zeitspanne als die 24 Stunden
eines Erdentages, so ergibt sich, wie jeder leicht nachrechnen kann, daß die ganze »lange« Zeit
der uns genauer bekannten »Weltgeschichte« (d. h. die Zeit von 400 vor Chr. bis heute) sich zur
Gesamtzeit der Erdgeschichte verhielte wie der 13. Teil einer einzigen Sekunde zu einem ganzen
24stündigen Tageslauf. Wir ständen also eine dreizehntel Sekunde Vor 24 Uhr! Allerdings sind
die Zahlenangaben der Geologie nur mit größter Zurückhaltung aufzunehmen. Immerhin handelt
es sich in jedem Fall um ungeheuer lange Zeiträume, gegen die die uns übersehbare
Menschheits und Heilsgeschichte nur ein ganz winziger Bruchteil ist.

Darauf ist von Seiten der Periodenauffassung ungefähr folgendermaßen geantwortet worden:
Allerdings ist die Zeit zwischen Menschenschöpfung und Weltvollendung nur ein kurzer, nur
wenige Jahrtausende währender Zeitabschnitt. Aber es steht doch zu erwägen, daß dieser
desgleichen nur erst eine Werde und Anfangszeit ist. Er ist eine Periode, die gewisse, durch die
Sünde in die Schöpfung noch dazwischen hineingekommene Hemmungen zu überwinden hat. Er
ist also gleichsam ein vollendender Abschluß der Schöpfungszeit! Der eigentliche Dauerzustand
aber beginnt erst mit der Neuschöpfung und Verklärung von Himmel und Erde und wird dann
allerdings auch die ganze Ewigkeit umspannen. Dieser Ewigkeit gegenüber werden jedoch auch
die begrenzten Jahrmillionen der Schöpfungs- und Erlösungszeit geradezu zu einer Kleinigkeit
zusammenschrumpfen. Auf diese Ewigkeit aber muß man das Augenmerk richten. Nur so kann
man den rechten Maßstab für die Beurteilung dieser Verhältnisse gewinnen.

Dritter Teil

NICHT SCHÖPFUNGSBERICHT, SONDERN »WIEDERHERSTELLUNG« DER ERDE?

I. Das Sechstagewerk als Wiederherstellung der Erde

»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Durch das Schöpferwort des vollkommenen,
lebendigen, all liebenden und allseligen Gottes wurde eine vollkommene Welt voll Leben und
Licht, voll Freude und Glückseligkeit ins Dasein gerufen. »Aber es geschah das Unfaßbare. Ein
gewaltiger Lichtfürst ... verfinsterte sich. Zu Nacht wurde sein Reich und Gebiet, und aus dieser
Nacht erscholl das erste Nein, dem Gott des Ja ins Gesicht geschleudert. Wohl blieben unzählige
Engel und das große Himmelsheer im unendlichen Meer des göttlichen ja; doch verführte der
nunmehr zum großen Drachen gewordene Satan die Legionen von Himmelsgeistern, die ihm
untertan waren, und machte die einst liebte Erde zum finstern Chaos, wüst und leer.« So schreibt
der bekannte Apologet Professor F. Bettex.

Der in Deutschland weit bekannte Evangelist General von Viebahn (gest. 1916) sagt: »Die Erde
war wüst, leer und finster. Dies war die Folge der Empörung Satans. Der erste Schritt Gottes im
Kampf wider Satan war: >Es werde Licht!<. . . jedenfalls hat eine große Katastrophe, die
zwischen dem ersten und zweiten Vers der Bibel lag, die erste Schöpfung in ein Chaos
verwandelt. Die Erde, aus Gottes Hand tadellos hervorgegangen, wurde durch Satans Empörung
eine Wüste. ... Es bedurfte einer Neuschöpfung, ehe der im Bilde Gottes erschaffene Mensch
zum Herrscher auf der Erde eingesetzt wurde. Als sie geschehen war, sah Gott an alles, was er
gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.«

Ebenso erklärt Dr. Freiherr von Huene, Professor für Paläontologie an der Universität Tübingen,
1947, »daß, als Gott im Anfang Himmel und Erde schuf, alles ohne Störung in Harmonie und
Heiligkeit vor sich ging, und daß Gott dem Satan diese Welt zur Verwaltung übergab. Durch
Satans Empörung wurde er, und somit sein ganzes Reich, unter Gottes Urteil gesetzt. Satan
wollte sein wie Gott. Neid und Hochmut waren seine Sünden ... In die Lücke zwischen 1. Mose 1,
Vers 1 und Vers 2 gehört der Fall Satans mit all den Mächten, die zu ihm gehören.«

Dies sind die Grundgedanken der Restitutionsauffassung des Schöpfungsberichts. Ihr hält der
katholische Gelehrte Ämilian Schöpfer (päpstlicher Hausprälat, weiland Professor am Collegium
Romanum in Rom) entgegen, sie habe »weder im Text des Schöpfungsberichts noch sonst
irgendwo in der Offenbarung irgendeinen Stützpunkt«. Lic. theol. Richard Krämer bekämpft sie
geradezu als »fromme Spielerei«, als »Chaos von sensationserfüllten Behauptungen«, das schon
in den gnostischen und manichäischen Systemen eine Rolle gespielt habe und auch in der
Gegenwart besonders in den Kreisen immer wieder auflebe, »in welchen Geheimnistuerei
Eindruck macht«. Wie ungerecht eine derartige Verurteilung ist, zeigt schon ein bloßer Hinweis
auf die Vertreter dieser Auffassung. Dazu ist das Problem doch zu gewaltig, und die Vertreter
dieser Erklärungsweise sind zu bedeutend, als daß man diese ganze Anschauung, selbst wenn
man ihr nicht beitritt, einfach mit einem so wegwerfenden Machtspruch abtun könnte. Wenn diese
auch in Einzelfragen zum Teil voneinander abweichen, so ist ihr gemeinsames Zeugnis in der
Hauptfrage doch von beachtenswertem Gewicht.
Wir nennen in unserer Besprechung zuerst die wesentlichsten Be¬gründungen, die man zu
Gunsten dieser Erklärungsweise geltend gemacht hat. Dann lassen wir die hauptsächlichen
Einwände folgen, die dagegen erhoben worden sind. Durch sorgfältiges Vergleichen dieser
Begründungen und Einwände möge sich der Leser sein eige¬nes Urteil bilden.

1. Weltschöpfung und Naturoffenbarung Gottes. Die Vertreter der Restitutionstheorie fragen: Ist
alles freie Schaffen nicht stets ein Offenbaren? Muß darum die Weltschöpfung, ihrem innersten
Wesen nach, nicht urspünglich eine Darlegung der Herrlichkeit des Schöpfergottes sein? Ist es
nicht geradezu restlos undenkbar, daß je eine finstere, wüste und leere Welt in unmittelbarer
Weise aus der Schöpferhand des Gottes des Lichtes, der Ordnung und der Lebensfülle
hervorgegangen sein kann? Ein Gott, der nicht chaotisch denkt, schafft doch auch nichts
Chaotisches! Darum kann doch ein Chaos, nach gottgegebener Anordnung, nicht vor dem
Kosmos bestanden haben.

2. Die sprachliche Wortverbindung tohuwabohu. Die Restitutionstheorie betont: Zusammen


kommt diese Wortverbindung nur noch an zwei anderen alttestamentlichen Stellen vor, und zwar
beide Male, um damit ein Verderben zu bezeichnen, welches die Folge eines göttlichen
Zorngerichts ist. So sagt Jesaja nach einer Beschreibung der schrecklichen Folgen des Falles
Idumäas am Tage der Rache: »Und er (Gott) wird darüber ausspannen die Meßsehnur des tohu
(= Verödung) und die Setzwaage des bohu (= Verwüstung).« Der Sinn ist: Dieselbe Sorgfalt, die
ein Architekt mit Hilfe von Meßschnur und Setzwaage daran wendet, einen Bau zustande zu
bringen, wird Gott daran setzen, das Verderben vollständig zu machen (Jes. 34, 11). Die zweite
Stelle ist noch entscheidender. Dort beschreibt Jeremia die Verwüstung Judäas und Jerusalems
nach ihrem Sturz und vergleicht sie, nach der Erklärung der Restitutionsauffassung, mit der
voradamitischen Zerstörung. Er ruft aus: »Ich blicke die Erde an: ach sie ist tohu wa bohu, und
zum Himmel empor: sein Licht ist verschwunden. Ich blicke die Berge an: ach, kein Mensch ist
da, und alle Vögel des Himmels sind entflohen. Ich blicke umher: ach, das Fruchtgefilde ist zur
Wüste geworden, und alle seine Städte sind zerstört nach dem Willen des Herrn infolge der Glut
seines Zornes« (Jer. 4, 23. 27). Dies sind die beiden einzigen Stellen in der Heiligen Schrift, in
denen - außer 1. Mos. 1, 2 die Wortverbindung tohu wa bohu vorkommt, und an diesen beiden
Stellen hat sie den passivischen Sinn »Verwüstung« und »Ausleerung«. Hierin sieht die
Restitutionsauffassung einen starken Beweis für die Berechtigung, anzunehmen, daß diese
gleiche passivische Bedeutung auch an der dritten also sonst einzigen Stelle zum mindesten
mitanklingt.

An einer weiteren Stelle spricht Jesaja von der Zerstörung Kanaans wegen der Sünden seiner
Bewohner und sagt: »In Trümmern hegt die Stadt des >tohu<« (Jes. 24, 10), ein Ausdruck, der,
mit Professor Menge und dem Hebräisch Aramäischen Wörterbuch von Professor Gesenius
Buhl, als »die verödete Stadt« zu übersetzen ist.

3. Das Prophetenwort Jesaja 45, 18. Und sagt nicht die Schrift: »Denn so spricht der Herr, der die
Himmel geschaffen. . ., der die Erde gebildet und sie gemacht hat. Er hat sie bereitet. Nicht als
eine Öde (tohu) hat er sie geschaffen: um bewohnt zu werden, hat er sie gebildet«?!

4. Das Wort »hajetha« im Sinn von »ward, wurde«, statt »war«.

»Die Erde ward (wurde) wüste und leer«. Die Vertreter der Restitutionsauffassung weisen darauf
hin, daß das hebräische Wort hajetha die Bedeutung »sie wurde« haben kann (wenn auch nicht
muß). So z. B. in Ps. 118, 22: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein
geworden (hajetha).« »Von seiten Jehovas ist dies geschehen (geworden. hajetha)«.
5. Der Gebrauch der Zeitwörter »schaffen« und »machen« in 1.Mose 1. Die
Restitutionsauffassung weist darauf hin, daß, abgesehen von Vers 11 das hebräische Wort bara
»schaffen« sich nur zweimal im Schöpfungsbericht findet, und zwar bei der »Schaffung« des
tierischen (V. 21) und des menschlichen Lebens (V. 26. 27). Sonst gebraucht der
Schöpfungsbericht überall das Wort »machen« (asah), das ein »Bilden« und »Formen« aus
schon bestehendem Material bedeute. Auch dies sei ein Beweis, daß es sich beim ersten Kapitel
der Bibel nicht um die erstmalige Neuschöpfung, sondern die Neubildung der Erde nach ihrer
Zerstörung handele.

6. Der Jubel der Engelwelt beim Beginn der Erdschöpfung. Und wie wäre es denkbar, so fragt
man, daß bei der Grundlegung der Erdwelt die Himmelsheere jubelten und, voll Anbetung und
Bewunderung der Schöpferherrlichkeit Gottes, frohlockten und jauchzten, wenn diese
Erdschöpfung zunächt Formlosigkeit und Leere, Wüste und Wirrnis gewesen wäre? Bezeugt
doch Gott Selbst solchen Jubelgesang der Engel gleich bei der Grundsteinlegung und
Entstehung der irdischen Schöpfung, wenn Er im Buch Hiob die Frage an den Menschen stellt:
»Wo warst du, als ich die Erde gründete? ... Wer hat ihren Bauplan entworfen? ... Wer hat ihren
Eckstein gelegt, während die Morgensterne allesamt laut frohlockten und alle Gottessöhne (d. h.
Engel) jauchzten?« (Hiob 38, 4 7).

7. Die Nicht-Einbeziehung der »Schöpfung von Himmel und Erde« (Vers 1) unter die Werke der
sechs »Tage«. Von hier aus so erklärt man , und zwar von hier aus allein, werde es auch
verständlich, warum der biblische Bericht, der doch keine Willkür und Zufälligkeit kennt, die
Schöpfung von Himmel und Erde, die doch als die Grundlage alles Folgenden, eigentlich
zunächst das Wichtigste wäre, nicht zu den Werken der sechs Tage rechnet, sondern sie diesen
vorausgehen läßt. Stünde dagegen der zweite Vers »in so engem Zusammenhang mit dem
ersten, wie man gewöhnlich annimmt, das heißt, würde er den Zustand beschreiben, in welchem
Gott im Anfang die Erde und den Himmel geschaffen hat, so müßte dieses erste Werk notwendig
unter den sechs Schöpfungstagen mitzählen. Es kann gar kein stichhaltiger Grund angegeben
werden, warum es allein eine Ausnahme bilden soll. Dagegen erklärt sich dies von unserem
Standpunkt aus ebenso leicht wie genügend«, sagt Dekan Keerl, einer der Hauptvertreter dieser
Restitutionstheorie.

Dies Argument hat aber, nach der Ansicht der Periodenauffassung, kein großes Gewicht. Denn
ist nicht der erste Vers »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde« einfach lediglich die Überschrift
des Ganzen oder nur die Aussage über die Erschaffung der Grundstoffe, wohingegen der
biblisdie Bericht der sechs »Tage« darstellen will, was Gott mit der Erde machte oder wie Er den
Gesamtkosmos weiter voranführte?

II. Einwände und Fragen

1. Der unmittelbare Gesamteindruck des biblischen Berichts. Der Haupteinwand, den man gegen
diese Erklärungsweise erhoben hat, ist der, daß von dem Auftreten einer dämonischen
Gegenmacht und den damit für die Naturwelt verbundenen Folgen im Schöpfungsbericht selber
doch garnichts zu erkennen sei. Vielmehr mache er auf jeden unbefangenen Leser durchaus den
Eindruck, daß er ganz einfach den geradlinigen Entwicklungsgang des Schöpfungswerkes und
nichts anderes berichten wolle. Daß die von Gott geschaffene Erde wüste und leer »wurde«, sagt
er nicht, sondern nur, daß sie, in ihrem Anfangszustand wüste und leer, d. h. formlos und
inhaltlos, »war«, als das Sechstagewerk mit der Lichtschöpfung einsetzte.

2. Weiterhin bringt auch schon die Verteilung der Ausführlichkeit beziehungsweise Kürze der
Berichterstattung hier nicht wenige Bibelleser ernstlich ins Fragen. Denn ist es nicht höchst
unwahrscheinlich, so sagt man, daß eine ursprüngliche Schöpfung, die als Hauptgrundlage aller
Kreatur und als eine Welt wunderbarster Schönheit ins Dasein gerufen worden war, nur mit
einem einzigen, noch dazu sehr kurzen Satz genannt und dann aus der Berichterstattung
entlassen wird (nur Vers 1), wohingegen dann so viele nämlich 32 – Verse einem Werk
gewidmet sein würden, das nur eine Wiederherstellung dieser ursprünglichen Schöpfung, also
durchaus nicht die eigentliche Hauptsache gewesen wäre (Kap. 1, 3 bis Kap. 2, 3)?

3. Ein Bedenken entsteht für viele Schriftausleger auch durch das Schweigen der Bibel über eine
solche Urkatastrophe und lange Zwischenzeit zwischen Vers 1 und Vers 2 des biblischen
Berichts. Zwar hat man sie auf das Gesetz der »prophetischen Perspektive« hingewiesen,
demzufolge verschiedentlich in der Weissagung zwei weitauseinanderliegende Ereignisse, wie
zwei Gipfel irn Gebirge, zusammengeschaut werden, ohne die lange Zwischenzeit gleichsam
das »Tal« zwischen diesen Bergen zu erwähnen, z. B. das erste und das zweite Kommen Jesu
ohne die lange, nun schon Jahrhunderte währende Zeit der Gemeinde. So seien auch hier die
ursprüngliche Erschaffung der Erde und ihre spätere Wiederherstellung zusammengeschaut,
ohne Nennung der langen, geologischen Zwischenperiode. Die Frage aber ist, ob man diese
beiden Gesichtspunkte in diesem Sinne überhaupt parallelisieren kann. Denn während, nach
zahlreichen neutestamentlichen Weissagungen, ein zweites Konunen Jesu eindeutig bezeugt
wird, ist eine »Wiederherstellung« der Erde nach ursprünglicher Zerstörung an keiner einzigen
Stelle der Heiligen Schrift zweifelsfrei ausgesagt. Ist nicht darum dieser ganze Vergleich
durchaus unzureichend begründet? Müßte man nicht aus anderen Schriftworten zuerst überhaupt
zuverlässig wissen, ob es einen solchen zweiten »Gipfel« auch hier gibt, bevor man von einer
Zwischenperiode reden und das Gesetz der prophetischen Perspektive hier anwenden könne?

4. Die folgende Frage ergibt sich aus der allgemeinen Hauptbedeutung der hebräischen Wörter
tohu und bohu. Die Bezweifler der Restitutionsauffassung weisen darauf hin, daß diese Wörter
zwar tatsächlich gelegentlich eine passivische Bedeutung im Sinn von »Verwüstung,
Ausleerung« haben können, daß ihre eigentliche Hauptbedeutung an den allermeisten Stellen
aber einfach »Formlosigkeit«, »Öde« und »Leerheit« ist, z. B. Hiob 26, 7: »Gott spannt den
Norden der Erde aus über der Leere (d. h. dem leeren Raum: tohu)«. Jesaja 59, 4: »Man verläßt
sich auf Trug und vertraut auf Nichtigkeit (Leerheit: tohu)«. Jesaja 40, 17: »Alle Nationen werden
vor ihm (Gott) geachtet wie Nichtigkeit (tohu).«

Ist es aber nicht, so fragt man, gewagt, eine so wichtige Schriftauffassung mit einer
ausnahmsweisen, seltenen Anwendung von Wörtern zu begründen, deren regelmäßiger
Sprachgebrauch doch ein ganz anderer ist? Ist es darum nicht wohl ratsamer, die Wörter tohu
und bohu in ihrem allgemein üblichen Sinne von »Formlosigkeit«, »Leerheit« aufzufassen, d. h.
als einfache Schilderung der mit dem Schöpfungsanfang zusammenfallenden Urgestalt der Erde,
als Charakterisierung des Nochnichtgeformtseins der zunächst noch »gehaltlosen und
gestaltlosen« Masse vor Einsetzung der göttlichen Schöpferimpulse? Wäre es folglich nicht
näherliegend, in Vers 1 die Erschaffung der Weltstoffe zu erblicken und in dem Werk der sechs
Tage ihre Ausgestaltung, unter Leitung des göttlichen Schöpferwillens, zu einem irdischen
Kosmos, in dem dann der Mensch schließlich auftreten und seine Aufgabe erfüllen konnte?

Dr. B. Ramm sagt: »Ein Marmorblock und eine zerschmetterte Statue sind beide formlos. Der
erstere ist in einem Zustand, der noch einer Formung harrt, damit aus dieser Formlosigkeit das
Bild der Gestalt hervortrete. Als Gott die Erde schuf, machte Er sie wie einen Marmorblock, aus
dem Er die schöne Welt entstehen ließ«. Der Anfangszustand war zunächst die (von Ihm
geschaffene) unentwickelte materielle Unterlage, die alle Fähigkeiten und Möglichkeiten für Licht
und Leben in sich trug. Oder, wie Prof. Lange es ausdrückt»Das erste Wort (tohu) bezeichnet das
Fehlen der Form, das zweite Wort (bohu) das Fehlen des Inhalts. Die Erde war zunächst
unvollendet in der Ordnung und »leer« an Leben.«
5. Eine gleichartige Frage stellen die Vertreter der Periodenauffassung im Hinblick auf das
hebräische Wort »hajetha« in 1. Mos. 1, 2. Es sei zwar richtig, daß dies Wort wohl gelegentlich
die Bedeutung »wurde« haben könne, also gleichsam: »Die Erde >wurde< wüste und leer. Dies
geschieht aber nur in seltenen Ausnahmefällen. - So z. B. in Ps. 118, 22: "Der Stein, den die
Bauleute verworfen haben, ist zum Edcstein geworden (hajetha)." "Von seiten Jehovas ist dies
geschehen (geworden, hajetha)". -

Seine eigentliche Bedeutung ist jedoch ganz einfach »war«. »Die Erde >war< wüste und leer«.
Und es sei wenig überzeugend, wenn ein seltener Sprachgebrauch eines Wortes zur
Begründung einer sonst in der Bibel nirgends klar bezeugten Lehre von so weit tragender
Bedeutung herangezogen wird, wohingegen dasselbe Wort an Tausenden von Stellen der
Heiligen Schrift die andere Bedeutung von einfach »war« hat. Ausnahmen sind eben niemals
maßgebend für die Regeln.

6. Der Sprachgebrauch der hebräischen Wörter bara »schaffen« und asah »machen«. Zu der
strengen Unterscheidung zwischen »schaffen« und »machen«, wie sie die Restitutionstheorie
vollzieht, bemerkt die Periodenauffassung:

Das Wort bara »schaffen« bezieht sich zwar stets auf ein göttliches Handeln; aber dies ist nicht
immer ein sofortiges, fertiges Hervorbringen aus Nichts, sondern nicht selten ein gottbewirktes
Hervorbringen auf dem Wege eines geschichtlichen Werdegangs. Also sehr ähnlich wie asah
»machen«.

So hat Gott das Volk Israel »geschaffen« (Jes. 43, 1. 15), was auf dem Werdegang der
Geschichte vollzogen wurde (vor und nach Abraham und den Patriarchen bis zur Gesetzgebung
am Sinai). Ebenso ist das Volk der Ammoniter in ihrem Lande »geschaffen« worden (Hes. 21,
35). So hat Gott den Einzelisraeliten »geschaffen«, was ebenfalls nicht eine Sofort Schöpfung
aus Nichts war, sondern ein Hervorbringen auf dem Wege der Geschichte (seit Adam über Noah
und Abraham bis zur Geburt des betreffenden: Jes. 43,7; Mal. 2, 10), desgleichen den
Einzelmenschen allgemein (Jes. 54,16; Pred. 12, 1).

Andererseits kann das Wort »machen« (asah), das eine allgemeinere Bedeutung hat, auch auf
die göttliche Weltschöpfungshandlung angewandt werden, also in ähnlichem Sinne wie bara
»schaffen«. So hat Gott Himmel und Erde »gemacht« (1. Mo. 2, 2; 2. Mo. 20, 11). So hat Er
Sonne und Mond »gemacht« (1. Mo. 1, 16). So hat Er die Tiere »gemacht« (l. Mose 3, 1). So hat
Er den Menschen »gemacht« (1. Mo. 1, 26; 6, 6). So hat das von diesem Zeitwort asah
abgeleitete Hauptwort oseh geradezu die Bedeutung »Schöpfer« (Hiob 35, 10; 4, 17; Jes. 17, 7;
27, 11).

In ein und demselben Satz 1. Mo. 5, 1 werden beide Wörter »schaffen« und »machen« einfach
nebeneinander für die gleiche Handlung der Menschenschöpfung gebraucht: »An dem Tage, da
Gott Adam >schuf<, >machte< er ihn im Gleichnis Gottes.« Ebenso in 1. Mo. 1, 26. 27: »Lasset
uns Menschen >machen< ... Da >schuf< Gott den Menschen.«

Der Sprachgebrauch dieser beiden Zeitwörter ist also übrigens wie ebenso im Deutschen nicht
so streng geschieden, wie die Restitutionsauffassung voraussetzt. Dies kann jedes hebräische
Wörterbuch zeigen, z. B. Prof. Gesenius Buhl, Hebräisch-Aramäisches Wörterbuch. Daher darf
dieser Unterschied auch nicht überbetont werden. Die Restitutionsauffassung zieht aber aus
einer so schmalen Basis gar zu weitreichende Folgerungen.

Auch passe das Wort »bilden«, »formen« durchaus in die Periodenauffassung hinein. Denn
gerade sie spricht, nach der »Erschaffung« der Grundstoffe von Himmel und Erde (Vers 1), von
einer »Weitergestaltung« und »Weiterbildung« im Schöpfungswerk.
Das Argument der Restitutionsauffassung aus dem Unterschied dieser beiden Wörter sei also
weder eindeutig noch klar und keineswegs ein spezieller Beweis für die Restitutionstheorie.

7. Auch der Hinweis auf das Prophetenwort Jesaja 45, 18 gilt den Vertretern der
Periodenauffassung als nicht stichhaltig: »So spricht der Herr, der die Himmel geschaffen hat, . . .
der die Erde gebildet hat ... Nicht zu einer Öde (tohu) hat er sie geschaffen. Um bewohnt zu
werden, hat er sie gebildet.« Denn ganz offensichtlich rede, so betont man, diese Stelle nicht vom
Anfangszustand, sondern vom Ziel der Erdschöpfung. Dies beweise der unmittelbare
Zusammenhang, nämlich der parallel gegenübergestellte Satz: »Nein, um bewohnt zu werden,
hat er sie gebildet.« Dies »um zu« weise aber auf das Ziel hin. Es dürfe darum nicht übersetzt
werden: »Nicht als eine Öde (als ein tohu) hat er sie geschaffen« (vergl. Elb. Bibel), sondern:
»Nicht zu einer Einöde (zu einem tohu) hat er sie geschaffen« (vergl. Menge Bibel). Oder, wie
Luther richtig übersetzt: »Er hat sie nicht gemacht, daß sie leer soll sein, sondern er hat sie
bereitet, daß man darauf wohnen soll.«

Daß dabei das Anfangsstadium eine Formlosigkeit und Gestaltlosigkeit ein tohu und bohu in
aktivem Sinne gewesen sei, sei damit in keiner Weise verneint, sondern liege im Begriff eines
Schöpfungswerdeganges begründet, der vom Geringeren zum Höheren voranschreitet. Das
Argument der Restitutionstheorie aus dieser Jesaja Stelle gehe darum an dem eigentlichen
Zusammenhang dieses Prophetenwortes vorbei.

8. Ferner hat man hervorgehoben: Selbst wenn die geologischen Schichten zwischen Vers 1 und
2 des mosaischen Berichts eingeschaltet werden könnten wozu es jedoch keine einzige, weder
naturgeschichtliche noch biblische stichhaltige Begründung gäbe , so sei doch keine einzige
Stelle in der ganzen Bibel vorhanden, die eine Verknüpfung des Falles Satans mit diesem
vermuteten Zwischenraum zwischen den beiden ersten Versen der Heiligen Schrift vollziehe.

9. Weiterhin ist im Hinblick auf das Werk des vierten »Wiederherstellungs«tages gefragt worden:
Sind denn auch die Sonne und der Mond und die Sterne zunächst zerstört worden, sodaß auch
sie wieder neu hergestellt werden mußten?

Von besonderem Gewicht sind für die Vertreter der Periodenauffassung ihre folgenden Bedenken
der Restitutionstheorie gegenüber.

Nach der Restitutionsauffassung war der Endzustand der Erde nach Ablauf der
vorgeschichtlichen geologischen Perioden eine Zerstörung alles pflanzlichen und tierischen
Lebens und sein Versinken in ein alles bedeckendes Wassergrab, also ein Tiefpunkt ganz
besonderer Art in der Geschichte der Erdnatur. Die geologischen Schichten aber bezeugen
genau das Gegenteil, nämlich ein systematisches, geradezu planmäßiges Aufwärtssteigen der
Pflanzen und Tierwelt zu immer höheren Entwicklungsstadien, bis hin zu der Zeit unmittelbar vor
dem besonderen Haupt-Höhepunkt der Erdgeschichte, dem Auftreten des Menschen. In den
geologischen Schichten finden sich von unten nach oben also von den ältesten bis zu den
neueren Sdüchten ansteigend zuerst wirbellose Tiere, dann Fische, Amphibien, Reptilien,
Wirbeltiere (Säugetiere und Vögel), bis zuletzt der Mensch erscheint als der König der Erde." Die
Restitutionstheorie ist, nach dem Urteil der Periodenauffassung, nicht in der Lage, diese
systematisch geordnete Aufwärtsentwiddung in der Stufenfolge der Fossilien und ihren
geologisch einwandfrei bewiesenen Zusammenhang mit der jetzigen Lebewelt einleuchtend zu
erklären.

10. Nach der Restitutionstheorie in ihrer Verbindung mit der Deutung der sechs »Tage« als
Vierundzwanzigstundentage und der seit dem irischen Erzbischof Ussher herkömmlichen,
alttestamentlichen Chronologie müßte die Gesamterde am Ende der geologischen Perioden,
kurz vor Adam und Eva, also um 4300 v. Chr., von Wasser völlig überflutet gewesen sein. Dann
sei sie an einem einzigen Vierundzwanzigstundentag, nämlich dem zweiten Tag des
»Wiederherstellungs«werkes, in der von da ab grundsätzlich bestehenden Verteilung von Land
und Meer, aus dieser Überflutung wieder aufgetaucht.

Eine solche allgemeine Überflutung der Gesamterde, unmittelbar vor Beginn der Geschichte des
Menschengeschlechts oder einige Jahrhunderte bzw. einige Jahrtausende vorher hat es aber,
nach den geologischen Feststellungen, niemals gegeben. Nach der Geologie ist die Erde um
4300 v. Chr. keineswegs von Wasserfluten ganz zugedeckt gewesen, wie diese Auslegung von
1. Mos. 1, 2b (»Wasser«) es vermutet.

Anstatt also, wie sie glaubt, eine Versöhnung zwischen Geologie und Bibelauslegung zu
bewirken - so sagen die Vertreter der Periodenauffassung -, steht die Restitutionstheorie, in
dieser ihrer Form, in schärfstem Widerspruch zur Geologie und wird von deren Tatbeständen
eindeutig widerlegt.

Dies wird nun in ganz besonderer Weise im Hinblick auf das Folgende betont.

11. Die außerordentliche Gleichheit bzw. Ähnlichkeit vieler jetziger Lebeformen mit den
entsprechenden Lebeformen der Tertiär-, ja Kreide- und Jurazeit. Das Vorhandensein vieler
unserer gegenwärtigen Pflanzen und Tiere kann zurückverfolgt werden bis in ferne, zum Teil
sogar fernste geologische Zeitalter.

So sind sehr viele unserer heutigen Säugetiere, Reptilien und Amphibien in gleichen oder
artverbundenen Formen schon unter den Versteinerungen aus der Zeit während bzw. vor der
großen Eiszeit nachweisbar. Von den 400 Gattungen Land Säugetieren sind es 60 Prozent. Von
den über 40 Gattungen Meeres Säugetieren sind es 75 Prozent. Der Nautilus, eine Art
Tintenfisch, ist bereits in den uralten Felsen des Paläozoikums (Erd Altertums) festzustellen.

90 Prozent der Arten von Weichtieren (Mollusken) der späteren Tertiärformationen (z. B. Miozän)
leben heute noch. Haie und andere Fische, die unseren gegenwärtigen gleichen, finden sich
unter den Versteinerungen schon der Kreide und Jurazeit. In der noch viel älteren Steinkohlen
Zeit (Karbon) gab es Spinnen und Skorpionen, ähnlich wie unsere heutigen. Ja, manche
Fischarten und Muscheln (z. B. Lingula, Zungenmuscheln) existieren praktisch unverändert sogar
schon vom Kambrium an bis heute, d. h. von den allerältesten Erdschichten an, die
Versteinerungen enthalten.

Ähnlich verhält es sich mit der Pflanzenwelt.

Von 147 Pflanzenarten, wie sie sich bereits vor der Eiszeit finden, wachsen ungefähr ioo noch
heute in Europa, z. B. Veilchen, Butterblume, Brombeere. Die in den oberen Schichten des
Tertiär (Pliozän) gefundenen Pflanzen umfassen mehr als '3o Arten von Blütenpflanzen, wie sie
noch heutzutage fast alle in England vorkommen. Ebenso gab es gewisse Arten von Pappel,
Akazie und Weide, wie sie heute teils in Europa, teils in tropischen Ländern wachsen, schon am
Ende der Tertiärzeit. Walnußbaum, Eiche, Platane und Ahorn gehen bis in die Kreidezeit zurück.
ja, »am Ende der Kreidezeit hatte die Pflanzenwelt überhaupt schon das allgemeine Aussehen
angenommen, das sie noch heutzutage hat« (Dr. Brude). Gewisse Farne, die mit den heutigen
gleichartig sind, finden sich sogar unter den Versteinerun¬gen der noch viel älteren
Steinkohlenzeit.

Dies alles beweist, daß es keinen so radikalen Bruch zwischen den geologischen Perioden und
unserer Gegenwart gegeben hat, wie die Restitutionstheorie ihn voraussetzt, sondern daß die
alten, erdgeschichtlichen Zeitabschnitte ohne Unterbrechung mit den neuen verbunden sind. So
wird, nach dem Urteil der Periodenauffassung, die Restitutionstheorie durch die geologische
Tatsache widerlegt, daß es keinen chaotischen Zustand zwischen der menschlichen Periode und
der Tertiärzeit gegeben hat. Vielmehr ist der ganze Verlauf, von Anbeginn an, nur ein einziges,
zusammenhängendes, großes System der Natur.

Wenn man dagegen - so betont die Periodenauffassung im Gegensatz zur Restitutionstheorie -


die geologischen Perioden in oder vor das Tohuwabohu, d. h. in die Zeit vor dem Sechstagewerk,
verlegen würde, so wäre es ja völlig unvermeidlich, den höchst unwahrscheinlichen Schluß zu
ziehen, daß die mit den heutigen Arten wesensgleichen (!) Tier und Pflanzenarten der Tertiärzeit
erst vernichtet und dann wieder neu geschaffen worden seien. Oder man müßte meinen, Gott
habe, zur Zeit der Menschenschöpfung beim Beginn des Paradieses, durch einen besonderen
Wunderakt den Tod erst aus dieser Tierwelt verbannt und die Tiere, z. B. besonders auch die
Raubtiere, hinsichtlich ihrer Instinkte, ihrer Ernährungsweise und folglich ihres ganzen
Körperbaues anatomisch physiologisch umgewandelt und habe dann diese selben (!) Tierarten
wieder in ihren ursprünglichen Tertiär Zustand zurückverwandelt. Dies anzunehmen sagt die
Periodenauffassung im Gegensatz zur Restitutionstheorie sei jedoch eine viel größere
Schwierigkeit als den Zusammenhang des gegenwärtigen Tier und Pflanzenlebens mit dem
versteinerten für das Richtige zu halten. Auch sagt die Bibel davon kein Wort. So sei es offenbar,
daß die Restitutionstheorie mehr naturwissenschaftliche Schwierigkeiten schafft, als sie zu lösen
versucht.

Für die Periodenauffassung selbst stellt sich die Geschichte der urzeitlichen Erde folglich als ein
zusammenhängender Gesamtverlauf dar, in dem jedoch zwei Hauptzustände zu unterscheiden
seien:

der ursprüngliche Zustand in den allerersten Urzeiten ohne Störung durch gottwidrige Gewalten,
nämlich so, wie sie zunächst aus der Schöpferhand Gottes hervorgegangen war und sich dann
weiter entwickeln sollte,

und der spätere Zustand mit Hemmungen und Störungen und göttlichen Gerichten, in den sie
durch den Sündenfall von Geistmächten hineingeraten war, die zu ihr in besonderer Beziehung
standen.

Das Sechstagewerk gehöre dann als unfaßbar langer Zeitraum, der zu der jetzigen Erdgestalt
hinführe, vornehmlich in den zweiten Zustand hinein und decke sich im wesentlichen mit den
geologischen Perioden.

Dabei aber scheine es, daß, unter Zulassung Gottes, die chaotisierten Mächte des Argen, durch
dämonische Einwirkungen den göttlichen Schöpfungsakten entgegenarbeiteten, und dies könne
erklären, warum Bastardbildungen, Schreckenstiere, gegenseitiges Morden, Krankheit und Tod
bereits in jener urzeitlichen Lebewelt so verbreitet waren. So schreibt auch der Tübinger
Geologieprofessor von Huene 1947: »Es ist etwas Neues dazugekommen, die Finsternis, die
Nacht, die an der Zusammensetzung der ... folgenden Schöpfungstage einen wesentlichen Anteil
hat ... Das Reich der Finsternis, des Fürsten dieser Welt, war nun mitbestimmend im
Sechstagewerk der Schöpfung, nachdem der Anfang ein ganz anderer gewesen war. Im
Sechstagewerk haben Licht und Finsternis ihren Anteil«.

Wie der Schöpfungszustand vor Eintritt des Bösen beschaffen gewesen war, vermag niemand zu
sagen. Jedenfalls so erklärt die Periodenauffassung fehle hinreichende Begründung in der
Schrift, von einer einst schon fertig gewesenen »Lichterde« (F. Bettex), einem ursprünglichen
»Lichtreich« (Th. Haarbeck), einer »ersten Urschöpfung« oder »ersten Erde« (Jakob Kroeker) zu
reden. Denn was bis dahin erreicht war, sei erst ein Anfangsstadium der Urentwicklung gewesen,
und was dieses Anfangsstadium im einzelnen in sich schloß, ist keinem Menschen bekannt.

Sicher ist nur, daß die Urstörung durch den satanischen Sündenfall schon sehr früh im Verlauf
dieser einen, großen zusammenhängenden Schöpfungsentwicklung eingetreten ist und zwar
schon bevor die Schöpfung so weit gediehen war, organisches Leben zu tragen; denn dieses war
ja, wie die Fossillen beweisen, schon in der ältesten Urzeit und von vornherein, dem Vergehen,
also dem »Tode«, unterstellt.

Dies würde bedeuten, daß der Sündenfall Satans zwar nicht unbedingt zwischen dem ersten und
dem zweiten Vers von 1. Mose 1 stattgefunden habe, so aber doch irgendwann und irgendwie in
der Zwischenzeit zwischen dem ersten und dem elften Vers des biblischen Berichts, der ja von
der Pflanzenschöpfung spricht. Den genauen Zeitpunkt kann niemand wissen.

Dennoch aber habe Gott, trotz dieser satanischen Querwirkungen und der damit verbundenen
notwendigen Gerichte auf irgend eine Weise, die die Naturwissenschaft erforschen mag durch
allmähliche Steigerung der Lebeformen die Schöpfungsgeschichte in planmäßiger
Aufwärtsentwicklung weitergeführt und das Pflanzen und Tierleben bis zur jetzigen Lebewelt
ansteigen lassen. Dies sei geschehen, unter göttlicher Leitung, teils durch Vererbung,
Verzweigung und Abstammungszusammenhänge, teils durch wiederholte, neu eingreifende
Schöpferakte. Dies letztere sei bewiesen durch die Tatsache, daß, trotz sorgfältigster
geologischer Forschungen, keine Bindeglieder zwischen den Hauptarten der Lebewesen
festzustellen sind (missing links). Zuletzt ist der Mensch, ohne Abstammungszusammenhang mit
der allgemeinen Tierwelt, auf den Plan getreten, um von dem eigens für ihn angelegten
Paradiesesgarten aus seine Laufbahn zu beginnen.

Und was die Raubtiere der Tertiärzeit betrifft, so glauben manche Vertreter der
Periodenauffassung, daß diese Tierarten auch während der Paradieseszeit auf der
außerparadiesischen Erde in ihrem bisherigen, z. T. wilden Zustand verblieben seien. Das
Paradies selbst war zwar ein Sonderbezirk und als solcher eine Stätte von Frieden, Lebensfülle,
Schönheit und Vollkommenheit. Es unterschied sich aber darin von dem Zustand der sonstigen
irdischen Schöpfung. Denn wenn die Gesamterde eine Stätte des Lebens und absoluter
Vollkommenheit gewesen wäre, so hätte es keines Paradiesesgartens bedurft. Die Tatsache
aber, daß überhaupt ein Paradies geschaffen wurde, beweist, daß die Erde an sich nicht schon
ohne weiteres ein geeigneter, voll würdiger Wohnplatz für den Menschen als den von Gott neu
eingesetzten König der irdischen Schöpfung war. Damit aber wird schon die reine Tatsache der
Pflanzung des Gartens Edens ein Beweis für die Unvollkommenheit der außerparadiesischen
Erdwelt.

Und was die allgemeine Pflanzenwelt vor und nach dem menschlichen Sündenfall betrifft, so
erklärt zwar der göttliche Fluch, daß der Acker »Dornen und Disteln« tragen solle. Aber mehr
besagt er nicht. Weiter zu gehen, ist darum Willkür. Der biblische Text selbst sagt nicht mehr und
nicht weniger, als daß in den vom Menschen bebauten Acker die schon sonst auf Erden
vorhandenen Dornen und Disteln eindringen und seine Arbeit ungemein erschweren sollen.
Professor Karl Heim schreibt: »Das Alte Testament ... berichtet wohl von der satanischen
Verführung, durch die die ersten Menschen in Sünde fielen, und von ihrer Austreibung aus dem
Paradiese. Aber es weiß nichts von einer Verwandlung der ganzen Weltgestalt, die durch den
Fall des Menschen herbeigeführt worden wäre.«

Aber heißt es nicht in der Schrift für den Abschluß des sechsten Tages und damit zugleich der
Paradieseszeit: »Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut« (1.Mo.1,31)?

Diesen Einwand beantwortet die Periodenauffassung: Auch von der gegenwärtigen Zeit der Erde
und ihrem jetzigen Zustand mit zwar sehr viel Schönheit und Lebensfülle in der Natur, aber auch
mit so vielen Gewalten des Verderbens Disharmonie und Zerstörung im pflanzlichen und
tierischen Leben, Raubtiere in Luft, Feld und Wald sagt die Schrift, indem sie von allem, durch
die Sünde dazwischen und hineingekommenen Negativen absieht und den eigentlichen
positiven Kern und das ursprüngliche Wesen der Schöpfung in den Mittelpunkt ihrer Schau rückt:
»Herr, wie sind Deine Werke so groß und so viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde
ist voll (!) Deiner Güter!« (Ps.104,24).

»Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen! « (Ps.8,,2.10).
»Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündet seiner Hände Werk« (Ps.19,2).

Solche Worte sind Aussagen über die Schöpferherrlichkeit Gottes allgemein und schließen das
andere nicht aus. Sonst könnte auch die Heilige Schrift nicht von der Welt heute sagen: »Der
Herr hat Wohlgefallen an seinen Werken« (Ps.104,31). Dabei ist sich derselbe (!) Psalmist im
gleichen Psalm auch der anderen Seite bewußt: »Die jungen Löwen brüllen nach Raub«
(Ps.104,21).

Ja, der 148. Psalm fordert nicht nur den Himmel und die Erde, Sonne, Mond und Sterne, zum
Lobpreis Gottes auf, sondern sagt auch: »Lobet den Herrn von der Erde her, ihr
Wasserungeheuer (!) und alle Tiefen! . . . Wildes (!) Getier und alles Vieh, kriechende Tiere und
geflügeltes Gevögel: Lobet den Herrn!« (V. 1-10). Und Paulus bezeugt von der Offenbarung
Gottes in der Natur, bei all ihrer gegenwärtigen, ihm ebenso wie auch uns bekannten
Zwiespältigkeit: »Seine (Gottes) ewige Kraft und Göttlichkeit werden von Erschaffung der Welt an
in dem Gemachten wahrgenommen« (Röm. 1, 20).

In diesem Rahmen der Natur hatte der Mensch ursprünglich von Gott die Aufgabe erhalten, vom
Paradiesesgarten aus seine Herrschaft über die Erde auszudehnen und Paradiesesleben und
Paradiesessegen überall hinzutragen und auszubreiten. Bei einer heiligen Durchführung dieses
seines Herrscherberufs wäre es schließlich zu einer endgültigen Befreiung und Erlösung der
ganzen irdischen Lebewelt gekommen, wie dies ja auch tatsächlich bei der Aufrichtung des
sichtbaren Gottesreiches der Endzeit einst eintreten wird (Jes. 11, 6 8; Hos. 2, 20).

Da aber der Mensch gefallen ist, hat er zunächst seine Berufsbestimmung nicht erfüllt. So blieb
das Verderben in der Tierwelt um des Menschen willen bestehen. Auch der »Acker«, das heißt,
der vom Menschen bearbeitete Kulturboden, verblieb um des Menschen willen unter dem Fluch.
Wenn darum die Schöpfung heute noch seufzt, weil sie der Knechtschaft der Nichtigkeit
unterworfen ist, so geschieht dies um des Menschen willen. Darum kann die Erlösung der
Schöpfung auch erst mit der Vollendung der Erlösungsgeschichte des Menschen eintreten, eben
durch die »Teilnahme an der Freiheit, welche die Kinder Gottes im Stande der Verherrlichung
besitzen werden« (Röm. 8, 21).

Der Vorteil dieser Gesamtauffassung ist - nach dem Urteil der Vertreter der Periodenauffassung
-, daß sie dem Gesamteindruck des biblischen Schöpfungsberichts gerechter wird als die
Restitutionstheorie. Auch stimme sie mit allen sprachlichen und exegetischen Texteinzelheiten
überein und gehe nirgends über den eigentlichen Wortlaut der Schrift hinaus. Sie habe ferner den
Vorteil, daß sie auch vom naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt aus einleuchtender ist. Sie sei
in Übereinstimmung mit dem Vorhandensein des urzeitlichen Todes in den geologischen
Perioden wie auch mit der Tatsache des Zusammenhangs der Lebeformen der Urzeit mit der
pflanzlichen und tierischen Lebewelt der Gegenwart, wie dieser durch die Fossilien klar bezeugt
wird.

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