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Alle paar tausend Jahre wird einmal ein Buddha geboren, d.h. einer, "der
erkannt hat" jene tiefe Wahrheit, daß es gar kein Sein als Realität gibt,
sondern nur Erscheinung bzw. Schein, weshalb auch das Grundgesetz dieser
ganzen Welt das Leiden ist, von welchem Leiden der Welt die Menschheit
zu erlösen ein Buddha als seine vornehmste Aufgabe ansieht. Buddha ist
kein Eigenname, sondern ein Titel und ehrender Beiname, der sich
grammatisch als Partizip Perfekt herleitet von der Wurzel budh, die transitiv
"erkennen", intransitiv "erwachen" bedeutet, so daß das Wort "buddha",
wörtlich übersetzt, heißt: "der, der erkannt hat" (die hohe Wahrheit, daß es
nichts als Leiden gibt) oder "der, der erwacht ist" (aus dem Traum der
Menschheit, als ob es eine Realität irgendwelcher Art gäbe). Inschriftlich ist
der Name Buddha als ehrender Titel zuerst im 3. Jh. v. Chr. durch die
Paderia-Inschrift des Königs Asoka belegt.
Unser historischer Buddha, der von 560 bis 480 v. Christi Geburt gelebt hat,
ist nach der Lehre des Buddhismus nicht der einzige Buddha gewesen,
sondern ihm sollen bereits viele Buddhas vorhergegangen sein, und auf ihn
werden auch noch weitere Buddhas folgen. Es sind die sogenannten
Universalbuddhas, wobei es Gesetz ist, daß es zur selben Zeit nur einen
solchen Universalbuddha geben kann, während in großen
Zwischenzeiträumen viele Universalbuddhas bereits entstanden sind und
noch entstehen werden. Dabei wird die Zahl der dem historischen Buddha
vorangegangenen Buddhas verschieden angegeben. Es gibt "gute" oder
"gesegnete", Weltperioden wie die jetzige Weltperiode eine ist, in der fünf
Buddhas erscheinen, aber auch diese sind nicht etwa als gleichzeitig,
sondern durch beträchtliche Zeiträume getrennt gedacht. In der Dighanikaya
(Dighanikaya = die Sammlung der 34 langen Texte bzw. Lehrreden
Buddhas, insgesamt gibt es 34 lange Suttas, die im Palikanon, der Lehre des
Theravada-Buddhismus, die sich auf Buddha beruft, zusammengefasst sind)
ist von einer Sechszahl der Buddhas die Rede.
Was die Universalbuddhas betrifft, so ist von ihnen hervorzuheben, daß ein
jeder Buddha zweiunddreißig vorbedeutende Zeichen am Körper trägt - es
sind die "Zeichen eines großen Mannes" (Zeichen eines großen Geistes),
außerdem hat er achtzig Körperzeichen untergeordneter Natur. Aus dem
Vorhandensein dieser Körpermerkmale weissagen die Zeichendeuter, daß
der durch sie Ausgezeichnete, wenn er im Hausleben bleibt, ein
weltbeherrschender Idealkönig werden wird, wenn er aber dem Hausleben
entsagend, aus dem Heim in die Heimlosigkeit entflieht, ein vollkommener
Universalbuddha. Einige von diesen, nicht selten auf altindische
Vorstellungen zurückgreifende, Körperzeichen eines solchen
Universalbuddha seien hier genannt. Ein ßuddha ist goldfarben, seine Haut
glänzt wie Gold, sein Oberkörper gleicht dem Vorder- (dem Ober-)körper
eines Löwen, und er hat auch die Kinnbacken eines Löwen. Er hat vierzig
große glänzende Zähne, zwischen denen keine Lücken sind. (Im Rgveda, der
ältesten heiligen Schrift der Hindus, ist von Agnis Zähnen - Agni ist der Gott
des Opferfeuers - viel die Rede, und so mag daher die Agni-Erzählung des
Rgveda das Vorbild für diese legendäre Überlieferung abgegeben haben.)
Der Buddha hat auch eine große Zunge und zwischen den Augenbrauen
einen kleinen Kreis, die sogenannte Unna, was wörtlich "Wolle", d.h.
"WoIlflöckchen" bedeutet, woraus nach Lalitavistara (Lalitavistara = ein
religiöser und poetischer Text, der die Lebensgeschichte des historischen
Buddha erzählt) Lichtstrahlen hervorbrechen, ein kleiner Kreis, der wie
Schnee und Silber glänzt. Auf Buddhastatuen erscheint diese Unna wie ein
Schminkpflästerchen, wird aber auch durch eine Perle dargestellt.
Legendärer Mythos und Lehre berühren sich hier und gehen ineinander über.
Hinsichtlich der achtzig Körpernebenmerkmale eines Buddha wäre zu
erwähnen, daß des Bodhisattva Haupthaar geringelt ist, wie es vorwiegend
auch dargestellt wird, und dazu mythische Figuren bildet, von denen der
Svastika (das Hakenkreuz), das heilbringende Zeichen, zu nennen wäre und
das Srivatsa-Zeichen (das Srivatsa-Zeichen ist ein Zeichen für die
Unendlichkeit und veranschaulicht den Zyklus der Wiedergeburten), der
auch einen Haarwirbel auf Visnu-Krshnas Brust darstellt. Die Buddhas
heißen ferner bezeichnenderweise "das Auge der Welt" oder "das in der
Welt aufgegangene (entstandene) Auge". Ähnlich sagt die Suttanipatta
(Suttanipatta = kleine Sammlung von Lehrtexten (Suttas) Buddhas): "Denn
dieser ist das beste Auge der Menschen." So heißt es auch von Indra (Indra =
indischer Gott des Regens, des Sturmes und der Fortpflanzung): "Du, Indra,
bist der ganzen Welt Auge, du bist des Auges Augenlicht." An den Buddhas
wird stets auch die Allwissenheit gerühmt. Ein Buddha kennt z. B. nach dem
Dighanikaya (Dighanikaya = Sammlung mit 34 langen Lehrreden Buddhas)
den Inhalt eines Gesprächs, bei dem er nicht anwesend war; er kennt die
Gedanken der Menschen; er erinnert sich seiner eigenen und anderer
früherer Existenzen, er überschaut die Wege der Seelenwanderung usw.
Zuletzt darf noch auf das Radsymbol als ein wichtiges Kennzeichen aller
Buddhas hingewiesen werden. Das Rad ist geradezu zum heiligen Zeichen
der Buddhisten geworden wie das Kreuz zum heiligen Zeichen der Christen.
Auch dieses Radsymbol hat zutiefst mythologische Bedeutung; es spielt
schon im ältesten Literaturwerk der Inder, im Rgveda, eine bedeutende
Rolle, und zwar ist es hier sowohl vom Bild des Wagenrades als auch vom
Bild des Sonnenrades hergenommen. Einige Stellen aus dem Rgveda sollen
uns den tieferen Sinn dieses Symbols auch für den Buddhismus erschließen
helfen. So heißt es von Varuna (Varuna = der Gott der Meere) in Rgveda,
daß in ihm "alle Weisheit ist wie die Nabe im Rade und von Indra: "Er
herrscht als König über die Menschen, er umfaßt alles wie der Radkranz die
Speichen." Von Agni (Agni = Gott des Feuers) wird gesagt, daß er alle
Götter umfasse wie die "Radfelgen die Speichen". Besonders aufschlußreich
für das Radsymbol ist die Rgveda, wo das Rad als Jahr, als Zeitordnung, als
Ewigkeit und ewige Unwandelbarkeit gemeint ist. Es heißt: "Ohne sich je
abzunutzen, rollt das zwölfspeichige Rad der ewigen Ordnung am Himmel",
und gesprochen vom "nichtalternden Rade", auf dem alle Wesen stehen:
"Auf diesem Rade stehen alle Wesen, seine vieltragende Achse ... wird nicht
abgenutzt, während man von dem mit Radkranz versehenen, nicht morsch
werdenden Rade spricht, in dem alle Wesen eingefügt sind".
Buddha, der die höchsten Erkenntnisse des Heilsweges gewonnen und damit
auch alle Bedingtheiten empirischer Existenz durch Zeit, Raum und
Kausalität abgestreift und überwunden hat, erinnert sich sowohl seiner
eigenen früheren Existenzen, die er als Bodhisatta durchlaufen hat, als auch
der Seelenwanderung anderer; dabei erstreckt sich die Seelenwanderung
nicht nur auf das Eingehen in Menschen- und Tierleiber, sondern auch in
Göttergestalten mit ihren Götterhimmeln und Jenseitswelten. Buddhas
vorletzte Geburt war die als Prinz Vessantar a, mit der der Lalitavistara
(religiöser Text, der die Lebensgeschichte des historischen Buddha erzählt)
die legendäre Lebensdarstellung beginnt, in der einige Einzelheiten mit den
apokryphen (als apokryphe Schriften werden Schriften bezeichnet, die eine
gewisse Ähnlichkeit mit biblischen Schriften aufweisen) christlichen
Erzählungen in Parallele stehen; z. B. dieser Bericht: "Als Prinz Vessantara
mit Frau und Kindern umherirrte, neigte sich durch die Wunderkraft des
Bodhisatta (des Vessantara) für seine hungernden Kinder ein
fruchtbeladener Baum herab. Ähnlich bog sich nach Pseudo-Matthäus (das
Mathäus-Evangelium ist in Wirklichkeit ein Pseudo-Mathäus-Evangelium,
da es mehrere Pseudo-Mathäuse als Verfasser gibt) als Joseph und Maria
flüchtig durch Ägypten zogen und Maria hungerte, auf Veranlassung des
Jesuskindes ein Fruchtbaum herab.
Die wichtigste Vorexistenz Buddhas war seine letzte als Gott des Tusita-
Himmels, des Himmels der "Befriedigten" (man unterscheidet zwischen 13
verschiedenen Himmeln im Buddhismus), in dem der Bodhisatta ohne Fehl
und Tadel lebte, bis seine letzte Geburt in dieser Erdenwelt bevorstand.
Während des Aufenthaltes des Bodhisatta "in der Stadt Tusita" trat, wie die
Nidanakatha berichtet, die Buddha-Unruhe ein, und es wird erklärend
hinzugefügt: "Wenn die welthütenden Götter sich klar werden, daß nach
tausend Jahren ein allwissender Buddha in der Welt erscheinen wird, dann
wandern sie umher mit dem Rufe: "Leute, nach Ablauf von tausend Jahren
wird in der Welt ein Buddha erscheinen! Bereits in einer der Relief-
Inschriften von Bharhut (diese Inschriften zählen zu den ältesten
Schriftdenkmälern Indiens) heißt es: "Der Göttersohn Arahaguta steigt
hernieder und verkündet der großen Versammlung die (bevorstehende)
Empfängnis des Erhabenen." (Vgl. in etwa die Verkündigung an Maria Luk.
1, 26 ff.) Auf die Verkündigung hin versammelten sich die Götter des
Weltalls und sprachen flehend zum Bodhisatta: "Nun ist die Zeit, Buddha zu
werden, da. Steige hinab..., regne du, Herr, auf die vom Feuer der Begierden
entzündete Welt den Regen des Wassers der Unsterblichkeit..., dies ist die
rechte Zeit, lasse sie nicht unbeachtet!"
Darauf stellte der Bodhisatta die "fünffache Ausschau" an, und zwar nach
der rechten Zeitperiode und Zeit für die Empfängnis, die dann gegeben ist,
wenn es der Menschheit weder zu gut noch zu schlecht geht; ferner nach
dem Erdteile, dem Lande, der Kaste, sowie nach der Mutter und ihrer
Lebensdauer. Der Wahlausfall entspricht dann den Verhältnissen und
Umständen, in denen der Buddha tatsächlich zur Welt gekommen ist. Von
besonderer Bedeutung ist bei der fünffachen Ausschau die Betonung der
königlichen Abstammung und die Verbindung dieses Königtums mit dem
Cakkavatti (Cakkavatti = Raddreher = Weltherrscher)-Gedanken. Der
Begriff des Königtums wird seit alten Zeiten mit der
Abstammungsgeschichte religiöser Genien in Beziehung gesetzt und hat wie
der Begriff des Cakkavatti zutiefst religionsphilosophische Bedeutung. Das
Rad ist ein außerordentlich glücklich gewähltes Symbol für die Gottheit,
weil diese als alldurchdringend und allumfassend aufgefaßt wird; sie stellt
die Nabe im Innern des Rades dar und ist zugleich dem Radkranz
vergleichbar, während die tausend Speichen die Dinge und Wesen
symbolisieren, die die Gottheit durchdringt; aber selbst wenn das Rad als
Sonnenrad erklärt wird, ist der Cakravartin-Begriff zutiefst mythologisch-
philosophisch zu deuten, da die weltregierende Gottheit das Rad der Sonne
rollen läßt, wobei wiederum an die im Buddhismus so wichtige bildliche
Wendung vom "In-Bewegung-setzen der Weltgesetzeslehre" erinnert werden
soll. Von Buddha heißt es dann auch: "Ich werde ein König sein über die
ganze Welt." Im Lalitavistara (poetische Buddha-Biographie) wird Buddha
von Gott Brahma gepriesen als der "König der dreitausend Welten " als
höchster Herr, Herr des Dharma (Dharma = Lehre), Erdenfürst". In
Lalitavistara heißt Buddha "König des Dharma in der Welt" und "Oberkönig
der Könige". Ebenso heißt Buddha in Buddhacarita "König des Dharma".
Auf ein ebenfalls uraltes Element der Buddhalegende läßt der Name Maya
(die als Blendwerk angesehene Erscheinungswelt, Schleier der Maja), der
vom Bodhisatta erwählten Mutter schließen, die nicht erst in dem aus
späterer Zeit stammenden Buddhavamsa (Erzählungen über die 24 Buddhas,
die Buddha Sakyamuni vorausgingen) genannt wird, sondern bereits in dem
ältesten buddhistischen Text, dem Dighanikaya (Lange Sammlung),
vorkommt. Auch des Hermes und Merkur Mutter heißt Maja. Ein tiefer Sinn
ist darin zu sehen, daß die Mutter des Buddha bereits sieben Tage nach der
Geburt des Bodhisatta stirbt, wodurch das Wesen aller Dinge als bloße
Erscheinung in der Vergänglichkeit sich ausspricht. Gelegentlich der
Ausschau nach seiner Mutter erwägt der Bodhisatta: "Die Mutter eines
Buddha ist ohne Begierde und enthält sich berauschender Getränke. Die
Mutter eines Buddha muß während hunderttausend Äonen (unendlich
langer Zeitraum) die Tugendpflichten erfüllen und von ihrer Geburt an
unverbrüchlich den fünf Geboten der sittlichen Zucht nachgelebt haben.
Diese Königin Mahamaya da ist eine solche, und sie soll meine Mutter
werden!" Dazu wäre zu vergleichen der Bericht über Simons
Empfangenwerden im Buch der Richter: "Und der Engel des Herrn erschien
dem Weibe und sprach zu ihm: "So hüte dich nun, daß du nicht Wein und
starke Getränke trinkest und nichts Unreines issest, du wirst schwanger
werden."
Auf die Verkündigung und Ausschau folgt die Empfängnis. Der Vorgang
der Empfängnis wird in manchen Legendenversionen nur geträumt,
anderswo (Buddhacarita) ist er Wirklichkeit, und in Lalitavistara gehen
wunderbare Wirklichkeit und Traum nebeneinander her, ohne daß eins von
beiden durch das andere als ausgeschlossen gelten soll. Auch Mahavastu,
das ,,Buch der großen Begebenheiten“, eine in Wundem erzählte Biographie
Buddhas, zeigt an getrennten Stellen beide Auffassungen. Wie nahe stehen
doch auch im Altindischen die Begriffe Maya, als Hervorbringerin der
Sinnenwelt, und Traum! Nach der Nidana-Astrologie fand während des
Traumes tatsächlich die Empfängnis statt, denn der Traumbericht ist
gegeben als eine ausführlich erläuternde Darlegung des kurzen
Tatsachenberichtes: "Er wurde, aus dem Himmel abscheidend, der
Empfängnis im Schoße der Königin Mahamaya teilhaftig", und endet mit der
Bemerkung "so wurde er am Uttar-Asalha-Feste der Empfängnis teilhaftig."
Weiter wird berichtet: "Als Königin Mahamaya sich an jenem Festtage in ihr
Schlafgemach zurückgezogen hatte, träumte ihr, die vier göttlichen
Großkönige trügen sie samt ihrem Lager auf den Himalaya und legten sie
dort unter einem Salbaum (heiliger indischer Baum = Vatica robusta) nieder.
Als sie sich darauf niedergelassen hatte, erschien der Bodhisatta als weißer
Elefant, berührte ihre rechte Seite, und es war, als träte er durch diese in
ihren Leib ein."
Der älteste Beleg für die Legende von der Empfängnis findet sich im Relief
des Stupa (Denkmal) von Bharhut mit der Inschrift Bhagavato okraihti =
"Das Herabsteigen des Erhabenen". Das Relief stellt einen kleinen
herabschwebenden Elefanten dar. Daß Buddha auch sonst gelegentlich als
Elefant gedacht wurde, dafür sind scheinbar noch ältere Beweise in den
Inschriften von König Asoka aus dem 3. Jh. v. Chr. erhalten. Unter dem
dreizehnten seiner Felsenedikte von Girnar steht als Unterschrift: "Der weiße
Elefant, der der ganzen Welt Glück bringt", und es hat wohl ein
Elefantenbild darüber gestanden. Wenn Buddha übrigens gelegentlich "mit
Elefantenblick" blickt, d. h. wenn er beim Zurückblicken wie der Elefant
sich ganz umwenden muß, so steckt auch darin ein tiefer Sinn. Wie Maya,
die Mutter des Buddha, sah auch die Mutter des Mahavira, des Begründers
der Jaina-Lehre, vor der Empfängnis einen weißen Elefanten. Im Mahavastu,
eine in Wundem erzählte Biographie Buddhas, träumt Maya das Eintreten
eines Elefanten mit sechs Hauern in ihren Leib. In der Nidanakatha, die das
Geschehen um die Empfängnis und die Geburt des Buddha mit historischen
Ereignissen der Zeit, wie dem Asalhi-Nakkhatta-Fest, zu einer sinnlich-
übersinnlichen Einheit beschreibt, heißt es im Text dann wörtlich weiter: "Er
war gleich (ähnlich) einem in den Leib Eingetretenen." Durch diese
Wendung soll wohl die Traumnatur des Empfängnisvorganges betont
werden. Der Bodhisatta bleibt auf der rechten Seite der Maya. Nach
Mahavastu nimmt ein männlicher Embryo die rechte Seite ein, ein
weiblicher die linke.
Es wird berichtet, daß des Buddha Mutter vorher noch nicht geboren habe,
daß also der Buddha ihr erstes, da sie aber bereits sieben Tage nach der
Geburt starb, auch ihr einziges Kind gewesen sei. Das kann wiederum
mythologisch als ein Götterepitheton gedeutet werden. Auch Jesus kam,
wenigstens nach Epiphanius und Hieronymus, als einziges Kind der Maria
zur Welt, während die Evangelien Brüder und Schwestern Jesu erwähnen.
Die Mongolen legen großes Gewicht auf die Jungfräulichkeit. In Siam gilt
Buddha für geboren von einer durch die Sonne befruchteten Jungfrau. Auch
das Eingehen des Bodhisatta in die rechte Seite der Mutter soll die
Empfängnis und Schwangerschaft unter einem anderen als dem
geschlechtlichen Gesichtspunkt sehen. Wenn nun auch kein kanonischer
buddhistischer Text (als kanonische Texte gelten Texte, die von einem
Konzil verabschiedet wurden, also Texte, die zu einem Kanon (Palikanon)
zusammengefasst wurden) hat die Jungfrauengeburt direkt behauptet, so ist
doch zu beachten, daß auch die freilich späte Nidanakatha die jungfräuliche
Empfängnis durch ihren Bericht anzudeuten scheint, daß Maya kurz vor dem
Zeitpunkt der Empfängnis sich in ihr Gemach zurückgezogen habe, und sie
sogar auf den Himalaya entrückt wird, freilich im Traum, was aber im
Prinzip gleich ist.
In den Versen von Lalitavistara bittet Maya sogar kurz vor der Empfängnis
ihren Gatten, da sie Uposatha (Uposatha-Tage sind Tage der inneren
Einkehr, der Erneuerung der Dhamma-Praxis) halten wolle, während der
Dauer derselben keine geschlechtlichen Anforderungen an sie zu stellen, und
erhält die Gewährung ihrer Bitte. Jedenfalls ist der Gedanke der
Jungfrauengeburt älter als jene christlichen Belegstellen, und sicherlich
hängt die vorchristliche alexandrinische Jungfrauengeburt mit der indischen
zusammen. Die Jungfrauengeburt ist wohl indogermanisch, und während sie
den Juden und Ägyptern fremd war, ist sie den Griechen und Römern
bekannt. In Indien lassen sich die Wurzeln des Gedankens der
Jungfrauengeburt bis in die Zeit des Roveda zurückverfolgen, und hier im
Rgveda liegen wiederum die letzten Wurzeln für die buddhistische Legende.
Die weibliche Urgottheit heißt im Rgveda, weil sie gebiert und alles nährt,
öfters Kuh, so namentlich Aditi, die als Universalgottheit, also als die dem
Begriffe nach einzige, ihre Söhne ohne einen Vater empfangen und geboren
haben muß. Sie heißt auch Kuh, die als eine "Färse", d. h. als eine noch nicht
besprungene junge Kuh, den Indra gebiert, mit dessen Mythos Buddha ja
auch sonst sehr viel Verwandtes aufweist. Auch im Rgveda heißt Indra
"Sohn einer Färse", womit ganz gewiß vaterloser Ursprung gemeint ist.
Auch Agni, der Feuergott, wird nach Rgveda von einer Jungfrau geboren;
ebenso gebiert seine Mutter den Agni "unbelegt". Somit hat die
buddhistische Jungfrauengeburt in dem Rgveda-Mythos ihre letzte Wurzel
und ist von hier aus tiefer als bisher zu erklären und zu deuten.
Nach der Empfängnis war Maya, was nach Dighanikaya (lange Sammlung)
bei einer Bodhisattamutter ewiges Gesetz ist, ohne Liebesbegehren nach
irgendeinem Manne und keinem Manne zugänglich. Nach Nidanakatha hatte
sie kein Verlangen mehr nach Männern, wobei zugleich hinzugefügt wird
"nicht einmal nach ihrem Mann König Suddhodan a". Vgl. Matth. I, 25 "und
er erkannte sie nicht, bis sie ihren ersten Sohn gebar". Es kann auch auf die
Bemerkung des Diogenes Laertius, die auf Platon sich bezieht, hingewiesen
werden: "Dann hielt er sie rein von der Ehe bis zur Geburt (Platons)." Das
Reinhalten des Mutterleibes während der Schwangerschaft ist auch für die
Buddhalegende eine Selbstverständlichkeit, nennt doch Dighanikaya als ein
ewiges Gesetz, daß die Mutter eines Bodhisatta nach dessen Eingehen in
ihren Leib ganz von selbst die fünf Gebote hält: Kein lebendes Wesen zu
verletzen, nichts Nichtgegebenes zu nehmen (nicht stehlen), nicht unkeusch
zu leben, nicht zu lügen, nicht berauschende Getränke zu trinken; und heißt
es doch anläßlich der Empfängnis von der Mutter Buddhas, sie habe seit
sieben Tagen am Asalha-Vollmond-Feste teilgenommen, das ohne Genuß
von Branntwein gefeiert wurde, und am Empfängnistage, dem eigentlichen
Vollmondtage, die Feiertagsgebote (Uposatha) gehalten.
Überall war die Erdoberfläche mit Lotos von allen fünf Farben bedeckt, alle
Blumen blühten, im Wasser wie auf dem festen Lande; Stammlotos blühten
an den Stämmen, Zweiglotos an den Zweigen, Ranklotos an den Ranken; auf
trockenem Lande brachen Stocklotos aus der Oberfläche von Steinen hervor
und blühten siebenfach übereinander, frei in der Luft hängend kamen Lotos
zum Vorschein, ringsum regnete ein Blumenregen herab, im Ätherraum
erklangen himmlische Musikinstrumente, das All der zehntausend Welten
war wie ein abrollendes Knäuel von Blumengirlanden, wie ein
dickzusammengebundener Blumenstrauß, wie ein kunstvoll
zurechtgemachtes und geschmücktes Sitzkissen aus Blumen, ein einziger
Blumenschmuck. Ähnliches wie die Nidanakatha berichtet auch der
Lalitavistara über die Wunder anläßlich der Empfängnis. Nach Lalitavistara
empfand bei der Herabkunft des Bodhisattva kein Wesen Beängstigung oder
Furcht, Lust oder Haß, Verblendung, Eifersucht, Neid, Stolz usw., sondern
liebevolle Gesinnung, und selbst die Tiere, Höhlen- und Unterweltwesen
waren frei von Leid. Die Wunderkraft des der Geburt entgegenreifenden
Bodhisattva bewirkte, daß es zur rechten Zeit regnete, daß Frieden und
Nahrungsfülle im Lande herrschten, daß Blumen wie Regen vom Himmel
fielen usw.
In der Empfängnisnacht brach ein Lotos aus der Erde und wuchs bis in den
Brahma-Himmel empor, den außer dem höchsten der Wagenlenker
(Bodhisattva) und dem großen Brahma niemand sah. Was es an Kraft und
Saft, Essenz und Süßigkeit in der Billion von Weltsystemen gibt, das alles
war als Honigtropfen in jenem großen Lotos, und der große Brahma brachte
diesen Honigtropfen dem Bodhisattva, der ihn genoß. Dieser Lotos stellt
eine Form des Paradiesbaumes dar, der, da er eigentlich die
weltdurchdringende Gottheit und die gottdurchdrungene Welt
versinnbildlicht, ebenso lange existiert wie die göttliche Verkörperung
dauert, weshalb er mit der Empfängnis des Bodhisatta entsteht und mit
Buddhas Tod wieder vergeht, wie auch der Baum Parijata (himmlischer
Lotus) des Krsna nicht länger dauert als Krsna auf Erden bleiben wird. Der
Honigtropfen ist zu vergleichen mit dem Soma, dem Nektar, dem Met, den
der Adler dem eben geborenen Indra resp. Zeuskinde bringt. Soma ist die
eigentliche Quintessenz, der Saft und die Kraft der Welt.
Als solcher heißt er auch Arzt. Im Lalitavistara wird er geradezu von den
Gottheiten als "König der Ärzte, der alle Krankheiten beseitigt", gepriesen,
und er heißt der "höchste der Ärzte, der Heilende, der Entferner des Pfeiles
oder Dornes", "der erfahrene, heilende Arzt, der das Glück der Todesfreiheit
schenkt und alle Krankheit der Wesen vertreibt". Der Gott treibt aber nicht
nur das Leben an, sondern hemmt es auch. So bringt Gott Savitar, der
Sonnengott, der ja gerade daher seinen Namen hat, daß er alles antreibt,
anregt und belebt, auch alles wieder zur Ruhe. Besonders eindrucksvoll und
beachtenswert ist hierfür die Rgveda, wo es nach Grassmanns Übersetzung
(mit einigen Abänderungen) heißt:
2. Der Gott ... tut auf die Hand, und alles lauscht gehorsam;
Die Wasser auch, sie schmiegen seinem Dienst sich,
Und selbst der Wind ruht aus auf seiner Umfahrt.
Die Gottheit treibt also nicht nur den Naturlauf an, sondern bringt ihn auch
zur Ruhe, ja, hemmt ihn. So hemmt Indra die Ströme und dehnt auch kraft
seiner Göttlichkeit, wenn er es will, den Tag in die Nacht oder die Nacht in
den Tag. Er läßt (nachts) das Roß der Sonne ruhen, wenn es die Bahn
durchlaufen hat. Besonders wichtig ist, daß die Gottheit nicht nur den
Naturlauf zur Ruhe bringt, sondern ihn geradezu hemmt. So befindet sich
auch Buddha mitten in der Überschwemmung auf trocknem Lande, und er
bewirkt, daß der Schatten des Baumes, unter dem er als Bodhisattva
anläßlich des Pflugfestes sitzt, sich nicht weiterbewegt. (Siehe später!) So
hat es einen tiefen Sinn, wenn es anläßlich der Empfängnis heißt: "Der Wind
wehte nicht, die Vögel in der Luft, auf den Bergen und Bäumen ließen sich
schreiend auf die (ebene) Erde nieder, die Sonne wärmte nicht, und ihr
Glanz war getrübt." Durch das Erscheinen des Buddha wird die Natur
gleichsam in ihrem Gange gehemmt, zum Stillstand gebracht und ihres eben
noch blühenden Lebens beraubt.
Das ist auch der tiefe Sinn des folgenden Berichts: "Als nach Ablauf von
zehn Monaten die Geburtsstunde nahegekommen war, da zeigten sich in des
Königs Suddhodana Palast und Lustwald zweiunddreißig Vorzeichen (und
zwar neben den positiven die negativen): Alle Blumen trieben zwar
Knospen, blühten aber nicht auf . . ., alle Winde ruhten und wehten nicht
mehr, alle Flüsse strömten nicht, Mond und Sonne und die Scharen der
Sternlichter bewegten sich nicht ..., man hörte keinen Laut mehr von
Krähen, Enten, Geiern, Wölfen und Schakalen ..., im ganzen Lande ruhten
alle Geschäfte ... " Der tiefere Sinn ist der, daß mit dem Erscheinen Buddhas
die ganze Erde und Welt stillsteht, mitten im blühenden und kraftvollsten
Leben das Leben selbst aufgehoben wird, und so ist in diesen Berichten, die
einerseits vom blühenden Leben der Natur künden und andererseits vom
Stillstand in derselben, kein Widerspruch zu sehen, sondern eine Ergänzung.
Buddha, durch den das Leben selber seine höchste Erfüllung erhält, stellt
zugleich mitten in dieser höchsten Erfüllung die Überwindung desselben
dar. Nur der höchste Aufstieg führt zum Abstieg, nur die höchste Bejahung
des Lebens zur Verneinung desselben.
Übrigens ist auch auf die nahe Verwandtschaft mit einem Stück des
verbotenen ProtEvangelium von Jakobi hinzuweisen, in dem Joseph mit
Bezug auf den Zeitpunkt vor der Geburt, nachdem Maria in eine Höhle
geführt war, spricht: "Ich aber (Joseph) ging herum und ging nicht herum,
und ich blickte auf in den Luftraum und ich sah den Luftraum starr, und ich
blickte auf zum Pol des Himmels und sah ihn feststehend und sah die Vögel
des Himmels ruhen, und ich blickte auf die Erde und sah eine Eßschüssel
und die Arbeiter dabeiliegen und ihre Hände in der Schüssel, diejenigen,
welche kauten, kauten doch nicht, und die dabei waren, etwas
herauszunehmen, nahmen nichts heraus, und diejenigen, welche Speisen in
den Mund steckten, steckten sie nicht in den Mund. Getriebene Schafe
standen still. Der Hirt wollte sie mit einem Stab schlagen, aber seine
aufgehobene Hand blieb in der Luft stehen. Die Böcke steckten ihr Maul ins
Wasser, aber tranken nicht. Alles stand in seinem Laufe still."
Das ist eine Parallele zu jener oben angeführten Stelle des Buddhismus. Mit
dem Erscheinen Buddhas tritt sozusagen Stillstand in der Natur ein, hört
alles auf zu wachsen und zu blühen, und zwar gerade in dem Augenblick,
wo alles in höchster Wachstumsfülle und Blütenpracht steht. So verbindet
sich mit der Kraft und Fülle der Natur zugleich das Vergehen und
Überwinden derselben, und Buddha, der selbst die höchste Kraft und Fülle
des Lebens repräsentiert, hat gerade dadurch auch die Macht über das Leben
und die Kraft, das Leben zu überwinden; ja, das macht den eigentlichen
Kern der Buddhalehre aus, die alles andere als Dekadenz im gewöhnlichen
und abwertenden Sinne ist. Will man überhaupt das belastete und belastende
Wort Dekadenz auf Buddhas Lehre anwenden, so ist es eine Dekadenz, die
nicht aus tiefster Schwäche, sondern aus höchster Stärke entspringt.
Ähnliche Zeichen wie die zuletzt angeführten begeben sich nach
Buddhacarita charakteristischerweise nicht nur bei der Empfängnis, sondern
auch bei der Erleuchtung unter dem Erkenntnisbaum, indem es dort heißt:
"Die wilden Tiere und Vögel verstummten, die Bäume hörten auf zu
rauschen und die Winde, sie zu bewegen ... ` Auch nach der Nidanakatha
hörten bei des Buddha Erleuchtung die Ströme auf zu fließen, und in der
Lalitavistara begeben sich ähnliche Zeichen auch kurz vor des Prinzen
Entweichen aus dem Heim in die Heimlosigkeit; sie sollen dort aber wohl
zugleich die Trauer der Natur um den Prinzen andeuten: "Die Vögel
verstummen, die Lotos in den Teichen welken, die Blätter der Bäume
vertrocknen, und ihre Blüten fallen ab, Musikinstrumente hören auf zu
klingen, die Stadt wird vom Schlaf überwältigt . . ."
Als genau zehn volle Mond-Monate (diese sind kürzer als die mit Rücksicht
auf den Sonnenlauf späterhin festgesetzten: sie dauern nur 29 Tage, 12
Stunden, 24 Minuten, 3 Sekunden) seit der Empfängnis um waren, kam die
Geburt. Maya wurde unterwegs von ihr überrascht. (Auch die Geburt des
Jesuskindes erfolgt unterwegs.) Nach der Buddhacarita hatte die Mutter des
Bodhisattva ein Gelüste nach dem Lumbini-Hain verspürt, nach Nidanakatha
hatte sie sich aufgemacht, um ihre Angehörigen in der Stadt Devadaha zu
besuchen, nach Lalitavistara, um unterwegs im Lumbini-Hain sich spielend
zu ergehen, nach Mahavastu, von ihrem Vater Subhuti eingeladen, ihre
Niederkunft im Elternhause zu halten. Der Bericht von Mayas
Entbundenwerden "unterwegs" mag ein Nachklang von einer vielleicht
schon vorgriechisch-indischen Erzählung vom Umherirren einer für ihre
Niederkunft einen sicheren Ort suchenden schwangeren Gottmutter sein. Es
scharen sich die Apsaras (halb menschliche, halb göttliche Frauen, deren
Hauptaufgabe es ist, die Götter und Göttinnen zu unterhalten) um die
Königin Maya und sorgen für den jungen Bodhisattva. Der Lumbini-Hain,
nach der Nidanakatha zwischen Buddhas Vaterstadt Kapilavatthu und
Devadaha gelegen, war bei Mayas Ankunft von den Baumwurzeln bis zu
den Zweigspitzen ein Blütenmeer, von Bienen durchsummt und von
Vogelsang erfüllt.
Im einzelnen erfahren wir noch folgendes über die Geburt: Als die Königin
Maya den Hain betreten hatte, kamen die Geburtswehen über sie. Sie trat
unter einen heiligen Sala-Baum (Sal-Baum = Kronbaum; pali: sala;
botanisch: Shorea robusta, Vatica robusta), faßte mit der Rechten einen
seiner Zweige, der selbst sich ihr entgegenbog (nach Buddhacarita unter der
Last seiner Blüten), und stand, sich reckend da (das Recken der rechten
Körperseite soll wohl die Geburt aus der rechten Seite verständlich machen),
und so im Stehen gebar sie den Bodhisattva. Nach dem Koran wurde auch
Jesu Mutter entbunden, als sie unter einem frische Datteln tragenden
Palmbaume stand. Dieses Motiv scheint bereits urindogermanisch zu sein,
denn auch Leto, die Mutter Apollons, gebar ihren Sohn, während sie einen
Palmbaum faßte. Es ist nach Dighanikaya ewiges Gesetz, daß die Mutter
eines Bodhisattva diesen im Stehen gebiert, und zwar aus ihrer rechten Seite.
Die Seite der Mutter des Bodhisattva wurde dabei nicht "aufgerissen",
"verletzt", und die Mutter blieb frei von Schmerz und Krankheit, weil,
Tathagatas, d. h. "Buddhas", "in geistiger Gestalt zum Vorschein kommen",
und der Vorgang der Geburt war ohne Zeitdauer.
Der Tag der Geburt des Bodhisattva war der, an dem der Vollmond im
Sternbild Pusya stand. Es ist ewiges Gesetz, daß auch bei der Geburt eines
Bodhisattva - wie bei der Empfängnis - die Welt, eingeschlossen die der
Götter, Brahmas und Mara, der Gott des Bösen, mitsamt den finsteren
Höhlen in den Zwischenwinkeln der Welten, voll Licht ist, und so erstrahlt
auch bei der Geburt unseres Bodhisattva die Welt voll Licht. Ebenso wurde
in der Geburtsnacht des Mahavira dadurch, daß viele Götter hernieder- und
hinaufstiegen, himmlischer Lichtglanz hervorgebracht, und das ganze
Weltall war ebenfalls ein Licht. Auch nach Jesu Geburt erstrahlte Licht:
"Und es erschien ein großes Licht in der Höhle, daß die Augen es nicht
ertragen konnten." Vgl. auch Luk. 11, 9: "Und die Klarheit des Herrn
leuchtete um sie." Vgl. ferner Jes. IX, 2: "Das Volk, so im Finstern wandelt,
siehet ein großes Licht!" (auch zitiert in Matth. 4, 16) und 6: "denn uns ist
ein Kind geboren."
Es ist ein ewiges Gesetz, daß einen Bodhisattva, wenn er geboren wird,
zuerst Götter in Empfang nehmen und dann Menschen. Sie fangen ihn auf,
bevor er den Erdboden erreicht. Sie legen ihn vor die Mutter hin mit den
Worten: "Königin, freue dich, ein Gewaltiger ist von dir als Sohn geboren."
(Vgl. Luk. 1, 32: "Der wird groß und ein Sohn des Höchsten genannt
werden.") Nach Lalitavistara war es der Götterkönig Sakra und Brahma
Sahampati, und im Nidanakatha waren es Mahabrahma-Götter, die das
Buddhakind auffingen, und zwar nach Nidanakatha in einem goldenen
Netze, und dazu jene oben angeführten Worte sprachen. (Die
Mohammedaner haben eine Tradition, nach der Abraham bei seiner Geburt
vom Engel Gabriel aufgefangen wurde.) Nach Nidanakatha nahmen aus den
Händen der Brahmagötter die vier göttlichen Großkönige das Kind auf einer
Felldecke in Empfang und legten es auf eine Unterlage von feinem Zeug.
Auch nach Mahavastu tragen die vier Welthüter himmlische Decken in den
Händen, um das Kind darin aufzufangen, und im Lalitavistara hüllen Sakra
und Brahma Sahampati das Buddhakind in himmlisches feines Zeug. Der
Vergleich im Dighanikaya: "Wie ein Edelstein, der auf Benares-Zeug liegt,
dieses nicht befleckt, so ist ein Bodhisatta rein nicht besudelt", spricht dafür,
daß auch dem Überlieferer dieser Stelle die Erzählung vom Auffangen auf
Zeug nicht fremd war.
Die Fürsten der Geister (Götter) umstanden verehrend das Lager des
Neugeborenen; das Kind aber sprang mit beiden Füßen auf die Erde, was
nach ewigem Gesetz jeder Bodhisatta tut. Auch vom ebengeborenen Indra
heißt es: "Da sprang er auf, da erhob er sich und füllte im Geborenwerden
beide Welten", d. h. seine Geburt ist seine Entfaltung zu den irdischen und
himmlischen Dingen und Wesen. Von Savitar heißt es: "Gott Savitar erhob
sich, seine Schöpferfähigkeit zu treiben auch von Usas wird gesagt: "Da
stand er auf, selbst ins Gewand sich kleidend, und erfüllte beide Welten."
(Auch später auf Buddhas Weltflucht und Anlegen des gelbroten Gewandes
zu beziehen.)
Mit dem Blick eines Löwen, eines großen Wesens und mit der
Unerschrockenheit des Löwen hielt er nach allen Seiten Ausblick und
erkannte, daß niemand in der Welt ihm gleich sei, und er verkündete mit
Löwenstimme und in dem Ton des brüllenden Stiers: "Ich bin der erste, der
höchste, der beste in der Welt, dies ist meine letzte Geburt, es gibt kein
Wiedergeborenwerden mehr für mich!" Statt des letzten Satzstückes der
Nidanakatha und des Mahavastu steht in Lalitavistara: "Ich werde das Ende
des Leidens, das in Geburt, Alter und Sterben besteht, herbeiführen" bzw.:
"Ich werde der höchste der Ärzte sein, der Alter und Tod vernichtet",
während es im Buddhacarita heißt, daß er zum letztenmal zur Erkenntnis
und zum Heil der Welt geboren sei. Der Vergleich des Bodhisattva und
Buddhas mit einem Löwen kehrt oft wieder und hat ebenfalls mythologische
Grundlagen. In der Suttanipatta heißt der Bodhisatta "Sakya-Stier" und z. B.
im Mahavastu "Löwe aus dem Sakyageschlecht". Zwei der
bedeutungsvollen Körpermerkmale der Bodhisattvas waren ja auch diese,
daß Oberkörper und Kinnbacken denen des Löwen glichen. Nach
Atharvaveda ist "Löwe" eine Bezeichnung des Tathagata, des Vollendeten,
vollkommen Erleuchteten. Die Frühreife des Bodhisattva und sein
wunderbar schnelles Wachstum sind ebenfalls auf Gedanken uralter Heroen-
und Göttermythen zurückzuführen. Von Indra, dem Gott des Krieges, wird
berichtet, daß er, eben geboren, den Dämon Vejamsa erschlug, und der
pythische Apollon sprang, als ihn die Göttermutter Leto gebar, sofort ans
Licht heraus.
Unmittelbar nach der Geburt des Bodhisattva wurden in den Sakya-Familien
fünfhundert andere Knaben und fünfhundert Mädchen, als erstes Mädchen
Yagodhara, laut Lalitavistara Jagovati, des Bodhisattva zukünftige Gattin,
geboren, auch fünfhundert Diener, als erster unter ihnen Chandaka, des
Prinzen späterer Rosselenker, auch fünfhundert Dienerinnen, fünfhundert
Hengste, als erster unter ihnen Kanthaka, des Prinzen späteres Reitpferd,
ferner fünfhundert Elefanten, und auch unglaublich viele Schatztöpfe kamen
zum Vorschein. Der Lalitavistara ist dann noch viel ausschweifender in den
Zahlenangaben, er spricht von zehntausend Mädchen und Dienerinnen, auch
noch von zahlreichen, Zwanzigtausenden von Bürgertöchtern, die alle in der
Geburtsnacht geboren und von ihren Eltern samt und sonders dem
Bodhisattva zur Bedienung, d. h. auch als zukünftige Nebenfrauen,
geschenkt wurden. Das Nidanakatha weiß nur von der gleichzeitigen Geburt
der Königin und Mutter des Rahula, (Buddhas späterem Sohn) also seiner
Gattin, ferner seiner Diener Channa und Kaludayi, des Königs der Rosse,
Kanthaka, und der Entstehung des Erkenntnisbaumes. Alles das,
einschließlich der Schatzkrüge und dieser ganz besonders, waren gleichsam
des Bodhisatta Geburtstagsgeschenke, und diese sollen den Anlaß gegeben
haben für die Wahl seines Eigen- und Vornamens. Nach Nidanakatha fand
nämlich fünf Tage nach der Geburt des Bodhisatta das Fest der
Namengebung statt; den Namen, den man ihm gab, nennt sie indessen dabei
nicht; da sie aber eine Seite später den Bodhisatta "Prinz Siddhattha" ("durch
den die Zwecke erreicht sind") nennt, wird wohl dies der Name gewesen
sein, den er bei dem Fest der Namengebung erhielt. Die Lalitavistara
berichtet im Anschluß an den Bericht über alle die Wesen und Dinge, die
mit der Geburt des Bodhisattva gleichzeitig geboren wurden und erschienen:
"So waren alle irgenddenkbaren Wünsche des Königs Suddhodana (so heißt
Buddhas Vater == "der, dessen Reisbrei gut ist") erfüllt; darauf kam ihm der
Gedanke: "Welchen Namen soll ich dem Prinzen geben?" Da kam ihm der
Gedanke: "Schon mit seiner Geburt sind alle meine Zwecke erreicht, ich will
ihm den Namen Sarvarthasiddha geben", und er tat das.
Es ist ein ewiges Gesetz, daß die Mutter eines Bodhisatta sieben Tage nach
der Geburt desselben stirbt und in den Himmel der Tusita-Götter eingeht. Da
der Bodhisatta mit Gott Indra das gemein hat, daß beide durch die Seite ihrer
Mutter geboren werden, wird man auch den Tod der Mutter des Bodhisatta
eine Woche nach der Geburt damit vergleichen dürfen, daß in dem
Rgvedahymnus vom Tode der Mutter Indras wenigstens gesprochen wird,
und daß der Feuergott Agni, kaum geboren, beide Eltern (d. h. die
Reibhölzer) verschlingt. Die Pflegemutter des Bodhisattva wurde dann
Mahaprajapati, die Schwester der Mutter des Bodhisattva.
Aus der frühen Kindheit des Bodhisattva wird uns berichtet, wie das
Bodhisattva-Kind anläßlich eines Pflug- und Säefestes unter dem Schatten
eines Rosenapfelbaumes in tiefer Versenkung und Kontemplation aufrecht
saß, um gleichsam die spätere Buddhalehre vorwegzuträumen.
Selbstverständlich hat dieses Pflug- und Säefest zutiefst symbolische
Bedeutung, indem durch die Buddhalehre selbst der Erdboden von Grund
aus aufgerührt bzw. durchfurcht wird damit eine neue Saat, die des
Buddhismus, keimen und grünen könne. Anläßlich dieses Pflug- und
Säefestes bewirkte das Bodhisattva-Kind, daß der Schatten des
Rosenapfelbaumes sich nicht fortbewegte. Aus der Kindheit des Bodhisattva
ist ferner ein Tempelbesuch hervorzuheben. Als das Bodhisattva-Kind in
den Tempel eintrat, stürzten, wie berichtet wird, alle Götterbilder von den
Wänden. Die buddhistische Religion ist ja dadurch gekennzeichnet, daß sie
jede Art von Existenz und so konsequenterweise auch die der Götter
aufgehoben hat. Schließlich ist aus der Kindheit des Bodhisattva noch sein
Schulbesuch zu erwähnen. Als der Bodhisattva, so heißt es, in die
Schreibschule eintrat, überragte er durch seine Fähigkeiten nicht nur seine
Mitschüler, sondern auch seine Lehrer dadurch, daß er sämtliche Alphabete
und Sprachen der Welt kannte und zu entziffern verstand, d . h. er allein
wußte den wahren Weltensinn zu deuten.
Solange der Bodhisattva im Land der -ewigen Jugend aufwuchs und ein
sorgloses Leben führte, wußte er nichts von Alter, Krankheit und Tod. Eines
Tages aber hatte er ein einschneidendes und sein ganzes Leben
umformendes Erlebnis, das die Legende in den Bericht von den vier
Ausfahrten gekleidet hat. Bei der ersten dieser vier Ausfahrten, die der
Bodhisattva mit seinem Wagenlenker in den Park unternahm, begegnete
ihnen ein alter Mann, gebückt, auf seinen Stab gestützt, langsam und
schleppend sich dahinbewegend. "Was ist das?", fragte der Bodhisattva, der
bisher nur ewige Jugend kannte und noch nie einen alten Menschen gesehen
hatte, den Wagenlenker. Der Wagenlenker aber antwortete: "Das ist ein
Mensch, der alt geworden ist, denn es gehört zum Wesen alles dessen, was
geboren ist, daß es auch einmal alt wird." Der Bodhisattva aber, zutiefst
entsetzt und erschüttert über diese Begegnung, ruft die Worte aus: "Weh
über die Geburt, wenn mit dem Geborenwerden auch das Altwerden
verbunden ist!" Tieftraurig ließ der Bodhisattva den Wagenlenker zum
Palast zurückkehren und verharrte daselbst in ernstem Nachdenken über das
Rätselhafte und den seltsamen Sinn bzw. Nichtsinn dieses unseres Lebens.
Nach geraumer Zeit machte der Bodhisattva mit seinem Wagenlenker eine
zweite Fahrt in den Park. Da begegnete ihnen ein Mensch, der krank war
und den ganzen Körper mit Aussatz bedeckt hatte, schrecklich anzusehen.
"Weh, was ist das ?", rief der Bodhisattva, der bisher nur Gesundheit kannte
und noch nie einen kranken Menschen gesehen hatte, fragend aus. Der
Wagenlenker aber antwortete: "Das ist ein Mensch, der krank geworden ist,
denn es gehört zum Wesen alles dessen, was geboren ist, daß es auch
irgendeinmal krank wird. Der Bodhisattva aber rief aus: "Weh über die
Geburt, wenn mit dem Geborenwerden auch Alter und Krankheit verbunden
sind!", und wieder ließ der Bodhisattva den Wagenlenker zum Palast
umkehren, woselbst er, der bisher nur ewige Jugend und Gesundheit kannte,
tieftraurig nachsann über den rätselvollen und seltsamen Sinn bzw.
Nichtsinn dieses unseres Lebens, das er bisher in seiner wahren Bedeutung
noch nicht erkannt hatte.
Nach einiger Zeit machte der Bodhisattva mit seinem Wagenlenker eine
dritte Ausfahrt in den Park. Da begegneten ihnen Menschen, die einen
Toten, einen Leichnam, trugen. "Was ist das?", fragte entsetzt der
Bodhisattva, der bisher nur blühendes Leben gekannt hatte, den
Wagenlenker. Der Wagenlenker aber antwortete: "Das ist ein Mensch, der
gestorben ist, denn es liegt im Wesen alles dessen, was geboren ist, daß es
einmal sterben muß!" Der Bodhisattva aber antwortete: "Weh über die
Geburt, wenn mit dem Geborenwerden zugleich auch Alter, Krankheit und
Tod verbunden sind!" Und wieder ließ der Bodhisattva den Wagenlenker
zum Palast zurückkehren, wo er in tiefem Nachdenken über den rätselhaften
und unbegreiflichen Sinn bzw. Nichtsinn dieses unseres Lebens verweilte.
Noch ein viertes und letztes Mal machte der Bodhisattva mit seinem
Wagenlenker eine Ausfahrt in den Park. Da begegnete ihnen ein Mensch,
dessen Mienen heiter waren, wie verklärt, als wisse er nichts von dem
Leiden dieser ganzen Welt, von Alter, Krankheit und Tod. "Was ist das ?",
rief erstaunt und überrascht der Bodhisattva aus, der auf den vergangenen
Ausfahrten doch immer nur die leidvollen Erscheinungen des Lebens
kennengelernt hatte. Der Wagenlenker aber antwortete: "Das ist ein Mensch,
der die Erlösung von allen jenen Leiden gefunden hat, der frei geworden ist,
der alle Fesseln gesprengt hat, die ihn noch an dieses Leben binden." Da rief
der Bodhisattva aus: "0, so will auch ich ein solcher Welterlöser werden, der
alle Fesseln des Daseins gesprengt und die Erlösung des Daseins gefunden
hat!", und er beschloß, aus dem Heim in die Heimlosigkeit zu gehen.
Noch einmal kehrt der Bodhisattva nach Hause zurück. Er fleht seinen Vater
Suddhodana um Erlaubnis zur Weltentsagung an, doch dieser antwortet ihm,
daß seine erste Pflicht nicht sei davonzulaufen, sondern fest und treu
auszuharren, und daß es Unrecht sei, den Vater im Stich zu lassen. Die
Pflegemutter Mahaprajapati schärft der Frauenschar ein, sorgsam auf den
Prinzen zu achten. In der letzten Nacht seines Weltlebens versuchen die
Frauen den Budhisattva mit Tanz, Gesang, Musik und Koketterie zu fesseln.
Doch vergeblich! Der Bodhisattva schlief darüber ein. Dann erwachte er,
und der Saal mit der schlafenden Frauenschar erschien ihm wie ein
Leichenbestattungsplatz. Der Ekel vor den irdischen Genüssen packte ihn.
Der Gedanke wurde in ihm lebendig: "Jetzt ist der Augenblick da, den
großen Gang aus dem Heim in die Heimlosigkeit zu tun!" Da wird ihm
gemeldet: "Ein Sohn ist dir geboren!" Er aber ruft aus: "Rahula (ein kleiner
Rahu), eine Fessel ist mir geboren, die mich noch an dieses Leben binden
will!" Er geht in das Schlafgemach, sieht seine Frau mit dem kleinen
Söhnchen schlummern, bringt es nicht übers Herz, sie zu wecken, sondern
nimmt schweigend Abschied und schwingt sich auf sein weißes Roß
Kanthaka; Götter aber hielten ihre Hände unter Kanthakas Hufe, um jedes
Geräusch zu unterdrücken, denn es war tiefste und stillste Mitternacht. Nur
von seinem Diener Channa (Chandaka), der sich an des Rosses Schweif
festhalten mußte, begleitet, reitet der Bodhisattva durch drei Königreiche -
mythisch und symbolisch gedacht sind es Erde, Luftraum und Himmel, d. h.
er reitet durch die ganze Welt, um sie zu überwinden. Er kommt an einen
Fluß, setzt über diesen Fluß über und gelangt so an das andere Ufer. Dieses
andere Ufer bedeutet zugleich der Ansatz zur Möglichkeit des
Erlöstwerdenkönnens. Hier, am anderen Ufer, nimmt der Bodhisattva nun
auch Abschied von seinem Diener und von seinem Roß Kanthaka; dieses
weint, wie die Legende rührend berichtet, bitterlich, weil es seinen Herrn
zum letztenmal getragen hat, und stirbt vor Gram. Der Bodhisattva aber
schert sich Haupt- und Barthaar ab und legt ein rotgelbes Gewand an.
Neunundzwanzig Jahre alt war der Bodhisattva, als er aus dem Heim in die
Heimlosigkeit ging. Dies geht aus den Versen von Dighanikaya hervor, in
denen es heißt:
Ich ward Asket mit neunundzwanzig Jahren,
Subhadda (Wanderasket), um den Heilsweg zu erfahren,
Und mehr als fünfzig Jahre sind verstrichen,
Seit ich, Subhadda, bin dem Heim entwichen.
Wer meines Wegs ein Stück durchmaß als Wand'rer
Heißt Samana allein mit Recht, kein andrer!
Es soll an dieser Stelle nicht unterlassen werden, über ein späteres Gespräch
zu berichten, das Buddhas Sohn Rahula mit seiner Mutter hatte. Im
Mahavastu heißt es: "Rahula fragte seine Mutter: "Mutter, wohin ist mein
Vater gegangen?" Yasodhara sprach: "Nach dem Dekkhan (das Flussnetz
des Ganges im Norden, und das im Süden anschließende Hochland des
Dekkhan, mit der Hauptstadt Hyderabad), mein Sohn." Rahula fragte:
"Mutter, zu welchem Zwecke ist er nach dem Dekkhan gegangen?"
Yasoddhara sprach: "Zu Handelsgeschäften." Rahula fragte: "Warum schickt
mir denn da mein Vater nicht etwas Schönes?" Yagodhara sprach: "Die
Straße ist von Kriegsleuten gesperrt". Rahula fragte weiter: "Mutter, ist
dieser Asket mit mir verwandt? Auf keinen sonst richtet sich mein Geist so
wie auf diesen Asketen. Ich glaube, er nimmt mir mein ganzes Herz. Darum
glaube ich, er ist mein Vater." Yasodhara sprach: "Mein Sohn, er ist nicht
dein Vater." Da bat Rahula seine Mutter in herzerweichender Weise:
"Mutter, du mußt mir unter allen Umständen sagen, was dieser Asket für
mich ist." Da wurde Yasodharas Herz von Liebe und Zärtlichkeit gepeinigt.
"Wenn ich es meinem Sohn sage, droht mir Strafe und Tod. Wenn ich es
meinem Sohn nicht sage, wird er hintergangen. Ich werde sehen. Werde, was
werden mag. Ich werde es ihm sagen. Mögen die Sakyas meinen Körper mit
scharfem Schwerte Glied für Glied zerschneiden und zerteilen." Rahula
wurde später Buddhas Jünger.
Nach der Flucht des Bodhisattva aus dem Heim in die Heimlosigkeit folgen
in seinem Leben sieben Jahre angestrengten Ringens und Suchens, um das
Heil und die Erlösung vom Leiden dieser Welt zu finden. Fortan lebte der
Königssohn als Bettler (Bhikkhu), und zwar suchte er zunächst zwei Lehrer
auf, von denen er hoffte, die erlösende Erkenntnis zu gewinnen: Alara
Kalama und Uddaka Ramaputta (in verschiedenen Schriften, tragen sie
unterschiedliche Namen). Der erstere lehrte als höchsten Zustand der
Befreiung den "Zustand der Nichtirgendetwasheit", der letztere den Zustand
von "Weder-Bewußtheit-noch-auch-Nichtbewußtheit". Der Bodhisattva
zeigte großes Interesse für diese beiden Lehren, und er bemühte sich mit
solchem Erfolg um das Verständnis derselben, daß Alara Kalama ihm
bestätigte, er habe es genau so weit gebracht wie er selbst, und forderte ihn
daher auf, bei ihm zu bleiben, um neben ihm als Mitlehrer seinen Kreis zu
leiten; aber der Bodhisattva hatte die Lehre seines ersten Lehrers innerlich
bereits überwunden und widerstand so der Versuchung zu bleiben und sich
zufriedenzugeben, ohne das für ihn selbst endgültige Ziel erreicht zu haben.
Als der Bodhisattva über die beiden von seinen Lehrern bereits erreichten
Erkenntnisstufen des "Zustandes der Nichtirgendetwasheit" und des
Zustandes "Weder-Bewußtheit-noch-auch-Nichtbewußtheit"
hinausgekommen war, und er somit auch seinen zweiten Lehrer Uddaka
Ramaputta verlassen hatte, schlossen sich ihm fünf von dessen Jüngern an
(vgl. die Johannes-Jünger, Ev. Joh. I, 37ff.), in der Überzeugung, daß
Gotama (Gautama), welcher in so kurzer Zeit jene Lehrer überholt hatte,
sicher der Lehrer der ganzen Welt werden würde, und diese Fünf wurden
dann später, als er die Erleuchtung gewonnen hatte, nach einem zunächst
noch vorhergegangenen Abfall, seine ersten Jünger. In Rajagaha, der
Hauptstadt des Magadha-Reiches in Nepal, hatte der Bodhisattva seine
Lehrer kennen gelernt; mit den Fünf, die sich ihm dort anschlossen,
wanderte er nun von Rajagaha weiter nach der Stadt Gaya, im selben Lande
Magadha, etwa ein Dutzend Meilen südlich von Patna gelegen, zum Berge
Gayagirsa, zur Einsiedelei des Gaya, eines Einsiedlerkönigs am Flusse
Neranjara. Die Ruinenstätte des alten Gaya, auf den Karten als Buddha-
Gaya bezeichnet, dort, wo Buddha dann die erleuchtende Erkenntnis
gewann, liegt fünf englische Meilen südlich von der jetzigen Stadt Gaya.
Von Gaya wanderte der Bodhisattva sodann weiter nach dem lieblichen,
waldumgebenen und offenbar nicht weit von Gaya gelegenen Orte Uruvela
(Uruvilva). Im Majjhimanikaya (Sammlung der mittleren Lehrreden
Buddhas) heißt es: "Als ich den Weg zum Heil suchte, gelangte ich bei
meinen Wanderungen im Reiche Magadha schließlich nach Uruvela. Da
kam mir der Gedanke: "Lieblich fürwahr ist dieser Erdfleck reizend das
Walddickicht, ein Fluß fließt da silberhell mit schönen Ufern, und im
Umkreis sind schöne Dörfer, wo man Almosen erlangen kann. Das ist so
recht geeignet für einen Jüngling, der nach dem Höchsten ringt. Immer mehr
unterwarf sich der Bodhisattva strengster Askese, schlief auf harten, Lager
und nahm schließlich gar keine Speise mehr zu sich. Als er jedoch immer
mehr abnahm, seine Kräfte schwanden und er fast zum Skelett geworden
war, da erkannte er, daß dieser Weg der strengsten Askese auch nicht der
richtige sei, um zur erlösenden Erkenntnis zu gelangen, denn wenn die
Kräfte ganz versagen, ist auch nicht mehr die Kraft zur Erkenntnis da, und
so entschloß er sich, nach dieser langen Fastenzeit wieder Speise zu sich zu
nehmen. Die Fünf aber, die ihn während der harten und strengen Askese,
welche er an sich selber übte, bewundert hatten, glaubten nun, er sei sich
Selbst untreu geworden, und fielen zunächst von ihm ab.
Einsam, ganz auf sich selbst gestellt, ohne Lehrer und ohne Anhänger, rang
der Bodhisattva nach der erlösenden Erkenntnis, bis er sie, plötzlich und
doch lange vorbereitet, unter dem berühmt gewordenen Erkenntnisbaum
(Assattha) am Ufer des Flusses Neranjara fand. Zunächst versuchte ihn, wie
auch schon früher öfters, Mara der Böse (von der Wurzel mar = sterben, also
Mara = der Todesdämon), mit seinen Töchtern Trena (Durst), Rati (Wollust)
und Raga (Leidenschaft), aber sie konnten ihm nichts mehr anhaben; der
Bodhisattva ging als Sieger über Mara, der ihn mit seinen Töchtern noch an
diese Welt zu fesseln suchte, hervor. Der Marakampf war zugunsten des
Bodhisattva entschieden; das aber bedeutet zugleich den Sieg der Idealität
über die Realität des Daseins, denn Mara stellt letzthin nichts anderes dar als
die Personifikation der Realität im Gegensatz zu Buddha als leibhaftiger
Personifikation der Idealität.
Vier dieser Kategorien kommen dann auch noch einmal als gesonderte
Glieder der Kausalitätskette vor, so daß für das vierte Glied der Kette als
besonders wesentlich die zentrale Kategorie des Bewußtseins überhaupt
anzusehen ist, ohne das es gar keine Welt für uns gäbe. Der Bodhisattva
fragt dann aber weiter: Welches ist die Ursache für jene fünf Kategorien des
erscheinungsweltlichen Auffassens? Die Antwort lautet: Das ist der Durst,
der blinde Drang des Willens zum Leben, wie Schopenhauer sagt: dieser
Durst als fünftes Glied der Kette ist eine der Hauptursachen allen Leidens.
Der Bodhisattva fragt weiter: Welches ist die Ursache für diesen Durst?, und
die Antwort lautet: das Gefühl, denn ohne das Gefühl gäbe es auch keinen
Durst. Das Gefühl ist das sechste Glied in der zwölfgliedrigen
Kausalitätskette. Welches ist aber die Ursache für dieses Gefühl? Die
Antwort lautet: die Berührung ; sie ist das siebente Glied in der Kette der
Bedingtheit.
Welches ist die Ursache für die Berührung? Diese Ursache ist in dem
Sechssinnenreich (die fünf Sinne und der Verstand als sechster Sinn) zu
erkennen, das das achte Glied der Kette ausmacht. Welches ist die Ursache
für dieses sechssinnenreich? Die Antwort lautet: Name und Gestalt, das
neunte Glied in der Kette. (Aus Name und Gestalt folgt die Berührung, des
Verstandes und der Sinne. Aus der Wahrnehmung folgt Name und Verstand.
Name und Verstand bin ich also selber als Person. Buddha spricht mit Bezug
auf das Glied "Name und Gestalt" der Kausalitätsreihe zu Ananda:
"Ananda, wenn die Wahrnehmung nicht in den Mutterleib eindränge, würde
dann wohl Name und Gestalt im Mutterleib zustandekommen?") Welches
ist die Ursache für Name und Gestalt? Antwort: Die Wahrnehmung, das
zehnte Glied in der Kette der Bedingtheiten. Welches ist die Ursache für die
Wahrnehmung? Antwort: Das sind die Phantasievorstellungen, von denen
die Wahrnehmungen eine bestimmte Art darstellen, diejenige nämlich,
welche sich auf angebliche Realität bezieht. Die Phantasievorstellungen
bilden das elfte Glied der Kette; und nun erhebt sich für den Bodhisattva die
letzte Frage. Welches ist die Ursache für alle diese Phantasievorstellungen
überhaupt? Die Antwort lautet: Die Ursache für diese
Phantasievorstellungen liegt in dem Nichtwissen.
Dieses Nichtwissen bildet die letzte Ursache (das zwölfte Glied in der Kette)
von allem, was überhaupt ist und somit auch die letzte Ursache dafür, daß es
das in dieser Welt gibt, von dem in der zwölfgliedrigen Kausalitätskette
ausgegangen wurde: Alter, Krankheit und Tod. Das Nichtwissen aber
wovon? Antwort: Das Nichtwissen von der Irrealität dieser ganzen
Erscheinungswelt, das Nichtwissen davon, daß alle Dinge, die uns umgeben,
und auch wir selbst, in Wahrheit gar nicht an sich und real sind, sondern daß
alles, was ist, nur durch ein anderes ist, ohne welches es gar nicht das wäre,
was es ist, und also alles nur Erscheinung ist.
Wenn nun aber das, wodurch allein etwas ist, aufgehoben wird, ist auch das,
was durch es ist, aufgehoben, und an die Stelle des Nichtwissens ist das
Wissen getreten. So aber folgt auf die Setzung der einzelnen Glieder der
Kausalreihe ihre Aufhebung, angefangen vom letzten Gliede, das nun in der
Aufhebung das erste ist, und zwar in folgender Weise: Wenn das
Nichtwissen aufgehoben wird, d. h. an die Stelle des Nichtwissens von der
Irrealität der ganzen Erscheinungswelt das Wissen von ihr als einer solchen
getreten ist, dann sind auch die Phantasievorstellungen aufgehoben; wenn
die Phantasievorstellungen aufgehoben werden, dann sind auch die
Wahrnehmungen aufgehoben; wenn die Wahrnehmungen aufgehoben
werden, dann sind auch Name und Gestalt aufgehoben; wenn Name und
Gestalt aufgehoben werden, dann ist auch das Sechssinnenreich aufgehoben;
wenn das Sechssinnenreich aufgehoben wird, dann ist auch die Berührung
aufgehoben; wenn die Berührung aufgehoben wird, ist auch das Gefühl
aufgehoben; wenn das Gefühl aufgehoben wird, dann ist auch der Durst
aufgehoben; wenn der Durst aufgehoben wird, dann sind auch die fünf
Kategorien des erscheinungsweltlichen Daseins aufgehoben; wenn die fünf
Kategorien des erscheinungsweltlichen Daseins aufgehoben werden, dann ist
auch das Werden überhaupt aufgehoben; wenn das Werden überhaupt
aufgehoben wird, dann ist ,auch die G eburt im besonderen aufgehoben, und
wenn die Geburt im besonderen aufgehoben wird, dann sind auch Alter,
Krankheit und Tod aufgehoben; werden aber Alter, Krankheit und Tod
aufgehoben, dann ist die Erlösung von allem Leiden erlangt, und der Mensch
ist eingegangen in das Nirvana (Pali = Nibbana).
Als der Bodhisattva diese Kausalitätsreihe zu Ende gedacht und das Nirvana
als den eigentlichen Sinn des Lebens und als Erlösung vom Leiden erkannt
hatte, da bebte die Erde, und aus dem Bodhisattva war ein Buddha
geworden, d. h. einer, der erkannt hat die tiefe Wahrheit, daß alles nur
Schein ist und es kein reales, weder empirisches noch metaphysisches, Sein
gibt, und der so aus allem dogmatischen Schlummer, in den die Menschheit
sonst versunken bleibt, aufgewacht ist. Als einer, der den Weg bis ans Ziel
des Nirvana gegangen ist, heißt der Buddha (Tathagata = der so Gegangene)
auch (Sugata = der gut Gegangene), (Arahat = der Vollendete), (Sattha = der
Meister) oder (Bhagavat = der Erhabene); vgl. Bhagavadgita = "Der Sang
des Erhabenen" d. h. der, der sich über alles Sein und Nichtsein erhoben hat,
indem er es als Schein erkannt hat und so ins Nirvana eingegangen ist. Als
ein solcher heißt der Buddha auch Sieger, der, der den Sieg im Marakampf
errungen hat; denn Mara bedeutet nichts anderes als jene ganze
Erscheinungswelt, insofern sie fälschlicherweise für Realität gehalten wird.
Als Buddha die erleuchtende Erkenntnis gewonnen hatte, sprach er die
Worte:
Und er sprach weiter die Worte: "Tief, sehr tief ist dieses Gesetz vom
"Entstehen in Abhängigkeit"; weil dieses Geschlecht das Gesetz von der
Bedingtheit der Erscheinungswelt nicht erkannt hat, ist es wirr geworden wie
ein Garnknäuel und kommt aus dem Samsara, dem Rad, von Tod und
Wiedergeburt, nicht heraus." Immer wieder heißt es daher in den
buddhistischen Texten mit Bezug auf die Kausalitätskette: "Von den Dingen,
die als ursächlich bedingt sind, hat der Vollendete die Ursache dargelegt und
auch, wie die Aufhebung möglich ist; darin besteht die große Lehre des
großen Saman a (Asketen)."
Um diese drei Kernstücke kreist dann auch die ganze Buddhalehre, und alle
drei hängen auf das engste zusammen.
Vier Wochen lang genoß der erhabene Buddha das Glück der Erlösung,
immer wieder von neuem die Kette der Bedingtheit der Erscheinungswelt,
die Kausalitätsreihe, durchgehend, und zwar sowohl in der Setzung als auch
in der Aufhebung. Darüber berichtet der berühmte Anfang des Mahavagga,
der hier in Übersetzung wiedergegeben werden soll: "Zu der Zeit hielt sich
der erhabene Buddha in Uruvela am Ufer des Flusses Neranjara im ersten
(Genuß) der Erleuchtung am Fuße des Erkenntnisbaumes auf. Da saß der
Erhabene am Fuße des Erkenntnisbaumes sieben Tage lang auf einer Stelle
und empfand die Seligkeit der Erlösung." "Dann ließ er sich in der ersten
Nachtwache (nach diesen sieben Tagen) den Kausalnexus des Erscheinens
(der Sinnenwelt), vorwärts und rückwärts (noch einmal) durch den Kopf
gehen: Auf dem Nichtwissen beruhen die Phantasievorstellungen, auf den
Phantasievorstellungen beruht die Wahrnehmung, auf der Wahrnehmung
beruhen Name und Gestalt, auf Name und Gestalt beruht das
Sechssinnenreich, auf dem Sechssinnenreich beruht die Berührung (der
Kontakt zwischen Subjekt undObjekt), auf der Berührung das Gefühl, auf
dem Gefühl der Durst (das Interesse daran), auf dem Durst das Annehmen
durch die fünf Kategorien des erscheinungsweltlichen Auffassens (das Als-
real-Anerkennen und Zum-Subjekt-in-Beziehung-stehen, im Sinne des
Sichdaraufeinlassens), auf dem Annehmen beruht das Werden, auf dem
Werden die Geburt, auf der Geburt Alter, Sterben und Kummer, Klage,
Leid, Unglück und Verzweiflung."
So verhält es sich mit dem Erscheinen dieser Gesamtheit des Leidens. Die
Folge aber der gänzlichen Aufhebung des Nichtwissens ... ist die Aufhebung
der Phantasievorstellungen, die Folge der Aufhebung der
Phantasievorstellungen die Aufhebung der Wahrnehmung, die Folge der
Aufhebung der Wahrnehmung die Aufhebung von Name und Gestalt, die
Folge der Aufhebung von Name und Gestalt die Aufhebung des
Sechssinnenreiches, die Folge der Aufhebung des Sechssinnenreiches die
Aufhebung der Berührung, die Folge der Aufhebung der Berührung die
Aufhebung der Empfindung, die Folge der Aufhebung der Empfindung die
Aufhebung des Durstes (Interesses), die Folge der Aufhebung des Durstes
die Aufhebung des Annehmens (Anerkennens als Realität), die Folge der
Aufhebung des Annehmens die Aufhebung des Werdens, die Folge der
Aufhebung des Werdens die Aufhebung der Geburt, die Folge der
Aufhebung der Geburt die Aufhebung von Alter und Sterben, Kummer,
Klage, Leid, Unglück und Verzweiflung." Es heißt dann: "Darauf ließ der
Erhabene in dieser Erkenntnis zu jenem Zeitpunkt diesen feierlichen Spruch
erschallen: "Wenn dem eifrig sinnenden Brahmanen das Wesen der
Sinneserfahrung offenbar wird, dann schwinden ihm alle Zweifel, sobald er
die Sinneserfahrung samt ihrer Ursachen durchschaut."
Ein schöner und zugleich tiefsymbolischer Zug Buddhas ist es, daß er, wie
uns berichtet wird, in den vier ersten Wochen nach der erlösenden
Erkenntnis von Baum zu Baum wanderte, um das Glück der Erlösung
auszukosten. Der Baum mit seinen Zweigen ist so recht ein Zeichen für das
Alldurchdringen der ganzen Welt, und zwar hier nun zum Zwecke des
Allüberwindens derselben. Nachdem der Buddha zunächst unter dem
Erkenntnisbaum (Bodhi-Baum, es handelt sich um einen Assattha- oder
Pippala-, einen Pappelfeigenbaum) sieben Tage geweilt hatte, wanderte er
laut Mahavagga (Korb der Erziehungsregeln für die Mönche, grosse
Abteilung) zu dem Baum des Ziegenhirten (Feigenbaumes), unter dem er
wiederum sieben Tage verweilte, um dann die nächsten sieben Tage unter
dem Baume des Schlangengottes Mucalinda zu verbringen. Es heißt:
"Darauf, am Ende (jener zweiten) sieben Tage, erhob sich der Erhabene aus
solcher Versenkung und ging vom Fuße des Feigenbaumes des Ziegenhirten
dorthin, wo sich der Mucalinda-Baum befand. Dort am Fuße des Mucalinda-
Baumes saß er sieben (weitere) Tage auf demselben Sitz, die Seligkeit der
Erlösung empfindend.
Da erhob sich außer der Regenzeit eine große Wolke, ein sieben Tage langes
Regenwetter, Kälte, Wind und Finsternis. Da kam der Schlangenkönig
Mucalinda aus seiner Wohnung heraus, umgab den Körper des Erhabenen
siebenmal mit seinen Windungen, breitete über dessen Haupte seine Haube
weit aus und verharrte in dieser Stellung in der Absicht: den Erhabenen soll
nicht Kälte, den Erhabenen soll nicht Hitze, den Erhabenen sollen nicht
Bremsen, Moskitos oder Schlangen belästigen. Dann aber, nach den sieben
Tagen, als der Schlangenkönig Mucalinda sah, daß die Wolken sich zerteilt
und verzogen hatten, löste er seine Windungen von dem Körper des
Erhabenen, legte seine eigene Gestalt ab, nahm die Gestalt eines Jünglings
an und stellte sich vor den Erhabenen, mit hohlaneinandergelegten Händen
den Erhabenen verehrend. Als der Erhabene diesen Vorgang sah, tat er bei
dieser Gelegenheit folgenden feierlichen Ausspruch: "Beseligend ist die
Einsamkeit für den zufriedenschauenden Kenner der Wahrheit, beseligend
ist das Freisein von Böswilligkeit in dieser Welt und das Sich-im-
Zaumehalten gegen die lebenden Wesen; beseligend ist die Freiheit von
Leidenschaft im Getriebe der Welt, die Überwindung des Begehrens und die
Aufhebung des Wahnes: Ich bin. Das ist die höchste Seligkeit." Dies ist
einer der tiefgründigsten und markantesten Aussprüche des eben zur
Erkenntnis durchgedrungenen Buddha. Das höchste Glück wird nur dem
zuteil, der nicht nur die Welt der Gegenstände, sondern auch das Ich selbst
überwunden hat. Wer diesen Sprung über die Welt und das Ich hinaus zu
vollziehen imstande ist, hat den Weg zum Nirvana beschritten.
Zunächst trug sich Buddha mit dem Gedanken, seine Lehre nicht zu
verkünden" da sie für die Menschheit doch zu schwer verständlich sei. So
wollte er ein Paccekabuddha, d. h. ein Buddha "für sich allein", bleiben und
kein Universalbuddha (Buddha in vollem Sinne, der seine Lehre der
Menschheit verkündet) werden. Die Legende berichtet dann aber weiter, wie
Brahma dem Buddha erschien und ihn inständig bat, seine Lehre unter allen
Umständen der leidenden Menschheit zu verkünden, weil diese sonst
zugrunde gehen werde. Es heißt: Im Geist des Erhabenen stieg, als er in der
Einsamkeit zurückgezogen weilte, dieser Gedanke auf: "Erkannt habe ich
diese tiefe Wahrheit, die da schwer zu erblicken, schwer zu verstehen ist, die
friedensreiche, erhabene, die alles Leiden verscheucht, die sinnvolle, die
allein der Weise fassen kann. In irdischem Treiben bewegt sich die
Menschheit, in irdischem Treiben hat sie ihre Stätte und findet sie ihre Lust.
Für die Menschheit, die sich in irdischem Treiben bewegt, die in irdischem
Treiben ihre Stätte hat und ihre Lust findet, wird dieses Ding schwer zu
fassen sein: die Bedingtheit der Erscheinungswelt, das Hervorgehen (der
Erscheinungen) lediglich aus Voraussetzungen, und auch dieses Ding wird
ihr gar schwer zu fassen sein: das Zur-Ruhe-kommen aller Gestaltungen, die
Beseitigung jeder empirischen oder metaphysischen Grundlage, das
Erlöschen des Begehrens, das Aufhören des Verlangens, das Ende (nirodha),
das Nibbana (Nibbana ist das Vorherrschen von Stille, Ruhe und Heiterkeit,
das völlige Verlöschen von Leid). Wenn ich nun die Lehre verkündige und
man mich nicht versteht, brächte es mir nur Last und Schmerz", und er
sprach zu sich selbst: Wozu der Welt offenbaren, was ich in schwerem
Kampfe errang?
Die Wahrheit bleibt dem verborgen, den Begehren und Haß erfüllt. Mühsam
ist es, geheimnisvoll, tief, verborgen dem groben Sinn, nicht mag's schauen,
wem irdisches Trachten den Sinn mit Nacht umhüllt: "Während der
Erhabene so erwog, neigte sich sein Geist zur Ruhe und zum
Nichtverkündigen der Lehre. Da bedachte Brahma Sahampati bei sich, als er
in seinem Geiste des Erhabenen Erwägung erkannte: "Zugrunde geht die
Welt, verloren ist die Weit, wenn des durch Erkenntnis befreiten (Tathagata)
heiligen vollkommenen Buddha Geist sich zur Ruhe und zum
Nichtverkündigen der Lehre neigt. Da verschwand Brahma Sahampati
(schnell), wie ein starker Mann den gebeugten Arm ausstreckt oder den
ausgestreckten beugt, in der Brahmawelt und erschien vor Buddha." "Da
nahm Brahma Sahampati sein Obergewand über eine Schulter, beugte seine
rechte Kniescheibe zur Erde nieder, streckte seine hohlzusammengelegten
Hände zum Erhabenen hin und sprach so zum Erhabenen: "Möge, Herr, der
Erhabene die Lehre der Wahrheit verkünden, möge der Pfadvollender die
Lehre der Wahrheit verkünden; es sind Wesen, die wenig vom Staube des
Irdischen befleckt sind, die gehen zugrunde, wenn sie die Lehre nicht hören,
die werden Erkenner der Lehre sein!"
"Wie in einem Teiche mit blauen Lotos oder mit Wasserrosen oder mit
weißen Lotos einige blaue Lotos oder Wasserrosen oder weiße Lotos im
Wasser entsprossen und im Wasser emporgewachsen, den Wasserspiegel
nicht erreichen, sondern darin befindlich ihre Nahrung finden, einige aber im
Wasser entsprossen und im Wasser emporgewachsen bis an die
Wasseroberfläche reichen, und einige ... aus dem Wasser herausragen und
vom Wasser nicht bewegt werden, ebenso erschaute der Erhabene, als er mit
dem Buddha-Auge die Welt überblickte, Wesen die wenig befleckt waren
vom Staube (des Irdischen) und solche, die sehr befleckt waren, solche mit
scharfen Sinnen und solche mit schwachen Sinnen, solche von guter Anlage
und solche von schlechter Anlage, leicht zu belehren, und schwer zu
belehrende und auch einige, die die Gefahren des zukünftigen Lebens und
der Begierden erkannten, und nachdem er sie geschaut hatte, redete er den
Brahma Sahampati mit folgender Strophe an: "Geöffnet sind die Tore der
Unsterblichkeit denen, die Ohren haben, sie mögen zur Wahrheit gelangen!
Die Mühe bedenkend, o Brahma, wollte ich die tiefe und gute Lehre nicht
unter den Menschen verkünden." Da dachte Brahma: "Der Erhabene hat mir
den Wunsch gewährt, die Lehre zu verkündigen", und er grüßte
ehrfurchtsvoll den Erhabenen, umwandelte ihn ehrend nach rechts hin und
verschwand auf der Stelle." So entschloß sich Buddha, die in der heiligen
Erkenntnisnacht gefundene Wahrheit der Menschheit zu verkünden, um sie
von den Leiden dieser Welt zu erlösen.
Als Buddha überlegte, wem er seine Lehre zuerst verkünden sollte, dachte er
zunächst an seine beiden Lehrer, Alara Kalama und Uddaka Ramaputta die
ihm seinerzeit den Weg zum Heil geebnet hatten; aber eine Gottheit sagte
ihm, daß beide bereits gestorben seien. Es ist ein schöner Zug von Pietät und
Dankbarkeit, daß Buddha in diesem entscheidenden Augenblick seiner
Lehrverkündigung an die eigenen Lehrer dachte, wie überhaupt in Indien
von früh an die Hochschätzung gegenüber dem Lehrer bestand, der dort ja
auch alles andere als ein bloßer Schulmeister war, sondern durch und durch
ein Philosoph. Beim weiteren Nachdenken darüber, wem er dann seine
Lehre zuerst verkünden sollte, dachte Buddha an jene Fünf, die ihm einst
während der Askese die Treue gehalten hatten, später aber, als er selbst den
Weg der Askese nicht für den einzigen und für den richtigen hielt, zur
erlösenden Erkenntnis zu gelangen, von ihm abgefallen waren. Darüber
berichtet der Mahavagga folgendermaßen: "Da kam dem Erhabenen der
Gedanke: "Wem könnte ich wohl nun zuerst die Lehre verkünden? Wer wird
diese Lehre schnell begreifen?" Da fiel dem Erhabenen ein: "Jene fünf
Mönche, die in meiner Nähe sich aufhielten, als ich der Askese ergeben war,
verhielten sich so freundlich gegen mich. Wohlan, ich will diesen fünf
Mönchen zuerst die Lehre verkünden!" Da bedachte der Erhabene: "Wo
halten sich jetzt die fünf Mönche auf?" Mit dem himmlischen, reinen,
übermenschlichen Auge sah der Erhabene, daß die fünf Mönche sich in
Benares (Benares liegt inmitten der Ganges-Ebene in Nordostindien) im
Tierpark Isipatana aufhielten. Da machte sich der Erhabene, nachdem er sich
in Uruvela, solange es ihm gefiel, aufgehalten hatte, auf die Wanderung
nach Benares". Benares ist dann auch jener heilige Ort, an dem Buddha zum
erstenmal seine Lehre der Menschheit verkündete.
Zunächst verhielten sich die Fünf, als Buddha sich ihnen näherte, skeptisch,
konnten aber ihre mißtrauische Haltung, die sie Buddha gegenüber
einnahmen, nicht lange beibehalten, weil sie überwältigt wurden durch den
Glanz und den Zauber seiner Persönlichkeit. Mahavagga: "Die Fünf sahen
den Erhabenen von fern kommen. Als sie ihn gesehen hatten, machten sie
untereinander aus: "Dort, Freunde, kommt der Asket Gotama, der
Schlemmer, der der Askese untreu geworden ist und sich dem Lebensgenuß
zugewandt hat! Daß keiner den begrüßt oder ihm entgegengeht oder ihm
seinen Almosentopf und Mantel abnimmt! Doch einen Sitzplatz wollen wir
ihm zurechtmachen, wenn er will, mag er sich setzen!" Als aber der
Erhabene immer näher zu den fünf Mönchen herankam, vermochten die
Fünf immer weniger ihrer Abmachung treu zu bleiben. Sie gingen dem
Erhabenen entgegen, einer nahm dem Erhabenen den Almosentopf und
Mantel ab, einer bereitete ihm einen Sitz, einer machte ihm Fußwasser, einer
brachte ihm Fußbank und Sand (zum Abreiben der Füße). Der Erhabene
setzte sich auf den zurechtgemachten Sitz. Als er sich gesetzt hatte, wusch
sich der Erhabene die Füße (die heilige Handlung der Fußwaschung als
Symbol der Reinheit). Sie aber sprachen darauf den Erhabenen mit seinem
Namen an und nannten ihn "Freund".
Als sie so gesprochen hatten, redete der Erhabene die fünf Mönche
folgendermaßen an: "Sprecht, ihr Mönche, den durch Erkenntnis Befreiten
nicht mit Namen an und nennt ihn nicht Freund, er ist, ihr Mönche, der
heilige durch Erkenntnis Befreite, der vollendete Sambuddh a. Tut euer Ohr
auf, ihr Mönche, die Unsterblichkeit ist gewonnen, ich lehre sie euch, ich
verkündige euch die Lehre der Wahrheit. Wenn ihr den Weg einschlagt, den
ich euch lehre, dann werdet ihr über ein kleines jenes höchste Ziel heiligen
Strebens, um dessentwillen Söhne edler Familien für immer aus dem Heim
in die Heimlosigkeit gehen, hienieden in dieser Welt des empirischen Seins
erkennen, verwirklichen und in seinem Besitze leben." Der Ernst dieser
Worte ist zu beachten, und es ist hochbedeutsam, daß sich Buddha nicht
mehr wie früher mit seinem Namen und mit "Freund" angeredet wissen will,
er hat ja als Tathagata (als Verwirklichter) alle Namen und Gestalten und
auch alle persönlichen Beziehungen und Bindungen überwunden. Die Fünf
können das zunächst noch nicht begreifen, und so heißt es in der Mahavagga
weiter: Als er so gesprochen, antworteten die fünf Mönche dem Erhabenen
so: "Nicht einmal mit jenen Observanzen (in der Befolgung der strengen
Regeln eines Mönchsordens), mit jenem asketischen Wandel, mit jenen
schweren Büßungen (Kasteiungen) hast du, Freund Gotama, die
Übermenschlichkeit und den höchsten Grad der vollen heiligen Erkenntnis
und des Schauens erreicht! Wie wirst du dann jetzt, als Schlemmer, der der
Askese untreu geworden ist und dem Überfluß sich zugewandt hat,
Übermenschlichkeit und volle heilige Erkenntnis und das Schauen
gewonnen haben?"
Als sie so gesprochen hatten, antwortete der Erhabene den fünf Mönchen
(immer eindringlicher) folgendes: "Mönche, der durch Erkenntnis Befreite
ist kein Schlemmer, ist kein von der Askese Abgefallener, kein dem
lügnerischen Leben Verfallener. Er ist, ihr Mönche, der heilige durch
Erkenntnis Befreite, der vollendete Sambuddha. Tut euer Ohr auf, Mönche!
Die Unsterblichkeit ist gewonnen. Ich lehre sie euch, ich verkündige sie
euch, die Lehre der Wahrheit." Zum zweiten und dritten Male wechselt
dieselbe Rede und Gegenrede, und dann heißt es: "Erinnert ihr euch,
Mönche, daß ich vordem niemals in dieser Weise zu euch gesprochen
habe?" "Du hast nicht so gesprochen" "Da gelang es dem Erhabenen, die
fünf Mönche zu überzeugen. Da hörten die fünf Mönche dem Erhabenen
willig wieder zu, liehen ihm ihr Ohr und richteten ihren Geist auf die
Erkenntnis." Dieser Bericht ist außerordentlich bedeutsam, nicht zuletzt
deshalb, weil die Fünf den Buddha ja noch aus der Zeit vor seiner
Buddhaschaft kannten, da er selbst noch ein anderer war als der, zu dem er
in der heiligen Erkenntnisnacht geworden war, und es ist klar, daß sich in
den Fünf selbst, wenn sie sich aufs neue ihm anvertrauen wollten, eine
Wiedergeburt vollzogen haben mußte.
Es foIgt eine erste Lehrrede: "Da redete der Erhabene die fünf Mönche so
an: "Diese zwei Schranken gibt es, die ein Weltentsagender nicht mehr
kennen darf. Welche zwei? Die eine ist das Hingegebensein an die
Annehmlichkeiten irdischer Genüsse, das niedrig, gemein, gewöhnlich,
unedel ist und nicht zum Heile dient, und die andere ist das Hingegebensein
an die asketische Selbstquälerei, das qualvoll, unedel ist und nicht zum Heile
dient. Von diesen beiden Schranken, ihr Mönche, hält sich fern der
Mittelweg, der vom durch Erkenntnis Befreiten (Tathagata) erschaut ist, der
Weg, der sehend macht, Erkenntnis schafft, zum Frieden zur
transzendentalen Erkenntnis, zur Erleuchtung, zum Nibbana führt." Der
Mittelweg ist nach Buddhas erster Lehrrede derjenige, welche, sich von
beiden Extremen des Lebensgenusses auf der einen Seite und der Askese
und Selbstkasteiung auf der anderen Seite fernhält. Buddha erhebt hier
gleichsam Protest gegenüber diesen beiden Formen der Lebensführung und
setzt sich in dieser Beziehung für eine natürliche und nicht forcierte
Lebensweise ein, als erste Voraussetzung, um zur erlösenden Erkenntnis zu
gelangen. Im folgenden wird dieser Mittelweg näher bestimmt, und zwar
durch die einzelnen Stationen des achtfachen Weges, der den Inhalt der
sogenannten vierten hohen Wahrheit ausmacht. Es heißt: "Und welches, ihr
Mönche, ist dieser Mittelweg? Es ist derselbe wie der erhabene achtfache
Weg, der da heißt:
1. rechte Ansicht
2. rechtes Wollen
3. rechte Rede
4. rechtes Tun
5. rechtes Leben
6. rechtes Streben
7. rechte Sammlung
8. rechtes Sichversenken
Das ist der Mittelweg, der vom Sogegangenen (durch Erkenntnis Befreiten)
erschaut ist, der Weg, der sehend macht, Erkenntnis schafft und zum
Frieden, zur Erkenntnis, zur Erleuchtung führt." Dieser vom Erhabenen den
Fünf zum erstenmal verkündete Mittelweg unterscheidet sich zugleich von
aller Mittelmäßigkeit, er bildet nicht nur und nicht mehr ein bloßes Mittleres
zwischen den Extremen im Sinne der Mittelmäßigkeit, sondern stellt
umgekehrt ein geniales Hinausschreiten über alle Mittelmäßigkeit im Sinne
des Durchschnitts dar, indem von hier aus gesehen jene Extreme selbst noch
zur Mittelmäßigkeit gehören, und so der mittlere Weg Buddhas gerade ins
Zentrum und in den Kern seiner eigenen Lehre führt: zur Lehre von den vier
hohen Wahrheiten des Leidens, des Ursprungs des Leidens, der Aufhebung
des Leidens und des Weges, der zur Aufhebung des Leidens führt. Diese
große Lehrrede von den vier hohen Wahrheiten hat Buddha zum erstenmal
den Fünf in Benares verkündet, wodurch das Rad des Weltgesetzes in
Bewegung gesetzt wurde. So ist Benares zu einer der heiligen Stätten des
Buddhismus geworden.
Mahavagga: "Dies, ihr Bhikkhus, ist die hohe Wahrheit vom Leiden: Geburt
ist leidenvoll, Alter ist leidenvoll, Krankheit ist leidenvoll, Sterben ist
leidenvoll, was man wünscht, nicht zu erlangen, ist leidenvoll, kurz: die fünf
Kategorien des erscheinungsweltlichen Auffassens (1. Gestalt, 2. Gefühl, 3.
Bewußtsein, 4. Phantasie 5. Wahrnehmung) sind leidenvoll." "Dies, ihr
Bhikkhus, ist die hohe Wahrheit von der Entstehung des Leidens: Jener
Durst (das Interesse an der Existenz), der immer wieder zum Sein führt der
begleitet ist von Freude und Lust, der bald so, bald so (positiv und negativ)
sich betätigt, der Durst nach Entstehen, der Durst nach Sein und der Durst
nach Vergehen." "Dies, ihr Bhikkhus, ist die hohe Wahrheit von der
Aufhebung des
Leidens: die gänzlich in Abkehr bestehende Aufhebung des Durstes
(Interesses), das Aufgeben, die Entsagung, das Sichfreimachen, die
Loslösung." "Dies, ihr Bhikkhus, ist die hohe Wahrheit vom Wege, der zur
Aufhebung des Leidens führt: es ist der hohe achtfache Weg: 1. Rechte
Ansicht, 2. rechte Gesinnung, 3. rechte Rede, 4. rechtes Tun, 5. rechtes
Leben, 6. rechtes Streben, 7. rechte Sammlung, 8. rechtes Sichversenken."
Durch diese erste große Lehrrede Buddhas vom Weltleiden, die der Meister
dann später vor immer wieder neuen Hörern und in den verschiedensten
Variationen gehalten hat, bekehrten sich die Fünf zu seinen ersten
Volljüngern. Es heißt: "So sprach der Erhabene, freudig nahmen die fünf
Bhikkhus (Bhikkhu = Bettler, Mönch) die Worte des Erhabenen auf, und
während dieser aufklärenden Lehrrede ging dem ehrwürdigen Kondanna das
vom Staube (des Irdischen) freie), reine Wahrheitsauge auf: "Alles, was dem
Entstehen unterworfen, ist auch dem Vergehen untertan." Darum bekam
Kondanna den Namen Annatakondanna." Da sprach der ehrwürdige
Annatakondanna, der die Wahrheit erschaut, gewonnen, erkannt hatte und in
sie vollständig eingedrungen war, der über die Zweifel hinausgelangt und
von Bedenken frei geworden, zur Zuversicht gelangt war und, im Besitz des
Evangeliums des Meisters, keines anderen Haltes mehr bedurfte, zum
Erhabenen folgendes: "Ich möchte, Herr, beim Erhabenen der Weihe des
Weltverzichtes teilhaftig werden, und ich möchte der Weihe der Aufnahme
(als Bhikkhu) teilhaftig werden." "Komm Bhikkhu", sprach der Erhabene,
"wohl verkündet ist die Lehre, führe den heiligen Wandel zum Zweck der
vollkommenen Beendigung des Leidens." Das war dieses Ehrwürdigen
Aufnahmezeremonie." In ähnlicher Weise erfolgt dann die Aufnahme der
übrigen Bhikkhus, zunächst die des Vappa und Bhaddiya und sodann die des
Mahanama und Assaji.
Bei religionen.at fand ich folgendes über Buddhas Askese: Top
[43] "Da habe ich denn, Sâriputta, also Inbrunst geübt: ein Unbekleideter
war ich, ein Ungebundener, ein Handverköster . . . gestattete keine
Vergünstigung, keine Einladung, spähte beim Empfang des Almosens nicht
nach dem Topfe, nicht nach der Schüssel, nahm nicht von einer
Schwangeren, nicht von einer Säugenden, nicht von einer, die vom Manne
kommt, nicht von Beschmutzten, nicht wo ein Hund dabeisteht, nicht wo
Fliegen hin- und herschwärmen, aß keinen Fisch, kein Fleisch, trank keinen
Wein, kein gebranntes Wasser, keinen gegorenen Haferschleim."
Auch in seinem Äußeren übte er Askese: "Ich trug das hänfene Hemd, das
härene Hemd (Büßerhemd mit Stacheln und Dornen), trug einen Rock,
geflickt aus den im [44] Leichenhof und auf der Straße gefundenen Fetzen,
hüllte mich in Lumpen, in Felle, in Häute, gürtete mich mit Flechten aus
Gras, mit Flechten aus Rinde, mit Flechten aus Laub, barg die Blöße unter
pelzigem Schurze, unter borstigem Schurze, unter einem Eulenflügel."
Siddattha ließ nichts unversucht: "Und ich habe, Sâriputta, also Rauhsinn
gepflegt: vieljährigen Schmutz und Staub ließ ich am Körper ansammeln
bis zum Herabfallen . . . und es kam mir da, Sâriputta, kein solcher
Gedanke: "ach, könnte ich mich doch endlich von diesem Staub und
Schmutz säubern, oder möchten es andere tun!" Ein solcher Gedanke,
Sâriputta, kam mir nicht. Und das, Sâriputta, ist mein Rauhsinn gewesen."
Bei aller Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst war Siddattha dabei von
einem tiefen Mitleid für die Kreatur bestimmt: "Und ich habe da, Sâriputta,
also Wehmut gehegt: Jeder meiner Schritte, Sâriputta, war von klarem
Bewußtsein geleitet, von klarem Bewußtsein gelenkt, und selbst ein
Tropfen Wasser erregte in mir das Mitleid: "Oh, daß ich den kleinen
verirrten Wesen ja nicht Schaden zufüge!" Und das, Sâriputta, ist meine
Wehmut gewesen."
[45] Als auch das zu keiner Erleuchtung über die Ursachen von Krankheit,
Alter und Tod führte, versuchte Siddattha den letzten Weg, der selbst zum
Tode führen mußte: "Ich erinnere mich, Sâriputta, nur ein Reiskorn als
tägliche Nahrung genossen zu haben. Nun möchtest du wohl meinen,
Sâriputta, es habe damals auch größeren Reis gegeben. Doch wäre eine
solche Meinung, Sâriputta, unrichtig: Auch damals wurde der Reis nur
ebenso groß wie heute."
Siddattha magerte zum Skelett ab: "Wie dürres, welkes Rohr wurden da
meine Arme und Beine durch diese äußerst geringe Nahrungsaufnahme,
wie ein Kamelhuf wurde da mein Gesäß, wie eine Kugelkette wurde da
mein Rückgrat; wie sich die Dachsparren eines alten Hauses querkantig
abheben, hoben sich da meine Rippen querkantig ab; wie in einem tiefen
Brunnen die unten liegenden Wasserspiegel verschwindend klein
erscheinen, so erschienen da in meinen Augenhöhlen die tiefliegenden
Augensterne verschwindend klein . . . und indem ich, Sâriputta, die
Bauchdecke befühlen wollte, traf ich auf mein Rückgrat, und indem ich das
Rückgrat befühlen wollte, traf ich wieder auf die Bauchdecke."
Die Einsicht
Das war das Ende jahrelanger Askese und wieder ein Fehlschlag, denn
"auch dieser Pfad, diese Zucht, diese harte Askese, Sâriputta, brachte mich
dem überirdischen, reichen Heiltum der Wissensklarheit nicht näher. Und
warum nicht, weil ich eben jene heilige Weisheit nicht errungen hatte, jene
heilige Weisheit, deren Errungenschaft sich als heilige Weihe erweist, dem
Grübler zur gänzlichen Leidensversiegung."
"Wie, wenn ich nun mit aufeinandergepreßten Zähnen und an den Gaumen
gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwänge,
niederdrückte, niederquälte? . . . Wie, wenn ich mich nun in atemlose
Selbstverlierung verlöre? . . . Wie, wenn ich nun wenig, wenig Nahrung zu
mir nähme. . . ?"
[46] Aber das Ergebnis war jedesmal das gleiche: "Gestählt zwar war
meine (Willens)kraft, unbeugsam, gegenwärtig die Einsicht, unverrückbar;
aber regsam war mein Körper, nicht ruhig geworden durch die
schmerzliche Askese, die mich antrieb." Bei seinen Atemübungen war es
ihm, "als wenn ein starker Mann mit scharfer Dolchspitze die
Schädeldecke zerhämmerte" oder "als wenn zwei starke Männer einen
schwächeren Mann an beiden Armen ergriffen und ihn in eine Grube voll
glühender Kohlen hineinquälten, hineinrollten".
Es ist gewiß kein Zufall, daß Buddha gerade zur Zeit der Aufnahme jener
ersten Volljünger in die sich nun bildende und dann stetig wachsende
Jüngerschar (Gemeinde) mit diesen seinen ersten Volljüngern eine
philosophisch sehr tiefgründige Untersuchung über das Selbst, das in
Wahrheit nirgends anzutreffen ist, führt. In der Nichtselbst(Anatta)-Lehre
offenbart sich der ganze philosophische Tiefsinn des Meisters, der damit
über die bereits sehr tiefgründige Lehre vom Selbst (Atman) der Upanisaden
(Zusammenfassung der Veden) noch weit hinausgegangen ist, indem er sie
im doppelten Sinne des Wortes aufgehoben, d. h. einerseits aufgenommen
und andererseits überwunden hat. Deshalb darf diese Anatta-Lehre Buddhas
auch nicht mit einem bloßen Skeptizismus gegenüber der Atman-Lehre der
Upanisadenphilosophie verwechselt werden. Die Buddhalehre vom
Nichtselbst ist nicht empirisch-skeptisch, sondern einzig und allein
transzendental-kritisch zu verstehen und zu würdigen. Buddha ist kein
Skeptiker gewesen, sondern ein kritischer Philosoph, und aller Skeptizismus
ist genau so durch ihn überwunden worden wie aller Dogmatismus. Sowohl
Zweifel als auch Glauben haben in der Lehre Buddhas, die auf reinem
Wissen und Erkennen beruht, nichts mehr zu suchen bzw. zu bedeuten.
Dogmatismus und Skeptizismus haben dies miteinander gemein, daß sie sich
auf Realitäten (empirische bzw. metaphysische) berufen, der Dogmatismus
im positiven, der Skeptizismus im negativen Sinne, während der
transzendentale Kritizismus alle Realität als unmöglich und als keinen
legitimen Rechtfertigungsgrund enthaltend erkennt und so selbst in der
Idealität des Daseins und des Grundes dieses Daseins verwurzelt ist.
Weder mit dem Skeptizismus noch mit dem, Dogmatismus hat der beide
überwunden habende transzendentale Kritizismus Buddhas etwas gemein.
Der Skeptizismus rüttelt zwar auf gegenüber dem Dogmatismus, aber er
beseitigt diesen nicht mit der Wurzel; ja, er wird selbst zu einer
dogmatischen Haltung, sobald er sich absolut setzt und dabei doch selbst
nicht ohne den Realismus des Dogmatismus, gegen den er sich wendet
bestehen kann. Der Skeptizismus macht einen ersten Anlauf zum
Philosophieren, indem er sich gegen den Dogmatismus wendet, dringt aber
niemals zum echten und reinen Philosophieren im Sinne des
transzendentalen Kritizismus der Idealität des Daseins als bloßer
Erscheinung und der Idealität des Grundes dieser Erscheinung vor, wobei
allein die Idealität den Schlüssel zum Verständnis der ganzen Buddhalehre
abgibt, die sowohl alle dogmatische Ontologie (Erkenntnis) als auch jede Art
einer skeptischen Phänomenologie (Zurückgehen auf das unmittelbar
Wahrnehmbare) überwunden hat.
Im Mahavagga heißt es: "Da sprach der Erhabene zu dieser seiner Fünfzahl
der Bhikkhus: "Die körperliche Gestalt, Bhikkhus, ist nicht das Selbst,
(denn) wenn diese sichtbare Gestalt das Selbst wäre, dann könnte diese
Gestalt nicht der Krankheit anheimfallen, und es hätte Erfolg (wenn man
sagte) betreffs der Gestalt: "So soll meine Gestalt sein, so soll meine Gestalt
nicht sein." Weil aber die körperliche Gestalt nicht das Selbst ist, darum fällt
sie der Krankheit anheim, und darum ist es nicht möglich, betreffs der
Gestalt zu sagen: "So soll meine körperliche Gestalt sein, so soll sie nicht
sein." Dieselben Ausführungen werden dann hinsichtlich der Empfindung,
des Bewußtseins, der Phantasievorstellungen und der Wahrnehmung, also
gegenüber der Gesamtheit der erscheinungsweltlichen Kategorien angestellt,
die ja alle nicht das Selbst konstituieren, sondern bloße Formen unseres
Annehmens darstellen. Im Mahavagga heißt es dann weiter: "Was meint ihr
nun wohl, ihr Bhikkhus, ist die körperliche Gestalt beständig oder
vergänglich?" "Vergänglich, Herr." "Was aber vergänglich ist, ist das
leidvoll oder freudvoll?" "Leidvoll, Herr." "Was aber vergänglich, leidvoll
und dem Wandel unterworfen ist, ist es wohl angemessen, das mit dem
Gedanken zu betrachten: Das ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst?"
"Nein, Herr."
Darauf also kommt es an: In allen Dingen, die mich umgeben, und auch in
mir selbst kein Selbst zu sehen und auch mein Selbst nicht als Selbst zu
fassen; denn es gibt nichts in dieser Welt und in mir selbst, was ewig wäre,
selbst nicht mein Selbst. Dies ist die hohe philosophische Selbstbesinnung,
die im Buddhismus gefordert wird, dies ist der Sinn der Anatta (Nicht-
Selbst)-Lehre, die, was die Kraft philosophischer Kontemplation und
Konzentration betrifft, die Atmanlehre der Upanisaden noch um eine Stufe
überragt. Die Mahavagga fährt weiter fort: "Wenn, ihr Bhikkhus, der
unterrichtete heilige Jünger es so ansieht, dann wird er überdrüssig der
körperlichen Gestalt, der Empfindung, des Bewußtseins, der
Phantasievorstellungen, der Wahrnehmung; infolge des Überdrusses kehrt er
sich ab, infolge der Abkehr löst er sich los, in dem Losgelösten entsteht die
Erkenntnis: "Ich bin erlöst!", und er erkennt: "Vorbei ist es mit der Geburt,
erfüllt ist der heilige Wandel, fertig ist es mit dem Handeln, nicht gibt es
noch einmal eine solche Existenz."
Wer die Dinge auf diese Weise betrachtet, der hat mitten in der Existenz die
Existenz überwunden und ist aus der Realität in das Reich der Idealität
geschritten, um so für immer von aller Realität bzw. vom Gesetz dieser
Realität, dem Leiden, erlöst zu sein, er ist in das Nirvana bereits mitten in
dieser Welt eingegangen, und in diesem Nirvana laufen alle Fäden der
Idealität zusammen. Das Nirvana bedeutet in dieser Beziehung nichts
anderes als die Aufhebung aller und jeder Realitätsauffassung und die
Setzung der Idealität; in dem Nirvana ist alle und jede Realität zugunsten der
Idealität zu einem bloßen Nichts geworden. Mit dieser Lehre Buddhas wird
wiederum der Transzendentialismus seiner Philosophie begründet, der alle
Immanenz und Transzendenz, alle empirische und metaphysische Realität
zum Zwecke der transzendentalen Idealität des Daseins als einer reinen
Erscheinung aufgehoben hat.
Von hier aus ist der Vergleich Buddhas mit Kant sehr lehrreich, nur daß
Kant, der eigentliche Begründer der Transzendentalphilosophie im
Abendland, hinsichtlich dieses von ihm selbst begründeten
Transzendentialismus nicht konsequent genug gewesen ist, indem er, unter
der Last der abendländischen Tradition stehend, immer wieder abgleitet von
der transzendentalen Ebene der Idealität zu einer empirischen oder
metaphysischen Realität und so einerseits zum Skeptiker und andererseits
zum Dogmatiker wird, wobei er vergißt, daß die echte
Transzendentalphilosophie sich über Empirie und Metaphysik erhoben hat.
Buddha ist hierin konsequenter gewesen und hat jedes Abgleiten in Empirie
und Metaphysik vermieden. Darin besteht die Genialität seines
Philosophierens; daraus resultieren aber zugleich die ungeheuren
Schwierigkeiten des Verständnisses seiner Lehre bei denjenigen, die, wie der
größte Teil der Buddhisten selbst, Durchschnittsmenschen sind und deshalb
von der genialen Konzeption des Stifters dieser so großen und im Grunde so
einfachen Lehre immer wieder abgleiten. Die ersten jünger Buddhas freilich
glaubten, diese Lehre verstanden zu haben, denn im Mahavagga schließt
jene tiefgründige Untersuchung über das Selbst und seine Aufhebung mit
den Worten: "So sprach der Erhabene, freudig nahmen die fünf Bhikkhus
des Erhabenen Lehrrede mit Dankbarkeit auf, und während der Lehrrede
wandten sich die Fünf vom Irdischen ab und wurden von Fehlern erlöst. In
diesem Augenblick gab es sechs Vollendete in der Welt."
Von dieser Keimzelle der ersten Jünger Buddhas den Anfang nehmend,
wuchs der Kreis der zu Buddha und seiner Lehre Sich-bekennenden immer
mehr. So berichtet die Mahavagga von der Bekehrung des reichen Setthi-
Sohnes Yasa (sein Vater ist ein angesehener Mann; Innungsvorsteher,
Gildemeister), dessen Weltflucht ähnlich beschrieben wird wie die des
Buddha. Die Mahavagga enthält die Geschichte der Bekehrung der EItern
und der Frau des Yasa zu Laienjüngern und die Bekehrung und Aufnahme
der vier Freunde Yasas. Die Mahavagga berichtet dann weiter von der
Bekehrung und Aufnahme von fünfzig anderen Freunden des Yasa, worauf
es heißt: "Nun gab es in der Welt einundsechzig Vollendete)." Es folgt der
Bericht über die Jüngeraussendung, indem diese ersten Jünger von Buddha
die Berechtigung erhielten, in alle Welt zu gehen und die neue Heilslehre zu
verkündigen. Mahavagga: "Da sprach der Erhabene zu den Bhikkhus:
"Erlöst bin ich, Bhikkhus, von allen Fesseln, göttlichen und menschlichen.
Auch ihr, Bhikkhus, seid erlöst von allen Fesseln, göttlichen und
menschlichen. Ziehet, ihr Bhikkhus, aus zum Heil für viel Volk, zur
Glückseligkeit für viel Volk, aus Mitleid für die Welt, zum Nutzen, zum
Besten, zur Glückseligkeit von Göttern und Menschen! Gehet nicht zu
zweien denselben Weg! Verkündet, Bhikkhus, die Lehre der Wahrheit, die
schön ist am Anfang, schön in der Mitte und schön am Ende, getreu nach
Sinn und Buchstaben, kündet den vollkommenen reinen Wandel in
Heiligkeit!
Es sind Wesen, die wenig vom Staube (des Irdischen) befleckt sind, sie
gehen zugrunde, wenn sie die Lehre der Wahrheit nicht hören, sie werden
Erkenner der Wahrheit sein. Ich aber, ihr Bhikkhus, will nach Uruvela zum
Flecken des Heerführers (Feldhauptmann) gehen, um dort die Lehre zu
verkündigen." Dabei versuchte Mara, der Todesgott, jene personifizierte
Gestalt einer bloßen Scheinwelt, die Buddha überwunden hat, das Prinzip
der Realität gegenüber der Idealität, wie früher in den entscheidenden
Augenblicken von Buddhas Leben (zuletzt unter dem Erkenntnisbaum), so
auch jetzt anläßlich der Jüngeraussendung, den Buddha. Darüber berichtet
die Mahavagga: "Da kam Mara der Böse auf den Erhabenen zu und, bei ihm
angelangt, redete er den Erhabenen mit einer Strophe an: "Gebunden bist du
mit allen Fesseln, göttlichen und menschlichen, mit starken Fesseln bist du
gebunden, nicht wirst du meiner ledig werden, Asket!" Buddha aber
antwortet: "Frei bin ich von allen Fesseln, göttlichen wie menschlichen,
erlöst bin ich von starken Fesseln, göttlichen wie menschlichen,
niedergeschlagen bist du, Todesgott!" Darauf spricht Mara: "Es gibt eine in
der Luft schwebende Fessel von geistiger Natur, mit der werde ich dich
fesseln, nicht wirst du meiner ledig werden, Asket!"
Für die weitere Ausbreitung des Buddhismus ist der Bericht der Mahavagga
bedeutsam, wonach nicht nur Buddha, sondern auch die Bhikkhus die beiden
Weihen des Weltverzichtes und der Aufnahme vollziehen konnten. Dort
heißt es: "Zu der Zeit brachten Bhikkhus der verschiedenen
Himmelsgegenden und der verschiedenen Länder die Leute, die der Weihe
des Weltverzichtes und der Weihe der Aufnahme teilhaftig zu werden
wünschten, immer zu Buddha, um sie der Weihe des Weltverzichtes und der
Weihe der Aufnahme teilhaftig werden zu lassen. Das war beschwerlich
sowohl für die Bhikkhus als auch für die Anwärter beider Weihen. Da kam
dem Erhabenen in der Einsamkeit, als er sich dem Nachsinnen hingab,
folgende Erwägung: "Bhikkhus, ihr sollt von jetzt an in beliebigen Gegenden
und Ländern, in denen ihr euch befindet, die Zeremonie des Weltverzichtes
und die der Aufnahme vornehmen. Und zwar soll dabei so verfahren
werden: Zuerst laßt dem Anwärter Haar und Bart abscheren, rotgelbe
Kleidung anlegen, laßt ihn sein Obergewand nur über eine Schulter legen,
laßt ihn sich verneigen bis zu den Füßen der Bhikkhus, laßt ihn
niederhocken, die zusammengelegten Hände vorstrecken und fordert ihn auf,
so zu sprechen: Zu Buddha nehme ich meine Zuflucht, zur Lehre der
Wahrheit nehme ich meine Zuflucht, zur Jüngerschar nehme ich meine
Zuflucht. (Zum zweiten und dritten Male.) Ich erlaube, Bhikkhus, die Weihe
des Weltverzichtes und der Aufnahme aufgrund dieser drei
Zufluchtnahmen."
So, sei es, Herr!", mit diesen Worten grüßte die befreundete "feine
Gesellschaft" den Erhabenen und setzte sich ihm zur Seite." Darauf folgt die
sogenannte schrittweise Belehrung durch den Erhabenen, indem dieser bei
ganz selbstverständlichen Dingen anfängt, um allmählich immer höher und
höher zu steigen, bis die letzten Dinge gesagt werden. "Der Erhabene", heißt
es, belehrte sie schrittweise: er sprach zunächst über Freigebigkeit,
tugendhaftes Leben, über den Himmel, über das Fehlerhafte des Lebens in
Sinnengenüssen wie über den Segen der Abkehr, des Freiwerdens vom
Weltlichen. Als der Erhabene darin erkannte, daß ihr Geist vorbereitet,
empfänglich, frei von Hemmnissen, freudig und vertrauend sei, da
verkündete er die Lehre, die die vornehmste der Buddhas ist, die Lehre vom
Leiden, vom Ursprung, von der Aufhebung und vom Wege dazu. Und wie
ein weißes, fleckenloses Gewand die Farbe in vollkommener Weise
annimmt, ebenso ging ihnen noch auf demselben Sitz das vom Staube der
Weltlichkeit freie fleckenlose Wahrheitsauge auf: "Alles." was entsteht, das
vergeht auch wieder."
Es heißt in der Mahavagga: "Zu der Zeit ergoß sich außer der Regenzeit eine
große Wolke, und es entstand eine große Überschwemmung, (ein
philosophisch sehr wichtiger Terminus, der die erscheinungsweltlichen
Überschwemmungen symbolisch zum Ausdruck bringt, die große Flut des
Daseins, der der weltlich gerichtete Mensch ständig ausgesetzt ist). Die
Stelle, an der der Erhabene sich aufhielt, war von Wasser überschwemmt.
Da ließ der Erhabene ringsum das Wasser zurücktreten und ging auf und
nieder auf staubbedecktem Boden inmitten der Wasser." Von diesen
Wundern überwältigt, bat dann endlich Uruvelakassapa mit seinen
fünfhundert Anhängern um Verleihung des Weltverzichtes und der
Aufnahme, und die beiden anderen Kassapas schlossen sich mit ihren
dreihundert und zweihundert Jüngern an.
Als dann der ehrwürdige Assaji seinen Bettelgang in Rajagaha beendet hatte,
machte er sich mit der Almosenspeise auf den Rückweg- Da ging der
Wandermönch Sariputta zu Assaji, begrüßte ihn freundlich, wechselte
höfliche, freundliche Worte mit ihm, stellte sich ihm zur Seite und sprach
zum ehrwürdigen Assaji: "Heiter ist dein Wesen, klar dein Gesicht. Wem
zuliebe hast du dem Weltleben entsagt? Wer ist dein Meister? Wessen Lehre
hast du angenommen ?" "Es ist, Freund, ein großer Asket, der Sakyasohn,
der die Sakyafamilie verlassen hat, dem zuliebe habe ich dem Weltleben
entsagt, er ist mein erhabener Meister, und seine erhabene Lehre habe ich
angenommen." "Was lehrt und verkündet der Meister des Ehrwürdigen?"
"Freund, ich bin nur ein Neuling, vor kurzem erst der Welt entflohen, erst
eben in den Anhängerkreis dieser Lehre und Ordnung eingetreten,
ausführlich kann ich dir die Lehre nicht vortragen, aber ich werde dir kurz
den Inhalt sagen." Da sprach der Wandermönch Sariputta zum ehrwürdigen
Assaji: "Freund, sei es wenig oder viel, aber rede, nur den Sinn brauchst du
mir zu sagen, nur um den Sinn ist es mir zu tun, was willst du dich viel um
den Buchstaben kümmern?" Da trug der ehrwürdige Assaji dem
Wandermönch Sariputta diesen Lehrsatz vor: "Von den Dingen, die alle nur
bedingt sind, verkündet der Tathagata (Erhabene) die Ursache ihres
Erscheinens und wie ihre Existenz aufzuheben ist." Das ist die Lehre des
großen Asketen."
"Stets ruht ruhig der Brahmane, der zum Nirvana gelangt ist, nicht an dem
irdischen Begehren haftet, in dem die Glut erloschen und das Irdische
abgestreift ist. Wer alle irdischen Fesseln zerschnitten und die Furcht des
Herzens verbannt und Frieden gefunden hat, der ruht ruhig, da er den
Frieden des Herzens besitzt." Da verkündete der Erhabene in stufenweisem
Fortschreiten die Lehre, und dem Anathapindika ging die erlösende
Erkenntnis auf, er bekehrte sich als Laienjünger zu Buddha, lud ihn zu Gaste
und bewirtete ihn im Hause seines Gastfreundes. Dann wandte er sich von
Rajagaha nach Savatthi. Dort wollte er für Buddhas Jüngerschar einen Park
vom Prinzen Jeta mit soviel Geld erwerben, als nötig wäre, die ganze
Oberfläche damit zu bedecken, und er begann damit, den Boden mit
Geldstücken belegen zu lassen. Jeta aber zog es vor, den Park der
Jüngerschar selbst zu schenken, und Anathapindika errichtete die nötigen
Baulichkeiten darauf." Das ist der berühmte Jetavana-Gar ten, der so oft in
den buddhistischen Texten genannt wird. Auf den Reliefs von Bharhut, die
etwa dem 2. Jh. v. Chr. angehören, ist dieser Bericht auch bildlich
dargestellt; man sieht dort, wie der Boden mit Geldstücken belegt wird, sie
sind viereckig, wie wir sie aus jener Zeit auch heute noch besitzen. (Jene
Darstellung findet sich in Cuninghams "TheStupa of Bharhut") In diesem
"Jetawald" bei der Stadt Savatthi hat Buddha oft mit seinen Jüngern geweilt.
Der Grund für die Entstehung jener Unterkunftshäuser, die ihrerseits zur
besinnlichen Kontemplation einluden, ist nicht zuletzt in dem sogenannten
Regenzeithalten zu suchen. Dadurch bildete sich nun aber zugleich auch ein
durch Satzungen geregeltes Zusammenleben der Jüngerschar aus. Über diese
durch Satzungen festgelegten Einrichtungen im Zusammenleben der Jünger
erfahren wir im Mahavagga (Korb der Ordensregeln) nähere Einzelheiten,
die zwar nicht so sehr philosophisch, aber kulturhistorisch und soziologisch
von Interesse sind, indem sie uns eine anschauliche Vorstellung von den
damaligen Lebensweisen und Gewohnheiten der Jünger vermitteln. Oft oder
meistens führten irgendwelche Vorkormmnisse im Zusammenleben der
Bhikkhus zur Festlegung durch Satzungen, die Buddha selbst ganz gewiß
nicht lagen, zumal sie aus der Not eine Tugend zu machen suchten. Hat doch
Buddha selbst einmal bekannt, er wolle den Geist seiner Jünger nicht in
minutiöse Satzungen einschnüren, denn das Überhandnehmen und Wuchern
des Satzungswesens sei ein Zeichen des Unterganges der echten
philosophischen Lehre. Mit diesem die großzügige Art Buddhas
charakterisierenden Ausspruche verträgt sich nur schwer ein in engbrüstige
Satzungen eingezwängtes Ordensleben. Geht man auf das Detail dieser
Mönchssatzungen ein, so muß man die Gewißheit gewinnen, daß aus diesen
Äußerungen nicht der große Geist Buddhas selbst spricht, sondern der
mancher kleinerer Jünger, die nun oft das zur Hauptsache machten, was für
Buddha letzthin vollkommen nebensächlich war. Im Hinblick auf diese
Satzungen wird man sich nicht selten des Dichterwortes bewußt: "Wie er
räuspert und wie er spuckt, das habt ihr ihm glücklich abgeguckt." Der
Vollständigkeit halber soll aber auch von diesen Satzungen kurz berichtet
werden, stets dessen eingedenk, daß hinter ihnen nicht immer der Genius
eines Buddha steht.
Da wird, was das Zusammenleben der Jünger betrifft (Korb der 227
Ordensregeln), nicht selten von der Einsetzung eines Mentors gesprochen
und auch über das Verhältnis des Stubengenossen zu jenem Mentor: Beide
sollen sich wie Vater und Sohn zueinander verhalten. Der Grund für die
Entstehung einer solchen Ordenssatzung, wie sie die Einsetzung eines
Mentors darstellt, lag in gewissen Vorkommnissen jüngerer Bhikkhus, die
sich beim Almosenerbitten nicht gut benommen hatten, weshalb Buddha
angeordnet haben soll: "Bhikkhus, ich bestimme, daß junge Bhikkhus sich
einen Mentor wählen. Der Mentor soll gegen den Stubengenossen Gefühle
wie gegen einen Sohn hegen, der Stubengenosse gegen den Mentor wie
gegen einen Vater." Weiter heißt es über das Verhältnis des Stubengenossen
zu dem Mentor: "Der Stubengenosse, ihr Bhikkhus, soll sich gegen den
Mentor korrekt benehmen, und zwar ist dies das korrekte Benehmen:
Nachdem er zur rechten Zeit aufgestanden, seine Sandalen angelegt und sein
Obergewand nur über eine Schulter genommen hat, soll er dem Mentor das
Holz zum Zahn-Reinigen und Mundwasser reichen und ihm den Sitz
zurechtmachen. Wenn Reisbrühe vorhanden ist, soll er den Trinktopf
reinigen und ihm Reisbrühe reichen. Wenn der Mentor die Reisbrühe
getrunken hat, soll er ihm Wasser reichen und den Topf wieder in Empfang
nehmen, nach unten kehren, gut reinigen, ohne ihn durch Scheuern
abzunutzen, und beiseite stellen. Wenn der Mentor aufgestanden ist, soll er
den Sitz wegnehmen; wenn der Platz schmutzig ist, muß er ihn fegen. Wenn
der Mentor ins Dorf zu gehen wünscht, muß er ihm sein Untergewand
reichen und dagegen das andere Untergewand, welches der Mentor anhatte,
in Empfang nehmen, ihm seinen Gürtel reichen, die Almosenschale reinigen
und mit Wasser gefüllt geben.
Hier gewinnen die Dinge des täglichen Lebens zugleich symbolische und
philosophische Bedeutung, indem sie sich in übertragenem Sinne auf die
Lehre beziehen. Nachdem er die Fußdecke hat trocknen lassen und sie
gereinigt und ausgeklopft hat, muß er sie wieder zurückbringen und
hinlegen, wie sie vorher lag. Nachdem er das Bett gesonnt, gereinigt und
ausgeklopft hat, muß er es, nach unten gekehrt, vorsichtig hineinbringen und
an seine Stelle setzen. Den Spucknapf muß er in die Sonne stellen, ihn
reinigen, zurückbringen und an Ort und Stelle setzen. Wenn staubige
Ostwinde wehen, sind die östlichen Fenster zu schließen. Wenn staubige
Westwinde wehen, sind die westlichen Fenster zu schließen. Wenn es kühle
Zeit ist, sind bei Tage die Fenster zu öffnen, bei Nacht zu schließen. Wenn
es heiße Zeit ist, sind bei Tage die Fenster zu schließen und bei Nacht zu
öffnen. Wenn sich beim Mentor eine falsche Ansicht festgesetzt hat, soll der
Stubengenosse sie ihm ausreden oder ausreden lassen oder eine erbauliche
Rede ihm halten lassen. Wenn des Mentor Mantel zu waschen ist, muß der
Stubengenosse ihn waschen oder dafür sorgen, daß er gewaschen wird.
Wenn für den Mentor ein Mantel zu machen ist, muß der Stubengenosse ihn
machen oder dafür sorgen, daß einer gemacht wird. Wenn für den Mentor
Farbe zu kochen ist, muß der Stubengenosse die Farbe kochen oder dafür
sorgen, daß sie gekocht wird. Wenn der Mantel des Mentor zu färben ist,
muß der Stubengenosse ihn färben oder dafür sorgen, daß er gefärbt wird. Er
soll nicht, ohne den Mentor um Erlaubnis gefragt zu haben, ins Dorf gehen
oder auf einen Friedhof oder in die weite Welt (vielleicht auch
"irgendwohin"). Wenn der Mentor krank ist, soll er ihn pflegen, solange er
lebt, und geduldig warten, bis er wieder gesund wird."
Bhikkhus, diese zehn Gebote setze ich für die Bhikkhuanwärter fest und die
Übung in diesen Geboten." Diesen zehn Geboten, die in der Hauptsache
nach dem gemeinen Leben und von aller Gier zur Sinnenwelt fernzuhalten,
stehen zugleich die vier Hauptgebote bzw. Verbote der der Aufnahme
teilhaftig gewordenen Bhikkhus zur Seite, die sich ihrerseits zum Teil mit
jenen decken und in Mahavagga angeführt sind:
Aus dem Schlußsatz "Das darfst du nicht tun, solange du lebst", geht der
große sittliche Ernst dieser Gebote bzw. Verbote nicht nur gegenüber dem
Handeln, sondern auch gegenüber dem Heilsstreben überhaupt hervor,
dessen letztes Ziel die erlösende Erkenntnis ist. In diesen Geboten der
Enthaltung von Geschlechtsgenuß, Diebstahl, Töten lebender Wesen und
Prahlerei mit übermenschlichen Fähigkeiten dort, wo sie gar nicht
vorhanden bzw. angebracht sein können, sind letzte sittliche
Voraussetzungen für die erlösende Erkenntnis zu erblicken, denn die
buddhistische Moral ist niemals Selbstzweck, sondern stets nur ein
unerläßliches Mittel zur Erlangung der erlösenden Erkenntnis. Hieraus
spricht einerseits der hohe Wert des sittlichen Handelns für das
Erlösungsstreben, andererseits aber wird zugleich der Wert des sittlichen
Handelns dort herabgesetzt, wo es sich um den für den Buddhismus
höchsten Wert, den der erlösenden Erkenntnis, handelt. Nicht ohne Grund
werden deshalb auch jene sittlichen Gebote für diejenigen Bhikkhus
gegeben, die eben erst in Buddhas Jüngerschar aufgenommen sind, für die
also zunächst das sittliche Streben das wichtigste ist, und erst, wenn sie zu
Fortgeschrittenen auf dein Wege des Heils herangereift sind, werden für sie
diese sittlichen Gebote aufhören, kategorische Du-sollst-Gebote zu sein, um
als selbstverständliche ethische Voraussetzungen für ein höheres
philosophisches Erkenntnisstreben Geltung zu haben.
Es ist der Gedanke, daß einer, wenn er etwas als sein Verschulden einsieht
und es bekennt, zwar nicht vom Verschulden selbst, aber von der
drückenden Last desselben befreit wird. Lehrreich ist auch noch dies, daß
man nicht jeden Tag seine Fehler, die man erkennt, bekennen soll, sondern
wegen der Wichtigkeit des Aktes der Freisprechung ganz bestimmte Tage
festgesetzt wurden. In dieser Beziehung ist die Mahavagga aufschlußreich:
"Zu der Zeit aber trugen die Bhikkhus, weil der Erhabene das Patimokkha
vorzutragen erlaubt hatte, das Patimokkha Tag für Tag vor. Man erzählte es
dem Erhabenen. Dieser sprach: "Ihr Bhikkhus, das Patimokkha soll nicht
Tag für Tag vorgetragen werden. Wer es doch tut, macht sich eines
Dukkata-Vergehens schuldig. Ich verordne, ihr Bhikkhus, das Patimokkha
an einem Uposatha vorzutragen." Die Mahavagga fährt fort: "Darum trugen
die Bhikkhus, weil der Erhabene das Patimokkha an einem Uposatha erlaubt
hatte, das Patimokkha dreimal an jedem Halbmonat vor, am 14., 15. und 8.
des Halbmonats." Am Feiertage soll nichts getan, sondern über das Getane
Rechenschaft, und zwar öffentlich, vor der Jüngerschar, abgelegt werden.
In der Mahavagga heißt es: "Damals hielt sich der erhabene Buddha im
Veluvana am Kalandakanivapa auf. Der Erhabene hatte damals noch nicht
das Seßhaftwerden in der Regenzeit für die Bhikkhus verordnet, und so
wanderten die Bhikkhus sowohl im Winter wie auch im Sommer und
während der Regenzeit umher. Die Menschen nahmen Anstoß daran, waren
empört und murrten: "Wie können denn die Asketen des Sakyasohnes
sowohl im Winter wie im Sommer als auch während der Regenzeit
herumwandern, wobei sie die grünen Gräser zertreten, das vegetabilische
Leben schädigen und vielen kleinen Lebewesen Vernichtung bringen. Sollen
denn nur die Angehörigen anderer Asketen-Orden, denen nur eine schlechte
Lehre verkündet ist, während der Regenzeit seßhaft werden und die Vögel in
den Wipfeln der Bäume ihre Nester bauen und seßhaft werden, die Asketen
des Sakyasohnes aber sowohl im Winter wie im Sommer als auch während
der Regenzeit herumwandern, wobei sie grüne Gräser zertreten, das
vegetabilische Leben schädigen und vielen kleinen Lebewesen Vernichtung
bringen?"
Die Bhikkhus hörten die Leute murren und erzählten es dem Erhabenen. Da
sprach der Erhabene zu den Bhikkhus: "Bhikkhus, ich bestimme, daß ihr
Regenzeit haltet." Diese Stelle erinnert in etwa an jene Stelle im Neuen
Testament: "Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel
haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nichts, wo er sein Haupt
hinlege." In der Mahavagga gibt dann noch die nähere Bestimmung über den
Zeitpunkt des Beginns der Regenzeit. Dabei sind zwei Möglichkeiten:
Vollmond des Monats Asalha (Juni-Juli) oder einen Monat später. Die
Ferienperiode der Regenzeit wurde feierlich abgeschlossen mit der
Zeremonie der Pavarana (Einladung), d. h. mit der feierlichen Aufforderung
an die Ordensbrüder, die am gemeinsamen Orte Regenzeit gehalten hatten,
dem Auffordernden freimütig zu sagen, welches Vergehen von ihm sie
wahrgenommen hätten. So ist die Pavarana zugleich eine Feier der
Aussprache, die analog dem Patimokkha ethisch fundiert ist. Die
Einleitungsworte finden sich in der Mahavagga: "Bhikkhus, ich bestimme,
daß diejenigen Bhikkhus, die miteinander Regenzeit gehalten haben, sich
mit Bezug auf dreierlei zur offenen Aussprache auffordern: Mit Bezug auf
das, was die anderen 1. gesehen, 2. gehört oder 3. nur vermutet haben. Das
wird ihre Eintracht untereinander, die Entwöhnung von Fehltritten und die
Hochachtung vor der Ordenssatzung fördern.
Hieraus spricht deutlich der ethische Sinn und Zweck dieser Aussprache: Sie
soll zur Versöhnung untereinander und zum weiteren Unterlassen von
Fehltritten führen. Die äußere Form, in der diese Aufforderung zur
feierlichen Aussprache gegeben wurde, wird in der Mahavagga genannt, wo
es heißt: "Und zwar soll bei dieser feierlichen Aufforderung so verfahren
werden, ihr Bhikkhus. Ein kluger und kompetenter Bhikkhu soll der
Jüngerversammlung zu wissen tun: "Es höre mich, ihr Herren, die
Jüngerversammlung. Heute ist die Feier der Aussprache. Wenn es der
Versammlung genehm ist, möge sie die Feier der Aussprache vornehmen."
Dann soll der Bhikkhu-Senior, sein Obergewand nur auf einer Schulter
tragend, sich niederhocken, die hohlzusammengelegten Hände vorstreckend,
zur Jüngerversammlung sprechen: "Freunde, ich fordere die Versammlung
auf mit Bezug auf das Gesehene, Gehörte oder Gemutmaßte. Die
Ehrwürdigen mögen mir die Freundlichkeit erweisen, es mir offen zu sagen.
Wenn ich es einsehe, werde ich es gutmachen." (Zum zweiten und zum
dritten Male.) Dann soll auch jeder jüngere Bhikkhu, sein Obergewand nur
auf einer Schulter tragend, sich niederhocken, die hohlzusammengelegten
Hände vorstrecken und zur Versammlung sprechen: "Freunde, ich fordere
die Versammlung zur Aussprache auf mit Bezug auf das Gesehene, Gehörte
und Gemutmaßte. Die Ehrwürdigen mögen mir die Freundlichkeit erweisen,
es mir offen zu sagen. Wenn ich es einsehe, werde ich es gutmachen." (Zum
zweiten und zum dritten Male.)
Durch die Wiederholung der Worte wird die Eindringlichkeit, der Ernst und
die Feierlichkeit dieses Aktes der Aussprache besonders betont, wobei
grundsätzlich angemerkt werden soll, daß die vielfach vorkommenden
Wiederholungen in den buddhistischen Texten alles andere als Naivität
bedeuten, sondern einerseits die ethische bzw. erkenntniskritische
Wichtigkeit der Worte betonen und andererseits den musikalischen Klang
der Palisprache, in der der Vokal a überwiegt, in seinem eigentlichen
Rhythmus hervorheben. Der schnellebige Abendländer verkennt
vollkommem den existentialistischen und nicht bloß rhetorischen Charakter
der Wiederholungen, denn der Inder sieht die Wiederholung nicht als
überflüssige und unnötige Zeitvergeudung. Die Wiederholung führt den
Inder gerade von der Peripherie fort ins Zentrum und nicht wie den
Abendländer vom Zentrum fort in die Peripherie. Zudem ist zu
berücksichtigen, daß die buddhistischen Texte ursprünglich nicht schriftlich
fixiert waren, sondern die Worte sich den Hörern durch mündliche
Überlieferung einprägten, wobei ihnen ein ausgezeichnetes Gedächtnis, dem
die Wiederholung fördernd entgegenkam, gute Dienste leistete. Mit der
Ausbreitung der schriftlichen Fixierung der Worte verloren diese selbst nicht
selten an Kraft und Bedeutung, denn das geschriebene und gelesene Wort
hat gegenüber dem gesprochenen und gehörten nicht wenig an Substanz
eingebüßt. Dem Akt der feierlichen Aussprache am Schluß der Regenzeit
schloß sich vor dem Weiterziehen der Bhikkhus noch der Akt der
Neueinkleidung (Kathina) der Bhikkhus an, wofür die Bestimmungen in der
Mahavagga niedergelegt sind. Kathina (Neueinkleidung) heißt wörtlich
"hart", d. i. in diesem Falle der "feste vorhandene Bestand" der
zusammenwohnenden Jüngerschaft an geschenkten Bekleidungsstoffen, die
am Schluß der Regenzeit verteilt wurde. Die ausführlichen Regeln über die
Bekleidung der Bhikkhus finden sich weiter in der Mahavagga, wonach die
korrekte Männerkleidung aus einem Unterkleid., d. h. einem um die Hüften
geschlungenen Tuch, einem Oberkleid, d. h. einem Tuch, das über die
Schultern, gelegentlich nur über eine Schulter, genommen wurde und einem
Mantel besteht.
1. Eine Bhikkhuni (Nonne), wäre sie auch hundert Jahre im Ort, muß
jeden Bhikkhu (Mönch), und wäre er auch erst einen Tag
aufgenommen, ehrerbietig grüßen, vor ihm aufstehen, die
hohlzusammengelegten Hände ehrerbietig zu ihm emporstrecken und
das richtige Verhalten gegen ihn beobachten. Diese Regel hat sie zu
achten und zu ehren und in ihrem ganzen Leben nie zu übertreten.
6. Wenn die Bhikkhuni zwei Jahre lang sich in der Befolgung der
Regeln geübt hat, soll sie um die Aufnahme nachsuchen...
7. Eine Bhikkhuni darf auf keine Weise einen Bhikkhu schelten oder
beschimpfen. . .
8. Von heute an ist der Weg für Ermahnungen der Bhikkhus durch
Bhikkhunis verschlossen, aber nicht verschlossen ist der Weg für
Ermahnungen der Bhikkhunis durch Bhikkhus.
Es liegt ein tiefer Sinn darin, daß es gerade Mahapajapati Gotami gewesen
sein soll, die den Erhabenen um die Einrichtung des Frauenordens gebeten
hat, sie, die die Mutterschwester war, die sich des Bodhisatta-Kindes
angenommen und es gestillt hatte. Hierin spricht sich ein menschlich
ergreifender Zug in der Entstehung des Frauenordens aus, und das zum
Segen und Nutzen des Bestandes und der Ausbreitung der Lehre nicht
vollauf Zurechtfertigende wird menschlich zutiefst verständlich. Nach einer
Stelle des Majjhimanikaya scheint übrigens Mahapajapati Gotami nur
Laienjüngerin des Gotama geworden zu sein, da es dort heißt, sie habe
abgelassen von der Verletzung lebender Wesen, vom Stehlen, von der
Unsittlichkeit, vom Lügen und vom Trinken berauschender Getränke: alles
Forderungen, die an Laienjünger gestellt wurden. Wenn dann aber Ananda
auch von ihr rühmt, sie habe ihre Zuflucht zu Buddha, seiner Lehre und
seiner Jüngerschar genommen, sie sei fest im Vertrauen auf diese Dreizahl
und frei von allen Zweifeln über das Leiden, die Entstehung des Leidens, die
Aufhebung des Leidens und den Weg, der zu dieser Aufhebung führt, so
kann Mahapajapati Gotami mit diesen Worten auch als Volljüngerin
charakterisiert sein.
Diese Laienjünger und Laienjüngerinnen waren es, die den Bestand und die
Fortdauer des Buddhismus recht eigentlich ermöglichten, indem sie für die
Ernährung und Kleidung der Volljünger sorgten. Denn da die Zahl der mit
Buddha wandernden und siedelnden Volljünger z. T. sehr groß war und
außerdem auch noch andere Sektenanhänger hinzukamen, die ernährt und
gekleidet werden wollten, so mag es den Laienhelfern in der Tat manchmal
etwas zuviel geworden sein, und es ist zu überlegen, ob das Schwinden des
Buddhismus von dem vorderindischen Festlande nicht auch dadurch
mitveranlaßt ist, daß aus irgendeinem Grunde die subsistenzliefernde
buddhistische Laienschicht zu dünn, zu arm und machtlos wurde, um den
Oberbau der Jüngerschaft noch tragen zu können. Jedenfalls ist es die
Laienschaft gewesen, die seit den allerersten Anfängen des Buddhismus eine
tragende Kraft für die Erhaltung desselben gebildet hat, und es hatte daher
auch einen guten Grund, wenn, wie uns berichtet wird, die beiden ersten
Anhänger des Buddha, noch ehe es Bhikkhus gab, Laienfreunde gewesen
sind. Aus dieser Keimzelle wuchs dann die Jüngerschar des Buddha so
gewaltig an, daß die Menschen zu murren anfingen und sprachen: "Der Weg,
den der Asket Gotama geht, führt zur Kinderlosigkeit, zur Witwenschaft und
zum Untergang der Familie."
Die Worte, mit denen die Bekehrten ihrem Wunsche, Buddhas Jünger zu
werden, Ausdruck gaben, nachdem der Erhabene ihnen seine Lehre
verkündet hatte, indem sie zugleich um die doppelte Weihe der
Weltentsagung und der Aufnahme in die Jüngerschaft baten, waren
dieselben, wie sie bereits König Seniya Bimbisara sprach, als er Buddha um
Aufnahme in die Laienjüngerschaft bat. Ob eine besondere Zeremonie dieser
beiden Weihen stattfand und wie sie vor sich ging, darüber erfahren wir
meistens nichts. Die Worte, mit denen der Meister die ersten Volljünger
aufnahm, die Fünf und Yasa, sind dann stereotyp geworden: "Wandelt in
Heiligkeit, allem Leiden ein Ende zu bereiten." Das sind Worte aus dem
Munde eines freien, auf das Wohl der Mitmenschen bedachtseienden,
weitherzigen und mitfühlenden Buddha. "Dann wurde der Jünger des
Weltverzichtes in der Nachfolge des Erhabenen und der Aufnahme
teilhaftig".
Sehr oft aber heißt es in den Texten, daß anstelle Buddhas auch seine Jünger
die Lehre verkündeten: "Hier handelt es sich um den Fall, daß der Meister
oder ein respektabler Mitbruder einem Bhikkhu die Lehre kündet", und im
Dighanikaya beauftragt Gotama Buddha seinen Jünger Sariputta, die
Bhikkhuschar zu unterweisen, weil er selbst Rückenschmerzen habe und
sich ausstrecken wolle. Neben den Bhikkhus trugen auch die Bhikkhunis
und die Laienjünger bzw. Laienjüngerinnen viel zur Ausbreitung der Lehre
Buddhas bei. Nach der Dighanikaya rangieren die Bhikkhunis und
Laienjüngerinnen ganz selbstverständlich neben den Bhikkhus und Upasakas
(männliche Laien-Schüler). Ja, Buddha spricht im Dighanikaya davon, daß
das Vorhandensein von Bhikkhunis und Laienjüngerinnen schon durch die
charakteristischen Körpermale des Buddha gewährleistet werde, d. h. einen
Teil des Buddhadogmas bilde, und nach seinen eigenen Worten im
Dighanikaya sei die von ihm gegründete heilige Lebensordnung
(brahmacariya) deshalb vollkommen, weil auch Bhikkhunis und
Laienjüngerinnen an ihr teilnehmen, wenn auch die Hauptrolle im
Buddhismus stets die Bhikkhus gespielt haben.
Die Schar der Bhikkhus, die an einem Orte zusammenwohnte oder den
Buddha bzw. einen bedeutenden Jünger auf der Wanderung begleitete, heißt
Sangha oder Bhikkhusangha, was oft nicht ganz passend mit "Gemeinde"
übersetzt wird, besser mit "Gemeinschaft", "Jüngergemeinschaft",
"Jüngerschaft" oder "Jüngerschar" zu übersetzen ist. Man muß sich
überhaupt grundsätzlich hüten, allzu viel christlich gefärbte oder durch das
Christentum belastete Begriffe in die buddhistische Terminologie
aufzunehmen, da das dann auch auf den Inhalt abfärbt und Sinn und Ziel der
Lehre entstellt. "Buddha, seine Lehre und seine Jüngerschar" ist die Dreiheit,
die immer wieder in der Bekenntnisformel von Volljüngern und auch
Laienjüngern genannt wird. Es heißt: "Ich nehme meine Zuflucht bei dem
Erhabenen, bei der Lehre und bei der Jüngerschar." Auch die Formel
"Glaube an Buddha, an die Lehre und an die Jüngerschaft" kommt vor, aber
auch dieses Wort "Glaube" darf nicht im christlichen Sinne aufgefaßt und
gedeutet werden, weil im Christentum mit dem Wort "Glaube" ganz
bestimmte dogmatische Ansichten verbunden werden, indem "Glaube"
Glaube an eine Realität an sich bedeutet, z. B. Glaube an die Realität Gottes,
an die Realität der Seele und an die Realität einer jenseitigen ewigen Welt -
das sind Glaubensdogmen des Christentums, die gerade im Buddhismus
restlos unmöglich geworden sind, weil für Buddha an die Stelle der Realität
die Idealität getreten ist: die Idealität der Erscheinung und die Idealität des
Grundes dieser Erscheinung.
Zum Schluß sei noch an die beiden weiblichen Bhikkhunis Nanda und
Sujata verwiesen, wohl den ersten Frauen, denen Buddha "Erleuchtung"
bescheinigte!?
1. Ananda
2. Kassapa
3. Sariputta
4. Moggallana
5. Mahakassapa
6. Anuruddha
7. Rahula
8. Subhadda
9. Channa
10. Devadatta
Den Hauptstamm der Jüngerschar Buddhas bildeten aber ohne Zweifel die
Bhikkhus, die männlichen Volljünger. Einige Hauptgestalten dieser
Volljünger sollen im folgenden einer kurzen Charakteristik unterzogen
werden.
Ananda gehört zu jenen Jüngern, die vorerst nur den ersten Teil des
Heilsweges erfolgreich beschritten haben, und deshalb klagt er auch selbst,
als er von dem nahebevorstehenden Abscheiden des Meisters hört: "Ich bin
noch unfähig und habe meine Aufgabe noch nicht erfüllt!" Gerade wegen
dieser seiner bescheidenen Selbsterkenntnis kanzelt ihn Kassapa, ein so ganz
anders gearteter Jünger, der scharf, sachlich und selbstbewußt hochfahrend
ist, in der Samyuttanikaya (verbundene Sammlung) wie einen dummen
Jungen ab, worauf Ananda ihm bezeichnenderweise in voller Ruhe ohne
alles Übelnehmen antwortet: "Ich habe schon graues Haar auf dem Kopfe
und bin noch immer von seiten des großen Kassapa dem ausgesetzt, "Knabe"
genannt zu werden". Weiter erfahren wir, daß Ananda, als Kassapa sich vor
ihm mit seinen höheren Fähigkeiten brüstete, ihm zustimmte. Nach Buddhas
Tod reiben sich dann auch alle Jünger besonders an Ananda und
überschütten ihn mit Vorwürfen wegen dieser und jener angeblichen
Versäumnisse; denn weil er es gewesen ist, der den Meister am meisten
gehört hatte, erwartete man von ihm auch die meiste und beste Auskunft
über den Meister und seine Lehre. Sariputta nennt Ananda den Diener des
Erhabenen, der sich stets in seiner Nähe befindet. Immer wieder wenden sich
daher auch die Bhikkhus, die den Wunsch haben, eine Lehrrede des
Erhabenen zu hören, an Ananda, der dann die betreffende Örtlichkeit festlegt
und den Erhabenen bittet, zu diesem Ort zu gehen.
Derjenige unter den Jüngern, welcher nicht nur wie Ananda als der Wisser
und Kenner, sondern auch als der eigentliche Versteher der Lehre Buddhas
galt, ist Sariputta gewesen. Er wird stets in der Gruppe der würdigsten
Bhikkhus genannt. Vertritt Ananda die Interessen der Person des Buddha, so
gilt Sariputta als der eigentliche Hüter der Lehre, des Dhamma. Auf diesen
Dhamma läuft auch die Diskussion zwischen Sariputta und Gotama in der
Dighanikaya hinaus, die sich anschließt an Sariputtas Erklärung, er glaube,
es habe, was die Erleuchtung betreffe, keinen größeren als den Erhabenen
gegeben, es gebe keinen und werde keinen geben, und er bezeichnet im
Gegensatz zu der Lehre des Meisters der Jainas ,Nigantha Nataputta, den
Dhamma des erhabenen Gotama für wohl verkündet und rubriziert
(geordnet) dann im ganzen übrigen Sutta den Inhalt des Dhamma in
begriffliche Gruppen, in anderer Anordnung auch im Dighanikaya, und es ist
mithin schon eine treffliche Charakterisierung, wenn Sariputta im
Anguttaranikaya der erste der "sehr Klugen" heißt. Sariputta sei imstande,
jemand auf die erste Stufe der Heilsbahn zu leiten und die vier hohen
Wahrheiten zu verkünden bzw. zu erklären, und so belehrt Sariputta immer
wieder die anderen Bhikkhus. Ganz besonders belehrt er Kranke vor ihrem
Ende, so den kranken Brahmanen Dhananjani, den kranken Laienfreund
Anathapindika und den kranken Bhikkhu Channa. Sariputta war es auch,
dem es, wie bereits bei seiner eigenen Bekehrung hervorgehoben wurde, nie
auf den bloßen Buchstaben der Lehre, sondern stets auf den eigentlichen
Sinn ankam, der somit niemals die bloße Schale wollte, sondern stets auf
den letzten Kern drang.
1) Niraya (Hölle)
2) Tiracchana (Tierwelt)
3) Peta (Geisterwelt)
4) Asura (Dämonenwelt)
Von den Bhikkhus wäre sodann noch Rahula zu nennen, der nach späteren
Quellen Gotamas eigener Sohn gewesen sein soll, während im alten
Majihimanikaya von ihm nur als von einem ehrwürdigen Bhikkhu die Rede
ist. In der Majjhimanikaya unterweist ihn der Erhabene, daß man die
wissentlichen Lügen und im Anschluß daran, daß man überhaupt die Tat-,
Wort- und Gedankenvergehen meiden müsse. In der Majjhimanikaya
belehrt Gotama den "ehrwürdigen" Rahula, daß die fünf Kategorien des
erscheinungsweltlichen Auffassens: Gestalt, Gefühl, Bewußtsein,
Phantasievorstellung, Wahrnehmung, sowie die dazugehörigen Elemente,
uns in Wahrheit nichts angehen, indem sie nicht unser Selbst sind, und
weiter darüber, daß die richtige Atemmethode, nach der Rahula den Meister
gefragt hatte, in der Verbindung gesammelten Ernstes des Wohlwollens
gegen alle Wesen mit der Tätigkeit des Atmens bestehe.
In der Majjhimanikaya 147 erzieht der Erhabene Rahula zur Ablegung der
Schwächen der weltlichen Seinsauffassung, er lehrt ihn, daß die
Sinnesobjekte, die Sinneswahrnehmungen vergänglich, leidvoll und nicht
unser Selbst sind, uns nichts angehen, und daß man sich von ihnen
abwenden muß. Daß der Erhabene sich mit ganz besonderer Liebe diesem
Rahula hingibt, daß die Lehrrede gegen die Lüge den Anflug einer
erzieherischen Unterweisung hat, daß in Majjhimanikaya 147 Gotama in
seinen Gedanken den Ausdruck "erziehen" gebraucht und ebenso die
zuhörenden Götter in ihren Gedanken denselben Ausdruck gebrauchen: das
mag zu der Ansicht geführt haben, daß Rahula dem Meister besonders
nahegestanden habe und sein Sohn gewesen sei. Vineti = erziehen und
vinaya = Erziehung bedeuten Schulung im Verständnis für die erlösende
Lehre, und selbst die Forderung, der Lüge zu entsagen, bildet dazu einen
Teil des Anfangs der Heilsweglehre, welche Erziehung es dann auch ist, die
immer tiefer zum Kern der Lehre vordringt, der nicht zuletzt in der
Aufhebung aller Realität, auch der Realität eines Selbst mit allen seinen
Kategorien, besteht, sowie in der Setzung der Idealität des Daseins aller
Erscheinungen und ihres Grundes. Die Suttas, die im Majjhimanikaya dem
Rahula gewidmet sind, gehören zu dem Schönsten, was wir hinsichtlich
buddhistischer Erziehungsweise kennen, und sie sprechen zugleich das
naturhafte Gemüt des Menschen unmittelbar an. Majjhimanikaya 147
schließt mit den Worten: "Während dieser Lehrrede wurde des Rahula Geist
frei vom Haften und erlöst." Etwas von Rousseauschem Geist, übertragen
auf das buddhistische Niveau, geht durch diese Erziehungslehre, die dem
Rahula gewidmet ist.
Nicht alle Jünger traten so begeistert, echt und treu für ihren Meister ein, wie
etwa Ananda und Rahula, sondern es gab auch Aufständische, die den Wert
der Lehre des Erhabenen verkannten und deshalb auch Spaltungen innerhalb
der Jüngerschaft herbeizuführen suchten. So tat z. B. ein gewisser Subhadda,
ein Jünger von zynischem Wesen, nach Buddhas Tode den Ausspruch: "Es
ist ein Glück, daß wir den großen Asketen los sind, er machte sich uns doch
recht lästig mit seinem ewigen "Das ist euch erlaubt, das ist euch nicht
erlaubt". Jetzt können wir tun, was wir wollen, und brauchen nicht mehr zu
tun, was wir nicht wollen" Ein zweiter widerspenstiger Jünger und zugleich
ein räudiges Schaf ist Channa gewesen. Noch der sterbende Buddha
verhängt gegen ihn die "geistliche Strafe", die nach Dighanikaya XVI, 5, 4
darin bestand, daß kein Bhikkhu mit ihm sprechen durfte und keiner ihn
belehren sollte. Die "geistliche Strafe" bestand also in der Vorenthaltung der
Lehre. Was Channas Schuld gewesen ist, erfahren wir aus dem Dighanikaya
nicht. Spätere Texte nennen ihn widerhaarig und schwerbelehrbar. Nach
einer Stelle in der Majjhimanikaya nimmt er sich das Leben dadurch, daß er
sich ersticht, nachdem Sariputta ihn vergeblich durch eine belehrende
Unterredung mit "sokratischer" Methode davon abzubringen versucht hatte,
was noch zu Lebzeiten des Erhabenen geschehen ist.
Der Erhabene antwortete nichts weiter als: "Genug, Devadatta! Entsage dem
Wunsche, die Gemeinschaft zu leiten!" Das war die erste Gelegenheit des
Erwachens des Grolls gegen den Erhabenen in Devadatta. Da sprach der
Erhabene zu den Bhikkhus: "Wohlan, Bhikkhus, die Jüngerschar möge
gegen Devadatta den Disziplinarakt der Proklamation in Rajagaha
beschließen, des Inhalts: "Früher war der Charakter des Devadatta ein
anderer als er es jetzt ist. Was Devadatta in Werken oder Worten
unternehmen mag, das ist nicht dem Buddha, der Lehre oder der Jüngerschar
anzurechnen, dem Devadatta allein ist das anzurechnen." Aus den Berichten
über Devadatta sei dann weiter noch folgendes hervorgehoben: "Darauf
befahl Devadatta einem Manne: "Geh, Freund, an dem und dem Orte hält
sich der Asket Gotama auf, schlag ihn tot und komme dann auf diesem
Wege zu mir." Auf eben diesem Weg aber stellte er zwei Männer auf mit der
Weisung: "Wenn auf diesem Wege ein einzelner Mann ankommt, so schlagt
ihn tot".
Da nahm jener eine Mann Schwert und Schild, rüstete sich mit Bogen und
Köcher aus und machte sich auf den Weg zu dem Erhabenen. Fern vom
Erhabenen blieb er furchtsam, ängstlich und mutlos stehen, unfähig, seinen
Körper weiterzubewegen. Als der Erhabene den Mann so sah, sprach er:
"Komm, Freund, fürchte dich nicht!" Da tat der Mann Schwert und Schild
beiseite, warf Bogen und Köcher ab und ging auf den Erhabenen zu. Bei ihm
angelangt, stürzte er ihm zu Füßen und sprach zu ihm: "Verbrecherische
Absicht hat mich übermannt als einen Toren, Verräter und Schlechten, daß
ich mit böser, mörderischer Absicht hierherkam!'" "Wahrlich, Freund, so
antwortete der Buddha, als einen Toren, Verirrten und Schlechten hat dich
verbrecherische Absicht übermannt, daß du mit mörderischer Absicht
hierherkamst. Weil du aber deine verbrecherische Absicht erkannt und sie,
wie es sich gehört, gutzumachen suchst, so bin ich damit zufrieden, denn das
ist Fortschritt im Gesetz des Erhabenen, daß man, wenn man seine
Verschuldung als Verschuldung erkennt, sie in gebührender Weise
gutzumachen sucht und in Zukunft sich im Zügel hält." Dann verkündete der
Erhabene dem Manne in stufenweisem Fortschreiten seine Lehre."
Wie mächtig und gewinnend muß die Persönlichkeit des Buddha gewesen
sein, wenn er durch die bloßen Worte "Komm, Freund, fürchte dich nicht!"
den gedungenen Mörder von seinem Vorhaben abzubringen vermochte. Das
vermag allein die Kraft des Wortes, die aus dem innersten Quell einer reinen
und hehren Persönlichkeit geboren wird! Und auch die anderen, die
Devadatta postiert hatte, damit sie den Mörder zum Schweigen brächten,
verloren die Geduld und kamen ebenfalls zu Buddha, von dem auch sie dann
bekehrt wurden. Es heißt: "Da kam jener eine Mann wieder zu Devadatta
und sprach zu ihm: "Herr, ich bin nicht imstande, den Erhabenen ums Leben
zu bringen, der Erhabene bezaubert und bezwingt die Menschen." Devadatta
antwortete: "Schon gut, Freund, du brauchst den Asketen Gotama nicht ums
Leben zu bringen, ich selbst werde ihn ums Leben bringen!" Zu der Zeit
erging sich der Erhabene im Schatten des Geierkopfberges. Da stieg
Devadatta auf den Geierkopfberg und schleuderte einen großen Felsblock
hinunter, in der Absicht, den Asketen Gotama damit ums Leben zu bringen.
Aber zwei Bergspitzen neigten sich zusammen und hielten den Felsblock
auf, und nur ein abfliegender Splitter davon brachte dem Erhabenen am
Fuße eine blutende Wunde bei."
Rigoristische Charaktere sind daher auch nie ganz große Genies, sondern
bilden höchstens Vorstufen, nicht Endstufen echten Menschentums. Auf
dem Wege einer bloß rigoristischen Denkweise würde im Sinne Buddhas nie
das letzte Heilsziel zu erreichen sein, und so dürfte es klar sein, daß
Devadatta mit seinem Plan, durch verschärfte Grundsätze über Buddha
hinauszugehen, in Wahrheit weit hinter ihm zurückblieb und das Gegenteil
bewirkte: nicht Großzügigkeit der Denkweise, sondern Kleinlichkeit.
Genauso wie es unmöglich war, den Erhabenen zu töten, da er mit seiner
Lehre selbst bereits über allen Tod in diesem Leben hinaus war, und es
daher ein Widerspruch in sich wäre, den Erhabenen noch töten zu wollen, so
ist es auch ein vergebliches Unterfangen, die Lehre des Erhabenen durch
rigoristische Denkweise ins Extrem steigern zu wollen, zumal nach Buddhas
Lehre alle Extreme und alles Denken in Extremen von vornherein den Keim
des Zerfalls in sich tragen. Cullavagga VII, 3, 14 lautet: "Wir wollen uns
zum Asketen Gotama begeben und ihm Forderungen über fünf Punkte
vorlegen. Der Erhabene hat auf vielerlei Weise das Lob des anspruchslosen,
zufriedenen Mannes verkündet, der das Begehren ausgetilgt und
abgeschüttelt hat.
5. Während des ganzen Lebens sollen die Bhikkhus keinen Fisch und
kein Fleisch essen; wenn einer Fisch und Fleisch ißt, soll ihn Tadel
treffen.
"Damit wird der Asket Gotama nicht einverstanden sein. Dann werden wir
mit Hilfe dieser fünf Punkte Einfluß auf die Leute gewinnen. Es wird
gelingen, mit diesen fünf Punkten die Jüngergemeinschaft des Asketen
Gotama zu sprengen, den Kreis seiner Herrschaft zu sprengen. Denn die
Menschen sind für das Massive empfänglich." Da machte sich Devadatta mit
seinem Anhang auf den Weg zum Erhabenen und trug ihm die fünf
Forderungen vor. Buddha aber sprach: "Genug, Devadatta, wer will, mag im
Walde wohnen, wer will, in der Nähe eines Dorfes; wer will, mag von
Bettelspeise leben, wer will, Einladungen annehmen; wer will, mag
weggeworfene Lumpen als Kleider tragen, wer will, bürgerliches Gewand."
Man sieht hieraus die großzügige Art des Buddha, der alle kleinlichen
Satzungen und Vorschriften verwirft, indem er erkennt, daß, wo
Vorschriften gemacht werden, die echte Freiheit des Anerkennens und
Ausführens unmöglich gemacht wird. Der Text fährt dann fort: "Da erhob
sich an jenem Uposatha-Tage Devadatta vom Sitze und nahm die
Stimmtäfelchen. "Freunde, wir sind beim Asketen Gotama gewesen und
haben fünf Forderungen an ihn gerichtet. Er zählt sie auf. Aber der Asket
Gotama geht nicht darauf ein. Doch wir wollen die fünf Grundsätze
annehmen und danach leben. Welcher Ehrwürdige für diese fünf Grundsätze
ist, der möge ein Stimmtäfelchen in Empfang nehmen. Damals waren
fünfhundert Bhikkhus aus Vesali aus dem Vajji-Geschlechte da, die noch
Neulinge waren und nicht wußten, um was es ging. Die nahmen die
Stimmtäfelchen in Empfang, in der Meinung, es handle sich dabei um Lehre,
Regeln, Gebote des Meisters. Da brachte Devadatta auf diese Weise ein
Schisma (eine Glaubensspaltung) zustande, nahm die fünfhundert Bhikkhus
und zog mit ihnen auf den Geierkopfberg."
Und als Dighavu nach Benares hineinkam, sah er, wie gerade seinen Eltern
die Hände mit festen Stricken auf dem Rücken gebunden und wie sie
kahlgeschoren, unter lauten Trommelwirbeln von Straße zu Straße und von
Platz zu Platz geführt wurden, und er ging nahe zu ihnen heran. Der
gefangene Kosala-König Dighiti, ihr Bhikkhus, sah den Dighavu schon von
fern kommen, und als er nahe war, sprach er zu ihm: "Lieber Dighavu,
blicke nicht zu fern und blicke nicht zu kurz (nah), denn, lieber Dighavu,
nicht durch Feindschaft kommen Feindschaften zur Ruhe, durch
Nichtfeindschaft, lieber Dighavu, kommen Feindschaften zur Ruhe. Dann
wurden beide Eltern hingerichtet. Dighavu aber verschaffte sich eine Stelle
als Lehrjunge im Elefantenstalle des Königs. In der Morgendämmerung
stand er auf, sang im Elefantenstalle mit süßer Stimme und spielte die Laute
dazu. Der Kasi-König Brahmadatta hörte es, ließ ihn vor sich bringen und
sprach zu ihm: "Knabe, du sollst mir aufwarten!", und nach nicht langer Zeit
machte er ihn zu seinem vertrauten Freunde. Da sagte der König eines Tages
zu ihm: "Laß, Knabe, den Wagen anspannen, ich will auf die Jagd!" Und sie
fuhren beide allein hinaus. Als sie lange gefahren waren, sprach der Kasi-
König Brahmadatta zu Dighavu: "Bitte, laß den Wagen halten, ich bin müde
und will mich schlafen legen. Da legte der Kasi-König seinen Kopf in den
Schoß des Dighavu, und da er müde war, schlief er sofort ein.
Da kam, ihr Bhikkhus, dem Prinzen Dighavu dieser Gedanke: "Dieser Kasi-
König Brahmadatta hat uns viel Übles angetan, und er hat meine Eltern
umgebracht. Jetzt ist für ihn die Stunde gekommen, daß ich meinen Haß
stille" und er zog sein Schwert aus der Scheide. Da aber, ihr Bhikkhus, fiel
dem Prinzen Dighavu ein: Mein Vater sprach zu mir in seiner Todesstunde:
"Lieber Dighavu, nicht durch Feindschaft kommen Feindschaften zur Ruhe,
durch Nichtfeindschaft, lieber Dighavu, kommen Feindschaften zur Ruhe."
Es stünde mir schlecht an, gegen meines Vaters Wort zu handeln, und er
steckte sein Schwert in die Scheide. Zum zweiten und dritten Male bestand
er in gleicher Weise die Versuchung. Da sprang plötzlich der König mit dem
Ausdruck großen Schreckens auf und sagte zu Dighavu: "Soeben im Traume
brachte mich Prinz Dighavu, der Sohn des Kosala-Königs Dighiti, mit dem
Schwerte um." Da, Bhikkhus, faßte Dighavu mit der linken Hand den Kopf
des Kasi-Königs Brahmadatta, zog mit der rechten sein Schwert und sprach
so zum König Brahmadatta: "Ich bin jener Dighavu, der Sohn des Kosala-
Königs Dighiti. Viel Böses hast du uns zugefügt" usw. Da fiel der Kasi-
König Brahmadatta dem Prinzen Dighavu zu Füßen und sagte: "Lieber
Dighavu, schenke mir das Leben!" Der antwortete: "Wie könnte ich dem
König das Leben schenken? Möge der König mir das Leben schenken!" Da
schenkten sich der Kasi-König-Brahmadatta und der Prinz Dighavu
gegenseitig das Leben, reichten sich die Hand und schwuren, sich kein Leid
zufügen zu wollen. Und der Kasi-König Brahmadatta gab dem Dighavu
seines Vaters Reich zurück."
Was für eine einzigartige Persönlichkeit muß es gewesen sein, die als
Grundsatz und Richtschnur allen Handelns den Satz aufstellte: "Nicht durch
Feindschaft kommen Feindschaften zur Ruhe, sondern durch
Nichtfeindschaft kommen Feindschaften zur Ruhe." Bevor im folgenden auf
diese geradezu faszinierende Persönlichkeit Buddhas und ihre geistige
Größe eingegangen wird, soll zunächst kurz Buddhas Lebensweise
geschildert werden, wie für ihn ein Tag nach dem anderen, vom frühen
Morgen an bis in den späten Abend und in die Nacht hinein, verlief, denn
diese Lebensweise zeichnete sich trotz des Wanderlebens durch einen sich
stets gleichbleibenden und geregelten Rhythmus aus. In der Dighanikaya
erfahren wir, daß Buddha zur Zeit der Morgendämmerung aufstand. Nach
dem Anziehen, das öfters in stereotyper Wendung erwähnt wird, ließ er sich
in der Regel, wie wir aus der Dighanikaya 1 schließen dürfen, mit den
Jüngern in ein Gespräch ein oder kündete ihnen von seiner Lehre. Dann
machte er sich, noch immer recht früh am Vormittag, aber nicht zu früh, auf
zum Bettelgange durch den Ort, in welchem oder in dessen nächster
Umgebung er entweder für länger sich niedergelassen hatte oder am Abend
vorher angekommen war. Er rüstete sich für diesen Gang und für alle
anderen Gänge in die Öffentlichkeit auch dadurch, daß er zu den wohl zwei
Kleidungsstücken, die er schon früh angelegt hatte, und die den Oberkörper
frei ließen, noch das Stück Zeug, das ihm als Bekleidung des Oberkörpers
diente, und die Almosenschale nahm - beides scheint sich die Überlieferung
nicht wegdenken zu können, denn sie berichtet jedesmal in gleicher Weise
davon.
Wenn es dem Meister zum Bettelgange noch zu früh erschien, dann machte
er gelegentlich bei diesem oder jenem Asketenlehrer oder Angehörigen einer
anderen Sekte einen Besuch, um sich mit ihm über philosophische Fragen zu
unterreden. So etwa sucht er den Wanderasketen-Lehrer Potthapada oder
den Wanderasketen Bhaggavagotta auf, wobei in der Regel aus der
Unterhaltung eine Belehrung und Bekehrung des Besuchten wird. Nach dem
Bettelgange verzehrte der Erhabene sogleich, was ihm an Speise in seine
Almosenschale getan war. Wie die Dighanikaya berichtet, aß er nur einmal
am Tage. Nach der Mahlzeit begab er sich zum "Verbringen des Tages", wie
der terminus technicus in Dighanikaya XVI, 3, 1 lautet, in diesem speziellen
Falle in Begleitung Anandas, an eine einsame ungestörte Stätte, meist wohl
in den Schatten unter einem Baume, in der Dighanikaya heißt es, zum
"Capala-Heiligtum" (Cetiya = eine Stätte frommen religiösen Gedenkens =
Altar, Mahnmal, Kloster, Tempel), aber auch diese Cetiyas sind z. T.
Bäume. Nach Dighanikaya XXIV ist es ein Hain, ein kleiner sakraler, den
Göttern geweihter Garten oder Wald, in der Umgebung einer Grotte, eines
Felsens, Baums oder Bachs, wo das Wirken eines Gottes vermutet wurde, in
den er sich zurückzieht, während es nach Dighanikaya XVIII ein
Ziegelsteinhaus in Nadika ist, aber in jedem Falle ist die Meditation der
Zweck des stillen Sichzurückziehens.
Darin aber erweist sich zugleich die Richtigkeit unserer These, daß Buddhas
Leben und Lehre untrennbar miteinander verbunden sind, weshalb es
vergebliche Mühe ist, seine Philosophie losgelöst von seinem Leben und
seiner Persönlichkeit und umgekehrt sein Leben und seine Persönlichkeit
ohne seine Lehre verstehen zu wollen. Die Wärme seiner Persönlichkeit
bildet den eigentlichen Nährboden für seine Lehre, die ohne die Würdigung
seiner Persönlichkeit bloß abstrakt und leer bleiben würde. Durch die Macht
und Kraft seiner faszinierenden Persönlichkeit wurden sogar Räuber und
Mörder bekehrt, wobei an die Bekehrung des Königs Ajatasattu, der seinen
eigenen Vater ermordet hatte, zu erinnern ist, oder an die Verse, wonach ein
ehemaliger Räuber durch den Zauber der Persönlichkeit Buddhas zu seiner
Lehre bekehrt wurde.
Mit Windeseile verbreitete sich das Gerücht von Buddha und der magischen
Gewalt seiner Persönlichkeit über ganz Indien, und lange, ehe er an einen
Ort kam war ihm die Kunde von seinem Kommen vorausgeeilt. Diese
wunderbare Begeisterung für ihn und seine Persönlichkeit werden die
Palitexte des buddhistischen Kanons nicht müde, immer wieder zu berichten.
Dann kommen die Menschen von allen Seiten herbeigeströmt, ihn zu sehen
und zu hören. Selbst viele der hochgestellten und einflußreichen Brahmanen
als Vertreter der alten Ordnung, Buddhas natürliche Widersacher, glichen
nur Motten, die zum Licht fliegen, um vernichtet zu werden. Manche der
Brahmanen gingen in ihrem Haß gegen den Neuerer Gotama zwar oft so
weit, daß sie, wenn sein Kommen in Aussicht gestellt wurde, mitunter alle
Brunnen verschütteten, aber die Brahmanen verschwanden bei Buddhas
Kommen wie Leuchtkäfer, wenn die Sonne aufgeht. Aus dem Munde eines
Brahmanen, den seine Freunde noch zu hindern suchten, seinem Drange zu
folgen, rühren die Worte her: "Zu dem Asketen Gotama kommen die
Menschen selbst von außerhalb der Provinz und des Landes."
Ananda bittet den Meister, sein Leben eine Weltperiode lang auszudehnen
zum Wohle und Heile von Göttern und Menschen, und als Buddha auf dem
Sterbelager liegt, kommen solche Scharen von Göttern, ihn noch einmal zu
sehen, daß kein Pünktchen des Erdbodens, so groß wie die Spitze eines
Pferdehaares, von ihnen frei ist. Nach seinem Abscheiden weinen und
klagen Götter des Luftraumes und der Erde um ihn. Gott Brahma
Sanamkumara und ebenso Gott Sakka sprechen zu den Tavatimsa-Göttern,
daß der Erhabene gelebt habe ... "zum Wohle und Heile der Götter und
Menschen". In Dighanikaya XIX erzählt ein göttliches Wesen, ein
Gandhabba namens Pancasikha, dem Gotama, daß unter den Göttern des
Tavatimsa-Himmels diejenigen, die Götter geworden seien, nachdem sie bei
Gotama den heiligen Wandel geführt hätten, die anderen Götter an Glanz
und Macht und Lebensdauer überträfen und daß dank seiner Wirksamkeit
die Zahl der Götter zu- und die der Dämonen abnähme.
Ein solcher Mensch, der von Göttern und Menschen in gleicher Weise ver
ehrt wurde, muß in der Tat eine faszinierende Wirkung ausgeübt haben und
eine Persönlichkeit von packender Gewalt gewesen sein. Landauf, landab
ging sein Ruhm vor ihm her, indem es hieß: "Ein Asket Gotama aus dem
Hause der Sakyas hat das Leben in seiner Familie mit dem Asketenstande
vertauscht, er ist auf seiner Wanderung mit einer großen Bhikkhuschar dort
und dort hin gekommen; über diesen Asketen Gotama geht das rühmende
Gerücht: "Wahrlich, er ist der Erhabene, der Vollendete, der vollkommen
Erleuchtete, kundig des rechten Weges, der Pfadvollender, der
Welterkenner, der unvergleichliche Menschenerzieher, der Lehrer von
Göttern und Menschen, der erha bene Buddha. Der offenbart das Wesen
dieser Welt samt der der Götter, der Maras und der Brahmas, das Wesen der
Kreaturen, einschließlich der Asketen, Brahmanen, Götter und Menschen,
das er selbst erkannt und durchschaut hat. Er kündet die Lehre, die schön ist
am Anfang, schön in der Mitte und schön am Ende, von Bedeutung und
Sorgfalt in der Form; die lückenlos vollendete reine, heilige Lebensführung
verkündet er. Schon der Anblick eines solchen Vollendeten ist schön."
Man hörte freilich auch andere Worte über ihn. Gleich in den ersten Sätzen
des Dighanikaya schimpft und stichelt der Wanderasket Suppiya auf
Gotama, während er ihm und seiner Bhikkhuschar dauernd auf dem Fuße
folgt; dessen Schüler, ein Knabe, führt beherzt die Verteidigung Gotamas. In
Dighanikaya III läßt der ungezogene Brahmanenjüngling Ambattha, der den
Gotama besucht, seine hochmütige Verachtung an ihm aus. Er verletzt die
elementarsten Gebote der Höf lichkeit und gesteht mit zynischer Offenheit,
daß er nur gegenüber den verächtlichen, geschorenen Asketen sich so etwas
gestatte, gegen Brahmanen aber sich anders verhalte. Dann erlaubt er sich
auch noch beleidigende Äußerungen über Buddhas Geschlecht, die Sakyas,
und in Dighanikaya IV, 26 bittet Sonadanda den Gotama um
Entschuldigung, weil er sich zum Abschied nicht vor ihm verneige, die
Brahmanen, die um ihn seien, würden ihn sonst verachten. In Dighanikaya
XXVII, 3 schimpfen die Brahmanen auf Vasettha und Bharadvaja, weil
diese dem Weltleben entsagen, um Gotamas Jünger zu werden, und reden
von Buddhas Kreis als von den elenden geschorenen Asketen.
Aber es ist doch im ganzen recht wenig, was wir von solch feindseliger
Gesinnung erfahren, und auch das verringert keineswegs den Eindruck von
der Gewalt dieser Persönlichkeit, sondern wirkt vielmehr nur als
Hintergrund, von dem sie sich um so mehr ihrer erhabenen Größe wegen
abhebt. Mit welch imposanter Ruhe, Überlegenheit und Sachlichkeit fertigt
Gotama Buddha den ungezogenen jungen Brahmanenlümmel Ambattha und
seine aufgeregten Freunde ab, die sich für ihn ins Mittel legen; wie vornehm
nimmt er dann ihre Partei, als ihre Freundschaft in Feindschaft gegen den
Gedemütigten umschlägt, und von welcher Herzensfreundlichkeit zeugt es,
wenn er schließlich dem Lehrer des Ambattha, der in seiner Empörung über
das Benehmen seines Schülers diesem einen Fußtritt versetzt und Buddha
gegenüber ihn mit den Worten kritisiert: "Ambattha ist ein dummer Junge!"
antwortet: "Ich wünsche ihm Gutes"; und die Schimpfereien des
Wanderasketen Suppiya gegen Gotama haben nur den Erfolg, daß Buddha
seinen Bhikkhus einschärft: "Wenn andere mich, meine Lehre oder
Jüngerschar schmähen, dann sollt ihr darüber keinen Unwillen empfinden,
denn wenn ihr zürnt und aufgebracht seid, erwächst euch selbst daraus nur
innere Hemmung, und wenn andere über mich, meine Lehre und
Jüngerschar Gutes reden, so sollt ihr darüber nicht frohlocken und keinen
Stolz empfinden." Wer so spricht, dem können wir unsere Bewunderung
nicht versagen.
Es gibt noch andere Beweise von Buddhas Größe. Buddha war gleich groß
an Sinn und Geist, an Charakter und Herzensgüte. Dafür sind uns viele
Zeugnisse überliefert. Wo die Religionsübung und Kultbetätigung seiner
Zeit sich mit Äußerlichkeiten zufrieden gab, da legt Buddha nur auf das
Innerliche, auf die Gesinnung wert. Geburt und Kaste seien bedeutungslos,
nur auf das rechte Wissen und den rechten Wandel komme es an, so lehrt
Gotama. Er erzählt von einem weisen Priester der Vorzeit, der er aber selbst
in einer früheren Existenz gewesen ist, daß dieser von Tieropfern nichts
habe wissen wollen, und fügt von sich aus als dem gegenwärtigen Buddha
hinzu, es gebe höhere und ersprießlichere Opfer als Tieropfer, nämlich
Spenden, Bauen von Unterkunftshäusern für die Bhikkhuscharen aller vier
Himmelsgegenden, vertrauen zu Buddha, zu seiner Lehre und zu seiner
Jüngerschar und Zufluchtnahme zu dieser Dreizahl, Befolgung der Gebote
der Wesenschonung, der Ehrlichkeit usw., und ein höchstes Opfer ist das
Durchwandern des ganzen von ihm verkündeten Heilsweges.
Von der körperlichen Askese als Selbstzweck wollte Buddha nichts wissen.
Dies machte solches Aufsehen, daß eines Tages einer der nacktgehenden
Büßer zu ihm kam und ihn fragte, ob es denn wirklich wahr sei, was man
erzähle, daß er alle Askese verwerfe. Gotama antwortete: "Welch strengen
Übungen auch immer der Asket sich hingebe, wenn er nicht im Besitze der
sittlichen Zucht, der wahren Geistesschulung und des höchsten Wissens sei,
so sei er fern vom wahren Asketen- und Brahmanentum, ein Bhikkhu
hingegen, der Wohlwollen gegen alle Wesen hege, die weltlichen
Schwächen abgetan und die Erlösung in Herz und Erkenntnis gewonnen, in
Summa, den von ihm verkündeten Heilsweg bis zu Ende durchmessen habe,
der sei der wahre Asket und Brahmane." Ähnlich nennt Buddha das
asketische Leben ausschließlich von Früchten und Wurzeln des Waldes
ebenso wie den Feuerkult bloße Abwege und den von ihm selbst gelehrten
Heilsweg den allein richtigen. In Dighanikaya XXV fragt ein Wanderasket
den Gotama: "Welche asketische Weltabkehr ist die vollkommene, welche
unvollkommen?" Gotama zählt allerlei Fehler auf, die solche Askese im
Gefolge hat: Hochmut und Überhebung, sorgloses Nachlassen in der
Wachsamkeit usw.; nur wenn der Asket sich vor diesen hütet, ist seine
Askese rein. Die höchste und wachste Askese aber ist die Befolgung des
Heilsweges.
Obwohl die Überlieferung allerlei Wunder von Gotama erzählt und ihm das
Bewußtsein seiner Fähigkeit, Wunder zu tun, beilegt, berichtet sie doch
zugleich, daß der Erhabene das Wundertun verurteilt habe. Dreierlei Wunder
gebe es, soll Buddha gelehrt haben: 1. das zauberhafte Mirakelverrichten,
wie z. B. das Sich-vervielfältigen, Sich-unsichtbar-machen, Durch-Wände-
und-Mauern-gehen, Wasserwandeln; 2. das Wunder des Gedankenlesens
und 3. das Wunder der Verkündigung des Heilsweges, der zur erlösenden
Erkenntnis führt; dabei seien ihm die beiden ersten Arten des Wundertuns
zuwider. In Dighanikaya XXIV erhebt der Licchavi Sunakkhatta, ein
abtrünniger Bhikkhu, gegen den Meister den Vorwurf, er habe ihm gar keine
auf Zauberkraft beruhenden Wunder gezeigt, Buddha aber antwortet ihm:
."Sunakkhatta, habe ich zu dir gesprochen: "Komm zu mir, Sunakkhatta,
folge mir nach, ich werde dir auf Zauberkraft beruhende Wunder zeigen?"
"Nein, Herr!" bekennt jener. Oder hast du zu mir gesprochen: "Herr, ich will
dem Erhabenen nachfolgen, der Erhabene soll mir auf Zauberkraft
beruhende Wunder zeigen?" "Nein, Herr!". "Was meinst du, Sunakkhatta,
hängt davon, ob ich auf Zauberkraft beruhende Wunder tue oder nicht, die
Tatsache ab, daß die von mir verkündete Lehre den, der ihren Vorschriften
folgt, zur Freiheit von allem Leiden führt?" "Herr, es ist dafür
bedeutungslos, ob du solche Wunder tust oder nicht." "Erkenne also, du Tor,
wie sehr du im Unrecht bist!" Die alten Anschauungen waren indessen nun
einmal eingewurzelt, und Buddha mußte mit ihnen rechnen; er bediente sich
der Worte, in denen sie zum Ausdruck kamen, ohne sie ernst und für voll zu
nehmen, er goß einen neuen Inhalt hinein. Die alten Anschauungen aber
verwerfen und durch höhere ersetzen und doch die alten Begriffe benutzen
und gleichzeitig vertiefen : eins ist so groß wie das andere.
So weist er, wenn er von Opfern spricht, auf das wahre Opfer hin, wenn er
von Askese spricht, auf die wahre Askese, wenn er von Wundern spricht, auf
das wahre Wunder, das Wunder der Lehre, und wenn er von Asketen- und
Brahmanentum spricht, zeigt er, was wahres Asketen- und Brahmanentum
ist. Zwei junge Brahmanen kamen einst zu ihm, um sich von ihm die
brahmanische Frage nach dem Wege, der zur Vereinigung mit Gott Brahma
führt, beantworten zu lassen. Buddha trägt ihnen den von ihm gefundenen
Heilsweg zur Erlösung als den wahren Weg zu Brahma vor. Es war ein
Dogma der Brahmanen, die Brahmanenkaste (Priester) sei aus dem Munde
des Urwesens des Brahma hervorgegangen; Buddha sagt demgegenüber, es
sei gleichgültig, welcher Kaste der als Bürger angehört habe, der dem
Hausleben entflohen sei; wer aus des Erhabenen Munde die Lehre
vernommen habe, der sei im höchsten Sinne aus Brahmas Munde geboren.
Eines Morgens traf Gotama auf seinem Bettelgange einen Bürger, der nach
dem Morgenbade den Himmelsgegenden seine Verehrung darbrachte; er
belehrte diesen, was der wahre Kult der Himmelsgegenden sei: Die Eltern
seien der Osten, die Lehrer der Süden, Frau und Kinder der Westen, die
Freunde und Angehörigen der Norden, Sklaven und Diener der Nadir
(unten), Asketen und Brahmanen der Zenit (oben). Man solle für die Eltern
sorgen usw., den Lehrern folgen, Frauen und Kinder hochhalten usw., auf
das Wohl der Freunde und Angehörigen bedacht sein usw., Dienern und
Sklaven nur aufgeben, was sie nach ihren Kräften zu leisten imstande seien,
ihnen den verdienten Lohn zahlen, in Krankheit ihnen mit Arzneien
beistehen, Asketen und Brahmanen mit Wohlwollen behandeln, ihnen
Almosen geben und die Tür nicht vor ihnen schließen.
Buddhas große Intelligenz entfaltet sich sowohl nach der Seite des
Verstandes als auch nach der Seite des Esprit, der nicht selten mit Humor
gemischt ist. Was für treffliche Bilder und Gleichnisse sind das vielfach, die
der Buddha schaut und gebraucht: Einst wanderte jemand, so erzählt Buddha
einem Bürger Kevaddha, durch alle Himmel, von einer Götterklasse zur
anderen, um sich von den Göttern über eine gewisse, die letzten Welträtsel
betreffende Frage Aufklärung zu verschaffen. Sie konnten ihm solche aber
nicht geben. Da kam er zu Brahma. Der nahm ihn am Arm beiseite und
flüsterte ihm zu: "Die anderen Götter bilden sich ein, es gibt nichts, was
Brahma nicht sieht und weiß. Das ist der Grund, weshalb sie das nicht hören
sollen, was ich dir zu antworten habe. Auch ich weiß keinen Bescheid auf
deine Frage. Es war verkehrt von dir, den Erhabenen (d. h. Buddha) zu
übergehen und woanders eine Antwort auf deine Frage zu suchen. Frage
ihn!" So kam er, wie Buddha weiter erzählt, endlich zu ihm, und nun folgt
eines der großartigsten und tiefsinnigsten philosophischen Bilder und
Gleichnisse der buddhistischen Literatur. In der Vorzeit ließen die Seefahrer,
so heißt es, wenn sie kein Land mehr sahen, um sich zu orientieren, einen im
Schiffe mitgeführten landspähenden Vogel (Raben) auffliegen. (Derselbe
Brauch, auf den auch die Geschichte von dem Raben und der Taube
hinweist, die Noah aus der Arche fliegen ließ.) Wenn der auf keiner Seite
Land fand, so kehrte er zum Schiffe zurück. Das Schiff, d. h. die letzte
Zuflucht aller Fragen, sei er, Buddha selbst, der Vogel der Forschende.
"Gerade so bist du, Bikkhu, nachdem du bis hinauf in den Himmel des
Brahma nach einer Antwort auf diese deine Frage gesucht und keine
gefunden hast, zu mir zurückgekommen." Dieses Bild ist so treffend
gewählt, die vom Throne gestoßene alte Götterdynastie so anschaulich
gezeichnet, voll von gesunder Selbstbewußtheit zugleich, daß wir hier den
wahren Kern von Buddhas eigener Selbstbewußtheit unmittelbar zu spüren
bekommen. In Dighanikaya XIII heißt es dann auch folgerichtig weiter:
"Gibt es auch nur einen einzigen unter den dreivedenkundigen (früher gab es
im Hinduismus nur drei Gesellschaftsklassen: 1. die Brahmanen (Priester) 2.
die Krieger 3. das gemeine Volk) Brahmanen, der den Brahma von
Angesicht zu Angesicht gesehen hätte?" "Nein, verehrter Gotama!" "Oder ist
unter den dreivedenkundigen Brahmanen auch nur in Lehrer, der den
Brahma von Angesicht zu Angesicht gesehen hätte? ... oder ein Lehrer eines
Lehrers ?" "Nein, verehrter Gotama."
Sehr lehrreich ist der Nachweis, daß es ausschließliche Seligkeit nicht gebe.
Es heißt dort: "Potthapada, es gibt manche Asketen und Brahmanen, die
behaupten und glauben, daß Selbst sei nach dem Tode ausschließlich selig
und frei von körperlicher Gebrechlichkeit. Die suchte ich auf und fragte sie:
"Habt ihr Ehrwürdigen in eurem Leben schon eine Welt ausschließlicher
Seligkeit gesehen? Kennt ihr eine solche?" Sie beantworteten meine Frage
mit "Nein". Ich fragte sie dann: "Seid ihr Ehrwürdigen euch bewußt, daß ihr
einmal auch nur eine einzige Nacht oder einen halben Tag ausschließlich
glücklich gewesen seid?" Sie antworteten: "Nein." Ich fragte sie weiter:
"Vielleicht kennt ihr Ehrwürdigen aber einen Weg, einen Pfad, der zur
Erreichung einer ausschließlich seligen Welt führt?" Sie verneinten wieder.
Ich fragte: "Oder habt ihr Ehrwürdigen vielleicht von Gottheiten, die in einer
Welt ausschließlicher Seligkeit existieren, diese Worte vernommen:
"Wandelt auf dem rechten Pfade und strebt geraden Weges, die Welt
ausschließlicher Seligkeit zu gewinnen, denn auch wir sind auf solchem
Pfade wandelnd, in die Welt ausschließlicher Seligkeit gelangt?" Sie
verneinten auch das. "Potthapäda, erweist sich da der Glaubenssatz jener
Asketen und Brahmanen nicht als unüberlegtes Gerede?"
Welch geistreicher Humor, wie er nur einem echten Genius eigen ist, liegt
ferner über der Schilderung des Gottes Brahma ausgebreitet in der
Geschichte von der Wanderung jenes Mönches, der eine metaphysische
Frage beantwortet haben wollte und zu diesem Zwecke durch alle Himmel
wanderte, um dann schließlich zu Buddha zu kommen. Buddha erzählt:
"Nicht lange danach kam ihm der große Brahma zu Gesicht, der Mönch ging
auf ihn zu und legte ihm die Frage vor: "Lieber Freund, wo finden die vier
Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft restlos ihr Ende ?" Der große
Brahma antwortete: "Mönch, ich bin Brahma, der große Brahma, der
Allmächtige, der keinem Untergebene, dessen Angesicht verborgen ist, der
unumschränkte Herr, der Wirkende, der Schöpfer, der höchste Regierer, der
alles nach seinem Willen lenkt, der Vater alles Gewordenen und
Zukünftigen!" Aufs neue sprach der Mönch zu Brahma: "Lieber Freund, ich
frage dich ja nicht, ob du Brahma, der große Brahma, der Allmächtige, der
keinem Untergebene, dessen Angesicht verborgen, der unumschränkte Herr,
der Wirkende, der Schöpfer, der höchste Regierer, der alles nach seinem
Willen lenkt, der Vater alles Gewordenen und Zukünftigen seiest, sondern
wo die vier Elemente restlos ihr Ende finden?" Aber wiederum antwortet
Brahma: "Ich bin Brahma, der große Brahma..." usw. Zum dritten Male
fragte der Mönch. Da faßte der große Brahma den Mönch am Arm, nahm
ihn beiseite und sprach zu ihm: "Mönch, hier diese Götter des
Brahmahimmels denken, es gebe nichts, das Brahma nicht erschaut, und
nichts, was ihm nicht offenbar wäre. Darum antworte ich dir nicht in deren
Anwesenheit. Mönch, auch ich weiß nicht, wo die vier Elemente Elemente
Erde, Feuer, Wasser und Luft ihr Ende finden", und Brahma verweist dann
den Mönch an den erhabenen Buddha.
Einen bedeutenden Geist und Charakter verrät es, wenn Gotama banales
Geschwätz und Stimmenlärm nicht liebte. Angehörige anderer Sekten
bezeugen wiederholt: "Der Asket Gotama liebt und lobt die Stille. Der
Majjhimanikaya berichtet, der Meister habe, als einmal neuankommende
Bhikkhus mit schon anwesenden in lärmender Weise sich begrüßten,
Ananda gefragt: "Wer lärmt denn da so? Sind das Fischer, die sich die
Fische gestohlen haben?" Die Menge rühmt von ihm: "Leeres Geschwätz
meidet und verabscheut der Asket Gotama", und er findet keinen Geschmack
an "Geschwätz über Könige, Spitzbuben, Minister, Kriegsheere, Gefahren,
Krieg, Speisen, Getränke, Kleider, Lager, Blumen" usw.. Er redet nur, was
wahr ist, und Gott Sakka (Der Tavatimsadevaloka, der Himmel der
Dreiunddreißig Götter, die im Volksglauben eine große Rolle spielen und
von denen es heißt: "Das glänzt wie bei den Dreiunddreißig!" Der Herrscher
über die Dreiunddreißig ist Sakka oder Indra, die bekannteste Figur im
indischen Pantheon.) bekennt selbst: "Wie der Erhabene redet, so handelt er,
und wie er handelt, so redet er."
Ananda fragt den Meister, wie nach seinem Tode die Bhikkhus mit seinem
Leichnam verfahren sollen. Er antwortet: "Ananda, laßt die Ehrung für den
Leichnam des Tathagata nicht eure Sorge sein! Ihr, Ananda, ringet nach dem
Heil! Es gibt kluge Leute genug unter den Adligen, Brahmanen und den
gewöhnlichen Bürgern, die an den Tathagata glauben, die werden die
Ehrungen für den Leichnam des Tathagata schon besorgen." Er suchte nicht
seine Ehre, sein Wohl für andere aber war voll gütiger Fürsorge und voll
Zartgefühl. In Dighanikaya XVI, 5, 13 weint und klagt An an d a: "Ich habe
noch soviel zu lernen, und schon steht das Abscheiden des Meisters nahe
bevor, der für mein Wohl besorgt hat." Und ist es nicht auch rührend, wie
der Meister vor seinem Tode dem Lieblingsjünger Ananda noch viel
Freundliches zu sagen sucht? Als Ananda den Subhadda, welcher noch in
Gotamas allerletzter Stunde kam, um sich von ihm Zweifel beseitigen zu
lassen, abzuweisen suchte, rief der Erhabene: "Laß gut sein, Ananda, weise
den Subhadda nicht ab, Subhadda soll seinen Wunsch, den Tathagata zu
sehen, erfüllt bekommen. Was auch Subhadda mich zu fragen haben mag, er
wird nur vom Verlangen nach Erkenntnis getrieben, seine Fragen an mich
richten, nicht aber, um mich zu belästigen."
Die Brahmanen Sonadanda und Kutadanta rühmen denn auch Gotama: "Er
ist groß, er ist leutselig, freundlich redend, liebenswürdig
entgegenkommend." Ja, die ganze Welt mit liebender Gesinnung zu
durchdringen, ist Voraussetzung zur erlösenden Erkenntnis. Freundliche
Gesinnung und Grundgüte gehören daher zum Wesen der
Buddhapersönlichkeit und sind aus ihr nicht wegzudenken. Nur wer ein so
mitfühlendes Herz wie Buddha besaß konnte auch das Leiden der Welt voll
und ganz empfinden und aus tiefstem Mitleid zur Welt die Welt selbst von
diesem Leiden zu erlösen suchen.
Neben diesem tiefen und reinen Mitgefühl für alle Wesen ist dem Buddha
aber auch eine ungeheure Willensenergie eigen gewesen, die es zugleich
verhinderte, daß sein weiches Gemüt zu einem weichlichen wurde, und so
bildete diese große Willenskraft ein heilsames Korrektiv gegenüber aller
Verweichlichung. Diese aufs äußerste angespannte Energie zeigte sich
bereits bei dem Bodhisattva, der in stetem Ringen nach der erlösenden
Erkenntnis, die er ja damals noch nicht erlangt hatte, strebte. Insbesondere
der Bodhisattva ist stets ein mit eiserner Energie Ringender und
Überwindender gewesen. So berichtet uns auch die Legende, der Vater des
Sidhartha Gotama habe diesen, als er die Absicht geäußert hatte, das
Hausleben in Üppigkeit und Schwelgerei mit der Heimlosigkeit des Asketen
zu vertauschen, mit allem nur erdenklichen Luxus und seinen Palast mit
zuverlässigen Wachen umgeben, doch nichts habe den Vorsatz des
Bodhisattva zu vereiteln vermocht. Von jener Energie aber, mit der er sich
auf dem Heilswege weiterhin abmühte, legt er selbst einmal Zeugnis ab, wo
es heißt: "Ohne Unterlaß rang ich, Bhikkhus, nach dem Heil, weil ich mir
sagte: "Mögen auch Haut, Sehnen und Knochen schrumpfen, mag Fleisch
und Blut in meinem Körper vertrocknen, was mit Menschenkraft,
Menschenenergie und Menschenanstrengung überhaupt zu erreichen ist,
ohne das erreicht zu haben, wird meine Energie nicht nachlassen." So errang
ich durch nimmermüdes Ringen die vollkommene Erleuchtung." Des
Asketen Gotama Charakter ist ohne Wanken, rühmten darum mit Recht von
ihm die Lobpreisungen der hingerissenen Volksmassen von Hindustan.
Für sich selbst konnte Buddha natürlich keine weiteren Existenzen mehr
voraussehen, obgleich er sich seiner eigenen früheren Existenzen sehr wohl
erinnerte, weil er als Vollender des Heilsweges (Tathagata) von allen
künftigen Existenzen erlöst war. Was die Zukunft betrifft, so besitzt der
Tathagata die aus seiner Erleuchtung quellende Erkenntnis: "Dies ist die
letzte Geburt, es gibt jetzt kein neues Werden mehr." Den Endpunkt seiner
gegenwärtigen Existenz aber sieht er voraus, richtiger gesagt, er bestimmt
ihn selbst: "Nach drei Monaten wird der Tathagata abscheiden." In der
Dighanikaya prophezeit er dem Nacktgänger Onakkhattiya, daß er in sieben
Tagen sterben wird, und daß der Nacktgänger Patikaputta sich nicht wird
von seinem Sitze erheben können, was beides auch eintrifft. Im übrigen aber
verkündet er von dem, was er von der Zukunft voraussieht, auch nur das,
was zum Heil der Hörer ersprießlich ist. Andere Formen seines Hellsehens
sind, daß er die weiteren Schicksale Verstorbener überblickt und, diese
Fähigkeit zu besitzen, selbst überzeugt ist, daß er anwesende Götter sieht
und sie sprechen, hören und verstehen kann, daß er nach eigener Behauptung
Unterhaltungen mit göttlichen Wesen und Mitteilungen von ihnen hat, daß er
weiß resp. hört, was fern von ihm gesprochen wird, daß er der Menschen
Denken durchschaut und das zu tun selbst erklärt.
Das größte Wunder ist und bleibt, außer der Lehre, Buddhas Persönlichkeit
selbst. Wenn man die mannigfaltigen Seiten seines Lebens in einem
Brennpunkt zusammenzufassen sucht, so könnte man sagen, daß uns in
Buddha ein reiner Typus des Indogermanentums begegnet. Stolz und
selbstbewußt in der Abwehr und in der Vertretung der Grundsätze, voll
Energie, hochgesinnt ehrlich, gütig und zugleich weichherzig, aber alles
andere als weichlich, für die eigene Person bescheiden und selbstlos: das ist
der Charakter des Indogermanen und zugleich des Buddha. Keineswegs ist
ein wesentlicher Zug in Buddhas Charakter jene Unmännlichkeit und
Weichlichkeit, die man nicht selten in ihn, finden wollte, nicht zuletzt wegen
der stark ausgeprägten Mitleidsethik. So malten sich ihn die Massen später
aus, weil sie sich ihn nach ihrem eigenen Bild vorstellten, aber Buddha
würde sie nicht im Sturme genommen und beherrscht haben, wäre er selbst
so gewesen wie diese Massen. Das recht weiche Geschlecht des
Gangeslandes aber läßt sich bis in die Gegenwart nur durch überlegene
Herrschernaturen imponieren. Eine solche Natur war der Vater Buddhas,
schon vermöge seiner Zugehörigkeit zu dem stolzen alten Ksatriya-, d. h.
Adelsgeschlechte der Sakyas, (der "Vielvermögenden", "Starken"), das
seinen Ursprung direkt auf den ersten Inderkönig zurückführte. Dieses
Adelsgeschlecht der Sakyas war eifrig bemüht, sich die Reinheit seines
Stammbaumes zu wahren. Daß diese Bestrebungen Erfolg gehabt hatten,
scheint eine Bezeichnung zu beweisen, die in den buddhistischen Texten der
Person des Buddha beigelegt wird, nämlich "goldfarbig". Im Gegensatz zur
schwarzen oder dunklen Farbe der dravidischen Urbevölkerung (die
vorwiegend in Südindien anzutreffen ist) soll damit die hellere Farbe der
Angehörigen dieses führenden Adelsgeschlechts bezeichnet werden.
Der Stolz, den wir an ihm finden, konnte natürlich bei einem Buddha nicht
jener brutale Kasten- und Geburtsstolz der indischen Kasten sein, sein Stolz
ruhte vielmehr auf persönlicher Grundlage, nicht auf ererbten Institutionen,
und nur in der Anlage als ererbte Fähigkeit lebte der Sakyastolz in ihm fort,
aber die eigentliche Grundlage dieses Stolzes und sein Inhalt war ein
anderer: er leuchtet in der reinen Flamme der transzendentalen Idealität des
Daseins auf, die alle Realität überwunden hatte. Er zeigte sich von hier aus
sowohl in der durchgreifenden Abkehr von allem Unwürdigen und seine
eigenen edlen Absichten Störenden als auch in der selbstsicheren
unmittelbaren Überzeugtheit von der Güte der vertretenen Sache und in der
aus ihr entspringenden unablenkbaren Willensenergie.
Buddha war so recht eigentlich der Mensch des reinen guten Willens und der
grundgütigen Gesinnung. Nur aus einem grundguten und grundgütigen
Herzen konnte eine solche, die ganze Menschheit bewegende Lehre vom
Weltleiden entspringen. Nur durch die Größe, Tiefe und Weite der
Persönlichkeit Buddhas ist eine so erhabene Lehre möglich geworden, die
ohne die Kenntnis und Erkenntnis seiner Persönlichkeit bloß abstrakt bleiben
würde und niemals jene lebendige Ausstrahlung hätte vermitteln können.
Dies konnte sie nur dadurch, daß ihr als einer echten rätseltiefen Lehre das
ganze Geheimnis der Persönlichkeit selbst zugrunde liegt, die wie die Lehre
unausschöpfbar ist. Buddha soll einmal durch einen Wald gegangen sein und
von den Bäumen des Waldes Blätter abgestreift haben, wobei er die Worte
sprach: "Wieviel mehr Blätter auf den Bäumen sind als die, die ich in der
Hand halte, um soviel mehr sind auch der Lehren, die ich nicht verkündet
habe gegenüber denen, die ich verkündet habe." Diese Worte verraten neben
der Tiefe seiner Lehre die ganze unausschöpfbare Tiefe seiner
Persönlichkeit, die dennoch als solche sich niemals aufdrängt und in den
Vordergrund stellt. Einst war ein Bhikkhu, Vakkali mit Namen, krank und
empfand es als das schmerzlichste, daß er den Meister nicht besuchen und
sehen konnte; darauf besuchte ihn Buddha und fragte ihn mit leisem
Vorwurf: "Was siehst du, Vakkali, an diesem der Verwesung unterworfenen
Körper? Wer meine Lehre sieht, sieht mich!"
Mit der unbändigen Kraft, Macht und Wärme seiner Persönlichkeit hat
Buddha während seines ganzen Lebens immer wieder die hohe Lehre
verkündet, seit jener Zeit, da er mit sechsunddreißig Jahren sich zur
erlösenden Erkenntnis durchgerungen hatte, bis zum achtzigsten Lebensjahr,
wo nun auch er seinem Körper den letzten Tribut zahlen mußte durch den
Tod, selbst aber in das endgültige Nirvana eingehen sollte. In geradezu
großartiger Weise berichtet uns das sechzehnte Sutta des Dighanikaya, das
Mahaparinibbanasutta, das Todes- und Erlösungsevangelium, von Buddhas
letzten Lebensmonaten, vom Sterben und vom Eingehen in das endgültige
Nirvana, wodurch der Tod selbst überwunden ist.
Das "Große Sutta von Buddhas Abschied" vom Leben und zugleich von der
Überwindung des Todes berichtet zunächst von der letzten Wanderung des
Meisters von Rajagaha in nördlicher und nordwestlicher Richtung nach
Kusinara und enthält gewissermaßen einen Abriß seiner ganzen
Lebensarbeit. In Rajagaha erteilte er dem Abgesandten des Königs
Ajatasattu auf dessen Anfrage wegen einer kriegerischen Unternehmung
gegen das Volk der Vajji in abratendem Sinne Antwort. In Nalanda hatte er
eine Unterredung mit seinem Jünger Sariputta. In Pataligama, das damals
gerade durch zwei Minister des Königs Ajatasattu zu einer festen Stadt mit
Namen Pataliputta gegen die Vajji umgebildet wurde, prophezeite Buddha
die zukünftige Bedeutung und Größe der Stadt und auch ihren schließlichen
Untergang durch Feuer, Wasser und Zwietracht ( vgl. hierzu die
Prophezeiung vom Untergang Jerusalems).
Am nächsten Tage flog Buddha über den Ganges auf dessen nördliches
Ufer. Allmählich kam er dann nach Vesali, dort wohnte er im Walde des
Freudenmädchens Ambapali. Diese kam, wie wir schon berichteten, zu ihm
hinausgefahren, hörte eine Lehrrede von ihm, war begeistert und lud ihn zu
Gast ( vgl. Christus und die Sünderin). Da fuhren auch die Angehörigen des
vornehmen Geschlechts der Licchavi von Vesali zu ihm hinaus. Ihre
Einladung mußte Buddha mit dem Hinweis ablehnen " daß er schon die der
Ambapali angenommen habe. Ambapali schenkte ihm und seiner
Jüngerschar am nächsten Tage nach der Bewirtung ihren Lusthain, in dem
Buddha wohnte. Alle diese zuletzt angeführten Begebenheiten haben eine
tiefphilosophische Bedeutung im Sinne der Buddhalehre, die dem mit
buddhistischem Denken Vertrauten von vornherein einleuchtet, und zugleich
sprechen aus diesen Begebenheiten Weisheit, Güte und edle Menschlichkeit.
Der Erhabene verkündete Mara seinen Entschluß, nach drei Monaten das
Leben zu beenden. Erdbeben und Donner folgten dieser Mitteilung. Der
Erhabene berichtet dem Ananda den Vorfall mit Mara, der sich eben
zugetragen hatte. Da bittet Ananda den Meister, sein Leben doch auf eine
Weltperiode ausdehnen zu wollen, erfährt aber von ihm, daß es nun zu spät
sei. Dann läßt Gotama durch Ananda die Bhikkhus, die um Vesali wohnen,
versammeln, rekapituliert ihnen die Hauptpunkte der Lehre und schärft
ihnen ein, diese gut zu behalten und zu hegen. Dann nimmt der Erhabene
nach einem letzten Almosengang durch Vesali mit einem letzten Blick auf
die Stadt Abschied von ihr. Er schärft den Bhikkhus ein, in Zukunft nicht
alles, was sie von noch so würdigen Bhikkhus als angebliches Buddhawort
vernehmen werden, vertrauensselig als solches hinzunehmen, sondern es
genau daraufhin zu prüfen, ob es auch wahrhaft des Buddha Wort sei.
In Pava folgte der Erhabene der Einladung des Schmiedes Cunda der ihm
Schweinefleisch vorsetzte, nach dessen Genuß Buddha schwer an Blutruhr
erkrankte. Hierbei ist zugleich hinzuweisen auf die Bedeutung des Ebers in
der Mythologie; es ist aber auch zu bedenken, daß der Genuß von
Schweinefleisch für Buddha nur der Anlaß, nicht die eigentliche Ursache
seines Todes gewesen ist, denn Buddha hatte ja bereits, bevor er das
Schweinefleisch aß, beschlossen, nach drei Monaten der Illusion, die wir
"Leben" nennen, ein Ende zu machen. Als Gotama einigermaßen wieder
genesen war, machte er sich auf den Weg nach Kusinara. Unterwegs
ereignete sich die wunderbare Geschichte, daß der durstige Meister von
Ananda sich einen Trunk Wassers aus einem durch die Durchfahrt von
fünfhundert Lastwagen aufgerührten Bache holen ließ und das Wasser sofort
klar geworden war, als Ananda daraus schöpfte.
Ein Malla (aus dem Geschlecht der Malla) namens Pukkusa kam an der
Stelle vorbei, der Erhabene unter einem Baume saß, und erzählte als Beleg,
für die Tiefe der Konzentration der Weltentsagenden, daß Alara Kalama
einmal von füfhundert an ihm vorbeifahrenden Lastwagen nichts gemerkt
habe; Buddha aber überbot diese Geschichte durch eine von sich selbst,
indem er es bei seiner tiefen Konzentration nicht einmal gemerkt habe, als in
seiner Nähe der Blitz zwei Bauern und vier Ochsen erschlug. Es ist sehr
lehrreich, gerade an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt noch einmal die
Erinnerung an Buddhas ersten Lehrer zu wecken, um im Anschluß an ihn
und auch im Gegen satz zu ihm Buddhas fast unheimliches
Konzentrationsvermögen der kontemplativen Versenkung gerade in dem
Augenblick besonders stark zum Durchbruch kommen zu lassen, als er im
Begriffe war, vom Leben gänzlich abzuscheiden. Pukkusa schenkte ihm
dann die goldenen (oder elfenbeinweißen?) Klei dungsstücke, die, vom
Erhabenen angelegt, durch den Glanz von dessen Körper überstrahlt wurden.
Darauf setzte der Erhabene Ananda auseinander, daß in zwei Nächten der
Körper eines Tathagata einen solchen Glanz zeige: In der Nacht der vollen
Erleuchtung und in der Nacht des Eingehens ins restlose Nibbana (Nirvana).
Wunderbar ist dadurch die seltene Leuchtkraft angedeutet, kraft deren der
Buddha, wie in jener Erkenntnisnacht in das Nibbana, so jetzt in der
Sterbenacht in das Parinibbana einzugehen imstande ist. Das Parinibbana
bezeichnet das endgültige Verlöschen der der 5 Bestandteile der
Persönlichkeit: der Körper, die Gefühle, die Triebkräfte, die Wahrnehmung
und das Bewusstsein. Nachdem der Erhabene im Flusse Kakuttha gebadet
hatte, ließ er sich in einem Mangowalde von einem Bhikkhu namens
Cundaka oder Cunda aus seinem Gewand ein Lager bereiten, streckte sich
drauf aus und legte dann in einer Rede dem Ananda ans Herz, dem Schmied
Cunda die schweren Gedanken auszureden, die dieser wohl sich machen
werde, weil nach dem Gastmahl bei ihm der Erhabene zu Tode erkrankte.
Dann kam Gotama in das Sala-Gehölz der Malla bei Kusinara und ließ sich
von Ananda ein Lager zwischen zwei Zwillings-Salabäumen (shorea
robusta) herrichten, die in diesem Augenblick blütenbedeckt dastanden und
Blüten auf den Erhabenen herabregnen ließen, obwohl es nicht ihre Blütezeit
war. Buddha sagte, Ananda, bitte, bereite mir zwischen den zwei Zwillings-
Salabäumen ein Lager, mit dem Kopfende nach Norden. Ich bin müde,
Ananda, und möchte mich niederlegen!" "Ja, Herr!", erwiderte folgsam der
ehrwürdige Ananda dem Erhabenen und machte ihm zwischen zwei
Zwillings-Salabäumen ein Lager zurecht, mit dem Kopfende nach Norden,
und der Erhabene legte sich besonnen und klaren Geistes nieder, wie ein
Löwe auf die rechte Seite, einen Fuß über den anderen. Da waren die
Zwillings-Salas von unten bis oben ganz mit Blüten bedeckt, obwohl ihre
Blütezeit nicht war. Diese bestreuten und überschütteten, um dem Tathagata
Ehre zu erweisen, seinen Körper und deckten ihn ganz zu; und aus der Luft
regnete es himmlische Mandarava-Blüten und himmlisches Sandelpulver.
Dann ertönte in der Luft himmlische Musik und himmlischer Gesang zu
Ehren des Tathagata. Der Erhabene sprach zum ehrwürdigen Ananda:
"Ananda, die Zwillings-Salas sind von unten bis oben mit Blüten bedeckt,
obwohl ihre Blütezeit nicht ist. Dazu ertönt in der Luft himmlische Musik
und himmlischer Gesang zu Ehren des Tathagata. Aber durch so etwas,
Ananda, wird dem Tathagata keine Ehre, Hochachtung, Anerkennung,
Huldigung und kein Respekt erwiesen. Der vielmehr wird erwiesen, wenn
ein männlicher oder weiblicher Bhikkhu, ein männlicher oder weiblicher
Laienfreund, die Lehre befolgt und den rechten Pfad in Übereinstimmung
mit der Lehre wandelt, der erweist dem Tathagata Ehre, Hochachtung,
Anerkennung und höchste Huldigung. Darum, Ananda, müßt ihr euch
bemühen, die Lehre zu befolgen und den rechten Pfad in Übereinstimmung
mit der Lehre zu wandeln."
Nachdem der Meister so mit vollem Nachdruck auf die Bedeutung seiner
Lehre hingewiesen hatte, sprach er weiterhin zu seinem Lieblingsjünger
Ananda: "Ananda, folgende vier, auf das Gemüt wirkende Stätten muß ein
ordentlicher Mensch, der vertrauensvoll ist, sehen:
Das, Ananda, sind die vier auf das Gemüt wirkenden Stätten, die ein
ordentlicher Mensch, der vertrauensvoll ist, sehen muß." Dann folgen jene
Worte, die das Gemüt des Menschen besonders treffen und ein Beweis dafür
sind, daß die Buddhalehre nicht nur kühl und abstrakt aufzufassen ist,
sondern auch von seelischen Kräften zutiefst gespeist wird, indem es heißt:
"Da ging der ehrwürdige Ananda in das Unterkunftshaus hinein, blieb an
dem Schließbalken der Tür stehen und weinte und klagte: " Ich habe noch
soviel zu lernen und an mir zu arbeiten, und schon steht das Parinibbana des
Meisters nahe bevor, der für mein Wohl besorgt war." Der Erhabene fragte
die Bhikkhus: "Bhikkhus, wo ist denn Ananda hin?" "Herr, der ehrwürdige
Ananda steht im Vihara (Tempel), an den Schließbalken der Tür gelehnt,
und weint und klagt. Da forderte der Erhabene einen Bhikkhu auf: "Geh,
Bhikkhu, und bestelle in meinem Namen dem Ananda: "Lieber Freund
Ananda, der Meister läßt dich rufen!" "Ja, Herr!", erwiderte der Bhikkhu
gehorsam dem Erhabenen, ging zu Ananda und sagte zu ihm: "Lieber
Freund Ananda, der Meister läßt dich rufen!" "Ja, Freund!", antwortete
willfährig Ananda dem Bhikkhu, ging zum Erhabenen, verneigte sich
ehrfurchtsvoll vor ihm und setzte sich etwas abseits von ihm nieder. Darauf
sprach der Meister zum ehrwürdigen Ananda: "Laß gut sein, Ananda, weine
nicht, klage nicht! Habe ich dir nicht früher schon gesagt, daß wir von allem
Lieben und Angenehmen uns einmal trennen und Abschied nehmen müssen,
daß es damit nicht ewig so bleiben kann? Wie wäre es wohl möglich, daß
das, was entstanden, geworden, Erscheinung und seinem Wesen nach dem
Verfall geweiht ist, nicht verfiele? Das ist ein Unding. Ananda, lange bist du
dem Tathagata sorgend nahe und in immer gleichbleibender Treue und mit
grenzenloser Liebe in Werken, Worten und Gedanken nur auf sein Wohl und
sein Behagen bedacht gewesen. Du hast Verdienstliches getan, sei nun auf
ernstes Heilsstreben bedacht, und du wirst bald von weltlichen Schwächen
frei sein."
Da sprach der Erhabene zu den Bhikkhus: "Bhikkhus, vielleicht wagt ihr nur
aus Respekt vor dem Meister nicht zu fragen. Dann mag es jeder seinem
Freunde anvertrauen!" Die Bhikkhus aber schwiegen auch jetzt. Da sprach
der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen: "Seltsam, Herr, und wunderbar! Ich
habe jetzt das sichere Zutrauen, daß in dieser Bhikkhuschar auch nicht ein
einziger Bhikkhu Zweifel oder Bedenken hat betreffs des Buddha, der
Lehre, der Jüngerschar, des Weges oder des Pfades." "Ananda, du sprichst
so, weil du es nur glaubst, der Tathagata aber hat das sichere Wissen, daß in
dieser Bhikkhuschar kein einziger Bhikkhu Zweifel oder Bedenken hat
betreffs des Buddha, der Lehre, der Jüngerschar, des Weges oder des Pfades;
denn von diesen fünfhundert Bhikkhus hat selbst der Zurückgebliebene
schon die Bahn des Heils betreten, sicher davor, wieder hinabzusinken zu
den Orten der Pein, und ist mit unablenkbarer Entschiedenheit darauf
bedacht, sich für die erlösende Erkenntnis reif zu machen."
Dann sprach der Erhabene noch zu den Bhikkhus: "Wohlan, Bhikkhus, höret
jetzt, was ich euch noch zu sagen habe: "Die Seinserscheinungen sind ihrem
Wesen nach vergänglich. Rüstet euch aus mit Wachsamkeit!" Das waren die
le tz ten Wor te des Tathagata.
"Der Erhabene gelangte dann zur ersten Stufe der ekstatischen Versenkung,
von dieser zur zweiten, von der zweiten zur dritten, von der dritten zur
vierten. Von der vierten Stufe stieg er auf zum Zustande, der besteht in (der
Idee) der Raumunendlichkeit, von diesem zu dem Zustande, der besteht in
(der Idee) der Wahrnehmungsunendlichkeit, von diesem zu dem Zustande,
der besteht in (der Idee) des Nichtvorhandenseins von irgendetwas, von
diesem zu dem Zustande von Weder-Bewußtheit-noch-auch-
Nichtbewußtheit, von diesem zum Aufhören von Bewußtheit und Gefühl. Da
sprach der ehrwürdige Ananda: "Herr Anuruddha (der Jünger, von dem
gesagt wird, dass er Auskunft darüber zu geben vermag, was für Pläne die
Götter mit dem Leichnam des Vollendeten haben), der Erhabene hat das
Parinibbana erreicht." "Nein, Freund Ananda, der Erhabene hat das
Parinibbana noch nicht erreicht, er ist nur zum Aufhören von Bewußtsein
und Gefühl aufgestiegen."
Der Erhabene stieg dann von der schon erreichten Höhe des Aufhörens von
Bewußtheit und Gefühl wieder herab zum Zustande von Weder-Bewußtheit-
noch-auch-Nichtbewußtheit, von diesem zu dem Zustande, der besteht in
(der Idee) des Nichtvorhandenseins von irgendetwas, von diesem zu dem
Zustande, der besteht in (der Idee) der Wahrnehmungsunendlichkeit, voll
diesem zu dem Zustande, der besteht in (der Idee) der Raumunendlichkeit,
von diesem zur vierten Stufe ekstatischer Versenkung, von dieser zur dritten,
von dieser zur zweiten, von dieser zur ersten. Von dieser stieg er dann
wieder auf zur zweiten, von dieser zur dritten, von dieser zur vierten.
Unmittelbar von da aus erreichte der Erhabene dann das Parinibban a."
Nachdem Buddhas Geist durch die Stufen der Versenkung und Loslösung
die gänzliche Erlösung eingedrungen war, bebte die Erde, und der Donner
rollte. Anuruddha ließ durch Ananda die Malla der Stadt auffordern, für ein
glänzendes Leichenbegängnis zu sorgen, hatte doch kurz vorher der
Erhabene dem Ananda Verhaltungsmaßregeln für die Laien gegenüber
seinem eigenen Leichnam gegeben, indem er zu Ananda sagte, daß die
Bestattungszeremonien für einen Tathagata dieselben seien wie für einen
weltbeherrschenden König, und es sei ihm also auch ein Grabmal zu
errichten. Die Malla führten nun diese aus. Sie feierten und ehrten den Toten
eine Woche lang mit Musik, Gesang, Tanz, Blumenschmuck und
Wohlgerüchen, trugen ihn dann in feierlichem Umzug, durch die Stadt und
zum Osttor hinaus, um ihn östlich von ihr zu verbrennen.
Es ist sehr bezeichnend, daß Buddha selbst die Bestimmung über sein
Leichenbegängnis für die Laienjünger traf, nicht aber für die Volljünger. Der
Blick der Volljünger sollte auf etwas anderes gerichtet sein: Nicht mehr auf
diese Welt oder auch auf eine andere Welt, sondern auf das Nirvana, in das
der Erhabene nun endgültig und im vollen Sinne eingegangen war. Aus dem
Nirvana war das Parinirvana, aus dem vorläufigen das endgültige Nirvana
geworden. Im Nirvana als solchem befand sich ja Buddha bereits seit jener
Nacht der erlösenden Erkenntnis, in der er durch Setzung und Aufhebung
der Glieder der Kausalitätsreihe (Nidanakette) erkannte, daß diese ganze
Welt nichts als bloßer Schein sei, nichts als eine Fata Morgana; aber er
selbst lebte doch noch weiter in dieser Scheinwelt, wenn er sie auch in
jedem Augenblick seines Lebens und damit auch dieses Leben selbst
überwunden hatte. Erst durch seinen Tod, der für ihn der letzte Tod
bedeutete, weshalb es für ihn nun keine Wiedergeburt zu neuem Leben mehr
gab ging Buddha in das endgültige Nirvana und d. h. in das Parinirvana ein,
in dem nun sowohl Leben als auch Tod überwunden sind und es kein Haften
mehr an irgendeiner Welt, weder diesseitiger noch jenseitiger, gibt. Für alle
diejenigen, die noch in irgendeiner Seinswelt befangen sind bzw. an ihr
haften, ist das Nirvana oder gar das Parinirvana ein bloß abstraktes Nichts,
mit dem sie im Grunde nichts anzufangen wissen; für diejenigen aber, denen
die Welt selbst und alles in ihr zu einem bloßen Nichts geworden ist,
bedeutet dieses Nirvana bzw. Parinirvana die höchste Seligkeit.
Als Buddha seine Jünger einmal lehrte, Wonne sei das Nirvana, da fragte ihn
einer seiner Jünger: "Wie kann dort Wonne sein, wo doch nichts mehr
empfunden werden soll?" Buddha antwortete: "Darin besteht ja gerade die
Wonne des Nirvana, daß dort nichts mehr empfunden wird!" Reinheit aber
im Leben und Reinhe it im Denken, transzen dentale Idealität der
Auffassung des Daseins und seines Grundes ist die Voraussetzung zur
Erlangung des Nirvana und nicht zuletzt auch Voraussetzung für das
Eingehen in das Parinirvana. Wie die Lotosblume ihr Haupt aus den Was
sern erhebt, vom Wasser unberührt, so ragen die Buddhas, in der Welt
geboren, aus der Welt empor, unberührt von der Unreinheit dieser unserer
Welt.
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