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Jürgen Franssen
Einleitung
Schriftliche Aufzeichnungen über die Ernährungsweise der Menschen im Neolithikum oder gar
Kochrezepte sind aus der frühen Zeit natürlich nicht erhalten, da die Schrift damals noch nicht
erfunden war. Um dennoch Kenntnisse darüber zu erhalten, ist die Forschung wieder einmal auf die
Archäologie angewiesen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen
sind mittlerweile sehr differenzierte Methoden entwickelt worden, mit deren Hilfe sich aus den Fun-
den wertvolle Informationen über die verwendeten Rohstoffe und die verschiedenen Verarbeitungs-
methoden gewinnen lassen.
Methoden
So finden sich bei allen sorgfältig durchgeführten Grabungen in Siedlungen, die trockenen Regionen
liegen, getrocknete oder verkohlte Reste von Früchten und Samen, deren Analyse Rückschlüsse auf
Ernährungsgewohnheiten, die verwendeten Kultur- oder Sammelpflanzen sowie die jeweiligen
Anbau- und Erntemethoden ermöglichen. In feuchteren Gebieten, etwa See- und Moorablagerun-
gen, sind sogar Pollen und Sporen erhalten, durch deren Analyse sich Aufschluss über die generelle
Flora und deren Veränderung im Laufe der Zeit gewinnen lässt. Hinweise auf die tierische Nahrung
ergeben sich durch die Untersuchung der v.a. in den Abfallgruben der Siedlungen liegenden Kno-
chenreste. Auf diese Weise läßt sich das Spektrum der genutzten Tierarten, deren Alter, Geschlecht
und Größe bestimmen sowie die Frage beantworten, ob es sich um geschlachtetes Hausvieh oder
erjagte Wildtiere handelt. Außerdem liefern Scherben von zerbrochenen Speise-, Koch- oder Vor-
ratsgefäßen und daran noch haftende Nahrungsreste sowie Haushalts- oder landwirtschaftliche
Geräte Hinweise auf die verwendeten Lebensmittel. Die Ernährungsweise, das Alter und der Gesund-
heitszustand der Menschen lässt sich schließlich anhand der Untersuchung ihrer Zähne und Kno-
chen bestimmen.
Rohstoffe
Die Grundbestandteile der Nahrung wurden mit der Einführung der Landwirtschaft v.a. verschie-
dene Getreideformen, wie die Weizenarten Emmer und Einkorn sowie Gerste und Roggen. Ergänzt
wurden diese kohlehdyratreichen Pflanzen um diverse eiweißhaltige Hülsenfrüchtler (Linse, Erbse,
Kichererbse, Bohne, Linsenwicke) und Öle aus Lein. Die Versorgung mit Fleisch und anderen tieri-
schen Produkten, wie Blut, Fett und Milch erfolgte hauptsächlich durch die Haustiere, die auch
heute noch die wichtigste Rolle spielen, also Ziegen, Schafe, Schweine und Rinder. Die Jagd spielte
hingegen nach der Etablierung der Viehzucht in den meisten Siedlungen für die Ernährung nur noch
eine untergeordnete Rolle. Ausnahmen bilden in Anatolien indes Can Hasan, Haçilar, Ilıpınar,
Suberde, Cafer Höyük und Aşıklı Höyük. Dennoch wurde das Angebot an tierischer Nahrung auch in
den Bauernsiedlungen, je nach Region, erweitert durch Vögel, wie z.B. Enten, Gänse und Zugvögel,
Kleinsäuger, etwa Hasen und Nagetiere, oder Fische und Schalentiere (Schnecken, Muscheln).
Zudem lieferten gesammelte Wildpflanzen wie Knollenfrüchte, Wurzelgemüse, Feigen, Walnüsse,
Eicheln, Mandeln, Pistazien, Beeren, Oliven und Trauben wichtige Vitamine, Fette und Mineralien.
Die jeweils vorhandene Auswahl war natürlich saisonbedingt. Die genannten Rohstoffe belegen aber,
dass die neolithische Speisekarte durchaus vielfältig war. Auch geschmacklich besaß man verschie-
dene Möglichkeiten. So wurde Honig als Süßungsmittel verwendet und auch Salz war bekannt, das
in Anatolien vielleicht schon im Neolithikum am Tuz Gölu, einem Salzsee bei Aşıklı Höyük, und in
der Levante am Toten Meer gewonnen wurde. Schließlich kannten die Menschen damals sicher auch
die Eigenschaften zahlreicher Kräuter.