Die neue Angst der Männer vor dem Flirt – Streitgespräch zur Sexismusdebatte.
Seite 24
3. Dezember 2017
16. Jahrgang | Nr. 49
NZZaS.ch
Fr. 6.00 | € 6.00
Die Waffe der
Zukunft:
Roboter töten
für 30 Dollar
Forscher schlagen Alarm
wegen neuartiger Drohnen:
Autonome Waffen stehen
kurz vor dem Durchbruch.
Die Regierungen schauen zu,
auch jene der Schweiz.
Andreas Mink,
Michael Furger
Es ist ein verstörendes Video, das
derzeit im Internet Millionen von
Zuschauern findet. Kleine Droh-
nen, gesteuert von künstlicher
Intelligenz, greifen in Schwärmen
Menschen an und schiessen sie
nieder. Der Film ist eine Fiktion,
aber er könnte bald Realität wer-
den. So sehen das renommierte
Wissenschafter und Unterneh-
mer auf der ganzen Welt.
Die Entwicklung von vollstän-
dig autonomen Waffen stehe kurz
vor der Vollendung, sagt der ame-
rikanische Informatik-Professor
Stuart Russell der «NZZ am Sonn-
tag». «Das US-Militär wäre innert
18 Monaten in der Lage, Killer-
Drohnen in grosser Zahl zu pro-
duzieren.» Bei einer Massenpro-
duktion würden die Kosten nach
Schätzung von Experten 30 bis
100 Dollar pro Stück betragen. Es
wäre eine Massenvernichtungs-
waffe zum Discountpreis, perfekt
nicht nur für das Militär, sondern
ebenso für Terroranschläge.
Einen Schutz gegen autonome
Waffen wie Drohnenschwärme
Dauernde Restrukturierungen überfordern viele Banker
Der technologische Wandel
trifft die Bankbranche
besonders stark. Dies
verhärtet das Arbeitsklima.
Von Albert Steck
Die Digitalisierung könnte dazu
führen, dass die Belegschaft der
UBS in zehn Jahren um 30 Pro-
zent schrumpft. Das erklärte
Konzernchef Sergio Ermotti im
Wissen
«Bei Aliens sollte
man nicht lächeln»
Warum ein deutscher Professor an
Ausserirdische glaubt – und ihren
Besuch als Bedrohung taxiert. Seite 57
49
9 771660 085003
werde es laut Russell in abseh-
barer Zeit nicht geben. Der Wis-
senschafter hat daher zusammen
mit Forschern und Unternehmern
eine Bewegung ins Leben geru-
fen. Mit dem erwähnten Video
wollen sie wachrütteln.
Denn noch warten die Regie-
rungen weltweit ab. Die jährliche
Uno-Konferenz zu autonomen
Waffen in Genf endete vor weni-
gen Tagen ergebnislos. Zwar spre-
chen sich bereits 22 Staaten für
ein generelles Verbot von autono-
men Waffen aus, die Grossmächte
USA, China und Russland wollen
davon aber nichts wissen. Auch
die Schweiz will kein Verbot.
«Der Bundesrat weigert sich,
das Problem überhaupt nur anzu-
erkennen», sagt SP-Nationalrätin
und Sicherheitspolitikerin Chan-
tal Galladé. Sie verlangt von der
Schweiz, dass sie als Aufbewah-
rungsland der Genfer Konventio-
nen auf ein totales Verbot hin-
arbeitet. Auch der grünliberale
Nationalrat Beat Flach kritisiert
die Ignoranz der Schweizer Regie-
rung und des Militärs. «Autono-
me Waffen stellen uns zudem vor
völkerrechtliche Fragen.» Wenn
Maschinen selbst entscheiden,
wen und wann sie töten, kann
man niemanden mehr für Kriegs-
verbrechen vor einem Gericht zur
Verantwortung ziehen.
Seite 22
November am Europa-Forum in
Luzern. Zwar könne der Abbau
teilweise durch die natürliche
Fluktuation aufgefangen werden.
Nach Möglichkeit wolle die Bank
die Mitarbeiter aber mit Umschu-
lungen auf die Veränderungen
vorbereiten, betonte Ermotti.
Eine neue Studie der Fach-
hochschule Bern zeigt, dass die
Folgen der Digitalisierung in der
Finanzbranche sowie im Handel
Sport
Lindsey Vonn will
GETTY IMAGES
immer noch mehr
Die Amerikanerin erklärt, weshalb sie die
beste Skirennfahrerin sei und nun auch
gegen Männer antreten wolle. Seite 51
Trump Wie lange strahlt er noch?
US-Präsident Donald Trump «grösste Steuerkürzung der
feiert seinen bisher wichtigsten
Erfolg – und muss gleichzeitig
Geschichte» stimmt, erreicht
die Russland-Affäre eine neue
seine schlimmste Niederlage Stufe der Eskalation. Der
befürchten. Während der Senat ehemalige Sicherheitsberater
mit knapper Mehrheit für die Michael Flynn gesteht vor
am negativsten eingeschätzt wer- tung verdeutlicht, dass der Stress
den. Demnach beurteilen 42 Pro- und die psychische Belastung in
zent der Angestellten die Wahr- dieser Branche als besonders aus-
scheinlichkeit als mittel bis hoch geprägt wahrgenommen werden.»
ein, dass ihr Arbeitsplatz in der Welch hohem Druck die Bank-
nächsten Dekade verschwindet. angestellten ausgesetzt sind,
Viele Bankmitarbeiter empfän- dokumentiert eine Dissertation
den den technologischen Wandel der Universität St. Gallen, die im
nicht nur als Chance, sondern Dezember publiziert wird. Die
als Bedrohung, folgert Professor ständigen Restrukturierungen
Tobias Fritschi, der die Studie und Abbaurunden hätten zu einer
durchgeführt hat: «Die Auswer- Verhärtung des Arbeitsklimas ge-
Hintergrund
CHRISTIAN BRUNA / EPA
Kaum eine Erfahrung
verleitet die Menschen so
stark zur Nachahmung
wie jene des mühelosen
Reichtums. Doch Bitcoin
ist spekulatives Spielgeld.
Das digitale Geld Bitcoin taugt nicht als
Währung, urteilt Daniel Hug, Leiter des
Ressorts Wirtschaft. Seite 17
Beilage
«Gesundheit»
Rücken-
weh
Swiss warnt
vor dem
Verlust von
CARLOS BARRIA / REUTERS
Langstrecken
Eine Verkürzung der
Landezeiten am Abend hätte
gemäss Swiss-Chef massive
Folgen für das Streckennetz.
Birgit Voigt
Die Airline Swiss hat kein Ver-
ständnis für die Forderung, die
Nachtflüge in Zürich einzu-
schränken. Konzernchef Thomas
Klühr sagt im Interview: «Verlie-
ren wir – wie politisch gefordert –
die letzten dreissig Minuten am
Abend zum Abbau von verspäte-
ten Flügen, gefährden wir damit
die Langstreckenverbindungen
nach Südamerika, Südafrika so-
wie Südostasien.»
Als sehr erfreulich beurteilt
Klühr dafür den gegenwärtigen
Geschäftsverlauf: «Wir haben
einen starken Markt, einen wie-
der schwächeren Franken und
einen relativ tiefen Kerosinpreis.
Alles zusammen lässt uns auf ein
sehr gutes Jahr hoffen.» Ein Spit-
zenergebnis von über 500 Millio-
nen Franken liegt für 2017 in
Reichweite. Einen Gewinn in die-
ser Grössenordnung hatte Swiss
bis anhin erst einmal erzielt,
2007 vor der Finanzkrise.
Seite 33
CVP will
Gericht, dass er die Bundespoli- Buttets
zei belogen hat. Als Kronzeuge
dürfte er für den Präsidenten Rücktritt
nun allerdings zu einer schwe-
ren Belastung werden. Das Präsidium der CVP plant, am
Seiten 2, 3, 19 Montag eine gemeinsame Hal-
tung zum Walliser Nationalrat
Yannick Buttet festzulegen. Elisa-
beth Schneider-Schneiter, Natio-
nalrätin und Mitglied des Präsi-
diums, erklärt auf Anfrage: «Per-
sönlich bin ich der Meinung, dass
Yannick Buttet sein Amt nie-
führt, sagt Autorin Franca Burk- derlegen muss.» Diese Ansicht
hardt: «Die Identifikation mit der herrscht im Gremium vor. Es will
Firma sinkt, und der Zusammen- den Druck auf Buttet erhöhen, so
halt innerhalb der Organisation dass er sein Parlamentsmandat
geht verloren.» Die Soziologin bald aufgibt. Gegen den National-
stützt ihren Befund auf die eigene rat läuft eine Strafuntersuchung
siebenjährige Tätigkeit in meh- wegen Belästigung. Zum Rück-
reren Schweizer Banken sowie tritt zwingen kann die CVP Yan-
auf Interviews mit zahlreichen nick Buttet allerdings nicht. (be.)
Angestellten.
Seite 10
Seite 29 Kommentar Seite 19
Magazin Z
Schenken macht
Freude
Was beim Geschenk zählt, ist seine
persönliche Geschichte: Unsere
Sammlerstücke zu Weihnachten
Aktuell
Proteste in
Tel Aviv
Zehntausende haben am Sams-
tag in Tel Aviv gegen Korruption
der Regierung von Benjamin
Netanjahu protestiert. Anlass
war laut der «Times of Israel» die
Vorlage für ein neues Gesetz,
das Ermittlungen gegen Politi-
ker erschweren würde. Kritiker
sehen darin einen Versuch
Netanjahus, sich vor laufenden
Korruptionsermittlungen zu
schützen. Er soll gegen Gefällig-
keiten israelischen Geschäfts-
leuten Vorteile verschafft haben.
Netanjahu wies die Vorwürfe
zurück und sprach von politi-
scher Verfolgung. (maz.)
Türkin im
Hungerstreik
Ex-Sicherheitsberater
freigelassen Die Sonderermittler in der Russland-Affäre geraten immer näher an den Präsidenten
Wegen Terrorverbindungen
ist eine Professorin in der
Türkei verurteilt worden. Ihre
Strafe wird aber ausgesetzt.
Victor Merten
Die Literaturdozentin Nuriye Gül-
men ist am Freitagabend von
einem türkischen Gericht zu einer
Haftstrafe von 6 Jahren und 3
Monaten verurteilt worden. Der
35-Jährigen wurde zur Last ge-
legt, sie sei Mitglied der linksradi-
kale Terrorgruppe DHKP-C, wie
die Agentur Reuters berichtet.
Allerdings ordneten die Richter
die Freilassung von Gülmen bis
zu einer Berufung an.
Die Universitätslehrerin befin-
det sich seit Anfang März im Hun-
gerstreik, weil sie im Zug der Säu-
berungen der Regierung nach
dem gescheiterten Putsch vom
Juli 2016 ihre Stelle verlor. Seither
nimmt sie nur Wasser, Tee, Vit-
amin B sowie Zucker- und Salz-
lösung zu sich. Wegen der Ver-
schlechterung ihres Zustandes
musste sie vor Prozessbeginn ins
Spital eingeliefert werden.
Ein mitangeklagter Primar-
lehrer wurde vom Vorwurf von
Terrorverbindungen freigespro-
chen. Semih Özakca hat ebenfalls
seine Stelle verloren und stand
gemeinsam mit Gülmen im Hun-
gerstreik. Der 28-Jährige wurde
im Oktober mit einer Fussfessel
freigelassen. Mit ihrem Hunger-
streik wollen die beiden Lehrer
auf das Los der rund 150 000
Staatsangestellten hinweisen, die
freigestellt oder entlassen wor-
den sind. Sie sind zu Symbolfigu-
ren des Widerstands geworden.
HISTORY IS STILL BEING WRITTEN ...
Alexander Gauland ersetzt Frauke Petry
bei der Alternative für Deutschland
Die Alternative für Deutschland
(AfD) hat überraschend Alexander
Gauland zu ihrem Co-Parteichef
gewählt. Der 76-Jährige führt die
Bundestagsfraktion der AfD.
Zuvor hatten die Delegierten in
Hannover dem als Favorit gelten-
den gemässigten Georg Pazderski
die Mehrheit verweigert. Die
Ersatzwahl war nötig geworden,
nachdem die bisherige Co-Partei-
chefin Frauke Petry zurückgetre-
ten war. Der andere Co-Sprecher
Jörg Meuthen wurde im Amt
bestätigt. Am Tagungsort protes-
tierten mehrere Tausend Perso-
nen gegen die AfD. (maz.)
wird Risiko für
Andreas Mink, New York
Der erste Advent war für den
amerikanischen Präsidenten
Donald Trump kein Tag vorweih-
nachtlicher Gemütlichkeit. Sein
ehemaliger Sicherheitsberater
Michael Flynn legte am Freitag
vor einem Gericht in Washington
ein Schuldbekenntnis ab. Er er-
klärte, er habe die Bundespolizei
FBI über Kontakte zum damali-
gen russischen Botschafter in den
USA, Sergei Kisljak, belogen. Das
Geständnis ist Teil eines Handels,
den Flynn mit dem Sonderermitt-
ler Robert Mueller geschlossen
hat. Der pensionierte Drei-Sterne-
General Flynn räumte ein, er
habe Kisljak im Dezember 2016
zweimal auf Verlangen eines
hochrangigen Mitarbeiters von
Trump kontaktiert. Dabei soll es
sich um Jared Kushner handeln,
den Schwiegersohn und Spitzen-
berater des Präsidenten.
Damit geraten die Sonder-
ermittler mit ihren Untersuchun-
gen immer näher an den Präsi-
denten heran. Sonderermittler
Mueller fahndet seit Monaten
nach Kontakten und einer allfälli-
gen Zusammenarbeit zwischen
dem Team Trump und russischen
Stellen während des Präsident-
schaftswahlkampfes. Amerikani-
sche Geheimdienste erklären seit
dem Herbst 2016, der Kreml habe
mit Hackerangriffen gegen die
Demokraten und mit einer massi-
ven Kampagne auf sozialen Netz-
werken systematisch Einfluss auf
die Präsidentenwahl zu nehmen
versucht. Mueller kann bei seinen
Ermittlungen jedoch Vergehen
jeder Art nachgehen und diese als
T Y P E X X I 38 17
FILIP SINGER / EPA
Proteste in Hannover.
Trump
Der Angeklagte Michael Flynn (hinten). (Washington, 1. 12. 2017)
Druckinstrument auf Verdächtige
oder Informanten verwenden.
Dabei geht der ehemalige FBI-
Chef zielstrebig vor. Mit Flynn
stehen bereits vier Mitglieder von
Trumps Wahlkampfteam unter
Anklage. Insgesamt hatten neun
Angehörige des Teams und des
Kabinetts nachweislich Kontakte
mit Moskau. Dazu zählen neben
Kushner auch Justizminister Jeff
U N D B E R Ü H MT E R F L U G Z E U G B A U E R – W W W. B R E G U E T. C O M
Umstrittener Filmproduzent Weinstein
soll Unterschlupf im Tessin suchen
Der sexueller Übergriffe beschul-
MIKE BLAKE / REUTERS
digte Hollywood-Produzent
Harvey Weinstein befindet sich
laut seinen Strafverteidigern im
Tessin. Weinstein sei vorüber-
gehend nach Lugano gezogen,
teilte die Kanzlei Brafman & Asso-
ciates am Samstag in New York
mit. Eine Bestätigung der Tessiner Harvey Weinstein
Behörden lag zunächst nicht vor.
Zahlreiche Frauen haben Anwälte betonten, seine Reise
Weinstein in den letzten Wochen in die Schweiz sei keinesfalls als
sexuelle Belästigungen und auch Flucht zu verstehen. Vielmehr
Vergewaltigungen vorgeworfen. wolle der Filmproduzent Weih-
Auch Stars wie Angelina Jolie nachtsferien im Tessin verbrin-
äusserten solche Vorwürfe. Die gen – während voraussichtlich
US-Justiz ermittelt. Weinsteins «einiger Monate». (maz.)
rial gegen ihn und seinen Sohn
UPI PHOTO / IMAGO
etwa im Zusammenhang mit
Geldwäsche und Lobby-Tätigkeit
für die Türkei. Damit steht der Ex-
General unter Druck, mit der
Sonderermittlung auch weiterhin
zusammenzuarbeiten. Als Kron-
zeuge könnte er aber für den
Präsidenten zu einer schweren
Belastung werden.
Der Handel zwischen Flynn
und Mueller war schon Anfang
Woche absehbar, nachdem die
Anwälte des Ex-Generals die Kon-
takte zu den Juristen von Trump
und den anderen Figuren im
Visier der Sonderermittlungen
abgebrochen hatten. Beobachter
bringen auch die rege Aktivität
von Trump auf Twitter in dieser
Woche mit dem Geständnis
Flynns in Zusammenhang: Der
Präsident habe das Platzen dieser
Bombe kommen sehen und da-
von ablenken wollen, etwa mit
der Verbreitung eines antimusli-
mischen Videos von britischen
Rechtsextremisten.
Nun zeigt sich Trump aber un-
gewöhnlich zurückhaltend. Am
Freitagabend erklärte er lediglich,
Flynn stecke nun wohl tief in Pro-
blemen. Vorherige Schritte Muel-
lers hatte Trump mit wütenden
Twitter-Tiraden gekontert und
Sessions, Handelsminister Wilbur dem Sonderermittler vorgewor-
Ross und nicht zuletzt der Sohn fen, er betreibe eine Hexenjagd
Donald Jr. Sie alle haben über gegen ihn. Laut Medienberichten
diese Kontakte mehrfach bei hat Trumps Stab den ganzen Frei-
Kongressanhörungen oder in den tag über versucht, den Präsiden-
Medien falsch ausgesagt. ten von erneuten Ausbrüchen
Flynn ist der erste Angeklagte, dieser Art abzuhalten. Sein An-
der auch im Kabinett des Präsi- walt erklärte knapp, Flynn habe
denten gedient hat. Mueller ver- vor seinem Rücktritt im Februar
fügt dem Vernehmen nach über lediglich 25 Tage lang als Sicher-
eine Fülle von belastendem Mate- heitsberater gedient und sei zu-
L O U I S B R E G U E T ( 18 8 0 -1 95 5 ) L U F T FA H R T P I O N I E R
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Die meistgelesenen
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80 000 Seiten Beweismaterial
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vor für die Regierung Obama tätig
gewesen. Dies geht weit an den
Tatsachen vorbei. Flynn trat früh
in Trumps Wahlkampfteam ein,
und er wurde dank seinen rabia-
ten Attacken auf Trumps Gegne-
rin Hillary Clinton, den Islam,
illegale Einwanderer und China
zu einem Liebling des Präsident-
schaftskandidaten. Trump soll
sogar erwogen haben, Flynn zum
Vizepräsidenten zu ernennen.
Barack Obama hatte kurz nach
den Wahlen Trump persönlich
vor Flynn gewarnt. Schon damals
hatten Geheimdienste Kontakte
Flynns nach Moskau aufgespürt.
Obama hatte Flynn im Dezember
2014 als Leiter des Militärgeheim-
dienstes DIA wegen Ungehorsams
entlassen. Flynn hatte Obama
wegen dessen zögerlicher Hal-
tung gegenüber Syriens Regime
öffentlich kritisiert.
Flynn musste seinen Kabi-
nettsposten aufgrund nachweis-
licher Lügen zu Kontakten nach
Moskau aufgeben. Gleichzeitig
hatte Trump den FBI-Chef James
Comey wiederholt gedrängt, die
Ermittlungen gegen Flynn ein-
zustellen. Als Comey dem nicht
nachkam, entliess Trump den
FBI-Chef. Comey reagierte mit
der Publikation eines Dossiers
über Trumps Einflussnahme zu-
gunsten Flynns. Dies wiederum
veranlasste das Justizministe-
rium erst zur Einsetzung von
Mueller als Sonderermittler.
Mueller könnte Trump nun auch
wegen illegaler Einflussnahme
auf Comey zugunsten Flynns an-
klagen. Ein ähnlicher Vorwurf
hatte US-Präsident Richard Nixon
1974 das Amt gekostet.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
International USA 3

Gut für die Reichen

Mit hohen Steuerkürzungen für Firmen und Top-Verdiener wollen die Republikaner die Wirtschaft
ankurbeln. Sie fahren damit vor allem den Staatshaushalt an die Wand. Von Thorsten Schröder, New York

N
och vor wenigen Wochen gab es
SPENCER PLATT / GETTY IMAGES

Warnungen aus Kansas in Richtung

Washington. «Was ihr vorhabt, wird
nicht funktionieren», prophezeite
die republikanische Politikerin Barbara Bol-
lier. «Ihr solltet aus unseren Fehlern lernen.»
Mit massiven Steuersenkungen hatten die
Konservativen in Kansas vor wenigen Jahren
einen «Adrenalinstoss» für die Wirtschaft aus-
lösen wollen. Nur fünf Jahre später erklärten
sie das Projekt für gescheitert: Im Budget
klaffte eine Lücke von 900 Millionen Dollar,
der erhoffte Aufschwung war ausgeblieben,
gleich drei Rating-Agenturen hatten den
Bundesstaat herabgestuft. In diesem Jahr zo-
gen die Abgeordneten die Notbremse – und
machten die Kürzungen rückgängig.
In der Hauptstadt aber sind diese Warnun-
gen verhallt. Dort versuchen sich die Republi-
kaner gerade erneut an der vermeintlichen
konservativen Zauberformel: Ein schlanker
Staat und Steuersenkungen an der Spitze der
Einkommen führen zu einem Wachstums-
schub. Die Zauberformel läuft unter dem
Stichwort «trickle down» – die Vorteile der
Steuersenkungen sollen bis in untere Einkom-
mensschichten «durchsickern». Nachdem das
Repräsentantenhaus vor wenigen Wochen sei-
ne Version verabschiedet hatte, stimmte in
der Nacht auf Samstag auch der Senat für eine
Neuordnung des Steuergesetzes. Bis zum letz-
ten Moment hatte die Partei nachgebessert,
um Skeptiker in den eigenen Reihen auf ihre
Seite zu ziehen. Es wäre nicht nur die erste
Steuerreform seit 1986, für die Konservativen
wäre es auch der erste gesetzgeberische Er-
folg, seit Donald Trump im Januar ins Weisse
Haus eingezogen ist.

Das «Mittelschicht-Wunder»
Wie das endgültige Papier aussieht, ist offen, Hohe Steuerkürzun- Über 60 Prozent Die Theorie sei «ein Dogma, das mit der behörde Joint Committee on Taxation, der Ge-
schliesslich müssen beide Entwürfe zu einem gen führen oft zu Realität nichts mehr zu tun hat», erklärte setzesentwurf werde in den nächsten zehn
gemeinsamen Paket geschnürt werden. Das einem Loch in der der Profiteure der Bruce Bartlett im September vor dem Kon- Jahren zu deutlich weniger Wachstum führen
Herzstück aber zeigt schon jetzt deutliche Par- Staatskasse. Das geplanten Steuerreform gress. Als Berater hatte er in den achtziger Jah- als bisher gedacht, dafür aber das Defizit um
allelen zu dem Experiment aus Kansas. Der
Höchststeuersatz für Unternehmen soll nach
schadet den Armen.
(New York, 28. 9. 2017)
gehören zu den ren gemeinsam mit dem Republikaner Jack
Kemp die Trickle-down-Theorie zum Kern-
eine Billion Dollar erhöhen.

dem Willen der Republikaner von 39,6 auf 20 reichsten ein Prozent element der letzten grossen Steuerreform Weniger Geld für Sozialhilfe
Prozent fallen. Firmengeflechte, die bisher der Amerikaner. unter Ronald Reagan gemacht und war so zum Kritiker der Vorlagen sehen jedoch genau
nach der höheren Einkommenssteuer belastet Star unter den Konservativen aufgestiegen. dieses Defizit als eigentliches Ziel der Republi-
wurden – darunter hochbezahlte Kanzleien Doch damals stagnierte die Wirtschaft, und es kaner. «Für die Republikaner sind Steuer-
oder Anlagefirmen wie Private Equity –, sollen der Profiteure gehörten zu den reichsten ein ging um die Kürzung bei Spitzensteuersätzen senkungen eine Möglichkeit, den verhassten
ebenfalls deutlich weniger zahlen. Das, so die Prozent, rechnete das Congressional Budget von bis zu 70 Prozent. Heute herrscht unter öffentlichen Sektor zu Einsparungen und Kür-
offizielle Hoffnung, werde die Konzerne er- Office vor, die für den Haushalt zuständige Konservativen ein blinder Glaube an das ver- zungen zu zwingen», sagt Clemente von der
muntern, Investitionen zu tätigen, neue Jobs Kongressbehörde. Viele der nun geplanten meintliche Allheilmittel. «Ich habe die Büchse Organisation Americans for Tax Fairness. Aus
zu schaffen und die Löhne zu erhöhen. Wie Entlastungen für Gering- und Normalverdie- der Pandora geöffnet», so Bruce Bartlett. Ein dem Weissen Haus hiess es bereits, der Präsi-
eine Rakete werde das Land durchstarten, ner werden nach wenigen Jahren auslaufen, langanhaltender Wirtschaftsboom sei ausser- dent wolle sich nach erfolgreichem Abschluss
versprach Donald Trump noch am Donnerstag dagegen sollen die Kürzungen für Unterneh- dem auch unter Ronald Reagan ausgeblieben der Steuerreform den hohen Sozialausgaben
bei einem Auftritt in Missouri. Das Gesetz, so men bestehen bleiben. – und der Präsident habe die Steuern zum zuwenden. Es gehört zu den Dogmen der
der Präsident, sei ein «Middle-Class-Miracle» Ob es tatsächlich zum versprochenen Wirt- Ende seiner Amtszeit wieder erhöht. Republikaner, dass an einem hohen Defizit
– ein wahres Wunder für die Mittelschicht. schaftsboom kommt, ist fraglich. Anfang des Selbst an der Wall Street, wo die Aussicht immer hohe Ausgaben Schuld seien und nicht
Steuerexperten, Ökonomen und Demokra- Jahrtausends hatte Präsident George W. Bush auf massive Steuererleichterungen seit Wo- zu niedrige Steuern.
ten aber sind skeptisch. «Die Idee, dass dieser gleich zweimal mit massiven Steuersenkun- chen für immer neue Börsenrekorde sorgt, Der Steuercoup im Senat ist auch deshalb
Plan den durchschnittlichen Amerikanern gen für die Wirtschaftselite den Arbeitsmarkt gibt es Skepsis angesichts der aktuellen Pläne. gelungen, weil die Wirtschaft massiv Druck
hilft, ist ein Witz», sagt Frank Clemente von ankurbeln wollen. Die gewünschten Effekte Die Investmentbank Goldman Sachs etwa gab macht. Amerikas Unternehmen und konser-
der Organisation Americans for Tax Fairness. seien ausgeblieben, sagt Steuerexperte Cle- einen mageren Ausblick auf die wirtschaft- vative Geldgeber drängen seit langem auf eine
«Nichts davon wird zum Rest von uns durch- mente. «Niemand erinnert sich heute an Bush lichen Effekte der Reform. Erst am Donners- Senkung ihrer Steuern hin. Unter einem repu-
sickern», sagt der Steuerexperte. 62 Prozent als erfolgreichen Schaffer von Arbeitsstellen.» tag warnte auch die überparteiliche Kongress- blikanischen Präsidenten witterten sie nun
ihre grosse Chance. Mit millionenschweren
Anzeigenkampagnen haben sie in den vergan-
genen Wochen in zahlreichen Gliedstaaten
Zwischenbilanz den Druck auf zweifelnde Abgeordnete er-
höht. Das zeigt offenbar Wirkung. Der Abge-
ordnete Chris Collins aus New York sagte im

«Gott sei Dank für das Trump-Wunder»

November in einem Interview: «Meine Spen-
dengeber sagen mir, bekomme es hin oder ruf
mich nie wieder an.»

Präsident Donald Trump kann Mauer an der Grenze zu Mexiko Berater Stephen Miller haben die machen schlicht die Erlasse
IMAGO

wohl bald den ersten grossen
Erfolg im Parlament feiern. Per
Twitter versprach er gestern
Samstag, noch vor Weihnachten
seine Unterschrift unter das
Gesetz für «die grössten Steuer-
kürzungen in der Geschichte» zu
setzen. Nachdem sich der US-
Senat auf eine Steuerreform
geeinigt hat, liegt eine Einigung
im Kongress in Griffweite.
Weitere Versprechen Trumps
scheiterten bisher im Parlament.
Die Gesundheitsreform, die als
grösstes Vermächtnis seines
Vorgängers Barack Obama gilt,
konnte er nicht wie angekündigt
umstossen und durch eine repu-
blikanische Vorlage ersetzen.
Im Gegenteil: Die Obamacare
genannte Krankenversicherung
erfreut sich wachsender Beliebt-
lässt auf sich warten. Ein Budget
dafür verweigert der Kongress.
Einige Erfolge erzielte Trump
ausserhalb des Parlaments. Dazu
gehört die Wahl von Neil Gor-
such in den Obersten Gerichts-
hof im Frühling. Mit dem erst
50-jährigen Richter wird der
Supreme Court für lange Zeit
Donald Trump konservative Schlagseite haben.
Wie sehr, wird sich bereits in den
nächsten Tagen zeigen. Dann
will das Oberste Gericht über das
von Trump verfügte Einreise-
verbot für Bürger aus mehrheit-
lich muslimischen Ländern ent-
scheiden. Mehrere untergeord-
nete Instanzen haben das Ein-
reiseverbot bisher ausgesetzt.
Die durchwachsene Bilanz
hält Trumps Anhänger nicht
davon ab, die Erfolge ihres Präsi-
USA seit Januar Handels- und
Finanzregulierungen bedeutend
gelockert, die Terrormiliz Islami-
scher Staat auf dem Schlachtfeld
besiegt und die illegale Einwan-
derung auch ohne Mauer ein-
gedämmt. Arbeitsplätze würden
geschaffen, die Börse sei auf
einem Höhenflug. Dass diese
Tendenz von Obama eingeleitet
wurde, erwähnt Miller nicht.
Trump lobt sich zudem dafür,
seit Beginn seiner Amtszeit mehr
Gesetzesentwürfe als alle Präsi-
denten vor ihm unterzeichnet zu
haben. Die Zeitung «New York
Times» rechnet jedoch vor, dass
er leicht unter dem Durchschnitt
der letzten drei Präsidenten
liegt. Zudem sind viele seiner
Beschlüsse in den Augen vieler
Amerikaner nicht als Errungen-
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seines Vorgängers rückgängig.
Mit Dekreten zog er sich vom
Abkommen zur Transpazifi-
schen Partnerschaft zurück,
strich Regulierungen und
Umweltschutzmassnahmen und
trieb den Bau von zwei umstrit-
tenen Ölleitungen voran.
Setzt Trump zudem den
bereits angekündigten Austritt
aus dem Pariser Klimaabkom-
men um, trifft er einen Ent-
scheid, der für den Planeten
katastrophale Folgen haben
könnte. Seine Fans sehen dies
nicht so. Sie haben eine Kampa-
gne mit Dankeskarten an Trump Zweisprachige Maturität
gestartet. «Gott sei Dank für das
Trump-Wunder» heisst es da IB World School
etwa, oder «Sie sind der Beweis,
dass Gott die Gebete seiner Tel +41 (0)41 639 62 11
Kinder erhört». www.stiftsschule-engelberg.ch

heit. Und auch der Bau einer denten zu feiern. Laut seinem schaften zu werten, sondern Roman Elsener, New York
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Das unsichtbare Problem
Die Brexit-Verhandlungen drohen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland zu scheitern
Martin Alioth, Dublin
Am 24.Oktober 1990 fesselte die
IRA, die Irisch-Republikanische
Armee, Patsy Gillespie, einen
Koch in einer britischen Militär-
kaserne, an den Fahrersitz eines
mit Sprengstoff beladenen Last-
wagens. Er musste das Vehikel in
den Coshquin-Grenzposten der
britischen Armee zwischen der
nordirischen Stadt Derry und der
irischen Grafschaft Donegal fah-
ren. Die via Fernzündung ausge-
löste Explosion tötete Gillespie
und fünf britische Soldaten.
Heute ist diese Grenze zwi-
schen dem britischen Nordirland
und der Republik Irland unsicht-
bar, die Insel Irland ein Binnen-
markt. Es herrscht Frieden. Aber
die Aussicht, dass hier eine neue
Zollgrenze entstehen könnte,
weckt nicht nur Ängste über
neuerliche Konflikte, sondern
blockiert die Verhandlungen um
den Austritt des Vereinigten
Königreichs aus der EU, den Bre-
xit. Irland pocht darauf, dass die
Grenzen offen bleiben. Das Land
verlangt Garantien für den Frie-
den und den regen wirtschaft-
lichen Austausch zwischen den
beiden Seiten der derzeit virtuel-
len Grenze. Damit bringt es die
Briten in die Bredouille.
Ungute Erinnerungen
Die Trennlinie war 1921 künstlich
gezogen worden, um den mehr-
heitlich protestantischen Nordos-
ten der Insel als britisches Staats-
gebiet zu behalten, während der
Rest der Insel zum Freistaat
wurde. Mit dem Ausbruch des
Nordirlandkonflikts kamen dann
allmählich die Bunker, die Schi-
kanen, die Beobachtungstürme.
Conor Patterson will nicht in
diese Vergangenheit zurück. Er ist
ein führendes Mitglied der Han-
delskammer von Newry, der
nordirischen Grenzstadt an der
Ostküste. Patterson zeigt Besu-
chern gerne die vergammelten
Ruinen der Zollabfertigung für
Lastwagen am Nordrand der
Stadt. Die war bloss ein paar Jahre
im Betrieb, dann löste der euro-
päische Binnenmarkt Europas
Grenzen auf. Mit dem nord-
irischen Friedensabkommen vom
Karfreitag 1998 entfiel auch der
Bedarf für die britische Armee.
«Aber die erneute Teilung
Irlands oder auch nur die Gefahr
einer solchen wird von irischen
An Verhandlungen mit Nordkorea führt kein Weg vorbei
Diktator Kim Jong Un sieht
sein Land mit seinem neusten
Raketentest am Ziel: Nun ist
dieses den USA ebenbürtig.
An seinen Atomwaffen wird
er trotzdem weiterfeilen.
Michael Radunski, Peking
Man habe endlich das historische
Ziel erreicht, Nordkorea sei nun
eine Nuklearmacht. Mit diesen
Worten zitiert das nordkoreani-
sche Staatsfernsehen den Macht-
haber Kim Jong Un, der nach
zweieinhalb Monaten Unterbruch
diese Woche eine neue Rakete ge-
testet hat. Die Hwasong-15 flog
mit 4400 Kilometern extrem
hoch und war deutlich länger in
der Luft als ihre Vorgänger.
Nach einhelliger Meinung der
Experten handelt es sich beim
jüngsten Test tatsächlich um
einen Durchbruch in der Entwick-
lung der Raketentechnik. «Diese
Interkontinentalrakete kann mit
einem ziemlich schweren Spreng-
kopf fast jeden Punkt in Amerika
treffen», sagt etwa Gregory Kula-
cki von der angesehenen ameri-
International
«Harte Grenze, weiche Grenze, keine Grenze»: Ein Plakat gegen die Umsetzung des Brexit im nordirischen Londonderry. (16. August 2017)
Nationalisten als enormes Risiko
betrachtet», warnt Patterson ein-
dringlich. Er befürchtet, dass
Splittergruppen der IRA neue
Grenzposten zu Zielscheiben ma-
chen könnten.
Vor dem Referendum über den
Brexit wurde das Schicksal Nord-
irlands ausgeklammert. Doch seit
die Briten für den Austritt ge-
stimmt haben und Theresa May
das Ruder in die Hand genommen
hat, ist klar, dass Brexit auch
heisst: Austritt aus dem Binnen-
markt und der Zollunion. Seither
schrillen in der irischen Haupt-
stadt Dublin die Alarmglocken:
Denn nun droht die Rückkehr
einer sichtbaren Grenze mit Zoll-
schranken und Kontrollen. Einige
Monate lang verkündeten Dublin
und London einhellig – sekun-
diert von der EU –, die Grenze
müsse «unsichtbar» oder «rei-
bungslos» bleiben.
Erst als im letzten Juni der
jugendliche Leo Varadkar irischer
Regierungschef wurde, änderte
kanischen Forschergruppe Union
of Concerned Scientists.
Was bedeutet dieser Sprung?
Einige Beobachter hegen die
Hoffnung, dies sei eventuell ein
Ende der Raketentests. Durch sei-
ne markige Rhetorik versuche
Kim, sich in eine bessere Ver-
handlungsposition zu bringen:
Verhandlungen auf Augenhöhe
mit den USA, von Atommacht zu
Atommacht um Sicherheitsgaran-
tien für das Regime.
Allerdings hat sich Nordkorea
schon 2012 den Titel Atommacht
verliehen, als das Regime in der
Verfassung festschreiben liess,
man sei ein «Staat im Besitz der
Atomwaffe und einer unbezwing-
baren militärischen Macht». «Zu-
dem ist die Bezeichnung Nuklear-
macht sehr vage, wissenschaft-
lich gibt es dafür keine Defini-
tion», erklärt der Wissenschafter
Kulacki. «Für Kim geht es viel-
mehr um die Fähigkeit, bei einem
amerikanischen Angriff zurück-
schlagen zu können.» Erst diese
Fähigkeit zum Vergeltungsschlag
biete ihm und seinem Regime
Schutz vor den USA, die es somit
sich der Tonfall. Die Recherchen
des irischen Zollamtes über mög-
liche technische Kontrolleinrich-
tungen wurden gestoppt, Dublin
verlangte Klartext: Wie solle denn
der Widerspruch zwischen einer
unsichtbaren Grenze und dem
Austritt aus der Zollunion aufge-
löst werden? Die britische Regie-
rung ignorierte den Kern des
Dilemmas, vermutlich, wie der
frühere irische Premierminister,
John Bruton argwöhnt, weil «in
der englischen Politik stets die
denkfaule Unterstellung gilt, dass
die Iren sich letztlich schon fügen
werden».
Mitte November machten Va-
radkar und sein Aussenminister,
Simon Coveney, dieser Unterstel-
lung den Garaus. Während die
britische Innenpolitik sich noch
in akrobatischen Gedankenspie-
len erging, wie viel man der EU
denn bezahlen solle, verwiesen
die Iren darauf, dass der Status
der irischen Grenze zur Befriedi-
gung Irlands vereinbart werden
nicht mehr wagen könnten, ihn
anzugreifen.
Immer wieder fallen in diesem
Zusammenhang die Stichwörter
Irak und Libyen beziehungsweise
Saddam Hussein und Muammar
al-Ghadhafi. Die ehemaligen
Herrscher dieser Staaten beende-
ten auf internationalen Druck ihre
Atomprogramme – und wurden
prompt gestürzt. Sie hatten nicht
die Fähigkeit zum Vergeltungs-
schlag. Ein Schicksal, dass Kim
mit seinem Atomprogramm unter
allen Umständen verhindern will.
Entsprechend ist ein Ende der
nordkoreanischen Tests äusserst
unrealistisch. Vielmehr wird das
Regime daran gehen, weitere
technische Hürden zu meistern,
die trotz allen Erfolgen noch be-
stehen. So wäre es vor allem ent-
scheidend, den Atomsprengkopf
an der Spitze der Rakete vor der
grossen Hitze während des Wie-
dereintritts in die Erdatmosphäre
zu schützen. Der Bau des nötigen
Wiedereintrittskörpers scheint
die nächste Aufgabe zu sein.
Bereits haben Beamte den
nächsten Versuch in Aussicht ge-
5
muss, bevor Handelsgespräche
CLODAGH KILCOYNE / REUTERS
beginnen können. Irland hat ein
Vetorecht. «Der Schlüssel zur bri-
tischen Zukunft liegt in Dublin»,
verkündete EU-Rats-Präsident
Tusk am Freitagabend in Dublin.
Wenn Irland den ausgehandelten
Status nicht akzeptiere, akzep-
tiere ihn auch die EU nicht.
Die Iren schlagen vor, dass
Nordirland die Regeln der EU bei-
behalte, namentlich im Agrar-
und Energiesektor. Dann bliebe
der Binnenmarkt intakt. Doch die
britische Regierung lehnt eine
Sonderstellung der verachteten
Provinz ab, die den englischen
Steuerzahler jährlich zehn Mil-
liarden Pfund kostet. Mehr noch
gilt dies für die nordirische Pro-
testantenpartei DUP; ihre zehn
Unterhausabgeordneten ermög-
lichen die Regierung May. Sie dro-
hen offen, ihr die Unterstützung
zu entziehen, falls Nordirland
eine Sonderregelung erhalte.
Iren am längeren Hebel
Die Grenzfrage macht die Brexit-
Verhandlungen zur Quadratur
des Kreises. Morgen Montag trifft
Theresa May den Kommissions-
präsidenten Jean-Claude Juncker
zum Lunch; dann sollen Verein-
barungen zur irischen Grenze und
den anderen offenen Fragen ge-
funden werden, damit der EU-
Gipfel zehn Tage später zustim-
men kann.
Die britische Diplomatie hat
Brexit-Verhandlungen allen Anlass, in sich zu gehen. Ein
unlängst durchgesickerter Bericht
Der Schlachtplan der EU des irischen Aussenministeriums
malt ein Bild von Ratlosigkeit und
Hochmut. In einer unbestätigten
Meldung des britischen Senders
Die britische Regierung hat den Eigentlich hätte diese Phase im Sky News wurde dieser Tage be-
von der EU vorgelegten Ver- Oktober abgeschlossen werden hauptet, das britische Aussen-
handlungsablauf im letzten Juli sollen, doch die EU konnte keine ministerium habe die irischen Kol-
akzeptiert, obwohl sie dadurch «genügenden Fortschritte» legen gewarnt: Wenn sein Aussen-
benachteiligt wird. erkennen. minister, Boris Johnson, Dublin
In einer ersten Phase wird Nun soll der Übergang zur besuche, solle man seine Aussa-
überwiegend über drei Themen zweiten Phase am EU-Gipfel gen nicht ernst nehmen. Niemals
verhandelt: Die Rechte von EU- Mitte Dezember erlaubt sass das kleine Irland an einem
Bürgern im Vereinigten König- werden. Anschliessend wird längeren Hebelarm als in diesem
reich nach dem Austritt und von über die konkreten Bedingun- kritischen Moment für die einst
britischen Bürgern in der EU. gen einer vermutlich zweijähri- übermächtige Nachbarin. Doch
Ferner geht es um die britische gen Übergangsphase verhan- Irland ist mehr als jedes andere
Abfindungszahlung für bereits delt, in der ziemlich alles bleibt, EU-Land an guten Handelsbezie-
eingegangene Verpflichtungen wie es ist. Erst dann dürfen die hungen mit den Briten interes-
und schliesslich um den Status Briten über ihr Lieblingsthema siert. Das Land muss seine Karten
der einzigen Landgrenze zwi- reden, nämlich die Umrisse subtil spielen, um den Kollateral-
schen der EU und dem König- künftiger Handelsbeziehungen. schaden des Brexit zu minimie-
reich: der Grenze zwischen dem Die Konditionen der Scheidung ren. Beim Kampf um die unsicht-
britischen Nordirland und der sollen idealerweise im Oktober bare Grenze geht es um weit mehr
Republik Irland, die in der Euro- 2018 vereinbart sein, damit Zeit als Ökonomie: Das Wohlbefinden
päischen Union verbleibt. bleibt für die Ratifikation. (ali.) der Nation steht auf dem Spiel.
Niederschlag zu erwarten, der an der Pipeline, wie es offiziell
KOREAN OFFICIAL NEWS SERVICE / AP
sich weit über die Landesgrenzen hiess. Nordkorea kehrte an den
hinweg verteilt. Die rote Linie Verhandlungstisch zurück.
wäre damit wohl auch für China, Mit einem solchen Einlenken
Nordkoreas einzigen Verbünde- ist diesmal nicht zu rechnen.
ten, überschritten. Denn ein Ölembargo hätte nach
Ein oberirdischer Versuch wür- Ansicht chinesischer Beobachter
de Nordkoreas atomare Fähigkeit katastrophale Folgen für Nord-
endgültig unter Beweis stellen. koreas Wirtschaft. «China hat kei-
«Ein solcher Test würde Amerika nen Plan für den Fall, dass in
zu Verhandlungen mit Nordkorea Nordkorea der Notstand aus-
zwingen», sagt Jaewoo Choo, bricht», erklärt Jaewoo Choo.
Korea-Experte an der Peking-Uni- «Mittelfristig hätte ein Liefer-
versität. Auch die chinesische stopp ohnehin keine Wirkung, da
Regierung käme unter Druck. Russland sich als Alternative an-
Wolle sie Nordkorea als Puffer be- bieten würde.» Russlands Nein zu
halten, müsste sie das nordkorea- einem Ölembargo ist jedenfalls
nische Regime wie Pakistan be- eindeutig. Laut Aussenminister
handeln und ihm mehr Wohl- Sergei Lawrow hat man wieder-
taten und Hilfe anbieten, damit es holt erklärt, dass der Druck der
Kim Jong Un hat noch viel vor. sich nicht von ihr abwendete. Sanktionen erschöpft sei.
Was können die betroffenen Der Experte Gregory Kulacki
Staaten nach Nordkoreas jüngs- hält die Forderung einer soforti-
stellt: eine sogenannte atmosphä- tem Streich tun? Die USA fordern, gen Beendigung des Atompro-
rische oder oberirdische Atom- dass China seine Erdöllieferun- gramms für unrealistisch. Seiner
explosion. Kulacki nimmt diese gen nach Nordkorea stoppt. Etwa Ansicht nach sollte man Verhand-
Ankündigung durchaus ernst. 90 Prozent der nordkoreanischen lungen ohne Vorbedingungen be-
Dieser Schritt hätte dramatische Ölimporte kommen aus der ginnen. Es scheint, als müsste
Folgen: Im Gegensatz zu unter- Volksrepublik. 2003 hatte China sich wenigstens eine der Atom-
irdischen Atomversuchen ist bei seine Lieferungen für drei Tage mächte bewegen – China, Russ-
oberirdischen ein radioaktiver eingestellt – wegen Reparaturen land oder doch die USA.
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Ein Napoleon für das 21. Jahrhundert
Macron führt Frankreich aus dem Reformstau – fix, brillant und eigenmächtig. Von Axel Veiel, Paris
A
ls «Göttervater Jupiter»
hat er Furore gemacht.
Doch das wird Frank-
reichs Staatschef nun
nicht mehr gerecht. Im Olymp
sind keine anderen Götter mehr
neben ihm. Da schaltet und wal-
tet Emmanuel Macron allein.
Nichts rührt sich, weder Opposi-
tionsführer noch Gewerkschafts-
bosse, noch das angeblich allzeit
protestbereite Volk. Niemand bie-
tet ernsthaft Paroli. Da ist nur der
als Erneuerer angetretene,
39 Jahre junge Präsident mit sei-
ner anscheinend unerschöpf-
lichen Kreativität und Tatkraft,
seiner ansteckenden Zuversicht.
Am Dienstag hatte das Parla-
ment die Arbeitsmarktreform be-
siegelt. Die per Dekret auf den
Weg gebrachte Neuerung hat da-
mit Gesetzeskraft. Der heisse
Herbst, den Reformgegner ange-
kündigt hatten, ist ausgeblieben.
Dabei hat Macron so manche von
den Gewerkschaften gezogene
rote Linie überschritten. Die de
facto Abschaffung der 35-Stun-
den-Woche zählt dazu. Künftig
kann die Arbeitszeitregelung in
Betriebs- und Branchenvereinba-
rungen festgesetzt werden.
Opposition verstummt
Schmerzlich haben die Gewerk-
schaften erfahren müssen, dass
die alten Protestrituale der Repu-
blik nicht mehr funktionieren
und neue sich nicht herausgebil-
det haben. Vielmehr wächst die
Unterstützung für den Präsiden-
ten. In der letzten Beliebtheits-
umfrage des Instituts Ifop hat er
um 4 Punkte zugelegt und bringt
es nun auf 46 Prozent Zustim-
mung. Die Einsicht scheint sich
durchzusetzen, dass das in ver-
krusteten Strukturen verhaftete
Land mit Überkommenem bre-
chen muss, soll es im internatio-
nalen Wettbewerb nicht noch
weiter zurückfallen.
Was für die Gewerkschaften
gilt, trifft auch auf die Opposition
zu. Sie irrt orientierungslos um-
her. Konservative Républicains
(LR) und Sozialisten haben nicht
Europa
EU fürchtet den «Macronismus»
In einem sind sich alle einig: Der
neue französische Präsident
bringt frischen Wind nach Brüs-
sel. Gerade jetzt, wo die deut-
sche Regierung mit sich selbst
beschäftigt ist, hoffen in Brüssel
nicht wenige, dass Emmanuel
Macron die Führungsrolle von
Angela Merkel übernimmt. In
den Augen vieler hat die deut-
sche Kanzlerin das Projekt
Europa in den letzten Jahren
mehr verwaltet als weiterentwi-
ckelt – auch wenn sie bei der
Euro- und der Flüchtlingskrise
tonangebend war. Macron
dagegen hat Visionen und treibt
diese voran. Dem Turbo-Euro-
päer kann es kaum schnell genug
gehen, ob bei der Bildung der
Militärunion oder der Vertiefung
der Euro-Zone. «Von diesem
frischen Wind können wir kaum
zu viel haben», sagt Reinhard
Bütikofer, Aussenpolitiker der
Grünen im EU-Parlament.
Das ist die positive Leseart.
Die andere ist, dass Macron mit
seinem Aktionismus ein Durch-
einander anrichtet. Etwa dann,
wenn er in seiner Eile die Rück-
sichtnahme auf kleinere Länder
schleifen lässt. Macrons Auftre-
ten auf seiner kürzlich erfolgten
Osteuropa-Tournee wurde von
vielen dort als gebieterisch emp-
International Frankreich 7
ger Rede pflegt er seine Vorhaben Der Trend geht zu Napoleon. Der
ETIENNE LAURENT / EPA
zu skizzieren. Mit Details hält er Vergleich drängt sich insofern
sich selten auf. auf, als auch der Korse in jungen
Als er sich mit der weitgehen- Jahren sämtliche Gegner aus dem
den Abschaffung der Vermögens- Weg geräumt hat. Und noch
steuer den Vorwurf einhandelt etwas passt: Wie Napoleon
hatte, als «Präsident der Reichen» könnte Macron am Ende womög-
vorneweg zu marschieren, trat lich schmählich scheitern.
Macron sogleich mit Initiativen
zugunsten ärmerer Schichten ins Warten auf den Erfolg
Rampenlicht. Dazu zählt eine Re- Denn da ist ja auch noch die
form von Berufsfortbildung und schweigende Mehrheit der Fran-
Lehre. Als überzeugter Soziallibe- zosen: jene 60 Prozent, die von
raler verfolgt er einen doppelten der Politik nicht viel erwarten, die
Ansatz. Er will die Avantgarde oft nicht einmal mehr wählen
fördern, zugleich aber auch die gehen oder versucht sind, für
Masse befähigen, zu den Weg- einen Populisten zu votieren.
bereitern aufzuschliessen. Macron versichert, auch sie wür-
Auf europäischer Bühne bietet den vom Wandel profitieren. Es
sich ein ähnliches Bild. Auch dort sei wie bei einer Seilschaft. Die
ist Macron als Erneuerer angetre- vorne Kletternden, die Reichen
ten, was allerdings nicht überall und die Erfolgreichen, würden
in der EU auf Wohlwollen trifft die Nachfolgenden mitziehen.
(siehe Text unten). Die im Klein- Es fragt sich, wann die hinten
Klein der Regierungsbildung ge- Positionierten spüren, dass es
fangene deutsche Kanzlerin hat aufwärtsgeht, und wann sie dies
für Macrons Visionen von einem honorieren werden. Wirtschafts-
neuen Europa zurzeit weder Auge experten glauben, der Erfolg der
Präsident Emmanuel Macron im Elysée-Palast. (Paris, 2. Dezember 2017) noch Ohr. Mit Wohlgefallen ver- Reformen werde sich erst gegen
folgen die Franzosen, dass sich Ende der fünfjährigen Amtszeit
ihr Land auf der internationalen Macrons einstellen. Zu spät, um
mehr viel Raum, um sich als oder Parteinamen, alles steht zur soll, kündigt er schon Massnah- Bühne selbstbewusst zurück- sich politisch auszuzahlen. Gilles
eigenständige Kraft zu empfeh- Disposition. Linksaussen hat sich men zur Eindämmung der Gewalt gemeldet hat. Le Gendre, stellvertretender
len. Sie sind eingeklemmt zwi- Jean-Luc Mélenchon, Chef der gegen Frauen an. Er will einen Derweil versuchen Intellektu- LREM-Fraktionschef, hofft dar-
schen dem Mitte-Präsidenten, Bewegung La France Insoumise Straftatbestand «sexistische Be- elle, am verstörend neuen Präsi- um, dass die Franzosen bereits in
der nach rechts und links aus- (unbeugsames Frankreich), den leidigung» einführen und Opfern denten Vertrautes zu entdecken, zwei Jahren an den Reformerfolg
greift, sowie den Populisten an Realitäten gebeugt. «Der Punkt in Spitälern, Kommissariaten so- ihn wenn schon nicht mehr mit glauben werden. «Wenn nicht,
den Rändern. Verunsichert sucht geht an den Präsidenten», räumte wie vor Gericht umfassende Hil- Jupiter, so doch mit anderen werden wir geteert und gefedert»,
so mancher Angehöriger der ehe- der Volkstribun ein, der vergeb- fen zukommen lassen. In blumi- Lichtgestalten in eins zu setzen. prophezeit der Abgeordnete.
mals grossen Volksparteien sein lich versucht hatte, die «revolu-
Heil bei Macron. tionären Massen» gegen Macrons
Als bisher letzter hat Alain Arbeitsmarktreform zu mobilisie- ANZEIGE
Juppé dem Präsidenten Avancen ren. Die eigene Partei liegt
gemacht. Verärgert über den Macron ohnehin zu Füssen. Aus
euroskeptischen Kurs des nach der innovativen Bürgerbewegung
dem LR-Vorsitz greifenden Partei- ist die dem Gründer ergebene
freunds Laurent Wauquiez, regte Partei La République en Marche
der Stadtpräsident von Bordeaux (LREM) geworden.
ein Bündnis proeuropäischer Der Staatschef hat freie Bahn,
Kräfte an. Bei den Wahlen zum um Frankreich von Grund auf zu
EU-Parlament 2019 könne dieses erneuern. In atemberaubendem
als eine in der politischen Mitte Tempo geht er zu Werk. Dutzende
verankerte «grosse Bewegung» an von Reformbaustellen hat er aus-
den Start gehen. gewiesen. Kaum hat er einen Plan
Rechtsaussen steckt der Front präsentiert, der heruntergekom-
National nach dem missratenen menen Vorstädten mehr Sicher-
Wahlkampf Marine Le Pens tief in heit, mehr Arbeitsplätze und
der Krise. Ob Personen, Inhalte weniger Diskriminierung bringen
ten Volksparteien aufreibt. Die
CHARLES PLATIAU / REUTERS
sozialdemokratische Fraktion
bangt schon, dasselbe Schicksal
wie die in die Bedeutungslosig-
keit gedrängten Sozialisten von
Ex-Präsident François Hollande
zu erleiden. Diese Woche läute-
ten bei manchem Abgeordneten
die Alarmglocken, als sich
Macron mit Matteo Renzi traf,
dem Chef der italienischen
Sozialdemokraten. Ein Überlau-
Macron und Merkel. fen der italienischen Abgeordne-
ten, der grössten Gruppe inner-
halb der Fraktion, würde die
funden. Die Abstimmung im Sozialisten vor ernsthafte Pro-
EU-Ministerrat geriet dann zur bleme stellen.
Zitterpartie. Dass es ohne die Unter Zugzwang stehen auch
kleineren Länder nicht geht, die Liberalen. Sollen sie sich mit
erfuhr Macron bei der von ihm Macrons Sammelbewegung ver-
vorangetriebenen Digitalsteuer bünden, mit dem Risiko, ihr
für Internet-Unternehmen: Am Profil zu verlieren? Immerhin
Ende waren es Irland und könnte ihnen im Gegenzug das
Luxemburg, die den französi- Amt des EU-Kommissions-Präsi-
schen Vorschlag vorerst auf die denten zufallen, welches 2019
lange Bank schoben. neu besetzt wird. Die liberale
Im EU-Parlament begrüsst Wettbewerbskommissarin Mar-
man Macrons proeuropäischen grethe Vestager macht sich seit
Kurs zwar grundsätzlich. Doch einiger Zeit mit ihrem Vorgehen
zugleich fürchtet man unruhige gegen steuerscheue Technolo-
Zeiten. Konkret geht die Angst gie-Giganten wie Apple einen
um, dass der Präsident sein Namen. Damit personifiziert sie
innerfranzösisches Zauberstück geradezu Macrons europapoliti-
wiederholen könnte und mit schen Leitspruch: «Ein Europa,
einer paneuropäischen «En das schützt».
Marche»-Bewegung die etablier- Remo Hess, Brüssel
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2015, Moulis en Médoc AOC, 75 cl
2015, Saint-Julien AOC,
75 cl Château Potensac
90–92 90–93
2015, Médoc AOC, 75 cl 23.95 89–91 Pkt. 90–93 Pkt. 90–91 Pkt.
PUNKTE PUNKTE
ROBERT WINE
PARKER SPECTATOR Château Branaire-Ducru
2015, Saint-Julien AOC, 4e Cru Classé, 75 cl 49.95 90–92 Pkt. 90–93 Pkt. 93–94 Pkt.
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Château Talbot
SUCKLING
2015, Saint-Julien AOC, 4e Cru Classé, 75 cl 56.95 88–90 Pkt. 90–93 Pkt. 92–93 Pkt.

Château Phélan Ségur

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Château Brane-Cantenac
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Château Cantenac Brown

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Château La Gaffelière
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46.95
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und weitere mehr. Solange Vorrat.

NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
International 9

Bringt sie Katalonien zur Vernunft?

Inés Arrimadas bewirbt sich um die Nachfolge des abgesetzten Regierungschefs Carles Puigdemont
Brigitte Kramer, Palma Carles Puigdemont ist während- Korruption aufräumen. Klingt hängigen Katalonien können sie

ENRIC FONTCUBERTA / KEYSTONE

Sie ist 36 Jahre alt und angetre-
ten, Katalonien zu retten. Inés
Arrimadas, Oppositionsführerin
im regionalen Parlament, sieht
angesichts der von Madrid ver-
ordneten regionalen Neuwahlen
am 21.Dezember ihre Stunde ge-
kommen. Die frühere Managerin
verspricht, die rebellische Region
«zurück in die Realität» zu füh-
ren. Sie fordert ein Ende der für
sie «grässlichen Lachnummer Un-
abhängigkeit».
Die Spitzenkandidatin der libe-
ralen Partei Ciudadanos präsen-
tiert sich als Stimme der schwei-
genden Mehrheit. Sie gestikuliert
weit ausladend und hält der «Lü-
genfabrik» der Separatisten Fak-
ten entgegen, über abgewanderte
Unternehmen, ausgebliebene
Touristen, gefährdete Investitio-
nen. Klare Worte, sicheres Auftre-
ten und grosses Engagement
haben die Juristin nach oben
katapultiert. Der im Oktober
abgesetzten Regionalregierung
weint sie keine Träne nach. Ein
Teil ist heute im Gefängnis. Der
ehemalige katalanische Präsident
dessen nach Brüssel geflüchtet. vermessen, doch manche trauen offensichtlich weniger anfangen
Arrimadas nennt ihn dafür einen es der Macherin zu. Sie wuchs als als die gebürtigen Katalanen.
«Feigling». jüngstes von fünf Kindern in Bemerkenswert ist nicht nur
Katalonien hat laut Arrimadas einem konservativen Elternhaus Arrimadas’ Lebenslauf, sondern
genug von den ideologischen in der andalusischen Kleinstadt auch die Partei: 2006 entstand
Grabenkämpfen: «Wir wollen uns Jerez de la Frontera auf. Als Kind Ciudadanos in Barcelona, eben
nicht weiter mit Verwandten und spielte sie als Mittelstürmerin aus Unmut über Separatismus
Freunden streiten.» Der Riss geht Fussball – und war FC-Barcelona- und Korruption. Heute ist die
durch Arrimadas’ eigene Familie: Fan. Besonders begeistert war sie wirtschaftsliberale Partei spa-
Ihr Ehemann war ein langjähriger von Spieler und Trainer Pep Guar- nienweit vertreten und viert-
Verfechter der Unabhängigkeit, diola, auch wenn dieser immer stärkste Fraktion im nationalen
zog sich aber schliesslich zuguns- wieder für Kataloniens Unabhän- Parlament. Selbst in ihrer Heimat
ten seiner Frau aus der Politik zu- gigkeit wirbt. Sie verzeihe ihm Katalonien sind die Ciudadanos
rück. Am 21.Dezember werde er seine politische Einstellung, sagte allerdings weit von der absoluten
seiner Frau seine Stimme «lei- die Politikerin einmal, denn Guar- Mehrheit entfernt.
hen», sagte er im Wahlkampf. diola habe seinen Fans «viele Arrimadas brauchte also Koali-
Gibt es eine bessere Werbung, zur schöne Stunden beschert». tionspartner, und da wird es in
Vernunft zu kommen? Die Andalusierin studierte der zersplitterten politischen
Die Liberale positioniert sich Inés Arrimadas bei einer Rede in Barcelona. (19. November 2017) Jura- und Betriebswirtschaft in Landschaft Kataloniens schwie-
als Kandidatin der Mitte. Denn Sevilla. Sie arbeitete einige Jahre rig. Umfragen sagen ein Kopf-an-
wer gegen die Unabhängigkeit im Qualitätsmanagement und zog Kopf-Rennen zwischen Befür-
stimmen will, sieht sich in Katalo- Franco-Diktatur. Hinzu kommt anschliessend unter Madrids für ihren Arbeitgeber 2006 nach wortern und Gegnern der Unab-
nien einem beschränkten politi- der harte Kurs Madrids gegenüber Kuratel gestellt wurde. Barcelona. Sie spricht in der hängigkeit voraus. Das heisst, es
schen Angebot gegenüber. Zwar der Region, den manche Katala- Arrimadas verspricht, zu einer Öffentlichkeit nur Spanisch, kein könnten auch nach dem 21.De-
ist auch die Volkspartei (Partido nen als demütigend empfinden. pragmatischen Politik zurück- Katalanisch und steht damit für zember wieder die Separatisten
Popular) von Spaniens Regie- Arrimadas umwirbt darum jene kehren. In ihren ersten hundert eine Bevölkerungsgruppe, die regieren. Arrimadas warnt uner-
rungschef Mariano Rajoy für die Katalanen, die am 1. Oktober Regierungstagen will sie den Un- «lange geschwiegen hat und von müdlich vor dem «Desaster», das
Einheit Spaniens. Doch sie ist nicht zu dem für illegal erklärten abhängigkeitsprozess «zurück- den Politikern verachtet wurde»: dann drohe. Aber kommen die
in Katalonien aus historischen Unabhängigkeitsreferendum ge- drehen», die abgewanderten Fir- 1,4 Millionen Katalanen sind aus Separatisten wieder ans Ruder,
Gründen unpopulär, gilt sie doch gangen sind und die dann mit an- men zurückholen, den Sozial- Restspanien in die Boom-Region würde es ihr auch helfen, ihr Pro-
als ideologische Nachfolgerin der sehen mussten, wie ihre Region haushalt erhöhen und mit der gezogen. Mit der Idee eines unab- fil weiter zu schärfen.

Burmas Militärs
BERNAT ARMANGUE / AP

im Hoch dank
Jagd auf Muslime
Die lange verhasste Armee in
Burma ist derzeit so beliebt
wie nie zuvor. Die Mehrheit
der Bevölkerung heisst es gut,
dass sie die Volksgruppe der
Rohingya vertreibt.
Ulrike Putz, Singapur
In Burma spielt sich derzeit Un-
fassbares ab: Die Generäle, die
dem Land ein halbes Jahrhundert
lang eine Diktatur aufgezwungen
hatten, schwimmen neuerdings
auf einer Welle der Sympathie.
Selbst burmesische Menschen-
rechtsadvokaten und Angehörige
der Demokratiebewegung, die
jahrzehntelang von der Junta
unterdrückt wurde, finden auf
einmal gute Worte für die Armee.
Der Grund dafür ist: Seit drei
Monaten wird die muslimische
Minderheit der Rohingya brutal
vertrieben. Die Uno spricht von
einem «Paradebeispiel für eth-
nische Säuberungen». Soldaten
nehmen sich systematisch mus-
limische Dörfer vor, plündern,
morden und vergewaltigen mit
dem Ziel, die Einwohner in die
Flucht zu schlagen. Wie erfolg-
reich sie damit sind, zeigen
die Bilder aus Flüchtlingslagern
in Bangladesh, wo inzwischen
625 000 über die Grenze geflo-
Mehrheit auf offene Ohren trifft.
Auch Burmas Medien suchen alle
Schuld für die brennenden Dörfer
bei muslimischen Terroristen. Die
meisten Burmesen, ungeübt im
kritischen Umgang mit Informa-
tionen, nehmen die Propaganda
für bare Münze und die interna-
tionale Kritik an Burma als grund-
falsch und ungerecht wahr. Sie
glauben, was die Führung sie
glauben machen will: dass die
Generäle die Streitkräfte nur in
den Gliedstaat Rakhine geschickt
haben, um unschuldige Buddhis-
ten vor blutrünstigen Islamisten
zu schützen.
Die Generäle sind ob des Stim-
mungsumschwungs hocherfreut.
«Sie können ihr Glück gar nicht
fassen», sagte der in Rangun
lebende Experte David Scott Ma- Rohingya überqueren auf der Flucht aus Burma die Grenze nach Bangladesh. (1. November 2017)
thieson der «New York Times».
«Sie haben einen Volltreffer ge-
landet. Sechs Jahre nach Einfüh- Burma von 1962 an mit eiserner sen gezwungen. 2010 leiteten sie ihrem Haus in Rangun gefangen- tisch – wieder aus dem Schatten
rung der Demokratie sind sie be- Hand. Die Generäle zwangen den eine Demokratisierung ein. gehalten wurde, behauptet, die treten und in die Hauptstadt Nay-
liebter als zuvor.» einst grössten Reisexporteur der Doch die Öffnung kommt nur Armee habe bei den «Sicherheits- pyidaw zurückkehren. Bis es so
Dass die Burmesen ihre Streit- Welt auf den «burmesischen Weg zögerlich voran. Das liegt daran, operationen» in Rakhine alles weit ist, befehligt Min Aung
kräfte neuerdings als Hüter des zum Sozialismus». Die Verstaat- dass sich die Armee weitrei- unternommen, um keine un- Hlaing seine Truppen, die nach
Vaterlandes feiern, ist angesichts lichungspolitik des Regimes chende Rechte gesichert hatte, schuldigen Zivilisten zu verlet- Einschätzung von Menschen-
der Geschichte Burmas bedenk- führte zur Verelendung des Lan- bevor sie freie Wahlen zuliess. So zen. Berichte über Greueltaten rechtlern daran sind, einen Völ-
lich. Die Armee, «Tatmadaw» ge- des. Als einige der 135 in Burma verhinderte das Militär durch vergleicht sie mit einem «Eisberg kermord auf Raten zu begehen.
nannt, regierte das rohstoffreiche ansässigen Volksgruppen mehr eine Verfassungsänderung, dass der Falschinformationen». «Es Für den 61-Jährigen keine neue
Autonomie forderten, antwortete die damalige Oppositionsführerin gibt keine Fälle, in denen das Erfahrung: Min Aung Hlaing gab
die Armee mit Feldzügen und Aung San Suu Kyi trotz dem Militär muslimische Zivilisten ge- schon das Kommando, als 2009
Säuberungskampagnen. So wur- überwältigenden Wahlsieg ihrer tötet hat», sagt auch Win Myat Zehntausende Angehörige der
LYNN BO BO / KEYSTONE

hene Rohingya leben müssen.
Buddhistische Hetzer
Die Mehrheit der Burmesen ste-
hen hinter dem brutalen Vor-
gehen ihrer Streitkräfte. Sie ver-
achten die Rohingya, die sie als
illegal in Burma lebende Banga-
len sehen. Der Hass wird von
extremistischen Buddhistenmön-
chen geschürt. Seit Jahren bleuen
diese ihren Anhängern ein, dass
die Muslime es darauf abgesehen
hätten, den Islam zur Staatsreli-
gion Burmas zu machen. Dass die
Muslime nur vier Prozent der Be-
völkerung stellen, übergehen sie.
Stattdessen bauen die Funda-
mentalisten ein Bedrohungs-
szenario auf, das bei den von der
rasanten Modernisierung Burmas
verunsicherten buddhistischen
den bereits 1992 etwa 300 000
Rohingya nach Bangladesh ver-
trieben.
Auch gegen Buddhisten ging
das Regime wiederholt mit bruta-
ler Gewalt vor. Tausende Opposi-
tionelle wurden verschleppt, De-
monstranten zusammengeschos-
sen. Mönche, die sich an die Spit-
ze der Bürgerbewegung gesetzt
hatten, wurden inhaftiert und
ganze Klöster geschlossen.
Die Armee, die etwa 500 000
Mann unter Waffen hat, sass des-
halb so lange so fest im Sattel,
weil sie mit China und Russland
mächtige Verbündete hatte. Doch
mit dem Ende des Kalten Krieges
verlor sie an Rückhalt. Angesichts
zunehmenden inneren und äus-
seren Drucks sahen sich die Gene-
General Min Aung Hlaing. räle schliesslich zu Zugeständnis-
National League for Democracy Aye, Sozialminister von der NLD. Minderheiten der Shan und der
(NLD) bei den Wahlen 2015 Präsi- Kokang aus Burma vertrieben
dentin werden konnte. Sie ist nun Suu Kyi erpressbar wurden. Die Methoden waren da-
zwar faktisch Regierungschefin, Aung San Suu Kyi und ihre Partei mals dieselben: Mord, Brandstif-
der wahre Machthaber im Land sind angesichts der wahren tung, Vergewaltigung.
ist jedoch nach wie vor ein Mili- Machtverhältnisse in Burma er- Wie wenig Respekt das Militär
tär. Es ist General Min Aung pressbar. Wollen sie den Generä- für die Zivilregierung hat, zeigte
Hlaing, seit 2011 Oberbefehls- len keinen Vorwand liefern, die sich diese Woche, als Papst Fran-
haber der Streitkräfte, der die Demokratisierung abzubrechen, ziskus Burma besuchte. Der
Minister des Inneren, der Vertei- können sie sich nicht gegen deren General düpierte seine Regie-
digung und der Grenzsicherung Rohingya-Politik aussprechen. rungschefin, als er dem Kirchen-
ernennt und einen Viertel der Die Friedensnobelpreisträgerin oberhaupt einen Überraschungs-
Parlamentssitze besetzen darf – muss sich linientreu geben und besuch abstattete, bevor dieses –
genug, um jede Verfassungsände- ertragen, dass sich einstige Be- wie vorgesehen – offiziell von
rung, die seine Macht beschnei- wunderer von ihr abwenden. Aung San Suu Kyi begrüsst wor-
den könnte, zu verhindern. Derweil kann das Militär seine den war. 15 Minuten lang belehrte
Nur vor diesem Hintergrund ist Macht weiter ausbauen. Einige der General den Papst, in Burma
Aung San Suu Kyis Verhalten im Beobachter vermuten, General gebe es keinerlei Diskriminierung
Rohingya-Konflikt zu verstehen. Min Aung Hlaing plane, sich 2020 auf ethnischer oder religiöser
Die unermüdliche Kämpferin für als Präsidentschaftskandidat zur Basis. Franziskus sei darob ver-
Demokratie, die von den Generä- Wahl zu stellen. So könnte die stimmt gewesen, sagte ein Vati-
len über zwanzig Jahre lang in Armee – diesmal ganz demokra- kan-Sprecher vor Reportern.
10
CVP will Buttet zum Rücktritt bewegen
Am Montag stellt das Parteipräsidium die Weichen in der Affäre um den Walliser Nationalrat
Francesco Benini
Yannick Buttet soll sein Amt als
Nationalrat so schnell wie mög-
lich niederlegen. Diese Meinung
herrscht im Präsidium der CVP
vor. An einer Sitzung vom kom-
menden Montag will das zehn-
köpfige Präsidium eine einheit-
liche Position zu Buttet festlegen
und ihn damit unter Druck set-
zen. Eine CVP-Nationalrätin sagt,
Buttet müsse unmissverständlich
klargemacht werden, dass er der
Partei enorm schade. Bis jetzt
scheine er das nicht zu begreifen.
Gegen Buttet läuft eine Straf-
untersuchung wegen Belästigung.
Er soll eine vormalige Geliebte be-
helligt haben und wurde vor
ihrem Haus gestellt, nachdem er
immer wieder an ihrer Tür geklin-
gelt haben soll. Ausserdem gibt es
im Bundesparlament Stimmen,
nach denen sich Buttet unter dem
Einfluss von Alkohol Frauen
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Schweiz
gegenüber aufdringlich verhalten
haben soll. In diesem Zusammen-
hang liegt jedoch keine Anzeige
vor. Als Vizepräsident der Christ-
lichdemokraten wurde Buttet am
Donnerstag suspendiert. Als
Nationalrat will er aber nur abtre-
ten, sollte er schuldig gesprochen
werden. Ausserdem amtet Buttet
als Gemeindepräsident von Col-
lombey-Muraz im Unterwallis.
Leuthard ist aufgebracht
Die Baselbieter Nationalrätin Eli-
sabeth Schneider-Schneiter ist
Mitglied des CVP-Präsidiums;
ihre Haltung hat in der Partei dar-
um besonderes Gewicht. Sie er-
klärt auf Anfrage: «Persönlich bin
ich der Meinung, dass Yannick
Buttet sein Amt niederlegen
muss.» Es sind vor allem die
Frauen in der CVP, die darauf hin-
wirken, dass die Partei den Druck
auf den Walliser erhöht. Die meis-
ten Männer in der Fraktion teilen
aber die Meinung, dass Buttet für
die CVP zu einer zu schweren Be-
lastung geworden sei. Der Ent-
scheid, ob er als Nationalrat zu-
rücktritt, liegt allerdings bei
Buttet selber. Es gab im Bundes-
parlament schon einige Fälle von
Politikern, die wegen der Ver-
wicklung in Strafverfahren unter
starken Druck gerieten, aber noch
einige Zeit im Amt ausharrten.
Für mehrere Christlichdemo-
kraten wiegt der Fall Buttet be-
sonders schwer, weil sich der
Walliser politisch für ein konser-
vatives Familienbild einsetzte.
Das Verhalten Buttets stehe im
Widerspruch dazu und schade
darum der Glaubwürdigkeit der
Partei. Innerhalb der CVP-Frak-
tion gab es warnende Stimmen,
als Yannick Buttet ins Vizepräsi-
dium der Partei aufstieg. Dass er
sich öffentlich als Gegenpol zu
Parteichef Gerhard Pfister charak-
terisierte, wurde als durchsichti-
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
ser Nationalrat öffentlich zum
PETER SCHNEIDER / KEYSTONE
Rücktritt aufzufordern.
Buttet soll die gegen ihn er-
hobenen Vorwürfe, eine Frau ge-
stalkt zu haben, als teilweise zu-
treffend bezeichnet haben. Eine
vergangene schwere Ehekrise ha-
be sein Verhalten und sein Ur-
teilsvermögen beeinflusst, sagte
er. Zudem räumte er «unange-
brachtes Verhalten» in betrunke-
nem Zustand ein und entschul-
digte sich bei allen, die er damit
«unbeabsichtigt verletzt» habe,
auch bei seiner Ehefrau und sei-
nen beiden Kindern.
Rickli will Namen hören
Yannick Buttet wird am Montag
wahrscheinlich vom Präsidium
der CVP angehört. Sollten er den
Forderungen nach einem Rück-
tritt nicht nachgeben, wollen sich
Christlichdemokraten, die sich
bisher in der Öffentlichkeit zu-
In Bedrängnis: CVP-Nationalrat Yannick Buttet. (Bern, 30. 11. 2017) rückgehalten haben, vor den
Medien gegen ihn aussprechen.
Einige Parlamentarierinnen
ges Manöver zugunsten seines verlangen nun die Einrichtung
eigenen Aufstiegs kritisiert. Denn einer Anlaufstelle im Bundes-
wie Pfister gehört Buttet zum haus, an die sich Opfer von Sexis-
rechten und nicht zum soziallibe- mus wenden können. So werde
ralen Flügel der CVP. die Möglichkeit geschaffen, Fälle
In einem für ein Mitglied der von Belästigung professionell zu
Landesregierung ungewöhn- klären, ohne dass gleich eine
lichen Schritt äusserte sich auch Strafanzeige nötig sei. Die Präsi-
Bundespräsidentin Doris Leut- dien von National- und Ständerat
hard (cvp.) zum Fall. «Alle diese wollen derweil prüfen, ob Mass-
Herren, die sich nicht zu beneh- nahmen zur Prävention von sexu-
men wissen, nerven mich», sagte eller Belästigung nötig sind.
sie dem Westschweizer Radio Die Zürcher SVP-Nationalrätin
und Fernsehen. «Wenn die Vor- Natalie Rickli rief am Samstag
würfe stimmen, hat Herr Buttet Politikerinnen, die belästigt wor-
ein Problem. In der Politik ist das den seien, dazu auf, Namen zu
inakzeptabel», fügte Leuthard nennen. Anonym Politiker der
hinzu. Auch CVP-Präsident Pfis- sexuellen Belästigung zu bezich-
ter nannte Buttets Verhalten tigen, gehe nicht. Das führe dazu,
«absolut inakzeptabel». Er sah dass alle Männer im Bundeshaus
bisher aber davon ab, den Walli- unter Generalverdacht stünden.
Kündigungswelle
in Stiftung für
Kinderschutz
Heftige Reibereien zwischen turen auf operativer und strategi-
Stiftungsrat und Leitung scher Ebene angepasst und
modernisiert, was zu Konflikten
haben bei Kinderschutz
geführt hat», sagt Feri. Unter-
Schweiz zu vielen Abgängen schiedliche Auffassungen zwi-
geführt. Mit neuen Strukturen schen Stiftungsrat und Geschäfts-
soll ein Neustart erfolgen. führung hätten Abgänge zur Fol-
Andreas Schmid ge gehabt.
Eine neue Leiterin der Ge-
Kinderschutz Schweiz setzt sich schäftsstelle ist inzwischen im
nach eigenen Angaben dafür ein, Amt; anstelle des früher drei-
dass alle Kinder behütet, gewalt- köpfigen Gremiums übernimmt
frei und in Würde aufwachsen sie die Chefposition allein. Die
können. Doch die gemeinnützige wissenschaftliche Tätigkeit wolle
Stiftung hat sich in den letzten man beibehalten, sagt Feri. In
Monaten mit eigenen Problemen diesem und auch in anderen Be-
befassen müssen. Interne Diffe- reichen hätten die Mitarbeiten-
renzen haben laut Eingeweihten den der Stiftung ausgezeichnete
dazu geführt, dass von den 17 An- Grundlagen erarbeitet. «Unser
gestellten auf der Geschäftsstelle Ziel ist es, zusätzlich gegen aus-
in Bern gleich deren 7 kündigten. sen, in der breiten Öffentlichkeit,
Einige sind bereits weg, unter sichtbarer zu werden.»
ihnen die 3 bisherigen Leiterin- André Woodtli, der Vizepräsi-
nen. Stiftungsratspräsidentin dent des Stiftungsrats und Vorste-
Yvonne Feri bestätigt die vielen her des Amts für Jugend und Be-
personellen Wechsel. rufsberatung des Kantons Zürich,
Aus dem Umfeld der nationa- sagt: «Kinderschutz Schweiz hat
len Stiftung wird die Befürchtung eine Führungskrise durchlebt.» Zu
geäussert, dass die Turbulenzen Reibereien zwischen Geschäfts-
und die vielen personellen Verän- leitung und Stiftungsrat habe
derungen die Tätigkeiten von unter anderem Uneinigkeit über
Kinderschutz Schweiz beein- Prozesse der Entscheidfindung so-
trächtigen und die gute Grund- wie über die Berichterstattung der
lagenarbeit der letzten Jahre zu- operativen Führung an die Auf-
nichtemachen könnten. sicht geführt.
Die Zusammenarbeit zwischen Da zahlreiche öffentliche und
Stiftungsrat und operativer Füh- private Institutionen mit Kinder-
rung habe nicht optimal funktio- schutz Schweiz zusammenarbei-
niert, räumt Feri ein. Die Aar- ten und dessen Programme unter-
gauer SP-Nationalrätin steht Kin- stützen, stehen Stiftungsrat und
derschutz Schweiz seit dem Früh- eingewechselte Geschäftsleiterin
ling 2016 als Stiftungsratspräsi- unter genauer Beobachtung. Der
dentin vor. «Wir haben die Struk- Neustart muss ihnen gelingen.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Schweiz 11

«Es gibt nichts

zu feiern»
SVP-Präsident Albert Rösti sieht 25 Jahre nach
dem EWR-Nein kein Ende im Kampf gegen die
Europapolitik des Bundesrats. Im Gegenteil.
Interview: Stefan Bühler und Daniel Friedli
NZZ am Sonntag: Am 6. Dezember 1992, vor
25 Jahren, hat das Volk den EWR-Beitritt
abgelehnt. Wie feiert die SVP das Jubiläum?
Albert Rösti: Es gibt nichts zu feiern, denn
die Politik hat nichts daraus gelernt. Trotz
dem Volksentscheid will der Bundesrat nun
mit der EU einen Vertrag abschliessen, der
punkto Einbindung noch viel weiter geht als
der EWR-Vertrag. Darum können wir nicht
nostalgisch zurückblicken.
Das Nein hat nichts gebracht?
So ist es natürlich nicht. Der Schweiz ist es
in den letzten 25 Jahren sehr gutgegangen,
dank ihrer Stabilität, die ein Resultat der
direkten Demokratie und der Unabhängig-
keit ist. An diesen Werten müssen wir fest-
halten. Es darf keine Abstriche bei Selbst-
bestimmung und direkter Demokratie geben.
TOMAS WÜTHRICH
und darum bei einer Kündigung der Perso-
nenfreizügigkeit mit uns eine Lösung suchen
wird. Aber letztlich ist es so: Wenn es darauf
ankommt, ist mir das Ende der Personen-
freizügigkeit wichtiger als die Verträge der
Bilateralen I. Zentral für die Wirtschaft ist
das Freihandelsabkommen von 1972, und
das stellt niemand infrage.
Wollen Sie mit der Initiative nicht einfach den
Bundesrat am Abschluss eines übergeordneten
Rahmenabkommens hindern?
Ich denke nicht, dass die Initiative den
Bundesrat hindern wird, das angestrebte
Rahmenabkommen abzuschliessen. Kommt
dieses zustande, können wir gar nichts mehr
selber steuern. Der Kampf gegen diesen Rah-
menvertrag wird für uns erste Priorität haben
– es wird eine Schlacht wie beim EWR.

Sie sagen es selber: Der Schweiz geht es gut,
auch dank den bilateralen Verträgen, die acht
Jahre nach dem EWR-Nein abgeschlossen
wurden. Warum bekämpft die SVP diese
Verträge immer wieder?
Der Schweiz geht es gut, weil sie Nein zum
EWR sagte, da können wir den damaligen
Kämpfern unter der Leitung von Christoph
Blocher und Walter Frey sehr dankbar sein.
Denn dieser Vertrag hätte direkt in die EU
geführt. Im Übrigen ist es falsch, uns als
Gegner der Bilateralen hinzustellen. Die
Schweiz hat über 100 bilaterale Verträge mit
der EU. Davon bekämpfen wir einen: die
Personenfreizügigkeit, die uns unbe-
schränkte Zuwanderung, höhere Erwerbs-
losigkeit und wegen der flankierenden Mass-
nahmen viel Bürokratie bringt.
Dagegen lancieren Sie nun eine Initiative – und
greifen so wieder den bilateralen Weg an.
Sie liegen falsch. Unsere Initiative gibt
dem Bundesrat noch einmal die Gelegenheit,
mit der EU die Aufhebung der Personenfrei-
zügigkeit zu verhandeln.
Das hatten wir ja schon, ohne dass sich die EU
bewegt hätte. Und dann wollen Sie den Vertrag
kündigen, womit wegen der Guillotine-Klausel
das ganze Paket der Bilateralen I wegfällt.
Das ist die übliche Drohung. Wenn ich
aber mit Unternehmern rede, so haben diese
meistens nur an einem Vertrag ein gewisses
Interesse, an jenem über die technischen
Handelshemmnisse. Von allen anderen
Abkommen der Bilateralen I profitiert die EU
mehr als wir. Brüssel wird also ein Interesse
haben, diese Verträge mit uns zu erneuern.
Kurz: Sie sind nicht gegen die Bilateralen, aber
im Prinzip sind Ihnen diese egal.
Ich sage, dass die EU an diesem Vertrags-
paket insgesamt das grössere Interesse hat
EU-Politik
Man hört, dass Aussenminister Cassis allen-
falls das Mandat für diese Verhandlungen
anpassen will. Was müsste drinstehen?
Die SVP akzeptiert keine automatische
Übernahme von EU-Recht und keine frem-
den Richter. Das gilt nicht nur für den Euro-
päischen Gerichtshof. Auch der Efta-Ge-
richtshof kommt für uns nicht infrage, über
den man offenbar wieder redet – auch dort
hat die Schweiz keinen Sitzanspruch. Doch
was soll ein solches Rahmenabkommen
überhaupt? Derzeit braucht die Schweiz
keinen einzigen neuen Vertrag mit der EU.
Und falls einmal neue Themen aufkommen,
werden doch beide Seiten prüfen, ob ein
Vertragsabschluss in ihrem Interesse liegt
– mit oder ohne Rahmenabkommen.
Die SVP sagt stets Nein. Sagen Sie einmal, wie
Sie sich die Beziehungen zur EU vorstellen.
Ganz einfach: Die Verträge, die sich
bewährt haben, führen wir weiter. Und dort,
wo neue Anliegen auftauchen, schliesst man
neue Abkommen ab.
Etwas konkreter bitte: Was ist mit Schengen,
was mit einem Stromabkommen? Und was
passiert, wenn die EU nicht mitmacht? «Es wird eine Die SVP verdankt dem Kampf gegen die EU
Also: Wir behalten den Bilateralismus. Die Schlacht wie beim den Aufstieg zur grössten Partei. Trotzdem hat
Personenfreizügigkeit muss weg. Bei Schen- EWR»: SVP-Chef sie seit dem EWR die Mehrheit der europa-
gen und Dublin bräuchte es Korrekturen, Albert Rösti im Büro politischen Abstimmungen verloren. Wie
etwa die Wiedereinführung der Grenzkon- seines Geschäfts erklären Sie sich das?
trollen. Es ist ja paradox: Wir haben die Gren- im bernischen Es stimmt, die EWR-Abstimmung hat eine Es ist paradox: Wir
zen geöffnet, dafür müssen wir nun die Uetendorf. enorme Dynamik ausgelöst. Auch ich wurde haben die Grenzen
Weihnachtsmärkte mit Betonquadern schüt-
zen. Wenn es neue Anliegen gibt, vielleicht
(1.Dezember 2017) dadurch politisiert. Zu den verlorenen
Abstimmungen: Beim EWR war die Regie-
geöffnet, dafür müssen
beim Strom, dann verhandelt man diese rung noch ehrlich, weil sie sagte, er führe wir nun die
situativ, daran muss ja auch die EU ein Inter- zum EU-Beitritt. Bei Schengen hingegen Weihnachtsmärkte mit
esse haben. Solange aber der Bundesrat sagt,
die Schweiz wolle ein Rahmenabkommen,
sagte der Bundesrat, der Beitritt koste durch-
schnittlich 7,4 Millionen Franken pro Jahr,
Betonquadern schützen.
wird die EU darauf beharren und bei anderen nicht über 100 Millionen, wie es nun der Fall
Dossiers bremsen. Hier hat sich der Bundes- ist. Und bei der Personenfreizügigkeit sprach
rat selber ein Ei gelegt. er von 8000 Zuwanderern, nicht von 80 000. Die SVP warnte schon damals, aber
wir kämpften allein gegen alle andern.
Dennoch haben wir die wichtigsten Abstim-
mungen gewonnen: den EWR, die Aus-
schaffungsinitiative und die Masseneinwan-
derungsinitiative.

Brexit-Unterhändler Barnier plant Besuch in der Schweiz In kantonalen Wahlen und zuletzt im Aargau
auf Gemeindeebene hat die SVP in diesem
Jahr oft verloren. Nützt sich das Thema EU ab
oder stecken Sie sonst in einem Formtief ?
Könnte die Schweiz allenfalls ein lamentariern in Estland traf. das Rechtsübernahme und bezeichnete diese Lösung vor Nein, unsere Wähler haben wir hinter uns.
FRANCOIS LENOIR / REUTERS

Modell sein für die künftigen
Beziehungen zwischen Gross-
britannien und der EU? Diese
Frage stellt sich nun auch Michel
Barnier, der Chefunterhändler
der EU in den Brexit-Verhand-
lungen. Im Gespräch mit dem
Zürcher FDP-Nationalrat Hans-
Peter Portmann kündigte Barnier
diese Woche jedenfalls an, er
plane für 2018 einen Besuch in
der Schweiz. «Barnier deutete
mir an, er wolle im Gedanken-
austausch mit den Schweizer
Behörden auch mögliche Markt-
zugangsmodelle in Bezug auf
den Brexit erörtern», sagt Port-
mann, der Barnier an einem
Kongress von europäischen Par-
Einen offiziellen Termin für
einen solchen Besuch gibt es
indes noch nicht, wie Nachfra-
gen in Bern und Brüssel ergaben.
Inwieweit die Schweiz als
Modell für die Gespräche zwi-
schen London und Brüssel taugt,
wird nicht zuletzt davon abhän-
gen, welchen Zugang zum EU-
Binnenmarkt die Briten anstre-
Interessiert an ben. Dies blieb bisher unklar. Die
Schweizer Modell: Schweiz ihrerseits ist über die
Michel Barnier. bilateralen Verträge sektoriell
mit diesem Markt verbunden,
ohne formell Mitglied zu sein.
Auch dieser Weg steht nun aber
insofern zur Debatte, als der
Bundesrat mit der EU über ein
Rahmenabkommen verhandelt,
Streitbeilegung neu regeln soll.
In diesem Zusammenhang
jagen sich seit dem Besuch von
EU-Kommissionspräsident Jean-
Claude Juncker vor zehn Tagen
in Bern die Gerüchte. So kolpor-
tieren mehrere Quellen, der
neue Aussenminister Ignazio
Cassis plane eine Anpassung des
Verhandlungsmandats für das
Rahmenabkommen. Damit wolle
er den «Reset» in der Europapoli-
tik in die Tat umsetzen, den er
vor seiner Wahl in die Regierung
versprochen hat. Das derzeit
noch gültige Mandat sieht den
Europäischen Gerichtshof
(EuGH) als Instanz bei Rechts-
streitigkeiten vor. Cassis
seiner Wahl wegen der Kritik an
den «fremden Richtern» als «ver-
giftet». Welche Alternative er
nun bevorzugt, steht offenbar
noch nicht fest: Cassis lasse alle
Optionen prüfen, heisst es. Dazu
gehört auch der Efta-Gerichts-
hof. Diese Lösung werde vor
allem von Bundespräsidentin
Doris Leuthard vorangetrieben.
Deren teils intransparentes
Agieren in diesem Dossier sorgt
derweil für Kritik: Die CVP-
Magistratin wird am Montag im
Nationalrat Auskunft geben
müssen über ihr heimliches
Frühstückstreffen mit Juncker,
das die «NZZ am Sonntag» publik
gemacht hat. (sbü., dli.)
Das zeigte sich bei der Energiewende wie bei
der AHV-Reform, die dank der SVP gebodigt
wurde. Für einige Wahlniederlagen gibt es
regionale Gründe, diese sind vielfältig und
müssen genau analysiert werden; zuletzt im
Aargau könnte etwa der Einbürgerungsfall
Yilmaz oder die Finanzdebatte eine Rolle
gespielt haben. Wo ich Ihnen recht gebe: Wir
sind noch nicht genügend fit für die Wahlen
2019. Das werden wir rechtzeitig ändern.
Auch nach 25 Jahren Kampf gegen EU und
Ausländer ist Ihre Partei in der Westschweiz
schwach. Ist die SVP eine sprachregionale
Zweithemenpartei, wie manche sagen?
Der historisch einmalige Wähleranteil von
29,4 Prozent im Jahr 2015 beweist, dass diese
These Quatsch ist. Richtig ist, dass wir in der
Romandie noch Potenzial haben.
12
Der weltweite Kampf um die Alimente
Beim Bund stapeln sich die Gesuche zur Eintreibung ausstehender Unterhaltszahlungen
Lukas Häuptli
Wir leben in einer globalisierten
Gesellschaft. Das ist natürlich ein
Gemeinplatz, aber von Zeit zu
Zeit muss man sich auch Gemein-
plätze wieder in Erinnerung ru-
fen. Wir fliegen für drei Tage nach
New York, wir baden an den
Stränden von Mauritius, wir trek-
ken im Himalaja. Und dank den
sozialen Netzwerken sind wir mit
der halben Welt in Dauerkontakt.
Kein Wunder, bleibt da die grosse
Liebe auch einmal in einem ent-
fernten Land hängen.
Entsprechend der Globalisie-
rung der Gesellschaft wächst die
Zahl der binationalen Ehen – und
die der binationalen Scheidun-
gen. In der Schweiz machen sie
heute rund 35 Prozent aller Heira-
ten und Trennungen aus.
Aus diesem Grund müssen ge-
schiedene Frauen und Männer
ausstehende Alimente immer
öfter im Ausland einfordern.
Zwar gibt es dazu keine statisti-
schen Angaben, fest steht aber:
Beim Bundesamt für Justiz sta-
peln sich die Gesuche von Ge-
schiedenen, die um Hilfe bei der
internationalen Eintreibung von
Unterhaltsbeiträgen bitten. Das
Bundesamt und seine sogenannte
Zentralbehörde internationale
Alimentensachen ist aufgrund
von internationalen Abkommen
zu dieser Unterstützung ver-
pflichtet.
500 neue Gesuche im Jahr
«Die Zentralbehörde bearbeitet
zurzeit rund 3000 Dossiers», sagt
Joëlle Schickel-Küng, die beim
Bundesamt für Justiz den Fach-
bereich Internationales Privat-
recht leitet. «In den letzten Jah-
ren ist die Zahl neuer Gesuche
stetig gestiegen. Zuletzt waren es
rund 500 Gesuche im Jahr.» Etwa
40 Prozent von ihnen würden aus
der Schweiz eingehen, etwa
60 Prozent aus dem Ausland.
Die Fälle, in denen Geschie-
dene Alimente in anderen Län-
dern eintreiben müssen, werden
nicht nur zahlreicher, sie werden
auch langwieriger. «Die grenz-
überschreitende Eintreibung ist
oft eine komplizierte Angelegen-
heit», sagt Joëlle Schickel-Küng.
«In den meisten Fällen erfolgt
eine langjährige Bearbeitung der
Dossiers.»
Zürcher Chirurg muss
vor Gericht
Ein 61-jähriger Arzt soll
Frauen Liebe vorgegaukelt
und sie ausgenommen haben.
Die Staatsanwaltschaft
hat ihn wegen mehrfachen
Betrugs angeklagt.
Lukas Häuptli
Die Anklage gegen den Mann
ist im September beim Bezirks-
gericht Winterthur eingereicht
worden, wie Corinne Bouvard,
Sprecherin der Zürcher Ober-
staatsanwaltschaft, sagt.
Dem Chirurgen wird vorgewor-
fen, mehreren Frauen Geld abge-
nommen zu haben. Er gab vor, in
sie verliebt zu sein, bat sie um
Geld und zahlte es ihnen nicht
mehr zurück. So betrog er sie um
einen sechsstelligen Betrag.
Die Staatsanwaltschaft bean-
tragt dem Gericht, den Mann
wegen mehrfachen Betrugs zu
einer unbedingten Freiheitsstrafe
zu verurteilen. Zudem soll eine
bedingte Strafe aus dem Jahr 2013
vollzogen werden. Der Anwalt
des Angeklagten wollte sich zu
den Vorwürfen nicht äussern.
Schweiz
Seit Anfang Jahr müssen Alimentenzahler auch für die Betreuung ihrer Kinder aufkommen.
Das hat vor allem einen Grund:
Viele Probleme der globalisierten
Gesellschaft werden noch immer
mit nationalstaatlichen Lösungen
angegangen – und diese sind
naturgemäss von Staat zu Staat
verschieden. So auch hier: Jedes
Land hat ein eigenes System, ja
ein eigenes Rechtssystem, wie es
ausstehende Alimente eintreibt
oder Dritten bei der Eintreibung
Der Arzt hatte Frauen bereits in
den Jahren zwischen 2008 und
2012 in praktisch gleicher Art und
Weise ausgenommen und sie um
mehrere hunderttausend Fran-
ken betrogen. In der Folge ver-
urteilte ihn das Regionalgericht
Bern-Mittelland zu einer teil-
bedingten Strafe von 30 Mona-
ten. 12 Monate sprach es unbe-
dingt aus, 18 Monate bedingt.
Vor dem Regionalgericht hatte
der Chirurg gesagt, er leide unter
Depressionen und könne keiner
geregelten Arbeit nachgehen.
Fest steht aber, dass er vorher
und nachher als Arzt arbeitete.
Der Mann, der einen Wohnsitz
am Zürichsee hat, erwarb sein
Diplom 1986 und seinen Fach-
arzttitel 1995, wie aus dem Ver-
zeichnis des Ärzteverbands FMH
zu hervorgeht.
2008 entzog ihm die Zürcher
Gesundheitsdirektion allerdings
die Berufsausübungsbewilligung.
Die Voraussetzungen für die Be-
willigung seien «in persönlicher
Hinsicht» nicht mehr gegeben ge-
wesen, sagt Direktionssprecher
Daniel Winter.
ausstehender Unterhaltszahlun-
gen hilft.
Abhilfe leisten – zumindest
zum Teil – internationale Abkom-
men, allen voran das New Yorker
Übereinkommen, das offiziell
«Übereinkommen über die Gel-
tendmachung von Unterhalts-
ansprüchen im Ausland» heisst.
Diesem sind – neben der Schweiz
– 65 Staaten beigetreten. Daneben
Jetzt kommt die Initiative gegen Stopfleber
Das Parlament sagte Nein, nun
soll das Volk entscheiden:
Tierschützer wollen den
Import von tierquälerisch
erzeugten Produkten wie
Stopfleber mit einer Initiative
verbieten.
Stefan Bühler
«Froschschenkel, Stopfleber, Hai-
fischflossen, Robbenbabys, Repti-
lienhäute – Jahr für Jahr gelangen
solche politischen Vorstösse in
unseren Rat, und wir tun uns stets
schwer, das Tierwohl und die
Nachhaltigkeit höher zu gewich-
ten als die wirtschaftlichen Über-
legungen.» Im Ständerat hatte das
Geschäft am letzten Mittwoch
einen vehementen Unterstützer:
Thomas Minder aus Schaffhausen
machte sich als einziger Redner
stark für ein Importverbot für tier-
quälerisch erzeugte Produkte.
Konkret hatte die kleine Kammer
über eine Motion des Berner SP-
Nationalrats Matthias Aebischer
zu entscheiden – die im Juni im
Nationalrat noch eine Mehrheit
gefunden hatte.
Diesmal aber, im Ständerat, war
sie chancenlos: Lediglich vier
GETTY IMAGES
hat der Bund in diesem Bereich
zahlreiche andere internationale
Verträge und Memorandums of
Understanding abgeschlossen,
teilweise sogar mit Provinzen
anderer Länder. Dazu zählt etwa
die «Gegenseitigkeitserklärung
zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der
Regierung der Provinz Saskatche-
wan». Saskatchewan ist eine
Kantonsvertreter stimmten für die
Vorlage, 37 lehnten sie ab. Statt-
dessen beauftragte die Ratsmehr-
heit den Bundesrat, in einem Be-
richt darzulegen, wie die Pflicht
zur Deklaration solch problemati-
scher Produkte verstärkt werden
könnte.
Den Tierschutzorganisationen
genügt das allerdings bei weitem
nicht. «Die Alliance Animale
Suisse ist nach dem Nein des
Ständerates zum Importverbot für
Quälprodukte mit Hochdruck dar-
an, eine entsprechende Initiative
zu lancieren», sagt Michael Gehr-
ken, Geschäftsführer der Alliance
Animale. Erste Vorgespräche
hätten bereits stattgefunden.
«Kommende Woche werden an
einer Sitzung Nägel mit Köpfen ge-
macht.» Mit der Unterschriften-
sammlung solle so rasch wie
möglich, spätestens jedoch im
Frühjahr 2018 begonnen werden.
Vorrangig sei es nun das Ziel,
«alle Tierschutzorganisationen
und Mitbürger, die sich gegen den
Import von tierquälerisch erzeug-
ten Produkten aussprechen, in
einem breit aufgestellten Komitee
zu vereinen». Die Zeit sei reif für
eine solche Initiative, sagt Gehr-
dünn besiedelte Provinz mitten
in Kanada.
Mit zahlreichen anderen Staa-
ten bestehen aber keine Vereinba-
rungen. Deshalb sagt Eliane Frey,
Anwältin und Vorstandsmitglied
des Schweizerischen Verbandes
für Alimentenfachleute: «Grund-
sätzlich lässt sich sagen: Je weiter
weg ein Land ist, desto schwieri-
ger ist die Eintreibung. Mit asiati-
schen Staaten zum Beispiel gibt
es gar keine Übereinkommen.»
Dazu kommen bei der inter-
nationalen Eintreibung ausste-
hender Alimente ganz praktische
Probleme. «Dazu gehört, dass
man Alimenten-Schuldner nicht
findet. Oder dass Alimente nicht
ausbezahlt werden können, weil
die Zahlenden Checks brauchen,
die in der Schweiz nicht mehr an-
erkannt werden», sagt Joëlle Schi-
ckel-Küng vom Bundesamt für
Justiz.
Die Alimente steigen
Das Problem der ausstehenden
Alimente im Ausland und ihrer
Eintreibung wird künftig kaum
kleiner – im Gegenteil. «Ihre Sum-
me dürfte weiter steigen, weil in
der Schweiz seit dem 1. Januar
2017 das neue Unterhaltsrecht in
Kraft ist», sagt Eliane Frey vom
Schweizerischen Verband für Ali-
mentenfachleute. Das neue Recht
sieht vor, dass Alimentenzahler
auch den Betreuungsaufwand für
ihre Kinder zahlen müssen.
Eliane Frey dazu: «Das erhöht den
Druck auf den zahlenden Eltern-
teil. Und das ergibt unter dem
Strich höhere Alimente als in der
Vergangenheit – und damit auch
höhere ausstehende Alimente.»
Auch aus diesem Grund hat der
Bund im letzten August eine «Ver-
ordnung über die Inkassohilfe bei
familienrechtlichen Unterhalts-
ansprüchen» in die Vernehmlas-
sung geschickt. Mit dieser will er
die staatliche Hilfe bei der Ein-
treibung ausstehender Alimente
vereinheitlichen – und stärken.
Bis jetzt ist diese sehr unter-
schiedlich organisiert: Bald sind
die Kantone dafür verantwort-
lich, bald die Gemeinden, bald
private Firmen. «Die befragten
Fachleute empfehlen deshalb die
Zentralisierung und die Professio-
nalisierung der Alimentenhilfe»,
heisst es dazu im Vernehmlas-
sungsentwurf des Bundes.
BOB EDME / AP
Spezialität aus Frankreich: Gans
wird mit Mais gestopft.
ken: «Tierquälerei ist Tierquälerei:
ob in der Schweiz oder im Ausland
begangen, ob deklariert oder nicht
deklariert. Das dürfen wir nicht
dulden.»
Matthias Aebischer, Vater der
soeben im Ständerat abgeschmet-
terten Motion, sagt bereits seine
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Classe
politique
FOTOS: EPA, KEYSTONE
Christophe Walter
Rasche Thurnherr
Christophe Rasche, Anglophi-
ler, hegt grosse Pläne. Der
Romand und Chef des neuen
Fernsehsenders CNN Money
Switzerland sagte diese
Woche, es müsse endlich gelin-
gen, dass der Sender CNN am
WEF in Davos ein Interview mit
einem Schweizer Bundesrat in
englischer Sprache ausstrahle.
Das letzte solche Gespräch
liege mehr als zehn Jahre
zurück. Wenn man hört, wie
die Bundesräte Englisch spre-
chen, ist das auch besser so.
Walter Thurnherr, Schrift-
leiter, reguliert. Der Bundes-
kanzler präsentierte diese
Woche den neuen «Leitfaden
der Bundeskanzlei zur deut-
schen Rechtschreibung», der
indes mehr Fragen aufwirft, als
er beantwortet. So wurde
offenbar der Bereich der festen
Verbindungen aus Adjektiv
und Substantiv (z. B. der blaue
Brief) aktualisiert. Allerdings,
so heisst es, «hat die Anpas-
sung keinerlei Einfluss auf die
Schreibung», einzig «die Kontu-
ren der verschiedenen Fälle
wurden etwas geschärft».
Angesichts der laufenden
Budgetdebatte im Parlament
fragen wir uns, ob man nicht
auch die Mittel für diesen Leit-
faden etwas schärfen müsste.
Nik Gugger, Neuling, muss
noch an seiner Bekanntheit
feilen. Der Zürcher EVP-Mann
wurde am Montag im National-
rat vereidigt, was offenbar
selbst seiner Partei entging.
Jedenfalls verschickte diese
tags darauf eine Einladung zur
nächsten Parteiversammlung
mit dem Vermerk, auch der
«Nationalrat in spe» Gugger
werde zugegen sein. Wie sagt
man doch: Lieber langsam
starten als schnell einbrechen.
Unterstützung zu: «Für eine sol-
che Initiative bin ich gerne bereit,
mich im Ko-Präsidium des Komi-
tees zu engagieren.» Für ihn gehe
es um den Grundsatz, «dass wir
nicht unseren Bauern gewisse Pro-
duktionsmethoden verbieten und
dann die entsprechenden Pro-
dukte einfach aus dem Ausland
importieren». Selbstverständlich
sei es aber keine Lösung, die hiesi-
gen Vorschriften zur Tierhaltung
und Verarbeitung tieferen, auslän-
dischen Standards anzupassen.
«Wir haben heute ein gutes Sys-
tem, die meisten unserer Bauern
arbeiten vorbildlich, da darf es
nicht sein, dass wir sie mit dem
Import von Quälprodukten, die sie
so bei uns nicht herstellen dürfen,
schädigen.» Darum gehe es in der
Initiative, sagt der Nationalrat.
Zum Einwand, dass sich die In-
itiative gegen die in der West-
schweiz beliebte Foie gras, die
Gänsestopfleber, richtet, erklärt
er: «Diese gibt es auch als Biopro-
dukt, das nicht unter tierquäleri-
schen Bedingungen hergestellt
wurde. Das kostet zwar etwas
mehr, aber dies kann ja nicht eine
Rechtfertigung sein, systematisch
Tiere zu quälen.»
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Schweiz 13

Gesucht: Stadtpolizist mit Migrationshintergrund

Experten fordern eine bessere Durchmischung des Stadtzürcher Polizeikorps
Andreas Schmid Fällen Personen allein aufgrund «Wir wollen einfach ein Korps mit Neuenburg und Schwyz. Die

NICK SOLAND / KEYSTONE

Ein Polizeikorps sei idealerweise
möglichst vielseitig zusammen­
gesetzt und repräsentiere die Be­
völkerungsvielfalt. Für die Stadt
Zürich heisse das zum Beispiel,
vermehrt Personen mit Migra­
tionshintergrund für die Polizei
zu rekrutieren und den Frauen­
anteil zu erhöhen. Dies schreiben
Fachleute des Schweizerischen
Kompetenzzentrums für Men­
schenrechte in Bern in einem
Bericht für den Zürcher Stadtrat
Richard Wolff. Die Polizei spiegle
zurzeit nur teilweise die Bevöl­
kerungsheterogenität der Stadt,
halten die Autoren fest.
Ebenfalls bemerkenswert ist
eine andere Feststellung: Laut
der Studie wohnen die allermeis­
ten Angestellten der Stadtpolizei
Zürich in der Agglomeration oder
noch weiter ausserhalb des Zen­
trums. 80 Prozent der Korps­
Angehörigen leben nicht in der
Stadt. Dabei sei es wichtig, Perso­
nen mit Wohnsitz in einer Stadt
oder wenigstens mit städtischer
Herkunft anzustellen, weil sie für
den Umgang mit Minderheiten
gewöhnlich gut geeignet seien.
Polizeikultur strahlt aus
Den Bericht hatte das Zürcher
Sicherheitsdepartement im Zu­
ihrer Hautfarbe kontrolliert. So­
genanntes Racial Profiling sei in
Zürich ein Problem, so die Kritik.
Im gut 2000­köpfigen Korps
leisten etwa ein Drittel der Po­
lizisten uniformiert Dienst; vor
allem in diesem Bereich sei die
Polizeikultur von Belang – und
diese werde wesentlich von der
Zusammensetzung geprägt. So
begründen die Wissenschafter ihr
Plädoyer für eine breiter gefasste
Personalauswahl.
Damit rennen die Verfasser des
Berichts offene Türen ein. Im
strategischen Plan 2016 des
Sicherheitsdepartements von
Richard Wolff steht nämlich,
«dass der Anteil der Mitarbeiten­
den mit Migrationshintergrund
den Verhältnissen in der Bevölke­
rung angeglichen werden soll».
Allerdings hat der Politiker von
der Alternativen Liste bisher
keine konkreten Massnahmen ge­
troffen. Das liegt daran, dass der
Zuwanderungsbegriff verschie­
den ausgelegt wird. Es herrsche
zum Beispiel keine Einigkeit dar­
über, ob ein Eingebürgerter nach
zehn Jahren in der Schweiz noch
derselben Kategorie anzurechnen
sei wie ein unlängst Zugezogener,
sagt Wolffs Sprecher Mathias
Ninck. Zudem hätten aus dem
früheren Jugoslawien oder aus
einer guten Durchmischung»,
hält Ninck fest. In Kampagnen
früherer Jahre warb die Polizei
deshalb bereits mit Slogans wie
«Job, bei dem der Migrations­
hintergrund kein Hinderungs­
grund ist» oder «Als Eingebürger­
ter für Sicherheit bürgen».
Weniger angetan ist das Sicher­
heitsdepartement von der Emp­
fehlung, für die Stadtpolizei mehr
Bewohner Zürichs zu gewinnen.
Das Wichtigste bei der Rekrutie­
rung sei die Qualität, sagt Ninck.
Zudem verlange man von den Be­
werbern eine Affinität zu Zürich
und dass sie sich mit der Stadt
identifizierten. «Das genügt.»
Die Berner Studie erwähnt zur
besseren Abbildung der Bevölke­
rungsstruktur die Möglichkeit,
unter bestimmten Voraussetzun­
gen auch Ausländer zum bewaff­
neten Polizeidienst in Zürich zu­
zulassen. So praktizieren es die
Für das Korps der Stadtpolizei Zürich soll breiter rekrutiert werden. Kantone Basel­Stadt, Genf, Jura,
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Ein pflanzliches Rezept bei verstopfter Nase.
Autoren schreiben, sofern Perso­
nen gut integriert und qualifiziert
seien sowie über einen einwand­
freien Leumund verfügten, spre­
che vieles für eine Erweiterung
der Rekrutierung. In Zürich wäre
dafür eine Anpassung der städti­
schen Gesetze nötig. Diese Option
verwirft der Sprecher des Sicher­
heitsdepartements allerdings:
«Derzeit ist das kein Thema»,
betont Mathias Ninck.
Nur die Eignung zählt
Kriterien wie Herkunft, Wohnort
oder familiärer Hintergrund wür­
den in Bern nicht für die Per­
sonalauswahl beigezogen, sagt
Christoph Gnägi, Sprecher der
Kantonspolizei Bern. Die Bewer­
ber würden in einem mehrstufi­
gen Verfahren auf ihre Eignung
geprüft. Eine Wohnsitzpflicht
gebe es nicht. Die meisten Polizis­
ten lebten aber erfahrungsgemäss
in der Region ihres Arbeitsorts.

Sinupret extract befreit.

sammenhang mit Vorwürfen Afrika Eingewanderte einen ®
gegen die Stadtpolizei verfassen anderen Hintergrund als Migran­
lassen. Diese habe in mehreren ten aus den Nachbarländern.

Stimmvolk soll
Werbung für
Zigaretten stoppen
Eine breite Allianz von
Gesundheitsorganisationen
lanciert eine Volksinitiative
für neue Tabakwerbeverbote.
Daniel Friedli
Das Schweizer Volk wird sich
wohl ein weiteres Mal zum Rau­
chen äussern können. Nach dem
Kampf gegen das Passivrauchen
gerät nun auch die Tabakwerbung
ins Visier. Ein Verein von Gesund­
heitsorganisationen will diese
Werbung per Initiative und im
Namen des Jugendschutzes stark
einschränken. Ohne neue Werbe­
verbote verkomme dieser Schutz
zum Lippenbekenntnis, monie­
ren sie. Denn Jugendliche seien
direkt oder indirekt eine wichtige
Zielgruppe der Werbung.
Damit tragen die Initianten
einen Kampf vors Volk, den sie im
Parlament verloren haben. Vor
Jahresfrist verwarfen die Räte ein
Gesetz, das ein weitgehendes
Tabakwerbeverbot vorsah. Statt­
dessen erteilten sie dem Bundes­
rat den Auftrag, sich auf einzelne
Punkte zu konzentrieren. So soll
der Verkauf von Zigaretten an
unter 18-Jährige verboten wer­
den, ebenso Werbung, die sich
speziell an Minderjährige richtet.
Demnächst wird Innenminis­
ter Alain Berset nun darlegen, wie
er diesen Auftrag umsetzen will.
Schon jetzt ist indes absehbar,
dass dies den Initianten nicht ge­
nügen wird. «Es ist zu befürchten,
dass der Bundesrat nach der
Rückweisung auf griffige Mass­
nahmen verzichtet», sagt SP­
Ständerat Hans Stöckli, Präsident
der Allianz «Gesunde Schweiz».
In diesem Fall seien andere Wege
zu beschreiten.
Unter Stöcklis Ägide hat sich
darum schon im Juli ein Träger­
verein formiert, um die Initiative
«Ja zum Schutz der Kinder und
Jugendlichen vor Tabakwerbung»
vorzubereiten. Die Führung über­
nehmen mehrere Akteure aus
dem Gesundheitswesen, unter
ihnen die Kinder­ und Hausärzte,
die Pneumologen, die Apotheker
und die Krebsliga. Geld für das
Begehren ist bereits gesammelt.
Am 20. Dezember soll der finale
Entscheid über die Lancierung
fallen, wobei mit einem Startbe­
schluss gerechnet werden darf.
Die Initianten stützen ihre
Argumentation auch auf die
jüngsten Zahlen zum Tabak­
konsum. Denn dieser ist gemäss
Suchtmonitoring 2016 erstmals
seit vier Jahren wieder leicht ge­
stiegen, von 25 auf 25,3 Prozent.
Der höchste Anteil an Rauchern
fand sich dabei mit 38,2 Prozent
in der Kategorie der 20­ bis
24-Jährigen. Für Fachleute zeigt
diese Entwicklung, dass die Prä­
ventionsarbeit zu verstärken ist.
Die Schweiz sei zwar gut in der
Verhaltensprävention, also dort,
wo es um die Verhaltensänderung
der Menschen gehe. Sie sei aber • Löst zähen Schleim
im Rückstand bei der Verhältnis­ • Lässt die verstopfte Nase abschwellen
prävention, also beim legalen
Rahmen für die Raucher. Hier sei • Mit 5 Wirkpflanzen
seit den letzten Preisrunden und
dem Rauchverbot in öffentlichen
Gebäuden nun länger nichts mehr Pflanzliches Arzneimittel bei akuten,
geschehen, sagt Thomas Beutler unkomplizierten Entzündungen der
von der Arbeitsgemeinschaft
Tabakprävention. «Wollen wir die
Nasennebenhöhlen.
Zahl der Raucher weiter senken,
braucht es weitere Massnahmen,
allen voran Werbeverbote.»
Anders sehen dies Wirtschafts­
kreise. So kritisiert die Allianz der
Wirtschaft für eine massvolle Prä­
ventionspolitik seit langem, die
Dies ist ein zugelassenes Arzneimittel.
staatlichen Umerziehungsversu­ Lesen Sie die Packungsbeilage.
che führten letztlich zu nichts.
Und FDP-Nationalrat Bruno Pez­
zatti kündigt an, umfassende
Werbeverbote wenn nötig auch
vor dem Volk zu bekämpfen.
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98 Punkte (Prädikat «ausserge e-
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Appellationen zaubert der Spit-
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Mädchen wählen schwierige Berufe
Bei der Berufswahl stehen die Mädchen den Knaben in nichts nach, zeigt eine Studie
René Donzé
In den Gymnasien haben die
Mädchen die Nase schon seit den
1990er Jahren vorn. Heute liegt
die gymnasiale Maturitätsquote
der jungen Frauen bei 24 Prozent,
bei den Männern sind es 16 Pro­
zent. Vor diesem Hintergrund
wäre zu erwarten, dass Mädchen,
die nach der Sekundarschule
dennoch eine Berufslehre wäh­
len, im Durchschnitt schulisch
etwas schwächer sind als die
Jungen, die eine Lehre antreten.
Entsprechend müssten diese
Schulabgängerinnen Berufe mit
tieferen Anforderungen wählen.
Doch das Gegenteil ist der Fall:
«Die jungen Frauen stellen bei der
Berufswahl mitnichten ihr Licht
unter den Scheffel», sagt Walter
Goetze, Leiter des Büros für Bil­
dungsfragen. Er hat im Auftrag
der Berufsorganisationen und des
Schweizerischen Gewerbever­
bands Anforderungsprofile für
die Berufslehren erstellt, aufge­
teilt nach den Bereichen Mathe­
matik, Naturwissenschaften,
Schulsprache und Fremdsprache.
Nun kann das Berufswahlverhal­
ten erstmals mit diesen Anfor­
derungen verglichen werden.
Starker Rudeleffekt
«Die Frauen wählen im Schnitt
mindestens so anspruchsvolle
Berufe wie die Männer», sagt Go­
etze. Dazu gehören etwa kauf­
männische Berufe sowie Betreu­
ungs­ und Gesundheitsberufe.
«Es scheint ein Trend zu sein,
dass sie in diesem Alter die besse­
ren Leistungen erbringen als die
jungen Männer.» Ob sie auch
intelligenter seien, sei eine ande­
re Frage, die sich mit der Auswer­
tung nicht beantworten lasse.
«Mit Intelligenz hat das auf jeden
Bern Besinnlicher Terrorschutz am Weihnachtsmarkt
«Ist das nun zum Lachen oder
zum Weinen?», fragt eine Pas-
santin. In der Berner Altstadt
versperren massive Beton-
quader die Zufahrt zum Weih-
nachtsmarkt auf dem Waisen-
hausplatz. Seit kurzem sind
diese Klötze nun auch noch
Schweiz
Bei Mädchen besonders beliebte Berufslehre: Medizinische Praxisassistentin an der Arbeit im Labor.
Fall nichts zu tun», sagt Elisabeth
Stern, Professorin für empirische
Lehr­ und Lernforschung an der
ETH Zürich. Diesbezüglich gebe
es keinen substanziellen Unter­
schied zwischen Mädchen und
Knaben. Sie geht davon aus, dass
die Schülerinnen in diesem Alter
einfach anpassungsfähiger sind
und sich sehr stark an Gleichaltri­
gen orientieren: «Junge Frauen
wählen bevorzugt Bildungswege,
die ihre Kolleginnen auch ein­
schlagen – sei dies nun das Gym­
nasium oder das KV.»
Erstaunlich ist, dass die Schul­
abgängerinnen ihre Berufe kon­
hübsch als überdimensionale
Weihnachtspakete verkleidet,
mit roten Laschen obendrauf.
Die besinnlich getarnte Barri-
kade soll Attentate mit Fahr-
zeugen wie jenes von Berlin vor
einem Jahr verhindern. «Es ist
das erste Mal, dass wir unsere
servativ wählen: Zuoberst stehen
nebst den bereits erwähnten
Berufen die Detailhändlerin, die
Coiffeuse, die Dentalhygienikerin
und die medizinische Praxisassis­
tentin. 50 Prozent der weiblichen
Lehrlinge verteilen sich auf 4Be­
rufe, bei den Männern wählt die
Hälfte aus 14 Berufen aus. Auch
hier steht der Kaufmann an erster
Stelle, dann folgen unter anderen
der Elektroinstallateur, der Logis­
tiker, der Automobilfachmann
und der Landwirt.
Die Auswertung der Anfor­
derungsprofile zeigt auch, dass
Mädchen eher sprachlich anfor­
Weihnachtsmärkte so konse-
quent schützen», sagt der
Stadtberner Sicherheitsdirek-
tor Reto Nause. Auch bei ande-
ren Anlässen wie Kundgebun-
gen, der Lichtshow auf dem
Bundesplatz oder dem Zibele-
märit wurden zuletzt sämtliche
bestimmen als die Arbeit selbst
ALESSANDRO DELLA BELLA / KEYSTONE
und das Umfeld, in denen die
Berufe ausgeübt werden», sagt
Goetze. «Strenge, körperlich
anspruchsvolle und tendenziell
vielleicht auch gefährlichere Be­
rufe werden eher von Männern
gewählt.» Auch hier spiele der
Rudeleffekt wohl eine grosse Rol­
le, sagt Bildungsforscherin Stern.
Kampagnen wirken kaum
Das ist ernüchternd für Gleich­
stellungsfachleute: «Es ist wich­
tig, dass diese Geschlechter­
stereotypen bei der Berufswahl
durchbrochen werden», sagt
Helena Trachsel, Leiterin des Zür­
cher Gleichstellungsbüros. Eine
gute Durchmischung würde län­
gerfristig dazu führen, dass die
Löhne in klassischen Frauen­
berufen steigen. «Und wenn mehr
Männer in Frauenberufe gehen,
wirkt sich das positiv auf die Be­
triebskultur und die Zusammen­
arbeit aus. Gemischte Teams sind
produktiver.»
Seit Jahren schon gibt es
darum Kampagnen, die mit Kli­
schees in der Berufswahl aufräu­
men wollen. Und lange schon
werden konsequent männliche
derungsreiche Berufe wählen, und weibliche Formen in der
Jungen hingegen Berufe mit Berufsbezeichnung verwendet.
höheren mathematischen Anfor­ «Obwohl so viel unternommen
derungen. Bestätigt wird damit, wird, ändert sich im Berufswahl­
was die Pisa­Studien regelmässig verhalten kaum etwas», stellt
ergeben: Mädchen sind sprach­ auch Christine Davatz, Bildungs­
affiner, Buben die besseren Rech­ verantwortliche beim Schweize­
ner. Goetze aber relativiert: «Bei rischen Gewerbeverband, fest.
der Berufswahl werden viele Fak­ Aus ihrer Sicht müssen am
toren berücksichtigt, nicht nur Ende auch nicht um jeden Preis
die schulischen Begabungen.» mehr Frauen Männerberufe
Sehr wichtig seien auch die Mei­ wählen und umgekehrt. «Wichtig
nungen von Gleichaltrigen und ist, dass niemand diskriminiert
Eltern über einen Beruf. wird», sagt Davatz. Alle Jugend­
«Es sind weniger die schuli­ lichen sollten ihren Eignungen
schen Anforderungen, welche die und Neigungen entsprechend
Berufswahl der Schulabgänger entscheiden können.
MARCO ZANONI
Zufahrtswege gesperrt; über eine Menschenmenge schnell
200 Betonquader hat das städ- und direkt informieren und
tische Tiefbauamt dafür selber lenken zu können. Zur Verklei-
hergestellt. Zudem werden bei dung der Betonquader als
manchen Anlässen Fluchtwege Geschenkpäckli sagt Nause: «Es
signalisiert. In Planung sind laut ist ein Weihnachtsmarkt – da
Nause feste und mobile Laut- gibt es auch gewisse Ansprüche
sprecheranlagen, um im Notfall an die Ästhetik.» (sbü.)
15
In Kürze
SBB senken
Billettpreise
Nach anfänglichem Wider-
stand geben die SBB die Sen-
kung der Mehrwertsteuer nun
doch an die Kunden weiter. Auf
das neue Jahr sinkt der Satz
von 8 auf 7,7 Prozent, was den
SBB rund 10 Millionen Franken
an Einsparungen einbringt.
Nach dem Einschreiten des
Preisüberwachers reduziert die
Bahn die Preise «auf den
nächstmöglichen Zeitpunkt»,
wie Jeannine Pilloud, die Chefin
Personenverkehr der SBB, in
der «Tagesschau» des Schwei-
zer Fernsehens bekanntgab.
Bahnhof Basel
wieder befahrbar
Seit Samstagmittag verkehren
die Züge im Bahnhof Basel
wieder nach Fahrplan. Am
Mittwoch war ein deutscher
ICE-Zug entgleist. Seither
arbeiteten Dutzende Mitarbei-
ter rund um die Uhr für eine
Wiederaufnahme des Bahn-
betriebs, wie die SBB mitteil-
ten. Erst am Freitagnachmittag
konnte der letzte entgleiste
Wagen von der Unfallstelle
weggebracht werden.
Piste samt Skilift
mitten in der Stadt
Mit dem Abriebmaterial einer
Kunsteisbahn wird diesen
Winter mitten in der Stadt
Bern eine kurze Schneepiste
präpariert. Zudem steht ein
kleiner Skilift zur Verfügung.
Wie einer Mitteilung vom
Samstag zu entnehmen ist,
können Kinder vom kommen-
den Mittwoch an die Anlage im
Freibad Weyermannshaus
gratis benützen. Das Angebot
ist ein Gemeinschaftsprojekt
der Stadt Bern und der Winter-
sportregion Gstaad.
Huhn löst in Ibach
Brandalarm aus
Wegen eines automatischen
Brandalarms ist die Feuerwehr
des Stützpunkts Schwyz am
Samstagnachmittag ausge-
rückt. In einem leerstehenden
Gebäude in Ibach stellten die
Feuerwehrleute fest, dass der
Alarm durch heissen Wasser-
dampf ausgelöst worden war.
Ein Huhn hatte auf ungeklärte
Art eine Dusche angestellt,
wodurch sich der Wasser-
dampf bildete. (zzs.)
Korrigendum
In ihrer Ausgabe vom Sonntag,
26. November 2017, schrieb die
«NZZ am Sonntag» in einem Ar­
tikel über Urs E. Schwarzenbach:
«Der Geschäftsmann bezahlt
auch in Küsnacht, wohin er sei­
nen Wohnsitz im Februar aus
England verlegt hat, nicht ohne
Widerspruch Steuern. Laut Einge­
weihten wehrt sich der Milliardär
gegen eine Grundstückgewinn­
steuer­Forderung der Gemeinde.
Für den Erlös aus dem früheren
Verkauf einer Liegenschaft
müsste Schwarzenbach eine Ge­
winnsteuer bezahlen. Deren Hö­
he bestreitet er dem Vernehmen
nach aber.» Diese Behauptung ist
falsch. Wie die Gemeinde Küs­
nacht in einer Stellungnahme
vom 27. November schriftlich
bestätigt, besteht in Küsnacht
«keine offene Grundstück­
gewinnsteuer zulasten von Herrn
Urs Schwarzenbach». Die Redak­
tion entschuldigt sich für die un­
zutreffende Darstellung. (zzs.)
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Bitcoin ist spekulatives Spielgeld,
aber keine Währung
Wer vor einem Jahr auf das
digitale Geld Bitcoin gesetzt
hat, ist heute mehr als zehnmal
so reich. Die Kryptowährung
trägt jedoch alle Anzeichen
einer Spekulationsblase. Als
Währung ist sie untauglich,
schreibt Daniel Hug
Ausser
Kontrolle
Beat Jost, Gemeindepräsident
von Albinen im Wallis, stand als
Journalist und Gewerkschafter
einst auf der Seite der
Meinungsfreiheit. Dann geriet
er selbst in einen Medienhype.
Von David Biner
Stalking
Die Waffe der
Verschmähten 20
S
tarke Nerven sind gefragt, wenn
der Jungstudent, der in seinem
Leben noch nie richtig gearbeitet
hat, mit seiner Anlagestrategie
alle übertrumpft: Aus den 1000
Franken, die er vor einem Jahr in
Bitcoin gesteckt hat, sind stolze 12 350 Fran-
ken geworden. Wie kann es sein, dass der
Studienanfänger eine zehnmal bessere Ren-
dite erzielt als der lizenzierte Ökonom mit
jahrzehntelanger Börsenerfahrung? Ohne
dafür einen einzigen Tropfen Schweiss auf-
gewendet zu haben?
In diesem Moment beginnt man an den
eigenen Fähigkeiten zu zweifeln, ärgert sich
über die verpasste Chance – und schnappt
irgendwo im Internet einen Ratgeber auf.
«Für alle, die glauben, den Bitcoin-Zug ver-
passt zu haben: Selbst Anleger, die zu hohen
Preisen in den letzten Monaten eingestiegen
sind, haben sich spektakulär gut geschla-
gen», werden die Zweifler ermutigt.
Das heisst, es gibt nur einen einzigen
Grund, das «digitale Gold» zu kaufen: die
Hoffnung, dass es morgen noch mehr wert
sein könnte. Sie ist das psychologische
Muster, auf dem jede Spekulationsblase
beruht. Fast jeder kennt inzwischen jeman-
den, der mit Bitcoins rasch Geld gemacht hat.
Kaum eine Erfahrung verleitet die Menschen
so stark zur Nachahmung wie jene des
mühelosen, schnellen Reichtums. Weiter
befeuert wird die Spekulation von Meldun-
gen, die dem Bitcoin einen Hauch behörd-
liche Genehmigung verleihen: Am Freitag
sind in den USA drei Finanzprodukte
zugelassen worden, mit denen man auf die
Kryptowährung wetten kann.
In der Schweiz ist dies schon lange mög-
lich. Die Bank Vontobel hat 2016 Zertifikate
auf Bitcoin herausgegeben. Sie bleiben aller-
dings mit einem Volumen von 208 Millionen
Franken vorerst ein Nischenprodukt.
B
eat Jost wird laut, kommt den
Journalisten bedrohlich nahe. In
einem Nebenraum der Mehr-
zweckhalle, zwischen gestapel-
ten Klapptischen und den
Instrumenten der Dorfmusik,
hat er sie im Halbkreis vor sich hinbestellt.
Der 63-jährige Gemeindepräsident von Albi-
nen wirkt wie ein Fussballtrainer bei der
Pausenansprache. Ein letzter Versuch, den
Spielverlauf zu beeinflussen. «Macht mir
diese Gemeindeversammlung nicht kaputt!»
Hinter seinem Rücken huschen die Ein-
wohner des kleinen Oberwalliser Bergdorfes
in den Saal. Sie werden in den kommenden
Stunden über den Erwerb einer Liegenschaft
oder das neue Polizeireglement befinden.
Aber dass die Gemeindeversammlung an
diesem Donnerstag zum Kammerspiel eines
internationalen Medienstücks wird, hat mit
Traktandum 5 zu tun: Beschlussfassung über
das neue Reglement «Wohnbau- und Fami-
lienförderung».
Mit grosszügigen Subventionen will die
Gemeinde jungen Dorfbewohnern bei deren
Bauprojekten unter die Arme greifen. Das
Ziel: Die Abwanderung sowie die Überalte-
rung stoppen. Allzu hohe Erwartungen hatte
man nicht. Doch dann verpackten viele
Medien das Juristendeutsch in eine ganz
andere Story: «Zieht nach Albinen, und kas-
siert richtig ab!», so die Botschaft, die viral
um die Welt ging. Das Kleingedruckte, die
zahlreichen Bedingungen, an die der Geld-
segen geknüpft ist, wurde ausgeklammert.
Etwa, dass die Begünstigten mindestens
zehn Jahre in Albinen bleiben und 200 000
Franken investieren müssen. «Das alles ist
doch absurd», zischt Jost jetzt immer wieder,
während sich in der Halle die vielen Kamera-
teams und Fotografen in Stellung bringen.
Die Gemeindeverwaltung erreichten bis
SANDRA NIEMANN
zur Versammlung über 20 000 Anfragen per
E-Mail. Eine Gruppe aus Italien war mit
gepackten Koffern angereist und fragte im
Frau und Mann
Die ehrliche Debatte
der Geschlechter 24
Taugt Bitcoin als Währung der Zukunft,
wie oft behauptet wird? Nehmen wir an, ich
gehe als Kunde mit 30 Bitcoins zur Bank Von-
tobel. Kann ich diese in den Gegenwert von
aktuell 320 000 Franken umtauschen? Nein,
sagt die Bank. Sie handelt zwar mit Bitcoin- Eine Hypothek
Produkten, ist aber nicht bereit, die Krypto- von 500 000
währung als Zahlungsmittel anzunehmen. Franken, die
Wäre Bitcoin eine brauchbare Währung,
man vor einem
müsste man nicht nur Guthaben, sondern
Jahr in Bitcoin
auch Schulden damit erfassen können. Stel-
len Sie sich vor, Sie hätten vor einem Jahr aufgenommen
eine Hypothek von 500 000 Franken in hätte, würde
Bitcoin aufgenommen. Heute würden die heute einer
Schulden fünf Millionen Franken wiegen –
die Bitcoin-Schuldzinsen hätten sich, in Schuld von
Franken gerechnet, verzehnfacht. fünf Millionen
Der immense Wertanstieg der Währung, Franken
der durch die Begrenzung auf 21 Millionen entsprechen.
Stück gewollt ist, hat eine gewaltige Defla-
tion verursacht. Die Preise der Güter, in Bit-
coin gerechnet, sinken laufend. Mit Wert-
schwankungen von 25 Prozent an einem
einzigen Tag taugt die Kryptowährung weder
als stabiles Wertaufbewahrungsmittel noch
als Kalkulationsgrundlage im Geschäft.
Ironischerweise war es just die Skepsis
gegenüber dem herkömmlichen Papiergeld,
welche die Gründer von Bitcoin ursprünglich
antrieb. «Der Zentralbank muss vertraut
werden, dass sie die Währung nicht entwer-
tet, doch die Geschichte des Papiergeldes ist
voll von Verrat an diesem Vertrauen», schrieb
der angebliche Bitcoin-Erfinder Satoshi
Nakamoto, dessen wahre Identität man nicht
kennt. «Mit einer elektronischen Währung
(...), die kein Vertrauen in Mittelsmänner
benötigt, ist Geld sicher und kann mühelos
transferiert werden», formulierte Nakamoto.
Vor ein paar Jahren wurde die Schweizeri-
sche Nationalbank kritisiert, sie häufe für
Milliarden wertloses Euro-Papiergeld an. Der
Franken sei nicht mehr ans Gold gebunden
Dorfladen, wo man das Geld abholen solle.
Die Goldgräberstimmung schürte aber
Ängste unter den Bewohnern. Und der sonst
Panikartig
stets kaltschnäuzige Jost bekam kalte Füsse.
Vor dem grossen Medienrummel wurde
im Dorf kaum über die geplante Wohnbau-
erteilte er den förderung gestritten. Und nun drohte dem
Medien ein Präsidenten die Kontrolle zu entgleiten.
Hausverbot. Er Panikartig erteilte er den Medien ein Haus-
verbot für die Versammlung. Er wollte die
wollte die Wähler vor zudringlichen Journalisten
Wähler vor bewahren. Doch die Staatskanzlei pfiff ihn
Journalisten mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz
bewahren. zurück. Gerade ihn, ausgerechnet Beat Jost.
Wütende Salven hätte der frühere Journalist
wohl von seinem Schreibtisch aus abgefeu-
Killerdrohnen
Sie werden bald
autonom töten 22
und daher nur noch ein papierner Wert. Die
Verschwörungstheoretiker vergessen, dass
dem Notenumlauf in der Bilanz der National-
bank (Passiv-Seite) auch eine Aktivseite
gegenüber steht: Devisenreserven in Form
von Anleihen und Aktien, Wertschriften,
Gold. Die Währungsreserven sind inzwi-
schen auf rund 800 Milliarden Franken
gestiegen, weil der Wert des Euro stark zuge-
nommen hat. Darum wird die Nationalbank
dieses Jahr einen Rekordgewinn von rund
40 Milliarden Franken einfahren – und viel
Geld an die öffentliche Hand ausschütten.
Bitcoin ist hingegen der libertäre Traum,
der die Privatisierung selbst beim Geld
konsequent umsetzt. Alle Welt spricht heute
vom automatischen Informationsaustausch
zwischen Banken und Behörden, nur bei
Bitcoin bleibt alles geheim und anonym.
Niemand kann den Geldfluss nachprüfen
und schauen, ob das digitale Gold aus dem
Drogenhandel oder der Korruption stammt.
Privat bleiben auch die Gewinne, die beim
Bitcoin-Schürfen entstehen. Während beim
herkömmlichen Geld die Notenbank den
Gewinn einnimmt, der bei der Herausgabe
von Banknoten anfällt, stecken die Bitcoin-
Herausgeber den Gewinn in die eigenen
Taschen. Die Nationalbank verteilt jedes Jahr
Milliarden an Bund und Kantone, die Bit-
coin-Schürfer versteuern kaum etwas. Viele
von ihnen sitzen heute in China, weil dort
die Energie für die benötigte Rechenleistung
zum Schürfen von Bitcoins so billig ist.
Einen intrinsischen Wert kann man in
Bitcoins nicht erkennen, wie Nobelpreis-
träger Jean Tirole in der «Financial Times»
festgestellt hat. Ganz im Gegensatz zur Tech-
nik, die hinter der digitalen Währung steckt:
Die sogenannte Blockchain, bei der Trans-
aktionen dezentral auf vielen tausend Ser-
vern gleichzeitig abgespeichert werden, hat
Zukunft – Bitcoin als Währung jedoch nicht.
ert, wenn ein bürgerlicher Gemeindepräsi-
dent auf die gleiche Idee gekommen wäre.
Die linke Zeitung «Rote Anneliese», die
sich als kritische Stimme in diesem angeb-
lichen «Tal des Schweigens» verstand und
für die er jahrelang schrieb, hätte über
mehrere Ausgaben hinweg vom «Zensur-
Skandal!» gezehrt.
Der Zweitgeborene einer Gommer Bauern-
familie besuchte nach der obligatorischen
Schule das Lehrerseminar, mit 18 Jahren trat
er aber seine erste Stelle als Journalist an, ein
Volontariat beim Walliser Volksfreund. Als
Redaktor der «Roten Anneliese» baute Jost in
den achtziger Jahren mit Arbeitern der Che-
miefirma Lonza in Visp eine Gewerkschaft
auf. Als SP-Mitglied mischte er auch in der
Politik mit, etwa als Präsident der SP Ober-
wallis oder als Abgeordneter des Kantons-
parlaments. Beide Berufe – Journalist und
Gewerkschafter – begleiteten Jost sein Leben
lang. Nach einigen Jahren als Wirtschafts-
und Bundeshausredaktor bei «Blick» und
«Sonntagsblick» zog es ihn 2008 wieder zu
den Gewerkschaften, unter anderem zur
mächtigen Unia. 2017 wurde Jost dann
Gemeindepräsident von Albinen, fast zehn
Jahre nachdem er mit der Familie in das Hei-
matdorf seiner Frau gezogen war.
In der Mehrzweckhalle von Albinen geben
die gut hundert Anwesenden ihre Stimm-
zettel ab. Der Abend lief gut für Jost. Mit viel
Trara schwor er die Einwohner gegen die
«ungebetenen Gäste» auf den Medienplätzen
ein. «Natürlich seid ihr danach zum Apéro
eingeladen», besänftigte er die Journalisten,
nachdem er sie im Saal minutenlang vorge-
führt hatte. Die Verkündung des Abstim-
mungsresultats – 71 Ja zu 29 Nein – war
gleichzeitig das Ende eines ungewollten Mar-
keting-Coups. Beat Jost führte die Sitzung
nach diesem Sieg mit ernster Miene weiter.
Die Versammlung war inzwischen bei Trak-
tandum 7 angelangt: Beschlussfassung über
die Änderung der Gebührenordnung.
18
Ökonomisch
verspricht
die Ökumene
kaum Gewinne
Die Zukunftsaussichten von
Religionsgemeinschaften sehen
in Europa ganz anders aus als in
den meisten Teilen der Welt
Thomas Maissen
N
ach einem Vortrag über die Refor-
mation in Zürich fragt ein Hörer, ob
die vor 500 Jahren gespaltene
Kirche nicht wieder zusammen-
kommen solle. Auch Gottfried Locher, der
Präsident des Schweizerischen Evangeli-
schen Kirchenbunds, erklärt: «Es ist theolo-
gisch nicht haltbar, dass wir Getauften auf
immer getrennt bleiben. Schliesslich sind wir
alle auf denselben einen Gott getauft.» Und
ein katholisches Pfarrblatt titelt tatsächlich:
«Luther war ein cooler Typ».
Wie viele Kirchenangehörige können
heute noch die Unterschiede darlegen, die
1517 zur Spaltung geführt haben: Rechtferti-
gungslehre, Sakramentsverständnis, Trans-
substantiationslehre? Meist werden die Dif-
ferenzen auf theologisch unwichtige Äusser-
lichkeiten reduziert: die Hierarchie mit dem
Papsttum, Zölibat, Sexualmoral, Kirchen-
schmuck. Aber sind sie nicht belanglos, ver-
glichen mit dem Graben, der zwischen gläu-
bigen Christen und Agnostikern, Materialis-
ten sowie Atheisten besteht? Entspricht die
Medienkritik
Bei der Meinungspolizei in Basel
Peer Teuwsen
Natürlich war der Text von Franziska
Schutzbach hirnrissig. Wie so einige Artikel
in der «Basler Zeitung» oder der «Welt-
woche» auch. Natürlich war es blödsinnig
von der Soziologin, die an der Universität
Basel zu Gender-Fragen lehrt und forscht,
zu fordern, der Einzelne möge dazu beitra-
gen, die Rechtsnationalen aus der öffent-
lichen Debatte, ja aus dem öffentlichen
Raum auszuschliessen. Und das ausgerech-
net in einem Land, dessen Erfolg auf der
Einbindung aller relevanten politischen
Kräfte und der Konsensfindung basiert.
Aber es gilt, zum Glück für uns alle, die
Meinungsfreiheit. Jeder soll sagen können,
was er will – solange er sich damit nicht
strafbar macht. Ist ein dummer Text straf-
bar? Natürlich nicht. Die Dummen straft
höchstens das Leben. Das muss genügen.
Das reicht der Basler und Zürcher media-
len Meinungspolizei leider nicht. Sie rückt
immer wieder aus, um missliebige, also
sogenannt linke Äusserungen anzupran-
gern – und deren Urheberinnen im Idealfall
aus ihren Stellungen zu entfernen. Also
setzte Serkan Abrecht, Journalismuspoli-
zist der «Basler Zeitung», als er, angeregt
Meinungen
Sehnsucht, die epochale Spaltung zu über-
winden, vielleicht eher einer eurozentri-
schen Hoffnung, den Bedeutungsverlust von
Kirche und Religion auf dem Alten Kontinent
aufzufangen?
Die christlichen Wachstumsmärkte liegen Die
in Süd- und Nordamerika, Asien und Afrika. christlichen
Keinen leichten Stand haben dort Luthera- Wachstums-
ner, Reformierte (Zwinglianer und Calvinis-
märkte liegen
ten) sowie Anglikaner, deren Bekenntnisse
zumeist in staatskirchlicher Form aus der in Süd- und
Reformationszeit hervorgegangen sind und Nordamerika,
die zusammen knapp 200 Millionen Ange- Asien und
hörige haben dürften. Weltweit gehört das Afrika.
protestantische Feld den zahlreichen evan-
gelikalen Gruppen (etwa 500 Millionen) und
Pfingstlern (200 Millionen). In Nigeria, Süd-
afrika und in Kongo gibt es laut Pew Research
Center prozentual mehr Protestanten als in
Deutschland, und in absoluten Zahlen auch
in China und in Brasilien. Dort und ebenso in
Mexiko, den Philippinen und den USA leben
mehr Katholiken als in Italien.
Was aber haben die USA, Guatemala, Togo
oder Südkorea ausser ihren stark wachsen-
den evangelikalen Bewegungen gemeinsam?
Der Sozial- und Wohlfahrtsstaat ist schwach.
Religiöse Gruppen verkünden nicht nur trös-
tend ein Heil im Jenseits, sondern auch eine
(christliche) Moral der Vergeltung von Gut
und Böse. So bilden sie in der oft alltäglichen
Not Solidargemeinschaften und damit
Sozialversicherungen, die über den Fami-
lienverband hinaus die regelmässigen Teil-
durch die «Weltwoche», diesen eineinhalb
Jahre alten Text im Netz erspähte, das
Blaulicht auf seinen Computer und liess
das Martinshorn aufjaulen. Zu seinem
Artikel lancierte er eine Online-Umfrage:
«Ist Dozentin Franziska Schutzbach für die
Universität Basel noch tragbar?» Und das
Leservolk sagte DDR-artig zu über 81 Pro-
zent Nein. Andere Medien fingen ebenfalls
an, zu berichten oder, öfter, abzuschreiben.
Aber so etwas reicht einem Journalis-
muspolizisten nicht. Er muss die Täterin
auch noch verhaften. Also bohrte Abrecht
weiter, bis er titeln konnte: «SVP-Kritikerin
verliert Lehrauftrag». Hier hatte er die
So etwas Wahrheit allerdings zu seinen Gunsten
reicht einem gebogen. Walter Leimgruber, den Dekan
Journalismus- der philosophisch-historischen Fakultät
und zuständig für das Zentrum Gender
polizisten Studies, an dem Schutzbach tätig ist,
nicht. Er muss zitierte er so: «Frau Schutzbach hat für
die Täterin das nächste Semester keinen Lehrauftrag
auch noch erhalten.» Dieser Satz hat einen Makel. Im
ursprünglichen Zitat war das Verb «erhal-
verhaften. ten» nicht enthalten – weil gar kein Antrag
von Schutzbach für die Fortführung des
Lehrauftrags vorlag. Sie will sich nämlich
auf ihre Dissertation konzentrieren. Und
die Aussage von Leimgruber im Artikel,
Schutzbach werde nicht weiter an der Uni-
versität lehren, ist frei erfunden. Später
könnte das durchaus wieder möglich sein.
Was lernen wir daraus? Bei einem media-
len Meinungspolizisten kann die Wahrheit
auch einmal auf der Strecke bleiben, er hat
höhere Ziele. In der richtigen Welt nennt
man so etwas: Machtmissbrauch.
ILLUSTRATION: GABI KOPP
nehmer der gemeinsamen Gottesdienste
erfassen. Dass evangelikale Gruppen die
Erwachsenentaufe praktizieren, ist bezeich-
nend: Man wird nicht in eine unabänder-
liche, staatskirchliche Gemeinschaft
geboren, sondern sucht sich die attraktivste
Gruppe aus und kann diese relativ problem-
los wieder wechseln. Wenn die Leistungs-
frommen mit Blick auf das Seelenheil
bescheiden leben und auf nutzlosen äus-
seren Prunk verzichten, können sie mehr mit
den Bedürftigen teilen. Auch die zumeist
rigide Sexualmoral gewährleistet Zusam-
menhalt, wo der Sozialstaat fehlt: keine ver-
lassenen Kinder nach Scheidungen, keine
vorehelichen Schwangerschaften, kein Blut-
vergiessen wegen ausserehelicher Kontakte.
Mit dem individualisierten und rationali-
sierten Glauben von Europäern, die an ihrer
materialistischen Umwelt (ver-)zweifeln, hat
das wenig zu tun. Wenn sie ihre abstiegs-
gefährdeten vormaligen Staatskirchen fusio-
nieren, werden diese weder in der Alten
noch in der Neuen Welt attraktiver: Hier
leben sie von Traditionen, die für schrump-
fende Institutionen identitätsstiftend
bleiben. Dort konkurrieren sie mit wachsen-
den Bewegungen, die klare moralische Pro-
file und Abgrenzungen anbieten. Ökono-
misch betrachtet verspricht die Ökumene
wenig Gewinne.
Thomas Maissen ist Direktor des Deutschen
Historischen Instituts Paris.
Grenzerfahrung
Sackgasse im Unterwallis
Yelmarc Roulet
M
an weiss zwar seit langem, dass
Hannibal und seine Elefanten die
Alpen nicht am Grossen Sankt
Bernhard überschritten haben.
Ganz verschwunden ist der Mythos trotzdem
nicht aus unserer Phantasie. Unbestritten ist
dafür die Überquerung Napoleon Bonapar-
tes, der 1800 mit 40 000 Mann nach Italien
zog. Der Maler Jacques-Louis David hat
dieses Ereignis in einem grandiosen Propa-
gandabild verewigt.
Die geschichtsträchtige Verbindung am
Grand Saint-Bernard symbolisiert das Wallis
als Durchgangsland. Die Strasse zwischen
Martigny und Aosta ist auch die Haupt-
zufahrt der Westschweizer nach Italien. Wer
morgens in Lausanne abfährt, ist pünktlich
zum pranzo in Turin oder in Mailand.
Derzeit reist dort allerdings niemand mehr
durch. Die Passstrasse ist seit Anfang Novem-
ber wegen Schnee gesperrt. Der Tunnel
wurde schon am 21. September geschlossen
– nachdem ein Balken heruntergestürzt war.
Zuerst sprach man von zwei Wochen Repara-
turarbeiten, dann hiess es, es dauere bis
Ende November. Jetzt ist eine Wiedereröff-
nung auf den 15.Januar angekündigt. Die
wenigsten glauben daran. Es muss nämlich
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Showdown
Francesco Benini
S
chenken macht Freude.
Geschenke bekommen weni-
ger. Wie reagiert man zum
Beispiel, wenn einem ein
Onkel das neue Buch eines
talentfreien deutschen Autors
schenkt? Soll man so tun, als ob man sich
freut? Besonders schwierig ist der
Umgang mit Geschenken, die man in der
Funktion als Journalist bekommt. Man
will sich von keiner Interessengruppe
bestechen lassen, aber nicht ungalant
sein, wenn jemand einem eine kleine Auf-
merksamkeit zusteckt. Es gilt die Regel,
dass der Wert des Geschenkes nicht teurer
sein darf als ein Mittagessen. Wobei ich
mich frage: Was für ein Mittagessen? Es
macht einen Unterschied, ob man am
Wurststand einen Cervelat verzehrt oder
in der Kronenhalle das Chateaubriand mit
einer Flasche Château Pétrus Pomerol
hinunterspült. Besonders schwierig war
es diese Woche am Pressetermin des
neuen Fernsehsenders CNN Switzerland.
Die Frau am Empfangstisch drückte
mir nach der Veranstaltung einen dicken
Umschlag in die Hand. «Was ist das?»,
fragte ich. «Das ist ein Notebook», ant-
wortete sie. Mir lief es kalt den Rücken
runter. «Sie schenken jedem Journalisten
ein Notebook?» «Ja.» Unglaublich. CNN
gibt an jeden Medienschaffenden einen
Computer ab, einfach so. Ich zögerte,
dann meinte ich: «Das kann ich nicht
annehmen. Das ist zu wertvoll.» Die Frau
erwiderte: «Ach kommen Sie, das liegt
gerade noch drin. Sie wären der erste
Journalist, der das Geschenk nicht an-
nimmt.» Dass ich mich auf einer höheren
moralischen Stufe bewege als meine Be-
rufskollegen, war mir bekannt. Was sollte
ich tun? Man lebt nur einmal. Ich griff zu.
Zurück auf der Redaktion, packte ich das
Geschenk erwartungsfroh aus. Und fand
viele weisse Seiten, mit ledernem Ein-
band. Ein Notizbuch, englisch notebook.
Will es jemand haben? Mit solchem Plun-
der lasse ich mich nicht abspeisen.
nicht nur ein einzelnes Stück ersetzt werden.
Es gilt, die Träger und Lüftungselemente auf
einer Länge von 1500 Metern dringend und
provisorisch zu stärken. Tunnelkrebs heisst
die Krankheit. Offenbar hat man die Instand-
haltung sträflich vernachlässigt.
Die wahre Katastrophe aber ist politisch,
nicht technisch. Für den Tunnel sind zwei
Betriebsgesellschaften zuständig, eine
schweizerische und eine italienische. Der
Schaden ist auf der italienischen Seite
aufgetreten, und es dauerte Wochen, bis der
Reparaturauftrag nur ausgeschrieben
wurde. Die Behörden auf schweizerischer
Seite sind wütend, aber ohnmächtig. Das
1964 eingeweihte Symbol der grenzüber-
schreitenden Freundschaft hat sich in sein
Gegenteil verkehrt.
Die Grenzgänger sind am stärksten betrof-
fen. Im italienischen Aostatal werden die
Leute sauer. Und im Walliser Val d’Entre-
mont beweint das Gastgewerbe den Verlust
von etwa 2000 Automobilisten pro Tag und
fürchtet seinen Untergang. Insgesamt geht es
dem Schweizer Tal aber nicht so schlecht.
Die Einheimischen freuen sich sogar über die
wiedergewonnene Ruhe.
Der Simplon, die alternative Route, ist für
die Romands weit weg. Dieses Jahr dürften
weniger Westschweizer ihre Neujahrstage in
Italien verbringen. 2020 wird die Strecke am
Grossen Sankt Bernhard zur Nationalstrasse.
Optimisten hoffen, dass der Bund dann auch
die alpenquerende Verbindung mit Italien
besser verhandeln wird.
Yelmarc Roulet ist Inlandchef der Zeitung
«Le Temps» in Lausanne.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Meinungen
US-Steuerreform
Präsident Donald Trump erzielt
einen Pyrrhussieg
Nun kann US-Präsident Donald Trump seinen ersten
legislativen Erfolg verbuchen. Spät in der Nacht auf
Samstag verabschiedete der Senat Trumps Steuer-
reform. Sie ist das grösste Entlastungsprogramm seit
Ronald Reagans Regentschaft in den achtziger Jahren.
Im Rekordtempo winkten die Republikaner die kom-
plexe, umfangreiche Vorlage durch und setzten massive
Kürzungen für Unternehmen und Besserverdienende
durch. Sie taten es im Namen des Wirtschaftswachs-
tums. Doch die Idee, dass die Wirtschaft beflügelt wird
und dadurch die Steuersenkungen finanziert werden
können, ist Wunschdenken. Viel wahrscheinlicher ist,
dass die Steuerentlastungen ein grosses Loch in den
Staatshaushalt reissen und den Schuldenberg der USA
weiter vergrössern. Die Zeche bezahlen müssen dann
künftige Generationen. Trump und seine Republikaner
scheint das nicht zu kümmern. Für sie ist nur ein schwa-
cher Staat ein guter Staat. Der US-Präsident erdreistete
sich sogar, die Reform als Wunder für die Mittelschicht
zu präsentieren. Die Reichen kämen an die Kasse, sagte
er diese Woche vor Anhängern. Das ist absurd. Jene, die
Trump zum Präsidenten gemacht haben, werden von
der Steuervorlage am wenigsten profitieren. Viel eher
werden sie den Preis zahlen müssen für Trumps ersten
Sieg im Parlament. (ami.)
Fall Buttet
Pfisters Wertedebatte fällt auf
die CVP zurück
Gerhard Pfister kam einem vor wie ein unglücklicher
Fussballtrainer. Da hat er das Team mit einer ausgeklü-
gelten Strategie aufs Feld geschickt – und bevor die
Spielzüge so richtig greifen, schiesst schon wieder einer
ein Eigentor. Nach Seitenspringer Christophe Darbellay
ist es nun Yannick Buttet, der betrunken einer Affäre
nachstellt und Übertretungen im Umgang mit Frauen
gestehen muss. Diese Fouls sind umso dümmer, als sie
auf dem Feld begangen wurden, das Parteichef Pfister
für sich reklamiert: Die CVP, das ist Familie, Werte, heile
Welt. Auf diesem Kurs hat Pfister durchaus Pflöcke
eingeschlagen, auch wenn dies an der Urne noch nicht
gefruchtet hat. Die Partei jedenfalls hat an Profil gewon-
nen, sie agiert klarer, eigenständiger und hartnäckiger
als früher. Das Risiko: Wer mit Werten wirbt, wird
unweigerlich selbst daran gemessen. Und eine wertkon-
servative Familienpartei, deren Spitzen fremde Schür-
zen jagen, erntet so nun einmal mehr Spott als Beifall.
Pfister hat sich vorgenommen, die Parteistrukturen zu
professionalisieren. Dringlicher scheint es, dem Perso-
nal professionelleres Verhalten anzumahnen. Denn
auch das lehrt der Fussball: Der beste Plan nützt nichts,
wenn die Spieler mit Roter Karte vom Platz fliegen. (dli.)
Königliche Verlobung
Prinzessin von Geblüt
Die Hersteller von Andenken in Grossbritannien reiben
sich die Hände: Im Mai steht eine königliche Hochzeit
im Haus Windsor bevor. Prinz Harry, an vierter Stelle in
der Thronfolge, heiratet Meghan Markle. Die Braut
scheint in mancher Hinsicht ungewöhnlich; die geschie-
dene Amerikanerin hat einen afroamerikanischen Vater.
Allein, die Urururururgrossmutter des feschen Bräuti-
gams weist auf Porträts unverwechselbar nordafrikani-
sche Gesichtszüge auf. Charlotte von Mecklenburg-Stre-
litz, die Gattin von Georg III., brachte einst portugiesi-
sche und maurische Vorfahren mit in ihre Ehe. Ihr zu
Ehren erhielt eine exotische Blume den Namen Strelit-
zie. So blau ist das Windsor-Blut also gar nicht, sondern
bunt, wie bei den meisten von uns. (ali.)
Chappatte
Der externe Standpunkt
Protektionismus ist weniger
schlimm als sein Ruf
Auf Phasen der Globalisierung folgt oft Abschottung. Kluge Kontrollen
von Handel und Migration sind allerdings notwendig, um die erreichte
Offenheit politisch abzusichern, meint Tobias Straumann
D
onald Trump hat im ersten Amts-
jahr das Transatlantische Frei-
handelsabkommen (TTIP) und die
Transpazifische Partnerschaft (TPP)
beerdigt, er hat Neuverhandlungen zum
Nordamerikanischen Freihandelsabkommen
lanciert und mehrmals Strafzölle erhoben,
zuletzt auf den Import von kalt gewalzten
mechanischen Röhren, was auch zwei
Schweizer Firmen hart trifft. Der US-Präsi-
dent hat in kurzer Zeit sein Wahlversprechen
umgesetzt, Amerikas Handelsinteressen
stärker zu gewichten. America first eben.
Wohin wird die Trumpsche Offensive
führen? Droht ein Ende der Globalisierung
wie in den dreissiger Jahren des letzten Jahr-
hunderts? Oder wird sich Washington bald
beruhigen? Was das Schreckensszenario der
Zwischenkriegszeit anbetrifft, so sind sich
die meisten Fachleute einig: Damit ist kaum
zu rechnen. Die Lage nach dem Ersten Welt-
krieg (1914–18) war eine ganz andere als
heute. Die europäischen Kriegsgewinner
waren erschöpft und überschuldet, die Ver-
lierer sannen auf Revision der Friedensver-
träge, und die USA, die aufgerufen gewesen
wären, eine stabile Nachkriegsordnung auf-
zubauen, entzogen sich ihrer Verantwortung.
Die wirtschaftliche Katastrophe, die 1929
einsetzte und 1932 ihren Höhepunkt
erreichte, zerstörte bald das labile Gleich-
gewicht. Die Welt zerfiel in Handels- und
Währungsblöcke, die sich wenig später im
Zweiten Weltkrieg gegenüberstanden.
Dass sich Washington bald beruhigen
wird, ist indes auch nicht zu erwarten. Denn
es scheint eine Art historisches Gesetz zu
geben, wonach eine Phase der beschleunig-
ten Globalisierung stets eine längere protek-
tionistische Gegenbewegung auslöst. So
haben im späten 19.Jahrhundert die europäi-
schen Staaten protektionistisch agiert, nach-
dem der Welthandel seit 1850 fast explo-
sionsartig zugenommen hatte. Damals stan-
den weniger die industriellen Güter als die
Agrarprodukte im Zentrum des internationa-
len Handelsstreits. Der Bau des Erie-Kanals
und die Dampfschifffahrt hatten es den ame-
rikanischen Produzenten ermöglicht, die
europäischen Märkte mit billigem Getreide
zu überschwemmen. Die europäischen
Bauern, die je nach Land bis zu 50 Prozent
der Bevölkerung ausmachten und so eine
grosse politische Macht besassen, erhielten
bald Schutz gegen die missliebige ausländi-
sche Konkurrenz. In ähnlicher Manier dros-
selten die Länder auf dem amerikanischen
Kontinent die Einwanderung, als infolge von
Wirtschaftskrisen in Europa die Auswande-
rungsrate sprunghaft anstieg. Gleichzeitig
formierte sich in den USA eine starke Opposi-
tion gegen den Goldstandard, das damalige
Weltwährungssystem. Die Globalisierung
hatte massiv an Popularität verloren.
Wenn wir berücksichtigen, dass die Wirt-
schaft in jüngster Zeit ein Mass an globaler
Verflechtung erreicht hat, das weit über die
Verhältnisse des späten 19.Jahrhunderts
hinausgeht, müssen wir erst recht mit einer
länger anhaltenden Gegenbewegung rech-
Tobias Straumann
UNIVERSITÄT ZÜRICH
Tobias Straumann, 51, ist Wirtschafts­
historiker und lehrt an den Universitäten
Basel und Zürich. Seine 2010 erschienene
Habilitation behandelt das Wechselkurs­
regime kleiner europäischer Staaten im
20. Jahrhundert. Er forscht vor allem
zu Geld­ und Finanzgeschichte und zur
Schweizer Wirtschaftsgeschichte.
19
nen. Befördert wird die Neigung zum Protek-
tionismus durch die Tatsache, dass China als
kommende Wirtschaftsmacht seit langem
eine Wirtschaftspolitik betreibt, die elemen-
tare Regeln der Welthandelsorganisation
(WTO) verletzt. Der Diebstahl von geistigem
Eigentum, die Restriktion bei der Zulassung
von ausländischen Firmen und die umfang-
reiche Exportsubventionierung haben wenig
mit Freihandel zu tun. Nicht nur in den USA,
sondern auch in Europa dürften jene Kräfte
stärker werden, die mehr Schutz gegen die
chinesische Konkurrenz einfordern. Beim
Stahl ist der Streit schon längst eskaliert.
Pessimisten befürchten nun, dass uns die
unvermeidliche Wiederkehr des Protektio-
nismus Wachstum und Arbeitsplätze kosten
werde. Das muss aber nicht sein. So brach im
späten 19. Jahrhundert die Globalisierung
keineswegs ab – trotz selektivem Schutz für
einzelne Branchen, neuen Barrieren für Ein-
wanderer und Opposition gegen das Welt-
währungssystem. Die Migration aus Europa
nach Übersee ging weiter, nur das Tempo
wurde gedrosselt. Grosse Produktivitätsfort-
schritte in allen Wirtschaftssektoren erhöh-
ten den Wohlstand. Neue Goldfunde locker-
ten die Restriktionen des Goldstandards. So
gesehen, waren die protektionistischen
Massnahmen keineswegs systemfremde
Eingriffe, sondern notwendige Korrekturen,
die dazu dienten, das erreichte Mass an
Offenheit politisch abzusichern und weiteres
Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.
Wenn diese Lesart der Wirtschafts-
geschichte stimmt, dann wird es wenig
helfen, routinemässig das Ende von TTIP
und TPP zu beklagen. Vielmehr sollte man in
den nächsten Jahren versuchen, auf mög-
lichst kluge Art Bremsen einzubauen, um
zu verhindern, dass die internationale Ver-
flechtung als ganze infrage gestellt wird. Die
Globalisierung kann man nur erhalten,
wenn man sie immer wieder einhegt und
zivilisiert. Gelingt dies nicht, dürfte das
Schreckensszenario der dreissiger Jahre viel
wahrscheinlicher werden.
20
51 Prozent
Stalking ist das dunkle Herz der romantischen Liebe Unschuldig
Nicole Althaus
U
nerhört, und zwar im doppelten
Sinn des Wortes, ist die Art und
Weise, wie die Me-Too-Debatte
vergangene Woche die Schweiz
erreicht hat: Unerhört ist das Verhalten des
CVP-Nationalrats Yannick Buttet, der sich im
Parlament als moralischer Anwalt der tradi-
tionellen Ehe und Familie aufspielt, privat
aber einer Ex-Geliebten nachstellt, sie mit
SMS und Anrufen bombardiert, mitten in der
Nacht aus dem Bett klingelt und so lange Ein-
lass verlangt, bis die Polizei anrückt. Uner-
hört blieb auch der Politiker selbst. Ein ver-
schmähter Liebhaber. Ein enttäuschter Lie-
bender. Ein unerhörter Werbender.
Das unerhörte Werben ist der Kern des
Stalkings. Und exakt das macht das obsessive
Nachstellen in der Debatte um sexuelle
Belästigung interessant. Wie keine andere
Form des Übergriffs verweist diese Tat auf
den Kontext der Kultur, in der sie geschieht.
Stalking ist sozusagen das dunkle Herz der
romantischen Liebe. Und obwohl noch nicht
einmal drei Jahrzehnte verstrichen sind, seit
Stalking in Kalifornien zum ersten Mal krimi-
nalisiert wurde, ist das Verhalten uralt.
Die E-Mail-Debatte
«Da sind wir Grünen etwas
katholischer»
Sparen? Oder ausgeben? Balthasar Glättli möchte der reumütigen SVP vergeben.
Aber Gerhard Pfister erinnert ihn an den Katechismus staatlichen Handelns
Balthasar Glättli
Geschätzter Kollege, in der Budgetdebatte
hat die Finanzkommission des Nationalrats
eine Rekordzahl von über 80 Anträgen einge-
reicht..., und zwischen Stände- und Natio-
nalrat zeichnet sich ein Showdown ab. Was
ist Ihre Prognose: Setzt sich der Ständerat in
der Linie gegen massive Kürzungen bei der
Entwicklungszusammenarbeit durch – und
wären Sie happy darüber?
Gerhard Pfister
Geschätzter Kollege, Budgetdebatten ver-
kommen im Nationalrat zum vorweihnächt-
lichen Profilierungsritual. Die Fraktionen
pflegen ihre Gärtlein und wollen dort sparen,
wo ihre Wählerschaft nicht tangiert ist. Es
fehlt eine Gesamtschau. So halte ich die
Riesenzahl von 80 Minderheitsanträgen für
reine Zwängerei. Selbst die Antragstellenden
wissen, dass sie keine Mehrheit erhalten. Die
Kürzungen in der Entwicklungszusammen-
arbeit sind auch für die CVP übertrieben.
Erwünscht wäre eine bessere Fokussierung.
Balthasar Glättli
Die Gesamtschau fehlt, da stimme ich zu.
Dazu gehört auch, dass die Finanzsituation
des Bundes systematisch schlechter geredet
wird, als sie es ist. Dass ein Finanzminister
dies tun muss, ist ja klar. Er muss ein geiziger
Kassenwart sein. Aber ein Parlament sollte
auch anerkennen, dass es finanzielle Spiel-
räume gibt, die klug und zukunftsorientiert
genutzt werden können. Für mich interes-
sant ist die Feststellung, dass ich als Grüner
– wir wollten den Ständerat ja lange stark
reformieren oder gar abschaffen – nun sehr
froh bin um das Powerplay des Ständerats,
der viel ruhiger Finanzpolitik macht.
Gerhard Pfister
Der Ständerat ist weniger ideologisch, das
stimmt. Und deshalb ein wichtiges Korrektiv,
nicht nur in Haushaltsfragen. Das ist auch
der Tatsache zu verdanken, dass im Stände-
rat die CVP die stärkste Gruppe bildet. Ande-
rerseits warne ich davor, dass wir, nur weil
Meinungen
Schon Apollon ist ein obsessiver Stalker,
als er, in Liebesglut zu Daphne entbrannt, ihr
nachstellt, bis sie zum Lorbeerbaum erstarrt.
In unzähligen Kulturerzeugnissen versichern
wir uns der Dynamik der romantischen
Liebe: Er wirbt. Sie ziert sich. Er nimmt sie Auch Yannick
sich. Sie gibt sich ihm. Von der Antike über Buttet berief
Shakespeare bis zum oscarprämierten Film sich letztlich
«Die Reifeprüfung» von 1967 wird die hart-
auf das
näckige Verfolgung einer Frau mit Liebe
idealisiert. Auch Nationalrat Buttet berief männliche
sich letztlich auf das männliche Anrecht auf Anrecht auf
weibliche Zuwendung, als er sein Verhalten weibliche
mit Eheproblemen entschuldigte. Zuwendung,
Im Primat der romantischen Liebe wird
das «Nein» der Frau zur Verhandlungsmasse, als er sein
es besiegelt nicht das Ende des Werbens, Verhalten mit
sondern markiert erst den Auftakt für wei- Eheproblemen
tere Beweise der Ergebenheit. Zur Kunstform entschuldigte.
ritualisiert wurde das männliche Werben im
mittelalterlichen Minnesang. Der Minne-
sänger war ein eigentlicher Stalker, der sich
von seiner geliebten Hofdame nicht abwei-
sen liess. Auch wenn die höfische Rollen-
dichtung nichts über die wahren Verhältnisse
zwischen dem Sänger und der Angebeteten
aussagt, so spiegelt sie trotzdem die aktive
und die passive Geschlechterrolle des Begeh-
rens. Und auch die Anspruchshaltung, die
daraus erwächst. Die Kunstform des Wer-
bens wird irgendwann Ernst: Er will erhört
werden. Er muss erhört werden, um seiner
Männlichkeit willen.
Schon im 12.Jahrhundert verfestigte
Andreas Capellanus in seinem dreibändigen
Traktat «Über die Liebe» die Vorstellung,
unser Budget besser aussieht als das der
Debattierer meisten europäischen Länder, leichtsinnig
werden. Was mich besonders stört: Manche
reden schon von «Sparen» oder «Abbau»,
wenn das Ausgabenwachstums weniger steil
ist! Wir sparen dann nicht. Das Wachstum
ist nur schwächer als im Vorjahr. Meistens
geben wir aber substanziell mehr aus. In
Firmen heisst Sparen etwas anders.
Balthasar Glättli
Ein Korrektiv wäre der Ständerat auch, wenn
Balthasar Glättli, 45, er 13 Grüne hätte! Relevant ist nicht die CVP
ist Nationalrat der als Partei, sondern dass die Mehrheiten
Grünen aus dem anders sind als im Nationalrat. Was ich kriti-
Kanton Zürich und siere: Unsere Rechnungen schnitten in den
seit 2013 Fraktions­ letzten zehn Jahren total 25 Milliarden besser
chef. Er führt eine ab als budgetiert. Jahr für Jahr werden die
Einzelfirma für Kam­ Einnahmen zu tief, die Ausgaben zu hoch
pagnenberatung und geschätzt. Das Gleiche gilt beim Konjunktur-
Webdesign. Faktor. Dieser Faktor entscheidet im Rahmen
der Schuldenbremse, ob antizyklisch die
Ausgaben erhöht werden sollen oder nicht.
Und da wird systematisch Richtung Sparen
geschräubelt. Ein Staatsbudget funktioniert
nicht wie das private Haushaltportemon-
naie. Staatsausgaben in Konjunkturbaissen
sollen auch Wirtschaftsimpulse geben – die
Schuldenbremse, von den Rechten wegen
ihres Spardrucks gelobt, enthält eigentlich
auch eine Portion Keynesianismus!
Gerhard Pfister, 55,
ist Nationalrat der
Gerhard Pfister
Ich müsste eigentlich bei jedem Satz wider-
CVP aus dem Kanton
Zug und seit 2016
sprechen, aber das würde zu lange dauern.
Deshalb kurz: Es ist eine steile These, die
Präsident der CVP
Schweiz. Er engagiert
Schuldenbremse zu einem Tool des Keyne-
sianismus umzudeuten! Um die Schulden-
sich in Führungs­ bremse beneiden uns viele Länder. Sie ist
gremien von mitverantwortlich, dass das Nicht-EU-Land
Privatschulen. Schweiz die Verschuldungsgrenzen der EU
mustergültiger erfüllt als deren Mitglieder.
Ich bin aber bereit, darüber nachzudenken,
ob die Überschüsse nur für Schuldenabbau
verwendet werden sollen. Dafür müsste
man das Gesetz anpassen, was FDP und SVP
bisher stets abgelehnt haben. Aber diese
Woche machte die SVP eine wundersame
dass die Frau mit ihrer Gunst ein Qualitäts-
urteil über die Männer spreche: «Die Frau
muss sorgfältig untersuchen, ob der um
ihre Liebe Werbende auch würdig ist,
geliebt zu werden, und wenn sie ihn ganz
und gar würdig findet, darf sie ihm keines-
falls ihre Liebe vorenthalten.» Die Frau
hat die Macht zu wählen. Aber letztlich auch
die Pflicht zu lieben.
Dass Capellanus’ Gebot bis heute nach-
wirkt, beweisen die Amokläufe, die immer
und immer wieder im Namen der ver-
schmähten Liebe verübt werden. «Ich werde
alle Frauen dafür bestrafen, dass sie mir
Sex entzogen haben. Am Ende werdet ihr
sehen, dass ich der Überlegene bin, der
wahre Alpha-Mann», schrieb der Amokläufer
von Santa Barbara, der im Mai 2014 sechs
Menschen erschossen und dreizehn
weitere verletzt hatte, in einem Manifest,
das er hinterliess.
Der Täter machte damit auf den parado-
xen und vielleicht verstörendsten Aspekt
des Stalkings aufmerksam: Gemäss J.Reid
Meloy, Professor der forensischen Psychia-
trie in Kalifornien und Stalking-Experte,
wird mit der Auslöschung des Objektes der
Begierde der Stolz des Begehrenden wieder
hergestellt. Shakespeare hat die mitunter
tödliche Dynamik der romantischen Liebe
vorweggenommen, als er Othello sagen liess:
«I will kill thee, and love thee after.» («Ich
werde dich töten und danach lieben.»)
Nicole Althaus ist Chefredaktorin Magazine
bei der «NZZ am Sonntag».
Bekehrung durch, und will nun mit den
Linken Überschüsse in die AHV umleiten.
Ohne eine gesetzliche Grundlage, nota bene.
Widersprüchlicher geht gar nicht mehr.
Balthasar Glättli
Beim Schluss begonnen: Da sind wir Grünen
etwas katholischer. Wenn die SVP sich
bekehrt, vergeben wir und empfangen den
verlorenen Sohn mit offenen Armen. Natür-
lich stimmten wir der Stärkung der AHV zu
– wenn eine Mehrheit dies im Budget will,
kann sie auch die nötigen Gesetzesgrund-
lagen schaffen. Zur Schuldenbremse: Ja, Sie
haben recht. Die Schuldenbremse ist natür-
lich eine bürgerliche finanzpolitische Selbst-
entmachtung. Und doch bleibe ich dabei: Mit
dem K-Faktor wurde die keynesianische Idee
des antizyklischen Ausgabeverhaltens in die
Formel integriert. Darum ist es sogar nach
der internen Logik der Schuldenbremse pro-
blematisch, wenn dieser Faktor falsch
bestimmt wird. So wurde vor einem Jahr der
K-Faktor für 2017 auf 1,005 festgelegt. In der
aktuellsten Hochrechnung erhöht er sich auf
1,01. Tönt technisch. Aber es heisst: Wir
werden 2017 einen strukturellen Überschuss
von sage und schreibe 1,5 Milliarden Franken
produzieren. Das ist schlicht unklug.
Gerhard Pfister
Verzeihen Sie mir den Katechismus: Ein Par-
lamentsentscheid ohne gesetzliche Grund-
lage ist schlicht und einfach ungesetzlich,
und nicht katholisch. Wenn das einreisst,
dann gute Nacht Rechtssicherheit. Gerade
solche Aktionen sind typisch dafür, dass im
Nationalrat die Budgetberatung zur Symbol-
politik der Linken und der SVP verkommt.
Man demonstriert die eigene Ideologie und
hofft insgeheim, dass der Ständerat alles
wieder zurechtrückt. Das hat nichts mehr
mit einer konsistenten Finanzpolitik zu tun,
wie es im Ständerat FDP und CVP durch-
setzen können. Ihre 13 Grünen – wenn sie
denn dort sässen – würden vermutlich auch
in der kleinen Kammer nationalrätliche
Unsitten einführen.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Alles, was Recht ist
sein? Oder
bloss gelten?
Markus Felber
M
anchmal müsse er
zähneknirschend einen
Schuldigen freispre-
chen, weil die Beweise
für eine Verurteilung
nicht ganz ausreichten,
meinte unlängst ein Richter in Zürich. Er
zog sich damit den Zorn der Anwaltschaft
zu. Ein Verteidiger verstieg sich sogar zur
Behauptung, wer freigesprochen werde,
habe die fragliche Tat nicht begangen.
Das ist eine Überspitzung der
Unschuldsvermutung, die darauf zurück-
zuführen ist, dass Juristen ab und zu
vergessen, dass es neben der juristischen
auch noch eine wirkliche Wirklichkeit
gibt. Und die lässt sich im klassischen
Indizienprozess nicht immer zuverlässig
ermitteln. Ist ernsthaft zu bezweifeln,
dass der Angeklagte der Täter ist, muss er
freigesprochen werden. Auch wenn
weiterhin möglich, wenn auch weniger
wahrscheinlich ist, dass er die Tat doch
begangen hat. Ebenfalls denkbar ist, dass
der klare Beweis für die Schuld des An-
geklagten sogar auf dem Tisch liegt, aber
aus prozessualen Gründen nicht darauf
abgestellt werden darf. Gibt es keine
anderen ausreichenden Beweise oder
Indizien, muss das Gericht den Angeklag-
ten freisprechen, obwohl feststeht, wer
der Täter ist.
Wer auch in solchen Fällen behauptet,
der Freigesprochene habe die Tat nicht
begangen, wird ausserhalb der Blase, in
der Juristen leben, nur auf Kopfschütteln
stossen. Es gilt zu differenzieren: Auf der
rechtlichen Ebene gilt der Freigespro-
chene als unschuldig und darf auch nicht
indirekt über eine Kostenauflage bestraft
werden. Ob er dagegen die Tat begangen
hat, ist eine Frage der Lebenswirklichkeit,
an der die rechtlichen Regeln nichts
zu ändern vermögen. Hier gilt: Es ist nicht
klar, oder es steht aufgrund nicht ver-
wertbarer Beweise sogar fest, wer der
Täter ist. Nicht ganz auszuschliessen ist
allerdings, dass der Europäische Gerichts-
hof für Menschenrechte in seinem Eifer
eine derart differenzierte Betrachtung
als Verletzung der Unschuldsvermutung
werten könnte.
Markus Felber war NZZ-Bundesgerichts­
korrespondent.
Strittis Schlagzeile
Zu den Verfehlungen des Walliser
Nationalrates Yannick Buttet.
Muss der Vatikan
das Gelübde der
Keuschheit auch
für CVP-Politiker
verfügen?
Hermann Strittmatter ist Gründer und Leiter
der Werbeagentur GGK in Zürich.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Nachruf
Alles ausser Schauspieler
Peter Berling, gelernter Maurer und Grafiker, der für Fassbinder und Fellini als Produzent arbeitete, in über
130 Filmen auftrat und schliesslich Schriftsteller wurde, ist 83-jährig gestorben. Von Daniel Meier
W
elche Rolle er spielen würde,
erahnte Peter Berling jeweils
erst, als er die Verkleidung sah,
die man ihm für die neue Folge
hingelegt hatte. Zum Beispiel eine Krone, eine
SS-Uniform oder ein Bischofsgewand. Hinter
der Kamera sass der Fernsehproduzent Alex-
ander Kluge und stellte Fragen, doch zu sehen
war immer nur Berling, der ohne Vorberei-
tung, aber mit grossem Ernst seine Figur ver-
körperte. Alles baute auf Spontanität und viel
historischem Wissen auf. Einmal berichtete er
als römischer Centurion Marcus Thrax, mit
Helm und Brustpanzer, anschaulich aus
seinem Alltag als Vollstrecker. Auf die Frage,
warum der Gekreuzigte in die Leber gesto-
chen werde, reagierte er fast empört: «Er wird
überhaupt nie in die Leber gestochen, das ist
so eine komische Legende, die diese Christen
eingeführt haben. Es geht um ein Ritzen des
Köpers, um zu sehen, ob der Tod eingetreten
ist, ob Blut austritt oder Lymphe. Das ist
alles.»
Geboren wurde Peter Berling 1934 in
Meseritz im heutigen Polen als ältestes von
vier Kindern. Bald zogen sie nach Osnabrück.
Dort erlebten sie, im Keller kauernd, die
Luftangriffe. Am Morgen suchten die Kinder
in den zerstörten Strassen jeweils nach den
schönsten Splittern. Beide Eltern waren
Architekten. Die Mutter Asta stammte aus
St. Petersburg, sie sprach mit den Kindern
manchmal Russisch. Da sich Peter in der
Schule ordentlich machte und sportlich war,
wählte man ihn für die Nationalpolitische
Lehranstalt, ein Eliteinternat der Nazis. «Ich
Max Kriemler, 95
E
r war die prägende Figur hinter der
einzigen Schweizer Modemarke von
Weltrang, hinter der Firma Akris, die
stets so alt war wie Max Kriemler
selbst. Seine Mutter hatte sie 1922 gegründet,
als er zur Welt kam. Alice Kriemler-Schoch
nähte in St. Gallen mit Hilfe einer Lehrtoch-
ter und zwei Nähmaschinen Schürzen und
bestickte sie, statt mit ihrem ganzen Namen,
nur mit der Abkürzung Akris. «Meine Mutter
bediente mit einem Fuss das Pedal der Näh-
maschine und mit dem andern schaukelte sie
meine Wiege», erzählte Max Kriemler. Er
studierte später an der Universität St. Gallen
und wollte Diplomat werden. Als er 22 Jahre
alt war und eben die Offiziersschule absol-
vierte, starb der Vater. Seine Mutter bat ihn,
ihr im Geschäft zu helfen. Er willigte ein für
ein Jahr. Es wurden 68 Jahre daraus. Max
Kriemler hörte erst mit 90 auf zu arbeiten.
Er baute Akris zur führenden Modemarke
aus, die weltweit über tausend Mitarbeiter
beschäftigt, aber ihr Zentrum bis heute in der
Schweiz, genauer in St. Gallen, hat. Sie steht
für zurückhaltende Eleganz und höchste
Qualität. Angelina Jolie zählt ebenso zu ihren
Kundinnen wie Doris Leuthard. Kriemler
hatte das Glück, dass zwei seiner drei Kinder
in die Firma einstiegen. Ein Sohn übernahm
die kreative Leitung, ein zweiter die
Geschäftsführung. Max Kriemler ist an Herz-
versagen gestorben. (tis.)
Shadia, 86
W
enn sie sang, lag ihr die arabi-
sche Welt zu Füssen. Shadia
war der Star der goldenen Ära
der ägyptischen Unterhaltungs-
industrie zwischen den fünfziger und siebzi-
ger Jahren. Sie drehte über 100 Filme und
nahm Hunderte von Songs auf. Ihre Rollen
reichten vom romantischen Mädchen bis zur
städtischen Karrierefrau. Fatma Ahmed
Shadia in den frühen fünfziger Jahren.
Meinungen
darf auf die Napola», jubelte der Bub. Sofort
teilte die schockierte Mutter der Schule mit,
Peters Gesundheit sei dafür viel zu schwach.
Der Sohn war tief enttäuscht. Von seinen
jüdischen Wurzeln erfuhr er erst nach dem
Krieg. Der Vater Max hatte 1929 seinen
Namen ändern lassen, Berling statt Berliner.
Zunächst neigte der Jugendliche ebenfalls
der Architektur zu. Für eine Kirche, die sein
Vater entwarf, gestaltete er das Altarfenster.
Doch beim Abitur scheiterte er. Zu faul sei er
gewesen, fand er selber. Ihn interessierte nur
ein Fach, Geschichte. Um doch noch studie-
ren zu können, musste er ein Praktikum auf
dem Bau vorweisen. Also machte er eine
Kamal Shaker, wie Shadia eigentlich hiess,
galt als moderne Frau. Sie heiratete dreimal
und hatte keine Kinder. Zwei der Ehemänner
waren auch Schauspieler. Über die Anfänge
ihres Lebens in Ägypten ist wenig bekannt,
es kursieren verschiedene Geburtsdaten. Das
am häufigsten genannte Geburtsjahr ist 1931.
Shadia soll als jüngstes von sechs Kindern
im Gouvernement Scharkia im östlichen
Nildelta auf die Welt gekommen sein. Mit
13 Jahren drehte sie den ersten Film.
Gut vierzig Jahre später zog sie sich abrupt
aus der Öffentlichkeit zurück. Von da an
lebte sie abgeschieden, wandte sich dem
Islam zu und trug einen Hijab. Sie, die auf
der Bühne schon in den fünfziger Jahren
einen Kurzhaarschnitt zur Schau stellte,
verdeckte nun jedes Haar. «Ich will nicht
warten, bis ich langsam aus dem Rampen-
licht verschwinde», erklärte sie damals
einem Journalisten. Sie wolle nicht die Rolle
von alten Müttern mit Falten spielen, son-
dern den Zuschauern als schöne Frau in Erin-
nerung bleiben. Shadia starb am Dienstag an
den Folgen eines Schlaganfalls. (ria.)
Verena Stefan, 70
I
hre Eltern stellten sich ihre Tochter
gerne als «Gymnasiallehrerin mit Mann
und Kind» vor. Sie aber habe fast alles
anders gemacht, sagte Verena Stefan
einmal in einem Interview: «Ich habe eine
unsichere Existenz gewählt und bin eine
radikale lesbische Feministin geworden.»
Die Autorin Verena Stefan, Tochter eines
Deutschen und einer Schweizerin, kam 1947
in Bern zur Welt und wuchs mehrheitlich bei
ihren Grosseltern auf. Nach der Matur zog
sie nach Berlin, gründete die feministische
Gruppe «Brot und Rosen» mit und veröffent-
lichte 1975 als 28-Jährige den Roman «Häu-
tungen», der gerne als «Bibel der Frauen-
bewegung» bezeichnet wird. In dem Buch,
verfasst in damals modischer Kleinschrei-
bung, beklagte Stefan, auch in der linken
Szene gelte eine Frau nur etwas, wenn sie
«teil eines paares» sei und mit einem Mann
den «gemeinsamen orgasmus» kultiviere. Ihr
Fazit: «ich beherberge keinen mann mehr».
Im Jahr 2000 wanderte sie von Deutschland
nach Kanada aus. In Montreal entstand 2007
ein Roman über ihre Krebserkrankung. Sie
gab ihm den Titel «Fremdschläfer», womit
sie ihren Tumor meinte. 2014 veröffentlichte
sie das Buch «Die Befragung der Zeit», in dem
sie die Geschichte ihres Grossvaters Julius
Brunner erzählte, eines Berner Landarzts,
der in den vierziger Jahren illegale
Abtreibungen vornahm und deswegen in die
Mühlen der Justiz geriet. (tis.)
21
Maurerlehre samt Gesellenprüfung. Danach dabei. «Schauspieler bin ich nie gewesen»,
TEUTOPRESS / IMAGO
begann er das Studium, nur um sich nach sagt er. Sich lange Texte zu merken, sei ihm
einem Semester einzugestehen, dass es doch zu streng, ausserdem nuschle er. Doch
der falsche Weg war. Stattdessen wurde er gerade das Nuscheln, die imposante Statur
Grafiker, gestaltete Firmenlogos oder die und die verquollenen Augen machen ihn
Inneneinrichtung eines Jazzklubs. aus. Sein Idealgewicht, verkündet er, liege
Mitte der fünfziger Jahre lebt Peter Berling bei 125 Kilogramm. Er hält es nicht immer.
in München. In der gleichen Strasse wohnt In seinem Leben gibt es viele Frauen. Mit
Alexander Kluge. Ob er einen Kurzfilm für der 68er-Bewegung kann er wenig anfangen.
ihn produzieren wolle? Berling sagt zu, ohne Sex sei davor entspannter gewesen, findet er.
zu wissen, was zu diesem Job gehört. So wird Aber die grosse Liebe, die hat er verpasst.
er Filmproduzent und lernt die Szene des Seine Jugendliebe stirbt mit 19 an Leukämie.
Neuen Deutschen Films kennen. Eine junge Da schwört er sich, nie wieder solchen
Agentin will ihn davon überzeugen, für einen Schmerz empfinden zu wollen. «Seitdem
gewissen Rainer Werner Fassbinder zu pro- herrscht in mir eine Kühle des Herzens.»
duzieren. Noch bevor er den Regisseur ken- Aus dem Filmgeschäft zieht sich Berling in
nenlernt, landet er mit der Frau im Bett. Wie den neunziger Jahren abrupt zurück. In
sich herausstellt, ist die Agentin auch Fass- Rom, wo er seit 1969 lebt, schreibt er fortan
binders Verlobte. Trotzdem arbeiten sie über historische Romane, keiner davon hat unter
Jahre eng zusammen. 700 Seiten. Jeden Tag setzt er sich um 18 Uhr
Berling produziert später auch für Werner an den Schreibtisch, um 23 Uhr geht er in die
Nichts interessierte Herzog, Federico Fellini und andere. Man Osteria, von 1 bis 5 Uhr schreibt er weiter und
ihn so sehr wie nennt ihn «Don Chaos». Wegen unbezahlter schläft dann bis 11 Uhr. Seine Bücher wie
Geschichte: Peter Rechnungen kommt er einmal in Beugehaft. «Die Kinder des Grals» werden Bestseller.
Berling. (Frankfurt, «Ein Produzent, der sich an die Regeln hält, Zwischendurch fliegt er von Rom nach
13. Oktober 2011) endet als Buchhalter», findet Berling. München, um mit Kluge fürs Fernsehen eine
Schon früh tritt er auch als Schauspieler Folge der Serie «Facts & Fakes» zu drehen.
auf. Es sind 130 meist kleine Rollen, aber Über 100 Figuren kommen zusammen.
stets an der Seite von Weltstars, etwa Klaus Neben dem Centurion Thrax spielte Berling
Kinski in «Fitzcarraldo», mit Sean Connery in etwa einen Erzbischof, einen Schlepperkapi-
«Der Name der Rose» von Jean-Jacques tän, einen Stenografen der Nazis, einen grie-
Annaud oder mit Leonardo DiCaprio in chischen Patriarchen und – kurz vor dem
«Gangs of New York» von Martin Scorsese. 11.September 2001 – einen Islamisten.
Die Engagements sucht sich Berling oft Bei allem, was Berling gemacht hat, ange-
anhand der Drehorte aus. Geht es in die stellt war er nie. «Ich fand es immer schön,
Wüste oder den Dschungel, ist er sofort nicht zu wissen, was morgen ist.»
Das historische Bild Papua-Neuguinea, 24. Oktober 1943
Kriegsgefangene
zu enthaupten, ist
keine Erfindung des
Islamischen Staates.
Krieg war stets ab-
scheulich, das
humanitäre Völker-
recht nicht immer
oberste Richtschnur
für alle. Etwa im
Zweiten Weltkrieg
im Pazifik.
Der australische
Soldat Leonhard
Siffleet ist Teil
einer Aufklärungs-
patrouille in Papua-
Neuguinea, die von
Einheimischen auf-
gegriffen wird.
Diese übergeben
Siffleet und zwei
weitere Männer den
Japanern, welche
die Insel besetzt
halten. Die Japaner
verhören die Gefan-
genen, foltern sie
und exekutieren
sie dann unten am
Strand. Der Offizier,
der Siffleet köpft,
hat einen Kollegen
beauftragt, ihn bei
seiner Tat zu foto-
grafieren. Amerika-
nische Truppen ent-
decken das Bild
später, im April
1944, bei einem
toten japanischen
Soldaten. Es wird
als Propaganda
benutzt und er-
scheint in den USA
in vielen Zeitungen.
Das ist der Unter-
schied zum Islami-
schen Staat. Heute
nutzen nicht Opfer
solche Bilder als
Propaganda. Es sind
die Täter. (tis.)
 22
WieRoboterunstöte
Mini-Drohnen, die Menschen jagen und erschiessen – Wissenschafter
weltweit schlagen Alarm und warnen vor der nächsten Generation
intelligenter Waffen. Sie töten ohne menschliches Zutun. Ihre
Entwicklung ist so gut wie vollendet. Was geschieht, wenn sie in die
Hände von Terroristen gelangen? Von Andreas Mink, New York
D
er Tod kommt als leise sur-
rendes Geschwader. Propel-
ler-Drohnen, nicht viel gröss-
er als Fünfliber, schweben
über ein Waldstück irgendwo
im amerikanischen Hinter-
land. In der Ferne taucht ein
Universitätscampus auf. Die kleinen Maschi-
nen steuern eines der Gebäude an, ein Dut-
zend setzt an der Aussenwand an und sprengt
ein Loch ins Gemäuer. Die übrigen dringen
ein, jagen durch enge Gänge direkt in einen
vollen Hörsaal. Ihre Sensoren gleichen gespei-
cherte Personendaten und Bilder mit den
Menschen im Raum ab und saugen sich an
deren Köpfen fest. Dann töten sie – mit einem
Bolzenschuss direkt ins Gehirn.
Das Massaker ist Teil eines kurzen Videos,
das seit zwei Wochen im Internet kursiert und
schon millionenfach angeklickt wurde.
«Slaughterbots» heisst es. Und es ist eine Fik-
tion. Im Moment zumindest noch – sagt Stuart
Russell am Ende des Films. Russell ist Infor-
matik-Professor an der renommierten Univer-
sity von Kalifornien in Berkeley. Er forscht seit
Jahrzehnten im Bereich der künstlichen Intel-
ligenz. Bisher betrachtete er diese als grossen
Segen für die Menschheit. Jetzt hat er seine
Meinung geändert. Künstliche Intelligenz ist
für ihn nun vor allem eine Gefahr von noch
nicht abschätzbaren Ausmassen.
Denn dass Todesgeschwader aus Mini-
Drohnen ohne menschliche Steuerung ge-
zielte Attacken fliegen, sei keine Spekulation
mehr. Die Technologie für die Produktion von
Schwärmen von Killerdrohnen sei vorhanden,
sagt er. «Es bleibt nicht mehr viel Zeit, diese
Bedrohung abzuwenden.»
Die Drohnen im Film werden mit Personen-
profilen gefüttert, die Computer aus den
sozialen Netzwerken gefiltert haben. In die-
sem fiktiven Fall sind es Studenten, die einen
Korruptionsfall aufgedeckt haben und daher
beseitigt werden sollen. Da die kleinen Killer
mit Software für Gesichtserkennung ausge-
rüstet sind, können sie ihre Opfer selbständig
aufspüren und identifizieren. Im Video surrt
eine Drohne wie eine aufsässige Wespe durch
den Saal bis sie ihr Opfer unter einem Tisch
gefunden hat. Dann schlägt sie zu.
Drohnen, Gesichtserkennung, künstliche
Intelligenz – es ist alles schon entwickelt. Dar-
aus eine Waffe zu bauen, ist laut Stuart Russell
Hintergrund International NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
innert kurzer Zeit möglich. «Das US-Militär
STUART RUSSELL / FUTURE OF LIFE INSTITUTE
wäre innerhalb von 18 Monaten in der Lage,
einsatzbereite Killerdrohnen in grosser Zahl
zu produzieren», sagt der Experte. «Prototy-
pen könnte ich während eines Semesters mit
einer Klasse Master-Studenten herstellen.»
Eine Waffe zum Discountpreis
Militärangehörige und Fachleute verwenden
für solche Maschinen den Begriff «Letale
autonome Waffensysteme» (LAWS). Sie be-
trachten diese bereits als dritte Revolution der
Kriegsführung nach der Einführung von
Schiesspulver im Spätmittelalter und von
SPACE DIGITAL
Atomwaffen am Ende des Zweiten Weltkrie-
ges. Doch autonome Waffen haben einen ent-
scheidenden Vorteil. Sie werden zu einem Dis-
countpreis erhältlich sein. «Bei einer Serien-
produktion dürften solche Drohnen zwischen
30 und 100 Dollar je Stück kosten», sagt Rus-
sell. Zudem seien LAWS theoretisch in unbe-
grenzter Zahl als Schwärme einsetzbar. Sie
wären die wahrscheinlich billigsten Massen-
vernichtungswaffen, die es je gegeben hat.
Forscher und Unternehmer schlagen nun
Eine Mini-Drohne und der tödliche Schuss in Alarm. Russell hat zusammen mit zahlreichen
den Kopf. Szenen aus dem Videofilm Kollegen die Initiative «Stop Autonomous Künstliche Intelligenz
«Slaughterbots». Weapons» gegründet. Sie will die Herstellung
und Verwendung solcher Waffen verbieten.
Das «Terminator»-Dilemm
Das Gleiche fordert die amerikanische For-
schungsstiftung Future of Life Institute. Sie
hat dazu im Sommer einen offenen Brief
publiziert. Zu den 40 000 Unterzeichnern
zählen Wissenschafter und Vertreter der
Technologiebranche wie der britische Physi- Der Begriff «Artificial Intelli- tute (Sipri) experimentiert das
ker Stephen Hawking, Tesla-Chef Elon Musk, gence» oder «künstliche Intelli- US-Militär mit fortgeschrittenem
Apple-Gründer Steve Wozniak, aber auch in genz» wird oft gebraucht, aber «Maschinen-Lernen». Doch
der Schweiz tätige Wissenschafter und Unter- eine generell akzeptierte Defini- die eingesetzten Algorithmen
nehmer wie etwa der Forscher Jürgen Schmid- tion fehlt. Zentral ist die Fähig- führen ein Eigenleben: Sie
huber, der ebenfalls als renommierter Experte keit von Software, selber dazu- schaffen «schwarze Kästen», sie
für künstliche Intelligenz gilt. zulernen. Eine künstliche Intelli- produzieren also Lernergeb-
Die Forscher warnen vor einem beispiel- genz anzulernen, bedeutet, sie nisse, die für Ingenieure nicht
losen Rüstungswettlauf: Sobald ein Land die mit Inhalten zu füttern und dem mehr überschaubar sind. Damit
Herstellung von LAWS aufnehme, beginne ein Algorithmus zu erklären, woran bringt die künstliche Intelligenz
globales Rennen mit der Konsequenz einer er Unterschiede erkennen kann. eine riskante Unberechenbarkeit
massenhaften Verbreitung von LAWS. Auto- Dafür benutzen Experten das in die Waffenentwicklung:
nome Waffen würden zu Kalaschnikows der Schlagwort «Machine Learning». Können Operateure den «Wis-
Zukunft – tödlich, billig herzustellen und all- Ein weit verbreitetes Beispiel sensstand» ihrer Maschinen
gegenwärtig. Früher oder später gerieten sie sind Bilderkennungsprogramme. nicht mehr verstehen, werden
auf den Schwarzmarkt und damit auch in die Das Prinzip kommt auch in die Entscheidungen von Syste-
Hände von Terroristen und Kartellen. der Kriegsführung zum Einsatz. men zum Rätsel.
Wahrscheinlich eher früher als später. Zu- Gemäss dem Stockholm Inter- Militärs sprechen hier vom
mindest glaubt dies Alvin Wilby. Der Vize- national Peace Research Insti- «Terminator-Dilemma» nach der

enwerden
ma
erfolgreichen Reihe von Science-
Fiction-Filmen über miteinander
vernetzte Computer und Waffen-
systeme, die vollständig auto-
nom sind, einen eigenen Willen
entwickeln, sich selbst ständig
optimieren und schliesslich
nach der Weltherrschaft greifen.
Der Berkeley-Professor Stuart
Russell betrachtet diese popu-
läre Zukunftsvision jedoch als
substanzlos: «Militärs sind nicht
an Killer-Robots mit eigenem
Kopf interessiert, sondern an
programmierbaren Systemen für
die Erfüllung präzise vorgegebe-
ner Aufgaben.»
Allerdings plädieren promi-
nente Militärs wie der Luftwaf-
fen-General Paul J. Selva für eine
forcierte Entwicklung von Waf-
fensystemen, die zu fortgeschrit-
tenem «Machine Learning» fähig
sind. Selva erklärte der «New
York Times» jüngst, Amerika
könne in zehn Jahren «vollstän-
dig unabhängige Kampfroboter
bauen, die eigenständig über
Tötungen entscheiden könnten».
Washington habe zwar keine
Absicht, dies auch tatsächlich zu
tun. Sollten aber konkurrierende
Streitkräfte «einen Terminator
entfesseln», dann wären die USA
zum Nachziehen gezwungen.
Andere Militärs fordern hin-
gegen eine ungebremste Ent-
wicklung solcher Waffen. (mnk.)
ILLUSTRATION: PATRICK OBERHOLZER
präsident der Forschungsabteilung beim fran-
zösischen Rüstungsgiganten Thales sprach
kürzlich vor einer britischen Parlamentskom-
mission. Schurkenstaaten und Terroristen
würden in «sehr naher Zukunft» autonome
Waffen in die Hände bekommen, sagte er laut
der BBC. «Der Geist ist aus der Flasche.»
Bereits heute bestückt die Terrororganisa-
tion IS Drohnen mit Granaten und bringt diese
so in feindliches Gebiet. Nur sind diese Droh-
nen ferngesteuert und nicht autonom. Noch
sind sie nur ein Transportgerät. Ein Schwarm
selbst fliegender und tötender Drohnen wäre
hingegen die perfekte Waffe für einen Terror-
anschlag auch hier im Westen.
Für Diktatoren wiederum wären solche
Kriegsgeräte ein ideales Instrumente zur Kon-
trolle der Bevölkerung und zur gezielten
«Bei einer Massen-
produktion dürfte
eine solche Drohne
zwischen 30 und 100
Dollar je Stück kosten»,
sagt der Experte.
Liquidierung von Feinden – und dies erst noch
unbemerkt. «Es ist schwierig, die Absender
hinter autonomen Waffen zu identifizieren»,
sagt Professor Stuart Russell. «Solche Systeme
eignen sich für Leute, die ungestraft Kriege
oder Bürgerkriege anzetteln, Rivalen oder ein-
fach nur Menschen umbringen wollen, die
ihnen missfallen.»
Der fiktive Film zeigt unter anderem auch,
wie elf US-Senatoren im Kapitol von Mini-
Drohnen erschossen werden, weil ihre Politik
irgendjemandem nicht zupass kam. In einer
anderen Szene wirft ein Flugzeug Hundert-
tausende der kleinen Waffen über einer Stadt
ab. «Genug, um die Hälfte der Stadt zu töten»,
sagt der Sprecher. «Die schlechte Hälfte der
Stadt.» Doch die fliegenden Killermaschinen
denken nicht wie Menschen darüber nach,
wer schlecht ist und wer nicht. Sie töten, was
ihnen einprogrammiert wurde. «Sie dringen
in Gebäude, Autos und Züge ein», heisst es im
Video. «Sie können Schüssen und Menschen
ausweichen. Sie sind nicht zu stoppen.»
Tatsächlich kann man sich gegen autonome
Waffen kaum wehren. Russell sagt, das werde
auch auf absehbare Zeit so bleiben. Er weiss,
dass Staaten und Rüstungskonzerne weltweit
intensiv an Verteidigungswaffen gegen LAWS
forschen. Dazu zählen Laserkanonen, mit
denen die US-Navy derzeit ihre Flotte ausrüs-
tet. Aber diese Abwehrwaffen seien weder zu-
verlässig noch wirklich effektiv, so Russell:
«Heutige Laser brauchen viel zu lange, um
einzelne Drohnen ins Visier zu nehmen.
Gegen Schwärme sind sie nutzlos.»
Schneller als der Mensch
Aus militärischer Sicht ist eine unbesiegbare
Waffe natürlich der ganz grosse Wurf. Die For-
scher an der schwedischen Stiftung für Kon-
fliktforschung Sipri definieren autonome Mili-
tärsysteme in einer neuen Studie anhand drei
programmierter Grundelemente: Sensoren,
die Daten sammeln, Software, um die Daten
auszuwerten und umzusetzen sowie soge-
nannte «Effektoren», um Entscheidungen
auszuführen. All dies geschieht in Sekunden-
bruchteilen und damit um Dimensionen
schneller, als das Menschen vermögen. Laut
Sipri liegt der Vorteil autonomer Systeme in
der Geschwindigkeit, der Beweglichkeit und
dem «Stehvermögen», besonders bei «öden,
schmutzigen und gefährlichen Missionen».
Weitere Pluspunkte sind die Reichweite und
Koordinationsfähigkeiten, die deutlich über
den Möglichkeiten von Menschen liegen.
Die Einführung autonomer Systeme bringt
neben erhöhter Kampfkraft auch deutliche
Einsparungen, so die Sipri-Studie. Vor allem
für das teure amerikanische Militär ist das ein
willkommener Effekt. Am stärksten treibt die
USA aber die Überzeugung an, dass eine um-
fassende Modernisierung ihrer Streitkräfte
durch autonome Systeme die Überlegenheit
Amerikas sichern kann.
Bereits heute besitzt die US-Armee Droh-
nen, die fast autonom und im Rudel jagen. Im
vergangenen Jahr veröffentlichte die Luft-
waffe ein Video, auf dem ein Flugzeug Hun-
derte kleiner Drohnen entlässt, die in Forma-
tion gehen und selbständig verschiedene Mis-
sionen ausführen. Das Einzige, was den klei-
nen Flugobjekten zur Killermaschine noch
fehlte, war die Munition.
Auch der russische Präsident Wladimir
Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi
Jinping haben längst erkannt, dass Roboter-
waffen und künstliche Intelligenz der ent-
scheidende militärische Faktor der Zukunft
sein werden. Laut Putin werde die führende
Nation im Bereich der künstlichen Intelligenz
die Weltherrschaft erlangen. Russland ver-
stärkt daher die Entwicklung «autonomer
Robotersysteme», wie es heisst. Xi Jinping sei-
nerseits will China mit massiven Investitionen
bis 2030 in eine «Supermacht der künstlichen
Intelligenz» verwandeln.
Laut den Experten von Sipri hat China be-
reits grosse Anstrengungen bei der Entwick-
lung von Robotern unternommen. Das Land
arbeite an ähnlichen Militärprojekten wie die
USA. Chinesische Firmen dominieren bereits
den Weltmarkt bei kleinen Drohnen für den
Privatgebrauch. Gleichwohl hinkt China den
USA laut Sipri noch deutlich hinterher.
Dass Amerikaner derzeit die Nase vorn
haben, verdanken sie ihrer einzigartigen
Infrastruktur bei der Grundlagenforschung
und der technischen Innovation. Daran ist
nicht allein das legendäre Pentagon-Labor
Darpa beteiligt. Auch Spitzenuniversitäten
23
Tatsächlich kann
man sich gegen
autonome Waffen kaum
wehren, und das wird
auch auf absehbare
Zeit so bleiben.
wie das Massachusetts Institute of Techno-
logy (MIT) zählen dazu. Das Militär betreibt
zahlreiche Programme, die alle Elemente von
LAWS separat bereitstellen. Zum Beispiel das
sogenannte «Code-Project» für Drohnen, die
weder durch Wetter noch durch elektro-
magnetische Störungen von der Zielfindung
abzubringen sind. Oder die Mikro-Technolo-
gie zur Steuerung winziger Sprengkörper.
Auch Google investiert
Partner bei den erwähnten Drohnen der Luft-
waffe ist aber das Lincoln Laboratory am MIT.
Wer den offenen Brief des Future of Life Insti-
tute gelesen hat, muss hier stutzen. Tatsäch-
lich arbeiten führende Forschungseinrichtun-
gen an amerikanischen Universitäten seit dem
Zweiten Weltkrieg eng mit dem Militär und
den Geheimdiensten wie CIA oder NSA zu-
sammen. Das Engagement wichtiger Wissen-
schafter gegen autonome Waffen wirft des-
halb die Frage auf: Warum bringen die besorg-
ten Forscher nicht zuerst die eigenen Institu-
tionen und Geldgeber von einer Beteiligung
an Projekten ab, die auf einsatzfähige LAWS
hinauslaufen?
Eine ähnliche Grauzone tut sich in der
Hightech-Branche auf. Dort investieren
Giganten wie Google und Amazon Milliarden
von Dollar in die Entwicklung autonomer Sys-
teme. Die Konzerne wollen freilich nichts mit
dem Militär und schon gar nicht mit Killer-
drohnen zu tun haben. Aber Software und
Hardware unterscheiden sich bei zivilen und
militärischen Anwendungen im Grunde nicht.
«Ob Ihnen eine Drohne Blumen ins Haus
bringt oder eine Bombe, ist der Technik
gleichgültig», sagt Professor Stuart Russel.
Dies gilt besonders für Hardware-Unterneh-
men wie Intel. Der Chip-Hersteller hat im
Sommer für 15 Milliarden Dollar die israeli-
sche Mobileye übernommen, die eine Schlüs-
selrolle bei der Herstellung von Prozessoren
für selbstfahrende Autos spielt. Diese Techno-
logie sei aber auch für Waffen verwendbar, er-
klärt Russell.
Die durch autonome Waffen drohenden
Risiken sind amerikanischen Politikern und
Offiziellen ausserhalb des Militärs jedoch
kaum bewusst. Dies gelte – von China und
Russland abgesehen – für die meisten Staaten,
sagt Russell. Davon ist er nach vielen Gesprä-
chen mit zivilen Entscheidungsträgern welt-
weit überzeugt. Deshalb hat seine Allianz das
«Slaughterbots»-Video kurz vor einer Exper-
tenrunde der Vereinten Nationen zu autono-
men Waffen online gestellt. Diese fand vor-
letzte Woche in Genf statt. Doch die Gesprä-
che endeten vor wenigen Tagen erneut nur
mit einer Vertagung auf das kommende Jahr.
Russell betrachtet die Verhandlungen
ohnehin als Pflichtübung von Diplomaten, die
nicht auf konkrete Fortschritte angelegt sei. Er
führt dies auf die Interessen der Grossmächte
zurück. 22 Staaten wie Ägypten und Mexiko
drängen zwar auf ein Verbot von LAWS. Aber
die USA, China, Russland und auch die
Schweiz blockieren Fortschritte mehr oder
weniger offen. Dabei nähmen die USA eine
«schizophrene Haltung ein», seit die Regie-
rung unter Barack Obama die Entwicklung
von autonomen Waffen 2012 vorerst offiziell
gestoppt habe, sagt Russell. Das Weisse Haus
unter Donald Trump hat dazu noch keine Stel-
lung genommen.
Gleichzeitig arbeiten das Pentagon und sei-
ne Dienstleister in Wirtschaft und Forschung
fleissig daran, das solche Waffen so schnell
wie möglich zur Verfügung stehen.
Das Video zum Text
Das erwähnte Video «Slaughterbots» finden Sie
bei der Online-Version dieses Artikels unter:
nzz.as/killerroboter
 24
«Wasdürfenwir
noch?»–«Merktihr
esdennnicht?»
Die Diskussion um sexuelle Belästigung reisst nicht ab. Doch warum diskutieren
die Männer kaum mit? Und was hat das mit den Frauen zu tun? Ein ehrliches
Gespräch über Rollenklischees, die Angst vor Feministinnen und körperlicher
Überlegenheit. Aufgezeichnet von Anna Miller
D
a war sie wieder, die Frage,
wie wir als Zeitungsredak-
tion nun mit dem Weinstein-
Skandal umgehen sollen. Mit
der #MeToo-Debatte, mit
den Anzeigen und Auf-
deckungen sexueller Belästi-
gung, die täglich vermeldet werden, auf der
ganzen Welt. Gut, fanden die einen, endlich
tut sich was. Genug, fanden die anderen,
diese Enthüllungen nerven nur noch. Aber
loslassen konnten wir die Fragen nicht, die
sich daraus ergaben. Weil wir ahnten, wie
wichtig die Debatte über Sexismus ist. Wir
fragten uns vor einigen Tagen an der Redak-
tionssitzung, was das nun bedeutet, für das
Verhältnis zwischen Mann und Frau. Und wie
man dieses Thema aufarbeiten kann.
Und wir gerieten uns darüber in die Haare,
verstanden die Ansicht des anderen nicht.
Die Männer fragten: Was darf man denn jetzt
überhaupt noch? Und die Frauen fragten:
Merkt ihr das nicht selber? Es wurde rasch
klar: Redebedarf gibt es genug. Also haben
sich drei Redaktorinnen und drei Redaktoren
der «NZZ am Sonntag» letzte Woche an einem
Abend zusammengesetzt.
Sechs Menschen, zwischen 30 und 50 Jah-
ren alt, Verheiratete und Ledige, solche mit
und solche ohne Kinder. Sie haben versucht,
herauszufinden, warum Männer manchmal
vorpreschen und Frauen sich zieren, warum
sich der Mann nicht in die Feminismus-
Debatte einmischt und warum Frauen sich
das unbedingt wünschen. Es wurde ein langer
und manchmal auch lauter Abend.
Männer: Nehmen wir an, ich stehe mit einer
Frau auf dem Üetliberg, es ist romantisch, ich
SCHENKEN SIE SICH
IHREN TRAUMTEPPICH
pfister.ch/TEPPICHE
Hintergrund Gesellschaft
versuche, sie zu küssen. Sie will aber nicht. Ist
das jetzt schon ein Übergriff ?
Frauen: Fragt ihr euch das tatsächlich?
Kennt ihr denn den Unterschied zwischen
einer sexuellen Belästigung und einem Flirt
nicht?
Natürlich, aber ein Kuss ist mehr als ein Flirt.
Und wir stehen in einer Zeit, in der jeden Tag
neue Skandale über sexuelle Belästigung an die
Öffentlichkeit kommen. In den Medien wird
breit über Sexismus und Diskriminierung dis-
kutiert. Da fragt man sich als Mann ja auch
einmal: War ich irgendeinmal in meinem Le-
ben übergriffig und habe es gar nicht gemerkt?
Käme ich heute dafür dran? Habe ich meine
Macht missbraucht? Und die Frau hat sich ein-
fach gefügt und nichts gesagt? Und darum die
Frage: Wenn ich eine Frau zu küssen versuche,
und sie will nicht. Ist das ein Übergriff ?
Aber die Grenzen des Gegenübers spürt
man doch. Ihr habt ja einen inneren Kom-
pass. Oder nicht?
Ihr macht es euch etwas gar einfach. Auf dem
Üetliberg ist die Sache dann eben doch kompli-
ziert. Ihr erwartet doch, dass wir aktiv werden.
Ihr sendet Tausende Signale, die wir dann ent-
schlüsseln müssen, um herauszufinden, ob ihr
wollt oder nicht. Als Mann suchst du nach all
den hundert Zeichen der letzten paar Stunden,
nach den Jas, nach den Neins. Es war ein schö-
nes Abendessen, ein Pluspunkt. Die leichte
Schulterberührung beim Spaziergang, war sie
zufällig? Bist du interessiert? Bist du es doch
nicht?
Mir ist das absolut schleierhaft. Vor dem
eigentlichen Kuss gibt es doch bestimmt Dut-
zende von Situationen, in denen man ab-
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
tasten kann, ob die Frau sich grundsätzlich
hingezogen fühlt oder nicht. Wenn sich mein
Körper versteift, wenn du meinen Arm
berührst, dann heisst das: Es ist mir
unangenehm.
Aber die
Grenzen des Das tönt so, als wäret ihr euch immer total
Gegenübers sicher, was ihr wollt. Ist das so?
spürt man Na ja, nicht wirklich. Wir tasten uns ja
doch. Habt ihr auch erst einmal vor, schauen, ob ihr uns ge-
keinen inneren fallt, flirten, nähern uns an. Auch wir riskie-
ren, einen Korb zu kriegen, wenn wir unsere
Kompass? Gefühle offenbaren oder in die Offensive
gehen. Das geht uns doch allen so. Ihr
scheint aber oft irgendwie getrieben. Das
zögerliche Anpirschen hat doch seinen Reiz.
Ihr erwartet ja, dass wir alles richtig machen.
Wer sagt das denn?
Ich bitte dich, die meisten Frauen erwarten
immer noch, dass der Mann den ersten Schritt
macht, und damit ist er auch der, der den Feh-
ler macht. Nehmen wir die Situation auf dem
Üetliberg. Ich bin nervös, ich habe Stress. Aber wir können ja selbst aktiv werden,
Wieso? wenn wir Interesse haben.
Weil es mein Wunsch ist, dass wir zusammen- Und wie oft macht ihr das?
kommen, oder uns zumindest näher kommen. Ich habe das Gefühl, dass ihr es nicht
Ich muss die Gelegenheit ergreifen, sonst bin mögt, wenn wir die Initiative ergreifen. Für
ich noch dran schuld, dass nichts aus uns wird. viele Männer sind Frauen doch abgeschrie-
Ich will klare Verhältnisse. ben, wenn sie sich aus der Deckung wagen.
Das ist doch das Schöne am Ganzen, diese Sie denken: wie forsch, wie aggressiv.
Unklarheit. Das macht es spannend. Es ist
ein Spiel. Das ist doch Quatsch. Als aggressiv werden nur
die Männer wahrgenommen. Wenn ich ver-
Für euch vielleicht. Ihr könnt ja in diesem Spiel suche, dich zu küssen, und du willst nicht,
auch nicht verlieren. Die Frau wartet ab, der könntest behaupten, ich habe dich miss-
Mann handelt und wird dann zum Aufreisser. braucht. Der Diskurs hat sich verschoben: Das
17
Bis 17.12 .20
15 % auf alle
Teppiche

Der starke Mann, der erobert: Viele Frauen träumen noch immer von einem Mann wie Clark Gable im Film «Vom Winde verweht».
Äquivalent zur körperlichen Überlegenheit ist
die juristische. Und wenn ihr jemanden bezich­
tigt, sexuell übergriffig geworden zu sein, dann
ist der Mann tot. Ihr habt ihn in der Hand.
Die ist sicher berechtigt, wenn tatsächlich
etwas passiert ist. Alles andere wäre ja per­
fid. Es brauchte sechzig Frauen, die gegen
Bill Cosby aussagten, damit die Öffentlich­
keit endlich den Opfern glaubte! Nach vielen
Übergriffen ist die Argumentation heute
noch: Du bist doch selber schuld! Du hast
dich eben aufreizend angezogen, dich falsch
benommen! Habt ihr tatsächlich Angst vor
falschen Anzeigen?
Es reicht ja schon, dass geredet wird, eine An­
zeige braucht’s nicht einmal. Ich möchte nicht
plötzlich ins Zwielicht geraten. Oder unter
Generalverdacht stehen, nur, weil ich ein
Mann bin. Meinst du, Frauen begegnen mir
gerne in einer dunklen Gasse? Ich sehe nicht
sehr vertrauenswürdig aus. Lustig ist das
nicht. In einigen Bereichen hat sich der Diskurs
gegen uns Männer gewendet. Plötzlich wird
theoretisch jede Situation verfänglich. Ich
überlege mir, wo mein Blick hingeht. Ich ver­
suche zu vermeiden, den Frauen ins Décolleté
zu schauen. Ich wechsle im Dunkeln die Stras­
senseite, damit sich die Frau vor mir sicherer
fühlt. Ich bremse ab, wenn ich zu nah auf­
schliesse. Der Durchschnittsmann will sich
keinen zweifelhaften Ruf einhandeln. Ihm ist
wichtig, was Frauen über ihn denken.
Ihr erlebt wohl gerade etwas, das ihr in
dieser Form einfach lange nicht kanntet. Für
uns ist es völlig normal, verunsichert zu sein,
auf der Hut. Wir überlegen uns ständig, wie
wir wirken, welches Verhalten wir bei einem
Mann auslösen könnten.
Warum denkt ihr so viel herum und macht
nicht einfach? Das verlangt ihr von uns auch.
Wenn es hart auf hart kommt, dann bin ich
als Frau einem normal starken, erwachsenen
Mann rein körperlich unterlegen. Das ist eine
Tatsache, die ich immer mitdenke, egal
wann, egal wo. In der Tiefgarage, im Park.
Weil: Wenn der Mann wollen würde, könnte
er mich überwältigen.
So habe ich das noch nicht gesehen.
Natürlich ist das so. Ich bin ja darauf ange­
wiesen, dass du mir freiwillig nichts tust. Das
ist für mich ein starker Ohnmachtsgedanke.
Ich muss als Frau so etwas mitdenken, und
ich finde, das Bewusstsein für diese Tatsache
ist bei vielen Männern nicht da.
Aber Menschen sind ja überall auf der Welt auf
die Gutmütigkeit des anderen angewiesen, im
Geschäftsleben auch. Du gibst ja Vertrauens­
vorschuss, das ist doch ganz normal. Diesen
gibst du beim Kennenlernen eben auch. Als
Frau und als Mann gleichermassen.
Aber im sexuellen Bereich ist dieser Ver­
trauensvorschuss ungleich verteilt, weil die
körperliche Kraft reinspielt.
Der Sound der Debatte gefällt mir trotzdem
nicht. Dieses ganze «Okay, nicht okay», an
amerikanischen Colleges gibt es Verträge, die
das korrekte Verhalten regeln. Plötzlich wer­
den an Berliner Schulen Gedichte zensiert,
alles wird gleich dramatisiert und zu Tode
diskutiert, als seien alle Männer nur noch
Wie das Gespräch zu lesen ist
Eine Debatte zwischen
«Mann» und «Frau»
Das Gespräch fand im Restaurant Volkshaus
in Zürich statt. Sechs Redaktorinnen und
Redaktoren der «NZZ am Sonntag» nahmen
teil: Nicole Althaus, Christine Steffen, Anna
Miller, Michael Furger, Chanchal Biswas und
Thomas Isler. Aus Gründen der Lesbarkeit
werden die Aussagen der einzelnen Teil-
nehmer jeweils dem Geschlecht zugeordnet
abgebildet. So liest sich das Gespräch nun
als Debatte zwischen «Mann» und «Frau».
Zudem war es das Ziel, dass sich alle Teil-
nehmer und Teilnehmerinnen möglichst
offen äussern.
Täter und die ganze Welt sei unglaublich
ungerecht.
Aber der Alltag ist nun einmal voll von un­
klaren Situationen. Die klaren Übergriffe, die
Vergewaltigungen, über die würde kaum je­
mand diskutieren wollen. Es ist ja klar, dass
es nicht okay ist, zu vergewaltigen. Aber der
subtile Sexismus im Alltag, die Grenzüber­
schreitungen, die man nicht klar festmachen
kann, sind ja das Perfide.
Könnt ihr vielleicht etwas konkreter werden?
Wenn ein Kollege automatisch davon aus­
geht, dass ich die neue Praktikantin bin, zum
Beispiel. Ich finde das sexistisch.
Warum ist das denn sexistisch?
Weil er mich damit automatisch auf der
niedrigsten Stufe eingeordnet hat. Jung,
weiblich, zu Diensten.
Das hat doch mit dem Geschlecht nichts zu
tun. Das war wahrscheinlich ein ganz nor­
males Missverständnis. Er meinte das nicht
so, aber du denkst sofort: Das ist ein Sexist!
Seht ihr, es sind diese Empfindlichkeiten, die
uns nerven.
An solchen kleinen Dingen seht ihr aber
eben, wie unsere Gesellschaft funktioniert.
Darum ist es wichtig, sich zu empören. Ich
verstehe nicht, warum ihr auf solche Bei­
spiele nicht sensibilisiert seid. In solch sub­
tilen Situationen zeigt sich das unbewusste
Rollenverständnis in unseren Köpfen. Das
hat viel mit Macht zu tun.
Das kann schon sein. Aber ich kann daran
nichts ändern.
Du könntest dich ja einmischen, wenn du
so etwas siehst. Oder tut ihr nichts, weil ihr
sonst etwas zu verlieren hättet?
Nein, es ist etwas anderes. Die meisten Männer
mischen sich vor allem deshalb nicht in die
Feminismus­Debatte ein, weil sie zu einem
Minenfeld für uns geworden ist. Du schreibst
oder sagst ein falsches Wort, und irgendeine
Kampffeministin kommt und nimmt dich aus­
einander. Diesen Ärger können wir uns sparen.
25
Wenn wir den Mund aufmachen, können wir
DDP
nur verlieren. Wortführer der Diskussion sind
die Superfeministinnen, und der Rest hat den
Mund zu halten.
Aber Gleichberechtigung ist doch ein
Thema, das alle etwas angeht! Ich würde mir
Rückendeckung von euch Männern wün­
schen, und ihr tut so, als gehe euch das alles
nichts an. Warum mischt ihr euch nicht
klarer, lauter ein?
Weil ihr uns die Lust, darüber zu diskutieren,
verdorben habt. Und vielleicht auch, weil uns
die Diskussion um Feminismus und Sexismus
langweilt. Weil ich manchmal das Gefühl ha­
be, wir machen nicht die nötigen Fortschritte,
nicht schnell genug. Reden, reden, aber was
wird getan, am Ende?
Umso mehr solltet ihr kämpfen. Auch für
eure Töchter.
Meine Tochter ist jetzt 13 Jahre alt, und es
besorgt mich, wie ihre Zukunft aussieht, wenn
ich diese ganzen Meldungen von sexuellen
Belästigungen auf Facebook sehe. Wird sie
auch davon betroffen sein? Und wofür bringe
ich meinen Kindern überhaupt Anstand bei,
Regeln, Gleichberechtigung, um dann zu
hören, dass sie im Ausgang von wildfremden
Männern angefasst werden, als wären sie
Freiwild?
Gerade deshalb wäre doch der gemein­
same Kampf für mehr Gerechtigkeit wichtig.
Aber ich bin keine Frau. Ich werde als Mann
nicht aufgrund meines Geschlechts diskrimi­
niert. Natürlich tue ich alles, was mir möglich
ist, um einen guten, fairen Umgang zu Frauen
zu pflegen. Zu Hause mit meiner Frau, bei der
Arbeit, als Vater, als Angestellter, als Vorge­
setzter. Ich tue das für die Gleichberech­
tigung, was ich in meinem unmittelbaren Um­
feld tun kann.
Warum gehst du nicht auf die Strasse?
Oder trägst einen Pussy­Hat?
Weil ich nicht der Typ bin, der auf die Strasse
geht. Und weil euch das ja dann auch wieder
nicht recht wäre. Bei dieser Pussy­Hat­Bewe­
gung wurden die Männer, die bei den Protesten
mitliefen, im Nachhinein noch dafür kritisiert
und ausgeschlossen. Die Feministinnen woll­
ten gerne unter sich sein, damit sie richtig
gegen die Männer vom Leder ziehen konnten.
Darauf kann ich verzichten.
Würdest du mir denn zu Hilfe kommen,
wenn mich jemand im Tram belästigt?
Ich denke schon. Du musst aber auch was
sagen. Ich verstehe nicht, warum viele Frauen
solche Sachen über sich ergehen lassen und
dem Typen nicht einfach eine knallen.
Weil sie sich alleine fühlen, weil die Mit­
fahrer alle betroffen in ihre Handys starren
und so tun, als würde sie das alles nichts an­
gehen. Das ist meine wichtigste Frage: Hilfst
du mit, meine Grenzen zu wahren?
Ja, sicher. Aber ich mag es nicht, wenn du
Die meisten mich diskreditierst, wenn ich dich nicht auto­
Männer matisch rette.
mischen sich Warum nicht? Ist das nicht selbstver­
nicht ein, weil ständlich?
diese Debatte
zu einem Weil ich es nicht kann. Ich bin nicht Bundes­
rat oder Chef eines Unternehmens. Eure Er­
Minenfeld für wartungen an uns sind vielleicht etwas über­
uns geworden steigert.
ist. Grosse Erwartungen sind doch etwas Posi­
tives. Es wäre übrigens auch hilfreich, wenn
ihr auch einmal ein paar Erwartungen an uns
hättet! Was sind denn eure Erwartungen an
uns Frauen?
Ich erwarte nichts von der Frau per se. Wir
mischen uns nicht ein, aber wir erwarten auch
nichts.
Mehr reden! Das wäre sicher nicht falsch.
Ich glaube auch nicht, dass es damit un­
romantisch würde. Es ist nicht eine Frage,
dass sich Männer ändern müssen und Frauen
sowieso im Recht sind. Wohl sind sich beide
Seiten nicht bewusst, was sich hier eigentlich
zwischenmenschlich abspielt. Welche Re­
geln gelten und welche Regeln man auch
einmal überdenken könnte.
Ja, vielleicht. Wenn jemand weiss, was er will
und welche Werte er hat und sich selbst und
das Gegenüber spürt, dann gibt es sicher auch
weniger Missverständnisse.
Seid ehrlich, finden wir. Sagt, was ihr
wollt. Sagt, wenn ihr unsicher seid. Und seid
sensibel darauf, wie es sich für uns Frauen
anfühlt. Fragt doch einmal: Wie ist es für
dich? Fühlt euch ein!
Ihr erwartet viel, weil ihr meint, dass wir die
Macht hätten. Ich kann euch sagen: Auf dem
Üetliberg, da hättet ihr die ganze Macht über
uns.
Das, liebe Männer, hättet ihr uns ja auch
einmal sagen können.
 Doris Leuthard,
Bundespräsidentin

«Ich bin Fan vom Roten Kreuz.

Gemeinsam schaffen wir mehr
Solidarität in der Schweiz.»
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Ältere Menschen zum Arzt fahren, Erste Hilfe leisten oder

spenden: Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer setzen
sich unterschiedlich für ihre Mitmenschen ein – alle auf ihre
ganz persönliche Art. Engagieren auch Sie sich gemeinsam
mit dem Roten Kreuz: Inspirationen und Möglichkeiten auf
fan.redcross.ch. Wir freuen uns auf Sie! Für mehr Menschlichkeit
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Leserbriefe 27

«Das Menschliche wird

zunehmend verdrängt»
«Unsere Lehrerinnen und Lehrer brauchen
So schreiben
Sie uns «Eine enttäuschende Bilanz»
mehr Freiheit» Leserbriefe müssen
NZZ am Sonntag vom 26. November bis Donnerstag-

SALVATORE VINCI
Endlich jemand, der aufgrund profunder mittag eintreffen
Sachkenntnis und persönlich breitem Erfah- und mit der voll-
rungshintergrund in schulischen Angelegen- ständigen Post-
heiten das Dilemma heutigen Lehrerdaseins adresse des Absen-
beschreibt und ein klares Votum für mehr ders versehen sein.
Spielraum im pädagogischen, didaktischen Sie sollten sich auf
und methodischen Tun von Lehrerinnen die letzte Ausgabe
und Lehrern abgibt. Ich möchte alle Aussa- beziehen. Publiziert
gen zum Problem der Stofffülle, der Ein- werden auch
schränkung der Entscheidungsfreiheit Reaktionen, die auf
zugunsten rigider Vorschriftenkataloge und nzz.ch/nzzas ,
des schwindenden Vertrauens in das Tun Facebook und
von Lehrern unterstreichen. Twitter erschie-
Ich erlaube mir, noch folgenden Gedanken nen sind. Bearbei-
hinzuzufügen: Lehrpersonen haben es in tungen sind vorbe-
Schule und Unterricht mit Menschen zu tun, halten.
von denen jeder – auch der kleinste und
jüngste – ein Individuum mit spezifischen
Merkmalen ist. Diesen individuellen Beson-
derheiten muss die Lehrperson Rechnung
tragen dürfen, wenn Kinder und Jugendliche
sich gut entwickeln sollen. Was wir von
einem Richter erwarten – das Ausnutzen des
Spielraums, den ihm Gesetze lassen, und die
Berücksichtigung der individuellen Situation
des Angeklagten –, sollten wir auch den
Lehrpersonen in analoger Weise zugestehen:
Die Freiheit, Normen mit dem Blick auf Men-
schen zu relativieren. Referiert am liebsten zu den grossen Fragen: SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel. (Aarau, 25. November 2017)
Kurt Meiers, Solothurn

Den externen Standpunkt von Carl Bos-
sard finde ich hervorragend. Er beschreibt
absolut zutreffend, wie der einst schöne
Lehrerberuf immer mehr abgewertet wird,
indem die bis anhin hochgehaltene und
geschätzte methodische Freiheit einem
bürokratischen, engstirnigen und von der
Administration aufgedrängten Handlungs-
korsett weichen muss. Das Menschliche in
der Beziehung Schüler-Lehrer wird zuneh-
mend verdrängt, und die Lehrpersonen
sollen nur noch am Rande geduldet sein.
Gezieltes Führen der Kinder ist nicht mehr
erwünscht; diese lernen nun gemäss Lehr-
plan 21 angeblich selbständig und möglichst
umfassend digital. Arme Welt! Pointiert
meinte dazu kürzlich ein kritischer Erzie-
hungsfachmann, mit der Zeit brauche es
vermutlich weniger Lehrer, dafür mehr
Leute in anderen Berufen. Er sagte auch
gleich, wo: bei den Psychotherapeuten.
Hans-Peter Köhli, Zürich
Unternehmerische Freiheiten und grosse
Verantwortung gehören zu den attraktivsten
Seiten des Lehrerberufs. Eine Klasse für drei
Jahre zu übernehmen, mit Jugendlichen
zusammen ein Stück Welt zu entdecken und
sie schulisch und menschlich zu fördern, ist
eine grossartige Aufgabe. Lehrkräfte sehen
das Ziel klar vor Augen. Auf dem Weg dorthin
sind sie gemäss den Bestimmungen über die
Methodenfreiheit weitgehend frei. Doch
diese Vorstellung scheint überholt zu sein,
wenn man auf den neuen Lehrplan schaut.
Da wird akribisch genau der Weg skizziert,
über welche Einzelschritte die angestrebten
Kompetenzen vermittelt werden sollen.
Gleichzeitig steht die Forderung nach Indivi-
dualisierung der Lernprozesse im Raum.
Zusammen mit dem überladenen Bildungs-
programm des Lehrplans erfordert dies eine
komplexe und aufwendige Lernorganisation,
welche jede Musse des Lernens verdrängt.
Lehrpersonen verlieren durch die durchge-
taktete Bildungssteuerung viel an persön-
licher Freiheit. Ob diese Vorstellung moder-
ner Bildung wirklich einen Fortschritt bringt,
darf bezweifelt werden.
Hanspeter Amstutz, Fehraltorf (ZH)
«König der Abwesenden» trägers und politischen Machertyps. Der lich dessen Abwahl. In Bern braucht es
NZZ am Sonntag vom 26. November nächste Wahltag ist hoffentlich Zahltag. Schaffer, keine Ausrufer.
Der Artikel zeigt glasklar und unparteiisch Urs Stähli, Winkel (ZH) Max Bürgis, Weiningen (ZH)
die Strategie Roger Köppels auf: mitspielen,
ohne mitzumachen. Wenn es nach provoka- Politiker, die wie Nationalrat Roger Köppel Ich bin froh, dass sich Roger Köppel im
tiven Spiegelfechtereien in der «Weltwoche» vor allem ausrufen können und sich auch im Nationalrat nicht zu oft manifestiert. Wer
und mehr oder weniger scharfsinnigen Wort- Ausland in Szene setzen, braucht es in Bern seine SVP-kritischen Texte Ende der 1990er
gefechten im Nationalrat als Umsetzung in eigentlich nicht. Die wahren Schaffer sind Jahre kennt, bekommt von der heutigen
die Praxis von ihm echte Taten brauchte, diejenigen, die in den Kommissionen die Person Köppels den Eindruck eines hoch-
kommt der «König der Abwesenden» (zu) Feinarbeit leisten und so ihr Nationalrats- intellektuellen, eloquenten und karrierebe-
spät oder verabschiedet sich (zu) früh. mandat erfüllen. zogenen politischen Opportunisten. Einer,
Vor zwei Jahren gewählt von etlichen Vor noch nicht allzu langer Zeit hatten wir der einfach auf den erfolgreichsten politi-
Wutbürgern, aus Protest und nicht aus Über- einen Bundesrat, der sich auch bei jeder schen Zug aufgesprungen ist und sich als
zeugung, und jetzt – eine enttäuschende Gelegenheit profilieren wollte, das gefiel vorgespielter Parteihardliner gut verkauft.
Bilanz eines vermeintlichen Hoffnungs- jedoch nicht überall, die Folge war bekannt- Manuel Amado Fernandez
«Etwas mehr Augenmass mir andere Hundehalter erzählen, welchen Geruch von Hunden mag, insbesondere
Aufwand sie mit ihren Lieblingen treiben: wenn diese schwitzen oder nass sind, und
wäre angebracht» Akupunktur, Hundephysiotherapie, Opera- auch eindringliches Hundegebell ist irgend-
«Hunderte Verurteilungen wegen Hunden» tionen aller Art, Psychotherapie und vieles wann jedem Tierliebhaber zu viel.
NZZ am Sonntag vom 26. November mehr. Auch ich liebe meinen Hund – aber für Es ist zu hoffen, dass die teilweise macho-
Einige Halter haben ihre Hunde nicht im mich geht da vieles zu weit. Ein Hund bleibt artige Einstellung von Hundehaltern einer
Griff. Das ist bedauerlich. Im Jahr 2016 sollen ein Hund. sozialeren Verhaltensweise weichen wird.
327 Strafverfahren gegen Halter durch- Joachim Kraml, Lyss (BE) Otto Schellenberg, Neuhausen (SH)
geführt worden sein, 314 endeten mit einer
Verurteilung, 40 Prozent mehr als 2015. Die Tierliebende Menschen finden vieles, was
Zunahme ist unerfreulich, aber sicher nicht mit Hunden passiert, schwer zu ertragen. Die «Das dient der Sache
besorgniserregend bei einer Hundepopula-
tion in der Schweiz von rund 0,4 Millionen.
vielen Hunde-Probleme sind natürlich vor-
wiegend Hundehalter-Probleme. Wenn man
überhaupt nicht»
Eine zunehmende Gereiztheit der Öffentlich- das Gebaren von Hundehaltern etwas «Männer an die Leine»
keit gegenüber Hunden und ihren Besitzern genauer beobachtet, dann fragt man sich, NZZ am Sonntag vom 26. November
ist eine Übertreibung. Etwas mehr Augen- wieso diese Gesellschaft (Kynologische Dass Gewalt an Frauen und Kindern zu
mass wäre angebracht. Gesellschaft) nicht einmal selbstkritisch ihr verurteilen und zu bekämpfen ist, bestreitet
Kurt Sperisen, Küsnacht (ZH) Tun hinterfragt, anstatt sich andauernd ver- niemand. Wenn aber Barbara Hofmann in
teidigen zu wollen. der «Grenzerfahrung» einerseits die trauri-
Als Hundehalter überrascht mich diese Folgende Beispiele von unsozialem Ver- gen, statistisch belegten Zahlen der Opfer
Entwicklung nicht wirklich. Beobachte ich halten durch Hundehalter sind nicht etwa nennt, andererseits aber auf der «Täterseite»
doch auf den täglichen Spaziergängen den erfunden, sondern immer wiederkehrend zu vereinfachend meint, Bildung, sozialer
schleichenden, aber permanenten Verlust beobachten: Fehlende Disziplin beim Weg- Status, Alter oder Religionszugehörigkeit
von öffentlich zugänglichen Räumen durch putzen von Hundekot, freies Laufenlassen spielten dabei keine Rolle, so dient der
die rücksichtslose Verbauung unserer Land- von Hunden an Orten, wo dies verboten ist, Bericht der Sache überhaupt nicht.
schaft. Damit einher geht die Zunahme der der irrige Glaube, dass der eigene Hund Schreiben Sie an: Prävention muss dort beginnen, wo die
Verbote und Gebote (Leinenzwang). In der immer gehorche, obwohl selbstverständlich NZZ am Sonntag, Probleme liegen. Und auch diese lassen sich
Folge kommt es zur starken Frequentierung auch ein Hund seine guten und schlechten Leserbriefe, in Statistiken erkennen. Aus irgendwelchen
der noch verbleibenden Grünstreifen. Ande- Tage haben darf, Hundehalter, die in Restau- Postfach, Gründen Probleme zu verschweigen bezie-
rerseits ist die Sensibilität der Bevölkerung rants einen Kaffee trinken und dabei drei CH-8021 Zürich. hungsweise Tatsachen zu unterdrücken,
(Hundehalter eingeschlossen) insgesamt Hunde auf Spannteppichen mit Futter bedie- leserbrief.sonntag ist nicht seriös.
gestiegen. Ich staune nicht schlecht, wenn nen. Kommt dazu, dass nicht jeder den @nzz.ch Heinz Ryffel, Pfaffhausen (ZH)

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Wochenrückblick
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

International Schweiz
In Deutschland erhält eine Wie- Der Walliser CVP-Nationalrat zur Steuervorlage 17. Sie fordern Franken. Paare sollen gar 50 000

ICTY / AP
derauflage der grossen Koalition Yannick Buttet steht im Ver-
wachsende Unterstützung. Die dacht, eine ehemalige Geliebte
CDU-Spitze spricht sich für belästigt zu haben. Diese wirft
Gespräche mit der SPD aus. Die dem 40-Jährigen vor, ihr nach
Sozialdemokraten rücken all- Beendigung einer Affäre bis zu
mählich von ihrer Ablehnung fünfzigmal am Tag E-Mails und
einer gemeinsamen Regierung Kurznachrichten geschickt sowie
ab, stellen aber Forderungen. telefoniert zu haben. Schliesslich
Bundespräsident Frank-Walter soll Buttet in einer Nacht im
Steinmeier spricht den Parteien November bei der Frau ununter-
ins Gewissen. brochen geklingelt haben. Da der
vom Bund, dass Kantone künftig Franken erhalten. Damit will der
eine sogenannte zinsbereinigte Ort in der Nähe von Leukerbad
Gewinnsteuer einführen die Abwanderung bekämpfen. In
können. Zudem sollen die Kan- Albinen leben heute noch rund
tone einen höheren Anteil an 240 Einwohner.
den Bundessteuern erhalten.
SP und SVP verlangen, dass der
Die Walliser Gemeinde Albinen Bund jährlich 442 Millionen
zahlt Zuzügern künftig 25 000 Franken für die AHV ausgibt. Das
Geld ist für nächstes Jahr bereits
budgetiert gewesen – allerdings

CYRIL ZINGARO / KEYSTONE

Das Uno-Kriegsverbrechertribu-
nal für Jugoslawien in Den Haag
bestätigt die hohen Haftstrafen
gegen sechs bosnische Kroaten.
Slobodan Praljak, einer von
ihnen, nimmt sich vor den Rich-
tern mit Gift das Leben. Der zu
20 Jahren Haft verurteilte frü-
here General war von 1993 bis
1994 an Kriegsverbrechen gegen
bosnische Muslime beteiligt.
Der EU-Afrika-Gipfel in Côte
d’Ivoire wird aufgeschreckt
durch Berichte über Misshand-
lung von Flüchtlingen in Libyen,
vor allem deren angebliche Ver-
steigerung als Sklaven. Frank-
reichs Präsident Emmanuel
Macron stellt Gegenmassnah-
men in Aussicht.
Papst Franziskus (Bild
rechts) ruft in Burma dazu
auf, alle Volksgruppen zu
achten. Die verfolgte
muslimische Min-
derheit der Rohin-
gya nennt er erst
beim Namen, als
er deren Flücht-
lingslager in
Bangladesh
besucht.
Slobodan Praljak vergiftet sich vor Gericht. (Den Haag, 29. 11. 2017)
Auf der indonesischen Insel Bali
fordern die Behörden rund
100 000 Personen auf, sich vor
einem drohenden Ausbruch des
Vulkans Agung in Sicherheit zu
bringen. Tausende von Touris-
ten sitzen vorübergehend fest.
Nach wochenlanger Pause testet
Nordkorea erneut eine Rakete.
Die Waffe neuen Typs könnte
das gesamte Festland der USA
treffen. Das Regime erklärt sich
zur Atommacht.
Michael Flynn, der frühere
Sicherheitsberater von US-
Präsident
Donald
Trump, gibt
zu, über
Kontakte mit
dem damaligen
russischen Bot-
schafter in den USA
gelogen zu haben. Er will
künftig mit der Staats-
anwaltschaft zusammenarbei-
ten. Dies bringt Trump in
Bedrängnis, der im Verdacht
steht, russische Hilfe für seine
Wahl erhalten zu haben.
In Argentinien verurteilt ein
Gericht 48 frühere Militärs zu
hohen Haftstrafen wegen schwe-
rer Menschenrechtsverbrechen
während der Militärdiktatur.
Derweil erklärt die Marine des
Landes die 44 Insassen eines seit
zwei Wochen vermissten Unter-
seeboots für tot. (vmt.)
Unser Newsletter
Stimmt Sie schon am Freitag aufs
Wochenende ein. Jetzt anmelden!
nzz.as/newsletter
Nationalrat offenbar betrunken
war, alarmierte die Ex-Geliebte
die Polizei und reichte Straf-
anzeige ein. Buttet räumt den
Vorfall ein, bestreitet aber das
Stalking davor.
Stadt und Kanton Zürich schlies-
sen den «Zürcher Kompromiss»
Wirtschaft
Die EU stellt sich auf ein Schei-
tern der Brexit-Gespräche mit
Grossbritannien ein. Laut
einem Bericht der «Frankfurter
Allgemeinen Zeitung» hat die
EU-Kommission eine Arbeits-
gruppe gebildet, die Kommis-
sionschef Jean-Claude Juncker
untersteht. Das Experten-
gremium soll die EU auf einen
unkontrollierten Austritt der
Briten per Ende März 2019
vorbereiten. In Brüssel gibt es
dafür zunächst keine offizielle
Bestätigung.
Der Kurs der Kryptowährung
Bitcoin befindet sich auf
Berg-und-Tal-Fahrt. Innerhalb
weniger Tage überspringt die
nur für den Fall, dass die Renten-
reform 2020 angenommen wird.
Die Stimmberechtigten haben
die Reform im September
abgelehnt. Im Gegensatz zu SP
und SVP fordert die FDP, dass die
442 Millionen Franken in
Zukunft in den Schuldenabbau
Albinen im Wallis. fliessen. (luh.)
Währung zuerst die Marken von nigt werden. Eine Unterzeich-
9000, von 10 000 und dann von nung wäre Trumps erster grosser
11 000 Dollar. Ende der Woche innenpolitischer Erfolg.
bricht sie allerdings ein und ver-
liert einen Fünftel ihres Wertes. Boris Collardi tritt nach neun
Jahren als Chef von Julius Bär
Der US-Senat billigt einen zurück. Er wird Mitte 2018
Gesetzentwurf über eine Partner der Genfer Privatbank
umfassende Steuerreform. Das Pictet. Der Verwaltungsrat von
Abgeordnetenhaus hat zuvor Julius Bär ernennt Bernhard
eine leicht abweichende Vorlage Hodler zum Nachfolger
verabschiedet. Beide Reformen Collardis.
zielen im Kern auf massive
Steuersenkungen für Firmen ab. Der Backwarenkonzern Aryzta
Bevor Präsident Donald Trump
das Gesetz nach abschliessenden
hat in den USA 800 Mitarbeiter
ohne Arbeitsbewilligung
Abstimmungen in beiden Kam- beschäftigt. Das decken die
mern des Kongresses unterzeich- Behörden bei einer Razzia in
net, müssen die Differenzen einer Fabrik der Hiestand-Mut-
zwischen den Entwürfen berei- terfirma auf. (frp.)

Publireportage

„Lehmann, da wirst du grausam auf die Fresse fallen!“

Ein Hotel eröffnen, das zuerst teuer umgebaut werden
muss und sich in Glattfelden, eine halbe Stunde aus-
serhalb von Zürich, befindet? Was sagt einem da der
gesunde Menschenverstand? Nein. Eigentlich. Will-
kommen in der Welt von Hans-Ulrich Lehmann.
Es scheint, als sei der Werdegang von Hans-Ulrich
Lehmann das Pendant zum Sprichwort: „Alle sagten,
das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht,
und hats gemacht.“
Wie viele andere, hat Lehmann die KV-Lehre absolviert
und ist danach unspektakulär in die Berufswelt ein-
gestiegen. Einige Jahre später hat zwischen seinem
Als Lehmann 2006 die alte Spinnerei in Glattfelden
kauft, rät ihm sein Umfeld dringend davon ab. „Da wirst
du grausam auf die Fresse fallen“, seien die Worte ge-
wesen. Niemand hat daran geglaubt, dass hier ein er-
folgreiches Seminar- und Eventhotel entstehen kann.
Wie damals, als Lehmann als Jungunternehmer viel
riskiert und viel gewonnen hat, erfreut sich das riverside
seit seiner Eröffnung über einen Erfolg nach dem an-
deren. Vergessen ist die Distanz zur Stadt – denn, wer
einmal hier gewesen ist, würde noch viel länger als 25
Minuten fahren, um wieder zu kommen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits ist das riversi-
de für Seminare beliebt, weil es eben nicht die typische
Wenn Ihre Geschäfte dann derart florieren, dass Sie
Ihrer Partnerin aus lauter Euphorie einen Heiratsan-
trag machen, ist das riverside auch dafür Ihre Adresse:
Den Kämmereisaal kann man nicht beschreiben, den
müssen Sie sehen. Perfekt für jede Hochzeit. Sobald
der Apéro den gewünschten Effekt erzielt und die ers-
ten Gesellschaftsspiele über die Bühne gegangen sind,
können Sie sich auf drei Dinge verlassen: Auf das haus-
eigene Restaurant „Kesselhaus“ mit seiner hervorragen-
den Schweizer Küche, auf den „Thaigarden“ für Liebha-
ber der asiatischen Kultur und auf den erstklassigen,
individuellen Service des riverside-Teams. Drei sichere
Werte, die selbstverständlich ebenso für Taufen, Jubilä-
en und Geburtstagsfeiern gelten. Im Anschluss warten
www.riverside.ch

Wunsch, Unternehmer zu werden, und der Möglichkeit,
einen Handyimporteur zu übernehmen, ein zweistel-
liger Millionenbetrag gestanden. Lehmann hat dieses
Abenteuer gewagt und sich stark verschuldet an die
Spitze jenes Unternehmens gesetzt, aus welchem
später mobilezone entstehen sollte. Ein Brand, für den
heute rund 900 Mitarbeiter tätig sind.
Was hat dies nun mit diesem Hotel in Glattfelden zu tun?
Mehr, als Sie denken. Das riverside steht sinnbildlich für
alle anderen Stationen in Hans-Ulrich Lehmanns Leben:
Man muss etwas wagen, nur so wird das Unmögliche
möglich.
Business Location ist, in der man sich vor lauter Förm-
lichkeit kaum das Flüstern traut. Natürlich sind die Se-
minarräume topmodern und bieten den idealen Rahmen
für geschäftliche Veranstaltungen jeglicher Art. Wenn
die Arbeit jedoch getan ist, verwöhnt das riverside seine
Gäste mit seiner ganz eigenen Kunst, das Leben zu ge-
niessen. Mögen Sie exklusive Autos? Lassen Sie den Tag
im hauseigenen Autoatelier ausklingen. Ferrari Enzo?
Anwesend. Möchten Sie die bewährte Kombination von
Sport und Business anwenden? Nutzen Sie einfach eine
der zehn modernen Bowlingbahnen. Aber bitte lassen
Sie Ihren Kunden das Spiel gewinnen. Es hilft ungemein.
96 einzigartig eingerichtete Zimmer und Suiten auf Sie
und Ihre Gäste.
Also, von wegen „auf die Fresse fallen“: Gefallen ist hier
schon Vieles. Der Korken des Champagners zum Bei-
spiel. Oder der Trauzeuge gegen Mitternacht unter den
Tisch. Und der Vorhang nach gelungenen Anlässen.
Aber nicht der Eigentümer, den man zuweilen lächelnd
in einer Ecke stehen sieht, während er zufrieden das
bunte Treiben glücklicher Hotelgäste beobachtet.
Text: Björn Weder
www.riverside.ch
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
PASCAL MORA
In grossen Konzernen ist die Gefahr der Entfremdung besonders ausgeprägt: Angestellte der Credit Suisse auf dem Weg zum Zürcher Üetlihof, wo 8000 Leute arbeiten. (1. Dezember 2017)
«Heute sind wir nur noch Nummern»
Outsourcing, Entlassungen, Digitalisierung: Die Arbeitswelt wird härter. Der rasante Wandel überfordert
viele Angestellte in den Banken – und beeinträchtigt den unternehmerischen Erfolg . Von Albert Steck
E 30
in Stellenabbau gehört für jede Beleg-
schaft zu den schwierigsten Erfahrun-
gen – selbst für jene, die ihren Job
nicht verlieren. Franca Burkhardt,
Soziologin der Universität St. Gallen, be-
schreibt in ihrer Dissertation, wie solche Ab-
baurunden konkret ablaufen. In einem Fall
wurden die Mitarbeiter in einen Saal gerufen,
wo sie auf Folien das neue Organigramm lesen
konnten. Wer seinen Namen nicht darauf
fand, wusste, dass sein Arbeitsverhältnis auf-
gelöst wird. Eine weitere Methode sind die so-
genannten «heisser Telefonzeiten»: Während
dieser hoffen die Angestellten, dass das Tele-
fon an ihrem Arbeitsplatz nicht klingelt und
sie zum Gespräch in die Personalabteilung ge-
beten werden.
Burkhardt hat untersucht, wie sich der
rasante Wandel in der Arbeitswelt auf die Be-
schäftigten auswirkt. Zum einen stützt sie
sich auf ihre persönlichen Erfahrungen – sie
hat selber während sieben Jahren bei drei
grossen Banken gearbeitet. Vor allem aber hat
sie mit zahlreichen Angestellten mehrstün-
dige Interviews geführt. Diese arbeiten bei der
Credit Suisse, UBS, Julius Bär, Zürcher Kanto-
nalbank und der SIX Group, rund die Hälfte
hat eine akademische Ausbildung. Die Proto-
kolle zeigen eine zunehmende Verhärtung des
Arbeitsklimas. Zwar betreffen die Berichte
den Bankensektor, sie könnten aber ebenso
aus vielen anderen Branchen stammen.
«Wir sind in diesen Unternehmen gross gewor-
den, wir sind auf der Erfolgswelle geritten, aber
heute sind wir nur noch Nummern. Man trimmt
die Prozesse bis zur Zerreissprobe, man ver-
Swiss wächst
Der Chef verteidigt
die Preise 33
brennt die Mitarbeiter und quetscht die Organi-
sation bis zum letzten Tropfen aus.» (D. K.,
Risk-Management)
In den Unternehmen sei ein Verlust an Loyali-
tät und Zusammenhalt zu beobachten, lautet
Burkhardts Befund (vgl. Interview auf Seite
31): «Doch ohne Teamgeist und eine funktio-
nierende Organisationskultur kann eine
Firma langfristig nicht erfolgreich sein.» Spe-
ziell in sehr grossen, komplexen Konzernen –
Burkhardt spricht von Mammutorganisatio-
nen – liege der Fokus zu stark auf den forma-
len Prozessen und Hierarchien. Die Folgen
seien bürokratische Leerläufe und zermür-
bende Positionierungskämpfe.
Obwohl Franca Burkhardt Missstände auf-
zeigt, sei sie keine Whistleblowerin, erklärt
Theo Wehner, Professor für Arbeits- und Orga-
nisationspsychologie der ETH Zürich: «In
ihrer Dissertation nimmt die Wissenschafterin
eine methodisch gut begründete Position ein,
sie macht sich weder zur Komplizin der Ban-
ken noch der befragten Mitarbeiter.» Im Fokus
stehe die Analyse von organisatorischen Män-
geln und nicht das Aufdecken einer einzelnen
Verfehlung. Burkhardt betont, dass ihre Arbeit
«Der Mensch an sich
wird zweitrangig.
Man ist nicht mehr
wichtig als Person,
sondern nur noch als
Funktionsträger.»
Energieversorger
SALVATORE VINCI
Dicke Gewinne im
Stromnetz 35
von den Vorgesetzten unterstützt wurde.
Denn die Firmen seien gewillt, der Entfrem-
dung ihrer Mitarbeiter entgegenzuwirken.
Was in den Konzernen schiefläuft, dazu hat
die Soziologin reichlich Anschauungsmaterial
zusammengetragen. «Viele Manager wollen
ihre Firma wie eine Maschine steuern», urteilt
Burkhardt, «dabei berücksichtigen sie zu we-
nig, dass sie es mit einem lebenden Organis-
mus zu tun haben.» Dies führt gerade beim
Outsourcing zu häufigen Konflikten – und zu
enttäuschenden Resultaten, wie die Disserta-
tion anhand von Beispielen dokumentiert. In
einem Fall musste die Auslagerung nach er-
heblichen Verlusten wieder rückgängig ge-
macht werden. Die bereits gekündigten Perso-
nen wurden zurückgeholt. Warnte ein Team-
leiter allerdings vor den Risiken eines solchen
Schrittes, wurde er kurzerhand entlassen.
«Jeder ist ersetzbar – dieser Spruch bedeutet
mangelnde Wertschätzung. Die Konsequenzen
von Abgängen wichtiger Personen werden nicht
richtig eingeschätzt. Offensichtlich spielt das
heute keine Rolle mehr.» (H. H., Projektleitung)
Man werde von der Führung nicht primär als
Mensch wahrgenommen, sondern als Kosten-
faktor. Diese Klage wird in den Befragungen
häufig geäussert. Verstärkt wird das Missbe-
hagen durch die Tendenz, alle möglichen
Aspekte zu messen. So sorgen die Mitarbeiter-
Ratings regelmässig für Frustrationen, weil
die Benotungen nach einem fixen Schlüssel
stattfinden: Es braucht eine vorgegebene Zahl
an «Low-» bzw. «High-Performern». Das
Rating beeinflusst neben dem Salär die Wahr-
Aufgetakelt
Youtuber mischen
die Kosmetik auf 31
scheinlichkeit einer Entlassung oder Beförde-
rung. Auch Vorgesetzte berichten, dass sie
diese starren Bewertungsformeln ablehnen.
% «Es zerreisst mich fast. Da komme ich an die
der Stellen bei der Grenze von dem, was ich moralisch vertreten
UBS könnten laut kann, wenn ich Ratings verteilen muss, einfach,
CEO Sergio Ermotti um das System zu befriedigen. Denn man sollte
in den nächsten ja nur gute Leute einstellen, dafür haben wir
zehn Jahren wegfal- den Rekrutierungsprozess.» (R. T, Informatik)
len. Der Grund ist
die Digitalisierung. Die Aussagen in der Dissertation deckten sich
mit seiner eigenen Forschung, sagt ETH-Pro-
fessor Wehner. Zwar bieten die Konzerne eine
gute Bezahlung sowie moderne Arbeitsplätze.
Und trotzdem herrschten in diesen Organisa-
tionen oft eine soziale Kälte sowie eine Distan-
ziertheit gegenüber dem Arbeitgeber: «Anstel-
le von Stolz und Leidenschaft für die geleis-
tete Arbeit macht sich eine resignative bis
zynische Grundstimmung breit», stellt Weh-
ner fest. «Besonders bei Konzernen, die sich
aufgrund der Digitalisierung stark wandeln,
ist diese Entwicklung jedoch fatal. Denn die
Intelligenz einer Organisation liegt nicht an
ihrer Spitze, sondern an der Basis.»
Die neuen Technologien treffen die Bank-
angestellten besonders stark. UBS-Chef Sergio
Ermotti erklärte kürzlich am Europa Forum in
Luzern, dass die Belegschaft in der nächsten
Dekade um 30% schrumpfen könnte. Laut
einer neuen Erhebung der Fachhochschule
Bern stufen 42% der Angestellten im Finanz-
sektor die Wahrscheinlichkeit als mittel bis
hoch ein, dass ihre Stelle in zehn Jahren
Fortsetzung Seite 31
 Ruf Lanz
z

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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Wie Youtube die Kosmetik umkrempelt
Jeder zehnte Schminkartikel trägt den Namen eines Bloggers. Stars wie Jaclyn Hill sorgen für Rekordumsatz
Franziska Pfister
Betritt Jaclyn Hill eine Drogerie,
bricht innert Minuten Chaos aus.
Mädchen kreischen, balgen um
ein Selfie mit ihr, es gibt Tränen.
Unfassbar findet die 27-Jährige
das. Als Teenager schlug sie sich
noch mit Gelegenheitsjobs durch,
verkaufte für wenig mehr als
ein Sackgeld Kosmetik in einem
Warenhaus in Tampa (Florida),
lebte gar eine Weile von Food­
stamps, Lebensmittelspenden.
Mit 20 warf Hill hin und begann,
sich beim Schminken zu filmen.
Für den Alltag sind die Looks
der ehemaligen Kunststudentin
nur bedingt geeignet. Dennoch
verfolgen auf Youtube 4,6 Mio.
Abonnenten, wie sie ihre Augen­
lider in bis zu zehn verschiedenen
Farbtönen zum Glitzern bringt.
Nebenbei half sie mit, die Kosme­
tikindustrie zu revolutionieren.
Neun von zehn Millennials
kaufen Make­up erst, nachdem
sie sich auf Youtube informiert
haben, ergab 2016 eine Studie des
Marktforschers NPD. Sie wollen
sehen, ob eine Mascara schmiert
oder ein Lippenstift den perfek­
ten Roséton hat. Um richtig zu lie­
gen, gingen die Hersteller dazu
über, die Wünsche der Zielgruppe
vorab zu erfragen.
Abstimmung an der Basis
Die deutsche Marke Catrice liess
ihre Nutzer abstimmen, welche
Farben in eine Lidschatten­Palet­
te rein sollen. Und die australi­
sche Colourpop erkundigte sich
via Twitter: «Wie soll unser neuer
Concealer heissen?»
Colourpop gehört zu einer
neuen Generation Kosmetikfir­
men, die ohne Läden auskom­
men und ihr Make­up aus­
schliesslich im Netz vertreiben.
Das erlaubt dem Unternehmen,
für eine Palette mit zwölf Lid­
schatten weniger als 20 Fr. zu
verlangen. Die Kundinnen sind
jung und lechzen nach möglichst
viel Schminke für möglichst
«Heute sind wir...»
Fortsetzung von Seite 29
wegen der Digitalisierung ver­
schwindet. Nur im Handel sind
die Einschätzungen ähnlich pes­
simistisch. Über alle Branchen
hinweg befürchten lediglich 25%
einen Stellenabbau.
«Viele Beschäftigte im Banken­
sektor empfinden den Wandel
nicht nur als Chance, sondern
auch als Bedrohung», sagt Profes­
sor Tobias Fritschi, der die Studie
realisiert hat, «deshalb werden
der Stress und die psychische Be­
lastung in dieser Branche als be­
sonders hoch wahrgenommen.»
«Der Mensch an sich wird zweit-
rangig. Man ist nicht mehr wichtig
als Person, sondern nur noch als
Funktionsträger. Heute kann man
diese Funktionen relativ schnell
auswechseln, und das wird auch
oft gemacht.» (F. L., IT-Security)
Niemand wisse heute, wohin die
Reise genau gehe, resümiert
Robert Buess, der als Partner bei
der Beratungsfirma Roland Ber­
ger den Finanzsektor abdeckt:
«Auch wenn es ein grosses Wort
ist: Das Banking steht vor einer
Revolution.» Es brauche mehr
Innovation und Agilität. Doch
Banken sind wie Tanker, die sich
nur langsam in eine neue Rich­
tung bewegen: «Zwar können die
Institute mit Szenario­Strategien
ihre Zukunft planen. Dennoch
lässt sich ihre Rolle nicht exakt
voraussagen – mit dieser Un­
sicherheit müssen wir leben.»
Wirtschaft
Die Amerikanerin Jaclyn Hill, 27, ist bekannt für dramatisches Augen-Make-up. Früher lebte sie von Foodstamps, heute ist sie Millionärin.
wenig Geld. Nirgendwo laufen
Schönheitsprodukte besser als
online. Und laut Marktforscher
NPD bleibt das so. «Für Kosmetik­
firmen ist entscheidend, digitales
Marketing und Kaufgewohnhei­
ten zu beherrschen», schreiben
die Analysten von Euromonitor.
Wird ein Artikel häufig bespro­
chen, entwickelt er sich bald zum
Trend. Der Erfolg angesagter Mar­
ken wie Anastasia Beverly Hills
geht auch darauf zurück, dass sie
Blogger grosszügig mit Waren­
mustern eindecken. Die Aussicht
auf Gratis­Make­up verlockt
immer mehr Twens, die Kamera
anzuwerfen. Und es führt dazu,
Nachgefragt
«Ein Konzern funktioniert nicht wie eine Maschine»
Sie kennen die Bankenwelt von
innen. Wie beschreiben Sie das
Befinden der Mitarbeiter?
Der starke Wandel führt dazu,
dass die Identifikation der Arbeit-
nehmer mit ihrer Firma sinkt, auch
der Zusammenhalt innerhalb der
Organisation nimmt ab. Dadurch
geht in den Firmen ein grosses
produktives Potenzial verloren,
weil die Mitarbeiter nicht mehr
ihre optimale Leistung erbringen
können.
Wie gehen die Angestellten mit
dieser zunehmenden Entfrem-
dung um?
Besonders die ältere Generation
bringt eine hohe Loyalität und ein
grosses Pflichtbewusstsein mit.
Wenn diese enge Bindung auf der
Unternehmensseite wegfällt,
führt dies bei vielen zu Frustration
und Enttäuschung – ähnlich wie
bei einer persönlichen Trennung.
Die einen reagieren darauf mit
Ängstlichkeit oder Resignation,
andere nehmen diese Entwicklung
als Herausforderung.
Ihre Arbeit geht weiter über die
übliche Forschung hinaus. Was
hat Sie dazu motiviert?
Als Mitarbeiterin einer Bank habe
ich festgestellt, dass diese Ange-
stellten von der Gesellschaft nicht
die Wertschätzung bekommen,
die sie angesichts ihres Engage-
dass die Branche dreimal mehr
Produkte herausbringt als vor
wenigen Jahren. Die deutsche
Marke Essence wechselt das Sor­
timent alle sechs Monate aus.
Blogger sind beliebt, weil sie als
unabhängig gelten und authen­
tisch wirken. Doch im Hinter­
grund versuchen etablierte Mar­
ken wie Maybelline, die Rezensi­
onen zu steuern. Meldet ein Blog­
ger Interesse, Make­up vor dem
Verkaufsstart zu testen, geben
gewisse Firmen den Kontext vor,
in dem es genannt werden darf.
Wer dagegen verstösst oder kri­
tisch berichtet, riskiert von der
Versandliste gestrichen zu werden.
Franca Burkhardt
Der Einstieg in die Bankbran-
che erfolgte 2010. Bei drei
grossen Schweizer Instituten
arbeitete Franca Burkhardt im
Risk-Management und Inhouse
Consulting. Zugleich verfasste
die Soziologin ihre Dissertation
an der Universität St. Gallen.
ments verdient haben. Für mich
als Soziologin war es deshalb
naheliegend, zu untersuchen, wie
das Arbeitsumfeld und die Struk-
turen verbessert werden könnten.
Ihre Gespräche mit den Ange-
stellten dauerten mehrere
Stunden. Wie kamen diese
zustande?
Entscheidend ist, dass ich diese
Interviews nicht als aussen-
stehende Akademikerin geführt
habe. Stattdessen bin ich selber
Teil dieser Lebenswelt. Als Bank-
Jaclyn Hill kann sich dem
entziehen, für sie ist Youtube
nurmehr eine Nebeneinnahme­
quelle. Als ihr 2015 die wenig be­
kannte Marke Becca anbietet,
einen lichtreflektierenden Puder
nach ihren Vorgaben zu ent­
wickeln und unter ihrem Namen
zu vermarkten, sagt sie zu. Es ist
eine der ersten solchen Kollabo­
rationen, aber sie schlägt ein wie
eine Bombe. In 20 Minuten ver­
kauft Becca 25 000 Packungen
«Champagne Pop», nach vier
Stunden ist der Highlighter aus­
verkauft. Kurz darauf übernimmt
Estée Lauder die Marke für
kolportierte 200 Mio. $.
angestellte weiss ich aus eigener
Anschauung, was die Leute
tagtäglich beschäftigt. Deshalb
konnte ich die Befragten sehr
einfach rekrutieren. Diese haben ja
auch nicht als «Whistleblower» an
der Studie mitgearbeitet. Statt-
dessen wollten sie einen konstruk-
tiven Beitrag leisten.
Bestand nicht die Gefahr, dass
Sie einseitig Partei für die Ange-
stellten ergreifen?
Nein, meine Dissertation wurde ja
auch von meinen jeweiligen Vor-
gesetzten unterstützt. Bis hinauf
zum Top-Management besteht
die Überzeugung, dass die Firmen
gegen den Verlust an Identifika-
tion und Zusammenhalt ankämp-
fen müssen. Wie man das am bes-
ten umsetzt, dazu habe ich auch
keine Patentrezepte. Die raschen
Veränderungen stellen vieles in
der Organisation auf den Kopf.
Das gilt speziell für die Digitali-
sierung. Wie gehen die Banken
damit um?
Bisher werden die Firmen stark
maschinell geführt. Man hat klare
Prozesse und Hierarchien. Das
Problem ist allerdings, dass ein
Konzern nicht wie eine Maschine
funktioniert. Vernachlässigt wird
somit das Organische in einem
Unternehmen: die Kreativität der
Menschen, die Zusammenarbeit
352
Mio.Fr.
Betrug 2016 der Umsatz mit
dekorativer Kosmetik in der
Schweiz. Das entspricht einem
Plus von 1% zum Vorjahr.
Die Kosmetikbranche durch­
läuft eine Konsolidierung, nicht
nur Estée Lauder hat den Wandel
verschlafen. Als Gesichter seiner
Marken verpflichtet der US-Gi­
gant gewöhnlich Filmstars oder
Sängerinnen, und zahlt Millio­
nen. Doch vergangenen Sommer
im Team und das kollektive Ge-
dächtnis. Das betrifft keineswegs
nur die Banken, sondern gilt
ebenso für zahlreiche andere
Branchen.
Welche Folgen hat es, wenn das
Organische in einer Firma ver-
kümmert?
Ein Beispiel: In vielen Unterneh-
men herrscht eine mangelnde
Fehlerkultur, obwohl diese gerade
bei Innovationen entscheidend
ist. Das verleitet nicht nur die
Angestellten dazu, fix nach einem
vorgegebenen Schema zu arbei-
ten, sondern überträgt sich auf
ganze Organisationseinheiten.
Wenn jemand für einen Fehler
abgestraft wird, spricht sich das
rasend schnell herum. Ebenso
reagiert dieser Organismus auf
Umstrukturierungen oder das
Outsourcing von Abteilungen oft
nicht rational. Deshalb lässt sich
Die Führung darf
nicht nur von
Werten reden,
sondern muss sie
selber vorleben.
31
zieht die Firma die Reissleine und
kippt die Jugendlinie Estée Edit.
Deren Aushängeschild Kendall
Jenner ist zwar eines der best­
bezahlten Models der Welt, doch
die Produkte tragen nicht ihren
Namen. Der Funke springt nicht
auf die Kundinnen über, der Um­
satz blieb laut «Financial Times»
hinter den Zielen zurück.
Bloggerin wird Managerin
Jedes zehnte Schminkprodukt
entsteht heute in Zusammen­
arbeit mit Bloggern, und das
bringt laut NPD im Schnitt einen
doppelt so hohen Umsatz im ers­
ten Verkaufsmonat als üblich. Das
dämmerte wohl auch Estée Lau­
der. Zwei Wochen nach Einstel­
lung von Estée Edit verpflichtet
die Firma die Bloggerin Violette
als «Global Beauty Director».
Welche Aufgaben die Französin
übernimmt, liegt ebenso im Dun­
keln wie ihr Nachname. In einem
Werbevideo rührt die 33-Jährige
verträumt in Farbpigmenten und
philosophiert über Trends: Sie ist
dagegen.
Das Geschäft wird globaler, das
zeigt sich auch in der Schweiz.
So liefen Augenbrauen­ und Con­
touring­Stifte 2016 besonders
gut. Beides wurde überhaupt erst
durch Youtube zum Trend. Insge­
samt wächst der Schweizer Markt
jedoch kaum, der Umsatz mit
dekorativer Kosmetik stieg ge­
mäss Euromonitor in den letzten
Jahren im Schnitt um 1% auf
352 Mio. Fr. Angesichts der Fülle
an Lancierungen und des Markt­
eintritts der Ketten Sephora und
Kiko ist das bescheiden.
Jaclyn Hill verdient mit Kolla­
borationen geschätzt eine Viertel­
million Dollar pro Monat. Doch
nur Stars wie sie können eigene
Artikel ungeniert anpreisen. Die
Zuschauer meiden plumpe Wer­
bung vermehrt. Deshalb tun sich
die Firmen seit neustem mit
Newcomern zusammen: Die
erreichen zwar weniger Leute,
lassen sich aber eher beraten.
ein Konzern nicht einfach steuern
wie eine grosse Maschine.
Sie stellen eine Entfremdung
zwischen der Führung und der
Basis fest: Merkt der CEO über-
haupt, wie seine Handlungen im
Maschinenraum wirken?
In einer Bank mit mehr als 40 000
Mitarbeitern, verstreut über die
ganze Welt, ist das enorm schwie-
rig. Viele Angestellte arbeiten
in Fachgebieten, in denen nur sie
allein den Durchblick haben.
Deshalb ist es so wichtig, dass die
Führungsketten auch auf der
organischen Ebene funktionieren.
Dass die Leute beispielsweise
keine Angst haben, wichtige Infor-
mationen weiterzugeben. Dieser
Austausch mit der Basis ist eine
der grössten Herausforderungen
für das Management.
Spüren Sie, dass die Führung in
den Konzernen inzwischen
mehr Gewicht auf die organi-
schen Faktoren legt?
Dieses Umdenken braucht Zeit,
aber ich sehe durchaus Fort-
schritte. «Leading by example»
oder «Walk the talk» sind Ausdrü-
cke, welche diesen Wandel gut auf
den Punkt bringen: Die Führung
darf nicht nur von Werten reden,
sondern muss diese vor allem
auch selber vorleben, und zwar
auf allen Hierarchiestufen. (sal.)
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J i s !
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Trainieren bis Faulenzen – Vivai, das Wohlfühl- und Nachhaltigkeits-
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
«Wir haben die
Preisstruktur nicht
verändert»
Swiss-Chef Thomas Klühr wehrt sich gegen
Vorwürfe, die Airline erhöhe die Preise auf der
Berlin-Strecke. Die Lage der Swiss beurteilt er zwar
als «sehr gut», doch er warnt vor Engpässen in Zürich
NZZ am Sonntag: Nach der Pleite
von Air Berlin hörte man ver-
schiedentlich, die Swiss habe auf
einigen Routen die Preise erhöht.
Finden Sie das fair?
Thomas Klühr: Das stimmt so
nicht! Wir haben die Preisstruk-
tur nicht verändert. Unser
Buchungssystem reagiert auf
eine hohe Nachfrage mit einer
Reduktion der billigen Klassen.
Das ist der übliche Mechanismus
einer Marktwirtschaft. Doch wir
wollen diese Situation genau
nicht ausnutzen. Deshalb ver-
suchen wir, durch deutliche
Erhöhung unseres Angebots auf
einigen Strecken gegenzusteu-
ern. Temporär sind wir sogar mit
einem grossen Langstrecken-
flugzeug von Zürich nach Berlin
geflogen. Ich muss deshalb
sagen, ich verstehe die derzeitige
Aufregung nur begrenzt.
2017 musste eine Reihe von Air-
lines aufgeben: Air Berlin, Mon-
arch im UK. Alitalia ist auch fak-
tisch am Ende. Woran liegt das?
Wir haben insgesamt in den
letzten 10 Jahren einen massiven
Preisverfall gesehen. Dieses Jahr
haben sich die Preise in Europa
zwar stabilisiert, aber auf den
Langstrecken ist der Druck
immer noch enorm. Wenn ich
nach vorne schaue, erwarte ich
auch in Europa keine grund-
legende Wende. Die grossen
Lowcost-Airlines Ryanair und
Easyjet haben noch viele Flug-
zeuge gekauft, die in den kom-
menden Jahren in Betrieb gehen
und damit zusätzliches Angebot
schaffen. Jetzt ist dieses Jahr
eine Reihe von namhaften Air-
lines trotz guter Konjunkturlage
aus dem Rennen gefallen.
Die Swiss bzw. die Lufthansa-
Gruppe betreibt ab Zürich 80
Strecken allein. Eine solche
Monopolsituation ist aus Kunden-
sicht nicht erfreulich.
Es ist völlig normal, dass ein
Hub-Carrier aus seinem Heimat-
markt heraus viele Strecken
allein betreibt. Wichtig ist: Jede
der von uns angeflogenen Stre-
cken steht jedem Mitbewerber
offen. Doch wenn die Swiss eine
bestimmte Strecke ins Angebot
nimmt, erwarten unsere
Geschäftskunden, dass wir das
Ziel nicht nur ein-, zweimal die
Woche anfliegen, sondern mehr-
mals täglich. Das ist kosteninten-
siv und mit einem höheren
Preisniveau verbunden.
2017 wird für die Swiss voraus-
sichtlich ein sehr gutes Jahr. Sie
hatten zu Beginn noch vor dem
Preisdruck gewarnt. Was lief nun
deutlich besser?
Es ist eine Mischung aus unse-
rer Arbeit und günstigen Rah-
menbedingungen. Unsere neuen
Flugzeuge sind wesentlich öko-
nomischer im Betrieb. Darüber
hinaus sparen wir durch die
Grösse der Lufthansa-Gruppe
beim Einkauf. Ferner haben wir
einen starken Markt, einen
wieder schwächeren Franken
und einen relativ tiefen Kerosin-
preis. Alles zusammen lässt uns
auf ein sehr gutes Jahr hoffen.
Wirtschaft
Flugbuchungen sind ein Indikator
für die allgemeine Wirtschafts-
lage. Was sehen Sie bei Swiss?
Man kann klar erkennen, dass
die Nachfrage in Europa wesent-
lich robuster ist als noch vor
zwei, drei Jahren. Auf den inter-
kontinentalen Märkten ist Japan
nach Jahren der Schwäche
wieder erstarkt. Etwas unent-
schieden scheint uns das
Geschäft in die USA. Dieses läuft
zwar nicht schlecht, aber auch
nicht überragend. Der allge-
meine Ausblick ist hingegen gut.
So zeigen die Buchungen des
ersten Quartals 2018 bis dato
keine Abschwächung.
Reagieren Sie mit Ausbauplänen?
Wir wachsen primär über die
zusätzlichen Kapazitäten in
Form von grösseren Flugzeugen.
Darüber hinaus werden wir fünf
Kurzstreckenmaschinen länger
als geplant betreiben. Zwei
davon, um die verspäteten Aus-
lieferungen unserer Kurzstre-
ckenjets der C Series zu kompen-
sieren, und die anderen drei für
moderates Wachstum. Auf der
Langstrecke bestehen derzeit
keine konkreten Ausbaupläne.
Ab Frühling haben Sie zehn neue
Boeing 777 und fünf ältere A340
auf den Langstrecken in Betrieb.
Es gibt Kritik von Geschäfts-
reisenden, dass die Premiumklas-
sen der A340 nicht mehr genügen.
Das ist richtig. Die Kunden
vergleichen den Komfort natür-
lich mit der Ausstattung der
neuen Boeing 777. Deshalb
investieren wir 100 Mio. Fr. in
die Erneuerung der Innenaus-
stattung. Nach dem Umbau
nächstes Jahr werden alle Lang-
streckenmaschinen über den
gleich hohen Ausbaustandard
verfügen.
Wann können Swiss-Kunden auch
auf den Kurzstrecken im Internet
surfen?
Wir haben entschieden, auch
auf den europäischen Strecken
Internetverbindung anzubieten.
Der Zulieferer ist bestimmt, folg-
lich kann nächstes Jahr mit dem
Umbau begonnen werden.
Die Airlines verkleinern in den
Holzklassen stetig Sitze und
Thomas Klühr
Ein Manager ohne
Starallüren
Der gebürtige Franke ist kein
Mann der lauten Töne. Da
unterscheidet sich der 55-jäh-
rige Deutsche deutlich von
seinem Vorgänger Harry
Hohmeister. Seit 26 Jahren ist
der ausgebildete Betriebswirt-
schafter in verschiedenen
Funktionen für den Lufthansa-
Konzern unterwegs. Vor seiner
Berufung zum Swiss-Chef
verantwortete er den Hub in
München. Klühr ist verheiratet
und hat zwei Kinder. (vob.)
33
SALVATORE VINCI
Abstände. Auch die Swiss nennt
sich Premiumanbieter, doch der
Eco-Kunde spürt davon nicht viel.
Dieser Spagat ist tatsächlich
eine grosse Herausforderung. Als
Netzwerk-Carrier brauchen wir
beide Kundensegmente, um eine
hohe Auslastung zu erreichen.
Wir können uns nicht nur auf ein
Segment konzentrieren. Wir
müssen die Kunden in allen
Klassen davon überzeugen, dass
sie das bestmögliche Preis-Leis-
tungs-Verhältnis erhalten.
Testen Sie manchmal noch selbst
die Eco-Klasse der Swiss? Zum
Beispiel die Boeing 777 auf der
Langstrecke? Dort schimpfen viele
Kunden über drangvolle Enge.
Ich fliege öfter Economy, bei
der neuen Boeing 777 hatte ich
allerdings noch keine Gelegen-
heit dazu. Ich will aber anmer-
ken, dass die Maschine einen
wesentlich breiteren Rumpf hat
und demnach bei gleichbleiben-
dem Komfort über mehr Sitz-
plätze verfügt. Darüber hinaus
sind Rückmeldungen unserer
Kunden zum neuen Flugzeug
durchaus positiv.
Bis wohin wird die Industrie die
Effizienzsteigerung noch treiben?
Kommt irgendwann der Stehplatz
im A380?
Der Stehplatz kommt sicher Swiss-Chef Klühr: Erstaunt über die politische Blockade-Situation am Flughafen Zürich. (29. 11. 2017)
nicht, und auch der A380 hat
meiner Ansicht nach eine
begrenzte Perspektive. Das Flug- Anbindung der Schweiz an die Konsequenz ist eine hohe Zahl
zeug ist einfach zu gross. Aber globalen Märkte zur Diskussion, von Ausfällen und Verspätun-
das Thema Lowcost auf der nicht etwa das Wachstum der gen. Verlieren wir – wie politisch
Langstrecke müssen wir natür- Swiss oder der Lufthansa- gefordert – die letzten dreissig
lich im Auge behalten. Gruppe. Die Schweiz braucht für Minuten am Abend zum Abbau
Jede der von den Wirtschafts- und Touris- von verspäteten Flügen, gefähr-
Wird auch auf Langstrecken der uns angeflogenen musstandort Perspektiven, die den wir damit die Langstrecken-
Schnäppchenpreis Standard?
Ich glaube nicht, dass sich die
Strecken sich unter den gegebenen
Umständen nicht abzeichnen.
verbindungen nach Südamerika,
Südafrika sowie Südostasien.
Erfolgsgeschichte der Lowcoster steht jedem
auf der Kurzstrecke so wieder- Mitbewerber offen. Diese Engpässe werden seit Neben den Engpässen in Zürich
holen lässt. Dagegen sprechen Jahren hochbeschworen. haben Sie auch eine Baustelle in
gewisse limitierende Produk- Und sie sind inzwischen Reali- Genf. Wie schlägt sich Swiss dort?
tionsfaktoren. Doch ich erwarte Grenze. Mit dem Sachplan Infra- tät. Betrachten wir beispiels- Ich bin sehr zufrieden und
schon in den nächsten Jahren struktur 2 wurden zwar ein paar weise die Hochsaison letzten zuversichtlich, dass wir das Ziel
neue, preisgünstige Direktver- Stellschrauben positiv verän- Sommer: Wir hatten an einigen einer schwarzen Null Ende 2018
bindungen zu Fernzielen. dert. Aber die Umsetzung Spitzenreisetagen Bise, die den erreichen werden. Das ist die
kommt frühestens in acht regulären Betrieb stark Bedingung dafür, dass wir lang-
Wenn diese neuen Anbieter die Jahren. Wir brauchten sie jetzt, erschwerte. Statt üblicher 66 fristig in Genf bleiben.
Fluggäste direkt befördern, fehlen um den heutigen Bedarf abzu- Bewegungen pro Stunde sind es
der Swiss womöglich bald die decken und um die Verspätungs- dann nur noch deren 45. Die Interview: Birgit Voigt
Umsteige-Passagiere? thematik in den Griff zu bekom-
Davon gehen wir nicht aus. men. In acht Jahren genügen die
Das globale Passagieraufkom- Veränderungen nicht mehr. ANZEIGE
men wächst weiter konstant mit
2% bis 3% pro Jahr. In Märkten Wird in der Schweiz zu sehr der
wie Asien oder auch Osteuropa Stillstand verwaltet?
gibt es noch viele Regionen, Es überrascht mich schon,
deren Bedarf nicht gedeckt ist. dass ein Land wie die Schweiz
Des Weiteren wird kaum beach- diesen Engpass einfach auf sich
tet, wie zum Beispiel Airbnb die zukommen lässt. Die verschiede-
Nachfrage nach Ferienflügen nen Interessenlager blockieren
antreibt. Wer sich früher das sich dergestalt, dass sich das
teure Hotel nicht leisten konnte, derzeit nicht auflösen lässt. Ich
hat heute neue Möglichkeiten. weiss aber auch, dass der Status
Die Faktoren tiefe Flugpreise quo nicht reichen wird, um in
und günstige Übernachtungs- ein paar Jahren dem Bedarf nach
möglichkeit bringen viele neue Flugleistung der Schweizer
Kunden. Volkswirtschaft adäquat Rech-
nung zu tragen.
Aber der Flughafen Zürich ist
eigentlich schon ziemlich voll. Wenn ein Airliner wie Sie das
Was folgern Sie daraus?
Die Infrastruktur in Zürich
sagt, klingt es nach Verteidigung
eigener Interessen. Pensionskasse
kann das zukünftige Wachstum
nicht mehr bewältigen. Das ist
Lassen Sie mich das relativ
hart formulieren: Wachstum für KMU
klar absehbar. In spätestens 10 wird auf jeden Fall stattfinden,
Jahren stossen wir hier an eine die Frage ist nur wo. Es steht die
 SWISS ECONOMIC AWARD
2018

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Anmeldeschluss: 31.01.18

DER BEDEUTENDSTE
JUNGUNTERNEHMERPREIS DER SCHWEIZ

AWARD-PARTNER

Foto: Gewinner des Swiss Economic Award 2017

NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Wirtschaft 35

Die vergoldeten Netze der Stromfirmen

Weil die Netztarife im europaweiten Vergleich hoch sind, verdienen die Versorger viel Geld
Jürg Meier In Österreich liegt der Tarif für höher die Netztarife.» Die Folge

FABIAN BIASIO / KEYSTONE

Auch wenn sich die Schweizer
Stromunternehmen seit Jahren
beklagen: Den meisten geht es
blendend. Eine Studie des Bun-
des zeigte kürzlich, dass fast alle
Stromfirmen in den letzten sechs
Jahren Gewinne schrieben. Ein-
zig den Stromriesen Axpo und
Alpiq geht es schlecht.
Bei den kleineren Versorgern
stieg der Reingewinn zwischen
2007 und 2016 sogar an.
Nur Belgien ist teurer
Ein Grund dafür ist, dass die rund
650 Schweizer Stromversorger im
Verteilnetz Millionen kassieren.
Das belegt eine im Auftrag eines
Schweizer Energieunternehmens
erstellte Studie, die der «NZZ am
Sonntag» vorliegt.
Die Studie zeigt zwar, dass die
Schweiz im europaweiten Ver-
gleich tiefe Strompreise hat. Das
liegt aber vor allem daran, dass
die öffentliche Hand vergleichs-
weise tiefe Abgaben erhebt. Bei
den Tarifen der regionalen und
lokalen Elektrizitätswerke für das
Stromnetz sieht die Situation da-
gegen anders aus. Diese sind, ver-
glichen mit den Ländern der soge-
nannten EU-15, nach Belgien am
höchsten. Im Schnitt liegen die
Schweizer Netzkosten 50% über
jenen der untersuchten Länder.
die Verteilnetze fast ein Drittel tie-
fer als in der Schweiz. Ein durch-
schnittlicher Haushalt bezahlt
hier im Jahr 920 Fr. für den Strom.
Lägen die Netztarife auf österrei-
chischem Niveau, wären es 130 Fr.
weniger.
Die von Eurostat ausgewiese-
nen Netztarife liegen erst bis 2016
vor. Zudem verwenden die
Schweiz und die EU unterschied-
liche Methoden für die Erhebung
der Tarife. Das macht einen Ver-
gleich nicht ganz einfach, ändert
aber nichts an der Erkenntnis,
«dass die Schweiz bei den Netz-
kosten eine Spitzenposition ein-
nimmt», wie René Baggenstos
vom Energiedienstleister Ener-
price sagt.
Henrique Schneider, stellver-
tretender Direktor des Gewerbe-
verbands, hält die Stromnetzprei-
se in der Schweiz für zu hoch. Das
Problem sieht er bei den gesetz-
lichen Grundlagen. «Unsere
Regulierung zwingt die Stromver-
teiler nicht dazu, effizienter zu
werden oder Effizienzgewinne
den Kunden weiterzugeben.» Die
Folge: Viele Verteilunternehmen
hätten beispielsweise grosse Ver-
waltungsabteilungen.
In der Schweiz gibt es ähnlich
viele Versorger wie im zehnmal
grösseren Deutschland. Laut
Patrick Dümmler von der Denk-
Hohe Investitionen ins Netz: Im Ortsteil Escholzmatt im Kanton Luzern werden Strommasten ersetzt.
fabrik Avenir Suisse würde nur
schon eine tiefere Anzahl Verteil-
unternehmen «das System grund-
sätzlich effizienter machen».
Konsumentenschützerin Sara
Stalder sagt, der Strommarktauf-
sicht ElCom seien oft die Hände
gebunden. Ihr eingeschränkter
Handlungsspielraum zeige ein
grundsätzliches Problem auf:
«Unsere Gesetzgebung gesteht
Regulatoren keine oder zu wenig
Durchsetzungskraft zu».
Laut Studie investierten die
Verteilnetzbetreiber in den letz-
ten Jahren massiv. Dies, obwohl
die Versorgungssicherheit hoch
und der Stromkonsum stabil ist.
Auch der Anteil unregelmässig
anfallender und damit schwieri-
ger zu beherrschender Wind- und
Solarenergie wuchs kaum.
René Baggenstos sieht den
Grund für den stetig wachsenden
Wert des Netzes anderswo. Weil
das Stromnetz ein Monopol ist,
hat der Gesetzgeber eine gesetz-
liche Rendite festgelegt. Die Be-
sitzer haben kein Interesse daran,
ihr Netz abzuschreiben. «Die Ren-
dite wird auf dem Wert des Net-
zes berechnet», erklärt Baggen-
stos. «Je höher dessen Wert, desto
sei, dass zu viel investiert und das
Netz vergoldet werde.
Anreiz zum Investieren
Die Aufsichtsbehörde entgegnet,
die hohen Investitionen seien aus
Sicht der Versorgungssicherheit
positiv. «Der umgekehrte Fall
würde uns mehr Sorgen ma-
chen», sagt Renato Tami, Ge-
schäftsführer der Strommarkt-
aufsicht ElCom. Das heutige Ge-
setz gebe aber «einen gewissen
Anreiz», möglichst viele Leitun-
gen zu bauen. Die ElCom habe ein
Auge auf diese Problematik.
Laut Tami sind die Preisunter-
schiede zum Ausland erklärbar.
Halte man sich das höhere Preis-
niveau in der Schweiz vor Augen,
sei die Differenz zu den deut-
schen Tarifen «marginal». Den
Unterschied zu Österreich führt
er auf die durch die dortige Politik
vorgegebene strengere Regulie-
rung zurück. In Österreich gilt die
sogenannte Anreizregulierung.
Sie gibt den Netzbetreibern Effi-
zienzziele vor.
Die ElCom will bei der Politik
ebenfalls eine Gesetzesanpas-
sung erreichen. Sie möchte künf-
tig Kennzahlen der Netzbetreiber
veröffentlichen. Durch die Publi-
kation entsteht laut Tami «gros-
ser Druck», weil die Tarife für je-
dermann vergleichbar werden.

Alibaba zählt zu grössten

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Schweizer Online-Shops
Der chinesische Gigant Migros-Tochter Digitec führt, Alibaba holt auf
klassiert sich erstmals unter
Die grössten 10 Online-Shops der Schweiz und ihre Umsätze 2016
den 10 grössten E-Commerce-
Anbietern in der Schweiz. Der
Online-Handel ist ein Milliar- Digitec 602,0 Mio. Fr.
dengeschäft und ist 2016 um Zalando 534,0
fast zehn Prozent gewachsen. Amazon 475,0
Susanne Ziegert, Berlin Nespresso 325,0

Der Schweizer Onlinehandel Brack 247,5

wächst rasant weiter. 2016 legten
die 250 grössten E-Commerce-
Anbieter nach einer Unter-
suchung des Handelsforschungs-
instituts EHI aus Köln um knapp
9% zu. In den virtuellen Läden
wurden Waren für 6,4 Mrd. Fr.
eingekauft.
Das grösste Stück vom Umsatz-
kuchen (43,8% der grössten 1000
Anbieter) teilen sich die zehn
wichtigsten Online-Händler. Be-
sonders spektakulär ist der Auf-
stieg von Aliexpress auf den ach-
ten Platz, mit 130 Mio. Fr. Umsatz.
Das Unternehmen gehört zur
internationalen Sparte des chine-
sischen Amazon-Konkurrenten
Alibaba Group und liefert direkt
aus China. Um das Geschäft in
Europa anzukurbeln, hatte Ali-
baba-Chef Jack Ma den früheren
Online-Direktor von karstadt.de
Terry von Bibra engagiert.
«Chinesische Plattformen er-
freuen sich schon seit längerem
grösserer Beliebtheit, aber sie
operierten bisher unter dem
Radar», erklärt der Schweizer Co-
Autor und Carpathia-Chef Tho-
mas Lang. Durch die Integration
in die Untersuchung werden asia-
tische Anbieter nun sichtbar.
Auch die Plattform Wish.com
aus den USA sei nicht minder er-
folgreich. Diese operiert aus
China, mit hauptsächlich chinesi-
scher Ware. Als weiteren ernstzu-
nehmenden Akteur stuft Lang die
Firma JD.com ein, die chinesische
Nummer 2. Steigende Bedeutung
erlangen auch die weiteren Ali-
baba-Ableger Tmall oder Tabao.
Der Online-Markt bliebt in der
Schweiz in Bewegung – unter den
LeShop 182,1
Microspot 181,0
Aliexpress* 130,0
coop@home 129,0
Galaxus 102,0
Quelle: Statista/EHI
250 wichtigsten Läden waren 28
neue vertreten.
Trotz Umsatzverlusten vertei-
digt der Schweizer Elektronik-
shop Digitec mit Umsätzen von
602 Mio. Fr. erfolgreich den ers-
ten Platz. Als Erfolgsfaktoren
sieht Lang die Nähe, kurze Liefer-
zeiten innert 24 Stunden, die lo-
kale Präsenz mit Showrooms so-
wie die Pflege einer aktiven Com-
munity.
Silber und Bronze holten sich
erneut Zalando.ch und Amazon.
de. Zalando etabliert sich mit
einem Umsatzplus von 25% als
grösster Internet-Modehändler.
Dazu dürfte laut den Studien-
autoren die neue Plattformstrate-
gie beigetragen haben. Der deut-
sche Modehändler öffnete seine
Seiten für eine Vielzahl anderer
Anbieter und Hersteller und baut
damit eine virtuelle Shopping-
Mall mit mehr Auswahl.
Auch Amazon.de konnte mit
dieser Strategie punkten und ein
Fünftel mehr Umsätze ver-
buchen. Tendenziell passt sich
das digitale Shoppen nach Ein-
schätzung von Thomas Lang
künftig dem menschlichen Kom-
munikationsverhalten an. Käufer
sprechen stimmlich mit Bots, die
durch künstliche Intelligenz
* gehört zur Alibaba-Group
hinzulernen. Technologisch wer-
den Seiten durch Augmented-
Reality-Lösungen aufgewertet.
Generalisten wie der amerika-
nische Internetgigant Amazon
oder Brack.ch waren bei den Käu-
fern am beliebtesten, jeder dritte
Franken wurde in einem Online-
kaufhaus ausgegeben. An der
zweiten Stelle stand Unterhal-
tungselektronik, auf Platz drei
lagen Bekleidungsanbieter.
Eine Schweizer Besonderheit
ist der starke Online-Lebensmit-
telhandel, auf den 8,6% der Ge-
samtumsätze entfallen. Mit Nes-
presso, der Migros-Tochter Le-
DER SAMICHLAUS
Shop.ch und coop@home rangie-
ren sogar drei der Läden unter
PACKT EIN, FEINE
den ersten zehn. Im Schnitt konn-
ten die zehn Grossen ein Plus von
KÖSTLICHKEITEN FÜR
20% verbuchen, auch kleinere
Anbieter legten zu, wenn auch GROSS UND KLEIN.
nur geringfügig.
Die Aussichten blieben rosig,
sagen der Verband des schweize-
rischen Versandhandels und die
GfK. 2017 dürften die Schweizer
spruengli.ch/shop
Konsumenten 700 Mio. Fr. mehr
im Netz ausgeben, davon 300
Mio. Fr. als Direktimporte über
ausländische Plattformen. Schon
jetzt geht jeder fünfte Franken an
internationale E-Commerce-An-
bieter, Tendenz steigend.
36
Mein Standpunkt Beat Kappeler
Denktraining zur Vorbereitung auf Krisen,
die hoffentlich nicht kommen
M
an nehme ein Lineal, halte
es über die seit acht Jahren
steigenden Kurven des
Volkseinkommens, der
Börsen, der Beschäftigung,
und schon hat man die
Prognose für 2018: alles steigt, und eher
noch stärker als bisher.
Das scheint die Methode fast aller Pro­
gnostiker und Analysten im Moment zu sein.
Sie haben recht, es gibt keine entgegen­
laufenden Signale. Dennoch sah es vor der
Finanzkrise gleich aus. Deshalb sei ein Denk­
training für das geknickte Lineal angeboten.
Was könnte unerwartet schiefgehen?
Der Blick geht aufgrund damaliger Erfah­
rung natürlich rasch zum Finanzsektor. Doch
die Aufsichtsbehörden haben einige Siche­
rungen eingebaut, und meistens kehrt die
letzte Schlacht nicht in gleicher Aufstellung
wieder. Die Banken haben mehr Eigenkapi­
tal, sie dürfen weniger auf eigene Rechnung
Risiken eingehen und handeln.
Die Notenbanken haben die Märkte mit
Geld geschwemmt, alle sind flüssig. Die Deri­
vate müssen über Clearing­Zentren abgegli­
chen werden. Diese zwei letzten Punkte
könnten diesmal den Knick in der Linie ver­
ursachen. Denn die unerhörte Geld­
schwemme hat alle davon befreit, Schulden
abzubauen, Faules abzustossen, Verluste zu
realisieren oder gar Konkurs zu machen.
Staaten, Haushalte, Firmen, in den Indus­
trieländern ebenso wie in China sind ver­
schuldeter denn je. Der neueste Wirtschafts­
ausblick der OECD zeigt es drastisch. Die
Schuldner, die Schuldnergruppen, die nicht
zahlen können, sind genauso grösser gewor­
den wie die Eigenmittel der Banken.
JAHRE
Gewöhnlich war gestern.
Der neue Kia Stonic.
Der neue Stonic von Kia verspricht puren Fahrspass, arbeitet doch ein 1.0 L T-GDi-Kraftpaket
mit 120 PS unter der Motorhaube. Er überzeugt mit umfangreicher Komfortausstattung, grossem Platzangebot
und innovativer Technologie, damit Sie sich aufs Wichtigste konzentrieren können – das Fahren.
New Stonic T-GDi 120 PS ab CHF 19’900.–
Abgebildetes Modell: New Kia Stonic 1.0 L T-GDi man. CHF 19’900.– und Metallic-Lackierung CHF 550.–, 5,0 l/100 km, 115 g CO2/km, Energieeffizienzkategorie D, CO2-ETS 25 g/km,
Durchschnitt aller in der Schweiz verkauften Neuwagen: 134 g CO2/km (unverbindliche Preisempfehlung inkl. MwSt.). CO2-ETS = CO2-Emissionen aus der Treibstoff- und/oder der Strombereitstellung.
NEW PICANTO NEW RIO
Wirtschaft
Das erzwungene, zentrale Derivate­Clea­
ring seinerseits hat in den Augen mancher
Kritiker die Risiken gebündelt, und die Clea­
ring­Häuser hätten viel zu wenig Kapital, um
ernsthafte Ausfälle auszubügeln.
Eine andere Folge der Geldschwemme
sind Zombie­Firmen, die im Markt daher­
taumeln. Die Europäische Zentralbank unter
Mario Draghi kauft ja Unternehmensanlei­
hen auf, und zwar massiv. Die Anleihens­
zinsen selbst für schwache, verschuldete
Firmen sanken daher auf bloss gut 2%. Die
Anleger, von Draghis Negativzinsen gejagt,
kaufen alles, was noch ein bisschen rentiert,
und sei es noch so riskant. Diese Firmen blei­
ben daher im Markt, drücken den andern die
Preise, aber der erste Zinsanstieg löscht ihr
verwirktes Leben – Reihenkonkurse drohen.
Auch Werte aus Ziegelstein und Beton
haben unglaubliche Höhen erklommen.
Doch Leerstände in der Schweiz nehmen zu,
bei Geschäfts­ und Wohnliegenschaften. Bei
einem Zinsanstieg wird hier die Kapitalisie­
rungsregel zur Anwendung kommen: Wenn
ein Mietertrag von 50 000 Franken zu 1,5%
Hypothekarzinsen die Kapitalaufnahme von
3,3 Mio. Fr. erlaubt, dann trägt der Ertrag zu
4% Zinsen nur noch eine Schuld von 1,25
Mio. Fr. Der Mechanismus läuft rückwärts
und hat einen Verzögerungseffekt von eini­
gen Jahren eingebaut.
Und wer mit Hypotheken seine Liegen­
schaften finanziert, hat einen weiteren Hebel
seines eigenen Kapitals drin wie mit Deriva­
ten. Die Nachfrage nach Wohnraum hängt
von der Kaufkraft ab. Die Löhne nehmen im
Moment kaum zu, die Einwanderung geht
leicht zurück. Nordeuropa ist vollbeschäf­
tigt, es gibt wohl weniger gutverdienende
Mehr Auto fürs Geld
www.kia.ch
SOUL EV VENGA CEE’D GT
Auswanderer. Zusammengenommen stossen
diese zwei Faktoren kaum weitere Steige­
rungsrunden der Hauspreise an.
In den tieferen Schichten der Märkte
schlummern weitere Risiken. Der Export­
Da reicht ein markt USA ist für die Schweiz inzwischen
böswilliger ebenso wichtig wie Deutschland. Beunruhi­
Angriff der gend dabei: Die Hälfte unserer Lieferungen
besteht aus wenigen Medikamenten. Da
protektionisti- reicht ein böswilliger Angriff der protektio­
schen USA auf nistischen USA auf die Pharma wie seinerzeit
die Pharma wie auf die Banken, und Basels Geldmaschine
seinerzeit auf stockt. Auch die Handelsbilanz des Landes
die Banken, insgesamt würde es spüren.
Schliesslich bleibt auch der Frankenkurs
und Basels eine Hängepartie. Die momentan so schönen
Geldmaschine 1.17 zum Euro müssten bei erneuten Krisen
stockt. des Euro­Südens und Frankreichs wieder
leiden. Von den Börsenkursen reden wir
lieber nicht, skeptische Prognosen fallen seit
Monaten flach. Nur der Hinweis auf Nobel­
preisträger Robert Shillers Statistik sei
gewagt: das Kurs­Gewinn­Verhältnis in den
USA liegt 90% über dem langfristigen Mittel.
Frankenstärke und Kursverluste auf ihrem
Portefeuille würden auch der Nationalbank
wieder horrende Verluste bescheren. Die
Budgets der Kantone und des Bundes müss­
ten ohne das Manna kräftig abspecken. Dies
alles gehört zum Panorama des Schreckens
– der aber nicht eintreten muss, noch nicht.
Schliesslich hat die Wirtschaft den Schock
der Frankenaufwertung 2015 glänzend
überspielt, Hunderttausende arbeiteten
länger, die Firmen verzichteten auf Marge.
Seither bilden viele wieder kräftig Reserven.
Sodann stehen die öffentlichen Finanzen
perfekt da. Solidität ermöglicht ein hoffent­
lich gerades Lineal.
CEE’D SPORTSWAGON CARENS NEW
W OPTIMA PLUG-IN HYBRRID
R NEW NIRO NEW SPORTAGE
Kia Motors AG, 5745 Safenwil, 062 788 88 99
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Personenund
Unternehmen
Uber. Eine Woche, nachdem ein riesiger
Datendiebstahl beim Mitfahrdienst
bekannt wurde, verlassen drei für die
Sicherheit verantwortliche Manager das
Unternehmen. Der oberste Sicherheits­
beauftragte war bereits zuvor entlassen
worden. Das Unternehmen kommt wei­
terhin nicht zur Ruhe. Im Sommer musste
Mitgründer Travis Kalanick wegen Beläs­
tigungsvorwürfen gehen. (mju.)
Lafarge-Holcim. Der französisch­schwei­
zerische Zementkonzern wird von seiner
Vergangenheit eingeholt. Frankreich hat
gegen drei Verantwortliche ein Ermitt­
lungsverfahren eingeleitet. Der Verdacht
lautet unter anderem auf Finanzierung
von Extremisten in Syrien. Lafarge soll
2013 und 2014 Geld an syrische Extremis­
ten bezahlt haben, um dort ein Werk in
Betrieb halten zu können. Lafarge fusio­
nierte 2015 mit Holcim. (mju.)
Randal Quarles. Der neue Verantwort­
liche bei der US-Notenbank für die Regu­
lierung fordert laut der Agentur Reuters
mehr Effizienz bei den gesetzlichen Vor­
gaben für Finanzinstitute. Effizienz sei
für den Regulator eine ebenso wichtige
Aufgabe wie Sicher­
heit und Stabilität,
sagte Quarles. Beob­
achter sehen die
Rede als Hinweis,
dass die Notenbank
gewisse Forderun­
gen von Präsident
Trump nach einer
Deregulierung
unterstützen
könnte. (mju.)
HvS Zürich
NEW SORENTO
SOREN
NTO
NTO NEW STINGER
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
China will «nackte Kredite» unterbinden
Skrupellose Geschäftemacher dominieren den boomenden Markt für Mikrokredite. Die Regierung bremst
Michael Radunski, Peking
Man nennt sie «nackte Kredite»,
und sie versprechen das schnelle,
einfache Geld: Schicke einfach
ein Nacktfoto, schon kannst du
dir innerhalb von wenigen Minu­
ten viel Geld leihen. Finanzielle
Sicherheiten, Verträge oder gar
offizielle Bankbürgschaften sind
nicht nötig. Nacktfoto für Geld –
so einfach geht das in China.
Immer mehr chinesische Stu­
dentinnen lassen sich von derarti­
gen Angeboten anlocken. Hacker
fanden auf der beliebten Kredit­
plattform Jiedaibao zehn Giga­
byte an Nacktbildern und ent­
sprechenden Videos. Es sind oft
Chinesinnen im Alter von 17 bis
23 Jahren, die sich auf den Handel
einlassen. Sie stehen meist kurz
vor dem Schulabschluss oder
gehen zur Universität und wollen
ihre neu gewonnene Freiheit
auch materiell ausleben.
Auch Li Li ist auf einen solchen
Handel eingegangen. «Zuerst ha­
be ich mir nur 500 Yuan besorgt»,
sagt die junge Chinesin gegen­
über der Zeitung «Southern Me­
tropolis Daily». 500 Yuan sind
umgerechnet rund 70 Fr. «Bei
solchen Beträgen geht es noch
um den privaten Konsum», sagt
Wang Xinling. Die Mädchen wür­
den sich davon Kosmetik, Klei­
dung oder ein neues Smartphone
kaufen, erklärt die Finanzexper­
tin vom Pekinger Thinktank
«China Policy».
Meist bleibt es jedoch nicht bei
solch kleinen Beträgen. Auch Li Li
lieh sich immer mehr Geld: Nach
den ersten 500 Yuan folgten
1000, kurze Zeit später weitere
1000 Yuan. Schnell summierten
sich ihre Schulden auf mehr als
55 000 Yuan, rund 8200 Fr.
In der Schuldenfalle
Bis zu 200 000 Yuan (rund
29 500 Fr.) gelten in China noch
als Mikrokredit. «Da sich der
Markt völlig im Schatten ausser­
halb der gesetzlichen Regeln be­
findet, können sich die Leute
immer wieder neue Kredite be­
sorgen, ohne die alten zurück­
zahlen zu müssen. Notfalls auch
von unterschiedlichen Geld­
leihern», sagt Wang.
Mit derartigen Kreditexzessen
soll nun Schluss sein. Das State
Council’s Financial Stability and
Development Committee der chi­
nesischen Regierung hat ange­
kündigt, den Bereich der Mikro­
kredite reglementieren zu wollen.
Das berichten mehrere Staats­
zeitungen. Demgemäss sollen
keine neuen Kreditanbieter mehr
zugelassen werden, die Zahl der
bereits existierenden Anbieter
soll drastisch reduziert werden.
«Das ist dringend notwendig», sagt
Wang. «Es handelt sich hierbei um
einen boomenden, aber vollkom­
men unregulierten Markt.»
Laut einem Bericht der Nach­
richtenagentur Bloomberg hat die
Zahl der ausstehenden Kredite,
Börsen-Reaktion
Warnung vor Überhitzung
Die Ankündigung einer schärfe-
ren Regulierung von Mikro-
krediten und Schattenbanken
hat in den letzten zwei Wochen
in China die Nervosität an den
Anleihen- und Aktienmärkten
erhöht. Besonders hohe
Abgaben verzeichnete der
Alkohlgetränke-Hersteller
Moutai. Die Warnung der staat-
lichen Nachrichtenagentur
Xinhua, der Titel steige zu
schnell, löste eine Verkaufswelle
aus. Der grösste Schnaps-
Wirtschaft
Anleger vor einem Börsentableau: Auch für Aktien nehmen manche Kredite auf. (Schanghai, 13.10. 2017)
China holt auf
Verschuldung der privaten
Haushalte in Prozent des BIP
90%
UK
80
USA
70
60 Japan
50 Deutschland
40 China
30
20
2011 12 13 14 15 16
Quelle: Bank für Internat. Zahlungsausgleich
die sich Privatpersonen gegen­
seitig leihen, innert eines Jahres
um 256% zugenommen. Die so­
genannten Peer­to­Peer­Kredite
(P2P) belaufen sich demnach auf
1200 Mrd. Yuan. Der Vorgang fin­
det meist online statt.
Neben P2P gibt es in China zu­
dem den Bereich der Bargeldkre­
dite, die direkt in den Dörfern
und Städten vergeben werden.
Wang schätzt, dass dieser Sektor
nochmals rund 1000 Mrd. Yuan
umfasst. «Hier entsteht ein wach­
sendes Risiko sowohl für den
Finanzmarkt wie auch für die
chinesische Gesellschaft», sagt
Finanzexpertin Wang. Deshalb
müsse die Regierung dringend
handeln.
Es war 2008 nach der Finanz­
krise, als die chinesische Regie­
rung erstmals Mikrokredite zu­
liess, um den privaten Konsum zu
forcieren. Chinas Staatsbanken
sind nicht gerade für ihre Kun­
denfreundlichkeit bekannt. Kre­
dite an Durchschnittsbürger wer­
den nur selten vergeben, die Ban­
ker bevorzugen es, Chinas riesige
Staatsunternehmen mit Geld zu
versorgen. Der schnelle und
unkomplizierte Zugang zu Geld
machte Mikrokredite für Chinas
wachsende Mittelschicht zu
einem attraktiven Modell. Die
Regierung dürfe deshalb nun
nicht mit dem Vorschlaghammer
hersteller Chinas ist ein echtes
Börsenschwergewicht und ein
Liebling vieler Kleinanleger. Der
Titel hatte sich innert Jahres-
frist verdoppelt. Die Investoren
lockt eine hohe Gewinnmarge
an. Mit 72% sei Moutai die profi-
tabelste unter den hundert
weltgrössten Firmen, schreibt
Bloomberg. Selbst nach der
Korrektur von 14% bleibe
Moutai der Wert mit der besten
Performance aller Luxusgüter-
hersteller weltweit. (vob.)
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Paul Nipkow erfand den
Fernseher. Samsung QLED
erfindet ihn neu.
Vor über hundert Jahren zieht
«Television» in die Wohnzimmer
der Welt ein. Bis heute hat die
Fernsehgeschichte zahlreiche
Meilensteine erreicht. Doch die
ultimative Innovation im TV
heisst QLED.
Der Weihnachtsabend 1883 in
Berlin markiert die Geburtsstunde
des Fernsehers. Paul Nipkow
erfindet da das Prinzip, mit dem
über vierzig Jahre später das
Fernsehen Wirklichkeit wurde:
Bilder in einzelne Punkte zu
zerlegen, um sie zu übertragen.
Damals bestehen Bilder aus
Punkten. Heute aus Quantum
Dots.
Die Erfindung von Nipkoow legt
den Grundstein zum Emppfang von
Bild und Ton, Karl Ferdinand
Braun macht sie 13 J ahre
später massentauglich
h. Übber die
«Braunsche Röhre» fliimmert im
März 1935 das erste Fe ernseh­
programm der Welt.
1954 wird das Fernsehbiild
d farbig.
Dann dauert es knapp ein halbe es
Jahrhundert bis zur näcchstten Er­
rungenschaft: In den 20 0 0 er­
Jahren lösen Flachbildscchirme
Röhrenfernseher ab. Diesse Ära
markiert den Beginn zahlre eicher
Innovationen bei Samsung. Schlag
37
auf den Markt der Mikrokredite Andere wiederum überziehen
QILAI SHEN / BLOOMBERG / GETTY
losgehen, warnt Wang. leichtgläubige Kunden mit hor­
Gefragt seien vielmehr um­ renden Zinsforderungen. Gesetz­
sichtige Regeln, die vielfältige lich dürfte höchstens eine Zins­
Probleme lösten. So gibt es zum rate von 36% verlangt werden,
Beispiel auf der Schuldnerseite erklärt Wang. «Doch das ist eher
keine landesweite Datenerfas­ selten.» Sie selbst habe von
sung. Manche Leute leihen sich 100%­Raten bis hin zu horrenden
von unterschiedlichen Kredit­ 500% und 1000% gehört.
gebern immer mehr Geld, bis eine Kann der Schuldner nicht
Tilgung völlig unmöglich wird. zurückzahlen, hat der Verleiher
keine gesetzliche Handhabe, um
Nacktfoto als Druckmittel das Geld eintreiben zu lassen. «In
Aber auch auf der Geldgeberseite solchen Fällen nehmen die Leute
sind Regularien dringend not­ schnell das Gesetz selbst in die
wendig, denn immer mehr skru­ Hand.» Nacktfotos wie von die­
pellose Geschäftemacher haben jenigen von Li Li sind dann ein
zuletzt den Markt für sich ent­ probates Druckmittel.
deckt. Manche dieser vermeint­ Noch mögen das Einzelfälle
lichen Verleiher geben sich bei sein. Aber Finanzexpertin Wang
einer Bank als Unternehmer aus, warnt: Bei mehr als zehn Millio­
beschaffen sich so Geld und ver­ nen Kunden könnte sich die
schwinden. Immer wieder sei es Schuldenfalle schnell zu einer
zu millionenschweren Betrugs­ Gefahr für die soziale Stabilität
fällen gekommen, berichtet Wang. des Landes entwickeln.
Publireportage
nischen Leuchtdioden haben
eine limitierte Haltbarkeit, die
gesamte Bildqualität leidet. In ein­
zelnen Fällen wird der «Burn­in»­
Effekt gemeldet: ein schatten­
artiges Einbrennen von lange
angezeigten Bildern. Einzelne
Hersteller nehmen kurze Zeit
nach Auftreten der ersten Fälle
ihre OLED Geräte vom Markt.
Samsungs Ingenieure verbessern
die Technologie laufend und
bringen schliesslich 2017 mit
QLED TV eine unvergleichliche
Bildschirmtechnologie auf den
Markt. QLED kennt mit den nun
«anorganischen Quantum Dots»
praktisch keine Vergänglichkeit.
Gegen den «Einbrenneffekt»
gibt Samsung sogar 10 Jahre
Garantie auf QLED Bildschirme.
auf Schlag erscheint der erste
Digital­TV, der erste Smart­TV, der 100% Farbvolumen und eine
erste 3D­Fernseher und der erste Milliarde Farben.
gebogene (curved) Bildschirm. Doch QLED trumpft nicht nur
2013 ein weiterer Meilenstein: in Sachen Langlebigkeit. Sein
Samsung bringt OLED auf den Farbspektrum erreicht ein
Markt. Eine revolutionäre Bild­ 100­prozentiges Farbvolumen
schirmtechnologie, mit der dank und stellt über eine Milliarde
organischen Leuchtdioden un­ Farben dar. Realitätsgetreue
vergleichlich brillante Bilder Details, atemberaubende Inten­
entstehen. sität, aus jedem Winkel, ob bei
Tageslicht oder im Dunkeln.
QLED ist die nächste grosse Inno- Erfahren Sie mehr über den
vation in der Fernsehgeschichte. Quantensprung auf dem Weg
Doch bald zeigen sich bei OLED zum ultimativen TV­Erlebnis auf
TVs erste Nachteile. Die orga­ samsung.com/qled
Warurum QLED TV? Lange Lebenszeit dank
Quantum Dots
8 grosse
e Vorteile 10 Jahre Garantie gegen
von QLED Einbrennen
Kein Kabelsalat mehr dank One
Connect Box und Glasfaserkabel
TV und angeschlossene Geräte mit
einer Fernbedienung bedienen
Lebendige Bilder und feinste
Details mit 100% Farbvolumen
Satte Kontraste bei Tag und Nacht
Einfach an der Wand montierbar
dank der No Gap Wallmount
Mit Samsung Smartphone­Bilder
und ­Filme auf den TV streamen
dank Smart View
#whyQLED
Invest
Vielverdiener können innerhalb
der 2. Säule individuell sparen
Eine Gesetzesänderung dürfte dazu führen, dass nun mehr Pensionskassen ihren
Versicherten erlauben, massgeschneidert vorzusorgen. Von Markus Städeli
W
er hat, dem wird gegeben. Der
Matthäus-Effekt gilt auch für die
berufliche Vorsorge, wo Pen-
sionskassen es Vielverdienern
ermöglichen können, einen Teil ihres Vorsor-
gegeldes individuell anzulegen. In den Ge-
nuss dieser Regelung kommt im Prinzip jeder,
der mehr als 126 900 Fr. pro Jahr nach Hause
trägt. Allerdings nur, wenn die eigene Firma
eine sogenannte 1e-Lösung unterstützt.
Diese unterscheidet sich eigentlich kaum
von der freiwilligen 3. Säule: Die privilegier-
ten Angestellten können zwischen bis zu zehn
verschiedenen Anlagestrategien wählen und
erhalten anstelle einer Rente für den ver-
sicherten Lohn über 126 900 Fr. später einmal
das Kapital ausbezahlt.
Der grosse Vorteil für die Versicherten: Sie
müssen mit ihrem Geld keine überhöhten
Renten quersubventionieren, das heisst, die
Rendite auf ihrem Kapital wird auch wirklich
ihnen gutgeschrieben und nicht umverteilt.
Ein günstiges 3a-Produkt mit 97 Prozent Aktien!
Geldspiegel
Markus Städeli
E
igentlich ist die Formel für eine
erfolgreiche Altersvorsorge denkbar
einfach. Wer später einmal über
genügend Angespartes verfügen will,
muss möglichst früh möglichst viel auf die
hohe Kante legen. Aber nicht irgendwie:
Einen möglichst hohen Teil seines Vorsorge-
kapitals sollte man in Aktien stecken und
das bei möglichst tiefen Verwaltungskosten.
Natürlich können die Aktienmärkte heftig
schwanken. Doch wer während Jahrzehnten
spart, braucht sich um das Auf und Ab an den
Der grosse Vorteil für die Firmen: Sie können
das Versicherungsrisiko auf den hohen Lohn-
anteilen ganz ihren Angestellten übertragen.
Die ganze Sache ist eigentlich nicht neu.
Doch wegen einer Gesetzesänderung per
1. Oktober dürften künftig mehr Firmen bereit
sein, 1e-Lösungen einzuführen. Denn nun
können sie den Versicherten beim Austritt aus
der Vorsorgeeinrichtung nicht nur einen
höheren Anlageertrag, sondern werden auch
einen allfälligen Verlust mitgeben. «Ein paar
Kassen bieten 1e-Lösungen schon seit über
Der grosse Vorteil für
die Versicherten ist:
Sie müssen mit ihrem
Vorsorgegeld keine
überhöhten Renten
quersubventionieren.
Börsen erst ein paar Jahre vor dem Kapital-
bezug Gedanken zu machen. Dividenden-
papiere schlagen Festverzinsliche langfristig
eigentlich immer.
Nur: Unser Vorsorgesystem trägt dieser
Binsenwahrheit in keiner Form Rechnung.
Weil die Pensionskassen jährlich darlegen
müssen, dass das vorhandene Kapital die
Leistungsversprechen deckt, sind sie
genötigt, ein Grossteil des Kapitals in ren-
ditefreie Anleihen zu investieren – aus dem
alleinigen Grund, weil deren Kurse weniger
stark ausschlagen. Und selbst in der 3. Säule,
wo diese Einschränkungen eigentlich nicht
gelten, dominieren Wertschriften-Sparpro-
dukte, die maximal die Hälfte des Fondsver-
mögens in Aktien anlegen. Dazu schmälern
hohe Gebühren auf den meist ziemlich
mittelmässigen Anlagevehikeln der Marke
Eigenbau die Rendite empfindlich.
Seit zwei, drei Jahren kommt zum Glück
etwas Bewegung in die verkrustete Branche:
Immer mehr Anbieter schrauben den Aktien-
anteil ihrer 3.-Säule-Produkte hoch und
setzen auf günstigere passive Fonds. Neu
gibt es einen Anbieter, der diesbezüglich in
einer eigenen Liga spielt: Die Firma Viac
zehn Jahren an. Sie haben sich damit arran-
giert, dass sie ihren Versicherten beim Arbeit-
geberwechsel bisher Verluste nur bis zur Frei-
zügigkeitsleistung mitgeben konnten», sagt
Lukas Riesen, Partner beim Beratungsunter-
nehmen PPCmetrics. «Dieses Risiko war eher
gering und wurde durch Reserven abge-
deckt.» Dennoch ist sich Riesen sicher, dass
viele Firmen nun neu über eine Einführung
von 1e diskutieren werden. «Die meisten wer-
den das Thema aber wieder verwerfen, denn
die Schwelle ist mit rund 127 000 Fr. so hoch
angesetzt, dass nur wenige Angestellte sub-
stanziell davon profitieren. Bei einem KMU
mit 150 Angestellten sind das vielleicht fünf
bis sieben Personen.»
Eine Frage der Umverteilung
«Für grosse Firmen mit vielen gutverdienen-
den Angestellten ist 1e sicher eine verlockende
Lösung», sagt Riesen. «Vor allem, wenn sie
internationale Buchführungs-Standards ver-
bietet 3.-Säule-Produkte an, die je nach
Strategie bis zu 97% in Aktien anlegen und
gleichzeitig äusserst preisgünstig sind: Die
Gesamtkosten (inklusive Produktegebühren
für Indexfonds) betragen bei der Tranche mit
dem höchsten Aktienanteil 0,55%. Die teu-
erste Variante (ein nach nachhaltigen Krite-
rien angelegtes Portefeuille mit 97% Aktien)
kostet jährlich 0,72%.
Zwar handelt es sich bei Viac um ein Jung-
unternehmen. Weil dieses aber mit einer
etablierten Vorsorgestiftung zusammen-
arbeitet, jener der WIR-Bank, tangiert dieser
Umstand die Sicherheit der eingelegten
Gelder überhaupt nicht.
Erfrischend ist zudem, dass Viac in ihren
Strategien auf die momentan gänzlich
unattraktiven Anleihen verzichtet. Wer sich
zum Beispiel für eine konservative «Schweiz
20»-Strategie entscheidet (Gesamtkosten
von 0,17%), investiert 20% in Aktien, 10%
in Immobilien und 2% in Gold. Der Rest wird
in Cash gehalten. Die Firma verspricht, dass
der rein digitale Eröffnungsprozess in zehn
Minuten abgeschlossen werden könne.
Dabei muss ein Foto der ID bzw. des Passes
hochgeladen werden.
GIAN EHRENZELLER / KEYSTONE
Treffpunkt der
Privilegierten: Der
Snow Polo World
Cup. (St. Moritz,
28. Januar 2017)
Die schlechteste Woche hatte...
Sergio Ermotti, UBS-Chef
UBS-Chef Sergio Ermotti ist
derzeit auf Tournee durch die
Fettnäpfe, in die man als Top-
banker so treten kann. Ende
Oktober drohte er, dass die UBS
wegen der zunehmenden
Regulierung die Schweiz ver-
lassen könnte. Damit ver-
ärgerte er das halbe Land. Die
Schweizer mussten 2008 mit
ihren Steuergeldern für die UBS
garantieren. Damit sorgten sie
dafür, dass die Bank gerettet
wurde und heute überhaupt
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Vorsorge ab 127 000 Franken
Die Systematik der 2. Säule,
abgestuft nach Lohn
846 000 Fr. Einkommen
800 000 Zweite Säule 1e-Lösung
Über-
700 000 obligatorium
600 000
500 000
400 000
300 000
200 000
126 900 Zweite Säule
84 650 Obligatorium
21 150
Quelle: BSV
wenden. Meist kommt der Anstoss dazu vom
Finanzchef, der sich an den Verpflichtungen
in der Bilanz stört.» Es seien kaum je die Ange-
stellten, die nach 1e fragten. «Wenn die Um-
verteilung in der 2.Säule aber nicht bald ge-
stoppt wird, könnte sich das auch einmal
ändern», fügt Riesen an.
Eine Firma, die 1e-Lösungen anbietet, ist
Albin Kistler. Der unabhängige Vermögens-
verwalter hat sich über die Jahre einen guten
Leistungsausweis erarbeitet. Für 1e spannt er
mit der Vorsorgestiftung Liberty zusammen,
die für Administration, Buchhaltung und
Reporting verantwortlich ist. «Bei 1e gibt es
weniger Volllösungen wie sonst in der
2. Säule. Die Firmen können die besten Anbie-
ter miteinander kombinieren – und diese be-
darfsweise wieder wechseln», sagt Rico Willi,
der stellvertretende Chef von Albin Kistler.
Gefahr der Entsolidarisierung
Der grosse Vorteil von 1e-Plänen sei, dass mit
ihnen sehr individuell auf das jeweilige
Risikoprofil eingegangen werden könne,
unter Berücksichtigung der ganzen Ver-
mögenssituation, sagt Willi. Je nach Lebens-
phase, wenn man eine Scheidung hinter sich
hat, ein Haus kauft oder der Ruhestand näher
rückt, ist die Risikoneigung unterschiedlich –
und man kann die Strategie wechseln.
Viele Versicherte in dieser Einkommens-
klasse sollten einen höheren Aktienanteil
wählen, als sie ihn in ihrer Pensionskasse
haben. «Für die meisten Leute stellt die Pen-
sionskasse den grössten Anteil des Vermögens
dar, und sie hat aufgrund der Leistungsver-
sprechen das Risiko-Rendite-Profil einer An-
leihe», sagt Benjamin Schoch, Leiter Asset
Management bei Albin Kistler. «Deshalb ist es
meist sinnvoll, bei einer 1e-Lösung einen
hohen Aktienanteil zu wählen.»
Die Firma ist sich bewusst, dass 1e ein
Nischenprodukt bleiben wird. «Die Entschei-
dungsträger der grossen Pensionskassen sind
oft skeptisch und sehen die Gefahr einer Ent-
solidarisierung der Gutverdiener – ausser es
gibt bereits separate Kaderlösungen», sagt
Willi. «Homogene Firmen wie Anwaltskanz-
leien, Treuhänder oder Arztpraxen stellen für
uns deshalb das grösste Potenzial dar.»
Immerhin sind die meisten Menschen be-
reits mit den Produkten vertraut: «Die Anlage-
lösungen von Banken und Versicherungen im
Bereich 1e sind meist identisch mit jenen für
die 3. Säule», sagt Schoch.
noch existiert. Nun hat sich
ARND WIEGMANN / REUTERS
Ermotti an einer Veranstaltung
in London mit Sir Paul Tucker
angelegt, dem ehemaligen
Vizepräsidenten der Bank of
England. Tucker hatte die Höhe
der Bankerboni kritisiert.
Diese müssten angesichts
schwindender Einnahmen der
Banken sinken. Ermotti
echauffierte sich und brachte
das Neidargument: Diskussio-
nen um Bonuszahlungen
würden von Leuten geführt,
die womöglich «mit ihrem
Lohn unzufrieden» seien. Und
er wiederholte die altbekannte
Begründung, dass die Banken
so hohe Löhne zahlen müss-
ten, damit Talente nicht
abwanderten. Ermotti bezog
vergangenes Jahr 13,7 Mio. Fr.
von der Grossbank. (mju.)

Unternehmen der Woche
Banken wetten im Machtkampf um
Clariant auf höhere Kurse
D
ie Clariant-Spitze ist in die Defen-
sive geraten. Dabei hatte sie sorgfäl-
tig jeden strategischen Schritt abge-
wogen, um zu verhindern, was jetzt
eben doch passiert ist: ein Angriff aktivis-
tischer Finanzinvestoren. Lange war der
Chemiekonzern gut unterwegs gewesen,
doch in jüngster Zeit kam das Gewinnwachs-
tum ins Stocken, blieb hinter den Vorstellun-
gen der Investoren zurück. Und dann ist da
noch die Plasticsparte, welche gesondert
geführt wird. Diese soll im Fall eines grösse-
ren Zukaufs devestiert werden, um die
Finanzierung sicherzustellen. So sähe es
jedenfalls das Management gern. Dass
Strukturen bestehen, um den Bereich sofort
Clariant zieht davon
Aktienkurs von Clariant im Vergleich zum
SPI seit dem Einstieg White Tales
120 Indexpunkte
Clariant
115
110
105
SPI
100
95
August September Oktober November
Quelle: Swissquote
Viel Sondermüll in den
Tresors der Credit Suisse
Bei der CS geht es wieder aufwärts, wie die
Führung der Grossbank diese Woche an
ihrem Investorentag glaubhaft darlegen
konnte. Das ist zwar erfreulich, für langjäh-
rige Aktionäre allerdings nur ein kleiner
Trost: Der Kurs der CS-Valoren notiert heute
bei 17 Fr. Vor zehn Jahren, also kurz bevor die
Finanzkrise virulent wurde, hatten diese für
über 90 Fr. die Hand gewechselt.
Das Ausmass der Wertvernichtung ist
bemerkenswert. Doch wieso wühlen wir an
dieser Stelle in der Vergangenheit? Weil sie
immer noch nicht auf- und abgearbeitet ist:
Die toxischen Altlasten der Bank sind heute
in der Einheit Strategic Resolution Unit
untergebracht und kommen auf ein Volumen
von 49 Mrd. Fr. gebunkert. Nächstes Jahr soll
aus dem Abverkauf ein Verlust von 1,4 Mrd.
Fr. resultieren, und auch 2019 kommen
nochmals 500 Mio. dazu. In einem Umfeld,
wo selbst die riskantesten Anlagen boomen,
muss man sich fragen, was so toxisch sein
kann, dass es sogar zehn Jahre danach für
so hohe Verluste sorgt: Es ist mit viel Fremd-
kapital aufgeblasener Sondermüll. (stä.)
Wall Street
Ohne Steuersenkung kein Rally
Jens Korte, New York
O
hne Risiko gibt es an der Wall Street
wenig zu holen. «No risk – no fun»
lautet die gängige Devise. Demnach
müssen die Investoren in den ver-
gangenen Tagen und Monaten sehr stark ins
Risiko gegangen sein.
Allein am letzten Handelstag im November
legten Blue Chips rund 331 Punkte oder 1,4%
zu. Damit ging der Dow Jones innerhalb von
vier Handelstagen 714 Zähler in die Höhe und
übertraf erstmals in der Geschichte die
24 000-Punkte-Marke. Auf Monatssicht ver-
buchte der Dow ein Plus von 3,8%. Das mar-
abzustossen, lockte indes die US-Investoren-
ARND WIEGMANN / REUTERS
gruppe White Tale an. Sie möchte das
Unternehmen von einer Investmentbank
durchleuchten lassen. Das käme einer Ein-
ladung an die Konkurrenz gleich, Offerten
für einzelne Geschäfte abzugeben. Seit Juli
haben die Amerikaner gut ein Fünftel der
Aktien zusammengekauft und tun das
gerüchteweise weiter. Überdurchschnittliche
Handelsvolumen sind ein Indiz dafür.
In der Finanzindustrie gibt es durchaus
kritische Stimmen gegen ein solches Vor-
gehen. Der Finanzdienstleister Perella Wein-
berg steht Aktivismus ablehnend gegenüber.
Eine erzwungene Devestition schaffe zwar
kurzfristig finanziellen Spielraum und treibe
den Kurs nach oben. Nicht alle Forderungen
seien jedoch im Sinn der Publikumsaktio-
näre. Denn 90 bis 95% der Aktionäre seien
langfristig beteiligt, also noch an Bord, wenn
der Aktivist längst weitergezogen sei.
Die Clariant-Führung sieht das ähnlich
und ging vergangene Woche auf Konfronta-
tion. Sie will sich das Heft nicht von White
Tale aus der Hand nehmen lassen, nachdem
bereits die geplante Fusion mit dem Konkur-
renten Huntsman wegen des neuen Haupt-
aktionärs geplatzt ist. Während das Unter-
nehmen bis Januar Vorschläge für eine
«beschleunigte Wertgenerierung» vorlegen
muss, kann der Aktionär bequem zurück-
lehnen. Bisher liess White Tale bloss vage
verlauten, an langfristigem Wachstum inter-
essiert zu sein. Der Aktienkurs ist seit ihrem
Siemens bringt Medtech-Tochter
Healthineers an die Börse
Zugegeben, der Name ist ein schlimmer
KEYSTONE
Zungenbrecher: Die Medizintechnik-Sparte
des Siemens-Konzerns heisst Healthineers.
Die unschöne Verballhornung der englischen
Sprache wird deutschsprachigen Investoren
nicht leicht von den Lippen gehen. Trotzdem
dürften sich viele für Healthineers interes-
sieren, denn der deutsche Technologie-
konzern will die profitable Sparte an die
Frankfurter Börse bringen. Analysten schät-
zen ihren Wert auf 30 Mrd. bis 40 Mrd. €. Für
War schon ab den deutschen Börsenhandel wäre es eines
2004 Mitglied der der grössten IPO der letzten 20 Jahre. Die
Geschäftsleitung Medtech-Tochter beschäftigt global 47 000
der Grossbank: Mitarbeiter und erzielte zuletzt einen Jahres-
CS-Präsident umsatz von 14 Mrd. €.
Urs Rohner. Siemens plant, nur eine Minderheitsbe-
teiligung in der «ersten Hälfte 2018» in den
Handel zu geben. Ende März sollen die Vor-
bereitungen so weit abgeschlossen sein, dass
günstige Marktstimmungen für den Börsen-
gang genutzt werden können.
Die Ankündigung mischt ein paar positive
Nachrichten in den düsteren Strom von
Neuigkeiten aus dem Mammut-Konzern.
kierte bereits den achten positiven Monat in
Folge. Die Wall Street erlebt damit die längste
Gewinnperiode seit 1995.
Die Händler an der Börse setzen derzeit
darauf, dass sich sämtliche Negativszenarien
in Luft auflösen. Niemand scheint zu glauben,
dass der Konflikt mit Nordkorea tatsächlich
eskaliert. Die Investoren gehen fest davon
aus, dass sich das Gewinnwachstum in den
USA ungebremst fortsetzt. Stärkere Zinserhö-
hungen werden ebenso wenig erwartet wie
ein Abkühlen der Rohstoffmärkte. Dass die
Präsidentschaft von Donald Trump mög-
licherweise auch negative Konsequenzen
haben könnte, wurde an der Börse bisher
ebenfalls ausgeklammert. Dafür konzentrie-
ren sich die Anleger auf die potenziell positi-
ven Aspekte der neuen Regierung.
An vorderster Stelle steht für viele Unter-
nehmen neben dem Abbau der Regulierung
die Senkung der Steuern. Angedacht ist eine
Reduzierung der Unternehmenssteuer von
35% auf 20%. Sollte das passieren, würden
Hauptsitz des Einstieg 20% vorgerückt, wohl nicht zuletzt,
Chemiekonzerns weil andere sich angeschlossen haben.
Clariant in Pratteln. Zahlreiche Banken haben jüngst die Kurs-
(29. Oktober 2017) ziele für die Titel sogar noch hochgeschraubt
und versprechen sich offenbar durch den
Machtkampf weitere Avancen. Darunter sind
der Broker Kepler, Société Générale und Von-
tobel. Nach einem starken Quartalsergebnis
sei Clariant «als Übernahmekandidat noch
attraktiver» geworden, schrieb der Vontobel-
Analyst Ende Oktober. Eine deutlich tiefere
Bewertung erwarten dagegen die US-Häuser
Bernstein und JP Morgan. (frp.)
Der will in der Kraftwerksparte 6900
Arbeitsplätze streichen. Der Bereich leidet
unter globalen Überkapazitäten. Siemens
beschäftigt insgesamt 372 000 Menschen,
5300 von ihnen in der Schweiz. Bei einem
Umsatz von 83 Mrd. € erwirtschafteten sie
2017 einen Gewinn von 6,2 Mrd. €. (vob.)
Grosser Umbau
Kursentwicklung der Siemens-Aktie
seit einem Jahr
130 €
125
120
115
110
105
D J F M A M J J A S
16 2017
Quelle: Swissquote
die Gewinne der im S&P-500-Index notierten
Unternehmen im Schnitt einen Schub von
zehn Dollar pro Aktie erhalten. Das berechnet
zumindest Alicia Levine, Investmentstrategin
von BNY Mellon. Dieser Berechnung zufolge
wären die Kurse derzeit auch nicht massiv Angesichts der
überbewertet. Levine befindet sich mit ihrer steigenden
Prognose in guter Gesellschaft. Fast alle Verschuldung
Experten gehen davon aus, dass die Steuer-
dürfte das
senkung die Gewinne von Corporate America
deutlich belebt. Programm
Es ist jedoch eine gewagte Rechnung, die nicht
Washington aufstellt. Über zehn Jahre sollen annähernd
die Steuern um rund 1,4 Bio. $ (1400 Mrd. $) finanzierbar
gesenkt werden. Die fehlenden Staatseinnah-
men sollen über entsprechendes Wirtschafts- sein.
wachstum gegenfinanziert werden. Eine Idee,
die schon der frühere Präsident Ronald Rea-
gan propagierte und die damals auch nicht
funktionierte.
Am Ansatz kommen nun vermehrt Zweifel
auf. Laut dem parteiübergreifenden Joint
Committee on Taxation würde das Budget in
39
Fünf Fragen
an Robert Persons
Robert Persons ist
Portfolio-Manager
bei MFS Invest-
ment Manage-
ment. Die Firma
verwaltet knapp
450 Mrd. $.
Ihr Fonds investiert in US-Unternehmens-
anleihen. Werden diese Papiere nicht an
Wert verlieren, wenn die Zinsen steigen?
1
Steigende Zinsen führen zu tieferen
Preisen von Obligationen. Die Coupon-
zahlungen der Anleihen stellen aber
einen Puffer gegen diesen Wertverlust dar.
Die Gesamtrendite unseres Fonds wäre so-
gar dann nicht negativ, wenn die Zinsen in
den USA in den nächsten fünf Jahren jähr-
lich um ein halbes Prozent steigen würden,
bis auf 5%. Wahrscheinlich werden sie die-
ses Niveau aber gar nicht erreichen.
Viele Anleger kaufen auf der Suche nach
Renditen Anleihen von Unternehmen mit
schlechter Bonität. Was halten Sie davon?
2
Es ist kurzsichtig, einzig auf die Höhe
der Zinserträge zu schauen. Ein Ver-
gleich über 30 Jahre zeigt, dass An-
leihen der schlechtesten Schuldner sogar
weniger abwerfen als Staatsanleihen, wenn
man die Ausfälle berücksichtigt. Die höchs-
ten verlustbereinigten Mehrrenditen erzie-
len Anleihen der Ratingstufen BBB und BB.
Wenn das die attraktivsten Anleihen sind,
warum kaufen Anleger dann andere?
3
An der Universität habe ich gelernt,
dass die Märkte effizient sind. Die
Realität sieht aber anders aus. Inner-
halb der riskanten Hochzinsanleihen sind
BB-Anleihen die sichersten Papiere mit
dem niedrigsten Zins. Darum sind sie für
High-Yield-Fonds wenig interessant. Denn
diese Fonds bevorzugen Anleihen mit
möglichst hohem Zins. Institutionelle
Anleger dürfen ausserdem oft überhaupt
nicht in solche Anleihen investieren.
Sie sind momentan vorsichtig positioniert
und halten auch Staatsanleihen und Cash.
Warum diese Zurückhaltung?
4
Es ist nicht so, dass wir mit einem
Crash rechnen. Fakt ist aber, dass über
passive Anlagefonds viel Geld in den
High-Yield-Anleihenmarkt geflossen ist.
Wenn die Anleger wieder ängstlich werden
und ETF verkaufen, werden die Anleihen
unterschiedslos auf den Markt geworfen.
Darum warten wir ab.
Anders als ein passiver Fonds können Sie
auswählen, welche Papiere Sie meiden
wollen. Wo sind Sie skeptisch?
5
Im Bereich Detailhandel gibt es viele
Anleihen, die als Investment-Grade
gelten, welche wir nicht im Portfolio
haben. Ich rechne damit, dass es in diesem
Sektor noch einige Herabstufungen der
Bonität geben wird. In den USA gibt es zu
viel Verkaufsfläche, und Amazon ist eine
O N
starke Konkurrenz.
Interview: Eugen Stamm
der nächsten Dekade per saldo um rund eine
Billion Dollar anschwellen, wenn Donald
Trump sein im Wahlkampf versprochenes
Infrastrukturpaket umsetzt. Angesichts der
steigenden Verschuldung dürfte das Pro-
gramm nicht annähernd finanzierbar sein.
Nicht nur in Washington, auch bei Corpo-
rate America wird geträumt. General Motors
will bereits in zwei Jahren eine Flotte von fah-
rerlosen Taxis in grossen Städten anbieten.
Finanzchef Chuck Stevens erwartet, dass die
selbstfahrenden Autos um das Jahr 2025
mehrere hundert Milliarden Dollar einspielen
und letztlich mehr Cash generieren als das
heutige, traditionelle Autogeschäft.
Das klingt recht futuristisch. Laut einer
jüngsten Studie von McKinsey Global sind in
den USA im Jahr 2030 bis zu 70 Mio. Jobs
oder rund ein Drittel der Arbeitskräfte durch
die Automatisierung bedroht. Das ist alles
Zukunftsmusik. Für die Gegenwart liefern
Donald Trump und der Kongress ausreichend
Gesprächsstoff.
40 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

ANLAGEFONDS
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Quelle: Swiss Fund Data AG E-Mail: helpdesk@swissfunddata.ch

Reihenfolge Fondsinformationen: Fondsname, Rechnungswährung, Konditionen Ausgabe / Rücknahme, Kursbesonderheiten, Inventarwert, Ausgabepreis
oder Börsenschlusskurs (Werte vom Freitag, 01.12.2017, Abweichungen siehe Besonderheiten), Performance 2017 in %, Jahreshöchstwert und Datum

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Synchrony Swiss Government Bonds CHF 4/3 e 110.02 -1.0 112.23 28.02. BGF AsTigBd A2 USD USD 2/1 el 40.59 6.6 40.87 30.10. Carmignac Capital Plus A EUR Acc EUR 1/1 e 1174.79 1.6 1176.03 03.11. FBG CHF Managed CHF 2/1 e 73.01 4.3 73.35 03.11. Franklin European TR A (Acc) EUR 1/1 b 15.19 0.1 15.36 07.09.
Aktienfonds BGF FixedIncGlbOpps A2 USD USD 3/1 el 13.94 3.6 13.97 11.10. Carmignac Sécurité A EUR Acc EUR 1/1 e 1754.55 0.3 1760.45 20.07. FBG Global Bal. Strategy EUR 2/1 e 50.14 3.8 50.61 06.11. Franklin GCC Bond A (acc) USD 1/1 e 12.79 6.0 12.89 08.09.
Synchrony All Caps CH A CHF 1/1 e 191.25 20.1 192.58 03.11. Aktienfonds Obligationenfonds FBG Global Managed CHF 2/1 e 77.43 3.8 78.60 03.11. Templeton Global Bond A (Acc) USD 1/1 e 29.75 3.8 30.20 15.05.
Synchrony Emerging Equity A USD 4/3 f 116.63 29.7 117.98 22.11. BGF Asian Dragon A USD USD 2/1 el 44.49 33.8 45.86 22.11. Carmignac Unconstr.Glbl Bd A EUR AccEUR 1/1 e 1394.55 -0.4 1432.44 13.04. FBG Global Return Strategy 1 EUR 2/1 e 46.29 1.6 46.62 07.11. Templeton Global TR A (Acc) USD 1/1 e 30.70 5.0 31.06 15.05.
Synchrony Europe Equity A EUR 4/3 f 175.28 13.3 179.83 06.11. BGF Asian Grwth Lead Fd A2 USD 1/1 e 20.37 33.2 20.90 22.11. Aktienfonds Templeton Global TR A CHF-H1 CHF 1/1 e 14.57 2.8 14.93 15.05.
Synchrony High Div. Swiss Stocks A CHF 1/1 e 104.21 - 104.21 30.11. BGF China A2 USD USD 1/1 e 20.45 35.3 21.29 22.11. Carmignac Comm. A EUR Acc EUR 1/1 e 295.49 1.0 315.46 21.02. Aktienfonds
Synchrony Small & Mid Caps CH A CHF 1/1 e 222.47 29.6 223.16 21.11. BGF Glbl MA Income Fd A2 USD 1/1 e 13.24 8.2 13.26 29.11. Carmignac Emerg.Disc. A EUR Acc EUR 1/1 e 1497.93 15.2 1537.81 06.11. Franklin India A (Acc) USD 1/1 e 40.46 32.1 41.02 27.11.
Synchrony Swiss Equity CHF 4/3 e 157.15 20.7 157.62 28.11. BSF EM Eq Strat A2 USD 1/1 e 157.87 27.4 159.66 24.11. Carmignac Emergents A EUR Acc EUR 1/1 e 934.77 16.9 984.37 08.11. Franklin Technology A (acc) USD 1/1 e 17.22 40.6 17.73 24.11.
Synchrony US Equity A USD 4/3 e 196.56 17.9 196.56 30.11. BSF EM Flexi Dynamic A2 USD 1/1 e 118.85 4.1 119.44 02.11. Carmignac Euro-Entrepr A EUR Acc EUR 1/1 e 364.39 21.4 369.85 31.10. Templeton Asian Smaller Co A (acc) USD 1/1 e 48.63 29.5 48.98 29.11.
Immobilienfonds BSF Glbl Event Dr A2 USD 1/1 a 107.46 4.2 109.28 11.10. Carmignac Grande Eur. A EUR Acc EUR 1/1 e 198.12 10.3 202.59 06.11. Templeton EM Smaller Co A (acc) USD 1/1 e 12.43 27.1 12.50 29.11.
Synchrony Swiss Real Est FoF A CHF 1/1 a 107.23 1.7 116.33 08.06. BSF MMAS A2 USD 1/1 e 102.02 -0.2 103.22 16.05. Carmignac Invest. A EUR Acc EUR 1/1 e 1184.32 2.8 1241.27 26.07. Templeton Euroland A (acc) EUR 1/1 e 24.06 8.6 24.66 06.11.
BSF Style Adv A2 USD 1/1 e 109.18 0.5 114.45 20.06. Strategiefonds Andere Fonds
Strategiefonds Carmignac Emerg.Pat. A EUR Acc EUR 1/1 e 118.45 5.6 122.02 08.11. Franklin Global Convert Sec A (Acc) USD 1/1 e 13.36 13.3 13.51 24.11.
BGF GlobAll A USD USD 2/1 e 56.76 12.0 56.83 29.11. Carmignac Euro-Patr. A EUR Acc EUR 1/1 e 349.93 12.6 352.78 24.11. Franklin K2 Alternative Strat A (acc) USD 1/1 e 11.09 4.9 11.09 30.11.
Carmignac Patrimoine A CHF Acc Hdg CHF 1/1 e 112.67 -1.4 116.96 15.05.
Carmignac Patrimoine A EUR Acc EUR 1/1 e 646.74 -0.9 669.42 15.05.

JPMorgan Asset Management (CH) GmbH LB(SWISS) INVESTMENT AG PIMCO (SCHWEIZ) GMBH
Tel. +41 44 206 86 00 Tel. +41 44 225 37 90 Tel. +41 44 512 49 10
Weitere Fonds unter: investment@lbswiss.ch www.europe.pimco-funds.com PvB Pernet von Ballmoos AG RESPONSABILITY INVESTMENTS AG
www.jpmam.ch Tel. +41 44 205 51 51 -- www.pvbswiss.com www.responsAbility.com

Obligationenfonds Aktienfonds Obligationenfonds Aktienfonds Andere Fonds

JPM EM Corp Bond A acc USD USD 2/2 e 153.09 6.5 153.91 19.10. Swiss Opportunity Fund CHF 2/1 e 254.35 24.4 257.14 03.11. Capital Securities Fd Inst acc CHF 2/2 e 15.38 8.4 15.45 01.11. PvB Swiss Equity Futures Fund A CHF 1/1 b 118.90 -17.2 141.52 31.01. rA Fair Agriculture B1 CHF 2/2 bf 97.46 -4.1 101.37 28.02.
JPM Income Opp A(Perf)acc CHF (h) CHF 3/1 e 98.40 0.3 99.30 02.03. Diversified Income Inst Hdg CHF 1/1 e 13.39 5.8 13.45 02.11. PvB Swiss Equity Futures Fund I CHF 1/1 b 123.55 -16.5 145.83 31.01. rA Fair Agriculture B2 EUR 2/2 bf 99.75 -3.8 103.47 28.02.
Aktienfonds Emerging Local Bond Inst Unhdg CHF 1/1 e 9.42 8.8 9.58 22.09. Immobilienfonds rA Micro and SME FF B USD 4/1 b 152.71 1.0 153.55 29.09.
JPM Asia Growth A acc-USD USD 2/2 el 30.96 - 31.87 28.11. Euro Bond Inst Hdg CHF 1/1 e 33.92 2.3 33.97 07.11. Synchrony Swiss Real Est FoF A CHF 1/1 a 107.23 1.7 116.33 08.06. rA Micro and SME FF H CHF CHF 4/1 b 122.77 -1.1 124.07 31.07.
JPM EM Opportunities A acc USD USD 4/4 el 298.99 40.8 306.21 28.11. Global Bond Inst Hdg CHF 1/1 e 32.88 2.3 32.99 07.11. Synchrony Swiss Real Est FoF I CHF 1/1 a 97.84 2.3 105.86 08.06. rA Micro and SME FF H EUR EUR 4/1 b 137.39 -0.7 138.67 31.08.
JPM Euroland Dyn A(Perf)acc EUR EUR 4/4 e 247.13 14.9 254.79 01.11. Global High Yield Bd Inst Hdg CHF 1/1 e 16.52 5.0 16.61 24.10. Alternative Investments
JPM Europe Dynamic A acc-EUR EUR 2/2 el 23.86 - 24.23 29.11. Global Inv Grade Credit Inst Hdg CHF 1/1 e 17.00 3.9 17.09 08.09. PvB Andante - Emg Mkts K (CHF) CHF 2/1 bf 12021.90 15.3 12021.90 31.10.
JPM Europe Eq A acc-EUR EUR 2/2 el 18.41 11.6 19.07 07.11. Income Fund Inst (Hdg) acc CHF 2/1 e 11.37 5.0 11.39 29.11. PvB Andante - Emg Mkts K (USD) USD 2/1 bf 15364.90 17.6 15364.90 31.10.
JPM Europe Eq Plus A(Perf)acc EUR EUR 2/2 el 17.03 10.2 17.65 01.11. Total Return Bd Inst Hdg CHF 1/1 e 11.23 2.2 11.41 08.09. PvB Andante - Global K (CHF) CHF 2/1 bf 10958.25 7.1 10958.25 31.10.
JPM Europe Tec A acc-EUR EUR 2/2 el 41.33 - 42.62 28.11. Aktienfonds PvB Andante - Global K (USD) USD 2/1 bf 13613.30 8.8 13613.30 31.10.
Strategiefonds MLP & Energy Infrastructure Inst acc USD 2/1 e 7.66 -8.6 9.02 15.02. Andere Fonds
JPM Global Income A div CHF (h) CHF 3/1 el 121.08 5.2 121.79 07.11. PIMCO RAE Fdtl PLUS EM Inst acc USD 4/4 e 13.32 25.4 13.66 16.10. PvB Asset-Backed Securities Fund A USD 2/3 bf 3630.54 8.8 3630.54 31.10.
JPM Global Macro Op A Acc CHF CHF 4/4 el 116.55 14.0 121.01 22.11. PIMCO RAE Fdtl PLUS Gbl Dev Inst accUSD 4/4 e 15.07 21.0 15.07 30.11. PvB Asset-Backed Securities Fund I CHF 2/3 bf 1644.89 7.4 1644.89 31.10.
Andere Fonds PIMCO RAE Fdtl PLUS US Inst acc USD 4/4 e 16.52 15.7 16.52 30.11. PvB Asset-Backed Securities Fund I USD 2/3 bf 1643.84 9.6 1643.84 31.10.
JPM Flexible Credit Fd A Acc USD USD 4/4 e 15.45 - 15.46 28.11. Strategiefonds PvB Asset-Backed Securities Fund S USD 2/3 bf 254.45 9.8 254.45 31.10.
Global Multi-Asset Inst acc USD 1/1 e 16.96 13.4 16.96 30.11.

Erklärung Indizes
Konditionen bei der Ausgabe und Rücknahme von Anteilen:
Die erste Ziffer verweist auf die Konditionen bei der Ausgabe von Anteilen:
1. keine Ausgabekommission und/oder Gebühren zugunsten des Fonds (Ausgabe erfolgt zum Inventarwert)
2. Ausgabekommission zugunsten der Fondsleitung und/oder des Vertriebsträgers
SCHRODER INVESTMENT MANAGEMENT
(kann bei gleichem Fonds je nach Vertriebskanal unterschiedlich sein)
(SWITZERLAND) AG, LUX-SICAV 3. Transaktionsgebühr zugunsten des Fonds (Beitrag zur Deckung der Spesen bei der Anlage neu zufliessender Mittel)
www.schroders.ch, Tel. 0800 8 4444 8 WYDLER ASSET MANAGEMENT AG 4. Kombination von 2) und 3)
contact@schroders.ch www.wydlerinvest.ch 5. Besondere Bedingungen bei der Ausgabe von Anteilen
Die zweite, kursiv gedruckte Ziffer verweist auf die Konditionen bei der Rücknahme von Anteilen:
Obligationenfonds Obligationenfonds 1. keine Rücknahmekommission und/oder Gebühren zugunsten des Fonds (Rücknahme erfolgt zum Inventarwert)
Em Mkts Dbt Ab Return A Acc USD 2/2 e 27.93 5.4 28.74 08.09. Wydler Global Income Fund CHF 2/1 e 131.76 11.6 132.33 02.11. ANLAGEFONDS – 2. Rücknahmekommission zugunsten der Fondsleitung und/oder des Vertriebsträgers
(kann bei gleichem Fonds je nach Vertriebskanal unterschiedlich sein)
EURO Corporate Bond A Acc EUR 2/2 e 22.41 4.7 22.51 06.11. Aktienfonds
3. Transaktionsgebühr zugunsten des Fonds (Beitrag zur Deckung der Spesen beim Verkauf von Anlagen)
Gl Cred.Dur.Hgd A Acc EUR 2/2 e 113.22 1.3 113.41 25.10. Wydler Global Equity Fund CHF 3/3 a 231.41 9.1 236.30 07.11. TRANSPARENTE UND 4. Kombination von 2) und 3)
Global Corporate Bond A Acc USD 2/2 e 11.19 4.6 11.23 06.11. 5. Besondere Bedingungen bei der Rücknahme von Anteilen
Strategic Bond A Acc USD 2/2 e 145.30 1.4 147.07 16.08. BEWÄHRTE FINANZ-
Besonderheiten:
Aktienfonds a) wöchentliche Bewertung
Emerging Markets A Acc USD 2/2 e 16.15 35.6 16.67 22.11.
PRODUKTE. MEHR UNTER: b) monatliche Bewertung
c) quartalsweise Bewertung
European Large Cap A Acc 261.48 9.5 270.91 01.11.
European Value A Acc
EUR 2/2 e

EUR 2/2 e 66.19 5.1 67.86 25.05.

WWW.SWISSFUNDDATA.CH d) keine regelmässige Ausgabe und Rücknahme von Anteilen
e) Vortagespreis
Gl Climate Change Eq A Acc USD 2/2 e 14.64 27.7 14.72 29.11. f) frühere Bewertung
Global Energy A Acc USD 2/2 e 15.10 -16.3 18.71 06.01. g) Ausgabe von Anteilen vorübergehend eingestellt
h) Ausg. und Rückn. von Anteilen vorübergehend eingestellt
Global Equity A Acc USD 2/2 e 24.85 22.7 24.99 29.11.
i) Preisindikation
Middle East A Acc USD 1/1 e 11.67 8.0 12.67 11.09. l) in Liquidation
Swiss Equity Opp. A Acc CHF 2/2 e 198.81 16.4 200.89 03.11. x) nach Ertrags- und/oder Kursgewinnausschüttung
Swiss S&M Cap Equity A Acc CHF 2/2 e 46.97 21.5 47.62 01.11. Wertangaben ohne Gewähr
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Wer rechnet, pumpt Wärme
Als Ersatz für eine Öl- oder Elektroheizung ist die ökologische Wärmepumpe die
beste Wahl: Die Startinvestition ist höher, doch die Gesamtkosten sind tiefer
Claude Settele
Die Wärmepumpe hat sich als Heizsystem in
der Schweiz durchgesetzt. In neun von zehn
neu gebauten Einfamilienhäusern kommt
eine Wärmepumpe zum Einsatz. Die überwie-
gende Wahl für dieses Heizsystem wird nicht
allein wegen ökologischer Aspekte gefällt.
Bauherren, die ihre Investitionen sorgfältig
planen, nutzen die Technologie auch aus öko-
nomischen Gründen.
Zwar sind die Anfangsinvestitionen höher
als bei einer Ölheizung, doch über die ganze
Betriebszeit gerechnet, ist die wartungsarme
Wärmepumpe deutlich günstiger. Die Technik
ist mittlerweile ausgereift und effizient – und
hat Potenzial. Mehr als 800 000 alte Öl-
heizungen dürften landesweit noch im Be-
trieb sein.
Um die Klimaziele zu erreichen, fördert das
Bundesamt für Energie (BfE) die Wärme-
pumpe über das Programm Energie Schweiz.
Deren Leistung besteht zu 70 bis 75% aus CO2-
neutraler Energie aus der Luft, dem Boden
oder dem Grundwasser, sowie 25 bis 30%
Strom für den Betrieb. Bis Ende Jahr dürften
in der Schweiz rund 240 000 Wärmepumpen
in Betrieb sein, das BfE will den Anteil bis
2020 auf 400 000 erhöhen.
Dieses Ziel ist laut Stephan Peterhans aber
zu optimistisch. Laut dem Geschäftsführer
der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz
(FWS) stagniert generell die Sanierungsrate
Jetzt
am Kiosk!
der Heizungsanlagen auf tiefen 0,9%. Als
Gründe nennt er die ungünstige Entwicklung
bei den Steuerabzugsmöglichkeiten, die Kre-
ditsprechung der Banken für Sanierungen und
die tiefen Energiepreise.
Knackpunkt Baubewilligung
Bei der Wahl des Heizungstyps sieht Peter-
hans auch regulative Hürden: «Eine Öl- oder
Gasheizung kann ohne Bewilligungspflicht
gegen das gleiche System ersetzt werden. Die-
ser Umbau ist innerhalb von zwei Tagen er-
ledigt. Eine Wärmepumpenheizung benötigt
einen Planungshorizont von mindestens
einem halben Jahr.»
Der Bau einer Wärmepumpe erfordert näm-
lich ein Bewilligungsverfahren, das zudem
föderalistisch unterschiedlich gehandhabt
wird. Schnellschüsse sind nicht zu empfeh-
len, wie Elektroingenieur Thomas Schwein-
gruber, Geschäftsführer der Firma Heizungs-
macher, rät: «Wir erleben fast täglich, dass
eine defekte Ölheizung rasch ersetzt werden
muss. Es macht daher Sinn, frühzeitig zu
planen, damit der Einbau einer modernen
Wärmepumpe einfacher und günstiger erfol-
gen kann.» Insbesondere die Bewilligungen
benötigen eine gewisse Vorlaufzeit.
In der Schweiz am häufigsten gebaut wird
die Luft-Wasser-Wärmepumpe, es folgt die
Sole-Wasser-Wärmepumpe. Die effizienteste
Form ist die Wasser-Wasser-Pumpe, welche
die Energie aus Grundwasser oder Seen be-
41
EB-REGION-WINTERTHUR.CH
Energie
Sonne liefert Strom
Eine Wärmepumpe für ein Einfamilienhaus
benötigt etwa 5000 kWh/Jahr. Um den
Strom selbst zu produzieren, ist eine Photo-
voltaik-Anlage mit einer Fläche von rund
35 m2 nötig. Laut Rechenbeispiel der Firma
Heizungsmacher kostet diese nach Abzug
der Einmalvergütung 15 600 Fr. Die Investi-
tion lässt sich von den Steuern absetzen,
wodurch man rund 3100 Fr. spart. Als
Amortisationszeit für eine Photovoltaik
rechnet man rund 15 Jahre. Der Strom für
die Wärmepumpe lässt sich aufgrund der
saisonalen Schwankungen nur theoretisch
durch Eigenproduktion ganz abdecken,
einen Teil des Stroms muss man demnach
stets vom E-Werk dazukaufen. (set.)
einzuhalten. Laut Thomas Schweingruber
arbeiten moderne Systeme mittlerweile leiser
als eine Ölheizung, dennoch muss die Anlage
bewilligt werden.
Der Bau einer Wärmepumpe wird mit För-
derbeiträgen unterstützt, sofern die Anlage
das Label «Wärmepumpen-System-Modul»
der Fachvereinigung Wärmepumpen (FWS)
erfüllt. Das von Energie Schweiz unterstützte
Label will die nachhaltige Ausführung und
Planung von Wärmepumpen über abge-
stimmte Komponenten und standardisierte
Abläufe garantieren. Die FWS, der 430 Mit-
gliedsfirmen angehören, ist dennoch nicht
zufrieden: «Wärmepumpen zählen zu den
Schlüsseltechnologien für die CO2-Reduktion
und die Energieeffizienz. Bei etwa der Hälfte
der Sanierungen werden erneuerbare Ener-
gien aber gar nicht in Betracht gezogen. Das
heisst, dass Bauherren und Architekten noch
zu wenig informiert sind», sagt Verbands-
präsident Peterhans.
zieht. Den zweitbesten Wirkungsgrad erreicht Herzstück des priva-
die Sole-Wasser-Pumpe, die über eine Erd- ten Kraftwerks: Mehrere tausend Franken günstiger
sonde Wärme aus rund 200 bis 250 Metern Die Wärmepumpe Dabei schlägt die Wärmepumpe im Kosten-
Tiefe gewinnt. Deren Bau ist allerdings teu- (in der Mitte mit der vergleich die Ölheizung klar. Die Investition
rer, erfordert eine Bohrbewilligung, und die roten Abdeckung) beim Bau ist höher, dafür sind die Betriebs-
Gemeinden führen Karten mit Zonen, wo sorgt über die Jahre kosten deutlich tiefer. Ein Rechenbeispiel der
Erdsonden möglich sind. In dicht bebauten für angenehme Firma Heizungsmacher für ein typisches Ein-
Gebieten können zu viele Sole-Wasser-Pum- Temperaturen bei familienhaus mit 2000 Litern Heizölver-
pen zudem zu Problemen und bis zum Defekt günstigen Kosten. brauch pro Jahr macht den Unterschied klar.
der Anlagen führen. Eine neue Ölheizung kostet rund 16 000 Fr.,
Auch der Bau einer Luft-Wasser-Wärme- die Kosten für das Heizöl liegen bei rund 2000
pumpe ist geregelt. Neben kantonalen Bau- Fr. pro Jahr. Hinzu kommen der Aufwand für
auflagen sind vom Bund definierte Lärmwerte die Wartung des Brenners und des Tanks so-
wie für den Kaminfeger von rund 500 Fr. Auf
eine Betriebszeit von 20 Jahren gerechnet,
Beliebte Wärmepumpen liegen die Gesamtkosten für Bau und Betrieb
der Ölheizung also bei 66 000 Fr.
Anzahl verkaufte Heizsysteme Für die gleiche Heizleistung ist eine Luft-
in der Schweiz, 2016 Wasser-Wärmepumpe mit rund 9 kW Heiz-
leistung nötig, die 33 000 Fr. kostet. Im Preis
18 000
eingeschlossen sind die Erzeugung des
16 000
Brauchwarmwassers, alle Anpassungsarbei-
14 000 ten und die Demontage des Öltanks. Die Be-
12 000 triebskosten pro Jahr liegen bei rund 1250 Fr.,
10 000 davon machen die Stromkosten rund 1000 Fr.
8000 aus. Über 20 Jahre kostet die Luft-Wasser-
6000 Wärmepumpe mit Anschaffung 58 000 Fr.,
4000 also rund 8000 Fr. weniger als die Ölheizung.
2000 Nicht eingerechnet sind dabei mögliche
0 Einsparungen durch Förderprogramme für
Holzkessel Ölkessel Gaskessel Wärme- Wärmepumpen.
pumpen
Quelle: Energie Schweiz, FWS Informationsplattform: www.energie.ch.
42 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

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Naturgefahren 43

SERIE

EinSee,dersichzum
Glücknurseltenfüllt
In den Bergen ist oft ein hoher Anteil der Bevölkerung von Hochwasser bedroht. Die
wirklich grossen Schadenpotenziale liegen aber im Mittelland – zum Beispiel in
Winterthur. Von Lukas Denzler

O
hne Schnee keine bach sukzessive wieder in die
VISUALISIERUNG: NIGHTNURSE IMAGES

Lawinen – darum Eulach zurück. Damit lässt sich

ist die Lawinen- die Hochwasserspitze um bis zu
gefahr auf das Berg- 30 Prozent reduzieren.
gebiet beschränkt.
Man könnte mei- Grösster Rückhalteraum
nen, dass auch Überschwemmun- Ein neu erstellter, 1,4 Kilometer
gen vor allem den Alpenraum be- langer und bis zu 2,5 Meter hoher
treffen. Doch das ist ein Irrtum. begrünter Damm begrenzt den
Auch im Flachland sind viele Ge- Rückhalteraum im Westen. Er
biete durch Hochwasser bedroht. dient unter anderem als Tribüne
Die durch Überschwemmungen für die Sportplätze. Die Gebäude
verursachten Schäden an Gebäu- des Segelflugplatzes wurden
den stehen mit einem Anteil von höher gelegt, damit sie nicht
rund 36 Prozent vor den Hagel- überflutet werden. Im Osten be-
und Sturmschäden an der Spitze grenzt der natürliche Anstieg des
der Elementarschäden in der Geländes den temporären See.
Schweiz. Durchschnittlich belau- Im Kanton Zürich seien bis
fen sich die Hochwasserschäden jetzt 20 solche Hochwasserrück-
inklusive Murgänge auf knapp halteräume realisiert worden,
300 Millionen Franken pro Jahr. sagt Wolfgang Bollack von der
Gefahrenkarten zeigen, wo Baudirektion des Kantons Zürichs.
Bäche, Flüsse und Seen über ihre Mit einem Volumen von 570 000
Ufer treten können und wie oft Kubikmetern handle es sich in
solche Ereignisse zu erwarten Winterthur um den grössten die-
sind. Das sagt aber noch nichts ser Art im Kanton. Ähnlich grosse
darüber aus, wie viele Gebäude Rückhalteräume seien unter
und Menschen diesen Risiken anderem an der Bünz bei Wohlen
ausgesetzt sind. Veronika Röthlis- (AG) und der Wyna bei Bero-
berger berechnete im Rahmen münster (LU) realisiert worden.
ihrer Forschungsarbeit am Geo- Laut Bollack bestand eine der
graphischen Instituts der Univer- Herausforderungen in Winterthur
sität Bern, dass sich in der Schweiz darin, dass der Zuflusskanal mit-
270 000 Gebäude mit einem Neu- ten durch ein Wohnquartier ge-
wert von 480 Milliarden Franken baut werden musste. Im Rückhal-
in hochwassergefährdeten Gebie- teraum waren zudem umfang-
ten befinden. Das sind 13% aller reiche Erdarbeiten erforderlich.
Gebäude. In ihnen leben etwas Dafür profitiert die Bevölkerung
mehr als 1,1 Millionen Menschen. Visualisierung des dammbewehrten Hochwasserrückhalteraums Hegmatten in Winterthur bei Hochwasser. nun von einem aufgewerteten
Naherholungsgebiet. Der Ried-
Hochwasser-Hotspots bach ist verlegt und renaturiert
Die Analysen ergaben ein interes- In den Städten auch in den Städten St. Gallen, letzte extreme Hochwasser er- Luft (AWEL) angrenzend an das worden, und beim Schloss Hegi
santes Gefährdungsmuster für Sitten, Luzern, Biel und Winter- lebte Winterthur 1876. Die neuen Quartier Hegi im offenen Gelände sind neue Weiher entstanden.
die Schweiz. «In vielen Gemein-
leben Tausende thur leben Tausende Menschen Massnahmen reduzieren das beim Segelflugplatz und den Die Projektverantwortlichen
den im Berggebiet und im Al- Menschen in in Überschwemmungsgebieten. Schadenpotenzial von 400 auf Sportplätzen in Oberwinterthur. des AWEL gehen davon aus, dass
penvorland ist ein hoher Anteil
der Bevölkerung betroffen», sagt
Überschwem- In Winterthur investierte der
Kanton Zürich in den letzten Jah-
100 Millionen Franken.
Wie lässt sich die Überschwem-
Führt die Eulach mehr Wasser,
als schadlos durch Winterthur
das Gebiet etwa alle dreissig Jahre
teilweise überschwemmt wird.
Röthlisberger. So sind beispiels- mungsgebieten. ren in einen verbesserten Hoch- mungsgefahr in einer gebauten fliessen kann, wird der über der Lediglich alle hundert Jahre
weise im Wallis, in Nidwalden, im wasserschutz. Die harmlos an- Stadt verringern? Die Lösung lag Durchflusskapazität liegende Teil dürfte sich der Rückhalteraum
St. Galler Rheintal in vielen Ort- mutende Eulach, die in der Stadt in der Schaffung eines grossen durch einen 390 Meter langen ganz füllen und in einen See ver-
schaften mehr als 80 Prozent der oft unterirdisch und kanalisiert Hochwasserrückhalteraums im unterirdischen Kanal und ein Ein- wandeln. Das Wasser bleibt dann
Gebäude gefährdet. Betrachtet verläuft, hat auch ein anderes Nordosten Winterthurs oberhalb laufbauwerk, das an eine Einfahrt etwa zwanzig Stunden liegen. Das
man hingegen die absoluten Gesicht. Bei einem extremen der neuralgischen Engstellen im in eine Tiefgarage erinnert, in Projekt kostete 33 Millionen Fran-
Werte, so stechen besonders die Hochwasser ist die Durchfluss- Stadtzentrum. Den geeigneten offenes Gelände geleitet. Dort bil- ken. Davon übernahm der Bund
Städte hervor. An der Spitze steht kapazität im Zentrum und beim Ort dafür fanden die Wasserbau- det sich ein See, und das aufge- 39 Prozent. Den Rest finanzierte
Zürich mit fast 4000 hochwas- Hauptbahnhof ungenügend. Sol- fachleute des kantonalen Amtes staute Wasser fliesst nach der der Kanton Zürich, weil die Eu-
sergefährdeten Gebäuden. Aber che Ereignisse sind selten; das für Abfall, Wasser, Energie und Hochwasserspitze über den Ried- lach ein kantonales Gewässer ist.

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 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

«Ich kann mithalten» Nach der Auslosung

Lindsey Vonn erklärt, So will sich die Schweizer Freizeit-
sport
warum sie ein Duell mit Nati auf die Fussball-WM Der grosse
Männern anstrebt in Russland vorbereiten Skitest
51 48 54
URS LINDT / FRESHFOCUS

Bereitfür
Albian Ajeti jubelt
über sein Tor
gegen Lausanne.
Basel gewinnt das
Super-League-
Spiel am Samstag

dasSpiel
mit 4:1.

desJahres
Am Dienstag kann Basel das Achtelfinal der
Champions League erreichen. Das Team hat
rechtzeitig die Kurve gekriegt. Seite 46, 53
 46 Sport Fussball NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Mit der Aura des Un

Raphael Wicky, der junge Trainer des FC Basel, stand von Anfang an unter Beobachtung. Zu
Saisonbeginn geriet das Team in Schwierigkeiten – doch dann schaffte Wicky die Wende.
Seine Fähigkeit, sich nicht vereinnahmen zu lassen, half ihm. Am Dienstag könnte der FCB
in die Achtelfinals der Champions League einziehen.Von Benjamin Steffen

B
asel, 22. November: Als der
Gigant Manchester United ge-
schlagen war, nahm sich
Raphael Wicky die Brille vom
Gesicht, lief zurück zur Trai-
nerbank und kramte das Bril-
lenetui hervor, das ordentlich
neben seinem Schalensitz verstaut war.
Feierabend.
Mitte Juni hat Raphael Wicky eine Reise an-
getreten, und er absolviert sie in einer Selbst-
verständlichkeit, als sei es eine gewöhnliche
Geschäftsreise. Immerhin trat Wicky den Trai-
nerjob beim Serienmeister FC Basel an, mit
erst 40 Jahren, ohne Super-League-Erfah-
rung. In der letzten Saison hatte er noch das
Basler U-21-Team betreut, am Dienstag bietet
sich bei Benfica Lissabon die Chance, in die
Champions-League-Achtelfinals einzuziehen.
Am ersten Arbeitstag stellte sich Wicky
dem Team vor, wie es in den letzten Jahren
jeder Trainer gemacht habe, «ganz normal,
ganz ruhig», sagt der Mittelfeldspieler Luca
Zuffi, «man wäre nicht auf die Idee gekom-
men, dass er zuvor noch nie eine Profimann-
schaft trainiert hatte». Aber vielleicht verbirgt
sich darin ein wesentliches Merkmal des Trai-
ners Wicky, ein Unterschied zu seinen Vor-
gängern: dass er noch etwas ruhiger ist. Oder
einfach: etwas normaler.
Wicky hat nichts Kumpelhaftes wie der frü-
here FCB-Trainer Thorsten Fink. Er ist nicht
wie Paulo Sousa, der Träume verkaufte. Nicht
wie Heiko Vogel, der die Medien einmal
fragte: «Wissen Sie, was Sie mich noch nie ge-
fragt haben? Ob ich finde, dass ich gut aus-
sehe.» Und nicht wie Murat Yakin, der in
Luzern einem Journalisten sagte: «Ich weiss
nicht, welche Medikamente du morgens
nimmst – aber nimm etwas weniger.» Und
auch nicht wie Urs Fischer, der sich manchmal
so richtig enervierte und «äxgüsi» sagte,
«äxgüsi, aber damit habe ich schon Mühe,
immer das Negative».
Wicky würde allenfalls «pardo» sagen, mit
hartem «o», so walliserdeutsch, dass es die
Leute wohl noch charmant fänden.
Er redet klar, aber exponiert sich selten. Er
braucht nicht aufzufallen, so hielt er es eine
Spielerkarriere lang, und heute fällt er vor
allem auf, weil es für einen FCB-Trainer kein
Versteck mehr gibt. Wicky stand von 1996 bis
2007 im Nationalteam, man gewöhnte sich an
ihn, er gehörte dazu und polarisierte nie. So-
gar TV-Zuschauer fingen ihn zu mögen an, wie
einen guten Freund, dem man nichts Schlech-
tes wünscht. Um ihn begann sich eine Aura
der Unangreifbarkeit zu entspinnen, weil er
nicht in die Offensive ging. Bis heute koket-
tiert er damit, dass er ein mittelmässiger Fuss-
baller gewesen sein soll, letzthin sagte er der
«Basler Zeitung» wieder einmal: «Wenn ich
den Ball bekommen habe, wussten ja immer
schon alle, dass ich ihn fünfzehn Meter quer
zum nächsten Mitspieler schiebe.» Benjamin
Huggel, mit ihm im Nationalteam, sagt dazu:
«Es gibt beim besten Willen einen Unter-
schied, ob man seine Querpässe in der Bun-
desliga spielt oder in der Challenge League.»
Vor wenigen Jahren arbeiteten Huggel und
Wicky gemeinsam im FCB-Nachwuchs. Hug-
gel verzweifelte fast, wenn Wicky wieder ein-
mal sagte, er wisse nicht, ob er dereinst Super-
League-Trainer werden möchte, und Huggel
fand, ja, warum denn nicht, zum Teufel, «das
musst du doch wollen mit deinem Back-
ground» – aber Wicky glaubte primär warten
zu müssen, auf das richtige Angebot für die-
sen Moment, in dem er sich bereit fühlen wür-
de. Auf andere mochte er zögerlich wirken, ei-
nige bezeichnen ihn als Zweifler. Doch manch-
mal verschwimmt die Grenze zwischen Zwei-
feln und gesunder Selbsteinschätzung.
Seine Art, sich zu schützen
Basel, 22. November: Als nach dem Sieg gegen
Manchester United jemand fragte, was er jetzt
noch zu machen gedenke, sagte Wicky, er ha-
Wicky nimmt Kritikern
die Argumente, indem
er sie selber liefert.
Er liest nicht in der
Zeitung, was schiefläuft,
er benennt es selber.
be seine Eltern zu Besuch, und sicher werde er
mit ihnen noch ein Glas Wein trinken.
Anders als sein Vorgänger Fischer will
Wicky erst gar nicht wissen, wer schlecht ge-
schrieben hat über den FCB, «immer das Ne-
gative». Er liest keine Zeitungen, nichts, er
lässt er sich von der Pressechefin allenfalls in-
formieren, was zum Thema werden könnte,
aber selber: keine Zeile FCB. «Es ist meine Art,
mich selber zu schützen», sagt Wicky, und es
helfe ihm, unbefangen Auskunft zu geben,
oder vielleicht: unangreifbar zu wirken.
Jüngst besuchte er seine Grossmutter, 91
Jahre alt, sie hatte alle Zeitungsartikel über
den Enkel ausgeschnitten, die ihr seit Sommer
begegnet waren, «das musst du lesen», sagte
sie, «der schreibt immer gut», sie insistierte.
Und Wicky entgegnete: «Grossmuetti, das ist
lieb – aber ich will’s wirklich nicht lesen.»
Diese Branche kann vereinnahmen, Wicky
weiss es aus Spielerzeiten und auch schon von
seiner Reise als FCB-Trainer. Denn diese Reise
begann in einer Männer-WG. Wicky hatte
Massimo Lombardo zum Assistenten be-
stimmt, auch dieser ein früherer Nationalspie-
ler. In den ersten Wochen wohnte Lombardo
bei Wicky, und so verbrachten sie Stunde für
Stunde Seite an Seite, spätestens um sieben
Uhr nahmen sie im Trainerbüro die Arbeit auf,
planten und besprachen und trainierten,
abends um halb acht fuhren sie heim, manch-
mal bestellten sie sich Essen in die Wohnung,
klappten wieder die Laptops auf, zwei Fuss-
ballverrückte, deren Austausch wohl nötig
war in dieser Intensität, an einem neuen
Arbeitsplatz mit diesen Ansprüchen. Doch
Wicky sagte stets: «Ich kann nicht mein Leben
lang ständig so leben. Es braucht einen Aus-
gleich.»
Über Wicky war oft geredet worden in der
Szene in den vergangenen Jahren, er galt als
Trainertalent. Vor dem Saisonstart potenzier-
ten sich die Erwartungen, Wicky hatte dem
Captain Matias Delgado in der Vorbereitung
eine neue Position gegeben, der Regisseur
sollte künftig weiter hinten spielen – kaum
war er da, hatte Wicky schon etwas erfunden.
Und es kam das erste Ligaspiel gegen YB,
Wicky gab sich engagierter an der Seitenlinie,
als viele erwartet hatten, die Leute hatten ge-
meint, wer in sich ruhe, tue es auch am Spiel-
feldrand. Wicky gab viele Anweisungen, und
wie er unablässig einen Kaugummi kaute,
wirkte er ziemlich nervös. Und Delgado
spielte dort, wo immer, nichts Neues, Wicky
hatte noch der Mut gefehlt, der FCB verlor.
Eine Woche später trat Delgado plötzlich
zurück, des Fussballs müde. Wickys Erfin-
dung entschwand – wie wenn Thomas Edison
die Glühbirne erfunden, diese aber nie ge-
brannt hätte.
Es gibt Leute, die sagen, Wicky begreife den
Fussball umfassender als andere, er habe ein
besonderes Gespür, eine Idee von etwas Grös-
serem. Bloss: Wicky hausiert mit solchen Vor-
stellungen nicht, vielleicht sind sie auch gar
nicht so verrückt, wie andere meinen. Jeden-
falls macht er kein Theater daraus; als sei es
für ihn Alltag, dieses Spiel zu verstehen; als
habe er nie etwas anderes gemacht.
Auf dem Weg zum Sieg gegen Manchester
United war der FCB zuerst klar schlechter.
Doch nach der ersten Halbzeit beschlossen die
Basler, Paul Pogba und Ander Herrera weniger
Einfluss zu geben, «gewiss», dadurch würden
andere Spieler frei, «aber wir sagten uns:
Wenn diese Spieler den Ball haben, ist es
weniger gefährlich.» Diese Inputs habe er dem

Champions League

Das Tor
Der FC Basel sei stets gut gefah- telfinals einzuziehen, aus eige- wenig in den vergangenen
URS LINDT / FRESHFOCUS

ren mit hohen Zielen, sagte ner Kraft, doch womöglich Tagen, um im FCB-Umfeld die
Marco Streller, deshalb habe er braucht er sie nicht einmal, die Rückkehr des Selbstvertrauens

zum
den Anspruch, erneut die Ach- eigene Kraft. Basel muss gleich zu spüren. Der Serienmeister
telfinals der Champions League viele Punkte machen wie ZSKA wird sich in der Winterpause
zu erreichen. Es war Mitte Sep- in Manchester, allenfalls reicht wohl zu verstärken versuchen,
tember, als der FCB-Sportdirek- ihm also auch eine Niederlage. zumindest mit der Präsentation

Geld ist
tor dieses Ziel formulierte, die Es wäre ein weiterer beach- eines Nachfolgers für den
Basler erlebten gerade eine tenswerter Erfolg, keine Selbst- zurückgetretenen Captain
schwierige Phase, aus den Heim- verständlichkeit für einen Matias Delgado ist zu rechnen.

in der
spielen gegen Lugano und Lau- Schweizer Klub, auch nicht für Die direkte Champions-Lea-
sanne hatte nur ein Punkt resul- den FCB, schon gar nicht in gue-Teilnahme bleibt nächste
tiert – und man wusste nicht so dieser Saison des Umbruchs mit Saison verwehrt, der Schweizer
recht, ob Strellers Worte der Tra- neuem Trainer, neuem Sport- Meister muss durch die Play-

Schweiz
dition geschuldet waren oder
doch auch ein wenig der Realität.
Der Herbst gab Streller recht.
Nachdem der FCB das erste
Champions-League-Spiel in
Manchester verloren hatte,
gewann er drei von vier Partien,
daheim gegen Benfica Lissabon
und Manchester United, aus-
wärts bei ZSKA Moskau. Es war
eine rasche Genesung zurück zu
begeisternden Momenten, die
diesem Team im Spätsommer
niemand zugetraut hätte. Und
am Dienstag hat der FCB bei
Benfica die Chance, in die Ach-
direktor, neuem Präsidenten
(Bernhard Burgener). Die Prä-
missen haben sich aber auch
unter neuer Führung nicht ver-
schoben. Die Champions League
ist ein Geldesel für den FCB, aber
Priorität gilt der Super League,
die der FCB seit 2010 dominiert.
Erst der Meistertitel bietet die
Chance, auf verhältnismässig
leichtem Weg in den Stall des
Geldesels vorzudringen. In der
Super League liegt der FCB nach
schwerfälligem Start klar hinter
Sportdirektor Marco Streller nach dem Sieg YB, aber am Samstag siegte er
gegen Manchester United (Basel, 22. 11. 2017) gegen Lausanne 4:1. Es brauchte
offs. Aber diese Hürde scheint
machbar, der Play-off-Gegner
des besten Schweizer Klubs wird
aus keiner grossen Liga stam-
men, zudem ebenso wenig aus
Russland, Portugal, der Ukraine,
Belgien, der Türkei und wohl
auch nicht aus Tschechien. Der
FCB profitiert zudem davon,
dass vergangene europäische
Erfolge im neuen Champions-
League-Modus finanziell aufge-
wogen werden – mit anderen
Worten: Er würde am Champi-
ons-League-Einzug mehr verdie-
nen als etwa YB. (bsn.) Nach dem schwierigen Start in
 47

angreifbaren
Team erst in der Pause vermitteln können,

DANIELA FRUTIGER / FRESHFOCUS

Wicky, der sagt Wicky heute, «wenn das Spiel läuft, ist
Spieler der Einfluss des Trainers beschränkt». In der
Pause befasste er sich mit eigenen Gedanken,
aber auch mit Überlegungen seiner Assisten-
ten oder von Staff-Mitgliedern auf der Tri-
büne, «es ist ja nicht so, dass ich alles selber
sehe». Seine Aufgabe sei bloss, die Inputs zu
sammeln und zu entscheiden, «was ich den
Spielern weitergebe».
Nach der Pause dominierte der FCB Man-
chester, aber er wisse ja nicht, ob es an seinen
Umstellungen gelegen habe, sagt Wicky.
Er stellt sein Licht so oft unter den Scheffel,
dass man meinen könnte, es sei Kalkül – aber

3
er tut es schon so lange, seit zwei Jahrzehnten,
dass die Zurückhaltung vielmehr zu seiner
Lebenseinstellung gehört, als Facette eines
leisen Selbstbewusstseins. Er ging früh ins
Ausland, 1997 nach Bremen, wohin ihm Wal-
Als Nationalspieler liser Fans in Busladungen hinterher fuhren.
nahm Raphael Wicky Später spielte er in drei Weltstädten, Madrid,
an drei Endrunden Hamburg, Los Angeles, nirgends verschloss er
teil: 1996 als Teen- sich dem dortigen Leben, «aber überall be-
ager an der Euro, wahrte er sich den Kern seiner Bodenständig-
2004 erneut an keit», sagt Marcel Schmid, sein Berater.
der Euro, 2006 Schmid kennt Wicky seit rund zwei Jahrzehn-
an der WM. ten, sie sind Freunde geworden. Er weiss, dass

5
Wicky kein Umfeld hatte, das ihn vorwärts
peitschte, in den Fussball, in die Bundesliga,
es ist ein innerer Antrieb, den Wicky manch-
mal womöglich nicht einmal selber spürt.

Mutiger, aber nicht weniger nervös

Basel, 22. November: Als Wicky zu seinen
Eltern ging, um ein Glas Wein zu trinken, da
erschien er nicht mehr in Anzug und weissem
Hemd, sondern im Jeanshemd und mit einem
Rucksack über der Schulter.
Nach Delgados Rücktritt geriet die Mann-
Wicky gewann fünf schaft in Schwierigkeiten, die Arbeit im FCB
Titel, vier in jungen entwickelte sich noch viel mehr zu einem
Jahren mit dem FC Menschenführungs-Job. Hierarchiestufen
Sion, wohin er als Bub mussten neu gebaut werden, ohne Captain
vom FC Steg gewech- verlor das Team Orientierung und Faden und
selt war. 1999 siegte Spiele gegen Lausanne und St. Gallen, und
er mit Bremen zudem nach der Niederlage in St. Gallen stand Wicky
im Cup-Final gegen vor die Kameras und sagte: «Eigentlich fehl-
Bayern München. ten in der ersten Halbzeit die kompletten

126
Basissachen des Fussballs.»
Wicky nimmt Kritikern die Argumente, in-
dem er sie selber liefert. Er liest nicht in der
Zeitung, was falsch läuft, er benennt es selber.
Es sind seine Beiträge zu dieser gewissen
Am längsten spielte Unangreifbarkeit. Im bis jetzt heikelsten
Wicky für den Ham- Moment der Trainerkarriere ging Wicky aus
burger SV, 2001 bis der Deckung und kommunizierte offensiv,
2007. Für den HSV und er schaffte die Wende: Seit der Niederlage
absolvierte er 126 in St. Gallen verloren die Basler nur noch ein-
Bundesligaspiele. mal, in der Champions League gegen ZSKA
Moskau.
Den Spielern ist klar, wie er ist und was er
will. Zuffi sagt: «Was Wicky von uns erwartet,
bringt er auf eine positive Art rüber – das
macht es für einen Spieler angenehmer.» In
den Trainings werde oft mit Spielformen ge-
arbeitet, fast jede Übung erfolge mit Ball, es
gebe selten reine Ausdauerläufe. Die Spiel-
formen leitet in der Regel Lombardo, «Wicky
und Lombardo sprechen sich sehr gut ab, es
ist nicht so wie in anderen Mannschaften, wo
der eine Trainer klar der Chef ist.» Damit be-
stätigt Zuffi bloss, was Wicky selber sagt: dass
er nicht alles allein bestimmt.
Wicky ist mutiger geworden in den letzten
Wochen, er wechselt zwischen Dreier- und
Viererabwehr, und im Cup-Match gegen
Luzern vom letzten Mittwoch schonte er den
neuen Captain Marek Suchy. «So etwas hätte
er Anfang Saison noch nicht gemacht», sagt
der Sportdirektor Marco Streller. Er staunt,
wie schnell Wicky gelernt habe, und vielleicht
gehört auch dieser Punkt dazu: Wicky kaut
nicht mehr Kaugummi, es sei vielleicht nicht
so gut rübergekommen, jedenfalls habe er
Feedbacks aus seinem Umfeld erhalten – aber
er wolle doch frischen Geschmack im Mund.
Er nimmt nun ein Fisherman’s Friend.
Doch weniger nervös und angespannt sei er
noch lange nicht.
Basel, 22. November: Als es spät geworden
war und Wicky mit seinen Eltern nach dem
Manchester-Spiel das Glas Wein getrunken
hatte, da gingen sie alle gemeinsam in Wickys
Wohnung in Basel. Mutter und Vater über-
nachteten im Gästebett, das einst Massimo
Lombardo belegt hatte. Alles ganz normal
oder noch etwas normaler. Aber beim Sohn –
da dauerte es noch ein wenig, bis er einschlief.
die Saison wird der Tor- und Siegesjubel langsam zur Routine: Raphael Wicky am 18. November beim 5:1 seines FC Basel gegen den FC Sion. Er war ein wenig aufgekratzt, das dann doch.
48
RausausderBehaglichkeit
«Traumlos» oder «Killer-Gruppe»? Vladimir Petkovic hält sich bedeckt. Der Nationalcoach muss bis zur WM
die Balance finden zwischen kecken Zielen und Tiefstapelei. Von Stephan Ramming
A
ls Vladimir Petkovic mit der
kleinen Schweizer Delega-
tion am späten Freitagabend
den gläsernen Kreml-Palast
in Moskau verliess, fiel
leichter Schnee. Farbige
Lichter, festlicher Zauber-
glanz, russische Weihnachten. Die einstün-
dige Auslosungs-Show war vorüber, der Inter-
view-Marathon mit den aufgeregten Vertre-
tern der brasilianischen TV-Stationen vorbei,
Fragen der Medienleute aus Serbien, Costa
Rica und der Schweiz beantwortet. Progno-
sen? Weissagungen? Zielsetzungen? Der
Schweizer Nationaltrainer hatte sich zurück-
gehalten. Denn Petkovic wird das Geschenk
mit der Aufschrift Brasilien, Costa Rica und
Serbien, das die Los-Fee ihm und seiner
Mannschaft unter den Weihnachtsbaum ge-
legt hat, ohnehin erst in der zweiten Juni-
hälfte auspacken. Und ob man jetzt, über sie-
ben Monate vor der Bescherung, dieses Ge-
schenk als «Traumlos» oder als «Killer-Grup-
pe» bezeichnet, spielt keine Rolle in den Ge-
danken des Trainers. «Wir müssen uns auf das
konzentrieren, was wir selber beeinflussen
können – uns optimal vorbereiten», sagte er.
Jonglieren mit den Erwartungen
Zu dieser Vorbereitung wird indessen auch
der Umgang mit Erwartungen gehören – mit
den eigenen, aber auch mit den Erwartungen
der Öffentlichkeit. Klar ist, dass diese gestie-
gen sind. Spieler wie Granit Xhaka, Valon Beh-
rami oder Xherdan Shaqiri haben immer wie-
der gesagt, dass sie von sich und der National-
mannschaft nun «den nächsten Schritt» er-
warten nach dem Scheitern im EM-Achtelfinal
2016 gegen Polen und an der WM 2014 gegen
Argentinien. In Russland soll nun der Schritt
unter die besten acht Teams folgen.
Dieser Anspruch an sich selber hat in den
vergangenen zwei Jahren dazu geführt, dass
in den Medien ein siegreicher Achtelfinal zum
Mantra geworden ist. «Pflichterfüllung» oder
«Minimalziel» sind denn auch die Schlag-
wörter, die mit Blick auf das Überstehen der
Gruppenphase in Russland wieder die Runde
machen. Petkovic wird deshalb in den kom-
menden Monaten beim öffentlichen Auftre-
ten sein ganzes Geschick aufbieten müssen
beim Eiertanz zwischen vollmundigen Ziel-
vereinbarungen und leisetreterischen De-
mutsbekundungen.
Brasilien, Costa Rica, Serbien – in den Pake-
ten unterm Weihnachtsbaum stecken ja nicht
einfach Punkte, sondern vielleicht auch unan-
genehme Überraschungen. Petkovic sagte in
Moskau: «Wir müssen am 17. Juni gegen Brasi-
lien mit der Überzeugung in den Match gehen,
dass die Partie mit dem Anpfiff beginnt – und
nicht bereits entschieden ist», sagte er. Speku-
lieren und rechnen sollen andere. Der Trainer
will sich auf die Zeit vor dem Turnier konzen-
trieren. Dazu gehört, aus den Köpfen der Spie-
ler Gedanken an einen möglichen Achtelfinal
gegen Deutschland oder Schweden zu scheu-
Schweizer WM-Gegner
Grosse Namen wie Neymar, Navas, Matic
Brasilien. Wem in Brasilien ein
Nutella-Brot zu Boden fällt, der
bekommt als Kommentar für das
Missgeschick zu hören: «Tor für
Deutschland.» Das 1:7 sitzt so tief
in der Seele Brasiliens, dass die
Seleção die Schmach von 2014
in Russland tilgen muss – am
besten mit dem WM-Titel. Seit
der neue Trainer Tite vom glück-
losen Carlos Dunga das Zepter
übernommen hat, läuft es der
brasilianischen Auswahl wieder
besser – in zwölf Spielen unter
Tite siegte Brasilien zehn Mal
und schaffte die WM-Qualifika-
tion ohne Nebengeräusche.
Neben den Offensiv-Künstlern
Neymar, Firmino, Coutinho und
Jesus setzt Tite im Mittelfeld auf
die Pragmatiker Casemiro, Mar-
quinhos oder Miranda. Neymar gewinnt mit Brasilien Olympiagold. (20. 8. 2016)
Sport NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
SERGEI ILNITSKY / EPA
Geldsegen für
die Schweizer
Für die WM-Teil-
nahme kassiert der
Schweizer Fussball-
verband von der
Fifa 8 Millionen Dol-
lar, dazu kommen
1,5 Millionen Dollar
für die WM-Vorbe-
reitung. Die Achtel-
final-Qualifikation
würde zusätzlich
4 Millionen Dollar
bringen, der Viertel-
final nochmals 4 Mil-
lionen. Insgesamt
zahlt die Fifa in
Russland 400 Millio-
nen Dollar Prämien
aus – das sind 42
Millionen mehr als
2014 in Brasilien.
«Immer besser und besser werden»: Vladimir Petkovic formuliert die Ansprüche. (Moskau, 1. Dezember 2017)
Wo die Schweizer im Sommer spielen Im März will sich die
Austragungsorte der Fussball-WM 2018 Schweiz voraussichtlich
in den USA der WM
annähern, geplant sind
St. Petersburg zwei Testspiele gegen
RUSSLAND
WM-Teilnehmer.
Nischni
Nowgorod Jekaterinburg
chen und die Rede vom «endlich einmal Ge-
Moskau Kasan
schichte schreiben» zu meiden.
Kaliningrad
Denn nicht zuletzt die Barrage gegen die
Saransk
spielerisch bescheidenen Nordiren hat ge-
Samara zeigt, dass sich die Schweizer vielleicht etwas
Schweiz - Brasilien
Rostow gar gemütlich eingerichtet haben in ihrem
So 17. Juni 2018, 20 Uhr Selbstverständnis, mit neun Siegen in zehn
Qualifikationsspielen verdientermassen und
Schweiz - Costa Rica Wolgograd logischerweise und also naturgemäss an die
Kaliningrad WM zu gehören. Diese Gleichung ist falsch, sie
Fr 22. Juni 2018, 20 Uhr Rostow führt zum Gegenteil dessen, was Petkovic mit
«immer besser und besser werden» um-
Schweiz - Serbien schreibt. Vor diesem Hintergrund sind die
Nischni Nowgorod Schwarzes Meer Sotschi Vorzeichen für die Vorbereitung ganz andere
Mi 27. Juni 2018, 20 Uhr als vor zwei Jahren. Damals musste Petkovic
die Spieler nach den Diskussionen um den
«Balkangraben» und dem pitoyablen Testspiel
in der Slowakei zusammenbringen und Team-
geist anmahnen. Unterdessen zeitigt dieser
gewachsene Teamgeist Züge eines wattierten
Wohlfühl-Ambientes. Man hat es gut mitein-
ander, jeder hilft jedem, so lieb. Man hat die
WM-Qualifikation geschafft – wo liegt das
Problem?
Schwacher Konkurrenzkampf
In der klaren Hierarchie der Mannschaft bei-
spielsweise. Dass sie nicht so klar sein sollte,
Costa Rica. An der WM in Serbien. Irland, Wales und wie sie wirkt, hat Petkovic beispielsweise mit
MARCOS BRINDICCI / REUTERS
Brasilien war Costa Rica das Österreich waren Serbiens der Nomination von Manuel Akanji (für Johan
Überraschungsteam schlechthin: Gegner in der WM-Qualifikation. Djourou) oder von Remo Freuler und Denis
Die Gruppenphase beendete die Sie alle liess es hinter sich. Kaum Zakaria (für Valon Behrami) angedeutet. Aber
Auswahl des kleinen Landes als hatte der Trainer Slavoljub das Signal war bisher schwach, dass das Natio-
Erste, erst im Viertelfinal schied Muslin das Team an die WM nalteam auch ein Ort des Konkurrenzkampfes
Costa Rica gegen die Nieder- geführt, wurde er entlassen. Ob ist, wo tatsächlich jeder jeden ersetzen kann,
lande im Penaltyschiessen aus. der interimistische Nachfolger wenn die Leistung nur ein wenig nachlässt.
In der Qualifikation für Russland Mladen Krstajic Serbien auch in Konkurrenz erzeugt Reibung, Reibung be-
belegte Costa Rica den zweiten Russland coachen wird, ist der- wirkt Wärme, Hitze bringt Siege.
Rang hinter Mexiko, aber vor den zeit noch offen. Serbiens Aus- Im März wollen sich die Schweizer voraus-
USA. Keylor Navas als Goalie von wahl wird angeführt von erfah- sichtlich in den USA der WM annähern; ge-
Real Madrid ist der bekannteste renen Spielern wie Branislav plant sind zwei Testspiele gegen WM-Teil-
Name im Team von Trainer Ivanovic von Zenit St. Peters- nehmer. Die Vorbereitung vor dem Turnier
Oscar Ramirez. Mit Joel Camp- burg, Nemanja Matic, im Ende Mai mit nochmals zwei Tests wird im
bell von Betis Sevilla, Bryan Ruiz Sommer von Chelsea zu Man- Tessin stattfinden. Lugano oder Ascona ste-
von Sporting Lissabon und Celso chester United gewechselt, oder hen zur Diskussion. In Russland geniesst der
Borges von La Coruña spielen Aleksandar Kolarov von der AS WM-Austragungsort Samara als Team-Basis
aber weitere Teamstützen der Roma. Mit Aleksandar Prijovic erste Priorität, obwohl die Schweizer dort kein
Ticos in Spanien und Portugal – steht auch ein Spieler im Kader, Gruppenspiel austragen. Die Stadt an der
und mit Yeltsin Tejeda einer in der als Junior in den Schweizer Wolga bietet südliches Klima, günstige Ver-
der Schweiz, bei Lausanne. Auswahlen spielte. (ram.) kehrswege und gute Trainings-Anlagen.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Der Druck nimmt zu: Kameramann des Schweizer Fernsehens beim Eishockey-Spiel HC Genf Servette gegen ZSC Lions (Genf, 28. 9. 2017)
DasTV-Duell
Der Sport wurde in den vergangenen Jahrzehnten zur grossen Festung des Schweizer Fernsehens. Doch
nun rüsten die Privatsender auf. Einstige Gewissheiten geraten ins Wanken. Von Samuel Tanner
E
gal, was passiert in der Welt des
Schweizer Sports, am Sonntag-
abend läuft alles zusammen im
«Sportpanorama». Am Bild-
schirm schauen dann 300 000
Leute zu, auf der Studiotribüne
applaudiert ein Querschnitt
des Landes. Im Licht sitzt der Moderator mit
dem Helden der Woche auf einem weissen
Sofa, das nur ein Fernsehmöbel ist, aber
gleichzeitig an jedem Sonntag der Mittelpunkt
des Sports. Es steht wie ein stiller Zeuge am
Ende einer langen Entwicklung.
In den Anfängen des Fernsehens war der
Sport eine Nebensache und der Abteilung In-
formation untergeordnet – als man 1968 erst-
mals an die Olympischen Spiele fuhr, bestand
die Delegation aus zwei Männern: Martin
Furgler und Karl Erb. Ihre Erinnerungen aus
Mexiko lesen sich wie die von Abenteurern.
Erb schrieb: «Unsere Crew erwartete im Hotel
Mayaland ein kleines Doppelzimmer, in dem
sich der eine aufs Bett verziehen musste, wäh-
rend sich der andere ankleidete.»
Martin Furgler gab dem Sport später eine
eigene Heimat. Vor vierzig Jahren war er der
erste Moderator des «Sportpanoramas». Eine
neue Zeit begann. Seine Leute waren mit der
Zeit bekannter als die Athleten, sie hiessen
Hiermeyer, Thurnheer, Hüppi. Gemeinsam
mit den Schweizer Sportlern zogen sie in die
Welt hinaus. Das bleibt bis heute die grosse Er-
zählung, die das Land zusammenhält und
immer wieder vor den Fernseher führt: «Was
mached d Schwizer?»
Die SRG setzte zuletzt immer stärker auf
den Sport. Im vergangenen Jahr sendete sie
im Radio, am Fernsehen und online über
zwölftausend Stunden Sport, dreitausend
mehr als noch vor fünf Jahren. Tendenz: stei-
gend. Die besten Quoten des SRF kommen al-
le von Spielen des Fussball-Nationalteams. Li-
vesport bleibt das letzte Ereignis, das sich die
Zuschauer nicht zeitversetzt im Internet
anschauen wollen. Und Sport ist politisch un-
verdächtig, es gibt keine linken und keine
rechten Wettkämpfe.
In einer Sofalandschaft im ersten Stock des
Hauptsitzes wartet schon Roland Mägerle, seit
zwei Jahren der Sportchef der SRG. Er schaut
durch die grosse Glasscheibe nach draussen,
wo an einer neuen Tiefgarage gebaut wird. Es
Sport
ist gerade viel in Bewegung. Neben ihm sitzt
sein Pressesprecher, einfach zur Sicherheit,
die Abstimmung über das Ende der Gebühren-
gelder ist nicht mehr weit.
Roland Mägerle sagt: «Der Schweizer Sport
braucht die SRG, und die SRG braucht den
Schweizer Sport.» Lange war das eine Gewiss-
heit – und das vielleicht am wenigsten bestrit-
tene Argument für die Institution.
Seit einigen Monaten liegen die Dinge aus
der Sicht von Mägerle anders: Der eine Kabel-
netzbetreiber, UPC, kam mit MySports neu in
den Sportfernsehmarkt und der andere,
Swisscom, baut sein Teleclub-Programm wei-
ter aus. Zudem erneuerten die AZ Medien das
Versprechen, mit ihrem Sender TV24 weiter
anzugreifen im Sport. Die Frage ist, was das
bedeutet. Für die Zukunft der SRG, für die der
Privaten, für uns.
Das Tattoo im Bild
An der Karriere von Steffi Buchli spiegeln sich
die Veränderungen der letzten Zeit. Sie war
eine auffällige Moderatorin im sicheren Um-
feld des Schweizer Fernsehens. Dann kün-
digte sie, um als Programmchefin im unsiche-
ren Umfeld von MySports neu anzufangen. In-
zwischen kann sie ziemlich entspannt auf
Facebook verfolgen, wie sich ihre alten Kolle-
gen vor der No-Billag-Initiative fürchten.
Buchli sagt, das Projekt MySports sei auf min-
destens fünf bis zehn Jahre angelegt.
Gerade erst hat sie mit ihrem Team das
neue Studio in Erlenbach bezogen, in einer
alten Maschinenfabrik, draussen vor der
Stadt. «Das ist jetzt meine Spielwiese», sagt
sie, als sie an ihrem neuen Moderationspult
im Scheinwerferlicht steht. An den Eishockey-
Abenden sitzt sie hier mit drei Experten, die
sie alle duzt, spricht über die statistischen
Werte der Spieler und auch einmal über deren
Unterwäsche-Kollektion. «Ich will einen
Das bleibt die grosse
Erzählung, die das Land
zusammenhält und
immer wieder vor den
Fernseher führt: «Was
mached d Schwiizer?»
Stammtisch-Groove etablieren!», sagt Buchli.
Seit ihrem Wechsel darf sie jetzt auch ihr
Unterarm-Tattoo im Fernsehen zeigen.
An die Zeit beim Schweizer Fernsehen erin-
nert nur noch ein Hockeyshirt in ihrem Büro.
Darauf steht: «I will miss my Steffi», unter-
schrieben ist es mit «Salzi». Es ist ein Ge-
schenk von Rainer Maria Salzgeber.
MySports zeigt seit dieser Saison alle Spiele
der obersten Schweizer Eishockeyliga – dass
man Teleclub mit 35 Millionen Franken über-
bieten konnte, war die Initialzündung für das
Projekt. Hinzu kommen Handballspiele, die
deutsche Fussball-Bundesliga, die Formel E.
«Wir wollen das Home of Sports werden», sagt
Buchli. «Wir müssen ganz gezielt Sportrechte
einkaufen und diese gut verwerten!» Die ers-
ten Monate waren «richtig cool», wie Steffi
Buchli sagt, man sei bei über 30 000 Abon-
nenten angelangt, verlässliche Zuschauer-
zahlen gebe es noch nicht.
MySports will das Home of Sports sein, SRF
das Home of Sport. Das ist der Unterschied.
Das Schweizer Fernsehen bildet auf einem
Kanal das durchschnittliche Sportinteresse
eines Landes ab. Die Privatsender bilden auf
unzähligen Bezahlkanälen möglichst viele
Einzelinteressen ab. Lange gingen diese Stra-
tegien aneinander vorbei.
Im Sommer verlor Roland Mägerle aber
erstmals eine wichtige Rechteverhandlung.
Teleclub sicherte sich alle Spiele der Cham-
pions League ab nächster Saison. Das SRF darf
jetzt nur noch Mittwochsspiele live zeigen.
In der Pay-Welt
Claudia Lässer, Programmchefin von Tele-
club, ist bestens gelaunt. Im Industriegebiet
von Volketswil denken die Planer an dem
neuen Champions-League-Studio herum, das
den Sender in die Zukunft führen soll.
Lässer spricht gerne von der «Pay-Welt», in
die sie den Sportfan entführen will. Darin gibt
es alle Spiele der Super League zu sehen, die
Serie A und viele andere Ligen. Was die Kom-
mentatoren noch nicht angesprochen haben,
wird in Talkshows vertieft. Es gibt im Fussball
keinen Abseitspfiff, der bei Teleclub nicht be-
sprochen würde. Im Schnitt, sagt Claudia Läs-
ser, schalteten bei Super-League-Spielen etwa
38 000 Zuschauer ein. «Wir sind in jedem Sta-
dion mit einem Studio präsent und so nahe
49
PASCAL MULLER / EQ IMAGES
dran wie sonst niemand.» Spätestens seit dem
Die Akteure Rencontre von Teleclub-Experte Rolf Fringer
mit Christian Constantin kann das niemand
mehr bestreiten.
Das Schweizer Fernsehen reagierte auf das
allgemeine Aufrüsten im Markt mit: Aufrüs-
ten. Am Sonntag gibt es jetzt die Sendung
«Super League – Goool», unter der Woche
immer wieder «Eishockey aktuell». Roland
Mägerle sagt: «Logisch, schauen wir, was links
und rechts von uns passiert. Wir müssen
Roland Mägerle immer besser werden.» Besser werden heisst
steht seit zwei Jahren in dem Fall: ausführlicher werden.
der Sportabteilung Steffi Buchli sagt: «Ich will nicht jammern.
der SRG vor. Aber es ist klar, dass die SRG uns das Leben
nicht leichter macht. Sie agiert aus dem histo-
rischen Selbstverständnis heraus, die Rechte
für alle Sportarten zu haben – diese Gewohn-
heit wollen wir durchbrechen.»
Claudia Lässer sagt: «Wenn die SRG immer
mehr Sport sendet, dann wäre ein Fokus auf
den Rand- und Breitensport wünschenswert.»
Roland Mägerle sagt, man funktioniere bis-
her sehr gut gemeinsam. Und er betont, der
Steffi Buchli Sport lasse sich im Schnitt nur mit zehn bis
wechselte von SRF zu zwanzig Prozent refinanzieren.
MySports – wo sie Der Markt, der entstanden ist, bleibt einer
das Programm leitet. mit Einschränkungen. Mit Swisscom und SRG
konkurrieren zwei Unternehmen, die durch
die Öffentlichkeit finanziert sind. Die Gebüh-
ren der SRG bezahlen alle, ob sie wollen oder
nicht. Und hinter Teleclub und MySports ste-
hen zwei Unternehmen (Swisscom und UPC),
die ihre Sportrechte nicht refinanzieren müs-
sen, sondern als Investition sehen, um neue
Kunden an ihr Netz zu binden.
Die grossen Sportarten bleiben auf allen
Claudia Lässer ist Kanälen – die anderen müssen sich fragen, ob
Programmchefin sie auf der grossen Bühne am Rand stehen
und Moderatorin wollen oder auf einer kleinen Bühne im Mit-
von Teleclub. telpunkt. Die Entwicklung im Sportfernseh-
markt erzählt eine weitere Geschichte von der
schleichenden Segmentierung des Landes.
Die einzelnen Sportarten und ihre Fans blei-
ben zunehmend unter sich.
Der Angriff auf das symbolische weisse
Sofa, das die Schweiz und ihre Sportler lange
Zeit an einem Ort zusammenführte, läuft. Die
Welt, die der Sport im Schweizer Fernsehen
viele Jahre war, gibt es in dieser Form nicht
mehr. Es gibt jetzt verschiedene Welten, und
diese werden kleiner.
 NZZ GENUSSAKADEMIE

Exklusive Weinseminare
Erleben Sie die Vielfalt der Weinkultur mit dem Weinexperten Peter Keller. Seminarleitung
In Begleitung von Winzern und Genussprofis können Sie verschiedene
Peter Keller,
Weinregionen und Rebsorten kennenlernen und verkosten. Weinredaktor der
«NZZ am Sonntag»
und Weinakademiker

Seminar 1 Seminar 2 Seminar 3

Montag, 22. Januar 2018 Dienstag, 6. Februar 2018 Montag, 12. März 2018
Pinot noir aus Neuseeland: Master of Wine Event: Auf Weltniveau:
Einmalige vertikale Degustation Syrah aus aller Welt Junge Schweizer Winzer
Mit Weingutsleiter Mit Master of Wine Mit Winzerin
Stephan Walliser Jan Schwarzenbach Anne-Claire Schott

Die grosse Sorte Pinot noir spielt für die Fromm
Winery in Neuseeland eine Hauptrolle. Aufgebaut
vom bekannten Bündner Winzer Georg Fromm,
gehört das Gut heute der Familie Walliser und
Pol Lenzinger. Weingutsleiter Stephan Walliser
bringt für eine einmalige Vertikal-Degustation
ältere Jahrgänge nach Zürich. Erleben Sie eine
Degustation der Extraklasse und lernen Sie das
faszinierende Weinland Neuseeland besser kennen.
Abonnentenpreis Fr. 150.– / Normalpreis Fr. 180.–
Jan Schwarzenbach, einer der fünf Masters of Wine
der Schweiz, zählt Syrah zu seinen Lieblings-Rot-
weinsorten. An diesem Abend verkosten Sie
mit dem Weinexperten von Mondovino zwölf
herausragende Beispiele dieser Rebsorte und deren
unterschiedliche Stilistik. Degustiert werden
Weine aus den wichtigsten Anbaugebieten wie
dem französischen Rhônetal, der Schweiz, Australien
und Südafrika.
Abonnentenpreis Fr. 150.– / Normalpreis Fr. 180.–
Im Schweizer Weinbau haben edle Tropfen
inzwischen ein qualitativ überragendes Niveau
erreicht. Junge Winzer und Winzerinnen sorgen
mit innovativen Ideen für frischen Wind. Zu ihnen
zählt Anne-Claire Schott aus Twann am Bielersee.
Sie präsentiert an diesem Abend nicht nur
ihre eigenen Kunstwerke, sondern auch Weine
von aufstrebenden Produzenten aus verschiedenen
Anbauregionen der Schweiz.
Abonnentenpreis Fr. 130.– / Normalpreis Fr. 160.–

Seminar 4 Seminar 5
Montag, 26. März 2018 Montag, 9. April 2018 Zeitlicher Ablauf
Wein und Käse: Unentdeckte Schätze: Grosse und Kleiner Apéro ab 18.00 Uhr
Seminardauer 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr
Ein perfektes Paar kleine Rebsorten im Vergleich
Ort
Mit Käsefachmann Mit Winzerin NZZ-Foyer,
Sämi Spörri Eva Vollmer Falkenstrasse 11, 8008 Zürich

Anmeldung
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Wein und Käse bieten– jeder schon für sich – eine
grosse Bandbreite unterschiedlicher Geschmacks-
nuancen und Aromen. Sämi Spörri, Geschäfts-
führer des renommierten Händlers Tritt Käse,
präsentiert Ihnen neue und vielleicht auch unge-
wohnte Kombinationen. Erfahren Sie mehr über
Herstellung und Charakter der verschiedenen
hochwertigen Käsesorten und Weine aus dem
In- und Ausland.
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Eva Vollmer, Winzerin aus Rheinhessen, scheut
sich nicht, neben grossen deutschen Rebsorten
wie Riesling auch vermeintlich kleine, zweitklassige
Trauben wie den roten Dornfelder perfekt zu
vinifizieren. An diesem Abend heisst es «David gegen
Goliath»: Gelingen aus berühmten Namen bessere
Weine als aus der weniger bekannten Rebsorte?
Lernen Sie die grandiose Vielfalt Deutschlands
kennen –und eine kurzweilige Winzerin.
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Eine Veranstaltung von Die Weinseminare

werden unterstützt von
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Sport 51

«WirsindnurzweiteKlasse»
Keine Frau ist im Skirennsport so erfolgreich wie Lindsey Vonn. Nun will sie gegen
die Männer antreten. Sie sagt, es gehe ihr auch um die Gleichheit der Geschlechter.
Frauensport werde zu wenig respektiert. Interview: Remo Geisser, Lake Louise

NZZ am Sonntag: Lindsey Vonn, Sie möchten

DON EMMERT / AFP

gegen die Männer fahren. Warum?
Lindsey Vonn: Seit Jahren trainiere ich mit
Männern, und ich kann mit ihnen mithalten.
Jetzt will ich eine Gelegenheit, um zu sehen,
wie schnell ich sein kann, ohne an Punkte zu Frauen sollten nicht
denken oder an Rekorde – all die Dinge, die immer mit Männern
mich sonst beschäftigen. Ich will heraus-
finden, wo ich im Vergleich mit den Besten
verglichen werden, aber
der Welt stehe. Und die Männer sind die das heisst nicht, dass
Besten, die Schnellsten – das ist keine Frage. wir nicht die gleichen
Ihnen wird vorgeworfen, Sie suchten nur das
Rechte haben sollten.
Rampenlicht, es gehe nicht um Sport.
Ich muss nicht gegen Männer fahren, um
im Scheinwerferlicht zu stehen. Momentan Stars du hast, desto grösser ist die Aufmerk-
habe ich mehr grosse Auftritte, als ich brau- samkeit. Die Leute brauchen jemanden, für
che. Ich will einfach sehen, wie gut meine den sie jubeln können. Ich denke, dass wir da
athletischen Fähigkeiten sind. Es geht um einen guten Job gemacht haben. Skifahren
den Sport und nicht um die Aufmerksamkeit. war in den USA nie so präsent wie heute.

Wegen des neuen Films über den Tennis-
Match zwischen Billie Jean King und Bobby
Riggs reden die Leute wieder über den Kampf
der Geschlechter. Geht es auch darum?
Das ist eine Diskussion, die fortgeführt
werden muss, die Frage von Gleichheit im
Sport und Gleichheit der Geschlechter im
Allgemeinen. Ich glaube, ein solches Rennen
könnte eine gute Plattform dafür bilden. Das
ist nicht mein hauptsächliches Anliegen.
Aber etwas Positives, das daraus resultieren
könnte, wäre eine Diskussion, wie sie Billie
Jean King ausgelöst hat. Sie hat die Welt des
Frauensports verändert. Ich denke aber, dass
der Weg noch nicht zu Ende ist.
Sie haben gesagt, dass die Frauen die Pony-
Show seien im Skisport und die Männer die
Rennpferde. Was meinen Sie damit?
Was am meisten fehlt, ist Respekt. Männer
respektieren den Frauensport nicht. Wir sind
für sie nur zweite Klasse. Sicher sind wir
nicht so schnell wie die Männer, aber deshalb
sind wir noch lange nicht weniger wert.
Wenn mich der Rennchef der Männer als
Prinzessin betitelt, ist das eine Frechheit.
Wenn Frauen den gleichen Sport ausüben wie
Männer, werden sie verglichen, statt dass man
sagt: Frauen geben genauso 100 Prozent.
Man respektiert nicht, zu was wir fähig
sind. Frauen sollten nicht immer mit Män-
nern verglichen werden, aber das heisst noch
lange nicht, dass wir nicht die gleichen
Rechte haben sollten.
Sie suchen Perfektion mit den Mitteln, die
Ihnen zur Verfügung stehen, wie Männer das
auch tun?
Selbstverständlich. Deshalb bin ich über-
zeugt, dass Lake Louise der richtige Ort für
einen Vergleich wäre. Hier könnte ich die
Vorteile ausspielen, die ich habe. Männer
haben mehr Kraft, ich habe diese Finesse, die
Art, wie ich den Schnee spüre und die Ski
schiessen lasse. An einem Ort wie Kitzbühel
wäre ich chancenlos. Männer würden mich
Lindsey Vonn
Die Amerikanerin ist im Skiweltcup der
Frauen das Mass aller Dinge. Sie gewann
77 Rennen, 4-mal den Gesamtweltcup und
dazu 16 kleine Kugeln für den Gewinn von
Disziplinenwertungen, die Hälfte davon in
der Abfahrt. Sie ist oft zu Gast in TV-Shows
und an Filmpremieren in Hollywood. Eines
der letzten sportlichen Ziele der 33-Jährigen
ist, Ingemar Stenmarks Marke von 86 Welt-
cup-Siegen zu brechen. Die Rekordjagd wird
als TV-Serie auf Eurosport inszeniert.
überpowern, das ist gar keine Frage.
Könnte man mehr tun für den Frauenskisport?
Ich sage seit Jahren, dass es gut wäre,
Männer und Frauen öfter zusammenzubrin-
gen. Beide auf derselben Strecke, das ist
spannend für das Publikum. Deshalb sind die
Weltcupfinals so attraktiv.
Wenn der Weltverband Nein sagt zu Ihrem
Start in einem Männerrennen – warum lancie-
ren Sie mit Ihren Sponsoren nicht eine Chal-
lenge Männer contra Frauen?
Wenn ich dazu gezwungen werde, dann
mache ich das. Aber ich will nicht in erster
Linie ein Spektakel, ich will einfach ein exis-
tierendes Rennen, in dem ich so bin wie die
Burschen. Aber klar: So eine Show könnte
zum Beispiel gut sein für meine Stiftung. Wir
könnten ein Rennen veranstalten, das Mäd-
chen und Frauen im Sport hilft.
Die Publicity wäre so oder so grossartig.
Da würden allein in den USA Millionen
zuschauen, und wir würden viele zusätzliche
Fans gewinnen. Das ist im Tennis passiert
dank Billie Jean King.
In Lake Louise hat es normalerweise 200
Zuschauer.
Ich weiss, ich weiss. Wenn der Skiweltver-
band die Logik hinter meinem Antrag nicht
sieht, sollte er zumindest so eigennützig
sein, aus dem Rennen Geld zu machen. Er
hat ja die Werberechte.
Als Sie mit Skifahren angefangen haben, war
Ihr Sport in den USA weitgehend unbekannt.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Wahr-
nehmung nachhaltig verändert haben?
Ich hoffe es. Aber es geht nicht nur um
mich. Da waren auch Bode Miller, Ted Ligety,
Mikaela Shiffrin und Julia Mancuso. Je mehr
Ein Magazin behauptet, Shiffrin sei die beste
Skirennfahrerin aller Zeiten. Ärgert Sie das?
Mich frustriert, dass das nicht wirklich auf
Fakten basiert. Wenn man im Basketball
behaupten würde, irgendein Jungstar sei der
grössere Spieler als Michael Jordan, würden
die Leute ausflippen. Aber vom Skisport
haben sie keine Ahnung, darum stellen sie
das nicht infrage.
Sie stehen oft auf dem roten Teppich, Sie
machen Promotionstouren für Ihr Buch, aber
Sie sollten eigentlich vor allem Sportlerin sein.
Wie bringen Sie das unter einen Hut?
Es geht darum, ein Gleichgewicht zu
finden. Manchmal muss ich jonglieren, aber
wenn ich merke, dass es zu viel wird, redu-
Lindsey Vonn diese ziere ich das, was nicht wirklich mit dem
Woche nach einer Sport zu tun hat. Skifahren hat immer Priori-
Trainingseinheit tät. Aber es ist einfach für mich, wenn ich in
in Lake Louise. Los Angeles bin. Tagsüber absolviere ich
zwei Trainingseinheiten, und abends gehe
ich an eine Filmpremiere. Das ist easy, das
kostet mich nicht viel Energie.
Jetzt steht aber Olympia völlig im Fokus?
Oh ja! Ich war den ganzen Sommer so ziel-
strebig, dass ich alle um mich herum wahn-
sinnig gemacht habe. Seit Ende der vergan-
genen Saison gibt es nur diesen Gedanken.
Ich bin nie ausgegangen, war immer zu
Hause mit den Hunden, ging um 9 ins Bett,
stand um 5.30 auf und war um 6.30 im Gym.
Das war ein intensiver Sommer, aber ich will
an meinen wahrscheinlich letzten Winter-
spielen sicher sein, dass ich so gut vorberei-
tet bin wie irgend möglich.
Dieses Jahr Olympia, nächstes Jahr Stenmarks
Rekord von 86 Siegen und dann der Abschied:
Ist das Ihr Plan?
Und das Rennen gegen die Männer. Ich
habe mich noch nicht entschieden, ob ich
2019 wirklich aufhören will. Aber diese zwei
Jahre gebe ich mir sicher. Es wäre zu viel, in
einer Saison Olympiagold und den Rekord
anzuvisieren.

Kampf der Geschlechter

Müssen
«Chancenlos», «lächerlich», Ausserdem hätte sie gegenüber timetern ähnlich steif gebaut wie
BARBARA GINDL / EPA

«Kasperltheater». Das sind ihren Konkurrentinnen einen jene der männlichen Fahrer.
Kommentare von Skirennfahrern Vorteil, wenn sie eine Woche Vonn hat einen Privatcoach

sich die
zu Lindsey Vonns Antrag, bei vor dem Frauenrennen schon und trainiert regelmässig mit
den Männern fahren zu dürfen. mit den Männern in Lake Louise Männern. Der Norweger Aksel
Sie stellte ihn erstmals vor fünf trainieren könnte. Svindal ist einer, der schon oft

Männer
Jahren, kam damit aber nicht Vonn war aber in der Abfahrt Vergleiche gegen sie gefahren
durch. Nun liegt das Begehren der Frauen über Jahre derart ist. Er ist auch einer der wenigen,
der Amerikanerin erneut beim überragend, dass ein Vergleich die den Antrag der Amerikanerin

fürchten?
Weltverband FIS, der dessen
Behandlung auf den nächsten
Mai verschoben hat.
Gegen Vonns Anliegen werden
von den Funktionären Argu-
mente vorgebracht, die reichlich
gesucht klingen. So würden
einige Männer später starten,
als sie es aufgrund ihrer Position
in der Weltrangliste dürften, falls
man die Amerikanerin etwa in
den Top 30 einreihen würde.
mit den Männern nicht uninter-
essant wäre. Sie war zudem die
erste Frau, die in allen Diszipli-
nen auf Männerski antrat. Das
Modell, das sie heute in der
Abfahrt benutzt, entspricht zu
100 Prozent dem Reglement der
Männer: 2,18 Meter lang, Radius
50 Meter. Auch andere Frauen
fahren Ski mit solchen Abmes-
sungen, doch Vonns Latten sind
wegen ihrer Grösse von 177 Zen-
befürworten. Was sie leisten
könnte, ist schwierig abzuschät-
zen. Svindal traut Vonn einen
Platz in den Top 30 zu. Das
mag nicht spektakulär klingen,
doch sechs von zehn Schweizern
schafften in Lake Louise vor
einer Woche diesen Sprung
nicht. Ein paar Herren müssten
also durchaus fürchten, dass
ihnen die Macho-Sprüche im
Aksel Svindal (rechts) traut Lindsey Vonn einen Top-30-Platz zu. Hals steckenbleiben. (reg.)
52 Sport NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Gelbe Karte Aufgefallen Zahl Verlierer

Ralf Rangnick, Sportdirektor Villas Boas gibt Gas
von RB Leipzig, kritisiert die Er wurde mit Porto portugiesi-
Vorschriften zum Financial scher Meister, trainierte Chel-
Fair Play der Uefa: Sie schränk- sea, Tottenham, St. Petersburg
ten ihn ein. Wir meinen: Das ist und zuletzt Schanghai SIPG.
ja genau Sinn der Sache. Den Job hat Andres Villas Boas
nach dem verlorenen chinesi-
schen Cup-Final aufgegeben.
Doch er hat bereits einen neuen
Plan: Im Januar fährt der Portu-
giese die Rallye Dakar. Motor-
sport-Erfahrung hat er keine.
Ein echtes Abenteuer. (cen.)
25
Buemi enttäuscht
Der Start in die neue Formel-E-
Meisterschaft ist dem Schwei-
zer Sébastien Buemi missglückt.
Der 29-Jährige klassierte sich im
ersten von 14 Saisonrennen in
Hongkong ausserhalb der
Punkteränge und wurde Zwölf-
So viele russische Wintersport- ter. Das turbulente Auftaktren-
ler hat das Internationale Olym- nen auf dem 1,8 km langen
pische Komitee mittlerweile Strassenkurs von Hongkong
wegen Dopings gesperrt. Wei- gewann der Brite Sam Bird aus
tere Verfahren laufen noch. dem Team Virgin Racing. (sda)

Eishockey National League

4
Kloten mit beherzter Leistung
Ambri-Piotta
37. Emmerton. 37. Lhotak. 56. Kubalik.
58. Kubalik.

0 ZSC Lions

4 Kloten
MELANIE DUCHENE / EQ IMAGES

Es ist immer wieder erstaunlich, 18. Praplan. 25. Praplan. 47. Marchon.
Eishockey NLA
wie wenig es manchmal braucht, 59. Praplan.

um in einem Klub neuen Drive zu 28. Runde: Ambri-Piotta - ZSC Lions

erzeugen. Luca Cereda, der Trai-
ner, und Paolo Duca, der Sport-
chef, sind in Ambri neu in diesen
Ämtern. Aber sie leben exempla-
risch vor, was es heisst, mit Kön-
nen und Leidenschaft den Alltag
zu meistern.
An den Spielen fiebert Duca
auf der Pressetribüne dermassen
mit, dass man sich beinahe Sor-
gen um seine Gesundheit macht.
Cereda wiederum, als erst 36-Jäh-
riger der jüngste Trainer der Liga,
ist ruhiger, hat aber schon wie-
derholt bewiesen, über welch
feines Gespür er verfügt. Mit
Torhüterwechseln, geschickt
gewählten Time-outs und takti-
scher Finesse verschaffte er sei-
ner Mannschaft schon manchen
Vorteil. Das Resultat: Ambri ist im
Rennen um die Play-off-Plätze
immer noch dabei. Allein das ist
eine Leistung, war die Mann-
schaft zum gleichen Zeitpunkt in
den Vorjahren doch meist schon
auf verlorenem Posten.
Auch gegen die ZSC Lions
zeigte sich die Squadra hervor-
ragend aufgelegt, sie war in allen
Belangen besser als die wenig
aufgeweckten Zürcher, bei denen
Goalie Niklas Schlegel noch der
Beste war. Sonst kam nichts, Pes-
toni zum Beispiel wirkte auch an
seiner alten Wirkungsstätte so
verloren wie meist – angesichts
von so viel Zürcher Harmlosigkeit
brauchte Cereda nicht einmal in
die Trickkiste zu greifen.
Ulrich Pickel, Ambri
5
4:0. Bern - Biel 4:5 n. P. Kloten - Davos
Davos 4:5 n.P. SCL Tigers - Lausanne 4:1.
n. V. 18. Corvi. 33. Ambühl. 34. Little.
Sonntag: Davos - Genf/Servette (15.45).
55. Corvi. 65.
Lugano - SCL Tigers (15.45). ZSC Lions
- Bern (15.45).
Vor nicht einmal zehn Jahren war
ein Duell zwischen dem EHC Klo- 1. Bern 26 59
ten und dem HC Davos die attrak- 2. Lugano 25 50
tivste Affiche, die das Schweizer 3. ZSC Lions 27 47
Eishockey zu bieten hatte. Ent- 4. Fribourg-Gottéron 27 46
sprechend standen sich die bei-
5. Davos 27 44
den schnellsten Equipen dieser
6. Zug 26 42
Zeit 2009 und 2011 zweimal im
Play-off-Final gegenüber mit dem 7. Biel 28 40
jeweils besseren Ende für die 8. SCL Tigers 27 34
Bündner. 9. Lausanne 26 33
Heute ist der Rekordmeister 10. Ambri-Piotta 28 33
ein Mittelfeldklub auf der Suche
11. Genf/Servette 26 31
nach Konstanz, aber ohne Sorgen
um die Play-off-Qualifikation. 12. Kloten 27 21
Kloten ist dagegen nach zwei
Fast-Konkursen nicht viel mehr
als eine Hülle von damals. Das
Tafelsilber ist längst weiter- daran, das Team auf die schwie-
gezogen und konnte aufgrund rige Zeit nach der Olympiapause
des eingeschränkten Budgets vorzubereiten. Der HCD präsen-
auch nicht annähernd ersetzt tierte sich in Kloten lange unkon-
werden. Denis Hollenstein und Gut gespielt, trotzdem verloren: Klotens dreifacher Torschütze Vincent Praplan. zentriert, führte aber dennoch
Vincent Praplan sind heuer die dreimal. Dass er mehr als doppelt
einzigen Prunkstücke des Teams, so viele Punkte hat, war nicht zu
die mehr als nur knappen Durch- Kloten gab nie auf mehr als verdoppelt. Schon beim geht von ihnen Torgefährlichkeit spüren. Die Klotener gaben nie
schnitt verkörpern. Doch Hollen- ersten Duell mit den Bündnern aus. Dass die Unterländer auch auf und retteten sich dank Pra-
stein spielt nächste Saison bei
und rettete sich im September hatte er gross auf- mit Praplan/Hollenstein Tabel- plans Tor weniger als zwei Minu-
den ZSC Lions und Praplan ist kurz vor Ende der gespielt, geriet dann aber in eine lenletzter sind, lässt am Schluef- ten vor Ende der regulären Spiel-
entschlossen, in der NHL den
Durchbruch zu suchen.
Spielzeit in die längere Schaffenskrise. Kloten ist
in der Offensive aber essenziell
weg eine düstere Vorahnung
auf die kommende Saison auf-
zeit in die Overtime. Doch wie
am Vortag in Freiburg verloren
Dass ihm das zuzutrauen ist, Overtime. auf die erste Sturmreihe angewie- kommen. die Zürcher im Penaltyschiessen
zeigte er am Samstag gegen Davos sen und litt entsprechend. Im Doch vorerst liegt die Kon- und errangen nur einen Punkt,
eindrücklich mit drei sehenswer- Gegensatz zu Davos spielt der zentration auf der Gegenwart, aber immerhin erhielten sie war-
ten Treffern. Damit hat der Walli- EHC nicht mit vier Ausländern. schliesslich gilt es, den Abstieg men Applaus für die beherzte
ser in den letzten zwei Partien Nur wenn Santala, Hollenstein zu verhindern. Der Headcoach Leistung.
fünfmal getroffen und sein Total und Praplan auf dem Eis sind, Schläpfer ist intern denn auch Yves Tardent, Kloten

Sport im TV Ski Weltcup

Beat Feuz wird in Beaver Creek Zweiter

Ski alpin 1. Shiffrin (USA) 1:27,55

17.55 SRF Info: Weltcup in Beaver Creek, 2. Rebensburg (DEU) +0,13

Riesenslalom Herren, 1. Lauf
18.55 SRF 2: Weltcup in Lake Louise, 3. Gisin (SUI) +0,17
Zweiter dann auch 2014 hinter
CHRISTIAN WALGRAM / GEPA PICTURES

Super-G Frauen.
20.40 SRF 2: Weltcup in Beaver Creek,
Riesenslalom Herren, 2. Lauf.
Ski nordisch
9.55 SRF 2: Langlauf, Skiathlon Frauen in
Lillehammer
11.35 SRF 2: Langlauf, Skiathlon Männer
in Lillehammer
13.15 SRF 2: Biathlon, Verfolgung Frauen
in Östersund.
15.10 SRF 2: Biathlon, Verfolgung Män-
ner in Östersund.
16.00 ZDF: Skispringen, Weltcup in
Nischni Tagil.
Fussball
15.55 SRF 2: Super League, Grasshop-
pers - Lugano.
16.25 ORF 1: Austria - Salzburg
Automobil
8.00 Eurosport: Formel E, zweites
Saisonrennen in Hongkong.
Allgemein
18.00 ARD: Sportschau.
18.30 SRF 2: Sportaktuell.
21.45 BR: Blickpunkt Sport.
22.05 SWR: Sport im Dritten.
1. Svindal (NOR) 1:40,46
Kjetil Jansrud, und nun also
2. Feuz (SUI) +0,15
wurde es wieder Position 2. Da-
3. Dressen (DEU) +0,49 mit verteidigte er aber seine rote
Startnummer für den Leader im
13. Caviezel (SUI) +1,15, 27. Roulin Abfahrts-Weltcup.
(SUI) +1,97, 28. Gisin (SUI) +2,02. Svindal errang seinen 33.Sieg
im Weltcup, aber den ersten seit
Beat Feuz konnte in Beaver Creek seinem schweren Sturz im Januar
nicht nachdoppeln, aber er zeigte 2016 in Kitzbühel. Dort hatte sich
eine erneut starke Leistung. Nach der knapp 35-jährige Routinier
seinem Sieg zum Auftakt in Lake neben einem Kreuzbandriss
Louise wurde der Emmentaler in einen Meniskusschaden zuge-
der zweiten Abfahrt des Winters zogen, der ihn auch im folgenden
hinter Aksel Lund Svindal Zwei- Winter zum Abbruch der Saison
ter. 15 Hundertstel fehlten dem zwang. In Beaver Creek realisierte
Berner zum Sieg. Feuz vergab den der Norweger seinen bereits
Sieg im ersten Streckenviertel, sechsten Erfolg. Damit stellte er
einem Flachstück. Hier büsste sich auf eine Höhe mit Hermann
der Abfahrts-Weltmeister vier Maier, der nun nicht mehr alleini-
Zehntel auf Svindal ein. In den ger Rekordgewinner ist.
technisch schwierigen Passagen Überraschender Dritter hinter
machte er Boden gut, aber ganz Svindal und Feuz wurde der
nach vorne reichte es nicht mehr. 24-jährige Deutsche Thomas
Feuz landete in Beaver Creek Dressen, der es erstmals aufs
zum bereits dritten Mal auf Platz Podium schaffte. Die Österreicher
2 einer Abfahrt. Gewonnen hat er brachten mit dem sechstplatzier-
dort noch nie. Zweiter war der ten Vincent Kriechmayr nur einen
Berner 2011 hinter Bode Miller, Nie gewonnen in Beaver Creek, aber dreimal Zweiter: Beat Feuz. Fahrer in die Top 10. (sda)
10. Hählen (SUI). +0,88. 14. Gut
(SUI) +1,10.
Michelle Gisin wird in der Abfahrt
immer besser. In Lake Louise
schaffte es die Engelbergerin als
Dritte sensationell aufs Podium.
Geschlagen wurde Gisin einzig
von der Amerikanerin Mikaela
Shiffrin und der Deutschen Vikto-
ria Rebensburg. Shiffrin stellte in
Lake Louise ein weiteres Mal
unter Beweis, welch unglaub-
liches Ski-Talent sie ist. Erstmals
triumphierte sie auch in einer Ab-
fahrt. Ebenfalls ein starkes Ren-
nen zeigte die Bernerin Joana
Hählen, die sich als Zehnte noch
vor Lara Gut (14.) klassierte.
Der Start zur Abfahrt hatte sich
um 75 Minuten verzögert. Das
Resort in Kanada war von einem
kompletten Stromausfall betrof-
fen, was sich auf den Liftbetrieb
auswirkte. Ein Aggregat hatte
Feuer gefangen. Die Fahrerinnen
wurden mit Schneemobilen an
den Start gebracht. (sda)
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Gewinner
Fussball Super League
1
Lausanne
80. Zeqiri.
4 Basel
8. Elyounoussi. 39. Ajeti. 63. Lang.
66. Steffen.
Der Basler Trainer Raphael Wicky
schonte drei Tage vor dem ent-
scheidenden Champions-League-
Spiel gegen Benfica in Lissabon
keinen seiner Stammkräfte. Aber
die Gefahr der Überbelastung
bestand nicht. Der FCB war Lau-
sanne von der ersten bis zur letz-
ten Minute dieses Matchs auf
gefrorenem Terrain so klar über-
legen, dass das Ergebnis mit 4:1
eher zu knapp ausfiel. Auf jeden
Fall ist es sehr selten, in einem
Spiel der Super League eine
Leistungsdifferenz dieser Art zu
sehen.
«Der FCB war von Anfang an
besser, wir haben einfach keine
Lösung gefunden», beurteilte
Lausannes Abwehrchef Jérémy
Manière die Sachlage absolut kor-
rekt. Das erste Super-League-Tor
des 18-jährigen Andi Zeqiri in der
80. Minute war der zweite und
letzte Ball, der aufs Basler Tor
flog. In der Challenge League
hatte Zeqiri noch vor seinem 17.
Geburtstag erstmals getroffen.
Das Spiel war, nach vier Toren
in den ersten 66 Minuten, längst
entschieden, als Zeqiri die Bilanz
Lausannes schönte. Der FCB
wirkte jederzeit sehr konzen-
triert. Er überforderte den Gegner
vor allem in der Anfangsphase
mit hoch angesetztem Pressing
und beging so gut wie keine
Fehler. Einer der Skorer war wie
zurzeit üblich Rechtsverteidiger
Michael Lang, mit seinem siebten
Tor in fünf Spielen.
Hansjörg Schifferli
Bundesliga
4 Hoffenheim
13. Amiri. 52. Gnabry. 62. Gnabry.
87. Uth.
0 Leipzig
45 Meter betrug die Distanz, als
Serge Gnabry erkannte, dass
Leipzigs Torhüter Gulasci weit
vor der Torlinie stand. Zu weit,
um zurückzueilen und Gnabrys
kunstvollen Lupfer zu parieren.
Der Treffer des Hoffenheimers
zum 3:0 war der spektakulärste in
einem spektakulären Match, den
Hoffenheim überraschend deut-
lich gewann. Hoffenheims Coach
Julian Nagelsmann dürfte Diskus-
sionen um seine Person vorläufig
beendet haben. Spätestens nach
der Niederlage gegen den HSV
war er in die Kritik geraten. Die
gute letzte Saison und die Ge-
rüchte um ein eventuelles En-
gagement in München oder Dort-
mund seien ihm zu Kopf gestie-
gen, hiess es. Erstmals musste er
im Laufe seiner jungen Karriere
ein Tief meistern, es gelang ihm
souverän. Beeindruckend ist Na-
gelmanns Bilanz gegen Teams aus
der Spitzengruppe: Nicht nur
Leipzig, auch Bayern und Schalke
wurden geschlagen. (sos.)
Sport
Skispringer qualifiziert
Gregor Deschwanden löste
beim Skispringen im russischen
Nischni Tagil überraschend das
Olympia-Ticket. Er belegte nach
Flügen auf 137 und 128,5 m den
7. Rang und egalisierte mit dem
Coup sein Karriere-Bestresultat.
Auch Simon Ammann brachte
die Olympia-Qualifikation defi-
nitiv unter Dach und Fach. Auf
Platz 19 von Kuusamo liess er
Platz 16 folgen. (sda)
Kleine Luzerner Befreiung
2 Luzern
30. Kukeli (Eigentor). 44. Ziegler (P).
1
Sitten
41. Ucan.
Was macht man an einem kalten
Samstagabend in Luzern? Nur
wenige, 8565 genau, gehen zum
Fussball ins Stadion. Der FC
Luzern befindet sich im Abstiegs-
kampf und in einer schwierigen
Lage. Seit kurzem wissen die
Investoren, Aktionäre oder Spon-
soren – wie man sie auch immer
nennen will im Verwaltungsrat
der Holding AG –, dass sie einen
Verlust von über zwei Millionen
Franken auszugleichen haben.
Wieder einmal, dieses Mal für die
Rechnung der Saison 2016/2017.
Der Verlust in dieser Höhe ist an
der Generalversammlung der FC
Luzern-Innerschweiz AG ausge-
wiesen worden. Das Budget in
Balance halten und ausbleiben-
der sportlicher Erfolg: Das bringt
Spannungen in einen Verein. Mit
dem Sieg gegen die mitgefährde-
ten Walliser verschafft sich das
Team des Trainers Markus Babbel
ein wenig Luft – aber es war nur
eine kleine Befreiung. Zu wenig
Qualität war im Spiel der Luzer-
ner festzustellen, um ohne Sor-
gen an die Zukunft zu denken.
Luzern profitierte von einem
schwarzen Abend des Sittener
Verteidigers Burim Kukeli. Erst
passierte ihm ein Eigentor, dann
verschuldete er einen Strafstoss.
Diese Fehler reichten, um den
Luzernern zum Sieg zu verhelfen.
Formel 1
Ericsson und Leclerc bilden 2018 das Sauber-Team
Das Tuch, das Marcus Ericsson
und Charles Leclerc anheben, ist
weiss. Darunter kommt ein eben-
falls weitgehend weisser Renn-
wagen zum Vorschein, allerdings
mit einer metallic-rot schimmern-
den Lufthutze, der Öffnung über
dem Motor. Und mit einem der
schillerndsten Markenzeichen im
Rennsport: dem Logo von Alfa
Romeo. Es wird künftig auf den
Formel-1-Autos des Schweizer
Sauber-Teams zu sehen sein.
Das traditionsreiche Blau aus
Hinwil ist, bis auf eine schmale
Linie, verschwunden – jedenfalls
im ersten Entwurf für den künf-
tigen C37. Noch stand im Museo
Storico von Alfa Romeo vor den
Toren Mailands ein Show-Car,
der dank seinem neuen Haupt-
sponsor schon einen Spitznamen
hat: der Sauberomeo.
Die neue Fahrerpaarung, für
die der Deutsche Pascal Wehrlein
nach nur einer Saison weichen
musste, war das am schlechtesten
gehütete Geheimnis der Formel 1.
Denn mit der Verlängerung der
Motorenpartnerschaft mit Ferrari,
statt wie ursprünglich geplant mit
Zitiert
«Jeder Affe
ist schneller
da oben.»
Reinhold Messner, Bergsteiger, ist kein Freund des
Sportkletterns. Die Disziplin ist künftig olympisch
und steht 2020 erstmals auf dem Programm.
Einen Schritt voraus: Der Luzerner Tomi Juric gegen den Sittener Burim Kukeli.
Es war tiefer Abstiegskampf,
das Niveau entsprechend. Mit
solchen Leistungen dürften
sich beide Teams mittelfristig
kaum aus der Gefahrenzone
verabschieden. Trotzdem hatte
Luzerns Trainer Babbel «grosse
Komplimente» parat. Zum einen
für «seine Jungs», die gut gegen
Charles Leclerc und Marcus Ericsson am Samstag in Mailand.
Honda, war auch der grössere
Einfluss aus Italien fixiert. Ferrari
hat mit dem US-Rennstall Haas
bereits ein zweites Team am Start,
weshalb Fiat-Herrscher Sergio
Marchionne eine Chance sah,
nicht nur einen seiner Ferrari-
Junioren in Hinwil ausbilden zu
lassen, sondern auch seinen lang
gehegten Wunsch nach einer
Alle Ergebnisse
im Internet unter
nzz.ch/sport
53
Entdeckt
Zlatan: Der Film
Er hat sein Parfum, er hat
sein Buch, jetzt kriegt
ler die überaus vergnüg-
liche Biografie «Ich bin
Zlatan Ibrahimovic» ver-
er seinen Film. Völlig
zu Recht, schliess-
lich lebt Ibrahimo-
fasst hat, auf der der
Film basieren soll.
Lagercrantz
vic «den amerika-
nischen Traum in
Schweden». Das
schreibt das Script,
er denkt, es könne
sehr gut werden.
sagt David Lager- «Zlatan und ich sind
crantz, der 2011 beide sehr begeis-
zusammen mit dem tert», sagt der Autor.
schwedischen Fussbal- Und wir erst. (cen.)
ALEXANDRA WEY / KEYSTONE
Super League
17. Runde: Lausanne - Basel 1:4 (0:2).
Luzern - Sitten 2:1 (2:1).
Sonntag: Grasshoppers - Lugano
(16.00). St. Gallen - Zürich (16.00).
Thun - Young Boys (16.00).
1. Young Boys 16 36
2. Basel 17 32
3. Zürich 16 25
4. St. Gallen 16 24
5. Grasshoppers 16 23
6. Lausanne 17 19
7. Luzern 17 17
8. Sitten 17 17
9. Lugano 16 16
10. Thun 16 15
Sittens Trainer Gabri hatte das
System, das vor Wochenfrist zu
einem 3:0-Sieg gegen GC geführt
hatte, nicht verändert. Spielent-
wicklung aus einer Dreierabwehr-
kette, viel Ballbesitz, es waren
um die 70 Prozent. Sitten spielte
im Barça-Modus, einfach ohne
die Kreativität auf den letzten
30 Metern, eher Rückwärts- als
Vorwärtsbewegungen, man hatte
Zu wenig Qualität den Ball gearbeitet hätten, und bisweilen den Eindruck, als sei
zum anderen für das Publikum es den Sittener Spielern egal, wo
war im Spiel der (8565), das als «zwölfter Mann» in die Tore stehen. Hauptsache, sie
Luzerner, um ohne der Schlussphase wertvoll gewe- haben den Ball in den Füssen. Die
Sorgen an die sen sei. Umso mehr, als Babbels
Team nach einer gelb-roten Karte
Ausnahme war der 1:1-Ausgleich
von Uçan, der nach einem gut
Zukunft zu denken. gegen Tomi Juric die letzte Vier- getimten Doppelpass traf. Das
telstunde den Vorsprung mit 10 war es dann aber auch.
Mann zu verteidigen hatte. Bernhard Brunner, Luzern
den Triumphen in den fünfziger Giovinazzi, der zweite Ferrari-
MARIO ROMANO / IPP / EQ IMAGES
Jahren dümpelte das Engagement Junior, muss mit der Rolle als
bis zum Ausstieg 1985 so dahin. Testfahrer vorliebnehmen. Das ist
«Die neue Sauber-Lackierung mit der Personalkompromiss, den die
dem Alfa-Logo wird uns mit Stolz schwedischen Besitzer von Sau-
erfüllen», glaubt Marchionne. ber und der grosse italienische
Auch Formel-1-Chef Chase Carey Partner aushandeln konnten. Für
und Automobilverbandspräsi- Pascal Picci, den Chef der Sauber-
dent Jean Todt wohnten der Ent- Holding, schliesst sich nach der
hüllung bei, wohl auch, um mit Neuorientierung der letzten
Marchionne über dessen Drohun- anderthalb Jahre damit erfolg-
gen von einem Ferrari-Ausstieg reich ein Kreis: «Wir von Sauber
zu sprechen, die durch das neue sind extrem happy, Alfa Romeo
Alfa-Engagement allerdings ab- zurück auf die Rennstrecke zu
geschwächt werden. bringen.»
Diejenigen, die die Worte in Die Rede ist von einer langfris-
Taten umsetzen müssen, sind der tigen technischen und strategi-
bisherige Stammfahrer Ericsson, schen Partnerschaft, die über die
der in ein viertes Sauber-Jahr geht Formel 1 hinausgehen soll. Sau-
und mit 27 endlich den Durch- ber hat ein ähnliches Modell
bruch schaffen muss – war er schon einmal praktiziert, als
Renaissance auf der Rennstrecke doch in dieser Saison der einzige die Ferrari-Motoren unter dem
der ebenfalls zum Konzern ge- Pilot, der alle Rennen fuhr und Namen Petronas eingesetzt wur-
hörenden Marke Alfa Romeo zu keinen Punkt holen konnte. Sein den. Diesmal liegt eine intensi-
erfüllen. Teamgefährte ist der Monegasse vere Nutzung der Rennfabrik im
Entsprechend pathetisch wer- Charles Leclerc, der wohl talen- Oberland allerdings näher, auch
tet Marchionne die alte, neue tierteste Fahrer aus der Formel 2, wenn die neue Firmierung Alfa
Partnerschaft: «Es ist ein speziel- gerade mit dem Meistertitel Romeo Sauber zunächst mehr ein
ler Moment in der Geschichte von geehrt. Der 20-Jährige will das Sponsoring als der Status eines
Alfa, und es ist ein spezieller Sauber-Jahr als Sprungbrett in Werksrennstalls ist.
Moment für ganz Italien.» Nach das Ferrari-Team nutzen. Antonio Elmar Brümmer
Freizeitsport
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

DieseSki
machen
glücklich
Schlechte Ski gibt es heutzutage nicht mehr.
Doch die Auswahl ist riesig. Wer das passende
Modell finden will, muss sich deshalb vor dem
Kauf ein paar Fragen stellen. Eine Anleitung
für mehr Spass im Schnee. Von Remo Geisser

E
ndlich wieder Winter! Es ist
lange her, seit die Natur letzt-
mals Anfang Dezember alle
Klischees der kalten Jahreszeit
erfüllte. An den Berghängen
türmt sich der Pulverschnee,
in den Skigebieten können die
Ratrackfahrer ausschwärmen. Nicht jeder
Sportler definiert jedoch den perfekten
Skitag gleich. Wollen die einen durch mög-
lichst tiefen Powder stieben, träumen die
anderen davon, auf perfekt präparierter
Unterlage ihre Carvingschwünge zu ziehen.
Und damit beginnt die Qual der Wahl. Denn
nicht jeder Ski ist für alles geeignet. Zwar
geht der Trend im Skibau seit Jahren hin zu
vielseitigen Modellen, doch gibt es auch da
grosse Unterschiede.
Vor dem Gang ins Fachgeschäft sollte sich
jeder Wintersportler klar darüber werden,
was er wirklich will. Und diese Entscheidung
geht einher mit der ehrlichen Einschätzung
des fahrerischen Könnens, des eigenen Fahr-
stils und der körperlichen Voraussetzungen.
Wie gut ist Ihre Skitechnik? Fahren Sie gröss-
tenteils eher sportlich ambitioniert oder
genussorientiert? Es ist nicht schlimm, wenn
die Technik ausbaufähig ist oder wenn man
nicht mehr so dynamisch fährt wie vor zehn
Jahren. Aber ein fordernder Ski, der kraftvoll
und technisch sauber gefahren werden will,
kann einen herrlichen Urlaubstag kaputtma-
chen, weil man die ganze Zeit mit dem Mate-
rial und sich selbst hadert. Ein Tipp: Sie
können sich filmen und das Material dann
objektiv prüfen lassen. Zudem ist das eigene
Gewicht ein wichtiger Faktor: Je höher dieses
ist, desto steifer darf auch der Ski sein.
Die hier vorgestellten Modelle eignen sich
am besten für folgende Typen von Skifahrern
und Skifahrerinnen:
Allround: Ideal für Einsteiger oder Genuss-
fahrer mit geringem bis mittlerem Können,
die in langsamem bis mittlerem Tempo
fahren. Diese Ski sind auch verhältnismässig
günstig, also auch etwas für Preisbewusste.
Allmountain Performance: Wir stellen hier
Modelle für Frauen vor, doch diese Kategorie
eignet sich generell für fortgeschrittene bis
sehr sportliche Fahrer, die vorwiegend auf
der Piste unterwegs sind, aber auch ab und
zu in den Tiefschnee fahren.
Allmountain Free: Das sind Ski für fort-
geschrittene und sehr vielseitige Fahrer. Wer
mindestens so oft abseits wie auf der Piste
unterwegs ist, findet damit sein Glück.
Slalom: Diese Ski sind etwas für Leute, die
sportlich bis rennsportlich unterwegs sind
und vorwiegend geschnittene Schwünge
fahren. Für Tiefschnee nicht geeignet.

33 Experten, 143 Paar Ski Allround

So kommen die
Ergebnisse zustande
Im Südtirol führt das «Ski-Magazin» jeweils
im Frühling den Test für die Ski der
kommenden Saison durch. Die Hersteller
können ihre Modelle für die verschiedenen
Kategorien präsentieren. In diesem Jahr
taten dies 18 Firmen, die 143 Paar Ski anlie-
ferten. 33 Experten – Inhaber und Mitarbei-
ter spezialisierter Sportfachgeschäfte, Ski-
lehrer, Einkäufer der grossen Handelsver-
bände und Redaktoren internationaler Ski-
Magazine – waren vom 23. bis 28. April 2017
im Einsatz. In gemischten Gruppen fuhren
die Tester alle Modelle im direkten Ver-
gleich durch, bewerteten und beschrieben
ihre Eindrücke auf Testkarten. Abends
folgten Gruppengespräche, in denen noch
einmal mit den Redaktoren des «Ski-Maga-
zins» intensiv über die Ski gesprochen
wurde. Auf Grundlage der verteilten
Punkte, der schriftlichen Kommentare,
die jeder Testfahrer nach jedem Modell auf
der Testkarte festhalten musste, sowie
vor allem der in der Diskussion getroffenen
Aussagen formulierte die Redaktion das
jeweilige Testergebnis für jeden Ski. Die
herausragenden Modelle bekamen das
VIP-Siegel. Das sind die Ski, die in ihrer
jeweiligen Kategorie für diese Doppelseite
ausgewählt wurden. (reg.)
Mühelos über die Hänge ziehen
Neue Ski müssen alles können und dürfen
nicht viel kosten – so lautet die Vorgabe
vieler Kunden, die die Industrie vor grosse
Probleme stellt. Denn Qualität hat speziell
in einem hochtechnischen Bereich wie dem
Skibau ihren Preis, so dass die Hersteller
Kompromisse eingehen müssen. Der Begriff
«Allround» hat in den vergangenen Jahren
allerdings einen negativen Touch bekom-
men. «Ein guter Allrounder» wird inzwi-
schen gedeutet wie «nicht wirklich schlecht,
aber eben auch nicht besonders gut».
Verliert diese Kategorie deshalb an Bedeu-
tung? Auf keinen Fall. Denn Allround-Ski
sind vieles, keineswegs jedoch mittelmässige
Modelle für Leute mit bescheidenen Ansprü-
chen. Wenn wir genau sind, muss man sogar
zugeben, dass Allrounder eigentlich zu der
beeindruckendsten Kategorie gehören. Denn
bei ihnen schaffen die Hersteller das Kunst-
stück, Hightech-Produkte zu einem günsti-
gen Preis zu produzieren. Einen Top-Ski für
1400 Franken zu bauen, ist einfacher, als ein
günstiges Modell mit starker Performance
zu entwickeln.
Allround-Ski müssen den Bedürfnissen
einer riesigen Zielgruppe gerecht werden
können. Natürlich gibt es viele exzellente
Skifahrer, die aufgrund ihres Könnens das
Beste vom Besten haben möchten. Doch es
gibt weitaus mehr Wintersportler und -sport-
lerinnen, die nur fünf bis acht Tage im Jahr
auf die Piste gehen. Und für die meisten von
ihnen sind Allround-Ski die erste Wahl.
Die Alleskönner im Schnee sind eher
genuss- und komfortorientiert, haben durch-
aus aber auch sportliche Gene. Was sie alle
gemeinsam haben: Mit ihnen lassen sich die
Schwünge leicht auslösen, und sie lassen
sich auch gut driften. Zudem verzeihen sie
Fahrfehler und unterstützen dadurch Anfän-
ger beim Lernen. Die Kategorie Allround
bietet eine Menge hochinteressante Ski, die
auf der Piste bei allen Bedingungen viel
Fahrspass bringen und zudem auch für kurze
Ausflüge ins Gelände zu haben sind. Die
Tester sind begeistert von den Ski dieser
Kategorie, die allesamt viel Potenzial besit-
zen und alles andere als reine Einsteiger-
Modelle sind. Sie sprechen aufgrund ihrer
Vielseitigkeit eine breite Masse an, der sensa-
tionelle Preis macht sie äusserst attraktiv –
auch für Jugendliche.
Längenempfehlung: Neulinge wählen
Körpergrösse minus zehn Zentimeter, routi-
nierte Fahrer Körpergrösse. (Ski-Magazin)
Topmodelle
Dynastar Speedzone 7
Ein Ski, der vom ersten Moment
an volles Vertrauen vermittelt, auf
der Piste jede Gangart mitmacht
und auch sportlich zu fahren ist.
Für Geniesser und Racer.
Preis: 470 Fr. mit Bindung.
Elan Amphibio 12 TI
Ein agiler und spritziger Ski. Sehr
easy, genussvoll und entspannt zu
fahren. Für Fahrer, die den kraft-
armen Kurzschwung mögen
und auch einmal zum klassischen
Wedeln übergehen.
Preis: 729 Fr. mit Bindung.
Rossignol Pursuit 400 Carbon
Der gutmütige, fehlerverzeihende
Pursuit ist ein Ski, der Einsteigern
schnelle Fortschritte garantiert.
Der Fahrer muss quasi nur an
die Kurve denken, schon zieht er
leicht und locker in den Turn.
Preis: 699 Fr. mit Bindung.
 Lady Allmountain Performance

WESTEND 61 / PICTURE ALLIANCE

Gas geben auf der Piste und im Powder
Nichts geht über Neuschnee. Egal, ob ein
Pistentag oder eine Powder-Tour ansteht,
frisches Weiss ist das Grösste. Dementspre-
chend suchen immer mehr Wintersportfans
Ski, die sowohl im präparierten als auch im
offenen Gelände überzeugen – sie suchen
Allmountain-Ski. Die Industrie hat darauf
reagiert und bietet heute eine breite Palette
von Allmountain-Ski an. Das zeigte sich auch
beim Test im letzten Frühling: 17 Firmen
reichten Modelle der Kategorie Allmountain-
Performance ein, neun Modelle wurden spe-
ziell für Frauen entwickelt.
Was zeichnet diese Ski aus? Der Einsatz-
bereich liegt grob bei 70 Prozent Piste und
30 Prozent Gelände, ihr Handling soll eher
etwas gutmütiger und einfacher sein. Aber:
Auch in dieser Kategorie gibt es grosse Cha-
rakter-Unterschiede, denn einen Ski, der bei
allen Bedingungen und auf jedem Terrain
gleichermassen stark performt, gibt es in der
Realität nicht. So ragen die Modelle der Kate-
gorie Allmountain-Performance in keinem
Bereich besonders heraus, können aber alles
sehr gut. Sie glänzen mit beeindruckender
Ausgewogenheit und Breitbandigkeit. Aber
Achtung: Sie sind Hightech-Geräte, deren
Potenzial nur sehr gute Skifahrer komplett
ausschöpfen können. Man kann mit ihnen
auf Powder-Hängen die grenzenlose Neu-
Topmodelle
schnee-Freiheit geniessen, aber auch mit
bissigem Kantengriff sportlich-ambitioniert Blizzard Alight 8.0 TI
auf der Piste carven. Ein sportlich abgestimmter Ski
Diese Ski sind für kurze Schwünge mit ausgeglichenem Steuerver-
genauso geeignet wie für längere, und sie halten. Begeisterte die Testerin-
können dank ihrer etwas breiteren Bauweise nen in allen Schwungformen und
bei allen Schneeverhältnissen gefahren Laufruhe auch auf weicher Piste.
werden. Dank ihrer Taillierung sind sie kraft- Preis: 799 Fr. mit Bindung.
sparend zu fahren und eignen sich deshalb
besonders gut für lange Skitage. Das ist eine K2 Luv Sick 80 TI
Eigenschaft, die erfahrungsgemäss von Trotz seiner sehr hohen Stabilität
Frauen besonders geschätzt wird. Oder von beeindruckt der Ski mit extrem
Leuten, die den Après-Ski genauso pflegen leichter Schwungauslösung, ver-
wie das Skifahren. Und wer will schon völlig mittelt dabei zudem ein sehr
abgekämpft zum Plausch mit den anderen sicheres Fahrgefühl. Beeindruckt
Wintersportlern erscheinen? Allmountain- mit bestem Carv-Verhalten.
Ski haben aber auch Nachteile: Auf vereisten Preis: 820 Fr. mit Bindung.
Pisten ist ihr Kantengriff nicht überragend,
und sie sind nicht ganz so spritzig wie sport- Rossignol Temptation 80
lichere Modelle. Der Ski lenkt leicht in die Kurve
Längenempfehlung: Weniger routinierte, ein und lässt sich ausgezeichnet
eher leichte oder kleine Fahrerinnen wählen driften. Auch im Carv-Verhalten
Körpergrösse minus 5 cm oder Körpergrösse. beeindruckt er, hohes Tempo
Sportliche, eher schwere oder grosse Fahre- macht er locker mit. Bestwerte bei
rinnen greifen zu Ski in Körpergrösse bis plus kurzen und mittleren Schwüngen.
5 cm. (Ski-Magazin) Preis: 649 Fr. mit Bindung.

Allmountain Free

Schweben und stieben im Pulverschnee

Topmodelle
K2 Pinnacle 95
Die tolle Performance auf hartem
Untergrund wurde nochmals
verbessert. Dennoch liegt seine
wahre im Gelände. Dort gehört
er mit seinem Auftriebsverhalten
zu den Besten dieser Kategorie.
Preis: 790 Fr. ohne Bindung.
Salomon QST 99
Das breiteste Gerät der Kategorie
ist auf den ersten Blick eher Free-
ride-orientiert. Dennoch lässt sich
mit ihm auch über die Piste crui-
sen und sogar carven. Im zerfahre-
nen Schnee fliegt er über jeden
Buckel. Preis: 599 Fr. ohne Bindung.
Stöckli Stormrider 95
Ein Ski, der beim Fahren seine
Breite vergessen lässt, denn er ist
sowohl im Gelände als auch auf
der Piste eine echte Wucht. Es
gibt kein Hindernis, das ihn auf
seiner Tour ins Tal aufhalten kann.
Preis: 940 Fr. ohne Bindung.
Während des Tests schneite es im Südtirol
ohne Unterlass, mehr als ein halber Meter
Pulverschnee lag auf den Hängen. Bei diesen
Bedingungen macht es grossen Spass, die Ski
dieser Kategorie zu fahren. Denn da keine
reinen Freerider und Tourenski geprüft
werden, sind die Modelle dieser Kategorie
die breitesten Vertreter. Die Vorgaben des
Testkonstrukts: maximale Mittelbreite
100 Millimeter, maximale Länge 1,95 Meter.
Für europäische Verhältnisse ist eine
100er Mittelbreite aber auch schon ein aus-
sergewöhnliches Mass; im Westen Nordame-
rikas wäre man mit dem Goodschi Draco (106
mm) oder dem Salomon QST99 (99), den
beiden breitesten Modellen des Tests, oft der
Fahrer mit dem schmalsten Ski am Berg.
Doch der alte Kontinent ist bekanntlich eine
andere Skifahrerwelt. In Europa sind schma-
lere Modelle gefragt, und zwar Allmountain-
Free-Ski, die unabhängig von den Bedingun-
gen stets ein verlässlicher Partner für den
gesamten Skitag sind. Das heisst: Trotz einer
gewissen Breite, die genügend Auftrieb im
Tiefschnee im Gelände gewährleistet,
müssen sie auch ein ebenso grosses Mass an
Pistentauglichkeit mitbringen. Der Einsatz-
bereich liegt je etwa bei 50 Prozent Piste und
Tiefschnee. Ein schwieriger Spagat, den
die Hersteller hier schaffen müssen. Deshalb
zeigte sich im Test schnell eine klare Ten-
denz: Die Firmen haben weiter an der Pisten-
performance gefeilt. Ski wie der Blizzard
Bonafide, der K2 Pinnacle 95 oder der Stöckli
Stormrider 95 sind auf ganzer Linie pisten-
und Highspeed-tauglich!
Insgesamt haben alle Ski dieser Kategorie
trotz ihrer Breite wieder mit sehr guten Test-
werten geglänzt. Ein wichtiger Hinweis zu
diesen Modellen: Im Gegensatz zu fast allen
anderen Ski des diesjährigen Supertests
werden diese ohne Bindung abgebildet, und
dementsprechend werden auch die Preise
nur für die Ski angegeben. Der Hintergrund:
Die breiten Geräte kann man mit einer
Freeride-, einer Touren- oder einer breiteren,
nicht aufstiegsorientierten Bindung ausrüs-
ten. Getestet wurden fast alle Ski mit einer
Freeride-Bindung.
Längenempfehlung: Technisch gute und/
oder schwere Fahrer wählen Körpergrösse
bis plus 10 cm. Leichte oder weniger routi-
nierte Fahrer nehmen 5 cm unter Körper-
grösse bis Körpergrösse. (Ski-Magazin)

Slalom

Ein fordernder Ski kann

einen Urlaubstag schnell
kaputtmachen, weil
Auf der Kante durch die Kurven preschen
man die ganze Zeit mit Genuss wird unterschiedlich empfunden.
dem Material und sich Für Speed-Fans sind Kurven, in denen die
selbst hadert. Fliehkräfte nur so an einem zerren, und
Geschwindigkeiten, die das Adrenalin in die
Adern pumpen, ein Hochgenuss und durch
nichts zu toppen. Und zwar auf Hightechma-
schinen, welche die Vorzeige-Ski fast jeder
Firma sind. Die Hersteller investieren Jahr
für Jahr viel, um die hochentwickelten High-
tech-Geräte noch einmal zu verbessern. Des-
halb bekommen wir beim Fachhändler sehr
hochwertiges Material, das den Preis von
über 1000 Franken rechtfertigt.
Qualität kostet, und die Modelle der Kate-
gorien Slalom und Riesenslalom sind die
Alle Zahlen und Fakten Porsches, BMW und Audis der Skiwelt. Sie
garantieren bei höchstem Tempo das
Der vollständige höchste Mass an Stabilität und Sicherheit
Test verteilt sich auf und Fahrspass, erfordern jedoch auch viel
mehrere Ausgaben Erfahrung, Kraft, Ausdauer und vor allem
des «Ski-Magazins». Können. Jeder sollte wissen, was er beim
Es kann auf der Highspeed-Ritt ins Tal auf der Kante tut, und
Website skima- sollte jederzeit in der Lage sein, auf Unerwar-
gazin.de bestellt tetes zu reagieren.
oder als E-Paper Für viele Wintersportfans sind dynami-
heruntergeladen sche Kurzschwünge der Inbegriff von Ästhe-
werden. tik und Eleganz auf der Piste. Slalom-
Modelle mit aggressivem X-Shape – breite
Schaufel, schlanke Taille, breites Heck – sind
Topmodelle
dementsprechend für sie das Nonplusultra.
Warum? Diese kurzen Flitzer stecken voller
Power und Agilität. Dazu verfügen sie über Atomic Redster S9
eine hohe Eigendynamik, geben dem Fahrer Dieser Ski hat nun eine Servo-
aber gute Rückmeldung und erstklassigen lenkung, die ihn auf ein neues
Kantengriff – wenn man sie denn kraftvoll Niveau hebt. Ein sportlich-spritzi-
auf Zug fährt. Denn so viel Spass enge Radien ger Rennflitzer, der vor Dynamik
auch machen, Slalomski sind anspruchsvolle sprüht und dennoch easy und
Sportgeräte. Der Fahrer muss einiges inves- harmonisch zu fahren ist.
tieren und konzentriert auf der Kante unter- Preis: 1149 Fr. mit Bindung.
wegs sein. Kraftsparendes Skifahren geht
definitiv anders. Für Einsteiger und Genuss- Nordica Dobermann SLR RB EVO
fahrer sind sie dementsprechend nicht geeig- Ein äusserst bissiges Modell, das
net. Experten und kraftvoll-sportliche Pilo- auf den kleinsten Kantwinkel
ten mit ausgeprägter Kurzschwung-Leiden- sofort reagiert. Begeistert mit
schaft kommen jedoch voll auf ihre Kosten. seiner Reaktionsschnelligkeit und
Die Nachteile dieser Ski: Auf weichen Pisten einem tollen Rebound.
und im Gelände sind sie störrisch und bei Preis: 1099 Fr. mit Bindung.
gedrifteten Schwüngen etwas bockig. Bei
hohem Tempo und langgezogenen Schwün- Stöckli Laser SL
gen werden sie schnell einmal unruhig. Sehr sportlich, mit viel Potenzial,
Längenempfehlung: Die gängigen Längen braucht aber auch eine feste Hand
sind für Männer 165 cm bis 170 cm, für und eine gute Position auf dem
Frauen 155 cm bis 160 cm. Es kann jedoch Ski, um es komplett abzurufen.
auch interessant sein, einen etwas längeren Der Stöckli will nonstop aggressiv
Ski zu wählen, da er dadurch breitbandiger auf der Kante gefahren werden.
wird. (Ski-Magazin) Preis: 1299 mit Bindung.
Mobilität
Autotest
Der kleine T-Roc könnte den
erfolgreichen Golf ablösen
D
er neue VW T-Roc ist
ein Geländewagen im
Golfformat. Das Auto
könnte das Erbe des
Golf antreten, denn Mini-SUV für
die Stadt sind begehrt. In den
vergangenen zehn Jahren haben
sich die Zulassungen von SUV
fast verdreifacht, ihr Anteil stieg
von 13,3 auf 35,2 Prozent. Damit
liegt der Anteil an SUV in der
Schweiz höher als in fast allen
anderen westeuropäischen
Ländern. Nur Norwegen hat
einen etwas höheren Anteil an
Geländewagen. Diese Daten hat
das auf den Automobilmarkt
spezialisierte Marktforschungs-
unternehmen Dataforce für die
«NZZ am Sonntag» erhoben. Der
starken Zunahme an SUV steht
ein deutlicher Rückgang von
Vans gegenüber. Das Wachstum
der SUV kommt von kleinen
Modellen, während grosse SUV
Marktanteile verlieren.
Am grossen Geschäft mit den
kleinen SUV will auch VW ver-
dienen. Mit dem T-Roc haben
nun auch die Wolfsburger ein
«Crossover Urban Vehicle» im
Angebot, wie Mini-SUV für die
Stadt genannt werden. Der
T-Roc könnte der neue Bestseller
im VW-Konzern werden, denn
im Gegensatz zum altbackenen
Golf wirkt er modern.
Bequemer Einstieg
Zwei Drittel der privaten SUV-
Neuzulassungen in der Schweiz
sind kleine oder kompakte
Modelle. Weniger als zehn Pro-
zent entfallen auf grosse SUV.
Die Loyalitätsstatistiken von
Dataforce zeigen, dass viele
Käufer eines Mittelklasse-Pkw
zu einem Kompakt-SUV wech-
seln. Im Durchschnitt sind die
Käufer gut fünfzig Jahre alt. Sie
schätzen die hohe Sitzposition
und den bequemen Einstieg.
Insbesondere in den kleinen
Klassen steigt die Zahl der SUV.
Opel-Mokka, Audi Q2 und
Renault Capteur heissen die
Schweizer Verkaufsschlager.
Dataforce geht von einem stetig
steigenden Marktanteil dieser
Fahrzeuge aus und sagt voraus,
dass die Grenzen zwischen typi-
schem SUV, Kleinwagen, Cabrio-
let, Kombi oder Coupé weiter
verschwimmen werden.
Der T-Roc trägt ein coupéhaf-
tes Fliessheck. Es steht ihm gut,
weil es dem Auto trotz knackigen
Proportionen ein elegantes Aus-
www.kulm.com
Jeder zweite Neuwagen in der Schweiz ist ein 4×4: Der VW T-Roc Sport wird diese Quote erhöhen.
sehen gibt. Der T-Roc ist sicher
das emotionalste SUV von VW.
Dagegen wirkt der Tiguan wie
ein Spiesserauto. Es gibt den
T-Roc ausschliesslich als Vier-
türer und in den drei Ausstat-
tungsvarianten T-Roc, Advance
und Sport. Wem es gefällt, der
kann sein Auto gegen Aufpreis
kunterbunt zusammenstellen.
Das Dach ist dann in einer von
T-Roc Sport drei Kontrastfarben lackiert.
Insgesamt sind 24 Farbkombina-
Motor 4-Zylinder tionen möglich, passend dazu
Hubraum 1984 cm3 Dekoreinlagen im Innern. Sechs
Leistung 190 PS bei Motoren in drei Leistungsstufen
4180 U./min stehen zur Auswahl.
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Getriebe 7-Gang manuell Die jeweils drei Benziner und
Antrieb permanent Allrad drei Diesel haben 115, 150 oder
190 PS. Die stärkste Motorisie-
V max. 216 km/h
rung ist serienmässig mit
Sprint 7,2 s auf 100 km/h 7-Gang-Direktschaltgetriebe und
Masse L×B×H: 4234 Vierradantrieb ausgestattet.
×1992×1573 mm Letzteres ist auf dem Schweizer
Leergewicht 1495 kg Markt vorteilhaft, denn hier ist
jede zweite Neuzulassung ein
Verbrauch 8,7 l/100 km* 4×4-Fahrzeug.
CO2-Ausstoss 155 g/km Für diesen Test sind wir einen
Preis 35 650 Fr. Benziner mit 190 PS und einen
Diesel mit 150 PS gefahren. Der
*im Testbetrieb starke Benziner muss es nicht
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Engadiner Wintermärchen, 350 km Traumpisten, Skipass inklusive.
Dazu der ungezwungene Lifestyle im GaultMillau Hotel des Jahres 2018.
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sein, ein Diesel auch nicht. Daher
dürfte ein T-Roc mit 150 PS Ben-
zinmotor und Allradantrieb die
Variante sein, die wohl am meis-
ten bestellt wird.
Der T-Roc ist geringfügig
kürzer als ein Golf, etwas breiter
und höher. Rein gefühlsmässig
bietet das SUV mehr Raum. Auch
preislich liegen die Autos nahe
beieinander. Den T-Roc gibt es
ab 24 900 Franken und mit aller-
lei Fahrerassistenzsystemen und
Schnittstellen zu Smartphones.
Aussen wirkt das Auto kompakt,
innen geräumig. Der Kofferraum
hat ein beachtliches Volumen
von 445 Litern, beim Golf sind es
380 Liter. Nach Angaben von VW
sind SUV so erfolgreich, «weil sie
bei kompakten Aussenmassen
sehr dynamisch aussehen sowie
über eine hohe Funktionalität
und eine erhöhte Sitzposition
verfügen».
Im nächsten Jahr bringt
Volkswagen ein noch kleineres
SUV auf den Markt. Der T-Cross
ist dann die interne Konkurrenz
zum Polo. Das erste vollelek-
trische SUV von VW, der I.D.
Crozz, soll 2020 kommen.
Peter Ilg
Erfahrungen
Wo bleibt die Logik?
1987 wurde Werner Breit-
MERCEDES
schwerdt als Nachfolger des
legendären Hans Scherenberg
Vorstand für den Bereich Ent-
wicklung und Forschung der
Daimler-Benz AG – und 1983,
nach dem plötzlichen Tod von
Gerhard Prinz, zum Vorstands-
vorsitzenden ernannt. Ich begeg-
nete dem Ingenieur das erste
Mal im Jahr 1987. Unter Breit-
schwerdts Ägide entstand die
S-Klasse (126), die E-Klasse
(W124), der SL (R129) und als
wichtigste Neuerung der neue
«kleine» Mercedes 190 (W201).
Der nüchterne Techniker war ein
wunderbarer Gesprächspartner
– wenn es um seine Autos ging.
Und er brannte für sein Unter-
nehmen, das ihn dann 1987
jedoch vom Vorstandsvorsitz
in den Aufsichtsrat verbannte.
Breitschwerdt war dem charis-
matischen Edzard Reuter und
dem hemdsärmeligen Werner
Niefer bei deren Weg an die
Spitze zunehmend im Weg
gestanden. Dazu kam auch 1986
die etwas aus dem Ruder gelau-
fene Jubiläumsfeier anlässlich
des 100.Geburtstags des Hauses
Daimler-Benz.
Das änderte aber nichts daran,
dass Breitschwerdt ein interes-
santer Gesprächspartner war,
der – wie wenig andere Mitstrei-
ter – die von der Technik beses-
News
Das norwegische
Velo-Auto ist da
Der grüne Städter-Vorsatz
Nummer eins: Velo fahren das
ganze Jahr. Doch dann schneit
und windet es, die eisigen Stras-
sen brechen den letzten Willen
zum Velofahren im Winter. Mit
der Lösung dieses Problems hat
sich der norwegische Tüftler Per
Hassel Sørensen einen beträcht-
lichen Teil seines Lebens befasst.
Er wuchs neben einer Velofabrik
auf und hat schon als Teenager
eigene Fahrräder gebaut. Her-
ausgekommen sind Prototypen
Winter soll kommen: Podbike.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Breitschwerdt und sein liebstes
Kind: Mercedes 190, anno 1982.
sene Seele des Unternehmens
mit dem Stern perfekt verkör-
perte. Ein Aspekt, der heute, in
den Zeiten einer von Design und
Marketing beherrschten Unter-
nehmenskultur, nicht mehr ganz
so wichtig ist wie früher.
Klar, dass Breitschwerdt
«sein» Automobil mit allen Argu-
menten zu stärken versuchte –
legendär das 1979 auf der IAA
geäusserte Statement: «Wo bleibt
die Logik, wenn gleichzeitig
für Autos ein Tempolimit und
für die Bahn eine Erhöhung
der Geschwindigkeit auf über
200km/h gefordert werden, um
deren Attraktivität zu erhöhen?»
Manchmal fragt man sich, wo
heute noch die Manager zu
finden sind, die sich derart
intensiv und leidenschaftlich mit
ihrem Metier identifizieren.
Jürgen Lewandowski
von Velomobilen (Liegevelos
mit Vollverschalung), die den
Durchschnittsvelofahrer weit-
gehend kaltliessen. Der Absatz
der eiförmigen, exzentrischen
Gefährte blieb jedenfalls
bescheiden. 2010 hat Sørensen
sein eigenes E-Pedelec gebaut
und perfektioniert. Jetzt scheint
ihm der Durchbruch gelungen:
Mehrere tausend Vorbestellun-
gen hat er für sein «Podbike»,
ein schnittiges Hybrid zwischen
Elektroauto und Velo. Die Batte-
rien stellen 60 Kilometer Reich-
weite bereit, bei Bedarf lässt
sich diese auf 180 Kilometer
ausbauen. Das 80 Zentimeter
breite Podbike lässt sich hoch-
kant in eine schmale, mobile
Garage stellen und aufladen.
Einziger Nachteil gegenüber
dem Velo: Mit 60 Kilometern
pro Stunde Höchstgeschwindig-
keit darf das Gefährt nur auf
der Strasse, nicht aber auf Velo-
wegen fahren. Das Podbike wird
ab 5500 Euro erhältlich sein und
bis Ende 2018 ausgeliefert. (brk.)
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 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
57

SCIENCE PHOTO LIBRARY / GETTY IMAGES

NZZ am Sonntag: «Die Wahrscheinlichkeit
der Existenz ausserirdischen Lebens muss
als hoch angesehen werden», schrieben
Sie unlängst in einem wissenschaftlichen
Aufsatz. Ist das Ihr Ernst?
Michael Schetsche: Selbstverständlich.
Schon allein aufgrund der jüngsten
Erkenntnisse der Astrophysik und Astro-
biologie. In den letzten zwanzig Jahren
wurden sehr viele Exoplaneten entdeckt,
die – genau wie die Erde – um einen Fix-
stern kreisen. Die meisten Astrophysiker
gehen davon aus, dass es allein in unserer
Galaxie mehr als zehn Milliarden Planeten
gibt, die der Erde so ähnlich sind, dass
auf ihnen Leben in unserem Verständnis
entstanden sein könnte. Und viele Exper-
ten halten es für wahrscheinlich, dass es
an unzähligen Orten im Universum auch
tatsächlich Leben gibt.

Das Fermi-Paradoxon spricht klar gegen

intelligente Ausserirdische.
Der Grundgedanke des italienischen
Kernphysikers Enrico Fermi, auf den das
Paradoxon zurückgeht, lautet ja: Wenn es
intelligente Ausserirdische gäbe, deren
Zivilisation weiter entwickelt ist als unsere,
hätte sie längst den Kosmos erobert.
Warum haben sie uns dann nicht besucht?
Aber diese Sichtweise nimmt den Men-
schen zum alleinigen Massstab. Das Fermi-
Paradoxon ist sogar eurozentristisch.

Eurozentristisch?
Ja. Vielleicht kennen Sie die Unterschei-
dung des französischen Ethnologen Claude
Lévi-Strauss zwischen «heissen» und
«kalten» Kulturen: Kalte Kulturen, etwa
manche Stammesgesellschaften in Regen-
wäldern, orientieren sich an zyklischen
Verläufen. Sie verändern ihren Lebensraum
und ihre Lebensumstände kaum und
ziehen nicht umher. Heisse Kulturen
dagegen – insbesondere die europäische
– entdecken, erobern und kolonisieren.
Wieso sollten ausserirdische Zivilisationen
zwangsläufig heisse Kulturen sein?

Der Schweizer Bestsellerautor Erich von

Däniken behauptet, Ausserirdische hätten
der Menschheit beim Bau der ägyptischen
Pyramiden geholfen. Nehmen Sie das ernst?
Ich habe da starke Zweifel. Eine Erstel-
lung der Pyramiden ohne Unterstützung
aus dem All erscheint mir deutlich wahr-
scheinlicher. Man muss aber auch sagen:
Dass intelligente Ausserirdische vor langer
Zeit einmal auf der Erde gewesen sein
könnten, lässt sich nach heutigem Wissens-
stand nicht ausschliessen.

Physiker haben errechnet, dass sich die

Distanz von anderen Exoplaneten zur Erde
mit einem Raumschiff nicht überwinden
lässt. Der Bedarf an Energie und Zeit wäre
viel zu hoch.
Für Ausserirdische wäre ein Ausflug zu
uns vielleicht ein Kinderspiel. Sie könnten
viel raffiniertere Antriebstechniken ent-
wickelt haben als wir. Und denken Sie zum
Beispiel an Generationen-Raumschiffe:
Da könnte sich die Besatzung im Lauf der
Reise an Bord mehrmals fortpflanzen. Vor-
«Vielleicht beobachten solche Wesen uns schon lange, halten uns aber für zu uninteressant für eine Kontaktaufnahme.» ausgesetzt natürlich, dass es sich bei den

«MansollteAliens
Aliens um eine biologische Spezies handelt.

Moment. Ist Leben nicht immer biologisch?

Leben ja, Intelligenz nicht unbedingt.
Mir scheint es wahrscheinlicher, dass eines
Tages intelligente Maschinen-Wesen aus
dem All zur Erde reisen werden: von künst-
licher Intelligenz (KI) gesteuerte Roboter.

nichtanlächeln»
Vielleicht beobachten solche Wesen uns
schon lange, halten uns aber für zu uninter-
essant für eine Kontaktaufnahme. Eine
höher entwickelte Spezies landet ja nicht
unbedingt mit einem Raumschiff vor dem
Weissen Haus wie in Science-Fiction-Fil-
men. Vielleicht warten die Aliens, bis auch
wir intelligente Roboter entwickelt haben,
die uns Menschen überlegen sind.

Der deutsche Soziologieprofessor Michael Schetsche Sie glauben, dass von Menschenhand
geschaffene Maschinen-Wesen die Weltherr-
ist überzeugt, dass es ausserirdisches Leben gibt. Im Gespräch schaft übernehmen könnten?
Der Philosoph und Zukunftsforscher Nick
erklärt er, welche Konsequenzen Kontakte mit Aliens Bostrom von der Oxford University geht
davon aus, dass uns vielleicht bereits in den

für die Menschheit hätten – und wie man am besten reagiert, nächsten hundert Jahren eine künstliche
Intelligenz, die wir selbst gebaut haben, in

wenn vor der Haustüre ein Ufo landet. Interview: Till Hein vielerlei Hinsicht überflügeln wird. Viel-
leicht wären solche Maschinen-Wesen für
hochentwickelte Ausserirdische interessan-
ter. Kann gut sein, dass wir als biologische
Wesen für sie geistig zu langsam sind.

Fortsetzung Seite 59

Universitäten Leben ohne Papier Weniger Stress Diagnose

Der Nachwuchs Apps zum Scannen Wie Hormone auf Unerträglicher
ist unter Druck 60 von Dokumenten 62 das Gehirn wirken 63 Bauchschmerz 63
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Wissen 59

«Man sollte Aliens...» tisch, die Wahrscheinlichkeit, dass wir dort

CELINA ALVARADO / GETTY IMAGES

Fortsetzung von Seite 57
Wie darf man sich die Physiognomie intelli-
genter Ausserirdischer vorstellen?
Ich denke da, wie gesagt, primär an
Maschinen-Wesen. Aber am menschlichen
Körperbau orientierte Roboter, wie wir Men-
schen sie mit Vorliebe konstruieren, werden
es wohl nicht sein. Wir können uns kein rea-
listisches Bild von Ausserirdischen machen.
Selbst Artefakte von Aliens, also Dinge, die
sie gebaut haben, könnten schwer zu iden-
tifizieren sein. Deshalb haben wir 2016 das
Forschungsnetzwerk Extraterrestrische
Intelligenz gegründet, an dem Wissenschaf-
ter aus fast einem Dutzend unterschied-
lichen Disziplinen beteiligt sind. Gemeinsam
hoffen wir, realistischere Vorstellungen von
Ausserirdischen herausarbeiten zu können.
Viele Soziologen beschäftigen sich mit
handfesteren Themen wie etwa der Armuts-
forschung. Machen diese sich über Ihre Alien-
Soziologie lustig?
Nein. Der einzige Einwand, der manchmal
kommt, lautet: Könnte man Forschungs-
gelder nicht sinnvoller ausgeben?
Und? Könnte man?
Selbstverständlich sind auch andere The-
menfelder relevant. Aber es gibt Ereignisse,
die vorstellbar, aber unwahrscheinlich sind
und deshalb vernachlässigt werden. Weil sie
gewaltige Konsequenzen hätten, sollten
wir uns mit ihnen befassen – etwa mit dem
möglichen Kontakt zu Ausserirdischen!
Hoffen Sie, dass bald ein erster Marsmensch
gesichtet wird, damit Sie Ihre Forschung nicht
ständig legitimieren müssen?
Nein. Ich bin eher die Ausnahme unter
den Forschern, die sich mit Ausserirdischen
beschäftigen. Ich hoffe nicht, dass sie allzu
schnell mit uns in Kontakt treten. Ich sehe
diese Möglichkeit eher mit Besorgnis.
Ja? Der Verhaltensforscher Michael Tomasello
sagte zu dieser Zeitung kürzlich: «Eine Inva-
sion von Aliens wäre die Lösung.» Rassismus,
Nationalismus und Religionskriege würden
aufhören. Die gesamte Menschheit würde sich
gegen den äusseren Feind verbünden.
Da bin ich völlig anderer Ansicht. Schon
ein indirekter Kontakt mit Aliens würde die
Konflikte auf der Erde weiter anheizen. Stel-
len Sie sich vor, Astronauten entdeckten zum
Beispiel auf dem Mond eine rätselhafte, von
Ausserirdischen entwickelte Hochtechnolo-
gie. Grossmächte und Konzerne würden
doch alles dafür tun, dieses Objekt in ihren
Besitz zu bringen, zu erforschen und Herr-
schaftswissen zu erlangen. Allein der Streit
darüber könnte Kriege auslösen.
Wenn die Aliens selbst zur Erde kämen, liessen
sich solche Missgeschicke vielleicht vermeiden.
Und wenn die Ausserirdischen aggressiv
sind? Stellen Sie sich vor, ihre Zivilisation
wäre uns in der technischen Entwicklung
20000 Jahre voraus. Da wäre ein bewaffneter
Konflikt wie ein Kampf Godzilla gegen Bambi.
Lassen Sie uns also hoffen, dass es nicht so
schnell zu einer solchen Begegnung kommt.
Sie sind ein Pessimist.
Ich bin Realist. Selbst falls die Ausser-
irdischen freundlich sein sollten, wäre ein
Besuch von ihnen problematisch. Auf der
Erde jedenfalls lief es bei sogenannten asym-
metrischen Kulturkontakten bisher meist
nicht gut: Bei einer grossen Diskrepanz
zwischen den beiden beteiligten Kulturen
bestand immer die Tendenz, dass jene
Kultur, die sich selbst für unterlegen hielt,
Michael Schetsche
Der Soziologe und begeisterte Amateur-
astronom ist seit 2014 ausserplanmässiger
Professor am Institut für Soziologie der
Universität Freiburg i. Br. Seine Habilitation
befasste sich mit der «Wissenssoziologie
sozialer Probleme». 2002 wurde Schetsche
Forschungskoordinator am Institut für
Grenzgebiete der Psychologie und Psycho-
hygiene (IGPP) in Freiburg. Till Hein
alles idealisierte, was die andere
anschleppte. Wahrscheinlich würden wir
alles aufgeben, was uns als Menschen aus-
macht, und zu Hörigen der Aliens werden.
Gab es jemals eine Beobachtung, die seriöse
Forscher als Hinweis auf Ausserirdische
deuten?
Am 15. August 1977 nahm ein Radiotele-
skop in Ohio ein ganz kurzes, sehr starkes
Signal auf, das aus dem Sternbild Schütze
kam: das sogenannte Wow!-Signal. Bis heute
haben Astrophysiker, die die Existenz von
Aliens ausschliessen, keine Erklärung dafür.
Und in den letzten Jahren machten geheim-
nisvolle Helligkeitsschwankungen des Him-
melskörpers KIC 8462852 aus dem Sternbild
Schwan von sich reden. Auch da diskutieren
Fachleute sehr ernsthaft darüber, ob Aktivi-
täten von Ausserirdischen dahinterstecken.
Manche Astrophysiker senden Radiosignale
an potenzielle Aliens ins Universum hinaus.
Ich halte das für unklug. Vielleicht gibt es,
wie gesagt, gefährliche Ausserirdische. Und
es kann sein, dass sie uns noch nicht ent-
deckt haben. Wir sollten daher nicht einfach
ins Universum hinausschreien: «Hallo, hier
sind wir!»
Die Notwendigkeit, sich mit den Risiken von
Alien-Kontakten zu beschäftigen, sei heute
«grösser denn je», behaupten Sie. Warum?
Wir dringen bei der Erforschung des Welt-
raums immer weiter vor. Und die mensch-
lichen Aktivitäten im All werden in den
nächsten Jahren stark zunehmen, zum Bei-
spiel um Bodenschätze abzubauen. Bereits
in etwa zehn Jahren werden wahrscheinlich
erste Bergbauunternehmen im Asteroiden-
gürtel tätig sein. Dadurch steigt, rein statis-
oder an anderen Orten auf ausserirdische
Artefakte stossen. Wir sollten also dringend
Strategien entwickeln, um im Fall der Fälle
zumindest das Schlimmste zu verhindern.
Was schlagen Sie vor?
Wir brauchen verbindliche Regeln.
Nehmen wir an, Astronauten entdeckten
eine Raumsonde von Ausserirdischen. Darf
dieses Objekt auf die Erde gebracht werden?
Soll damit experimentiert werden? Oder
muss es zerstört werden? Wer darf es nutzen?
Wann soll die Bevölkerung informiert
werden? Auf alle diese Fragen müssen wir
Antworten finden. Auch für mögliche Direkt-
kontakte mit Ausserirdischen brauchten
wir dringend international anerkannte recht-
liche Grundlagen. Aber im Moment lässt sich
das auf politischer Ebene leider nur schwer
kommunizieren. Manchmal fühle ich mich
an die lange Sorglosigkeit im Umgang mit der
Kernenergie erinnert. Bei dieser Technologie
könne nichts schiefgehen, machte uns die
Atomlobby weis. Bis zur Nuklearkatastrophe
von Tschernobyl im April 1986.
Was wird aus den Weltreligionen, falls uns
tatsächlich Ausserirdische besuchen?
Im Koran gibt es einige Textstellen, die
«Erst einmal gar man so interpretieren kann, dass darin
nichts tun»: Vorsicht andere Planeten mit intelligenten Lebe-
ist geboten, wenn wesen beschrieben werden. Und polytheisti-
einem Ausser- sche Religionen wie der Hinduismus hätten
irdische begegnen. mit Aliens wohl erst recht kein grosses Pro-
blem: In ihre bunte Götterwelt könnten
Hindus solche Wesen problemlos integrie-
ren. Die christliche Religion dagegen täte
sich, denke ich, schwer. Zwar ist in der Bibel
von Engeln die Rede. Aber es würde sich die
Frage stellen: Wer wurde von Jesus Christus
erlöst? Nur wir? Oder auch die Aliens? Gab
es für die eine zweite Jesus-Figur? In jedem
Fall nehme ich an, dass durch einen Besuch
von Ausserirdischen sehr schnell neue Kulte
und Religionen entstehen würden. Viele
Menschen würden die Aliens als göttliche
Abgesandte oder Götter interpretieren.
Nehmen wir an, vor Ihrem Institut landet ein
Ufo, und ein Alien steigt aus. Sollten wir dann
um unser Leben rennen?
Nein. Ich würde raten, erst einmal gar
nichts zu tun. Denn wahrscheinlich ist dieser
Ausserirdische uns, was die technische Ent-
wicklung betrifft, Jahrtausende voraus. Nur
deshalb konnte er die riesige Entfernung zur
Viele Menschen Erde überbrücken. Vielleicht sind wir nicht
würden die einmal die erste fremde Zivilisation, die er
Aliens besucht, und er hat schon Erfahrung, wie
als göttliche man solche Begegnungen am besten gestal-
tet. Ich würde empfehlen, abzuwarten, was
Abgesandte der Alien anbietet.
oder Götter
interpretieren. Einfach freundlich lächeln?
Selbst davon würde ich abraten. Vielleicht
haben Ausserirdische ja auch ein Gebiss. Und
beim Lächeln zeigt man oft die Zähne. Das
könnte als Drohgebärde aufgefasst werden
und Aggressionen auslösen. Man sollte
Aliens besser nicht anlächeln.

Neues aus der Wissenschaft

Hunde sind cleverer
als Katzen
Endlich ist die grosse Frage ent-
schieden, die viele Tierhalter seit
langem umtreibt: Hunde sind
intelligenter als Katzen. Zu
diesem Schluss kommt ein inter-
nationales Forschungsteam,
nachdem es untersucht hat, wie
viele Nervenzellen die Gehirne
von fleischfressenden Tieren,
darunter Hunde und Katzen,
enthalten («Frontiers in Neuroa-
natomy», online). Demnach
kommen Hunde auf ungefähr
530 Millionen Neuronen, Katzen
hingegen auf knapp die Hälfte,
nämlich 250 Millionen. Die Wis-
senschafter glauben, dass beson-
ders die höhere Zahl von Ner-
venzellen in der Grosshirnrinde
die Hunde dazu befähigt, in
ihrem Leben komplexere Dinge
anzustellen und flexibler zu sein
als Katzen. Zum Vergleich: Das
Gehirn des Menschen enthält
schätzungsweise 16 Milliarden
Hirnzellen auf. (pim.)
Glatze weist auf eine
Herzerkrankung
Nicht jedem Mann ist es ver-
gönnt, mit einer Haarpracht
gesegnet zu sein wie die alt-
testamentliche Heldengestalt
Samson. Ob ein kahler Kopf ein
ästhetischer Nachteil sei oder
vielmehr als cool gilt, bleibt
umstritten. Gesundheitlich kann
eine Glatze auf ein erhöhtes
Risiko für eine Herzerkrankung
bedeuten. Das gilt auch für früh-
zeitig ergrautes Haar. Das zeigte
eine Studie der European Society
of Cardiology mit über 2000
Männern in Indien. Sie bestätigt
eine frühere Studie in Japan mit
fast 37 000 Teilnehmern. Ob
einem die Haare ausfallen oder
grau werden, lässt sich nicht
beeinflussen, jedoch kann man
durch einen gesunden Lebensstil
dem Risiko einer Gefässerkran-
kung entgegenwirken. (ruf.)
Laut lesen verbessert
die Erinnerung
Wenn der Arbeitskollege im
Grossraumbüro nebenan wieder
einmal besonders laut vor sich
her brummelt, dann kann das
ziemlich nervig sein – trotzdem
sollte man mit ihm ein wenig
nachsichtig sein, er tut es näm-
lich in besten Absichten. Psycho-
logen der kanadischen Waterloo
University haben in einer Unter-
suchung festgestellt, dass Men-
schen sich Informationen immer
dann besonders gut merken
können, wenn sie sich selbst
einen Text laut vorlesen («Mem-
ory», online). Laut den For- Die Stimme macht den mehreren Beispielen festgestellt
schern führt die Kombination Politiker aus haben. Vor seinem Hirnschlag
von Lesen und Hören eines wurden Reden des italienischen
Inhaltes dazu, dass dieser effi- Die Stimme ist für einen Politiker Lega-Politiker Umberto Bossi als
zienter im Langzeitgedächtnis entscheidend, denn es kommt enthusiastisch wahrgenommen.
eines Menschen abgespeichert nicht darauf an, was er sagt, son- Danach hatte er Mühe mit dem
wird. Die Probanden konnten dern wie er es sagt. Dabei hat die Artikulieren, was von Zuhörern
sich Informationen viel weniger Stimme erstaunliche Einflüsse, indes als weise und kompetent
gut merken, wenn sie diese nur wie französische Forscher an empfunden wurde. (pim.)
gelesen oder vorgelesen bekom-
men haben. (pim.)
Prähistorische Frauen Schluss-Strich von Nicolas Mahler
hatten starke Arme
Zentraleuropäische Frauen aus
dem frühen Neolithikum hatten
offenbar stärkere Oberarm-
knochen als heutige Spitzen-
ruderinnen. Das geht aus einer
Analyse von Forschern der Uni-
versität Cambridge hervor, die in
der Zeitschrift «Science Advan-
ces» publiziert wurde. Knochen
sind kein totes Gewebe, sondern
sie passen sich physischen Belas-
tungen an, denen sie ausgesetzt
sind. Bei den prähistorischen
Frauen waren es vermutlich die
harte Feldarbeit und das Mahlen
von Getreide über bis zu fünf
Stunden pro Tag, die den Kno-
chen zu ihrem Wachstum verhal-
fen. (hir.)
 60 Wissen Universitäten NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Soverschwenden

GAËTAN BALLY / KEYSTONE

dieUnisTalente
An der ETH Zürich musste das Institut für Astronomie schliessen, weil eine Professorin
ihre Doktoranden schikanierte. Der Fall ist krass, doch das Wissenschaftssystem der
Schweiz hat grundsätzliche Probleme: gestresste Doktoranden, Heerscharen hochqualifizierter
Forscher, die niemand braucht, und selbstherrliche Professoren. Von Patrick Imhasly

D
er Fall hat hohe Wellen
geworfen. Weil eine Profes-
sorin an der ETH Zürich
während Jahren ihre Dok-
toranden schikanierte,
sah sich die Schulleitung
gezwungen, das Institut
für Astronomie im August aufzulösen und
die Doktoranden anderen Professoren zuzu-
teilen. Selbst im renommierten Fachblatt
«Science» entbrannte darauf eine Diskussion
darüber, wo die gesunde Leistungskultur
an einer Universität aufhört und unmensch-
licher Karrieredruck anfängt. So spektakulär
dieser Fall an der ETH ist, letztlich handelt es
sich dabei um einen Auswuchs dessen, was
hinter der glänzenden Fassade des Schweizer
Hochschulsystems seit längerem weit ver-
breitet ist: Gestresste Doktoranden, Heer-
scharen von hochqualifizierten Forschern,
die niemand braucht, selbstherrliche Profes-
soren und eine Glorifizierung des Kompeti-
tionsgedankens.
Keine Frage, die Schweizer Universitäten
haben immer noch einen hervorragenden
Ruf und ziehen die besten Forscher und
hoffnungsvollsten Talente weltweit an. Sie
bieten Wissenschaftern eine erstklassige
Infrastruktur, rüsten Professoren grosszügig
mit frei verfügbaren Mitteln für ihre For-
schung aus, widmen sich selbst abgelegenen,
aber relevanten Themen wie dem Städtebau
in Asien, halten die Grundlagenforschung
hoch und die bürokratischen Vorgaben im
Vergleich zur Forschungsförderung in der EU
auf erträglichem Niveau. Und doch brodelt
es im Mittelbau: unter den Doktoranden,
den Postdocs – den temporär angestellten
wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Doktor-
titel – und den Assistenzprofessoren.
Kein Platz für die vielen Forscher
«Es ist ein Privileg, an einer Schweizer Uni-
versität arbeiten zu können, doch wir bilden
viel zu viele Doktoranden aus – das System
kann diese Forscher gar nicht aufnehmen»,
sagt eine Wissenschafterin, die anonym blei-
ben möchte. Sie hat eine jener festen Mittel-
baustellen inne, die an den hiesigen Hoch-
schulen äusserst rar sind. «Die Doktoranden
arbeiten während vier bis fünf Jahren wie die
Verrückten. Kaum haben sie den Doktortitel,
stellen sie fest, dass es an unseren Univer-
sitäten keinen Platz für sie hat.» Für die
Bedürfnisse in der Industrie sind sie nicht
selten falsch qualifiziert oder überquali-
fiziert und müssen dort Jobs annehmen,
für die ein Masterabschluss ausreicht. Die
Doktoranden betreiben Forschung, halten
die Labors am Laufen und führen Kurse
für die Studenten durch: «Ohne dieses Heer
billiger Arbeitskräfte könnten die Hochschu-
len in der Schweiz gar nicht funktionieren»,
sagt die Forscherin. Sie verstehe, dass die
Universitäten nur schon aus ökonomischen
Gründen auf diese Arbeitskräfte angewiesen
seien, «aber es ist eine grosse Lüge, den
Leuten zu sagen: ‹Mit einem Doktortitel
findet ihr auf jeden Fall einen guten Job.›»
Als noch prekärer bewertet sie die Situa-
tion der Postdocs an den Schweizer Universi-
täten, die oft aus dem Ausland rekrutiert
werden. «Da wird wissenschaftliche Arbeits-
kraft eingekauft, die dem System nützt. Die
Wahrheit aber ist, dass die wenigsten von
ihnen eine Chance haben, zu bleiben – kaum
«Ohne dieses Heer
billiger Arbeitskräfte
könnten die
Hochschulen in
der Schweiz gar nicht
funktionieren.»
sind sie da, müssen sie schon wieder gehen.» Anfang der 1960er
Trotz der qualitativ hochwertigen Forschung Jahre kamen auf
sei die Erfahrung in der Schweiz für viele einen ETH-Profes-
junge Wissenschafter am Ende enttäu- sor zwei Assisten-
schend. «Ich habe in diesem System über- ten, heute sind es
lebt, treffe aber immer wieder Forscherinnen vierzehn: Forscher
und Forscher, die leiden oder soziale Pro- in einem Reinraum
bleme haben.» an der ETH Zürich.
Als «überarbeitet und gestresst», erlebt
auch der britische Biochemiker Marc Creus
von der Universität Basel viele Forscher aus
dem Mittelbau. Seine Stelle als Leiter der
experimentellen Labors eines Bioinformatik-
professors ist befristet, was er trotzdem als
«relativ komfortable Situation» empfindet.
Denn noch hat er die Hoffnung nicht auf-
gegeben, es selbst eines Tages auf eine Pro-
fessur zu schaffen. Der Druck, möglichst
viele wissenschaftliche Publikationen zu
produzieren, sei enorm. «Junge Männer
ohne grosse soziale Bindungen werden
bevorteilt», sagt Creus. «Forscher mit Fami-
lien, vor allem Frauen, und alle, die Teilzeit
arbeiten wollen, haben es besonders schwie-
rig.» Das führe im Verlauf der wissenschaft-
lichen Karriere zu einer konservativen
Kultur, die von älteren Männern dominiert
werde. Ausserdem herrscht eine ausprägte
«The winner takes it all»-Mentalität: «Wer

Hyper-Konkurrenz bremst den wissenschaftlichen Fortschritt

Zu viel Antkare erreichte

Der Marketing-Professor Brian
Wansink von der Cornell-Univer-
sität ist ein Star der Wissen-
Kampf an
schaft. Doch inzwischen läuft es
nicht mehr so gut für den For-
scher. Allein dieses Jahr musste
den Unis
er vier Veröffentlichungen
widerrufen. Besonders stossend
ist der jüngste Fall von dieser
Woche: Für die Aussagen in
einer im letzten Jahr publizier-
ten Studie gebe es «keine empiri-
schen Beweise», urteilt die
betroffene Fachzeitschrift «Fron-
tiers in Psychology».
Natürlich ist Brians Wansinks
Geschichte aussergewöhnlich.
Sie ist aber auch symptomatisch
für eine Fehlentwicklung in der
Wissenschaft. Die Zahl der Hoch-
schulabsolventen übertrifft bei
weitem diejenige der verfügba-
ren akademischen Positionen an
den Hochschulen. Die Konkur-
renz unter den Nachwuchs-
forschern habe deshalb ein
schädliches Mass erreicht, sagen
viele Kritiker.
Die Qualität der Studien
nimmt ab, ihre Quantität
dagegen wächst exponentiell:
Etwa alle 9 Jahre verdoppelt sich
die Anzahl der Veröffentlichun-
gen – weil es mehr Forscher gibt
und vor allem, weil sie ihre For-
schungsergebnisse auf möglichst
viele Publikationen verteilen,
um in den Forscherrankings
aufzusteigen. In einigen Feldern
der Wissenschaft ist die Qualität
der Publikationen so schlecht,
dass sich nur noch ein Viertel
reproduzieren lässt.
Die «Hyperkonkurrenz» führt
laut Marc Edwards und Sidd-
harta Roy von der Hochschule
Virginia Tech zu einem Produkti-
vitätsverlust der Wissenschaft
(«Environ. Eng. Sci.», Bd. 34,
S. 51). Denn um nicht den
Anschluss zu verlieren, werden
Studien und neue Förderanträge
geschrieben statt zu forschen.
Das Wissenschaftssystem ziehe
deshalb Charaktere an, die nicht
intrinsisch motiviert seien, son-
dern die eine akademische Kar-
riere machen wollten. Bisweilen
veröffentlichen sie mangelhafte
einen H-Index 94. Ergebnisse oder frisieren sogar
Albert Einstein
die Daten. Dadurch werden För-
kam gerade dergelder verpulvert und öffent-
liches Vertrauen in die Wissen-
einmal auf 84.
schaft zerstört.
Befördert wird dieses dys-
funktionale System durch quan-
titative Massstäbe, mit denen
der Erfolg von Forschern gemes-
sen wird. Einer der wichtigsten
ist der sogenannte H-Index. Er
fasst zusammen, wie viele Stu-
dien ein Wissenschafter publi-
ziert hat und wie oft sie zitiert
werden. Letzteres soll gewähr-
leisten, dass nur vielbeachtete
und relevante Arbeiten berück-
 61

eine Professur erreicht hat, der hat Macht fehlt», erklärt Marc Creus. Das Wissen- versucht sie, mit einem weiteren Postdoc «Statt Nachwuchs
CHRISTIAN FLIERL

und Ressourcen.» Weiter unten in der pyra-
midalen akademischen Struktur sieht es
anders aus: «Was für eine Verschwendung
von Talent, wenn jemand zwei Postdocs
absolviert hat, in seinem Fachgebiet hoch-
spezialisiert ist und feststellen muss, dass
er keine Chance hat», sagt Marc Creus.
Dialog wird nicht belohnt
Der Umgang mit Jobunsicherheit und eine
unausgewogene Work-Life-Balance sind das
eine, Wissenschafter im Mittelbau der Uni-
versitäten haben auch damit zu kämpfen,
dass sie Aufgaben verrichten müssen, für
die sie nicht ausgebildet wurden. An manch
einer Universität ist es zum Beispiel gang
und gäbe, dass man den Verwaltungsauf-
wand niedrig hält, indem man die Studien-
beratung den Postdocs überlässt. Hinzu
kommt, dass im akademischen Milieu die
Erfüllung jener Aufgaben kaum belohnt
wird, welche die Gesellschaft mit einem
gewissen Recht von einem staatlich besolde-
ten Wissenschafter erwartet: Kommunika-
tion und Dialog. «Mit einem Journalisten zu
reden und ihm meine Arbeit zu erklären oder
eine Schule zu besuchen, ist spannend – aber
es frisst Zeit, die mir bei meiner Forschung
Zu viel Konkurrenz
Produktivität in der Wissenschaft
Optimum
wissenschaftliche Produktivität
schaftssystem bestraft solche Anstrengun- am Weizmann-Institut in Israel ihre wissen-
gen eher noch. Als sich vor ein paar Jahren schaftliche Karriere in Schwung zu bringen.
auszubilden, schnitzen
dreissig junge Chemiker zu einem Gedan- Inzwischen wehren sich immer mehr zu viele Professoren
kenaustausch in Bern trafen, riet ihnen der
Genfer Biochemieprofessor Howard Riezman
junge Forscher gegen die falschen Anreize
in der Welt der Wissenschaft. Anfang dieses
an ihrem eigenen
laut einem Bericht im Fachblatt «Chimia», Jahres haben sich 200 von ihnen in Bern Monument – das ist eine
nicht zu viel Zeit für Aktivitäten ausserhalb getroffen, um über die Missstände zu disku- schlimme Attitüde.»
der Forschungsarbeit aufzuwenden – wer tieren. Ein paar, unter ihnen Adria LeBoeuf,
sich eine Reputation als Wissenschafter auf- haben im Nachgang in einem Paper Ideen
bauen wolle, solle seine Energie besser in die entwickelt, wie die Berufsaussichten von zu viele Professoren lieber an ihrem eigenen
Erarbeitung von Publikationen stecken. «Wenn wir so wei- Doktoranden verbessert werden könnten. Monument – das ist eine schlimme Attitüde.»
«Alle reden darüber, wie wichtig die Kom- termachen, zerfällt, So schlagen sie zum Beispiel vor, dass man Etablierte Forscher und insbesondere die
munikation über die Grenzen des eigenen was wir gewonnen Doktoranden an den Universitäten nicht nur Inhaber von Lehrstühlen nähmen sich oft
Fachgebietes hinaus ist, aber wenn man sich haben»: Marcel wissenschaftlich ausbildet, sondern auch zu wichtig und hätten zu viel Macht. «Dabei
darum bemüht, wird das wenig geschätzt», Tanner, Präsident Fähigkeiten gefördert werden, die in der ist die Förderung des Nachwuchses der wohl
erklärt die amerikanische Biologin Adria der Akademie Industrie gefragt sind, wie etwa das Projekt- wichtigste Indikator für gute Forschung.»
LeBoeuf. In ihrem ersten Postdoc an der der Naturwissen- management. Praktika ausserhalb der Unis Ausdruck dieser Misere sind auch die struk-
Universität Lausanne erforschte sie die Evo- schaften. sollen die Wissenschafter zusätzlich fit für turellen Bedingungen: Wenn an der ETH
lution des Sozialverhaltens von Ameisen. den Arbeitsmarkt machen. Zürich 1962 auf eine Professor zwei Assisten-
Gleichzeitig gründete sie mit andern zusam- ten kamen, lag dieses Verhältnis im Jahr
men das Theaterprojekt «The Catalyst», Das neue Benchmark-Denken 2014 bei eins zu vierzehn.
das wissenschaftliche Inhalte mit den Aus- «Die Spannungen an den Universitäten Marcel Tanner stört sich zudem an einer
drucksmitteln der Kunst verbindet und haben auch mit dem Wandel der Wissen- Verklärung des Wettbewerbsgedankens an
zum Beispiel Science-Slams organisiert. schaftskultur zu tun», erklärt Stéphanie den Universitäten: «Setzt ein Professor zwei
Während ihre wissenschaftlichen Publikatio- Girardclos. Die Erdwissenschafterin forscht Postdocs auf das gleiche Problem an, nur
nen internationale Beachtung fanden, wurde und lehrt als festangestellte Maître d’en- um zu schauen, wer ihm die bessere Lösung
das Theaterprojekt an der Universität Lau- seignement et de recherche an der Univer- liefert, dann kann man nur sagen: Das ist ein
sanne kaum zur Kenntnis genommen. Jetzt sität Genf. Früher seien die Hochschulen dummer Auswuchs.» Die Dozenten hätten
Horte des reinen Wissens gewesen, nach ein Coaching dringender nötig als die Dokto-
dem Zweiten Weltkrieg seien sie zu Fabriken randen. «Die Probleme an den Schweizer
geworden, in denen sozusagen nach indus- Hochschulen sind inzwischen gross. Wenn
triellen Massstäben mess- und anwendbares wir so weitermachen wie bisher, zerfällt das,
Wissen produziert worden sei. «Heute sind was wir gewonnen haben», sagt der Basler
die Universitäten zusätzlich vom Bench- Epidemiologe.
sichtigt werden. Ein H-Index von Dieser Fall demonstriert, wie mark-Denken der Finanzwelt beherrscht», so Doch wie lässt sich die Situation des Mit-
21 bedeutet zum Beispiel, dass einfach sich die Messmethoden die Forscherin. «Die Leute an den Hochschu- telbaus in der Schweiz nachhaltig verbes-
ein Forscher 21 Studien vorzu- manipulieren lassen. So dreist len sind verunsichert und wissen nicht mehr, sern? «Es braucht mehr und kleinere Profes-
weisen hat, die mindestens wie der fiktive Antkare gehen wofür sie mit ihrer Arbeit stehen.» suren. Das verbessert das Betreuungsver-
21-mal zitiert wurden. Wissenschafter nicht vor. Trick- Marcel Tanner, Präsident der Akademie hältnis für die Doktoranden und verschafft

Der Publikationszwang
führt zu mehr Fehlern
und zu Fehlverhalten.
Dadurch sinkt die
Produktivität der
Wissenschaft.
Anzahl Publikationen
Quelle: «Env. Eng. Science», Bd. 34, 2017
Wie alle quantitativen Mass-
stäbe kann aber auch der
H-Index manipuliert werden.
Das hat der Computerwissen-
schafter Cyril Labbé aus Greno-
ble demonstriert. Er erfand
einen Autor namens Ike Antkare,
den er 102 Fake-Publikationen
veröffentlichen liess (sinnlose
Texte, die von einem Algorith-
mus generiert wurden). Antkare
erreichte einen hervorragenden
H-Index 94. Albert Einstein kam
gerade einmal auf 84.
sen aber gehört zum Geschäft,
etwa indem man häppchenweise
publiziert und bei jeder Gelegen-
heit seine eigenen Publikationen
zitiert – auch wenn es inhaltlich
nicht gerechtfertigt ist. Des-
wegen sind die die quantitativen
Rankings laut Edwards und Roy
irreführend oder sogar kontra-
produktiv. Oder in den Worten
des Ökonomen Charles Good-
hart: «Wenn ein Massstab zum
Ziel wird, hört er auf ein Mass-
stab zu sein.» Andreas Hirstein
der Naturwissenschaften (SCNAT) ist über-
zeugt, dass «drei Freuden zu einer Forschung
führen, die der Gesellschaft verpflichtet ist:
die Freude, zu entdecken, die Freude über
die Lehre oder den Kontakt mit der Öffent-
lichkeit zu teilen, sowie die Freude, Erforsch-
tes und Validiertes auch umzusetzen.»
Leider gehe dieses Denken heute verloren,
sagt Tanner. Der ehemalige Direktor des
Schweizerischen Tropen- und Public-Health-
Instituts in Basel macht für diese Entwick-
lung vor allem mangelndes Mentoring durch
die Professoren verantwortlich. «Statt enga-
gierten Nachwuchs auszubilden, schnitzen
dem Mittelbau Perspektiven», sagt der Histo-
riker Caspar Hirschi von der Universität
St.Gallen, der sich seit Jahren mit der Förde-
rung des wissenschaftlichen Nachwuchses
beschäftigt. In keinem Land der Welt werden
bezogen auf die Bevölkerung so viele Dokto-
randen ausgebildet wie in der Schweiz. Hir-
schi plädiert deshalb auch dafür, die Zahl der
Doktoranden an den hiesigen Universitäten
massiv zu verringern: «Wir sollten weniger
Leute promovieren und gleich nach der
Promotion härter selektionieren. So geben
wir denen, die an der Uni bleiben, eine echte
Karrierechance.»
Computer&Technik
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Leben ohne Papier

Mit den richtigen Apps wird das Smartphone zum praktischen Dokumenten- und Fotoscanner.
Gedruckte Texte erkennt die Software sogar automatisch. Von Henning Steier

D
as Schreiben vom Steuer- Dokument wird in der Adobe Document Allerdings erhalten nur Nutzer von Dropbox

GETTY IMAGES
amt, den Spesenrapport Cloud abgelegt. Man sollte das im Hinterkopf Business für ihre Scans eine Suchfunktion.
oder die Restaurantrech- behalten, wenn man Dateien hochlädt. Ein wichtiger Unterschied zwischen Office
nung kann man natürlich in Dementsprechend lässt sich Adobe Scan nur Lens und Adobe Scan: Mit erstgenannter
Papierform abheften. Das nutzen, wenn man eine Adobe ID hat. App lassen sich auch Fotos digitalisieren.
füllt aber über Jahre viele Auch diese ist kostenlos. Die fotografierten Bei Bildern noch besser ist die spezialisierte
Ordner, und wer später ein Dokumente kann man auch per Smartphone App Fotoscanner von Google. Diese Software
Dokument sucht, wünscht es sich oft in digi- versenden. Die App ist werbefrei, und die kann sogar Spiegelungen auf den Vorlagen
taler Form, um es schneller finden und ver- Texterkennung erstklassig. eliminieren. Mitunter kommt es allerdings
senden zu können. Das Einlesen per Flach- zu Unsauberkeiten, sogenannten Stitching-
bett-Scanner dauert allerdings lang und ist Handschrift erkennen Effekten. Ohnehin sind die gescannten
mühselig. Schneller und leichter geht das Wünschenswert wäre eine App, die auch Bilder mit einer Auflösung von fünf Mega-
Scannen mit dem Smartphone und einer Handschriften und nicht nur ausgedruckte pixeln oft nicht so scharf wie das Original.
passenden App von der Hand. Dokumente erkennen kann. Diese Funktion
Seit kurzem mischt auf diesem Feld auch bietet die App Office Lens von Microsoft. Auch ohne Google-Konto
der wohl bekannteste Bildbearbeitungsspe- Allerdings arbeitet die Software nach wie vor Weiterer Nachbesserungsbedarf: Es wäre
zialist mit: Adobe hat seine kostenlose Appli- nicht besonders zuverlässig. Office Lens ist praktisch, Bildangaben hinzufügen zu
kation Adobe Scan herausgebracht. Es gibt schon seit 2015 verfügbar und ebenfalls kos- können, also etwa den Aufnahmeort. Positiv
sie für iOS und Android. Die App verwendet tenlos. Die App liefert bei Ausdrucken ähn- fiel im Test auf, dass man kein Google-Konto
die Kamera des Smartphones, um Doku- lich gute Ergebnisse wie Adobe Scan. Sollen braucht, um die App nutzen zu können.
mente zu erkennen und einzuscannen. Der bei letztgenannter App das Adobe-Format Und kostenpflichtige Fotoscanner-Apps wie
Nutzer erhält nach wenigen Sekunden eine PDF, die Adobe Document Cloud und die Photomyne lieferten im Kurztest auch keine
durchsuchbare PDF-Datei, aus der Texte obligatorische Adobe ID Nutzer den Nutzer direkt in PowerPoint-Präsentationen Handys können nennenswert besseren Ergebnisse.
markiert und kopiert werden können. Das an das Unternehmen binden, ist es bei Micro- bearbeiten und einbauen zu können. einen grossen Scan- Natürlich hat auch Google nichts zu ver-
Programm nutzt dabei Optical Character soft zum Beispiel die Möglichkeit, die Texte Und was bieten kostenpflichtige Apps wie ner ersetzen. schenken. Nicht zuletzt soll die Fotoscanner-
Recognition (OCR), um Buchstaben und gescannter Bilder nur in Word bearbeiten Scanner Pro von Readdle zusätzlich? Nutzer App Anwender an Googles Dienst Fotos
Symbole zu erkennen. beziehungsweise fotografierte Whiteboards können hier beispielsweise Workflows defi- heranführen. Dieser lockt zudem mit unlimi-
Adobe Scan verwendet zur schnelleren nieren, also etwa die erstellten Dateien auto- tiertem Cloud-Speicherplatz für Aufnahmen
Verarbeitung der Daten den Adobe-Dienst matisch auf einen Netzwerkspeicher kopie- mit einer Auflösung von bis zu 16 Megapixeln
Sensei, der auf maschinelles Lernen ausge- Bei Bildern noch besser ren. Apropos Speicher: Die Apps von Cloud- und Videos mit maximal «Full HD»-Auf-
richtet ist. Weil Sensei wie viele Systeme Diensten bieten mittlerweile auch Scan- lösung. Google behält sich allerdings aus-
dieser Art in der Cloud läuft, muss das Handy
ist die App Fotoscanner Funktionen: So können Anwender etwa mit drücklich das Recht vor, die hochgeladenen
mit dem Internet verbunden sein. Die Tech- von Google. Diese der Dropbox-Applikation fotografierte Noti- Dateien anonymisiert zum maschinellen
nologie erkennt die Ränder der fotografier-
ten Dokumente und schärft die Darstellung.
Software kann sogar zen als PDF-Dokumente speichern. Der Scan-
ner kann auch mehrere abgelichtete Notizen
Lernen einzusetzen. Nicht nur deshalb gilt
– wie bei jedem Cloud-Dienst –, dass man
Mit der App kann man mehrere Fotos zu Spiegelungen auf den zu einem Dokument zusammenführen. Die nicht jeden privaten Schnappschuss in die
einem PDF zusammenfügen. Das gescannte Vorlagen eliminieren. Fotos lassen sich zuschneiden und drehen. Datenwolke hochladen sollte.

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Mensch& Medizin
Hormonebeeinflussen
dasGehirn
Die Hormonersatztherapie soll die geistige Leistungsfähigkeit von Frauen in den
Wechseljahren verbessern. Das besagt eine neue Studie. Von Felicitas Witte
H
ormon-Medikamente sollen jetzt
auch die Hirnleistung in den Wech-
seljahren verbessern, und zwar die
des Arbeitsgedächtnisses. Dieses
braucht man zum Beispiel, um ohne Ein-
kaufsliste die Zutaten für ein Abendessen für
acht Gäste einzukaufen oder damit man sich
am Ende eines Satzes noch an den Anfang
erinnern kann. Stress stört das Arbeitsge-
dächtnis, aber Östrogene sollen einen gewis-
sen Schutz vor atressbedingten Beeinträchti-
gungen bieten. Das jedenfalls sagt eine neue
Studie, die Anfang November publiziert
wurde («Journal of Clinical Endocrinology
and Metabolism»).
Die Hälfte der 42 Studienteilnehmerinnen
hatte fünf Jahre lang Östrogene genommen,
die übrigen Patientinnen Placebo-Präparate.
Alle sollten ihre Hände drei Minuten in Eis-
wasser halten, was eine Stressreaktion aus-
löst. Zwanzig Minuten danach sollten die
Frauen Tests für das Arbeitsgedächtnis
machen, etwa, indem sie sich Wörter merken
oder bei bestimmten Sätzen sagen sollten,
ob sie sinnvoll sind. Nach dem Eiswasser-
Bad schnitten die Frauen mit Placebo in
den Tests schlechter ab, während diejenigen
mit Hormonen ähnlich gute Resultate erziel-
ten wie nach einem warmen Handbad, das
keinen Stress auslöste.
Stressresistenz
Gregor Hasler, Chef-Psychiater der Univer-
sität Bern, beurteilt die Studie kritisch: «Es
mag einzelne Frauen geben, die sich mit
Hormonen besser konzentrieren können
und nicht so unter Stimmungsschwankun-
gen leiden», sagt er. «Aber wir haben bis
jetzt keine Hinweise darauf, dass Hormone
stressresistenter machen.»
Schon seit längerem versuchen Ärzte, zu
verstehen, wie sich eine Hormontherapie auf
Hirnfunktionen auswirkt. Die Studien schei-
nen sich zu widersprechen: Bei manchen
besserten die Hormone die Hirnfunktion, in
anderen Untersuchungen zeigen sich keine
Veränderungen.
Bei Frauen, die erst mit 65 Jahren mit der
Therapie begannen, wirkten sich die Hor-
mone sogar negativ auf das Gedächtnis aus.
Eine Erklärung für diese Effekte könnte die
Hirndurchblutung sein. «Östrogene ver-
zögern die Bildung von arteriosklerotischen
Plaques, wodurch die Gefässe besser durch-
blutet werden», erklärt Bruno Imthurn, Hor-
monspezialist in der Frauenklinik am Uni-
versitätsspital Zürich. «Das betrifft auch die
Durchblutung des Gehirns.» Bei älteren
Frauen finden sich oft schon Arteriosklerose-
Hitzewallungen vermeiden
Nach einer Krebserkrankung
kommen manche Frauen
verfrüht in die Wechseljahre.
Gegen unangenehme Begleit-
erscheinungen sollten sie
keine Hormone einnehmen
Frauen, die eine Brustkrebserkrankung
durchlebt haben, kommen oft früher in die
Wechseljahre, weil die Chemotherapie ihre
Eierstöcke schädigt. Zum anderen haben
sie häufiger Beschwerden. Jede zweite hat
Hitzewallungen – bei Frauen ohne Krebs und
Chemotherapie ist es nur jede fünfte. Nach
einer Chemotherapie haben die Patientinnen
auch öfter eine trockene Scheide, Schlaf-
störungen oder depressive Verstimmungen.
«Die Frauen leiden oft ziemlich», sagt Bruno
Imthurn, Hormonexperte in der Frauen-
klinik am Unispital Zürich. «Sie nehmen
aber meist keine Medikamente, weil sie
Angst haben, dass der Krebs wiederkommt.»
Diese Angst ist zum Teil begründet. Hor-
mone, die normalerweise bei schweren
Wechseljahrbeschwerden gut helfen, sollten
Hormone können die Durchblutung des Gehirns fördern.
Plaques in den Wänden der Blutgefässe.
«Beginnt man dann erst mit der Therapie,
bieten die Östrogene keinen Schutz mehr. Im
Gegenteil können sich dann durch die Hor-
mone Plaques lösen und die Blutgefässe im
Hirn oder Herzen verstopfen.»
Umstrittene Therapie
Es gibt allerdings auch Frauen mit natürlich
eingetretener Menopause, die frühzeitig
Östrogene eingenommen hatten und bei
denen sich die Hirnfunktion nicht gebessert
hat. «Die Hirnfunktion hängt eben nicht
nur von der Durchblutung des Gehirns ab.
Deshalb sind die Studien bis jetzt wider-
sprüchlich», sagt Imthurn. «Man sollte eine
Hormontherapie nicht beginnen, nur um
damit einem Abbau der Hirnfunktion vorzu-
beugen oder eine Demenz zu verhindern»,
rät der Zürcher Mediziner.
Die Hormonersatztherapie war aus ande-
ren Gründen vor einigen Jahren in Verruf
geraten. Als 2012 die Ergebnisse der langjäh-
rigen Studie «Women’s Health Initiative»
(WHI) mit mehr als 25 000 Frauen veröffent-
licht wurden, setzten viele Patientinnen die
5
Frauen nach einer Brustkrebserkrankung
nicht nehmen, weil sie möglicherweise das
Risiko für einen Rückfall erhöhen. «Es gibt
aber gute Alternativen», sagt Christian Egar- Min.
ter, Chef der Abteilung für gynäkologische
Endokrinologie an der Uniklinik in Wien. oder kürzer dauern
Um wirksame Präparate zu finden, habe man Hitzewallungen
sich aber erst einmal klarmachen müssen, typischerweise
wie die Hitzewallungen entstehen. Durch an. Häufig treten
den Abfall der Östrogene verändert sich die sie in der zweiten
Konzentration der Botenstoffe Noradrenalin Tageshälfte oder
und Serotonin im Gehirn. «Dadurch gerät nachts auf. Manche
offenbar das Temperaturkontrollsystem Frauen leiden viele
im Gehirn durcheinander und reagiert über- Jahre darunter.
schiessend», erklärt Egarter. Ausserdem
lösen schon geringste Abweichungen von
der «Soll-Temperatur» Hitzewallungen oder
Kältegefühle aus. Selektive Serotonin- oder
Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
(SSRI oder SNRI) erhöhen die Konzentration
von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn.
Bei den meisten Frauen sind die Hitze-
wallungen damit nur noch halb so schlimm.
«Ausserdem schlägt man zwei Fliegen mit
einer Klappe», sagt Gregor Hasler, Chef-
Psychiater an der Universität Bern. «Denn
die Medikamente bessern auch gleichzeitig
depressive Verstimmungen.»
Schon seit längerem
versuchen Ärzte, zu
verstehen, wie sich eine
Hormontherapie
auf die Hirnfunktionen
von Frauen auswirkt.
Hormon-Präparate ab. Diejenigen, die Hor-
mone eingenommen hatten, waren nämlich
häufiger an Herzinfarkt, Schlaganfall und
Thrombose erkrankt. «Bei der Auswertung
hat man damals alle Frauen in einen Topf
geworfen», sagt Christian Egarter, Gynäko-
loge am Unispital in Wien. «Heute wissen
wir, dass diese Risiken nur für bestimmte
Frauen gelten. Bei frühem Beginn ist die
Therapie wirksam und sicher», sagt der
Mediziner. Frauen, die sehr unter Hitze-
wallungen, Schlaflosigkeit oder einer trocke-
nen Scheide leiden (vgl. Text unten), könn-
ten sehr von den Hormonen profitieren, sagt
Egarter. «Man darf aber nicht darauf hoffen,
dass man damit geistig fitter wird.»
Bei pflanzlichen Präparaten wie Trauben-
Silberkerze, Rotklee oder Johanniskraut sei
nicht klar belegt, dass sie wirken, sagt Chris-
tian Egarter. Abgesehen davon wirken diese
Substanzen am Östrogen-Rezeptor, und es
ist nicht auszuschliessen, dass sie auch das
Brustkrebsrisiko erhöhen.
Bei trockener Scheide kann die Frau Vagi-
nal-Crèmes einsetzen. Bei Östrogen-Crèmes
ist dagegen nicht klar, ob sie das Risiko für
einen Rückfall erhöhen. Eine Alternative
könnte eine Lasertherapie der Scheide sein.
Die amerikanische Gynäkologengesellschaft
spricht sich aber gegen diese Therapie aus,
weil es noch nicht genügend Daten zur
Sicherheit gebe.
«Viel unproblematischer ist es, seinen
Lebensstil zu ändern», sagt Bruno Imthurn.
Die Raumtemperatur herunterstellen, sich
nach dem Zwiebelprinzip kleiden, Auslöser
für Hitzewallungen wie scharfes Essen oder
Stress meiden: All das kann helfen. Körper-
liche Bewegung kann Wallungen reduzieren,
ebenso, wenn man das Körpergewicht redu-
ziert. «Auch mit Stressmanagement, Ent-
spannungstechniken, Yoga oder Hypnose
werden die Beschwerden erträglicher», sagt
Psychiater Hasler. Felicitas Witte
63
Phantom im
Bauch
Diagnose
Andrea Six
D
as kann einfach nicht sein.
Die 42-Jährige hält sich den
Bauch, der so unerträglich
schmerzt. Genauso hatte es
sich vor neun Monaten
angefühlt. Damals hatte sie
an einer Blinddarmentzündung gelitten,
die sofort operiert wurde. Wieso muss sie
jetzt wieder diese Qualen durchleiden?
Hat sie Phantomschmerzen an einem
Organ, das längst nicht mehr da ist?
Beunruhigt trifft die Frau im Spital ein.
Zunächst schicken die Mediziner eine
Blutprobe ins Labor. Während man auf
die Ergebnisse wartet, berichtet die
Patientin, dass der Schmerz in der Nabel-
gegend begonnen habe und jetzt tiefer
gerutscht und rechts im Unterleib spürbar
sei. Fieber hat sie nicht, aber immer
wieder wird sie von Übelkeit geplagt.
Als die Testergebnisse eintreffen,
rundet sich das Bild ab: Eigentlich weist
alles auf eine Blinddarmentzündung hin.
Wenn nur das Organ, das offenbar betrof-
fen ist, noch vorhanden wäre. Schliesslich
war bei der Standardprozedur der entzün-
dete Teil des Blinddarms, der sogenannte
Wurmfortsatz, herausgeschnitten
worden.
Eine Computertomografie mit Kon-
trastmittel soll nun einen Einblick in die
schmerzende Bauchgegend erlauben. Die
Bilder zeigen, dass die Frau überraschen-
derweise tatsächlich an einer zweiten
Blinddarmentzündung leidet: Während
der ersten Operation war ein winziger Teil
des Wurmfortsatzes übrig geblieben. Wo
das etwa zehn Zentimeter lange Anhäng-
sel in den Blinddarm übergeht, hatten die
Chirurgen einen kleinen Geweberand
stehenlassen. Dieser Rest war mit der Zeit
erneut von einer Entzündung ergriffen
worden, die sich bereits auf das umlie-
gende Gewebe ausgebreitet hat. Eine der-
artige Stumpf-Appendizitis ist selten,
führt aber zu den gleichen Beschwerden
wie die ursprüngliche Erkrankung. Mit
einem zweiten Eingriff kann die 42-Jäh-
rige endgültig von ihren Schmerzen
befreit werden.
Quelle: «International Journal of Case
Reports and Images», 2017, Bd. 8, S. 597.
News
Wie Herzzellen in Zukunft
heilen könnten
Geschädigte Herzmuskelzellen (Bild unten)
können nach einer Beschädigung nicht
wiederhergestellt werden. Darunter leidet
die Pumpleistung des Herzens nach einem
Infarkt. Wissenschafter der Universität
Pennsylvania haben jetzt ein injizierbares
Gel entwickelt, dass die Erholung des Herz-
muskels ermöglichen soll. Das Gel dient als
Transportmedium für den Wirkstoff und
wurde jetzt in einem Tierversuch mit
Mäusen erfolgreich getestet. (hir.)
80
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Familienoper von Jörn Arnecke für
Kinder ab 8 Jahren. 19.00, Nussknacker
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SHOWTIME
Bridgette Bird (Frankie Shaw) verkörpert in «SMILF» die moderne Serienheldin.
Mütter
stehen zu
ihrer Lust
Neue Serien wie «Better Things» und «SMILF»
zeigen Mütter von heute: Unvollkommen
zwar und in Alltagskämpfe verwickelt, aber
selbstbestimmt. Von Murièle Weber
M
ütter sind die asexu­
ellsten Kreaturen auf
Gottes weitem Plane­
ten. Ironischerweise,
denn der Storch hat
die Kinder nicht
gebracht. Trotzdem
hält sich in unserer Kultur der Archetypus
der jungfräulichen Maria, die ihre Indivi­
dualität und Sexualität aufgibt, um in der
Mutterrolle aufzugehen.
Hollywoodfilme wie «The Graduate»
(1967), «American Pie» (1999) und «Bad
Moms» (2016) haben die Mutter zwar
sexualisiert, aber immer aus der Sicht eines
männlichen hormongesteuerten Teenagers
zum hemmungslosen Sexobjekt stilisiert.
Das ist quasi ein moderner Twist der Oedi­
pus­Saga: Die Mutter des Freundes ist so
erotisch, dass der Jugendliche gar nicht
anders kann, als ihren Reizen zu erliegen.
Selbstbestimmte weibliche Sexualität sieht
anders aus.
Am Vater liegt es nie
Andererseits wird die Mutter gerne als
Quell allen Übels eruiert. Läuft mit dem
Nachwuchs etwas schief, gilt die allgemein­
gültige Prämisse: «Cherchez la femme». Die
Künstlerin Cao Fei
Neuer Blick auf
Chinas Wandel 67
FX
Serie «Mindhunter», in der es um die psycho­
logische Analyse von Serienmördern geht,
kommt zum Schluss, dass hinter jedem
psychopathischen Mörder eine fehlerhafte
Mutter steht. Am Vater liegt es nie.
Zwischen diesen beiden extremen Polen
tut etwas mütterlicher Alltag not. Hier
setzen die beiden Serien «SMILF» und
«Better Things» ein. Beide wurden von
Müttern konzipiert und umgesetzt. Denn
während das Kino noch immer hauptsäch­
lich die männliche Sicht zeigt, ist das Fern­
sehen ein Frauenmedium. Von Anfang an
waren Frauen nicht nur inhaltlich in Serien
und Seifenopern prominent, sondern auch
hinter der Kamera, als Regisseurinnen, Auto­
rinnen und Produzentinnen. Mit Serien wie
«Girls» begann das Zeitalter der Alleskönne­
rin: der Frau, die ihre eigene Serie schreibt,
Regie führt und die Hauptrolle spielt, um
semi­autobiografische Geschichten zu erzäh­
len. Während lange junge Frauen im Mittel­
punkt standen, erobern nun die Mütter
dieses Terrain.
In einer Szene in «SMILF» («Single Mother
I’d Like to Fuck») sieht man die Protagonis­
tin Bridgette (Frankie Shaw) mit Kind vor
einem Wandgemälde von Maria mit Jesus­
kind im Arm stehen. Jemand hat Madonna
Geschenktipps
Die Kulturredaktion
empfiehlt 68
Samantha (Pamela Adlon) schockiert in «Better Things» ihre Kinder.
Als es sich Bridgette
endlich erlaubt, mit
einem Mann für ein
Wochenende zu
verreisen, laufen ihre
Töchter Sturm.
zwei unproportionale Brüste aufsprayt. Das
ist es, was diese Serien machen, sie über­
schreiten gerade die Vorstellungen von Mut­
terschaft mit selbstbestimmter Sexualität,
ganz viel Dreistigkeit und Mut zur Unvoll­
kommenheit.
Kein Sex seit der Geburt des Kindes
Bridgette ist nicht perfekt. Sie lässt ihren
zweijährigen Sohn auch mal kurz alleine in
der Wohnung zurück, um zum nächsten
Laden zu rennen und sich mit Junkfood ein­
zudecken. Als sie dort einen alten Bekannten
trifft, reagiert dieser auf die Neuigkeit ihrer
Elternschaft erstaunt: «Du bist jemandes
Mami. Das ist total verrückt.» Der Einladung
zum Sex bei ihr folgt er dann trotzdem
sofort. Für Bridgette ist das eine grosse
Sache, denn seit der Geburt des Kindes hatte
Zürcher Comeback Weihnachtsmarkt
Christoph Marthaler Warum wir lästern
im «Pfauen» 71 und doch gehen 71
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
65
sie keinen Sex mehr. Sie will sich vor allem
selber davon überzeugen, dass mit ihrem
Körper noch alles stimmt.
Während Bridgette ihre Alltagskämpfe
um Kind und gegen Armut im Arbeiter­
viertel South Boston austrägt, hat auch
Samantha (Pamela Adlon) in ihrer Villa in
Los Angeles ihre Mühe mit der Mutterrolle.
Als sie es sich endlich erlaubt, einer auf­
keimenden Romanze eine Chance zu geben
und mit einem Mann für ein Wochenende
zu verreisen, laufen ihre Töchter Sturm.
Denn auf die Frage, ob sie in ihrer Abwe­
senheit eine Party feiern dürfen, antwortet
diese: «Macht, was ihr wollt.» Die gebotene
Freiheit mögen die Kinder daher nicht
geniessen – zu sehr sind sie entsetzt über
den Mangel an mütterlicher Aufmerksam­
keit gegenüber ihren eigenen Bedürfnissen.
«Kindervernachlässigung», schreit die eine.
«Jetzt sind wir Waisen», schreit die andere.
Bridgette und Samantha sind vor allem
eines: Individuen geblieben. Im Guten wie
im Schlechten. Ihre Kinder haben sie nicht
zu vollkommeneren Menschen werden
lassen. Sie geben sich selber nicht für diese
auf. Aber sie gehen ihren Weg, und das ist
hart genug. Um den Eindruck von aussen
können sie sich nicht auch noch kümmern.
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KW48 – 5
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Kultur
«Ichprotestierenicht»
Cao Fei gilt als führende Stimme der jüngeren Künstler in China. Sie sagt, dass sie
mit ihren Filmen und Internetprojekten den rasanten gesellschaftlichen Wandel
der letzten zwanzig Jahre dokumentieren wolle. Interview: Gerhard Mack
NZZ am Sonntag: In Ihrer neuesten Film-
arbeit zeigen Sie einen Mönch, der von einem
Kloster nach Peking wandert. Ist das ein Bild
für das heutige China?
Cao Fei: Der Film ist für das neue «BMW
Art Car» entstanden. Die Firma beauftragt
seit vielen Jahren Künstler, Autos zu gestal­
ten, die dann in Rennen eingesetzt werden.
Als ich den Auftrag erhielt, wollte ich einen
Bezug zu meiner Kunst herstellen. Die
besteht zu einem grossen Teil aus Fotos,
Videos, Film und neuen Medien wie 3-D. Ich
will ja keine Autowerbung machen, sondern
Kunst. Also habe ich mit Software eine vir­
tuelle Szenerie geschaffen und das Auto ein­
bezogen. Der Film erzählt eine Geschichte
dazu. Sie beginnt im historischen China
in den Bergen und führt in die urbane Gegen­
wart von heute. Der junge Mönch geht und
sieht auf seiner Wanderung, was in den letz­
ten zwei Jahrzehnten in China geschah.
Wie leben Chinesen mit diesem Gegensatz?
Diesen Gegensatz gibt es seit der soge­
nannten «offenen Politik», die Deng Xiaoping
ab 1978 eingeführt hat. In China heisst das
«neue Normalität». Die Menschen folgen
dem Rhythmus der Veränderung.
Sie haben in den Wohnblocks, wo Sie leben,
den Film «Haze and Fog» gedreht. Die
Menschen wirken darin isoliert. Ist das die
Realität vieler Chinesen heute?
Diese Arbeit ist von 2013 und steht eher
für die damalige Atmosphäre in der chine­
sischen Gesellschaft. Damals stand China
unter dem Eindruck der ökonomischen
Krise. Alles war stark verlangsamt. Seit zwei Szenenbild aus
Jahren hat sich die Stimmung verändert, Cao Feis Film
die Wirtschaft wächst wieder, die Menschen «Unmanned» (2017):
sind wieder zum Leben erwacht. Ein junger Mönch
durchwandert China
Woran zeigt sich das? und sieht dessen
Natürlich gibt es auch heute noch Isola­ Veränderungen.
tion und Depression. Aber die neue Internet­
ökonomie erlaubt es vielen Menschen, selb­
ständig zu sein. Das wird vom Staat sehr
gefördert. Die chinesische Wirtschaft erhält
ihre Impulse durch die Hightech­Industrien.
Und der Staat sorgt dafür, dass die Inlands­
nachfrage wächst. Natürlich sind nicht alle
erfolgreich, aber viele sind aktiv.
Verändert das die Städte?
Die Hightech­Wirtschaft ändert das Stadt­
bild. Es gibt weniger Läden, ganze Shopping­
malls verschwinden, weil viele online ein­
kaufen. Daneben wächst die Sharing­Öko­
nomie. Ich fahre Velo, aber ich habe kein
eigenes, sondern leihe mir eins aus, wenn
ich es brauche. Solche Modelle machen die
Städte sauberer. Die Regierung greift aber
auch aktiv in die Stadtplanung ein.
Inwiefern?
Ein Beispiel ist die neue Stadt, die in der
Region Xiongan rund 100 Kilometer südlich
vom Stadtzentrum Pekings entstehen soll.
Dort sollen sich die grossen Firmen für neue
Technologien ansiedeln. Es ist als Labor für
ökonomische und städtebauliche Entwick­
lung gedacht, ähnlich wie die Wirtschafts­
zone Shenzhen, die ab 1980 entstand.
Reagieren Sie auf diese Pläne in Ihrer Kunst?
Ich beobachte und dokumentiere die Ver­
änderung. Bisher war ich zweimal in Xiongan
Genauer Blick auf Chinas Wandel
Cao Fei wurde 1978 geboren
und wuchs mit Deng Xiaopings
Politik der offenen Tür auf. Diese
Öffnung hat sie in Guangzhou in
Südchina direkt erlebt. Durch die
Nähe Hongkongs wurde sie mit
internationaler Kultur vertraut.
Ihr Vater ist Bildhauer. Sie hält
mit Filmen und virtuellen Pro­
jekten den Wandel Chinas fest.
Ihre Werke sind in Sammlungen
weltweit, unter anderem in der
Sigg Collection, vertreten. Heute
lebt Cao Fei mit ihrem Mann und
zwei Kindern in Peking. (gm.)
und habe gefilmt, wie es dort jetzt aussieht:
Die Dörfer, die Menschen, die in ihnen leben,
die Bauern, die Felder. Ich esse und spreche
mit ihnen, sie erzählen mir, wie sie darüber
denken. Ich werde immer wieder hingehen
und festhalten, wie sich die Orte verändern.
Nach ein paar Jahren kann man vergleichen.
Sie sprechen von Beobachten. Ist das auch
eine Art von Protest? Sie haben in früheren
Arbeiten gezeigt, wie ganze Stadtviertel in
Peking abgerissen wurden.
Ich habe eine persönliche Meinung dazu.
Aber das ist etwas anderes als meine künst­
lerische Haltung. Da geht es mir darum,
möglichst objektiv die Veränderungen
festzuhalten. Wir Künstler können lediglich
dokumentieren, was geschieht. Dann haben
die Menschen in zehn, zwanzig Jahren die
Chance, diese Veränderungen wahrzuneh­
men und zu verstehen. Ich protestiere nicht.
Ist das die Rolle des Künstlers in China?
Westliche Künstler können ihre Über­
zeugungen sehr direkt ausdrücken. In China
müssen wir subtiler sein. Man muss sehen,
dass wir inmitten gigantischer Veränderun­
gen leben. Niemand kann diese Prozesse
aufhalten. Uns bleibt nur, diese Vorgänge in
unserer Kunst festzuhalten. Zumindest trifft
das für mich zu. Auf diese Weise kann ich
Themen ansprechen, die wichtig sind. Wenn
wir ein paar Schritte zurücktreten, können
wir die Gegenwart tiefer erfassen.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ich habe in einer Siemens­Lampenfabrik
den Film «Whose Utopia?» gedreht. Das ist
nicht so einfach. Firmen mögen das eigent­
lich nicht. Ich wollte aber einen Einblick in
diese Welt geben und überlegte mir, wie
das gehen könnte. Wenn ich diese Firmen
als kapitalistische Unternehmen bezeichne,
die nach China kommen, et cetera, geht
das nicht. Wenn ich dagegen einen Schritt
zurücktrete und eine andere Geschichte
erzähle, kann ich vielleicht mehr von der
Wirklichkeit sehen und zeigen.
In dem Film über die Fabrik zeigen Sie eine
Maschinenwelt, in der die Menschen sehr klein
sind. Erleben Chinesen die Arbeitswelt so?
Da muss man vorsichtig sein. Eine der
Frauen, die in dem Film als Balletttänzerin
auftritt, ist inzwischen CEO einer Firma. Sie
besuchte nach den Dreharbeiten eine Univer­
sität und machte bei einem Hightech­Unter­
nehmen Karriere. Das heisst heute «chinesi­
scher Traum». Es gibt im Fernsehen viele
Shows, in denen Menschen erzählen, welche
Träume sie in China haben und wie sie ihre
67
ten Arbeitsplätze zurückholen und bauen
dazu traditionelle Industrien wieder auf.
China dagegen setzt stark auf neue Techno­
logien und wird in diesem Bereich global
führend sein. Die Schwerindustrie wird
Die Schweiz ist sehr dagegen eine untergeordnete Rolle spielen.
ruhig. Das empfinde
ich aber auch für Berlin Wie erleben Sie die Schweiz? Sie sind oft hier.
Ich kenne natürlich die Art Basel und Uli
so, wenn ich es mit Sigg, der ein wichtiger Sammler von mir ist.
Schanghai oder Peking Die Schweiz ist sehr ruhig. Das empfinde ich
vergleiche. aber auch für Berlin so, wenn ich es mit
Schanghai oder Peking vergleiche. Chinesi­
sche Städte haben eine ganz andere Dyna­
mik. Der 11. November ist in China ein beson­
Träume realisierten. Anfangs haben sie meis­ derer Online­Shopping­Tag. An diesem Tag
tens eine sehr untergeordnete Position, aber hat ein einziges Online­Unternehmen einen
eines Tages verwirklichen sie ihren Traum. Umsatz von 1200 Milliarden Renminbi
(181 Mrd. US­$) gemacht. Das entspricht
Das klingt nach dem alten amerikanischen Norwegens Bruttoinlandsprodukt in sechs
Märchen «Vom Tellerwäscher zum Millionär». Monaten. Wenn Sie mich also fragen, was ich
Ja, es hat etwas davon. Als ich 2005 über einzelne Länder wie die Schweiz denke,
den Film in der Fabrik gedreht habe, habe so möchte ich diese Dynamik ansprechen.
ich natürlich nie gedacht, dass so etwas Sie wird unsere Welt verändern.
geschehen könnte. Selbst wenn das nur
einer Person gelungen ist. Im Film sagt zwar
einer der Arbeiter: «Meine Zukunft ist kein
Traum», dass jemand sich seine Träume
wirklich erfüllt, war aber nicht zu erwarten.
In Ihren Filmen zeigen Sie eine chaotische Welt
mit extrem dichten Bebauungen und Kühen,
Rote Linien
die auf Brachen dazwischen Gras fressen. In der ausführlichen Fassung des Interviews
So sieht die Wirklichkeit aus, die ich spricht Cao Fei über die Zensur in China.
erlebe. Der Architekt Rem Koolhaas hat nzz.as/cao-fei
einmal gesagt, dass vor allem die Menschen
im Süden Chinas im Durcheinander immer
eine Logik finden. Wenn Sie in Guangzhou ANZEIGE
Velo fahren, gibt es keine Regeln für die
Autos. Die Leute schauen einfach, wie sie
rechts und links aneinander vorbeikommen.
Mein Mann ist aus Singapur. Er nimmt mich
immer am Arm und fühlt sich unwohl in
dem Gewühl. Ich schaue mich um, sehe, wo
es weitergeht, und bin völlig entspannt. Das
ist wohl eine Frage der Mentalität.
Dabei galt die Verbotene Stadt mit ihrer Ord-
nung einmal als Modell des Universums. Wie
sieht Ihr Modell für die Stadt in China aus?
Das Konzept für die gegenwärtige Stadt
ähnelt vielleicht eher dem amerikanischen Dem Himmel so nah und
Modell. Städte erinnern an Manhattan in weit weg vom Alltag
New York, wenn man an die Skylines von
Schanghai oder an den Central Business Erleben Sie Winterferien
District in Peking denkt.
vom Feinsten
Sie sind oft im Westen. Was können wir von Winter 2017/18 | 10. Dezember - 15. April
China lernen? Sommer 2018 | 14. Juni - 22. Oktober
Ich habe kürzlich gelesen, dass China und Hotel Waldhaus, 7514 Sils-Maria
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Zug, Hotel (Doppelzimmer) und
zwei Karten 1000 Fr.
«Schenken Sie sich Zeit!», raten
uns die Psychologen dieser Tage.
Dass man in dieser Zeit mitein-
ander reden muss, sagt nie-
Christian Berzins mand. Somit ist ein Opernabend
DVD-Box kann man ihr Œuvre
nun entdecken. Mein Lieblings-
film ist «Daguerréotypes», ein
Dok über die Strasse, in der Varda
lebt. Seit ich ihn gesehen habe,
besuche ich die Rue Daguerre
mit den Delikatessenläden bei
jedem Besuch in Paris – und
kehre mit edlen Tropfen heim.
Phasen ab: die Zeit, als er die
Kunstfigur Ziggy Stardust
erschuf. «There’s a starman wai-
ting in the sky», sang er damals.
Hier kann man ihn neu ent-
decken. Alternative: Ein Flug
nach New York inklusive Besuch
der Ausstellung «David Bowie Is»
ab 2. 3. 2018, Brooklyn Museum.
bilden den Kern seines Reper-
toires. Der gebürtige Böhme, der
wegen seiner jüdischen Herkunft
aus Europa nach Amerika fliehen
musste, überzeugt mit seinen
Rezitalen ebenso wie als Kam-
mermusiker und in den grossen
Klavierkonzerten. Aufnahmen
aus 40 Jahren, das reine Glück!
die Treter kaum einlösen konn-
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Kunden beschenkte er in dieser
Zeit mit handgefertigten Port-
folios voller Witz. Taschen
macht die raren Stücke nun in
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René Hildbrand: Schweizer
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René Hildbrand ist nicht nur der
Doyen des Schweizer Fernseh-
journalismus sowie geschätzter
Klartext-Kolumnist, er ist auch
unermüdlicher Chronist des
Grosse Gedanken in Kleinformat
«Das Blaue Büchlein» von
Niko Stoifberg. Der gesunde
Menschenversand, 2012. 25 Fr.
«‹Du bist Luft für mich› wurde
noch nie als Liebeserklärung
benutzt.» Oder: «Jeder will ver-
standen werden, aber niemand
durchschaut.» Das sind 2 von
Zum ewigen Frieden
Klaus Bartels, Niklaus Peter:
Nikolaus-Predigten im Frau-
münster. TVZ, 144 S., Fr. 18.90.
Seit 2009 halten der Altphilo-
loge Klaus Bartels und der Theo-
loge Niklaus Peter um den Sami-
chlaustag herum jeweils eine
Doppelpredigt im Zürcher Frau-
Berührende Lektüre
Natascha Wodin: Sie kam aus
Mariupol, Rowohlt, Reinbek
2017. 368 S., Fr. 28.90.
Sie hat ein paar Fotos und diffuse
Kindheitserinnerung. Sonst ist
ihr nichts von ihrer Mutter
geblieben, die ins Wasser ging,
als sie noch ein Mädchen war.
Jahrhundertaufnahmen
Callas Live Remastered, Warner
2017, 42 CD, 120 Fr.
Die eine oder andere dieser Auf-
nahmen steht in der Sammlung
jedes Opernfreundes. Aber so
schön verpackt, so neuartig und
grossartig abgemischt, waren
die Live-Aufnahmen von Maria
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
ILLUSTRATION: CORNELIA GANN
helvetischen Humors. In diesem
Buch hat er 555 Witze über Politi- Warhol
ker zusammengetragen, einige beschenkte
hat er aufgeschnappt, mehr als
die Hälfte selber verfasst. Das
Freunde mit
Buch ist ideal, um nach einem handgefertigten
strengen Tag darin zu schmö- Portfolios.
kern – denn Lachen, zumal über
die Mächtigen, entspannt.
366 Vermutungen, mit denen
der Luzerner Autor uns, die wir
immer alles googeln, was wir
nicht wissen, zum Spekulieren
verführt. Oder wie Pedro Lenz
im Vorwort schreibt: «Die Wahr-
heit ist der natürliche Feind des
intellektuellen Ringens.» Wir
wünschen frohe Tischgespräche.
münster. Sie bringen die Geistes-
welt der griechisch-römischen
Antike in einen wachen, tief-
sinnigen und mitunter auch hei-
teren Dialog mit der biblischen
Tradition. Menschenliebe, Acht-
samkeit und die Idee des ewigen
Friedens sind Hauptthemen der
geschliffenen Texte.
Doch Natascha Wodin macht
sich auf die Suche, behutsam,
umsichtig, mit Intuition und
Glück. Wie sie die Geschichte
ihrer Familie und ihre Flucht aus
der Ukraine entdeckt, ist span-
nend genug. Wie sorgfältig und
zart sie das beschreibt, ist ein
Ereignis. Auch sprachlich.
Callas noch nie. Glut, Instinkt,
Überlegenheit und Zerbrechlich-
keit der grössten Sopranistin des
20. Jahrhunderts sind unmittel-
bar zu erleben. 20 legendäre
Aufnahmen gehören zu dieser
Box, darunter 12 Opern, die
Callas nie im Studio aufgenom-
men hat.

Gutscheine
Das schönste Museum der Welt
Besuch im J. Paul Getty in L. A.
Ein Jahr ohne Aufenthalt in
Los Angeles ist kein gutes Jahr.
Im Kultur-Ressort wurde ich für
das Bekenntnis zu meiner Lieb-
lingsstadt lange belächelt, heute
reden schon die Kassierinnen
in der Migros darüber, dass L. A.
Für Filmfreunde aus Zürich
Xenix-Mitgliedschaft für ein
Jahr, 60 Fr.
Jemandem eine Xenix-Karte zu
schenken, heisst, seine Liebe
gleich dreifach zu beweisen: zur
beschenkten Person, zur Film-
kunst und zum komfortabelsten
Programmkino der Stadt, das in
Kleines Theater, ganz gross
Theater Rigiblick, Germania-
strasse 99, Zürich, Gutscheine in
jeder Preislage.
Schon die Anfahrt mit dem Rigi-
bähnli ist ein Erlebnis. Die Aus-
sicht von oben ist herrlich, und
im 200 Plätze umfassenden
Theater tun sich Welten auf. Es
Viele erfüllte Stunden
Schweizer Museumspass. Sin-
gles Fr. 166.–, Familien Fr. 288.–.
Gleich, ob Sie sich für das Spiel-
zeugmuseum in Thun, das Lan-
desmuseum in Zürich oder das
Kunstmuseum Basel interessie-
ren: Der Schweizer Museums-
pass öffnet Ihnen die Türen. Ein
Grosse Konzerte
Lucerne Festival: «Zu Ostern»,
«Sommer» und «Piano».
Ein Gutschein – drei Festivals: Zu
Ostern ein geistliches Konzert in
der Hofkirche? In kalten Novem-
bertagen Klaviertitanen im KKL?
Oder im Sommer die besten Diri-
genten der Welt mit ihren Spit-
die kulturelle Boomtown der
USA ist. Das Highlight in der
wachsenden Museumsland-
schaft ist das J. Paul Getty. Nicht
nur wegen der Manets und Rem-
brandts. Der Blick von der Ter-
rasse auf den Sonnenuntergang
über dem Pazifik ist ein Spekta-
kel von sublimer Schönheit.
Zeiten von Netflix und Multiple-
xen jede Unterstützung verdient
hat. Mit der Karte kostet ein
Eintritt nur 8 Franken, man
kann sich, je nach Schwerpunkt,
prächtige Film-Überdosen ver-
passen. Dazu gibt es jeden Monat
per Post das Programmheft und
das zugehörige Xenix-Plakat.
gibt originelle Eigenproduktio-
nen sowie Gastspiele, die alle
Arten von Musiktheater
abdecken. Herz und Seele des
Theaters ist der Intendant,
Regisseur, Schauspieler und
Musiker Daniel Rohr. Es ist
unmöglich, ihn und sein gast-
liches Haus nicht zu lieben.
Jahr können Sie damit Sammlun-
gen und Wechselausstellungen
von rund 500 Museen in der
Schweiz wann immer und so oft
sie wollen besuchen und Kultur
und Geschichte entdecken. Oft
ist bereits die Anreise ein Erleb-
nis, bei manchen Museen gibt es
das Zugticket günstiger.
zenorchestern? Pokern Sie hoch,
und verschenken Sie mitsamt
dem Gutschein auch das Ver-
sprechen, Sie würden Karten für
das glamouröse Eröffnungs-
konzert am 17. August besorgen,
wenn Dirigent Riccardo Chailly,
das Festspielorchester und
Pianist Lang Lang aufspielen.
Für Scharfsinnige
«Wir sind alle deutsche Juden»
Sebastian Voigt: Der jüdische
Mai ’68. Vandenhoeck &
Ruprecht, 384 S., 105 Fr.
Nächstes Jahr jährt sich der Pro-
test von 1968 zum 50. Mal. Dann
debattiert das Feuilleton wieder
über Errungenschaften und
Irrungen der Rebellen. Sebastian
Überleben im Weltraum
«Terraforming Mars», Brett-
spiel. Schwerkraft-Verlag, 70 Fr.
«Is there life on Mars?», fragte
David Bowie (siehe Tipp «Fürs
grosse Budget»). Wenn Sie dieses
Spiel spielen, hängt das von
Ihnen und Ihren Mitspielerinnen
ab. Jeder spielt einen Konzern,
Kein Blatt vor dem Mund
Gottfried Benn, Friedrich Wil-
helm Oelze: Briefwechsel. Wall-
stein. 4 Bände, 2334 S., Fr. 241.–.
Die Briefe des Dichters und
Arztes Gottfried Benn an den
hochgebildeten Kaufmann und
Juristen Friedrich Wilhelm Oelze
zählen zu den wichtigsten
Baugeschichte einmal anders
SOS Brutalismus. Scheidegger &
Spiess, Zürich 2017. 716 S.,
Fr. 73.90.
Soll man erhalten, was kantig
ist? Die Frage stellt sich regel-
mässig bei den oft aus Beton
bestehenden Bauten seit den
1950er Jahren, die dem Brutalis-
Philosophisches Abenteuer
Morten A. Strøksnes: Das Buch
vom Meer, DVA 2016. 368 S.,
Fr. 25.90.
«Das Buch vom Meer» ist ein
ebenso verstörender wie gross-
artiger Bestseller. Wer den
Untertitel liest, weiss, woran er
ist: «Wie zwei Freunde im
Voigt zeigt ausgehend vom
Slogan «Nous sommes tous
des juifs allemands», mit dem
Studenten in Paris gegen die
Ausweisung von Daniel Cohn-
Bendit protestierten, die Rolle,
die jüdische Intellektuelle wie
Pierre Goldman, André Glucks-
mann und Cohn-Bendit spielten.
der den Mars bewohnbar
machen will. Wer am meisten
dazu beiträgt, dass Temperatur
und Sauerstoffgehalt der Atmo-
sphäre steigen und dass sich
Ozeane bilden, hat gewonnen.
Wer den Mars gezähmt hat, kann
sich mit «Venus Next» unseren
Nachbarplaneten vornehmen.
Selbstzeugnissen Benns in den
Jahren 1932 bis 1956. Sie zeich-
nen ein illusionsloses Bild der
Epoche. Hier erscheinen sie erst-
mals mit den Gegenbriefen
Oelzes, der keineswegs nur als
Stichwortgeber fungiert. Das
Gespräch auf Augenhöhe fesselt
viele Wintertage lang.
mus zugerechnet werden. Über
100 Autoren dokumentieren in
dem Band 120 bedeutende Bau-
werke in ihrem gegenwärtigen
Zustand. Perlen wie Walter Maria
Förderers Kirche in Hérémence
und die Universität St.Gallen
zählen dazu. Ein kluger Appell
ans kulturelle Bewusstsein.
Schlauchboot ausziehen, um im
Nordmeer einen Eishai zu
fangen und dafür ein ganzes Jahr
brauchen.» Nur so viel: Statt
Würmer nimmt man besser den
Kadaver eines Hochlandrindes
als Köder. Leser, die bereits mit
Christoph Ransmayr auf Expedi-
tion waren, sind im Vorteil.
Für Kinder
Knuddelbär zum Einschlafen
Plüsch-Teddy «Limited Edition».
Im ZFF-Shop, 14.95.
Seit sie eineinhalb ist, schläft
unsere Tochter, 3, mit einem
Plüschbären mit grünem
«Zurich Film Festival»-Trikot ein.
Kürzlich musste er gewaschen
werden und stand nicht zum
Der schönste Trickfilm
«Song of the Sea» (2014) von
Tomm Moore. DVD, etwa 25 Fr.
Ben und Saoirse, die Kinder
eines verwitweten Leuchtturm-
wächters, sollen bei ihrer Oma in
Dublin wohnen. Aber sie haben
solche Sehnsucht nach dem
Meer, dass sie sich allein auf den
Einen Zahn zulegen
Rolf-Bernhard Essig: Da wird ja
der Hund in der Pfanne ver-
rückt. dtv. 144 S., Fr. 12.90.
Kinder haben Spass an lustigen
Wörtern und Redensarten.
Warum staunen wir Bauklötze,
verstehen nur Bahnhof oder
benötigen eine Eselsbrücke? Wie
Die Grössten und Schnellsten
Guinness World Records 2018.
Hoffmann & Campe, Hamburg,
2017. 256 S., Fr. 29.90.
Bei kulturbewussten Erwachse-
nen und Mädchen ist es verpönt,
Buben lieben es umso mehr: das
jedes Jahr runderneuerte Guin-
ness-Buch der Rekorde. Da findet
Eindrückliche Kinderoper
Ronja Räubertochter, Opern-
haus Zürich.
«Trommel, Pfeife und Gewehr,
Fahn und Säbel und noch mehr,
Ja ein ganzes Kriegesheer,
Möcht ich gerne haben», heisst
es in einem Weihnachtslied.
Schön und gut. Wer aber heute
69
Knuddeln zur Verfügung. Ich
bot mein Lieblingstier, den gelb-
schwarzen Locarno-Leoparden,
zum Trost an. Das Tessiner Mas-
kottchen kam nicht an, es gab
Tränen. Ich will hier keine Festi-
valpolitik machen, nur so viel:
Das ZFF-Plüschtier von Franz
Carl Weber ist objektiv weicher.
Heimweg machen. Unterwegs
entdecken sie ein Feenland, mit
dem Saoirse auf geheimnisvolle
Weise verbunden ist. So witzig
die Filme von Pixar auch sein
mögen, mit diesem aus Aquarell-
bildern animierten Märchen
können die computergenerierten
Werke nicht mithalten.
kommt es, dass wir uns etwas
aus den Fingern saugen, Kroko-
dilstränen weinen, unsere Schäf-
chen ins Trockene bringen und
einen Eiertanz aufführen? Rolf-
Bernhard kann das alles erklä-
ren, in lustigen Geschichten, die
sich zum Vorlesen und freien
Nacherzählen eignen.
man den höchsten Schneemann
der Welt ebenso wie ein Extra-
kapitel zu den Superhelden aus
den Comics. Sport und Emojis
kommen gleichermassen zum Zug
wie Forschung. Rekorde werden
auf doppelseitigen Infografiken
aufbereitet. So vielfältig tritt uns
die Welt selten entgegen.
noch Karten kauft für eine Kin-
dervorstellung zwischen Weih-
nachten und Neujahr wird einen
Abend erleben, von dem das
Kind noch im Sommer erzählt.
«Ronja Räubertochter» im
Opernhaus Zürich ist ungewöhn-
lich düster – und packend.
Gewehre sieht man dort auch.
86 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Cinema

KINO
Basel
Capitol 1+2 kitag.com
Kinok
am SONNtag
Human Flow
Kedi: Von Katzen und Menschen
11
1.45
kinok.ch
Ov/d/f
D
Mord im Orient Express 3/6/9 E/d/f Zeit für Stille 3.20 Ov/d
Paddington 2 3 D 6/9 E/d/f Non ho l’età 5 I/d/f
kult.kino atelier 1–5 kultkino.ch Les fantômes d’Ismaël 7.45 F/d
Walter Pfeiffer – Chasing Beauty 10.15 Dialekt/d/f Rex Studio 1–3 kitag.com
Kedi: Von Katzen und Menschen 10.30 Türk/d Detroit 2/5/8.15 E/d/f
Just like our Parents 12/9 Ov/d/f Battle of the Sexes 2.15/5/8.15 E/d/f
p End
Happy 12.10 F/d Mord im Orient Express 2.15/5.15/8.30 E/d/f
Kinder machen
Voyages
12.10
g extraordinaires d’Ella Maillart 12.30
Dialekt/d/f
F/d Scala 1–6 kitag.com EINE BILDGEWALTIGE UND MUSIKALISCHE ODYSSEE
Die Reise der Pinguine 2 1.45 D Coco 3D: 2/5.15/8 D 2D: 2.15 D
Der Räuber Hotzenplotz 2 D Fack Ju Göhte 3 2/8.15 D
Die letzte Pointe
La belle et la meute
2/4/6/8
2/6.30
/ Dialekt
Arab/d/f
Die letzte Pointe
Paddington 2
2.15/5/8.30
2.30/5.15
Dialekt
D
MIT DER STIMME VON WILLEM DAFOE
Paddington 2 2.15 D The Big Sick 2.45/5.45 E/d/f
Goliath 3.20 Dialekt 8.45 Dialekt/f Aus dem Nichts 5.30 D
Maudie 4 /
E/d Griessnockerlaffäre 5.30 D
Les fantômes d’Ismaël 4.15/6.30 F/d Thor: Ragnarok – 3D 8.15 D
Victoria and Abdul 4.30 E/d/f Justice League – 3D 8.30 D
Banana Pancakes and the Lonely ... 5.10 Ov/d/f
God’s Own Country 6.45 E/d/f Happy Death Day 8.45 D
Menashe
Bar Bahar – In Between
7
8.30
Jidd/d/f
/
Ov/d
Winterthur
Patti Cake$ 8.45 E/d/f Kiwi Center 1–11 kiwikinos.ch
kult.kino camera 1+2 kultkino.ch Bad Moms 2 2/5/8.30 D
Human Flow 11 E/d/f Bigfoot Junior 2 D
Das Kongo Tribunal 11.15 F/d Girls Trip 2.15/5.30/8.15 D
Ultimos días en La Habana 1.15 Sp/d/f Paddington 2 2.15 D
Mountain 1.45/7.15 E/d Coco 3D: 2.30 D 2D: 5.30/8 D
Aus dem Nichts 3/8.45 D Fack Ju Göhte 3 2.30/5.15/8 D
The Square 3.15/8.15 Ov/d/f Justice League – 3D 2.30/5.15/8.15 D
Tehran Taboo 5.15 Farsi/d/f Mord im Orient Express 2.30/5.30/8.15 D
Pathé Küchlin 1–8 pathe.ch Hexe Lilli rettet Weihnachten 2.45 D
The Lego Ninjago Movie 2.45 D
Coco 2D: 10.10/12.50 D Human Flow 3/8 D
3D: 10.10/12.50/6.30 E/d/f Battle of the Sexes 5 D
3.30/6.10/8.50 D Victoria and Abdul 5.15 D
g
Paddington 2 10.10/12.15/2.20/4.25 D Thor: Tag der Entscheidung 5.30 D
Girls Trip 10.15/3.20/5.55/8.30 D Happy Death Day 6/8.30 D
Fack Ju Göhte 3 10.40/3.30/6/8.30 D Flitzer 8 Dialekt
Aus dem Nichts 11 D Aus dem Nichts 8.30 D
Augsburgerg Puppenkiste: Als ... 11.50/1.25 D Flatliners 8.45 D
The Big Sick 12.50 E/d/f
Bad Moms 2 1.10/3.55 D Kiwi Loge 1–3 kiwikinos.ch
Battle of the Sexes 1.20 E/d/f Die letzte Pointe 2.30/5.30/8 Dialekt
Cars 3 – Evolution 2.10 D Mord im Orient Express 2.45 E/d/f
Mord im Orient Express 3.30/8.30 D 6 E/d/f Voyages extraordinaires d’Ella Maillart 3 F/d
Hexe Lilli rettet Weihnachten 3.35 D God’s Own Country 5.45 E/d/f
Flatliners 4.30/6.50 D 9.10 E/d/f Mountain 6.30 E/d/f
Justice League – 3D 5.45 D 8.20 E/d/f The Big Sick 8.15 E/d/f
Happy Death Day 6.10/9.10 D Goliath 8.30 Dialekt
Detroit 8.20 E/d/f
Pathé Plaza pathe.ch Maxx 1–6 kitag.com

JETZT IM KINO
Thor: Tag der Entscheidung – 3D 2.45/5.30 D 8.15 E/d/f Justice League – 3D 2/8 D
Mord im Orient Express 2 D 4K: 5.30/8.30 D
Rex 1+2 kitag.com Flatliners 2.15/5.15/8.15 D
Thor: Ragnarok 2/8 E/d/f Girls Trip 2.15/5.15/8.15 D
Coco 2.30/5.30 D 5 E/d/f Paddington 2 2.15 D
Justice League 8.30 E/d/f Coco – 3D 2.30/5.15/8.15 D
Stadtkino stadtkinobasel.ch Fack Ju Göhte 3 5/8 D
Thor: Ragnarok – 3D 5 D
The Hired Hand 1.30 E/e
Bluebeard’s Eighth Wife 3.15 E/d/f zürich
You Only Live Once 5.30 E/nl/d
O Brother, Where Art Thou? 8 E/d/f Abaton 1–10, a+b kitag.com
Fack Ju Göhte 3 2/8 D
Bern Hexe Lilli rettet Weihnachten 2 D
Alhambra kitag.com Paddington 2 2/5 D
Justice League – 3D 2/5/8 E/d/f Thor: Ragnarok – 3D 2 D
Coco 2D: 2.15 D
Capitol 1+2 kitag.com 3D: 2.45/5.15/8 D 5 E/d/f
Coco 2.15 D Justice League – 3D 2.15/8.15 E/d/f 5.15/8.15 D
Fack Ju Göhte 3 2.15/5.15/8.15 D Bad Moms 2 2.30/5.30/8.30 D
Bad Moms 2 5.15/8.15 D Mord im Orient Express 2.30/5.30/8.30 D
CineABC quinnie.ch Cars 3 – Evolution 2.45 D
Emoji – Der Film 2.45 D
Die göttliche Ordnung 1.30 Dialekt/f Girls Trip 5/8 D

ZEMBE R
Menashe 3.40 Jidd/E/d/f Detroit 5.15/8.30 D

AB 7. DE INO
Aus dem Nichts 5.30 D Flatliners 5.45/8.45 D 5.45/8.45 E/d/f
The Square 8 Ov/d/f Happy Death Day 5.45/8.45 D
CineBubenberg quinnie.ch
IM K
Arena Cinemas 1–19 arena.ch
Coco – 3D 3 D Cars 3 – Evolution 10.45/3.50 D
Murder on the Orient Express 6/8.30 E/d/f Coco 2D: 10.45/1.15/2.30/5.10/8 D
CineCamera quinnie.ch 10.45/2/3.45/6.20 E/d/f
Murder on the Orient Express 3 E/d/f 3D/4DX: 10.50/1.25/3.50 D
Human Flow 5.30 E/d/f Hexe Lilli rettet Weihnachten 10.45/1.25/3.55 D
Coco – 3D 8.30 E/d/f Paddington 2 10.45/1.45/4.30 D
CineClub quinnie.ch 10.45/1.45/4.25 E/d/f
Ich – Einfach unverbesserlich 3 1.20 D
Die letzte Pointe 3/5.30/8 Dialekt/f B
Bigfoot Junior 1.25 D
Cinématte cinematte.ch Überflieger – Kleine Vögel, ... 1.25 D
Eternel silence 7 Stumm mit frz. Zwischentiteln Augsburger Puppenkiste: Als ... 1.45 D
Thor: Tag der Entscheidung 1.55/5/8.10 D
CineMovie 1–3 quinnie.ch The Lego Ninjago Movie 2 D
Die letzte Pointe 11.50 Dialekt/f Fack Ju Göhte 3 2.20/5.20/8.20 D
Le vénérable W. 12 Ov/d Mord im Orient Express 2.30/5.30/8.45 D
Madame 12 E/d/f 2.35/5.15/8 E/d/f
Paddington 2 1.45 E/d/f Ostwind – Aufbruch nach Ora 2.30 D
Goliath 2/8.15 Dialekt/f Emoji – Der Film 3.40 D
Hexe Lilli rettet Weihnachten 3 D Bad Moms 2 3.50/6.25/9 D
Die Reise der Pinguine 2 4 D Happy Death Day 3.50/6.20/8.50 D
Kinder machen 4/6 Ov/d/f Justice League 2D: 5.30/8.20 D
Encordés 5.30 F/d 3D/4DX: 6.15/8.55 D
The Big Sick 6 E/d/f Victoria and Abdul 5.40 D
Detroit 8 E/d/f Flitzer 5.50/8.20 Dialekt
God’s Own Country 8.30 E/d/f Hereinspaziert! 6 D
City 1–3 kitag.com Begabt – die Gleichung eines Lebens 6.25 D
Flatliners 2.45/5.45/8.45 D Non ho l’età 6.30 Ov/d/f
2.45/5.45/8.45 E/d/f Flatliners 8.15 D 8.55 E/d/f
Aus dem Nichts 3 D Girls Trip 8.15 D
Battle of the Sexes 6 E/d/f Detroit 8.25 D
Happy Death Day 9 D American Assassin 8.40 D
gotthard kitag.com Der Schneemann 8.55 D
Mord im Orient Express 2.45/5.45/8.45 E/d/f Jigsaw 8.55 D
Jura 1–3 kitag.com Arthouse Alba arthouse.ch
Mord im Orient Express 2.15/5.15/8.30 D Daniel Hope – Der Klang des Lebens 12.45 D/E/d
Paddington 2 2.15/5.15/8.15 D Die letzte Pointe 3/5.45/8 Dialekt
Coco – 3D 2.30/5.30/8.15 D Arthouse Le Paris arthouse.ch
Kellerkino kellerkino.ch GLOW 12.15 Dialekt
Mein Leben als Zucchini 11 D Kedi: Von Katzen und Menschen 2.45 Ov/d
Félicité 12.15 Ov/d/f The Big Sick 8.15 E/d/f
Bar Bahar – In Between 2.30 Ov/d Arthouse Movie 1+2 arthouse.ch
Tehran Taboo 4.30 Ov/d/f Suburbicon 1 E/d/f
Banana Pancakes and the Lonely ... 6.30 Ov/d Walter Pfeiffer – Chasing Beauty 1.30/6 Ov/d/f
La belle et la meute 8.30 Arab/d/f Les fantômes d’Ismaël 3.15/8.30 F/d
Lichtspiel lichtspiel.ch Battle of the Sexes 3.30 E/d/f
Kurze Filme aus dem Archiv 8 Ov Human Flow 5.30 E/d/f
The Square 8 Ov/d/f
Pathé Westside
Paddington 2 9.45/1.15/3.30/4.30
pathe.ch
D Arthouse Piccadilly 1+2 arthouse.ch Ein Film von ILDIKO ENYEDI
Happy Death Day 10/2.20/6.45/9 D Victoria and Abdul 11.30 E/d/f
Cars 3 – Evolution 10.15/12.50 D Mountain 12/6.30 E/d/f
Hexe Lilli rettet Weihnachten 10.15/1.10 D Die letzte Pointe 2 Dialekt
Coco 2D: 10.20/12/3 D Maudie 2 E/d/f
3D: 10.45/1.50/5/6/8.50 D God’s Own Country 4.15/8.15 E/d/f
Girls Trip 10.20/12.30/3.15/6/8.50 D Happy End 4.15 F/d
Augsburger Puppenkiste: Als ... 10.30/12.15/2 D Das Kongo Tribunal 6.30 Ov/d/f
Mord im Orient Express 10.30/3.15/5.45/8.20 D Tehran Taboo 8.45 Ov/d/f
Fack Ju Göhte 3 10.45/1.15/3.50/6.30/8.10 D
Detroit 11.30/5/8 D Arthouse Uto arthouse.ch
Bigfoot Junior 12.10 D Die göttliche Ordnung 11.45 Dialekt/d «Das bildgewaltigste und eigen- «Eine magische Geschichte,
Die letzte Pointe 1 Dialekt Just like our Parents 2/8.30 Ov/d/f
The Big Sick
g – 3D
Justice League
2.25
3.20/6/8.45
D
D
Aurore
Ultimos días en La Habana
4.30
6.30
F/d
Sp/d/f
willigste Werk der Berlinale 2017.» die glücklich macht.»
Bad Moms 2 3.30/5.50/8.15 D Capitol 1–6 kitag.com Tages-Anzeiger Die Welt
Flatliners 3.45/6.15/8.40 D
Aus dem Nichts 5.45 D Bad Moms 2 2/8 E/d/f
Thor: Tagg der Entscheidung – 3D 8.15 D Coco 2/5/8 E/d/f www.filmcoopi.ch
Battle of the Sexes 9 D Paddington 2 2/5 E/d/f
Die letzte Pointe 2.30/5.30/8.30 Dialekt
Rex 1+2 rexbern.ch Kardesim Benim 2 2.30/8.30 Türk/d
Non ho l’età 10.30 I/d/f Suburbicon 2.30/5.30/8.30 E/d/f
Risk 10.30 Ov/d/f Griessnockerlaffäre 5 D
Artists and Models 12.15 E/d Happy Death Day 5.30 E/d/f
Walter Pfeiffer – Chasing Beauty 12.30
Casting
Just like our Parents
2.15
2.30/8.30
Ov/d/f
D
Port/d/f
Battle of the Sexes
Corso 1–4
8 E/d/f
kitag.com
Veranstaltungen
M – eine Stadt sucht einen Mörder 4.15 D Fack Ju Göhte 3 2 D
Ultimos días en La Habana 4.30/8.30 Sp/d/f Coco – 3D 2.15/5.15 D 8.30 E/d/f
Das Kongo Tribunal 6.15 Ov/d/f Paddington 2 2.15/5.15 D

ludovico
Le grand amour 6.15 F/e Mord im Orient Express 2.45/5.45/8.45 E/d/f
Splendid 1+2
Coco – 3D 2/8
kitag.com
E/d/f
Detroit
Thor: Ragnarok
5/8.15
8.30
E/d/f
E/d/f Mi 6.12.1720.00 Kursaal-Arena Bern
8.12.17 20.00 Musical Theater Basel
Thor: Ragnarok – 3D 2/5/8 E/d/f Filmpodium filmpodium.ch
Justice League – 3D 5 D El Dorado 3 E/d Neue Konzertreihe Zürich Fr

einaudi
luzern Home From the Hill 5.30 E/d/f
Sa 9.12.1720.00 Tonhalle St. Gallen
Babette’s Feast 8.45 Ov/d
Bourbaki 1–4 kinoluzern.ch TONHALLE MAAG
Frosch Studio 1+2 kitag.com
Human Flow
Encordés
11
11.30
E/d/f
F/d
Mord im Orient Express 2.15/5/8 E/d/f Dienstag, 5. Dezember 2017, 19.30 Uhr
Zeit für Stille
Die göttliche Ordnung
11.40
12
Ov/d
Dialekt/d
Aus dem Nichts
Bad Moms 2
2.45/8.30
5.30
D
E/d/f GROSSE INTERPRETEN www.allblues.ch
Battle of the Sexes
Die letzte Pointe
Les fantômes d’Ismaël
1.40/6
1.40/4/6.10/8.20
2.10
E/d/f
Dialekt
F/d
Houdini 1–5
Zeit für Stille
Kinder machen
11.40
11.50/7
kinohoudini.ch
Ov/d
D
[elements] Regula Mühlemann Sopran www.ticketcorner.ch
The Big Sick 2.30/8.30 E/d/f Encordés 12 F/d
Kedi: Von Katzen und Menschen 4.10 Ov/d Die Reise der Pinguine 2 12.10 D « ...eine unglaublich bewegliche Stimme und
Buena Vista Social Club: Adios 4.30 Ov/d/f Coco 3D: 1.40 D 9.10 E/d/f Einziges Konzert
Voyages extraordinaires d’Ella Maillart 5 F/d 2D: 4.10 virtuose Technik» Presto Classical
Suburbicon 6.40 E/d/f in der Schweiz im 2018
Paddington 2 1.50 D
Goliath 6.50/9 Dialekt Augsburger Puppenkiste: Als ... 2.10 D
Detroit 8.50 E/d/f Die letzte Pointe 2.20/7 Dialekt Sonntag Cappella Gabetta
Capitol kitag.com Hexe Lilli rettet Weihnachten 2.20 D
Die letzte Pointe
Fack Ju Göhte 3
2/8.15
2/8.30
Dialekt
D
Battle of the Sexes 4/6.40/9.20
Voyages extraordinaires d’Ella Maillart 4.30
E/d/f
F/d 6.5.18 Händel Arien aus «Messiah» u.a.
Hexe Lilli rettet Weihnachten 2 D La belle et la meute 4.40/8.50 Arab/d/f 19.00 Uhr
präsentiert

Coco – 3D 2.15/5.15/8.15 D Tehran Taboo 4.40/9 Farsi/d/f Mozart Exsultate jubilate KV165
Justice League – 3D 2.15 D 5.15/8.15 E/d/f Detroit 6.20/9.10 E/d/f Hallenstadion ______________________
Paddington 2 2.30/5.30 D Casting 6.50 D/e
BillettkassenTonhalle Maag,Tel.044 206 34 34 (11-18 Uhr)
Bad Moms 2
Detroit
The Big Sick
5
5
5
D
D
D
Kosmos 1–6
Non ho l’età 11.30/6.30
kosmos.ch
Ov/d/f
Zürich und Credit Suisse, Paradeplatz 8 (9.00 -16.30 Uhr)
Aus dem Nichts 8 D Giraffen machen es nicht anders ... 11.45 Dial/D/E/d Musik Hug, Jelmoli City oder online:
Thor: Ragnarok 8 E/d/f Menashe 11.45/2.15/7 Jidd/d/f
Maxx 1–8 kitag.com
Das Kongo Tribunal 12/4.10 Ov/d/f www.hochuli-konzert.ch
Banana Pancakes and the Lonely ... 12.30/6.30 Ov/d
Coco 3D: 2/5/8 D 2D: 2.30 D Murder on the Orient Express 1.30/4/6.45/9.15 E/d/f
Fack Ju Göhte 3 2/5/8 D Human Flow 1.45/8.15 E/d/f Tickets ab sofort erhältlich:
Bigfoot Junior 2.15 D La belle et la meute 1.45/4.45/9 Arab/d/f
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Cars 3 – Evolution – 3D
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Kultur 71

Wirnehmenihnaufuns
Christoph Marthaler kehrt als Zürcher Kunstpreisträger triumphal ans Schauspielhaus zurück. Der
langjährige Erfolg ist bei einem Regisseur mit so schmalem Talent erstaunlich. Von Christian Berzins

W
as für ein Theater! hatte, kannte die anderen schon im Voraus.

CHRISTIAN MERZ / KEYSTONE

Über den Premieren-
abenden hing der
Schleier des Ereignis-
haften, die Produk-
tionen wurden zum
Stadtgespräch, der
Intendant avancierte zur Kultfigur: mit
Migros-Einkaufstasche in der Hand sowie
der Unverfrorenheit und dem Spesenbudget,
die «Kronenhalle» als seine Kantine zu
betrachten. Christoph Marthaler (*1951)
führte das Schauspielhaus Zürich zu inter-
nationalem Ruhm – und an den Rand des
finanziellen Kollapses. Wegen fehlender
Zuschauer («Pfauen»-Auslastung 46 Prozent)
wurde ihm 2002 gekündigt, er konnte nach
Protesten bleiben und ging dann 2004 doch
vorzeitig, da er und sein Team nicht sparen
wollten. Man setzte einen Interimsintendan-
ten ein, ehe dann Matthias Hartmann – unter
anderem mit Uraufführungen von Kalibern
wie Yasmina Reza und Botho Strauss – für
neuen Schwung sorgte. Hartmann sagte
damals: «Mich interessiert das Theater nicht
als Ort, an dem eine einzelne Fraktion mög-
lichst unter sich sein kann, sondern wo vor
Menschen unterschiedlichster sozialer Her-
kunft Standpunkte verhandelt werden.»
Lange ist es her.
Hartmann scheint in Zürich vergessen,
Marthaler hingegen wird 13 Jahre nach dem
Abgang mit Pauken und Trompeten
begrüsst: Er erhielt im November den Zür-
cher Kunstpreis und zeigt nun ein neues
Stück im Pfauen. «Es ist Zeit dafür. Es stimmt
jetzt», sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch
anlässlich ihrer Kunstpreis-Laudatio im
Schiffbau. 2004 stimmte es nicht mehr. Der
Intendant rächte sich an der reichen Stadt,
indem er 2007 eine Produktion in der
«armen» Roten Fabrik zeigte. Er konnte es
sich leisten, inszenierte er doch längst in
Salzburg und Bayreuth zu Spitzengagen.
Marthalers wortarmes Bilder-Theater
hatte sich in den 1990er Jahren schnell
durchgesetzt, überall begannen Regisseure
zu marthalern. Die Feier der Melancholie,
das Singen von vierstimmigen Liedern, das
akrobatische Turnen, das Rudelbumsen, die
Massenkeilereien, das Heben von Röcken
Christoph Marthaler sowie das Begrapschen von Brüsten – immer
bei der Rede anläss- wieder führten die Helden dieses Theater-
lich der Vergabe des spielers ihre physischen Leiden und ihre
Kunstpreises. kleinen Perversitäten vor. Marthalers
(Zürich, 4. 11. 2017) Abende waren Monologe der Akrobatik, der
Stille und des Nonsens.
Seine Regien waren dann faszinierend,
wenn eine Oper ihm das Tempo vorschrieb
und wenn seine fertigen Bilderwelten zur
Grundstimmung eines Werkes passten. Am
schönsten zeigte sich die Hinterhof-Poesie in
den Opern «Jenufa» und «Die Sache Makro-
poulos» von Leos Janacek sowie in Horvaths
«Kasimir und Karoline» (alle in Salzburg) und
in «Lina Bögli». Schlecht für Marthaler war,
dass der Betrieb immer Neues forderte – und
er ihm nachgab. Es mussten dauernd neue
Stücke her. Das schmale Talent dieses Regis-
seurs wurde damit entlarvt. Das Thema der
Abende musste jeweils als Hintergrund für
die immergleichen Spassigkeiten herhalten.
Das Marthaler-Theater war kein bewegendes
Theater mehr, denn es polarisierte nur ober-
flächlich. Wer eine Aufführung gesehen
Wer eine Aufführung
gesehen hatte, kannte
die anderen schon im
Voraus. Doch Marthaler
verstand es, genau
damit zu spielen.
Doch der Regisseur verstand es, genau damit
zu spielen. Die Repetition wurde überinsze-
niert. Ironisierten sich seine Protagonisten
drollig selbst, schlug sich seine Gemeinde
auf die Schenkel.
Als Andreas Homoki 2012 ans Opernhaus
Zürich kam, liess sich mit Marthaler bestens
ein Zeichen setzen: «Ich bringe euch Chris-
toph heim!», war die Botschaft. Zum Emp-
fang buhten ihn die Opernfreunde nach der
Premiere des Händel-Projekts «Sale» aus. Die
Zuschauer-Zahlen lagen unter dem Durch-
schnitt, da die alten Kumpane (etwa jene, die
für ihn 2002 auf die Strasse gegangen waren)
nicht mehr kamen oder nicht gewillt waren,
Opernpreise für einen Marthaler-Abend zu
bezahlen. Nicht viel besser war die Publi-
kumsreaktion im Winter 2015, als er «Il viag-
gio a Reims» inszenierte. Dank Rossinis
Musik kauften immerhin die Operngänger
Karten und liessen die Marthaler-Leerläufe
gelassen über sich ergehen. Schon 2003 im
Swissair-Stück «Groundings» mussten er und
seine Schauspiel-Familie sich in Selbstzita-
ten gefallen. Man ironisierte sich und hielt
dem Publikum den Spiegel vor. In einer viel-
belachten Szene suchten vier Frauen Gleise
ab und fanden eine Unterhose.
Die Unterhose tauchte auch in der Rede
von Corine Mauch anlässlich der Zürcher
Kunstpreis-Verleihung auf: «Dass solch zarte
Schönheit und subtile Kunst eine Weile lang
ganz prosaisch ‹Unterhosentheater› geheis-
sen wurde und zum Politikum geriet, ist aus
heutiger Warte schwer verständlich.» Wahr-
scheinlich hat sie recht. Nichts zeigt besser
als der Kunstpreis, dass aus Marthaler ein
nettes Ausstattungsstück geworden ist. Er
passt bestens in die Reihe der Zürcher Kunst-
preis-Träger, zu den alten Klassikern wie
Nello Santi (*1931), Werner Düggelin (*1929),
Heinz Spoerli (*1940) oder Bruno Ganz
(*1941). Alle dürfen sich auf einen schönen
Abend freuen. Ausser für die Premiere gibt es
für die Folgevorstellungen von «Mir nämeds
uf ois» noch Karten in jeder Kategorie, die
Vorstellung am 28. 12. ist noch halb leer.
Mir nämeds uf ois: Schauspielhaus Zürich,
Pfauen, 14. 12. 2017 bis 2. 2. 2018.

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Wer nicht nur cool sein will, geht auf Weihnachtsmärkte

Kaum etwas wird heftiger
kritisiert als die Budendörfer in
der Adventszeit. In ihnen sind
wir mit unseren verdrängten
Sehnsüchten konfrontiert.
Von Gerhard Mack
Die Luft stinkt nach Raclette, am Boden
kleben Reste von Zuckerstangen. Wer Pech
hat, patscht in Lachen von verschüttetem
Glühwein. Von dem Gedränge gar nicht zu
reden. Die Besuchermassen zwischen den
Buden sind eine Einladung an Taschendiebe.
Weihnachtsmärkte sind ein Greuel. Ewig-
gestrig, auch wenn heute ein paar Joint-Fah-
nen in der Luft liegen. In der Nacht wegbom-
ben wollte ein sonst friedfertiger Zeitgenosse
sie in einem Traum. Aber auch weniger radi-
kale Zeitgenossen wollen damit nichts zu tun
haben. Es ist, als könnte man sich bei dem
Vorweihnachts-Vergnügen die Krätze holen.
Da verwundert es nur, dass so viele hin-
gehen. Wer mittags über den Weihnachts-
markt auf dem Zürcher Sechseläutenplatz
schlendert, trifft Mädchen, die in Gruppen
Schmuck aussuchen. Ein Paar isst Hörnli
und Ghackets. Touristen aus Fernost foto-
grafieren sich. Kinder fahren Karussell. Und
am Abend ist das halbe Seefeld hier, Banker
genauso wie Studenten. Selbst der Kollege,
der für seinen erlesenen Kulturgeschmack
geschätzt wird, hat sich auf dem Weih-
nachtsmarkt zum Raclette verabredet.
Wieso gehen so viele hin, wenn so vieles
dort nervt? Wir lassen diese Budenmärkte
nicht gleichmütig links liegen, weil sie uns
etwas von dem ermöglichen, was wir nicht
gerne an uns sehen. Kaum etwas ist so
uncool wie die Sehnsucht nach Heimeligkeit.
«Wienachtsdörfli» sagen in der Schweiz viele
zum Weihnachtsmarkt und ändern damit
in ihrer Vorstellung dessen Charakter. Histo-
risch war er nämlich eine Verkaufsmesse,
auf der die Menschen sich vor der dunklen
Jahreszeit mit dem Nötigen eingedeckt
haben. 1310 ist der Nikolausmarkt in Mün-
chen erstmals urkundlich erwähnt.
Spätestens seit dem frühen 20. Jahrhun-
dert ist der Weihnachtsmarkt neben dem
Geschäft auch Teil des Brauchtums. Das
«Dörfli» prägt die Vorstellungen in den
Köpfen und den Budenzauber in den Städ-
ten. Es gibt Gassen und Plätze, man sitzt
draussen auf Holzbänken im Rund, und
Lachs wird über offenem Feuer gar. Die
Buden sind aus Holz, selbst da, wo sie indus-
triell normiert sind wie Dutzendware, die
sich leicht transportieren und einlagern lässt.
Gewiss, man findet hier nur Kulissen eines
Dorfes. Wer zwischen ihnen aber ein wenig
verweilt, kann das Gefühl anklingen lassen,
dass alles an seinem Platz und die Natur
noch nahe ist. Die Gassen heissen da «Igeli
Halde» und «Ree Acher». Es gibt ein Bären-
land, und ein alter Pferdeschlitten steht da,
als könnte jederzeit jemand die Pferde zur
Ausfahrt in eine weisse Winterlandschaft
anspannen. Weihnachtsmärkte sind gerne
urchig. Sie rufen eine Vorstellung vom ein-
fachen Leben wach, in dem sich alles im
Gleichgewicht befindet. Es gibt von Hand
gefertigte Taschen und Holzfiguren aus dem
Erzgebirge. Die Menschen können ihre Welt
noch selbst gestalten. Die Lichtergirlanden
spenden Wärme und Licht, und wir können
uns in der Dunkelheit des Winters geschützt
fühlen. Der Horizont ist nah, wir sehen nicht
weit, aber das ist für den Augenblick gut so.
Natürlich ist das alles Illusion. Aber Weih-
nachtsmärkte zeigen uns, wie sehr wir uns
nach dieser sehnen. Wir wissen schon, wo
wir das neue iPhone kaufen, wie hoch der
Bonus ausfiel und wann wir zum Jahres-
wechsel in die Südsee fliegen. Aber hier
gestehen wir uns einen Moment lang Kinder-
glück zu und kleine Freuden, die nicht weiter
reichen als zu einem Becher Glühwein. Und
Sein Duft prägt alle wir geniessen Vorfreude auf ein Ereignis,
Weihnachtsmärkte: das aus dem täglichen Einerlei ragt, das wir
Glühwein. feiern und an dem wir anders sein wollen
als sonst. Dass das heute über Konsum und
Kommerz geschieht, mag man bedauern. Das
ist der Geist des Geldes, der heute alles prägt.
Dennoch bleibt darin für viele spürbar, dass
wir etwas anderes, Ungekanntes brauchen,
wie es Weihnachten verkörpert. Im «Dörfli»-
Zauber der Weihnachtsmärkte klingt etwas
davon an. Das ist nicht gerade der Advent,
von dem man in Kirchen hört. Es hilft uns
aber, wahrzunehmen, wie wichtig Erwartun-
gen und Warten für unser Glück sind.
 Tipps
Musik und Theater
Anna Karenina (Magdalena Anna Hofmann) und Wronsky (Zurab Zurabishvili) auf Urlaub in Venedig.
Zweimal in den
Liebestod
Oper
Hubay: Anna Karenina. Konzert
Theater Bern, bis 17. 2. ★★★✩✩
Massenet: Manon. Theater Luzern,
bis 14. 1. ★★★★✩
Wie unerreichbar gross ein Ro-
man im Vergleich zu seinem
mickrigen Opernabbild doch sein
kann! Und nachdem man in Bern
Jeno Hubays 1914 komponierte
Oper «Anna Karenina» gehört
hat, stellt sich die Frage, ob der
ungarische Geiger und Kom-
ponist etwas übermütig war, als
er Leo Tolstois Roman auf die
Opernbühne brachte. Er wusste
wohl auch, dass sich die Über-
figuren aus diesem Gedanken-
Durps, Purps,
Bücher
Gurps
Bilderbuch
Brigitte Werner (Text), Claudia
Burmeister (Bild): Der kleine
Murps. Verlag Freies Geistes-
leben, Stuttgart 2017. 36 S.,
Fr. 24.90 (ab 4 J.).
Hand aufs Herz: Viele Erwachse-
ne sind in ihrer Umgebung nicht
unbeteiligt an einem Verhalten,
wie auch Bruno es erlebt: Papa
ruft ihn «Hase», Oma nennt ihn
«Mausilein» und Mama sagt gar
«kleiner Murps» zu ihm. Bruno
wehrt sich. Er verkündet drum
jeden Morgen, wie er heute
heisst, denn er will bestimmen,
wer oder was er ist. Als Gurps
will er nur grüne Sachen tragen
und essen. Und als Mama ihm
einen grünen Gutenachtkuss
gibt, ist der Tag fast perfekt. Sie
aber flüstert noch hinterher: «Ich
hab dich sehr lieb, mein kleiner
Gurps. So lieb wie meinen
Murps.» Da schläft Bruno rapp-
dizapp gleich ein. Das Prinzip ist
klar: Murps wählt seine Gestalt
– bald riesengross, bald clow-
nesk, bald kann er fliegen –, und
die Eltern reagieren gut. Bilder,
die 1:1 abbilden, was Figu-
ren sich ausdenken, kön-
nen Phantasien leicht platt-
machen. Nicht so Claudia
Burmeisters Illustrationen!
Sie zeigen Murps oft in Phasen-
bildern, dann wieder fokus-
sieren sie einen einzigen
Moment. Die Kulissen bieten
handfeste Details, und doch
sind die Szenen insgesamt
von einer Luftigkeit, die
nicht alles fixiert.
Kinder wollen immer
wieder neue Rollen aus-
probieren. Das ist
für sie besonders
glückhaft,
koloss nicht in eine Oper quet-
schen lassen. Und so erzählen
denn Hubay (1858–1937) und
seine Textdichter nicht mehr als
eine tragische Liebesgeschichte.
Hubay türmt mit den Klötz-
chen aus seinem Baukasten der
Kompositionsstile gewaltig viel
auf, doch eine Form erhält das
Gebilde nicht. Quälend realis-
tisch ist zudem die Regie von
Adriana Altaras, die uns unter
die Bettdecke des Liebespaars
schauen lässt. Hätte sie doch die
Eisfeld-Metapher aus dem ersten
Bild weitergezogen oder etwas
weniger auf das Spiel der Titel-
heldin (Magdalena Anna Hof-
mann) vertraut.
Mit Jules Massenets «Manon»
ist in Luzern eine nicht minder
tragische Liebesgeschichte zu
erleben, die abgekühlt, um nicht
wenn sie wie Murps die Gewiss-
heit haben, dass die alten Sicher-
heiten noch verfügbar sind, und
Wärme und Geborgenheit ohne-
hin. Hans ten Doornkaat
Im Schärengarten
Lyrik
Göran Tunström: Unsere Insel
– Unsere Zeit im Meer. eof, Dort-
mund 2017. 116 S., Fr. 23.90.
Der schwedische Autor Göran
Tunström ist im deutschen
Sprachraum mit den Romanen
«Solveigs Vermächtnis», «Der
Vom Satelliten
aus Europa
betrachten
Gerald Mansberger (Hrsg.):
Europa – Kontinent der Vielfalt.
eoVision, Salzburg 2017. 256 S.,
129 Abb., Fr. 64.–.
JUDITH SCHLOSSER
zu sagen cool serviert wird: Die
Liebe zwischen Manon und Des
Grieux (sehr edel Diego Silva)
leuchtet nachtschwarz auf. Von
der schönen Gattungsbezeich-
nung «lyrische Tragödie» lässt
Dirigent Yoel Gamzou wenig
erahnen, bei ihm knallt «Manon»
aus dem Orchestergraben. Scha-
de, zumal auch die bravouröse
Titelheldin Nicole Chevalier sich
leicht davon anstecken lässt.
Die Regie von Marco Storman
und das Bühnenbild von Anna
Rudolph beeinflussten die musi-
kalische Ausdeutung wohl nach-
haltig. Ohne Zwischentöne und
flott gekürzt wird – bald als Para-
bel, bald als packendes Drama –
von einer dunklen Liebe erzählt,
die immer wieder grelle Störun-
gen über sich ergehen lassen
muss. Christian Berzins
Dieb» und «Der Mondtrinker»
bekannt geworden. Nun stellt
der Schweizer Skandinavist
Lukas Dettwiler ihn als Lyriker
vor – in einem sorgsam gestalte-
ten zweisprachigen, mit einem
Nachwort von Lars Andersson
versehenen Band. Er enthält den
Gedichtzyklus «Unsere Insel –
Unsere Zeit im Meer», der das
Mittelstück von Tunströms letz-
tem, 1980 erschienenen Gedicht-
band bildet. Dieser kreist um
eine schwierige Zweierbezie-
hung und eine Schaffenskrise.
Ort der Handlung ist eine der
Kosterinseln im Schärengarten
von Schwedens Westen: Heute
Wer sich auf der Theresienwiese
durch die Massen schiebt, um
seinen heiss erwarteten Platz
im Bierzelt einzunehmen und
den eigenen Körper zu verflüs-
sigen, bis die WC über die Ufer
treten, weiss wohl kaum, dass er
sich in eine Niere begibt. So
sieht der Ort des Münchner
Oktoberfestes zumindest von
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Ausstellung
Kurz und knapp
CD Trifonov I. ★★★★★
Diese deutende Klarheit, dieses
sinnliche Auskosten des
Gesanglichen und eine unge-
mein zupackende Entschlos-
senheit, das macht Daniil Trifo-
nov kein anderer unter 50-jähri-
ger Pianist nach. Und bei aller
Energie, die in diesem Spiel
steckt, ist da auch immer eine
enorme Gelassenheit zu spüren
– vor ein paar Tagen im KKL
wie auf CD (DG). Sehr reizvoll
machen diese Aufnahme mit Jakob Tuggener: «Drehbank», 1949.
den Chopin-Klavierkonzerten
die musikalischen Ehrerbietun-
gen an den polnischen Kompo-
nisten: von Schumann über Maschinen und Seide
Grieg bis zu Frederic Mompou.
(bez.) Jakob Tuggener: Maschinenzeit. Fotostif-
tung Schweiz, Winterthur, bis 28. 1. 2018.
CD Trifonov II. ★★★★✩ Publikation: Steidl.
Die Geigerin Anne-Sophie Mut-
ter führt ein illustres Quartett Er liebte die Geschwindigkeit und das Licht.
an, das zusammen mit Daniil Beides fand Jakob Tuggener ebenso in Fabri-
Trifonov das «Forellenquintett»
von F. Schubert spielt (DG).
ken wie in Ballsälen. Lichtreflexe machen
eine Batterie fertiggestellter Bomben in der
Der Pianist meistert das Werk Fabrik Oerlikon Bührle zu einem minimalis-
mit nobler Zurückhaltung. Die tischen Arrangement. Seidenstoffe geben
Streicher hingegen demons- den Tanzenden im Palace Hotel St Moritz
trieren zu oft ihre grossen Qua- einen verführerischen Schimmer. «Seide und
litäten, anstatt bescheiden zu Maschinen, das ist Tuggener», beschrieb der
harmonieren. (bez.) Fotograf sich selbst einmal, der auch als
Maler und Filmer firmierte. Wenn er trotz-
dem vielleicht eher als Fotograf der Arbeits-
PETER FISCHLI / LUCERNE FESTIVAL
welt bekannt ist, so hat das mit seinem Buch
«Fabrik» zu tun, das 1943 mit seiner Stumm-
film-Ästhetik Massstäbe für das neue Genre
des Fotobuchs setzte. Vor allem aber zeigt
Jakob Tuggener den industriellen Alltag von
den 1930er Jahren an aus einer Nähe, die
sonst kaum jemand bieten konnte.
Er hatte bei der Zürcher Firma Maag Zahn-
räder als Maschinenzeichner gearbeitet, vom
Werkfotografen Gustav Maag Einblick ins
fotografische Handwerk erhalten und nach
Daniil Trifonov im KKL. einem Studienjahr in Berlin ab 1932 für die
Maschinenfabrik Oerlikon gearbeitet. Seine
Fotografien, die teilweise in der Hauszeitung
erschienen, sollten den Betrieb von innen
zeigen und die Mitarbeitenden einander
beliebte Ferienorte, 1966, als näher bringen. Tuggener fotografierte und
Göran Tunström und Lena Cron- filmte. Sein Zugriff war subjektiv, seine Hal-
qvist dorthin zogen, noch bei- tung kritisch. Er zeigte die Menschen so nah,
nahe menschenleere Landstri- dass wir den Russ auf ihrer Haut und die
che. Heimkehr und Neubeginn Schrunden an den Händen sehen. Und er
werden beschworen, es geht um nahm soviel Distanz, dass sie wie Bauteile in
Geborgenheit im Abgeschiede- den grossen Maschinen verschwinden. Ohne
nen. Reisen durch Mexiko und sie bewegt sich nichts, aber was sich bewegt,
Guatemala schieben sich dazwi- droht sie zu verschlucken.
schen. Doch dann ist das Paar Er porträtiert Spediteure, Giesser, Heizer
zurück auf der Insel. Tunström, und das Laufmädchen Berti. Er fängt Alltag
der seit der gemeinsamen Zeit und Atmosphäre ein, das Warten vor dem
auf der griechischen Insel Hdyra Fabriktor ebenso wie die Blumendekors auf
ein Freund Leonard Cohens war, der WC-Schüssel. Und er bedient sich dafür
schreibt in knapper und doch aller erdenklichen Mittel. Er dreht den Raum
bildreicher Sprache. Lukas Dett- gelegentlich leicht in die Diagonale wie Alex-
wiler rettet sie kongenial ins ander Rodtschenko. Bei seinen Aufnahmen
Deutsche. Manfred Papst von Zahnrädern denkt man an Meret Oppen-
heim und Man Ray, wenn er den Blick zwi-
schen zwei Rohrleitungen ins Tal bei Lavorgo
sausen lässt, an die Züge, die später in Alfred
Hitchcocks Filmen in Tunnel rasen.
Im Zentrum der Ausstellung steht das
Buch «Maschinenzeit», das lange nur als
Maquette existierte und den Band «Fabrik»
fortsetzt. Bildserien zum Flugmeeting
Dübendorf und zum Autorennen auf dem
Bremgartenring treten hinzu. Eine Auswahl
von Filmen komplettiert den Werküberblick.
Schön, dass die Fotostiftung Schweiz an
diesen Klassiker erinnert. Gerhard Mack
Kurz und knapp
Alice Boner in Indien
Museum Rietberg, Zürich, bis 14. 1. 2018
Vielleicht kennen wir sie deshalb kaum: Alice
Boner (1889–1981) verbrachte 40 Jahre in
Varanasi und wurde zur Mittlerin zwischen
Indien und der Schweiz. Die Schau stellt
diese faszinierende Frau und ihre Kunst vor
und vermittelt ein reiches Bild jener Zeit.
Peter Zumthor: Dear to Me
Kunsthaus Bregenz, bis 7. 1. 2018
Seinen 20.Geburtstag feiert das Kunsthaus
Bregenz mit einer Carte blanche für seinen
oben aus. Gerald Mansberger
und die Firma eoVision haben
Architekten. Peter Zumthor lädt Freunde zu
einem Fest der Künste ein. Musik, Literatur
Satellitenaufnahmen von Digi- und Kunst klingen zusammen.
tal Globe und European Space
Imaging ausgewählt und zeigen Marguerite Humeau: Riddles
ungewohnte Ansichten Europas Haus Konstruktiv, Zürich, bis 14. 1. 2018
von oben. Selbst Vielgereiste Die 10.Gewinnerin des Zurich Art Prize setzt
können noch Entdeckungen sich anhand der Sphinx mit heutigen Über-
machen. Eine Einladung zum wachungssystemen auseinander. (gm.)
Raten und Staunen. (gm.)

Kino
Mariam (Al Ferjani) geht auf einen Polizeiposten, um Anzeige wegen Vergewaltigung zu erstatten.
Dieser Film ist in
Zeiten von #MeToo
brandaktuell
La belle et la meute ★★★★★
TN/F/S/CH, 100 Min. Regie:
Kaouther Ben Hania. Mit Mariam
Al Ferjani, Ghanem Zrelli.
Der Film beginnt an einer Stu-
dentenparty in Tunis. Die auf-
gebrezelte junge Mariam
(Mariam Al Ferjani) feiert ausge-
lassen mit ihren Kolleginnen.
Schnitt. In der nächsten Szene
sehen wir sie weinend mit einem
Begleiter davonrennen. Als ein
Polizeiauto an ihnen vorbeifährt,
schreit Mariam hysterisch.
Im nahe gelegenen Spital
erfahren wir, dass die 21-jährige
Frau von Polizisten vergewaltigt
wurde. Sie will von einem Ge-
richtsmediziner untersucht
werden. Das gehe erst, wenn sie
Anzeige erstattet habe, sagt man
ihr. Also geht Mariam auf die
Polizeiwache. Dort allerdings
Dunkle Wälder
Home Cinema
Serie
Dark. Netflix. Drama. Von Baran
bo Odar. Mit Louis Hofmann,
Oliver Masucci, Jördis Triebel,
Maja Schöne.
Im deutschen Wald lauert das
Grauen. Das wussten schon die
Gebrüder Grimm. Nur ist es
dieses Mal nicht der grosse böse
Wolf, der unschuldigen Mädchen
in roten Mäntelchen auflauert,
sondern eine unbekannte Macht,
die Knaben verschwinden lässt
und deren Leichen mit ge-
schmolzenen Augen und zer-
borstenen Trommelfellen wieder
ausspuckt. Ausserdem scheint es
dort irgendwo ein Wurmloch
zum Jahre 1986 zu geben. Min-
destens einer der Knaben reist in
Märchenhafte
TV
Lovestory
Cinderella
SRF 1/20.05/Märchenfilm
Nach dem Tod ihrer Mutter und
wenig später auch ihres Vaters
ist die junge Ella (Lily James,
Foto) ihrer Stiefmutter (Cate
Blanchett) und den Stiefschwes-
tern ausgeliefert. Diese lassen sie
nach getaner Drecksarbeit in der
Asche neben dem Herd schlafen
und nennen sie in Verball-
hornung ihres Namens Cin-
derella. Dass sich die junge
Frau ein reines Herz bewahrt,
wird belohnt, als sich
ein junger Prinz (Richard
Madden) beim Ausritt in
sie verliebt. Zum Ball im
Schloss, bei dem der Prinz
seine künftige Gemahlin
sucht, fährt auch Cinde-
glauben die Beamten ihr nicht,
dass Ihresgleichen ein Sexual-
delikt verübt haben soll. Sie
bezichtigen Mariam, eine Hure
zu sein, schimpfen sie ein Land-
ei. Was folgt, ist ein gnadenloser
Abstieg ad inferos in zehn Kapi-
teln, der aufwühlt.
Die 1979 geborene Regisseurin
Kaouther Ben Hania («Le challet
de Tunis») schildert, wie Mariam
während einer grauenvollen
Nacht versucht, zu ihrem Recht
zu kommen und von den einan-
der deckenden Männern zum
zweiten Mal zum Opfer gemacht
wird. Ihr beklemmender Film
wurde von einem wahren Fall
Kaouther Ben Hania
der Zeit zurück und wird mit
Föhnfrisuren und Synthiepop
konfrontiert.
Nach drei Folgen gibt es kaum
Hinweise darauf, was in der
Kleinstadt am Rande eines Wal-
des passiert ist. Es geht um vier
Familien, die durch dunkle Ge-
heimnisse miteinander verbun-
den sind. 1986 ist der erste Bub
verschwunden, 2019, dreiund-
dreissig Jahre später, hat sich
einer der Väter umgebracht und
einen ominösen Brief hinterlas-
sen, und es sind zwei weitere
Knaben verschwunden. Ausser-
dem scheint ein Kernkraftwerk
in alles verwickelt.
Die erste deutsche Serie von
Netflix erinnert in einigen Punk-
ten an «Stranger Things» und
zieht auch Inspiration von den
Nordic-Noir-Serien, ist aber
individuell genug, um kein Ab-
rella. Eine gütige Fee (Helena
Bonham Carter) hat ihr schlich-
tes Gewand in ein prachtvolles
Kostüm verwandelt. Erfreut
über das Wiedersehen, verbringt
der Prinz mit Cinderella eine
rauschende Ballnacht. Weil der
Zauber ihres Kostüms bloss bis
Mitternacht anhält, verlässt Cin-
derella das Schloss überstürzt.
Einzig einen Schuh aus Glas fin-
det der Prinz auf der Treppe, den
er dazu verwenden will, die Frau
seines Herzens wiederzufinden.
Im Zuge einer ganzen Reihe von
Realfilmen, in die das Disney-
Studio seine Trickfilmklassiker
ummünzt, hat kein Geringerer
als der Shakespeare-Regisseur
und -Schauspieler Kenneth
Branagh sich Cinderellas ange-
nommen und weniger das
Aschenputtel-Märchen nach
den Brüdern Grimm als den
«Cinderella»-Animationsfilm
sorgfältig adaptiert.
inspiriert. Ben Hania hat den
Thriller in der nachtfiebrigen
Grossstadt im dokumentari-
schen Stil inszeniert, ihre
Kamera ist nah am Körper der
Frau. Erschütternd an deren
misslicher Situation ist, dass es
auch unter den Frauen kaum
Solidarität gibt.
«La belle et la meute» wurde
letztes Jahr gedreht und ist nun,
da die #MeToo-Kampagne die
Menschen weltweit für sexuali-
sierte Gewalt und die Mechanis-
men, welche die Täter schützen,
sensibilisiert, von brennender
Aktualität. Die in Paris lebende
Regisseurin hat gleich doppelt
Mut bewiesen, dieses Drama in
einem arabischen Land zu
drehen. Sie prangert das patriar-
chale System in Tunesien an,
und ihr Film zeichnet das Bild
eines Staates, der bis ins Mark
korrupt ist; er erinnert an «The
Nile Hilton Hotel», der das Glei-
che für Ägypten tut. Unverständ-
lich, dass keines dieser Meister-
werke ins Oscar-Rennen ge-
schickt wurde. Christian Jungen
klatsch zu sein. Es sind typisch
deutsche Figuren in der spiess-
bürgerlichen Pampa, die das
Herz der Serie ausmachen. Die
Produktion ist gelungen, sie ist
stimmig mit ihrer Noir-Ästhetik
und dem Spannungsbogen, den
sie aufrecht erhält. Nur die
Das Unheil lauert im Wald.
Tipps des Tages
Polizeiruf 110:
Das Beste für mein Kind
ARD/20.15/Krimireihe
Ein Baby wird aus der Kinder-
station entführt und wenige
Stunden später bei einem Kran-
kenhaus in Polen ausgesetzt.
Auch der Entführer wird kurz
darauf gefunden: Er ist tot.
American Sniper
Pro 7/20.15/Kriegsdrama
Der Scharfschütze Chris Kyle
(Bradley Cooper) wird als Kriegs-
held gefeiert. Doch der Job lässt
ihm auch privat keine Ruhe.
Willkommen bei den Sch’tis
3sat/21.45/Komödie
Der Postbeamte Philippe (Kad
Merad) ist entsetzt: Statt an
die Côte d’Azur wird er in den
Kurz und knapp
Das Kongo-Tribunal
★★★★✩
Milo Rau macht mit fiktiven
Gerichtsfällen in Ostkongo und
Berlin der korrupten Elite des
afrikanischen Landes den Pro-
zess. Er adelt mit seinem Doku-
mentarfilm die siebte Kunst,
weil sie vermag, was die reale
Justiz offenbar nicht fertig-
bringt. Zürcher Filmpreis. (cj.)
Les fantômes d’Ismaël
★✩✩✩✩
Filmregisseur Ismaël (Mathieu
Amalric) hat mit Sylvia (Char-
lotte Gainsbourg) eine neue
Geliebte gefunden, da taucht
seine vor 21 Jahren verschwun-
dene Ehefrau (Marion Cotillard)
wieder auf. Typisch französi-
sches Ménage-à-trois-Drama
von Arnaud Desplechin um
einen Bohémien, in dessen
Leben Fiktion und Realität
verschwimmen. Holprig. (cj.)
Detroit ★★★★✩
Kathryn Bigelow hat die Ras-
senunruhen von 1967 in der
Motor City als spannenden
Thriller inszeniert und lässt
uns die Misshandlungen
von Schwarzen durch weisse
Polizisten fast physisch mit-
erleben. Sie inszeniert das
nächtliche Detroit meisterhaft
als danteskes Inferno. (cj.)
Goliath ★★★★✩
Die Freundin von David (Sven
Schelker, Bild) ist schwanger.
Nachdem sie in der S-Bahn
angegriffen worden
sind, fängt er an,
exzessiv Krafttrai-
ning zu machen.
Starkes Drama
von Dominik
Locher über
Männlich-
keit in der
Krise. (cj.)
grosse Anzahl der Personen
überfordert einen anfangs.
Wenn die Serie es schafft, all
die aufgeworfenen Fragen am
Schluss auch zu beantworten,
dann ist es ein erstes Glanzstück,
das Netflix in Deutschland pro-
duziert hat. Murièle Weber
Norden Frankreichs versetzt. Er
rechnet mit dem Schlimmsten ...
Everest
SRF zwei/21.55/Bergdrama
Im Mai 1996 geraten mehrere
Bergsteiger-Teams beim Aufstieg
zum Gipfel des Mount Everest
in einen Sturm. Der Trip führt
geradezu in die Katastrophe.
Jason Clark (Rob Hall).
73
Orange
bleibt nicht
allein
Zugabe
Manfred Papst
V
or einer Woche
habe ich an dieser
Stelle ein kleines
Spiel mit Farben
angestellt, bei dem
ich mir allerdings
keinen Reim auf Orange machen
konnte. Deshalb habe ich mich
mit der Bitte um Hilfe an Sie,
verehrte Leserinnen und Leser,
gewandt, und mein Ruf ist nicht
ungehört verhallt.
Aus Bern schreibt mir ein
Herr, der nicht namentlich
genannt werden möchte, gleich
eine doppelte Lösung: «Himbe-
erkonfi wird orange / wenn ich
sie mit Quitten pansch. Rotes
Curry wird orange / wenn ich es
mit Ei vermansch.»
Aus Geuensee im oberen
Surental, einem Ort, den ich
bisher noch nicht kannte,
schreibt mir der Leser T. J.: «Frag
das Orange, frag das Violette, /
ob es lieber gelber hätte? /Ant-
wort des gelben Violetten, / Ant-
wort des smarten Orangen: Lass
mich beim Warten vorangehn.
– Kürzer: Nimm das Mandarin /
da ist Orange drin!»
Auch in der schönen Zürcher
Kirchgasse habe ich einen Leser.
Er schreibt mir: «Die Antwort
sangen wir als Pfadi in den
1940er Jahren im Lumpeliedli
‹Stumpfsinn, Blödsinn, du mein
Vergnügen›: «Zwei Knaben stie-
gen auf einen Baum, / sie fanden
weder Apfel noch Pflaum, / sie
fanden auch keine Orange, /
denn es war eine Telefonstange.»
Der Schreiber fügt noch weitere
Strophen an, von denen mir eine
so gut gefällt, dass ich sie hier
einrücke, obwohl das Orange
nicht in ihr vorkommt: «Das
Blickpunkt Zebera in Afrika, / man kann es
kaum begreifen. / Am Gummi-
Yusif baum, man glaubt es kaum, /
Eyvazov radiert es seine Streifen.»
In Zug lebt jemand, den ich
Gross ist die Anspan- gut kenne und der mich deshalb
nung in Mailand duzt. Er schreibt: «Manfred,
wegen der von Rai Zugabenlegende / ist mit dem
im TV übertragenen Reimen bereits am Ende / Haha,
Opern-Saisoneröff- beim einfachen Wort Orange / Ist
nung am 7. 12. (Arte das nicht eine echte Blamange?/
ab 22.15 Uhr). Alles Darauf trink ich einen Chasselas
zweifelt am Können / von der letzten Vendange / mit
von Anna Netrebkos einem feinen Stück Gruyère Fro-
Ehemann Yusif mange. / Es wär doch so einfach
Eyvazov. Ein Buh- und banal / mit einem Schuss
Konzert ist program- Français fédéral!»
miert. Dirigent Ric- Auch aus Basel erreicht mich
cardo Chailly nimmt ein zierliches Kärtchen, auf das
ihn nun in Schutz eine Frauenhand folgende Verse
und sagt: «Eyvazov gesetzt hat: «Auf Orange, auf
hat eine imposante Orange, Mischung aus gelb und
Stimme. Ihn mit Wangenrot / reimt sich selbst in
Anna im Duett des grösster Not / ein Kaffee
vierten Akts zu Mélange.»
hören, ist zutiefst Ich könnte noch vieles mehr
bewegend.» Fragt zitieren, möchte nun aber allen
sich nur, wie er – herzlich fürs Mitmachen danken,
allein – seine drei und zwar mit einer Zugabe zur
Arien singt. (bez.) Zugabe: «Sprach der Weisse,
sprach der Blaue: Bitte sprich
nicht, wenn ich kaue. Sprach der
Blaue, sprach der Weisse: Bellen
will ich, wenn ich beisse. Sprach
der Bleiche, sprach der Dunkle:
Halt die Klappe, wenn ich
munkle. Sprach der Dunkle,
sprach der Bleiche: Zeit wird es,
dass ich entweiche. Sagt der
Goldne dem in Ocker: Unter-
gänge nehm ich locker. Der in
Ocker, der in Gold sprechen:
Dichtung, bleib uns hold! Spricht
die haselbraune Nuss: Jetzt ist
mit dem Blödsinn Schluss.
Wetter
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Wetterprognose Aussichten für kommende Woche

Alpennordseite Aussichten bis Sonntag:

Schaffhausen Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Am Montag ist es stark bewölkt,
besonders am Vormittag und
–2° 0°
Basel mit Schwerpunkt entlang der
–2° 1° St. Gallen Alpen fällt Niederschlag. Im
Tagesverlauf geht der Schnee in
Zürich –4° –2°
den tiefsten Lagen zunehmend
–2° 0° 3° 4° 3° 5° 4° 2° 0° in Regen über.
–1° 0° –1° –2° 4° 0° –2° Am Dienstag ist die Bewöl-
La Chaux-de-Fonds
Luzern Glarus kung im Osten zunächst noch
–8° –3°
kompakt, und örtlich fällt etwas
Bern –2° 1° –6° –1°
Alpensüdseite Regen. Im Tagesverlauf erfolgt
–3° 0° Chur Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag von Westen her eine Wetterbes-
Freiburg
–5° 1° serung mit immer mehr Sonne.
–3° 0°
Interlaken Am Mittwoch liegt im Flach-
–4° 0° land Nebel, der sich wahr-
Gotthard
Lausanne St. Moritz scheinlich nur teilweise auflöst.
Montreux –12° –11° Oberhalb von rund 800 Metern
–1° 3° –20° –7°
–1° 3° 9° 10° 8° 7° 6° 5° 4° und ausserhalb des Nebels
–2° 0° –2° –1° 2° 1° 1° scheint uneingeschränkt die
Genf Sitten Sonne.
–7° 1° Locarno
–2° 3° Am Donnerstag scheint
Martigny –1° 6°
abgesehen von Nebel oftmals
–3° 1°
Lugano Sonne und Mond Bergwetter die Sonne.
1° 6°
Am Freitag bringt eine
Sonne Deutschschweiz Störung kräftige Niederschläge.
Aufgang: 7.54 Wind km/h /
/h °C Am Samstag und Sonntag
Allgemeine Lage: Der Einfluss Alpennordseite, Wallis, Nord- Alpensüdseite und Engadin: Im Untergang: 16.36 3000 m N 30 – 60 –15° fallen voraussichtlich zeitweise
des Hochdruckgebiets über und Mittelbünden: Der Tag be- Schutz der Alpen scheint im 13 min weniger Sonne 2000 m NO 15 – 40 –10° Schneeschauer.
dem Atlantik lässt heute nach. ginnt im Flachland mit Hoch- Engadin oftmals die Sonne. als vor einer Woche 1000 m NO 10 – 30 –4°
Ausgehend von einem Tief im nebel, im Tagesverlauf ziehen Im Tessin ist es sogar meistens Trend für übernächste Woche:
Norden Skandinaviens erreicht zudem dichte Wolken auf. Bis sonnig, nur gerade am Nach- Mond Alpensüdseite Noch unsichere Entwicklung
eine Warmfront die Schweiz. zum Abend fallen erste Flocken. mittag ziehen ein paar dünne Aufgang: 16.58 Wind km/h/
/h °C der Wetterlage, aus heutiger
Die Alpensüdseite ist durch Die Sonne zeigt sich kaum. Schleierwolken vorbei. Beson- Untergang: 7.08 3000 m N 30 – 70 –14° Sicht liegen die Temperaturen
aufkommenden Nordföhn Im Wallis und in Graubünden ders in den nördlichen Tälern Vollmond 2000 m N 20 – 50 –8° aber unter dem langjährigen
wetterbegünstigt. ist es teilweise sonnig. weht zeitweise Nordföhn. Füllgrad: 93% 1000 m N 10 – 45 1° Mittel.

Allgemeine Lage heute Sonntag um 13 Uhr Schneebericht

Tal Berg Tal Berg Tal Berg

1°
Tromsö 99
T Tiefdruck-
zentrum Adelboden 24 cm 80 cm Flims-Laax 7 cm 118 cm Riederalp 45 cm 57 cm
0
T Andermatt 15 cm 130 cm Flumserberge 35 cm 50 cm Saas Fee 15 cm 110 cm
Arosa 30 cm 60 cm Grindelwald 15 cm 68 cm Savognin 10 cm 30 cm
Hochdruck-
zentrum
Crans-Montana 10 cm 45 cm Gstaad 42 cm 95 cm Schuls – 50 cm
4° T Davos 18 cm 77 cm Hoch-Ybrig 20 cm 70 cm St. Moritz 8 cm 42 cm
Reykjavik
10
H Engelberg 40 cm 305 cm Lenzerheide 25 cm 55 cm Verbier 20 cm 70 cm
00
Isobaren
Elm 20 cm 110 cm Les Diablerets 30 cm 80 cm Zermatt 5 cm 60 cm
10 2° Luftdruck
10 0° 5° in hPa
St. Petersburg
Oslo 6° Helsinki
Stockholm
Wetter gestern / Extremwerte
10
15

10 Kaltfront
10 20
25
6°
Edinburg 6°
1°
Werte gestern Tagesmin. Tagesmax. Regen
Kopenhagen
10

Moskau 6 Uhr 12 Uhr Regen Jahr Grad Jahr Grad Jahr mm

30

Warmfront
Zürich –0,9° –0,1° 0,0 mm 1978 –8,5 1985 13,6 1969 19,0
10

2°
35

Dublin 8° 0°
9° Amsterdam Berlin Warschau Basel –0,6° 0,5° 0,0 mm 1973 –15,6 2006 16,9 1935 21,6
8° London
6° Bern –1,3° –0,3° 0,0 mm 1879 –16,9 1909 13,5 2012 37,4
H Brüssel
6°
102
0
1°
Kiew Okklusion Genf 0,8° 2,2° 0,0 mm 1879 –13,3 1867 15,2 1961 25,7
0° Lugano 3,1° 5,5° 0,0 mm 1973 –6,5 1872 13,8 1959 41,0
12° Paris Prag 1°
Brest 1°
0° Wien
0° München Budapest 11°
Bern Odessa
1°
6°
Bordeaux
Belgrad 6°
Bukarest Wetterlexikon: Aerosole
12° 8°
Nizza Dubrovnik T
12° Aerosole sind winzige Teilchen, Richtung Sonne blickt. Aerosole entstehen. Aerosole beeinflus-
6° 10° Rom 19°
101

Madrid Barcelona Istanbul die von der Erde in die Atmo- werden zum Beispiel bei Vulkan- sen die chemischen Vorgänge in
5

11° sphäre gelangen. An einem ausbrüchen freigesetzt. Auch der der Luft, aber auch unser Klima:
13°
Lissabon
Palma T 13° 17° klaren Sonnentag sieht man sie Mensch produziert solche Teil- Indem sie Sonnenstrahlung
Athen 20°
Palermo Antalya mitunter als feinste Stäubchen chen, etwa wenn bei der unvoll- reflektieren und zur Wolken-
13°
15° Tunis
Gibraltar 12° in der Luft schweben, wenn man ständigen Verbrennung von fos- bildung beitragen, haben sie
Algier 20°
Nikosia mit zugekniffenen Augen in silen Brennstoffen Russpartikel einen kühlenden Effekt.

27°
Tel Aviv MeteoNews AG | Peter Wick | meteonews.ch
Das Schweizer Wetter Fernsehen: meteonews.tv
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Der Schweizer Stellenmarkt für Kader und Fachspezialisten, 3. Dezember 2017
Haben Sie Ihre Laufbahn von Anfang
an genau vor sich gesehen?
Eindeutig nein. Ich war jedoch
bereits als Jugendlicher beeindruckt
von den alten Postern und den Land-
kartenetiketten von Vivi-Kola. Das hat
mich unter anderem auch dazu
bewogen, den Grafikerberuf zu erler-
nen. Ich hätte aber nie gedacht, dass
sich daraus der Besitz einer Getränke-
marke und eines Kaffeegeschäftes ent-
wickeln würde. Ich bin in Eglisau am
Rhein aufgewachsen und habe das Kola
aus meinem Dorf damals noch getrun-
ken. Nach Jahren in der Werbung wollte
ich 2006 Vivi-Kola wieder auf den
Markt bringen. Bei Recherchen im
Dorfmuseum fand ich in einer Kiste das
Originalrezept der Limonade und liess
dieses von einem Aromaentwickler am
Zürichsee «nachbauen». 2010 eröffnete
ich mitten im Städtli den Vivi-Kola-La-
den. Und weil ich ein leidenschaftlicher
Kaffeeliebhaber bin, integrierte ich
gleich eine Mikro-Kaffeerösterei.
Ist die Weiterbildung im Management
auf der Höhe der Zeit?
Nach dem Entscheid zur Gründung
von Vivi-Kola und Vicafe gab ich den
erlernten Beruf auf und widmete mich
voll dem Aufbau dieser Firmen. Eine
Ausbildung in Management besuchte
ich nicht. Ich denke, es gibt diverse Christian Forrer hat seine Begeisterung für das Getränk Kaffee zum Beruf gemacht.
Managementstile, und was gestern galt,
ist heute oft schon wieder überholt. Ich
lese viel zum Thema, aber am Ende
«Globalisierung wird mehr und
gehen mein Team und ich zusammen
unseren eigenen Weg, wir machen dabei
Fehler und erleben Erfolge.
mehr als ungerecht empfunden»
Wie lauten Ihre Führungsgrundsätze?
«Hire character, train skills». Ich ver-
suche stets, die richtigen Mitarbeiter zu
engagieren und ihnen ein ideales
Umfeld zu bieten, in dem sie sich beruf- 33 Fragen an Christian Forrer, Geschäftsführer Vicafe, Eglisau (ZH)
IT Business Process Engineer (w/m)
Integrität, Engagement und Professsionalität
prägen die Unternehmenskultur der r Rega. Mit
hochmoderner Technologie können n die Heraus-
forderungen der Zukunft gemeister r t werden.
Spannende Projekte und motivierte e Mitarbei-
tende stehen im Vordergrund. Sind Sie bereit
für den nächsten Karriereschritt?
on, die Emo­
Eine einzigartige schweizerische Institutio
tionen weckt: Vom Standort Zürich Flughafen und von
verschiedenen Stützpunkten aus bringt diie Rega rasche
und professionelle medizinische Hilfe auss der Luft und
unterstützt Menschen in Notlagen. 400 Mitarbeitende
sorgen für Dienstleistungen in höchster Qualität –
3.3 Millionen Gönnerinnen und Gönner unterstützen
die Rega. Das technologische Umfeld ist von rascher
Veränderung und ständiger Innovation geeprägt. Die In­
formatik steht mittendrin und spielt eine f ührende Rolle
in der Weiterentwicklung der Organisation. Für eine neu
geschaffene Position suchen wir einen Infformatik­
Ingenieur als
IT Business Process Engineer (w/m))
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Sie leiten Projekte mit Schwerpunkt Busin ness Process
Engineering. In den Bereichen agile Entw w icklungs­ und
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Zürich, Basel, Bern
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Arbeitswelt Ernährung
Die angesehene American Heart
Association (AHA) hat jüngst zur
Alarmglocke gegriffen und das «plan-
lose Futtern» gegeisselt. Wer unreflek-
tiert das gerade zur Verfügung Ste-
hende verschlinge, esse oft zu grosse
Portionen, die reich an Kalorien, aber
arm an Nährstoffen seien. Den Ärzten
wird deshalb ans Herz gelegt, ihre
Patienten zu überlegterem Essen anzu-
halten, vor allem bezüglich Timing so-
wie der Frequenzen von Mahlzeiten
und Snacks. 6
Unternehmensleitung, GL 2, 3, 4
Banken, Versicherungen 2
Consulting, Recht 3, 4
Ingenieurwesen, Technik 4, 5
Weitere Stellenangebote 5, 6
Medizin, Gesundheit 6
Stellenmarkt www.jobs.nzz.ch
Impressum
Chefredaktion: Eric Gujer. Verantwortlich für
diese Beilage: Walter Hagenbüchle. Redaktion
und Verlag: Neue Zürcher Zeitung AG, Postfach,
SELINA HABERLAND / NZZ 8021 Zürich, Telefon, 044 258 11 11.
lich sowie auch persönlich weiterentwi-
ckeln können. Mit den «richtigen» Mit-
arbeitern meine ich bodenständige
Persönlichkeiten, die meine Werte und
meinen Anspruch an Qualität teilen. In
unserem Kaffeegeschäft gilt: «Der
Kunde ist König.» Dieser Leitsatz
klingt logisch und einfach. Ich habe
Fortsetzung auf Seite 3
Mitglied der Geschäftsleitung.
MySwitzerland.com
Schweiz Tourismus ist für die landesweite und internationale Promotion des Ferien-,
Reise- und Kongresslandes Schweiz zuständig. Am Hauptsitz in Zürich und in 26 Ländern
weltweit bieten 242 Mitarbeitende täglich auf innovative und unkonventionelle Art die
Schweiz als attraktive und vielfältige Reisedestination an.
Als Leiter Business Development & Partnerships tragen Sie die Gesamtverantwortung des entsprechen­
den Bereichs. Sie leiten die Produktentwicklung sowie die strategischen und touristischen Partner­
schaften. In dieser Funktion sind Sie Mitglied der Geschäftsleitung, führen ein Team von gut einem
Dutzend Personen und berichten direkt an den Direktor.
Ihre Aufgaben
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strategische Partnerschaften, Verein Grand Tour of Switzerland, Enjoy Switzerland
■ Definition und Umsetzung der übergeordneten Strategie gemäss Mittelfristplanung und Businessplan
■ Sicherung der bestehenden Kooperationen mit der Tourismusbranche und den Wirtschaftspartnern
■ Verantwortung für eine koordinierte, innovative und marktfähige Produktentwicklung
■ Förderung der Grand Tour of Switzerland inklusive Positionierung als Roadtrip No. 1 in den Alpen
■ Verantwortung für die Austragung qualitativ hochstehender Branchenanlässe
■ Evaluation und Vorbereitung von neuen strategischen Geschäftsfeldern
■ Umsetzungsverantwortung des Servicecenters «Contact Switzerland» und Ansprechpartner für die
Switzerland Travel Center AG
■ Stellvertretung des CEO in nationalen Gremien und Verbänden
Ihr Profil
■ Hochschulabschluss, höhere Fachausbildung oder gleichwertige Ausbildung (idealerweise in
Bereichen wie Tourismus, Marketing, Business Development oder Innovation Management)
■ Fundierte Kenntnisse der Schweizer Tourismuslandschaft und Verständnis für die politischen,
marktwirtschaftlichen und regionalen Zusammenhänge und Abhängigkeiten
■ Begeisterung für die Werte und Erlebnisse des Reiselandes Schweiz
■ Ausgezeichnete Führungskompetenzen mit mehrjähriger Führungserfahrung
■ Verhandlungsstarke und entscheidungsfreudige Persönlichkeit mit hoher Empathie und Erfahrung
im interkulturellen Management
■ Integrativ mit ausgeprägter Partnerschaftskompetenz für komplexe Kooperationsstrukturen
■ Strukturierte, analytische und methodische Vorgehensweise sowie konzeptionelles Denkvermögen
■ Sicheres Auftreten und ausgezeichnete Präsentationsfähigkeiten
■ Verhandlungssicher in Deutsch, Französisch und Englisch (Deutsch oder Französisch als Mutter­
sprache), Italienisch und weitere Sprachkenntnisse von Vorteil
■ Internationale Arbeitserfahrung wünschenswert
Kontakt
Bitte senden Sie Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen an: Sandro Rüegger,
sandro.rueegger@hitchman.ch – Roy C. Hitchman AG, Bellerivestrasse 3, 8008 Zürich.
2 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Das Luzerner Sinfonieorchester ist das Residenzorchester des KKL Luzern und
das Opernorchester des Luzerner Theaters. Es führt einen sinfonischen Konzert- Spannende Aufgabe am Puls der Wirtschaft! Ihr betriebswirtschaftlicher Hinter-
zyklus im KKL Luzern, mehrere Kammermusikreihen sowie das Festival grund sowie die mehrjährige Erfahrung im Rechnungswesen (Treuhand, Revision,
Zaubersee durch. Das Orchester geht regelmässig auf internationale Tourneen. Bank) sind für uns sehr wichtig. Falls Sie zudem ein Diplom als Steuerexperte/-ex-
Ein breites Musikvermittlungsprogramm wie auch CD-Aufnahmen ergänzen pertin oder in Wirtschaftsprüfung, Rechnungslegung und Controlling besitzen oder
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Dies sind Ihre Hauptaufgaben:
• Mitgestalten einer ganzheitlichen Kommunikationsstrategie und integrale
Verankerung von Social Media innerhalb dieser Strategie
• Verantwortlich für die Ausarbeitung und Umsetzung einer E-Mail-Marketing-
strategie
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• Ansprechpartner für Medienschaffende
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Wir suchen eine Persönlichkeit mit hoher Fachkompetenz in klassischer Musik,
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung,
hoher Schreibkompetenz, strategischem Denkvermögen und einem starken Bevölkerungsschutz und Sport VBS sucht:
Charakter. Erw
r artet werden Affinität und Freude im Umgang mit CMS Systemen
sowie Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative. Arbeitsplatz ist Luzern.
Wenn Sie sich befähigt und angesprochen fühlen, bewerben Sie sich bitte mit
einem vollständigen Bewerbungsdossier.
DIREKTORIN / DIREKTOR NACHRICHTEN-
Wir freuen uns auf Sie!
DIENST DES BUNDES
Norbert Norman Ziswiler, Leitung Marketing & Kommunikation 100% / BERN
Luzerner Sinfonieorchester, Pilatusstrasse 18, 6003 Luzern
T + 41 41 226 05 26 | n.ziswiler@sinfonieorchester.ch | sinfonieorchester.ch

Als Direktorin/Direktor tragen Sie die Gesamtverantwortung für die nachrich-

tendienstliche Aufklärung im In- und Ausland durch Beschaffung und Auswer-
tung von Informationen, die Prävention und die Lagebeurteilung zuhanden der
politischen Entscheidungsträger. Sie überzeugen durch ausgeprägte strategi-
sche, konzeptionelle, analytische und Synthese-Fähigkeiten.

Ihre Aufgaben Ihre Kompetenzen

• Führen des Nachrichtendienstes
Bund.
• Leiten der konzeptionellen, organi-
satorischen, infrastrukturellen und
ressourcenseitigen Ausgestaltung
und Entwicklung des Nachrichten-
Ò Ñ Ìß
• Hochschulabschluss (Master) oder
gleichwertige Ausbildung mit mehr-
jähriger Führungserfahrung auf
strategischer Stufe.
• Ausgeprägte strategische, konzep-
tionelle, analytische und Synthese-
ß
Àß ¦ÑÌÀ§ª ß ß  áß
àß ª á
á ß 
ß dienstes. Fähigkeiten.
• Verantworten der Informationsbe- • Sehr gute Kenntnisse des sicher-


á ß   
  á
 ß ß 

¬ Ç  á ßà
 ß
schaffung und –bearbeitung. heitspolitischen Umfeldes der

 
áß  á

 
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¬ • Voraussetzungen schaffen für das Schweiz.
frühzeitige Erkennen und Verhin-
dern von Bedrohungen der inneren
oder äusseren Sicherheit.
• Beurteilen der Bedrohungslage zu-
handen der betroffenen Bundesstel-
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• Hohe politische Sensibilität sowie
Verständnis für die Anliegen der
Partner beim Bund und den Kanto-
nen.
• Ausgeprägte Sozialkompetenz und
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á ¦¶®¯®®£§ len und kantonalen Kommunikationsfähigkeit. Über-
Vollzugsbehörden. durchschnittliche Leistungsbereit-
• Pflegen von nachrichtendienstlichen schaft und Belastbarkeit.
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¸ Beziehungen der Schweiz mit aus- • Breite und nachhaltige Erfahrung in
ländischen Dienststellen. der Führung von Projekten. Nach-
richtendienstliche Erfahrung er-
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 ß    wünscht.

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 ß á ß¹ • Gute aktive Kenntnisse in zwei
Amtssprachen und in Englisch
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¹ sowie passive Kenntnisse in der drit-
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 ten Amtssprache.
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¹ Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) stellt den ständigen In- und Ausland-
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nachrichtendienst sicher. Seine Aufgaben bestehen in der Wahrung der inneren

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und äusseren Sicherheit der Schweiz. Er ist eine Organisation, die unter ande-
rem nicht öffentlich zugängliche Informationen mit nachrichtendienstlichen
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 ß ß   ¸ Mitteln beschafft, auswertet und verbreitet. Ziel des Nachrichtendienstes ist es,
eine führungsrelevante Nachrichtenlage für Entscheidungsträger beim Bund
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ª á  Åß und bei den Kantonen zu erstellen. Der NDB ist dem Departement für Verteidi-
gung, Bevölkerungsschutz und Sport unterstellt.
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ª Die Bundesverwaltung achtet die unterschiedlichen Biografien ihrer Mitarbei-
tenden und schätzt deren Vielfalt. Gleichbehandlung geniesst höchste Priorität.
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   àá ß¹ Ergänzende Auskünfte erteilt Ihnen gerne:
Frau Nathalie Falcone-Goumaz, Generalsekretärin VBS, Tel. 058 464 50 02
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ß   ß ¦ÑÂÊ Òß §¬
Aus Sicherheitsgründen bitten wir Sie, Ihre Bewerbungsunterlagen in Papier-
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à     ß form einzureichen.

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Ihre Bewerbung senden Sie bitte an folgende Adresse:
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áß    ß  ØᬠPERSÖNLICH
Herrn Marc Siegenthaler
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
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¬ 3003 Bern

Anmeldeschluss: 10. Dezember 2017

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Weitere interessante Stellenangebote der Bundesverwaltung finden Sie unter www.stelle.admin.ch
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 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017 3

«. . . Globalisierung wird mehr und mehr als ungerecht empfunden»

Fortsetzung von Seite 1
aber gelernt, dass die Umsetzung für
mich, aber auch für die Mitarbeiter täg-
lich eine Herausforderung ist. Viel zu
schnell stehen die Emotionen im Weg.
Ist kompetente Unternehmensführung
überhaupt erlernbar?
Ja, aber ich glaube, dass gute Füh-
rungsqualitäten viel mit Charakter zu
tun haben. Man muss fähig dazu sein,
seine Mitarbeiter mittels einer Vision
zu einem gemeinsamen Ziel zu führen.
Darf ein Chef auch Schwächen zeigen?
Klar, auf jeden Fall. Wichtig ist mir,
dass ich stets ehrlich und ich selbst bin
und nicht versuche, «den Chef zu spie-
len». Meine Mitarbeiter mögen darin
Schwächen und Stärken sehen. Ich ver-
suche vorzuleben, was ich auch von
meinen Mitarbeitern verlange.
Wie spüren Sie die gegenwärtige Wirt-
schaftslage?
Mit Vivi-Kola sind wir in einer span-
nenden, aber auch herausfordernden
Situation. Als traditionelle Schweizer
Marke legen wir grossen Wert darauf,
dass unser Produkt zu hundert Prozent
in der Schweiz, aus einheimischen
Inhaltsstoffen hergestellt wird. So
gesehen ist es in der Hochpreisinsel
Schweiz eine grosse Herausforderung,
gegen alternative «Kolas», etwa aus
Deutschland, bestehen zu können. Das
Kaffeegeschäft ist hingegen ziemlich
resistent gegenüber dem Auf und Ab
der Wirtschaft. Wir sehen jedoch sehr
direkt die Auswirkungen der globalen
Schwankungen der Wirtschaft auf die
Kaffeebauern. Wir rösten nicht nur Kaf-
fee, sondern beziehen diesen direkt von
den Bauern, deren Farmen wir jeweils
persönlich besuchen. Sie sind das
schwächste Glied in der Wertschöp-
fungskette. Wir unterstützen sie mit
einer Prämie sowie einer langfristigen
Partnerschaft und vermitteln ihnen so
viel Planungssicherheit wie möglich.
Hat die globale Arbeitsteilung positive
Effekte gebracht?
Durchaus, das Kaffeegeschäft ist
eine globale Angelegenheit. Kaffee
wächst am Äquator, muss dort lokal
verarbeitet und wegen der relativ kur-
zen Haltbarkeit nach dem Röstprozess
in den Konsumländern veredelt wer-
den. Dies hat eine Art der Arbeits-
teilung gebracht, die sowohl den Bau-
ern wie auch uns zugutekommt.
Können Sie sich Alternativen zur Glo-
balisierung vorstellen?
Die Regierungen müssen an diesem
System dringend etwas ändern. Globali-
sierung wird als manipulierend, unge-
recht und als Werkzeug zur Bereiche-
rung der Elite wahrgenommen. Die
Mehrheit der Weltbevölkerung hat den
Eindruck, sich nicht an der globalen
Vermögenssteigerung beteiligen zu
können. Das ist nicht nachhaltig.
Worüber können Sie herzlich lachen?
Wenn mir die jungen Mitarbeiter die
Bedeutung der heutigen Trendwörter
der Jugendsprache erklären müssen.
Wie reagieren Sie auf Kritik?
Ich kann damit schwer umgehen.
Oftmals nehme ich sie persönlich, was
nichts bringt. Da habe ich Verbesse-
rungspotenzial, definitiv.
Hat Sie Ihr Bauchgefühl auch schon
getäuscht?
Ja. Stellt man Mitarbeiter ein, ver-
sucht man, die Person aufgrund ihrer
Qualifikation, ihres Auftretens und
ihrer Erfahrung einzuschätzen. Das ist
in einem einstündigen Gespräch
schwierig. Ich lege aber grossen Wert
auf das Bauchgefühl, gerade weil ich
Charakter und Werte bei Bewerbern
suche. Da habe ich mich schon einige
Male getäuscht. Aber das Bauchgefühl
bleibt ein wichtiger Ratgeber.
Stellen Sie auch ehemalige Arbeits-
kollegen und Freunde ein, oder ziehen
Sie unbeschriebene Blätter vor?
In den operativen Teams arbeiten
einige ehemalige Arbeitskollegen und
Freunde. Im Verwaltungsrat der Firma
Vicafe sitzen zwei Kollegen, mit denen
ich bereits seit über fünfzehn Jahren in
verschiedenen anderen Projekten
zusammengearbeitet habe.
Sind «Quotenfrauen» notwendig oder
überholt?
Bei uns arbeiten mehr Frauen als
Männer. Wichtiger als Quoten finde ich
die Gleichstellung, vor allem beim
Lohn und bei der Möglichkeit, inner-
halb der Firma weiterzukommen.
Googeln Sie Kandidaten?
Bis jetzt nicht, ich überlege mir
jedoch, damit eventuell zu beginnen.
Oft ist das Bild, das ein Kandidat bei
einem Bewerbungsgespräch von sich
zeichnet, sorgfältig inszeniert und
orchestriert. Eine kurze Internetrecher-
che könnte helfen, einen abgerundete-
ren Eindruck von einer Person zu
gewinnen.
Welchen Stellenwert haben soziale
Netzwerke, beruflich und privat?
Beruflich einen riesigen. Privat
bevorzuge ich das Telefon oder den
direkten Kontakt.
Was halten Sie von Managern, die in
der Öffentlichkeit mit wenig Schlaf und Wie wurden Sie durch Ihre ehemaligen
Wochenendarbeit auftrumpfen? Lehrpersonen eingeschätzt?
Wenn man mit irgendetwas «auf- Als kreative Person, die sich viel
trumpfen» muss, finde ich das so oder Zeit und Mühe gibt, genau arbeitet und
so fragwürdig. ihr Wort hält. Mein Lehrmeister hat mir
früh grosse Chancen gewährt und mich
Wann und wo können Sie abschalten? auch in privaten Projekten unterstützt.
Ich bin ausgebildeter Spurenleser
und Ranger, liebe die Natur und die Hat Sie die Schule seinerzeit das wirk-
Tierwelt. Wenn ich mit dem Zelt an lich Relevante gelehrt?
einem speziellen Ort wie der Kalahari- Ja und nein. Ich habe in der Schule
Wüste in Botswana oder am Sambesi in das grundlegende Wissen erworben.
Sambia campiere, fällt es mir besonders Und sie hat mir auch soziale Fähigkei-
leicht, alles andere zu vergessen. ten beigebracht und ein Gefühl der
Zugehörigkeit vermittelt. Meine Inter-
Was raten Sie dem Berufsnachwuchs? essen galten vielem, was die Schule gar
Seiner Passion nachzugehen, hart zu nicht vermitteln konnte – Dinge, die
arbeiten, seine Werte nicht zu verraten für mich sehr relevant waren und von
und dabei die Würde des Gegenübers denen ich noch heute in meiner Auf-
nicht zu verletzen. Häufig beobachte gabe zehren kann. Ich habe als Jugend-
ich eine grosse Erwartungshaltung beim licher immer an eigenen Projekten
Nachwuchs. Ich rate den Jungen, sich gearbeitet, dreidimensionale Objekte
erst einmal zu beweisen, statt bereits zu aus diversen Materialien gebaut, viel
fordern. gezeichnet und kreiert. Dabei wurde ich
stark von meinen Eltern inspiriert und
gefördert.
Sind Sie zuversichtlich für die
ZUR PERSON Schweiz?
Ja, ich liebe unser Land. Ich bin viel
Christian Forrer gereist und habe zahlreiche fremde
44, ist Inhaber und Geschäftsführer der Vivi Kola Länder besucht. In den letzten fünf Jah-
GmbH. Die erste Schweizer Kola wurde ab 1938 ren ist mir so richtig bewusst geworden,
während 50 Jahren in Eglisau abgefüllt. 2010 wurde wie gut unsere Institutionen, das Bil-
die Marke neu lanciert und hat sich in den letzten dungswesen, die Gesundheitsversor-
Jahren stark entwickelt. Seit diesem Jahr wird die
gung und das politische System funktio-
Kola in ausgewählten Migros-Filialen im Kanton
Zürich angeboten.
nieren. Das stimmt mich zuversichtlich.
Die Schwesterfirma Vicafe Espresso Bars AG ist
ebenfalls in Eglisau beheimatet. Sie führt sechs Welche Probleme sollte die Politik
Lokale, vier davon in der Stadt Zürich, und eine Kaf- unverzüglich anpacken?
feerösterei in Eglisau. Die Firma wurde 2017 mit dem Extremismus von links und rechts
«Best of Swiss Gastro Award» in der Kategorie Cof- sollte nicht geschürt und das Verhältnis
fee ausgezeichnet. Zusammen beschäftigen die der Schweiz zur EU im Zusammenhang
Firmen über 50 Mitarbeitende. mit dem Blick auf die gesamte Welt
Christian Forrer lebt in einer gleichgeschlechtlichen dringend geklärt werden.
Partnerschaf in Zürich. Interview: met.

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
Als nationales Kompetenz- und Dienstleistungszentrum und Fachagentur der EDK unter-
stützt éducation21 das Bildungssystem der Schweiz (obligatorische Schule und Sek. II). Die
nach fünf Jahren ihrer Gründung gut verankerte und erfolgreiche privatrechtliche Stiftung
entwickelt sich weiter und sucht dazu per 1. Mai 2018 oder nach Vereinbarung eine/-n

Direktor/-in (80 – 100 %) Für den "Pool" der Gerichtsschreiberinnen und Gerichts-
schreiber, die je nach Arbeitsanfall in verschiedenen Abtei-
Ihre Aufgaben lungen des Bundesgerichts eingesetzt werden, suchen wir
In dieser Funktion übernehmen Sie ein breites Aufgabenspektrum. Sie sind als erfahrene eine/n
Führungspersönlichkeit mit hoher sozialer Verantwortung für rund 40 gut qualifizierte Mitar-
beitende verantwortlich. Ihren Auftrag erfüllen und gestalten Sie gemeinsam mit diesen
mit klaren und verbindlichen Vorgaben und Zielsetzungen. Die vom Stiftungsrat beschlos- Gerichtsschreiberin/
sene Politik und Strategie setzen Sie in enger Zusammenarbeit mit diesem um. Sie agieren
bezüglich weiterführender Ziele und Entwicklungen und passen jeweils zeitnah Strukturen
Gerichtsschreiber
und Abläufe an. Sie vertreten éducation21 in Gremien und verhandeln mit institutionellen (70 %)
Akteuren auf Bundes- und Kantonsebene. Dank guter Sprachkenntnisse in Deutsch und
Französisch vernetzen Sie sich schnell und nachhaltig. Sie sichern und verantworten die deutscher Muttersprache mit sehr guten Kenntnissen ei-
Bedeutung und Wichtigkeit der Stiftung als nationales Kompetenzzentrum für die Bildung ner zweiten Landessprache. m>10CAsNsjY0MDAy0jUys7AwMgIAstnbtw8AAAA=</wm>

für Nachhaltige Entwicklung (BNE). <wm>10CFXKIQ7DMBBE0ROtNTPrtZ0urMKigCjcJCru_VHasoL_0du2jIJfz3U_1yMJSKY2hpQuL4wMekFnknKB_UFGJaL_aSMUFZhfYqRJ83PAfMy-tPK-Xjf9bDp3cAAAAA==</wm>

Sie verfügen über ein abgeschlossenes juristisches

Ihr Profil
Hochschulstudium, ein Anwaltspatent oder eine gleich-
Für diese Schlüsselposition bringen Sie einen Hochschulabschluss, mehrjährige Führungs-
wertige Ausbildung. Mehrjährige Berufserfahrung ist von
erfahrung sowie fundierte Kenntnisse der obligatorischen Schule und Sek. II und der
Vorteil.
Bildungslandschaft Schweiz mit. Sie sind fähig, sich im politischen Umfeld zu bewegen und
sind sich der komplexen Zusammenhänge der Aufgabe bewusst. Sie verstehen es, eine Or-
ganisation erfolgreich partizipativ zu führen und die Zusammenarbeit mit vielen Beteiligten Sie erarbeiten insbesondere Urteilsentwürfe und haben
und Interessensgruppen zu pflegen. Sie überzeugen daher durch eine hohe Vernetzungs- Freude an der präzisen Redaktion bundesgerichtlicher Ent-
fähigkeit, ein gutes Auftreten und hohe Kommunikationsfähigkeit. Verhandlungsgeschick, scheide.
Durchsetzungskraft sowie Analyse- und Synthesefähigkeit zeichnen Sie ebenfalls aus.
Das Bundesgericht bietet interessante, zeitgemässe Arbeits-
Unser Angebot bedingungen und ermöglicht einen regen Gedankenaus-
Sind Sie interessiert, in einem nationalen Umfeld der Bildung mit interessantem Gestal- tausch mit Richterinnen und Richtern sowie Kolleginnen und
tungsspielraum tätig zu sein? Dann erwartet Sie ein hoch motiviertes Team. Ihr Arbeitsort Kollegen.
befindet sich in der Nähe des Bahnhofs Bern.
Dienstantritt: 1. März 2018 oder nach Vereinbarung
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung per E-Mail. Senden Sie diese bis spätestens Dienstort: Lausanne
12. Januar 2018 an:
Bewerbungen mit Lebenslauf und Zeugniskopien sind bis
job21@education21.ch zum 14. Dezember 2017 an den Personaldienst des
z.H. Beat W. Zemp, Vize-Präsident Schweizerischen Bundesgerichts, Postfach, 1000 Lausanne
Betreff «Bewerbung Direktor/-in». 14, zu richten. Absolute Diskretion ist selbstverständlich.

Für weitere Informationen wenden Sie sich an den aktuellen Stelleninhaber, Jürg Schertenleib
Tel. 031 321 00 21 oder den Stiftungsvizepräsidenten Beat W. Zemp Tel. 044 315 54 54.
www.education21.ch
4 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Stromprodukte und Dienstleistungen

der Energiewirtschaft
Law School

Leiter/in Vertrieb
Industriekunden und EVU
Das Unternehmen: ein ner der Top 10-Energieversorger Einsatz von CRM-Tools und deer (Weiter-)Entwicklung
des Landes (Netze, Strom- und Wärmeproduktion des Produkt- und Angebotspo ortfolios • kommunika-
sowie Dienstleistungeen rund um Strom, Wärme und tionsstarke, stets unternehmerisch handelnde Persön-
Telekommunikation) • Arbeitsort: Deutschschweiz lichkeit mit fundierten Argum mentationsketten und
«Ein Ort, der Wissen schafft» - Als führende Wirtschaftsuniversität setzen wir in Forschung und Lehre ausgeprägter Sensibilität für die Bedarfe der Kunden
Ihre Perspektiven: verantwortliche Leitung der Abteilung
weltweit Massstäbe, indem wir integratives Denken, verantwortungsvolles Handeln und unternehmeri- • Interesse/Freude an der intt erdisziplinären Team-
mit stetem Fokus auf die gesetzten Unternehmensziele
schen Innovationsgeist in Wirtschaft und Gesellschaft fördern. arbeit • Potenzial für Weitterentwicklung in der
• zielsichere Führung ho
och motivierter Teams im Aussen-
Organisation
und Innendienst • Au ufbau und Pflege nachhaltiger,
An der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschafts-, vertrauensvoller Kund denbeziehungen • individuelle Ihr nächster Schritt: Wir freeuen uns auf Ihre Be-
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) – ist auf den 1.August 2018 oder nach Vereinbarung eine Betreuung der Top-K Key-Accounts • kontinuierliche werbungsunterlagen mit An ngabe der Kennziffer
(Weiter-)Entwicklung dess Produkt- und Angebotsportfolios NZZ17-145. Für Fragen stehen Ihnen unsere Berater
Professur für Straf- und Strafprozessrecht in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen des Unter- Sebastian Hergott und Sabine Schmidt zur Verfügung.
nehmens • Mitarbeit bei der Strategieentwicklung des Diskretion sichern wir Ihnen zu.
(open rank) Geschäftsbereichs und d in Gremien/Arbeitsgruppen
Ihre Voraussetzungen: höhere technische oder Dr. Schmidt & Partner GmbHH
mit einem Beschäftigungsgrad von 50-100 % zu besetzen. St. Niklausenstrasse 108
betriebswirtschaftliche Ausbildung (FH, HS) • mehrjährige
(Führungs-)Praxis im Umfeld der Energiewirtschaft 6047 Kastanienbaum (Luzern))
Wir suchen eine akademisch ausgewiesene Persönlichkeit, welche den Fachbereich des Wirtschafts- karriere@drsp-group.com
strafrechts in Forschung und Lehre abdecken kann. Erwünscht sind ausgezeichnete Evaluationen in der oder im Bereich relevan nter Dienstleistungen resp. einer
Lehre und Anschlussfähigkeit der Forschung an die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Fach- und Managem mentberatung • Erfahrung im Tel. +41 (0) 41 348 01 10,
Vertrieb (vorzugsweisee im Key-Account-Management) auch sonntags, 18–21 Uhr!
Die Universität ist bestrebt, den Frauenanteil bei den Professuren zu erhöhen, weshalb Bewerbungen mit Bezug zur Kundengruppe Industrie und EVU •
Kenntnis der Wertschö öpfungsketten und Geschäfts-
von Frauen besonders erwünscht sind.
prozesse in der Energiew
wirtschaft • Methodenkompetenz WISSEN, WER PASSTT.
Nähere Auskünfte erteilt der Vorsteher der Rechtswissenschaftlichen Abteilung, Prof. Dr. Markus Mül- hinsichtlich Einsatz deer Marketinginstrumente, dem SEIT ÜBER 30 JAHRREN.
ler-Chen (markus.mueller-chen@unisg.ch).

Interessentinnen und Interessenten richten ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (Anschreiben,
CV, Publikationsliste) in elektronischer Form bis spätestens 15. Januar 2018 online über
www.unisg.ch/jobs zuhanden des Rektors der Universität St.Gallen, Professor Dr.Thomas Bieger. Luzern • Frankfurt • Hamburg www.drsp-group.com

Universität St.Gallen | Dufourstrasse 50 | 9000 St.Gallen | www.unisg.ch

Die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn sucht per

1. März 2018 oder nach Vereinbarung eine/n

Bundesgericht Leiterin / Leiter

Tribunal fédéral Rechts- und Personaldienst
Tribunale federale
Tribunal federal Aufgaben
Sie übernehmen die operative Führung und Leitung des
Rechts-, Personal- sowie Organisationsdienstes der
Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn. Dabei beraten
und vertreten Sie Verwaltung und Behörden in Rechtsfragen
aller Art und allen Rechtsstreitigkeiten; arbeiten Verträge,
Reglemente und Botschaften aus; bearbeiten Personal-
Für die I. zivilrechtliche Abteilung, welche vorwiegend Be- fragen; führen entsprechende Verhandlungen und Korres-
schwerden in den Bereichen Obligationen- und Handels- pondenzen; leiten direkt ein Team von vier Mitarbeitenden.
recht, Versicherungsvertrag, privates Wettbewerbsrecht
Es können nur Online-Bewerbungen berücksichtigt
und Immaterialgüterrecht sowie internationale Schiedsge-
werden. Weitere Informationen unter:
richtsbarkeit behandelt, sucht das Schweizerische Bundes- www.stadt-solothurn.ch / offene Stellen *
gericht in Lausanne eine/n

Gerichtsschreiberin/
Gerichtsschreiber
deutscher Muttersprache mit sehr guten Kenntnissen einer <wm>10CAsNsjY0MDAy0jUys7AwMgQACIjSLg8AAAA=</wm>

zweiten Landessprache. 1ak4Bk6lsT0-WFkUEUeZ-kXGAdyBBqq_7jRig6YH-NkSbthAXMnwmW6zhvrnM8DHEAAAA=</wm>

Inserat gesponsert

Sie verfügen über ein abgeschlossenes juristisches Hoch-

schulstudium mit Anwaltspatent oder eine gleichwertige
Ausbildung. Mehrjährige Berufserfahrung, wenn möglich in Das Amt für Wald, Jagd und Fischerei ist zuständig für
die Erhaltung und nachhaltige Nutzung des Waldes, der
den Rechtsgebieten der I. zivilrechtlichen Abteilung, ist von wildlebenden Säugetiere, Vögel und Fische sowie ihrer
Vorteil. natürlichen Lebensräume.
Für die Leitung der Abteilung Wald suchen wir in-
Sie erarbeiten Urteilsentwürfe und haben Freude an der
folge Pensionierung eine/-n Kantonsförster/-in,
präzisen Redaktion bundesgerichtlicher Entscheide. 100%-Pensum.

Das Bundesgericht bietet interessante, zeitgemässe Ar- Aufgabenbereich Sie führen die Abteilung in fach-
licher, personeller, finanzieller und organisatorischer Hin-
beitsbedingungen und ermöglicht einen regen Gedanken- sicht und setzen sich dafür ein, dass der Wald seine
austausch mit Richterinnen und Richtern sowie Kolleginnen Schutz-, Wohlfahrts- und Nutzfunktion nachhaltig er-
und Kollegen. füllen kann. Mit Ihren Mitarbeitenden verantworten Sie
den Vollzug der entsprechenden Gesetze von Bund und
Dienstantritt: 1. Februar 2018 oder nach Vereinbarung. Kanton. Für die kantonale Politik stellen Sie die nöti-
<wm>10CAsNsjY0MDQy1zUyNbG0MAUAnm7GeA8AAAA=</wm>

gen strategischen Informationen und daraus abgeleitete

w6AMAxG4Sfq0r9dt0IlmVsQBD9D0Ly_4uIQJzni6z0s8dfS1r1tAYZUEsuTW4h6AkKtJLcSgLgw6gxV4wkuP07gZ5jHawgg8QElzSR5VM3pOs4binWmb3EAAAA=</wm>

Bewerbungen mit Lebenslauf und Zeugniskopien sind bis

Massnahmen und Konzepte bereit und nehmen die fach- Mit 50 Franken ermögli-
spezifische Vertretung innerhalb des Kantons und ge-
zum 8. Dezember 2017 an den Personaldienst des genüber Waldeigentümern, Gemeinden und dem Bund chen Sie einem Kind
Schweizerischen Bundesgerichts, Postfach, 1000 Lau- wahr. Sie sind ggf. bereit, die Gesamtleitung des Amtes in Osteuropa Ferien.
sanne 14, zu richten. Absolute Diskretion ist selbst- für Wald, Jagd und Fischerei zu übernehmen.
verständlich. IM DIENSTE DES KANTONS SOLOTHURN
SMS PAF 50 an Nr. 339

Stiftung

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 PRO ADELPHOS
Christliches Hilfswerk für Osteuropa

Õß

052 233 59 00
¦Éß ”­«§ proadelphos.ch
Weitere Infos: www.pa.so.ch
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017 5

Leuchtturmprojekt Leuchtturmprojekt
im Baumanagement im Baumanagement

Bereichsleiter/in
Strategische Bauplanung
Das Unternehmen: Das UniverrsitätsSpital Zürich (USZ)
beschäftigt über 8 000 Mitarbeitennde aus 87 Nationen. Der
Stellenwert als eines der führendeen Spitäler reicht über die
Schweiz hinaus. Mit der jüngstt gestarteten baulichen
Gesamterneuerung des USZ (im Rahm men des Projekts Berthold),
einem der grössten Bauprojekte e in Europa, wird sicher-
gestellt, dass dieser Stellenwert auch in Zukunft erhalten
werden kann.
Ihre Perspektiven: verantwo ortliche Leitung der
Abteilungen „Programmplanung“,, „Portfoliomanagement“
und „Strategisches Flächenmaanagement“ • Weiter-
entwicklung und Fortschreibu ung des bestehenden
Grundkonzepts der baulichen Gesamterneuerung des
USZ sowie des Programm- und Terminplanes der
strategischen und operativen Baauprojekte • Pflege der
Schnittstellen zum externen Geebietsmanagement und
zur internen Unternehmensentw wicklung • Entwicklung,
Implementierung und Führung g von Raumstandards •
strategische Bedarfs- und Rochaadeplanung für Flächen
und Räume entlang der baulich hen Gesamterneuerung
• Festlegung der Vorgaben für beetriebliche Pflichtenhefte
strategischer Bauvorhaben
Zusatzausbildungen) und mehrjährige Praxis in vergleichbarer
Aufgabenstellung • ausgew wiesene Kompetenz in der Führung
von Fachspezialisten sowie Expertise im Qualitäts-, Projekt-
und Prozessmanagement • Erfahrung in der Organisations-
entwicklung und idealerw weise in Change-Prozessen resp.
im Portfoliomanagement • Fähigkeit, Ihr Fach- und Manage-
mentwissen in der Praxis an
nzuwenden • Erfahrung im Umfeld
des Gesundheitswesens vo on Vorteil • IT-Anwenderkenntnisse
Ihr nächster Schritt: Wir freuen uns auf Ihre Bewerbungs-
unterlagen mit Angabe der Kennziffer NZZ17-143. Für Fragen
stehen Ihnen unsere Berateer Sebastian Hergott und Sabine
Schmidt zur Verfügung. Diskretion sichern wir Ihnen zu.
Dr. Schmidt & Partner GmbH
St. Niklausenstrasse 108
6047 Kastanienbaum (Lu uzern)
karriere@drsp-group.com m
Tel. +41 (0) 41 348 01 10
0,
auch sonntags, 18–21 Uhr!
Bereichsleiter/in
Strategische Bauprojekte
Das Unternehmen: Das UniverrsitätsSpital Zürich (USZ) Ihre Voraussetzungen: Abschluss eines relevanten (Fach-)
beschäftigt über 8 000 Mitarbeiten nde aus 87 Nationen. Der Hochschulstudiums (Bauweesen, BWL mit aufgabenspezifischen
Stellenwert als eines der führendeen Spitäler reicht über die Zusatzausbildungen) • Erfaahrung in der Leitung mehrstufiger
Schweiz hinaus. Mit der jüngst gestaarteten baulichen Gesamt- baulicher Grossprojekte, idealerweise Spitalbauten • Expertise
erneuerung des USZ (im Rahmen n des Projekts Berthold), im Management von Grosspprojekten • ausgewiesene Kompetenz
einem der grössten Bauprojekte e in Europa, wird sicher- in der Führung von Fachexxperten • Fähigkeit, Ihr Fach- und
gestellt, dass dieser Stellenwert auch in Zukunft erhalten Managementwissen in der Praxis anzuwenden • gute Kenntnisse
werden kann. und Erfahrung im schweizzerischen (europäischen) Gesund-
heitswesen von Vorteil • solide IT-Anwenderkenntnisse
Ihre Perspektiven: verantwortlichee Leitung der Abteilungen
„Strategische Bauprojekte“ und „Prrojektmanagementoffice“ Ihr nächster Schritt: Wir freuen uns auf Ihre Bewerbungs-
• Sicherstellung der Umsetzung g der Programm- und unterlagen mit Angabe der Kennziffer NZZ17-142. Für Fragen
Terminplanung der strategisch hen Bauprojekte nach stehen Ihnen unsere Berater Sebastian Hergott und Sabine
professionellen Projektmanagemeentstandards und gemäss Schmidt zur Verfügung. Diskretion sichern wir Ihnen zu.
der SIA-Leistungsphasen sowie Beegleitung der Umsetzung
in der „Bestellerrolle“ • Gewährleisttung der Einhaltung spital-
Dr. Schmidt & Partner GmbH
spezifischer Anforderungen sowiee von Bau-, Raum- und
St. Niklausenstrasse 108
Technikstandards, FM-Vorgaben, der Medizin- und Labortechnik, 6047 Kastanienbaum (Luzern)
der ICT und der gesetzlichen Rah hmenbedingungen (u. a.
karriere@drsp-group.com m
Submissionsverordnung) • Übernaahme der Fachführung (in
Ausnahme auch der Bauherren nrolle) bei strategischen Tel. +41 (0) 41 348 01 10,
Bauprojekten • Umsetzung un nd Fortschreibung einer auch sonntags, 18–21 Uh hr!
strategischen Rochadeplanung enttlang der Programm- und

Ihre Voraussetzungen: Abschlusss eines relevanten (Fach-)

WISSEN, WER PASST. Terminplanung der baulichen Gesam mterneuerung • Erstellung
betrieblicher Pflichtenhefte aus den Vorgaben der strategischen
WISSEN, WER PASST.
Hochschulstudiums (Bauwesen, BW
WL mit aufgabenrelevanten SEIT ÜBER 30 JAHREN. Planung • Führung der Geschäftsstelle für das Programmboard SEIT ÜBER 30 JAHREN.

Luzern • Frankfurt • Hamburg www.drsp-group.com Luzern • Frankfurt • Hamburg www.drsp-group.com

Eidgenössisches Departement für Umwelt,

Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK
Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL

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MAKING AIR TRAFFIC MANAGEMENT
(ATM) MIT SCHWERGEWICHT FLUGSICHE-
RUNG
100% / ITTIGEN ODER ZÜRICH-FLUGHAFEN

Bewegt die Schweiz.

Mit Ihrer Expertise tragen Sie zur Gestaltung und Regulierung der Flugsicherung ˔á Ñ ß Î
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(insbesondere im Bereich ATM) und des Luftraums bei.
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Ihre Aufgaben Ihre Kompetenzen À ß ­ ´®£

• Mitwirken am nationalen und inter- • Hoch- oder Fachhochschulabschluss
nationalen Rulemaking Prozess oder aviatische Ausbildung Ç  Æß 
• Erarbeiten von Vorgaben und Poli- • Fundierte Kenntnisse und operative Ç   áß Ñ

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cies; sicherstellen der Umsetzung Erfahrung in ATM-Flugsicherungs- ¿
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• Leiten von und mitwirken in Projek- belangen zàšß¬ Ñ  Ç Äßá š  Àßá ßá ¿ß
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ten und Arbeitsgruppen • Ausgewiesene Erfahrung in Projekt- 
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• Betreuen der zivil-militärischen management; Erfahrung in Policy- Ñ ß Äßá

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Schnittstelle und Rulemaking im nationalen und Âá  É  Ñß á 
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• Vertreten der Schweiz in internatio- internationalen Umfeld von Vorteil É

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nalen Organisationen und mitge- • Interdisziplinäres Denken, Verhand- ß ß
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stalten der internationalen lungsgeschick und sicheres Auftre- Ç Î 

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• Zwei Amtssprachen und sehr gute áßª Ëßß  Ã
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Englischkenntnisse à  Èß Àß ß
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Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) ist für die Aufsicht über die zivile Luft- Ñ¬ Ñ ” ß 
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fahrt in der Schweiz und für die nachhaltige Luftfahrentwicklung zuständig, Øß‚ ßá  ßà    
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sorgt für ein hohes Sicherheitsniveau und schafft die Voraussetzungen für eine  Ñ ßßá    ¿ßá¬
optimale internationale Vernetzung. Das BAZL ist Teil des Eidgenössischen De- Õ à
partments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Ã ß ˔
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Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des BAZL bewegen Sie die Schweiz. Sie über-  
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nehmen Verantwortung für die erfolgreiche Entwicklung unseres Landes. Das 
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BAZL bietet Ihnen die Möglichkeit, in einem modernen und flexiblen Arbeits- à¬
umfeld einen wesentlichen Beitrag für eine sichere und international vernetzte
Schweiz zu leisten. Ě
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Die Bundesverwaltung achtet die unterschiedlichen Biografien ihrer Mitarbei- Îßáß
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tenden und schätzt deren Vielfalt. Gleichbehandlung geniesst höchste Priorität.
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Da die französische und italienische Sprachgemeinschaft in unserer Verwal-
tungseinheit untervertreten ist, freuen wir uns über Bewerbungen von Perso- ßáß
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nen dieser Sprachgemeinschaften. Ñ᪠Î ß
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Onlinebewerbung unter www.stelle.admin.ch, Ref. Code 32687

Ergänzende Auskünfte erteilt Ihnen gerne:

Frau Marianne Zwahlen, Personalbereichsverantwortliche, Tel. 058 465 90 78

Weitere interessante Stellenangebote der Bundesverwaltung finden Sie unter www.stelle.admin.ch

 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017 6

Arbeitswelt

Bewusst essen statt planlos futtern

Der zunehmende Arbeitsstress und das
Abbröckeln bisher starrer Tagesraster
führen dazu, dass geregelte Hauptmahl-
zeiten immer seltener werden. Ein Häpp-
chen hier, ein Burger dort, schnell ein
Guetzli verdrückt – das mag praktisch
sein und den knurrenden Magen besänf-
tigen, gefährdet aber die kardiometabo-
lische Gesundheit. Die angesehene
American Heart Association (AHA) hat
denn auch jüngst zur Alarmglocke ge-
griffen und geisselt das planlose Futtern.
Wer unreflektiert das gerade zur Ver-
fügung Stehende verschlinge, esse oft zu
grosse Portionen, die reich an Kalorien,
aber arm an Nährstoffen seien. Den Ärz-
ten wird deshalb ans Herz gelegt, ihre
Patienten zu überlegterem Essen anzu-
halten, vor allem bezüglich Timing sowie
der Häufigkeit von Mahlzeiten und
Snacks. Dadurch, so die Hoffnung der
Herzspezialisten, entstehe die Basis für
ein gesünderes Leben und ein besseres
Management von Risikofaktoren.
Rund um die Uhr
Frühstück, Mittagessen, Abendessen als
sakrosankte, zeitlich genau fixierte
Handlungen innerhalb der Familien-
gemeinschaft – das ist in den meisten
Haushalten längst «überwunden». Ge-
rade Berufstätige haben für geregelte
Hauptmahlzeiten schlicht keine Zeit
mehr, wie sie als Begründung für ihr Ver-
halten anführen. Dabei monieren die
Forscher, dass insbesondere das Timing
der Nahrungsaufnahme Auswirkungen
habe auf kardiovaskuläre Erkrankungen,
Typ-2-Diabetes und Übergewicht bei
einem Body-Mass-Index über 30. Der
regelmässige Verzicht auf das Frühstück
beeinflusst beispielsweise den Choleste-
rinspiegel und den Blutdruck negativ.
Nicht ganz überraschend stellt eine
Studie aus dem Jahr 2015 fest, dass Er-
wachsene in den USA mehr oder weni-
ger rund um die Uhr essen. Lediglich
zwischen ein und sechs Uhr morgens ist
die Kalorienzufuhr gering. Die AHA-
Expertengruppe hat nun nach Auswer-
tung der neuesten Fachliteratur entspre-
chende Empfehlungen zu bekömmlicher
DANIEL STOLLE
Ernährung formuliert, die zumindest für
Laien teilweise überraschend klingen.
Beispielsweise sprechen epidemiologi-
sche Daten für eine Korrelation zwi-
schen dem Verzicht auf das Frühstück
und Fettleibigkeit. Wer hingegen die
Morgenmahlzeit einnimmt, bei dem be-
steht ein geringeres Risiko für Gewichts-
zunahme und Fettsucht. Bei regelmässi-
gem Frühstücken verringern sich zudem
kardiovaskuläre Risikofaktoren wie
hohes LDL-Cholesterin («schlechtes»
Cholesterin), niedriges HDL-Choleste-
rin («gutes» Cholesterin) oder erhöhte
Blutdruckwerte. Frühstücksverächter
wiederum neigen zu einem gestörten
Glukosestoffwechsel samt erhöhten
Werten bei Glykohämoglobin (umgangs-
sprachlich Langzeit-Blutzucker), Nüch-
tern- und postprandialem Blutzucker.
Wer zudem aufs Frühstück verzichtet
in der Hoffnung, dadurch Gewicht zu
verlieren, liegt falsch. Die Forscher füh-
ren dies auf die Wahrscheinlichkeit eines
«kompensatorischen Verhaltens» im
Tagesverlauf zurück. Empfohlen wird
denn auch, regelmässig zu frühstücken,
wirke sich dies doch positiv auf den Glu-
kose- und den Insulinstoffwechsel aus
und fördere es zudem das bessere Ess-
verhalten während des Tages. Bezüglich
Fasten halten die AHA-Experten fest,
dass sowohl periodisches Fasten als auch
Fasten an jedem zweiten Tag beim Ab-
nehmen hälfen. Günstig beeinflusst wür-
den durch intermittierendes Fasten zu-
dem der Nüchtern-Insulinwert wie auch
die Insulinresistenz. Hingegen blieben
die Nüchtern-Blutzucker-Werte weitge-
hend unverändert.Widerlegt scheint fer-
ner der Irrglaube, dass das Verteilen
einer bestimmten Kalorienzahl auf meh-
rere Mahlzeiten zu einer Gewichts-
reduktion führt.
Nicht empfehlenswert sind zudem
ausgiebige Mahlzeiten nachmittags bis
spätabends. Unregelmässiges Essen ist
weder gut für das Halten des Gewichts
noch für die kardiometabolische Ge-
sundheit. Der Arzt sollte seine Patienten
deshalb zu bewussterem Essen und
einem vernünftigen Timing anhalten.
Zudem müsste ein grösserer Teil der täg-
lichen Kalorien früher am Tag einge-
nommen werden. Wer bei Mahlzeiten
zum Überessen tendiert, dem raten die
Forscher zu «strategischen» Snacks vor
der Nahrungsaufnahme, da sich damit
der grösste Hunger zügeln lässt. Aller-
dings bemängeln die AHA-Experten,
dass sich die wissenschaftliche Forschung
bis jetzt zu wenig mit der Bedeutung des
Mahlzeiten-Timings befasse.
Auch andere unabhängige Studien
und Organisationen zeigen Handlungs-
bedarf. Denn laut dem «2016 Global
Nutrition Report» breitet sich die sowohl
durch Fettleibigkeit als auch durch
Unterernährung definierte Fehlernäh-
Forscher raten zu
«strategischen»
Snacks vor der
ordentlichen
Nahrungsaufnahme.
rung weltweit immer stärker aus. Gleich
44 Prozent aller 129 von der Studie er-
fassten Länder sind von «sehr schwer-
wiegenden Problemen» in beiden Berei-
chen tangiert. Dabei nähert sich die An-
zahl der unter fünf Jahre alten über-
gewichtigen Kinder jener mit
Untergewicht. Zwar agieren in letzter
Zeit zahlreiche Staaten bei der Bekämp-
fung der Unterernährung erfolgreich,
aber parallel dazu nimmt in vielen
Regionen – nicht nur in den sogenann-
ten entwickelten Ländern – die Fett-
leibigkeit rapide zu.
Werner Knecht

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 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

Gesundheit
STEFAN KLÜTER / NEUEBILDANSTALT / PLAINPICTURE

Wastun,wennder
Rückenschmerzt
Röntgen – oder nicht? Es ist ein Kreuz! Praktische Tipps
Über Rückenleiden kursiert Unser Autor erzählt vom Was nützen Spezialsohle
viel Fehlwissen 3 langen Weg zur Heilung 7 und Stehpult wirklich? 11
PUBLIREPORTAGE: MUSKULOSKELETTALE REHABILITATION.
Klinik Schloss Mammern:
Fachkompetenz rund um den
Bewegungsapparat.
In der Klinik Schloss
Mammern finden Patienten
die besten Voraussetzungen,
um die oft chronisch
schmerzhaften Erkrankun­
gen am Bewegungsapparat
zu therapieren. Darüber
hinaus verfügt die Privat­
klinik über Fachkompetenz
für die kardiovaskuläre,
internistisch­onkologische
und pneumologische
Rehabilitation.
Medizinische Kompetenz.
In vier Leistungsbereichen führend.
Patienten nach Wirbelsäuleneingriffen,
Gelenksersatzoperationen und Unfall­
geschehen sowie mit Rückenproblemen,
Osteoporose oder rheumatischen Er­
krankungen können in der Klinik Schloss
Mammern auf höchste ärztliche und phy­
siotherapeutische Kompetenz vertrauen.
Bei medizinischen Fragestellungen oder
neu auftretenden Beschwerden ermög­
licht die moderne medizinische Infra­
struktur eine direkte Diagnostik vor Ort,
wodurch Rückverlegungen ins Akutspital
vermieden werden.
Zudem ist die Klinik Schloss Mammern für
Patienten ausgelegt, die eine sogenannte
Frührehabilitation benötigen, in der sie
ärztlich und pflegerisch intensiver über­
wacht werden.
Sollten bei den am Bewegungsapparat
operierten oder erkrankten Patienten zu­
sätzliche Erkrankungen vorliegen, so pro­
fitieren die Patienten in der Klinik Schloss
Mammern von den ebenfalls vorhande­
nen Therapieangeboten der kardiovasku­
lären, internistisch­onkologischen und
pneumologischen Rehabilitation.
Muskuloskelettale Rehabilitation.
Umfassendes Therapieangebot
vorhanden.
Rehabilitative Nachbehandlungen infolge
orthopädischer Eingriffe oder rheumato­
logischer Akuterkrankungen erfolgen auf
der Basis neuester wissenschaftlicher Er­
kenntnisse. Die oftmals starken Schmer­
zen am Bewegungsapparat behandeln
die Spezialisten gezielt mit Medikamen­
ten und schmerzdämpfenden Therapien
wie Massage und Myoreflextherapie. Da
Schmerzen und Einschränkungen im
Alltag oft sehr belastend wirken, stehen
bei Bedarf auch ein psychiatrischer und
ein seelsorgerischer Dienst zur Verfügung.
Unter engmaschiger ärztlicher Begleitung
«Mein Urgrossvater behandelte in der damaligen
Wasserheilanstalt noch mit eiskalten Sturzbächen.
Heute therapieren wir in der führenden Rehabilitation am
See nach neuesten medizinischen Erkenntnissen.»
Dr. med. Annemarie Fleisch Marx
und physiotherapeutischer Anleitung
gewinnen die Patienten während des
Aufenthalts ihre Beweglichkeit und Selbst­
ständigkeit zurück. Wo immer nötig,
werden die Patienten von der Ergothera­
pie und Pflege unterstützt, um ihre Eigen­
ständigkeit im Alltag wiederzuerlangen.
Das therapeutische Angebot entspricht
in allen Belangen dem einer modernen und
führenden Rehabilitation. Um den best­
möglichen Erfolg zu erzielen, sieht das
Behandlungskonzept individuell dosierte
Anwendungen in Form von Einzel­ und
Gruppentherapien vor. Die Behandlungen
finden zu Beginn oft im Patientenzimmer,
später in dem grosszügigen und hellen
Therapiegebäude sowie im weitläufigen
Parkgelände statt. Das Therapiegebäude
verfügt über Behandlungsräume, einen
multifunktionalen Gymnastiksaal, ein
Schwimmbad und neueste Trainings­
geräte.
Persönliches Einfühlungsvermögen.
Mit Herz und Verstand betreut.
Bei der täglichen Arbeit mit den Patien­
ten rückt das Zwischenmenschliche ins
Zentrum, was sich vor allem in der
fürsorglichen Pflege, der persönlichen
Betreuung und im herzlichen Umgang
widerspiegelt. Die in der Klinik Schloss
Mammern praktizierte Rehabilitation am
Bewegungsapparat aktiviert und fördert
die individuellen Ressourcen und zielt da­
rauf ab, die Patienten nach schwerer Er­
krankung oder erfolgter Operation so­
bald wie möglich in ein eigenständiges
und aktives Leben zu entlassen. Das hohe
Leistungs­ und Betreuungsniveau der
Mitarbeitenden wird auch durch die
Qualitätszertifizierung und die Mitglied­
schaft bei «The Swiss Leading Hospitals»
bestätigt.
Exquisite Gastronomie.
Gaumenfreuden geniessen.
Nach der Erfahrung der Chefärztin Dr.
med. Annemarie Fleisch Marx tragen
auch das aussergewöhnliche Ambiente,
die erstklassige Hotellerie und die exqui­
site Küche der Klinik Schloss Mammern
zum Wohlbefinden und damit zum Hei­
lungsprozess bei. Liebevoll zubereitete
Menüs und À­la­carte­Speisen sowie das
stilvolle Interieur im historischen Speise­
saal lassen das Essen zu einem besonde­
ren Genuss werden.
Erstklassige Hotellerie.
Von stilvollem Ambiente umgeben.
Mehr als 100 geschmackvoll eingerich­
tete Zimmer befinden sich in den reno­
vierten Gebäuden des 1621 erbauten
Schlosses und seinen modernen Neben­
trakten. Die stilvollen Wohn­, Schlaf­ und
Badezimmer sind mehrheitlich barriere­
frei. Die hellen Räume, die dem Charakter
einer erstklassigen Hotellerie entspre­
chen, vermitteln eine geborgene Privat­
sphäre. Für Angehörige stehen ebenfalls
ansprechende Übernachtungsmöglich­
keiten bereit.
In der direkten Klinikumgebung bietet
eine gepflegte Parkanlage mit mehr als
1’000 m direktem Seeanstoss viel Raum
für therapeutisches Gehtraining, beglei­
tete Spaziergänge und das Wiedererlan­
gen der Mobilität. Für grössere Ausflüge
sind die historischen Städte Schaffhau­
sen, Stein am Rhein, Konstanz und
St. Gallen gut erreichbar.
Listenspital für alle Kantone.
Als Listenspital kann die Klinik Schloss
Mammern Patienten mit muskuloskelet­
talen, kardiovaskulären, internistisch­
onkologischen und pneumologischen
Krankheitsbildern aus allen Kantonen zur
Frührehabilitation und Rehabilitation
aufnehmen. Informationen und Formu­
lare zur Kostengutsprache sowie zu den
Leistungsaufträgen stehen auf der Web­
seite der Klinik Schloss Mammern zum
Download bereit.
Angebot für die muskuloskelettale
Rehabilitation:
• Rheumatologische Diagnostik
und Therapie
• Physiotherapie
• Massage
• Ergotherapie
• Ernährungstherapie
• Rehabilitative Pflege
• Medikamentöse Schmerztherapie
• Psychiatrischer Konsiliardienst
Dr. med. Annemarie Fleisch Marx
Chefärztin, Fachärztin FMH für Innere
Medizin, Rheumatologie, Physikalische
Medizin und Rehabilitation
KLINIK SCHLOSS MAMMERN
Dr. A.O. Fleisch­Strasse 3, CH­8265 Mammern
www.klinik­schloss­mammern.ch
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Gesundheit 3

CULTURA / PLAINPICTURE

Es muss nicht unbedingt Physiotherapie sein. Man kann auch einfach tanzen oder schwimmen gehen, wenn es Spass macht.

«BlosskeineBettruhe!»
Ein Röntgenbild? Schonung? Spritzen? Wer unter starken Rückenschmerzen leidet,
wählt oft die falsche Behandlung. Der Schmerzmediziner Peter Sandor
räumt mit einigen Mythen auf und sagt, was wirklich hilft

NZZ am Sonntag: Geht es um Rücken-
schmerzen, wird oft Halbwissen herum-
gereicht. Stimmt etwa die verbreitete
Ansicht, dass hinter Rückenschmerzen
immer etwas Schlimmes stecke?
Peter Sandor: Nein. In den meisten
Fällen sind sie Zeichen einer Über-
lastung. Wir nennen das unspezifische
Schmerzen. Muskeln, Sehnen, Bänder
und Faszien am Rücken sind verspannt,
verhärtet oder gereizt – das tut weh. Zu
unspezifischen Schmerzen kann es
kommen, wenn man sich zu wenig
bewegt oder am Schreibtisch ständig in
der gleichen Position sitzt. Zum Arzt
braucht man nicht unbedingt zu gehen
– es sei denn, man kann Arme oder
Beine nicht mehr bewegen, hat Pro-
bleme mit Stuhlgang oder Wasserlösen,
spürt auf der Haut nichts mehr oder ist
auf den Rücken gestürzt. Denn dann
könnte eine konkrete Ursache dahinter-
stecken, etwa ein Bandscheibenvorfall
oder ein Wirbelkörperbruch.
Soll man bei akuten Rückenschmerzen
immer ein Röntgenbild machen lassen?
Nein. Ein Röntgenbild gibt sehr selten
hilfreiche Informationen. Nur wenn ich
nach der körperlichen Untersuchung
eine konkrete Ursache vermute, lasse
ich ein Bild der Wirbelsäule machen.
Zum Beispiel eine Computertomografie,
Peter Sandor
Peter Sandor ist Ärztlicher Direktor
Neurologie der Unternehmensgruppe
RehaClinic, zu der das Schmerzzentrum
in Bad Zurzach gehört. Er ist Präsident
der Schweizerischen Ärztegesellschaft
für Hypnose und war Vorstandsmit-
glied der Schweizerischen Gesellschaft
für das Studium des Schmerzes.
wenn jemand auf das Steissbein gefal-
len ist und höllische Schmerzen hat
– denn einen Bruch würde man auf
diese Weise gut sehen. Bei unspezifi-
schen Schmerzen ist meist kein Bild
notwendig. Das kann nur unnötig Angst
machen und überflüssige Untersuchun-
gen nach sich ziehen.
Muss man Rückenschmerzen in jedem
Fall behandeln?
Man kann sie auch einfach aushalten,
wenn sie nicht so schlimm sind. Kreuz-
schmerzen bessern sich in den meisten
Fällen innerhalb weniger Wochen von
selbst. Das Wichtigste ist: in Bewegung
bleiben. Sind die Schmerzen zu stark,
kann man für kurze Zeit nichtsteroidale
Antiphlogistika, COX-2-Hemmer oder
Metamizol nehmen. Paracetamol wird
nicht empfohlen, weil das nicht so gut
wirkt. Helfen können auch Akupunktur,
Physiotherapie oder Entspannungs-
übungen.
Wie sieht es mit hinlegen aus – ist das eine
gute Sache?
Bloss nicht! Bettruhe erhöht das
Risiko, dass die Schmerzen chronisch
werden, sie verzögert die Heilung, die
Muskeln schwinden allmählich, und
man bekommt eher eine Thrombose.
Am besten bewegt man sich so, wie im
Alltag sonst auch, oder man versucht es
zumindest. Man kann – einfach ganz
vorsichtig – auch das machen, was
einem Spass macht: Muskeltraining,
Aerobic, Yoga, Pilates, Tai Chi, tanzen
oder schwimmen.
Sind Spritzen empfehlenswert?
Bei akuten Rückenschmerzen würde
ich die Finger davon lassen und eher
Schmerzmittel nehmen und mich bewe-
gen. Die Schmerzen verschwinden mit
Spritzen nicht besser, aber diese können
ziemlich weh tun.
Bewahrt einen Rückentraining im Fit-
nessstudio vor Rückenschmerzen?
Auch ohne Studio kann man sich
bewegen und sein Risiko senken. Es gibt
aber keine Garantie: Selbst wer regel-
Kreuzschmerzen
bessern sich in den
meisten Fällen
innerhalb weniger
Wochen von selbst.
mässig trainiert, kann Rückenschmer-
zen bekommen.
Bedeutet ein Bandscheibenvorfall
zwangsläufig operieren?
Nein, die Bandscheibe fällt ja nicht
hinaus, sondern es wölbt sich nur das
Innere der Bandscheibe vor. Als würde
man sich auf ein kaputtes Sofakissen
setzen und plötzlich kommt der
Schaumstoff raus. Je nachdem, wohin
Bandscheiben sich hinwölben, kann das
unterschiedliche Beschwerden machen.
Der Körper baut die vorgefallene Band-
scheibe von selbst ab. Man hat nach
einem Jahr die gleichen Beschwerden
– egal, ob man operiert oder nicht. Will
man aber schnell wieder fit sein, ergibt
eine Operation durchaus Sinn. Gefähr-
lich ist es, wenn das «Sofakissen» auf
Nerven drückt und man Probleme mit
Stuhlgang und Wasserlösen hat: Dann
muss sofort operiert werden.
Hilft Wärme immer gegen Rücken-
schmerzen?
Nicht in jedem Fall. Bei Muskelver-
härtungen schon, bei einer entzünd-
lichen Wirbelsäulen-Krankheit hin-
gegen nicht. Zudem ist es individuell
unterschiedlich: Der eine hasst Wärme,
der andere liebt sie.
Interview: Felicitas Witte

Impressum: Chefredaktion: Luzi Bernet, Redaktion: Regula Freuler, Gestaltung: Hanspeter Hösli, Bildredaktion: Sybil Tschopp, Verlag: NZZ am Sonntag, Postfach, 8021 Zürich
4 Gesundheit NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

DerRücken
kommtimmerdran Kraft, Stabilität, Gleichgewicht: Rückenpatienten müssen gezielt trainieren, um nach
einer Operation oder einem Unfall wieder auf die Beine zu kommen. Besuch in der
Physiotherapie in Bad Zurzach Von Irène Dietschi

D
er hier ist schlimm, oder?», Patientinnen und Patienten nach einem

FOTOS: GABI VOGT

sagt Physiotherapeut
Lukas Kaiser. Sanft, aber
unerbittlich drückt er mit
den Fingern auf den Trig-
gerpoint. Die Patientin auf
der Liege heisst Annelies Fellner, sie hat
Jahrgang 1939. Sie stöhnt kurz auf, dann
schickt sie sich in das Geschehen, 20
Sekunden lang. Es ist ihr Gesäss, das
Lukas Kaiser behandelt, mit fliessenden
Bewegungen seiner Hände und Arme, von
denen der linke kunstvoll tätowiert ist.
«Die arbeiten wir jetzt alle einmal durch»,
sagt er und nimmt sich den nächsten Trig-
gerpoint vor – eine von zahlreichen mus-
kulären Verhärtungen, die Annelies Fell-
ners Rückenmuskeln verspannen.
Es ist Mittwochnachmittag in der
Reha-Clinic Bad Zurzach. Die Rehaklinik
in unmittelbarer Nähe des Thermalbads
hält ein umfangreiches medizinisches
und therapeutisches Angebot bereit, um
Unfall, einer Operation oder schweren
Krankheit wieder auf die Beine zu helfen.
An sieben Klinikstandorten ist sie mit
ihren Angeboten aktiv.
Ein wichtiger Teil davon ist Physio-
therapie. In einem luftigen Behandlungs-
zimmer, welches die Aussicht über Bad
Zurzach freigibt, behandelt Lukas Kaiser
im Halbstundentakt. «Mir gefällt die
Arbeit», sagt der 25-Jährige, «weil sie
teamorientiert und vielfältig ist und
mein ganzes Fachwissen fordert.»
Viele Patienten erholen sich in Bad
Zurzach von einem spezifischen Rücken-
leiden. Doch selbst wenn jemand etwa
wegen der Hüfte hier ist, kommt der Rü-
cken in der Physiotherapie praktisch
immer dran, sagt Kaiser.
Annelies Fellner liegt auf dem Bauch
und beschreibt ihre Beschwerden. Sie hat
eine schlechte Nacht gehabt, Zahnweh,
deswegen geht es ihr im Moment nicht so Stärken mit Gummiband: Lukas Kaiser und Patientin. (Bad Zurzach, 7. 11. 2017)

WER DIE SCHWIERIGSTE ZEIT

SEINES LEBENS MEISTERT,
WILL VERTRAUEN.
Nach einer Krebsdiagnose gerät die Welt aus den Fugen. Jetzt ist es wichtig,
dass die medizinische Versorgung nicht auch zur Belastung wird. Dank der
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gut. Sie sei zwei Wochen zuvor am Rü-
cken operiert worden, erzählt sie. Ver-
engter Spinalkanal – eine Diagnose, die
ältere Menschen häufig trifft und die zu
Gehproblemen und Schmerzen in den
Beinen führt. Nach dem Eingriff sollten
die Patienten ihre Wirbelsäule etwa
sechs Wochen lang nicht belasten, so
stehe es in praktisch jeder ärztlichen Ver-
ordnung, erklärt Lukas Kaiser. «Dennoch
ist es wichtig und auch möglich, be-
stimmte Muskeln zu trainieren.»
Zusammenspiel der Muskeln
Bei Annelies Fellner ist es die Gesässmus-
kulatur, die gekräftigt werden muss. Weil
diese momentan geschwächt ist, hält sich
die Patientin etwas vornübergebeugt.
Kaiser sieht diese Haltung häufig: «Der
Rücken und die Hüftbeuge neigen zum
Verspannen, Bauch und Gesäss neigen
zur Abschwächung», erklärt er. Er fährt
die Liege runter, hilft Annelies Fellner
aufzustehen und begleitet sie zur Spros-
senwand. Jetzt ist Arbeit angesagt: Die
Patientin bekommt ein elastisches Band
um die Oberschenkel gebunden, nun soll
sie die Beine seitlich leicht ausscheren,
abwechselnd links und rechts. «Sie haben
ganz viele Muskeln im Gesäss», sagt der
Physiotherapeut zu seiner Patientin, «die
wollen wir jetzt aktivieren.»
Doch Annelies Fellner weicht der An-
strengung aus, indem sie die Zehenspit-
zen nach aussen biegt. Lukas Kaiser be-
gibt sich in die Hocke und steuert die Be-
wegung behutsam in den richtigen Ab-
lauf. Rechts geht es besser. Dann folgt
eine lockere Variante mit Ausfallschritten
rückwärts – kein Problem für die Patien-
tin. «Noch drei, zwei, eins – gut ge-
macht», lobt der Physiotherapeut.
Elisabeth Ciprian ist als Nächste dran.
Sie wurde ebenfalls wegen eines vereng-
ten Spinalkanals operiert. Bei der 80-Jäh-
rigen hatte der Eingriff zu Komplikatio-
nen am Darm geführt. Fünf Wochen ver-
brachte sie deswegen im Spital, sie ist
noch immer geschwächt. Bei ihr gehe es
in der Physiotherapie vor allem darum,
Gleichgewicht und Rumpf zu stabilisie-
ren sowie die Beinkraft wiederherzustel-
len, erklärt Kaiser.
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Ausfallschritt links, Ausfallschritt rechts: Lukas Kaiser zeigt einer Patientin Übungen an der Sprossenwand.
Er hilft der Patientin vorsichtig, sich
rücklings auf die Liege zu betten. Es fol-
gen leichte Übungen für die Bauch-
muskulatur – den «Transversus», wie
Kaiser sagt, der den Rumpf umspannt
«wie ein Korsett»: «Rechtes Bein anzie-
hen, das linke zehnmal strecken», fordert
der Physiotherapeut die Patientin auf,
«und zwischendurch immer wieder
nachspannen.» Ob das Elisabeth Ciprian
auch gelingt, kontrolliert er mit geübten
Handgriffen. Gesteigert wird die Bauch-
spannung, indem die Patientin den Kopf
anhebt und die Arme streckt, gerade
nach oben, «ist es richtig so?», will sie
wissen. «Solange Sie keine Situps und
Crunches machen», entgegnet der junge
Mann lachend. Elisabeth Ciprian blickt
verwundert – das Fitnesscenter-Vokabu-
lar kennt sie nicht.
Dass der Rücken immer trainiert wird,
auch wenn es um andere Körperteile
geht, zeigt die Therapiesitzung von Helga
Ritter: Bei ihr ist es das Iliosakralgelenk,
das Probleme bereitet, in der Reha-Spra-
che geläufig unter der Abkürzung ISG.
5
Lukas Kaiser zeigt an einem Skelett, das
neben der Liege steht, wo sich das ISG be-
findet: im Becken zwischen Kreuz- und
Darmbein, ein «Gelenk», das die Funk-
tion eines solchen kaum erfüllt, weil es
praktisch fix ist. Bei Helga Ritter steht
das linke ISG zu weit hinten, dadurch ist
das ganze Becken schief. «Ich konnte auf
einmal nicht mehr vom Sessel aufste-
hen», erzählt sie. Jetzt liegt die Patientin
mit dem Bauch halb auf der Liege, ihr
rechtes Bein hängt nach unten. «Es ist ein
komplexes Zusammenspiel der Muskeln,
welches das ISG steuert, sagt Kaiser. Ziel
der Übungen ist, das Gelenk bei Helga
Ritter allmählich nach vorne zu schie-
ben.
Kleine Übung, grosse Wirkung
Schliesslich ist die Reihe an der 77-jähri-
gen Ursula Sprenger. Sie kommt in Be-
gleitung ihres Mannes, der sie im Roll-
stuhl in den Behandlungsraum schiebt.
Eine schlanke, attraktive Frau mit flot-
tem Kurzhaarschnitt, die aber durch das
starre Korsett, das bis zum Hals ihren
Oberkörper umgibt, den Eindruck macht,
als sei sie in einen Schraubstock ge-
zwängt. Langsam steht sie aus dem Roll-
stuhl auf: «Der Rücken zwickt schon»,
sagt sie zu Lukas Kaiser zur Begrüssung,
«am Morgen habe ich Barrenübungen ge-
macht.» Jetzt geht es weiter mit Übungen
an der Sprossenwand: Ausfallschritte,
links und rechts, hoch und runter auf
dem Balance-Pad, erst mit geöffneten,
dann geschlossenen Augen, dann die ers-
te Sprosse mit den Zehenspitzen antip-
pen, links und rechts, links und rechts.
«Kleine Übungen mit grosser Wirkung»,
sagt Helga Sprenger lachend.
Drei Wochen zuvor war ihr nicht ums
Lachen: Sie war nachts im Dunkeln die
Treppe hinuntergestürzt, hatte sich Hals-
und Brustwirbel gebrochen und eine Ge-
Die Fähigkeit des hirnerschütterung zugezogen. Jetzt ist
Körpers, sich selbst sie auf dem langsamen Weg zurück zur
zu heilen, ist Mobilität. «Ich bin zuversichtlich, dass es
gelingt», sagt sie mit fester Stimme.
erstaunlich. Lukas Kaiser nickt. Physiotherapie sei im
Grunde Hilfe zur Selbsthilfe, sagt er. «Die
Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu hei-
len, ist wirklich erstaunlich.»
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6 Gesundheit
Walter Karlen leitet das Labor für Mobile Gesundheitssysteme der ETH Zürich. Er und sein Team arbeiten im hellen «Open Space»-Campus Balgrist. (Zürich, 20. November 2017)
DigitaldenRückenfordern
Forscher der ETH Zürich entwickeln eine Gesundheits-App fürs Mobiltelefon. Die gesammelten Daten
sollen zur Entwicklung neuer Programme gegen Rückenschmerzen dienen. Von Regula Freuler
W
ie erforscht man
bestimmte Verhal-
tensmuster, ohne
dass die Probanden
merken, dass sie
an einer Studie teil-
nehmen? Zum Beispiel, indem man die
eigentliche Fragestellung versteckt.
So machen es Walter Karlen und sein
Team von der ETH Zürich. Seit April sind
sie daran, die Smartphone-App «Swiss
Health Challenge» zu entwickeln. Damit
wollen die Forscher Tausende von Men-
schen mit Rückenbeschwerden mitein-
ander vernetzen, um neue Ansätze für
Therapie und Prävention zu erarbeiten.
Vermarktet wird die Studie aber als
allgemeine Gesundheits-App – warum?
«Etwa die Hälfte der Menschen mit
Rückenschmerzen geht nie oder erst sehr
spät zum Arzt, das heisst, sie sind offiziell
keine Patienten und identifizieren sich
nicht also solche», sagt Karlen. «Bei einer
‹App für Menschen mit Rückenleiden›
würden sie nicht mitmachen.» So aber
erreichen die Forscher auch jene Men-
schen, die auf dem Weg sind, Rücken-
patienten zu werden. «Ein paar Kandi-
daten sitzen möglicherweise um uns
herum», sagt der Assistenzprofessor des
Departements für Gesundheitswissen-
schaften und Technologie und Leiter des
Labors für mobile Gesundheitssysteme
der ETH. Lächelnd deutet er auf die Nuss-
gipfel-Haltung, in der viele der jungen
Menschen im Campus Balgrist, wo Kar-
len und sein Team forschen, in den Stüh-
len hängen. Von den Stehpulten macht
auch gerade niemand Gebrauch.
Die «Swiss Health Challenge»-App
wird im Rahmen des Nationalen For-
schungsprogramms «Big Data» ent-
wickelt. Das Projekt verfügt über ein
Budget von 600 000 Franken und läuft
über vier Jahre. Anfang nächstes Jahr
wird die App lanciert. Aus den gewon-
nenen Erkenntnissen werden Software-
Modelle entwickelt, die den Nutzern
individualisierte Präventionsmassnah-
men vorschlagen.
Warum der Fokus Rückenschmerzen?
«Erstens, weil wir damit eine grosse und
vielfältige Teilnehmergruppe haben, und
zweitens, weil Rückenschmerzen mit
enormen volkswirtschaftlichen Kosten
verbunden sind», sagt Karlen. In der Tat:
Rund 85 Prozent der Schweizer Bevölke-
rung sind im Leben mindestens einmal
von Rückenschmerzen betroffen. Die
jährlichen Kosten werden auf über eine
Milliarde Franken geschätzt.
Meistens lassen sich diese Schmerzen
auf keine spezifische Ursache zurück-
führen, und sie verschwinden innerhalb
weniger Wochen wieder. Wer länger als
zwölf Wochen leidet, gilt als chronischer
Rückenpatient. Dazu kommen – in rund
15 Prozent der Fälle – spezifische Ur-
sachen wie ein Bandscheibenvorfall.
Wer schläft am längsten?
Obwohl die «Swiss Health Challenge»
nicht auf Patienten mit spezifisch ver-
ursachten Rückenleiden zielt, werden
diese trotzdem in die App integriert.
«Wir ziehen Ergebnisse aus klassischen
Studien, die bereits vorliegen, in die
Algorithmen ein», sagt Karlen.
Dazu gehören Daten aus einer Studie
zu Parkinson sowie aus einem älteren
Projekt des Schweizerischen National-
fonds zum Thema Schmerz. «Auf diese
Weise ist die neue App von Anfang an
dynamisch.» Das ist insofern wichtig, als
mit ihr nur über einen Zeitraum von zwei
Jahren Daten gesammelt werden.
Unter Karlens Leitung arbeiten zwei
Doktoranden am Projekt: die Psycholo-
gin Anita Meinke und der Informatiker
Patrick Schwab. Schwab widmet sich den
Algorithmen, mit denen die App perso-
nalisiert werden und auf Basis deren man
Verhaltensmuster herausfiltern kann. Er
ist heute nicht anwesend, weil er die
neusten Resultate zur Parkinson-Studie
in New York an einer Konferenz zur
maschinellen Erkennung von digitalen
Biomarkern vorstellt.
Anita Meinke entwickelt die soge-
nannten Challenges. Das sind Aufgaben,
bei denen die Benutzer ihr Verhalten
messen. Zum Beispiel kann man an-
geben, wie viele Treppen man am Tag
steigt. Vieles wird automatisch gemes-
sen, das heisst, die Teilnehmer müssen
wenig Fragebögen ausfüllen. «Wichtig
ist, dass die Challenges thematisch breit
aufgestellt sind und dass sie sich gut
in den Alltag integrieren lassen», sagt
Meinke. Sie weiss: Der Mensch neigt zur
Trägheit, und die Aussteigerquote bei
Vorgaben zur Förderung von Gesundheit
und sportlicher Betätigung ist hoch.
Die Psychologin klappt ihren Laptop
auf. Auf dem Bildschirm erscheinen
erste, provisorische Designs der App. Das
Startbild zeigt Stehpaddler auf dem Zü-
richsee, das Wasser glitzert im Sonnen-
licht. Es sieht eher wie ein Prospekt für
ein Achtsamkeitsseminar als nach Rü-
ckentraining aus. «Darum geht es eben-
falls in der App», sagt Meinke. «Manche
Challenges widmen sich der Entspan-
nung und dem Schlafverhalten.» So kann
man etwa messen, ob man jeden Tag zur
selben Zeit zu Bett geht. Auch Ernährung
ist ein Thema. Diese Daten kann Walter
Karlen, der zu zahlreichen weiteren The-
men im Mobile-Health-Bereich forscht,
noch anderweitig nutzen.
Weitere Ideen für Challenges liefern
die Partner des Projektes: das Universi-
tätsspital Zürich, die Universitätsklinik
Balgrist «Move>Med» sowie der Medizin-
gerätehersteller Hocoma. Karlen ist auch
im Austausch mit Organisationen wie der
Rheumaliga, dem Fachverband Public
Health Schweiz und der Suva.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
FOTOS: KILIAN J. KESSLER
Die Challenges sollen nicht offensicht-
lich auf die Verbesserung des eigenen
Verhaltens abzielen. «Wenn die Benutzer
zu viel optimieren sollen, sinkt ihre Moti-
vation», sagt Karlen. Ein grosser Teil der
Challenges besteht darin, dass man sich
mit anderen Gruppen vergleicht. «Wir
spielen auch mit regionalen Stereotypen
und werten die Daten nach Fragen aus
wie ‹Schlafen Zürcher länger als Genfer?›
oder ‹Gehen Berner langsamer über die
Strasse als Basler?›»
Jeder ist ein Forscher
Sobald die App lanciert ist, wird sie lau-
fend optimiert, je nachdem, was die
Leute interessiert oder selbst vorschla-
gen. Man nennt das «Citizen Science»:
Der Einbezug von Laien in die Forschung.
In einem zweiten Schritt kommen
sogenannte Interventionen dazu, eben-
falls digital und personalisiert: Die App
Doktorandin Anita Meinke ist Psycho- liefert Übungen gegen Rückenschmer-
login. Sie entwickelt die sogenannten zen. Interventionen bekommen jene
Challenges für die Rücken-App. Teilnehmer, deren Daten ein Risiko für
Rückenschmerzen aufzeigen.
Die «Swiss Health Challenge» ist in
zahlreicher Gesellschaft: Es gibt Zehn-
tausende von Gesundheits-Apps. Auf
ihnen lastet die Hoffnung, nicht nur
bessere Einsichten in Krankheitsbilder
zu gewinnen, sondern auch Gesund-
heitskosten zu senken. Studien über ihre
Wirksamkeit fielen bisher unterschied-
lich aus. Das weiss auch Walter Karlen.
Wichtig ist, dass die Nutzung realistisch
gestaltet ist. «Wer viel körperlich arbei-
tet, muss nicht noch täglich eine Stunde
Joggen gehen. Ebenso wenig zielführend
Die jährlichen Kosten ist es, jemandem täglich vorzuführen,
wie viele Kilogramm er zu viel wiegt.»
wegen Rückenleiden Für den Nutzen der Studie spielt es
werden auf über denn auch kaum eine Rolle, ob jemand
die App nun täglich oder nur alle drei
eine Milliarde Wochen benützt: Bei Big Data erledigt
Franken geschätzt. das die Masse von selbst.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Esistein
Kreuz
Wer mit Rückenschmerzen zum Arzt geht,
kann viel erleben. Leider selten etwas, das
hilft. Wie ich lange nach den Ursachen
meiner Schmerzen suchte – und wie ich
sie am Ende doch noch in den Griff
bekam. Von Frederik Jötten
A
ls Kind sammelte ich Bier-
deckel und Briefmarken.
Als Rückenschmerz-
patient wurde ich unge-
wollt wieder zum Samm-
ler – von Bildern aus Rönt-
gengeräten und Kernspintomografen.
Jeder Arzt schickte mich zum Röntgen
oder in die Kernspin-Röhre. Wenn ich
nicht irgendwann begonnen hätte, mich
neuen Röntgenbildern wegen der Strah-
lenbelastung zu verweigern, könnte ich
damit heute meine gesamte Wohnung
tapezieren. Jetzt ist es nur die halbe. Die
Bilder haben durchaus Posterformat, und
die Motive, die bei mir eingelagert sind,
hätten das Potenzial, mich froh zu ma-
chen. Denn dort, wo es mich schmerzte,
an der Lendenwirbelsäule, sieht man
keine Schäden. Ich hatte sogenannte
«unspezifische Rückenschmerzen», wie
80 Prozent aller Patienten: keine Ursache
zu sehen auf Bildern.
Es fühlte sich anders an. Der Schmerz
war Jahre zuvor nach einem langen Büro-
tag wie ein Stich in meinen Rücken ge-
fahren, links, direkt oberhalb vom Ge-
säss. Seitdem kam er immer wieder.
Wenn er da war, bewegte ich mich in Zeit-
lupe, um ihn bloss nicht zu provozieren.
Jeder Schritt fiel mir schwer. Manchmal
schien sich die Klinge in meinem Rücken
zu drehen, so dass die Schmerzregion
grösser wurde. Dann strahlte er aus, ins
linke Bein bis unter die Fusssohle.
Zweimal eine neue Matratze
Natürlich ging ich während meiner
Rückenschmerzgeschichte nicht nur
zum Arzt, sondern analysierte meinen
gesamten Lebenswandel. Weil Rücken-
schmerzen allgegenwärtig sind und
quasi mit allem zusammenhängen kön-
nen, ist nichts davor sicher, als Auslöser
ins Visier genommen und ausgemistet zu
werden. Möbelstücke, Gewohnheiten,
Partner – alles steht zur Disposition.
Am Anfang die Möbel. Ich tauschte
zweimal meine Matratze – doch auch die
Sieben-Zonen-Kaltschaum-Matratze, ge-
lagert auf einem Lattenrost aus 42 Multi-
Federleisten, die jeweils in einer kipp-
baren 3er-Kautschuk-Kappe steckten,
«Heute stehe ich wieder mitten im Leben.»
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Gesundheit 7
JAMES KING-HOLMES / SCIENCE PHOTO LIBRARY / KEYSTONE
hatte keinen schmerzlindernden Effekt.
Zuerst dachte ich, ich hätte mit meinem
Hintern die richtige Zone verpasst – dann
sah ich, dass ich dafür schon komplett
quer hätte im Bett liegen müssen (was
ich nicht tat).
Währenddessen ging meine Arzt-
Odyssee weiter. Der eine Orthopäde ver-
bot mir das Joggen, der nächste jagte mir
eine Schmerzmittelinjektion in den Hin-
tern, seine Kollegin wollte mich mit Ein-
lagen kurieren, die meine Fussreflex-
zonen massierten – nichts half. Ein vier-
ter Arzt wollte mir schliesslich die Ner-
ven zwischen Gehirn und Rücken still-
legen, sie quasi taub machen, mit 60Grad
kaltem Gas. Ich ergriff die Flucht.
Kurze Zeit später beschloss ich, eine
Praxis 500 Kilometer entfernt von mei-
nem Wohnort aufzusuchen, weil in die-
ser interdisziplinär untersucht und be-
handelt wurde. Als ich das Wartezimmer
des Behandlungszentrums betrat, sass
niemand auf den Ledersesseln. Die einzi-
gen beiden Wartenden standen in zwei
Ecken des Raumes. Wahrscheinlich aus
Angst, einmal auf der Sitzfläche ange-
kommen, nie wieder aus dieser Untiefe
emporkommen zu können.
Der Arzt schaute sich wirklich meine
Muskulatur an und diagnostizierte eine
Muskelschwäche. Das wurde direkt an Manche Patienten könnten mit Röntgenbildern die Wohnung tapezieren. Hier das Bild einer gesunden Wirbelsäule.
den Physiotherapeuten weitergegeben,
der danach sein Programm ausrichtete:
keine Massagen, sondern Training der Vier Jahre später. Es klingt absurd, Gelegentlich habe ich Schmerzen, aber
tiefen Muskulatur, vor allem am Bauch, aber durch meine Rückenschmerzen bin 90 Prozent weniger als früher. Es war
weil der den Rücken festhalte. Und ich so fit geworden, wie noch nie vorher wichtig für mich, zu lernen, dass es nor-
immer wieder das Mantra: Bloss nicht in meinem Leben – weil ich jetzt weiss, mal ist, manchmal Rückenschmerzen zu
schonen. Immer aktiv bleiben. Krafttrai- dass mein Körper Bewegung braucht. Ich haben. Dann warte ich ab, versuche aber
ning, Joggen? Unbedingt weitermachen! Meine Muskeln sind gehe dreimal in der Woche joggen, fahre gleichzeitig alles, auch den Sport, wie ge-
Schliesslich hatte ich noch einen Ter- angespannt, wenn ich Ski, mache Krafttraining und jeden Tag wohnt zu machen. Wenn der Schmerz
min bei einer Psychologin. Bis dahin
hatte ich immer gedacht, es gebe keinen
gestresst bin. Darum 10 Minuten lang Übungen für die tiefe
Bauchmuskulatur. Es müssen übrigens
besonders schlimm ist, nehme ich ein
Medikament, mache Dehnübungen.
Zusammenhang zwischen Psyche und atme ich dann tiefer nicht genau diese Übungen sein. Pilates Natürlich ist jeder Rückenschmerz
Rückenschmerzen, zumindest nicht bei durch und versuche, und Yoga etwa sind für deren Stärkung individuell. Was mir geholfen hat, hilft
mir. Die Psychologin legte mir dann Elek-
troden an meine Rückenmuskeln – Bio-
mich zu entspannen. genauso gut. nicht jedem. Aber wenn es eine allge-
meingültige Lehre gibt aus meinem Fall,
feedback. Sie zeigte mir, dass meine Mus- 90 Prozent weniger Schmerzen dann ist es die: Es gibt keine Matratze
keln angespannt waren, wenn ich ge- Ich beobachte mich. Bin ich gestresst, und keinen Guru, die einem langfristig
stresst war. Umgekehrt entspannten sie dann atme ich tiefer durch und versuche den Rückenschmerz nehmen können. Es
sich, wenn mein Geist sich entspannte. mich zu entspannen. Im Moment sitze hilft nur, selbst etwas tut. Den Körper
So lernte ich, dass Stress ganz einfach zu ich aufrecht und habe keine Schmerzen. und den Geist zu bewegen, mag anstren-
Muskelverspannungen führen kann. Das ist toll – aber es ist nicht immer so. gend sein, aber es lohnt sich.
Al oft viel Kraft.
Wie
8 Gesundheit
MitSamthandschuhen
ansSkalpell
B
ereits um das 25. Lebensjahr
herum fangen die Band-
scheiben an zu degenerie-
ren. Besonders die Lenden-
wirbelsäule ist betroffen.
Normale Alterung und Ab-
nutzung sowie Bewegungsmangel setzen
den jeweils zwischen zwei Wirbel-
körpern eingebauten polsterartigen Puf-
fern aus weichem Gallertkern und hal-
tendem Bindegewebsring aus Faserknor-
pel zu: Es kann zu Bandscheibenvorwöl-
bungen und -vorfällen kommen. Diese
können beschwerdefrei bleiben. Aber
immer, wenn der Faserknorpelmantel
einreisst und die austretende Gallert-
masse auf einen Nerv beziehungsweise
eine Nervenwurzel drückt, wird es
schmerzhaft. Welche Methoden zur
Behandlung gibt es?
Das Mittel der ersten Wahl sind
konservative Behandlungsansätze wie
Schmerzmittel, Physiotherapie, Kran-
kengymnastik sowie Infiltrationsthera-
pie, bei der flüssige Medikamente wie
Kortison direkt an den Ort der Schmerz-
entstehung gespritzt werden. Wenn
möglich, sollte man zuerst sechs Wochen
konservativ behandeln, statt gleich zu
operieren, weil die Bandscheibe Wasser
verliert und der Druck auf den Nerv dann
auch ohne OP etwas nachlässt.
Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen
ist aber eine Operation nötig, in manchen
Fällen sofort. «Eine Operation sollte
erfolgen, wenn deutliche Lähmungs-
erscheinungen auftreten, Blase oder
Darm nicht mehr kontrolliert werden
können», sagt Andreas Raabe, Direktor
der Klinik für Neurochirurgie am Insel-
spital in Bern. Eine Operation ist auch nö-
tig, wenn Schmerzen in den Beinen und
Gefühlsstörungen nach sechs- bis zwölf-
wöchiger konservativer Therapie nicht
besser werden.
Operationsmethoden
Ein Bandscheibenvorfall wird heutzu-
tage so wenig invasiv wie möglich ope-
riert. Ziel einer Operation ist es, vorgefal-
lenes Bandscheibengewebe zu entfer-
nen, um den Nerv zu entlasten. In 90
Prozent der Fälle sind die Schmerzen
nach dem Eingriff deutlich besser oder
weg. Dabei wird zwischen zwei Metho-
den unterschieden.
Bei der einen handelt es sich um die
mikrochirurgische Diskektomie. Sie er-
Bandscheibenvorfälle und Spinalkanalstenosen können oft
konservativ behandelt werden. Mitunter lässt sich eine
Operation nicht vermeiden. Einige Hinweise, wie therapiert
werden sollte. Von Gerlinde Felix
folgt unter Vollnarkose. Im betroffenen
Segment der Wirbelsäule bringt der Chir-
urg einen senkrechten, etwa zwei bis drei
Zentimeter langen Hautschnitt an und
präpariert das darunter liegende Ge-
webe. Mit dem Blick durch ein Spezial- Der Einsatz von Hitze
mikroskop ins Innere des Körpers holt er heizt degenerative
vorgefallenes Bandscheibenmaterial mit
einer winzigen Zange heraus («Diskus»
Prozesse erst richtig
für Bandscheibe, «ektomie» für Entfer- an. Diese Verfahren
nung). Lähmungen und Gefühlsstörun- sind somit stärker
gen verschwinden zu etwa 80 Prozent, so
Bernhard Meyer, Direktor der Neurochir-
invasiv als andere.
urgischen Klinik und Poliklinik der TU
München.
Die andere Methode ist die minimal-
invasive endoskopische Diskektomie
(«Schlüssellochchirurgie»). Oft ist diese
Methode unter lokaler Betäubung mög-
lich, benötigt einen Hautschnitt von
etwa einem Zentimeter Länge. Die Mus-
keln müssen nicht gelöst werden, wes-
halb das Verfahren sehr gewebescho-
nend ist. Der Chirurg sieht aber nur das
Bild, das eine zum Bandscheibenvorfall
vorgeschobene Miniaturkamera auf-
nimmt. «Der Blickwinkel ist einge-
schränkt. Eigentlich zu entfernendes
Bandscheibengewebe kann übersehen
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NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
werden und später Probleme bereiten»,
bemängelt Andreas Raabe bei dieser
Methode. Im Vergleich liegt eine etwas
geringere Verbesserung der Schmerzen
in Beinen und Rücken vor.
Allerdings hat die endoskopische
Diskektomie auch Vorteile: Man bleibt
kürzer im Spital, sie ist gewebeschonen-
der, die Rate von Infektionen ist kleiner.
«Die Einsatzmöglichkeiten sind jedoch
beschränkt auf frische Bandscheibenvor-
fälle mit akuten Symptomen, deren zeit-
licher Beginn feststeht, sowie auf Vor-
fälle mit leicht zu ‹fischenden› abgelös-
ten Teilen», so der Chefarzt der Wirbel-
säulenchirurgie Mazda Farshad von der
Zürcher Universitätsklinik Balgrist. Für
über längere Zeit bestehende und bereits
etwas verknöcherte Vorfälle sei sie nicht
geeignet. Ausserdem erfordert dieses
Verfahren viel Übung.
Mitunter operieren Ärzte bereits
Bandscheibenvorwölbungen (aber auch
-vorfälle) mit speziellen minimal-invasi-
ven Verfahren. Bernard Meyer sieht jene
kritisch, bei denen mittels Hitze oder
mittels von Laserimpulsen freigesetzter
Energie gezielt gesundes Bandscheiben-
gewebe im Bandscheibenkern zerstört
 9

Beschwerden. Wie entstehen sie? Eine

ARNO MASSEE / SCIENCE PHOTO LIBRARY / KEYSTONE

Bandscheibe, die an Höhe verloren hat,
aber dafür breiter ist, führt zu einer
Lockerung im betroffenen Bewegungs-
segment. Sie löst dadurch degenerative
Prozesse aus: Es bilden sich zum Beispiel
fortschreitende knöcherne Anbauten an
den Wirbeln und verdickte Bänder – der
Versuch des Körpers, das lockere Seg-
ment zu stabilisieren.
Die Folge ist fatal: Der Wirbelkanal
wird eingeengt, und die Spinalnerven
können unter Druck geraten. Von der
Gehstrecke abhängig werden die Beine
müde und kraftlos, oder ischiasartige
Schmerzen treten auf.

wird. Dadurch soll die Bandscheibe
schrumpfen und sich die Vorwölbung zu-
rückziehen. «Hitze heizt degenerative
Prozesse erst richtig an. Diese Verfahren
sind somit stärker invasiv als andere»,
kritisiert Meyer. Es gebe keine wissen-
schaftlichen Beweise dafür, dass sie tat-
sächlich helfen, sagt auch Farshad.
Sowohl die mikrochirurgische als auch
die minimal-invasive endoskopische
Diskektomie bergen Risiken. Manchmal
wird die Rückenmarkshaut verletzt (bei
4 bis 5 Prozent der Fälle), gelegentlich
treten Nachblutungen und Vernarbun-
gen (3 bis 5 Prozent) auf. Letztere können
am Nerv ziehen. Selten werden Nerven
verletzt (<1 Prozent).
Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Operier-
ten tritt in den Jahren nach der OP erneut
ein Bandscheibenvorfall auf, da der De-
fekt am Faserknorpel nicht mehr richtig
zuheilt. Der Verschluss des Faserknorpel-
defektes sei noch ein Problem, sagt Bern-
hard Meyer.
Die Bandscheiben können noch auf
andere Weise zu Beschwerden führen.
Sie sind Auslöser, wenn sich Engstellen
(Stenosen) zwischen Wirbeln am Wir-
belkanal bilden. Etwa jeder Fünfte über
60 Jahren hat Stenosen, häufig ohne
Ab unters Spezialmikroskop
Eine konservative Behandlung bringt
vielen Betroffenen eine Besserung. Aber
nicht allen, zumal der Knochen sich wei-
ter verdicken kann, wodurch sich die
Verengungen verschlimmern. Dann wird
eine Operation unumgänglich. «Wir ver-
suchen die verengten Stellen wieder zu
weiten, um Druck von den Nerven zu
nehmen», sagt Mazda Farshad.
Der Goldstandard hierfür ist heute die
mikrochirurgische Dekompressions-
Operation unter einem Spezialmikro-
skop. Es wird etwas vom Knochen, der
auf den Nerv drückt, «weggeknabbert».
Die Wirbelsäule bleibt dabei stabil. Die
Risiken des Eingriffs sind ähnlich jenen,
die bei der mikrochirurgischen Diskekto-
mie bestehen. Die Erfolgsquote beträgt
85 Prozent. Bei den übrigen 15 Prozent
muss nach weiteren Ursachen gesucht
werden.
Die endoskopische Diskektomie Sollten Wirbel um 3 bis 4 Millimeter
bei einem Bandscheibenvorfall schont verschiebbar sein, sollte also eine deut-
das Gewebe mehr als andere liche Instabilität vorliegen, dann muss
Operationsmethoden. eine Versteifungs-OP erfolgen. «Aller-
dings erst dann. Bei vielen Patienten
wird sie leider viel zu früh durch-
geführt», warnt Andreas Raabe. Die Folge
sei, dass benachbarte Segmente stärker
belastet würden und ebenfalls anfingen
zu degenerieren.

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«Hinter Rückenbeschwerden stecken

längst nicht nur Bandscheibenvorfälle»
Interview über Mythen und Prävention mit PD Dr. med. Hans-
Heinrich Trouillier, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Trau-
matologie des Bewegungsapparates sowie Leitender Arzt und
Teamleiter Wirbelsäule der Klinik für Orthopädie und Traumatolo-
gie des Bewegungsapparates im Kantonsspital Baselland (KSBL).
kann der Grund sein. Eine relativ neue Erkenntnis ist, dass auch
muskuläre Probleme die Ursache sein können. Jahrelange Fehlbe-
lastung oder Fehltraining wirken sich negativ auf die Faszien und
Bänder aus und lösen mit der Zeit Probleme in den Bandscheiben
aus.
greifen, weil zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall besteht. Neus-
te Studien zeigen, dass einer Rückenoperation in der Schweiz in
90% der Fälle eine konservative Therapie vorausgeht. Bei Tumoren,
Unfallpatienten und Infekten – den restlichen 10% – hingegen sind
chirurgische Eingriffe unumgänglich.

Herr PD DR Trouillier, Rückenschmerzen kennt fast jeder, rund
80% der Bevölkerung waren davon schon mal betroffen. Warum
ist das Leiden so verbreitet?
Dafür sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Zum einen trägt
sicherlich der heutige Lebensstil dazu bei. Viele Berufe werden im
Sitzen ausgeführt und Menschen fehlt es an ausreichend Bewe-
gung, um die Wirbelsäule gesund und stabil zu halten. Hinzu kom-
men ungesunde Ernährung und Übergewicht; beides ist zunehmend
auch schon im Kindes- und Jugendalter ein Problem. Nicht verges-
sen darf man zudem Ursachen, welche nicht genau zu evaluieren
sind. So z.B. chronische Schmerzen und Leiden, die zum psycho-
somatischen Spektrum gehören. Obwohl diese Beschwerden struk-
turell nicht erklärbar sind, ist es wichtig, sie ernst zu nehmen und
angemessen zu behandeln.
Welche Mythen ranken sich um Rückenschmerzen?
Hinter Rückenbeschwerden stecken längst nicht nur Bandscheiben-
vorfälle, wie man es lange glaubte. Auch Arthrose in den Knochen
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zentral ist es, die Ursache des Schmerzes zu kennen. Unser Be-
handlungsangebot ist daher bewusst dual aufgebaut. Das heisst,
unser Team setzt sich aus verschiedenen Fachpersonen konser-
vativer Therapien sowie einem chirurgischen Team zusammen.
Alle gemeinsam arbeiten wir Hand in Hand. So können wir den
komplexen Beschwerdebildern unserer Patientinnen und Patienten
gerecht werden. Bei psychosomatischen Beschwerden und chroni-
schem Schmerz kann eine psychologische Begleitung zudem sinn-
voll sein. Bei minimalinvasiven Eingriffen bieten wir Lasertechniken
oder Radiofrequenzbestrahlung an. Beide haben zum Ziel, die An-
zahl Schmerzrezeptoren zu verringern, indem man die Rezeptoren
verödet.
Wann bieten sich konservative Behandlungstechniken an,
wann sollte operiert werden?
Eine Vielzahl der Ursachen kann konservativ behandelt werden.
Zu einer Operation kommt es erst, wenn diese Massnahmen nicht
Wie gut stehen die Heilungschancen bei chronischen
Rückenschmerzen?
Die Wirbelsäule ist eine komplexe Gelenkkette, Erstoperationen
sind in rund 80% der Fälle erfolgreich. Bei minimalinvasiven Techni-
ken liegt die Erfolgsrate beim ersten Versuch bei ca. zwei Dritteln.
Dies liegt daran, dass sich der Schmerz oft schon in benachbarte
Segmente ausgedehnt hat.
Welche praktischen Tipps geben Sie Patientinnen und Patienten
mit auf den Weg?
Wir raten, mehr für die Prävention zu tun, auf gesunde Ernährung zu
achten und sich sportlich zu betätigen. Wichtig ist dabei, dass man
nicht nur einseitig trainiert, sondern regelmässig am Körper Mus-
keln aufbaut. Zudem lohnt es sich, den Arbeitsplatz ergonomisch
sinnvoll einzurichten.

Das Team Wirbelsäule im Kantonsspital Baselland

Das Team Wirbelsäule der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des
Bewegungsapparates am Kantonsspital Baselland (KSBL) unter der
Leitung von PD Dr. med. Hans-Heinrich Trouillier begleitet Patientinnen
und Patienten mit Rückenleiden von der Diagnostik bis zur Rehabilita-
tion. Zu den vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten des Teams zählen
neben konservativen Therapien auch Schmerztherapien, minimalin-
vasive Bandscheibenchirurgie mit stabilisierenden oder dynamischen
Operationsverfahren und klassische Wirbelsäulenchirurgie bei akuten
Verletzungen, Deformitäten, Tumorerkrankungen oder Infektionen der
Wirbelsäule. Das Team Wirbelsäule zeichnet sich durch ein duales
Behandlungsangebot aus. Das bedeutet, dass Patientinnen und Pa-
tienten sowohl von den behandelnden Ärzten und Fachpersonen des
konservativen wie auch des operativen Behandlungsspektrums eng
begleitet werden.

www.ksbl.ch/wirbelsaeule PD Dr. med. Hans-Heinrich Trouillier

Der heutige Lebensstil trägt dazu bei, dass Rückenschmerzen so verbreitet sind.
Inhalt: NZZ Content Solutions, Bilder: Kantonsspital Baselland
10
Bei der multimodalen Therapie werden Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Biofeedback oder Achtsamkeit gelehrt.
Schmerzistsubjektiv
In der Sprechstunde soll der Patient ausführlich zu Wort kommen. Denn bei chronischem Rückenleiden
sind psychische und soziale Faktoren genauso wichtig wie körperliche. Von Frederik Jötten
A
ls Barbara Hofer* ins
Schmerzzentrum des
Kantonsspitals St.Gallen
(KSSG) kam, hatte sie
schon sechs Jahre Rü­
ckenschmerzen und viele
Arztbesuche hinter sich. Dem Leitenden
Arzt Alexander Ott beschrieb die damals
48-Jährige einen stechenden Rücken­
schmerz, der in die Beine ausstrahlte.
Die Bilder des Magnetresonanztomogra­
fen (MRT) zeigten bei der Hausfrau aus
wohlhabenden Verhältnissen eine Ver­
engung im Spinalkanal, dazu einen leich­
ten Bandscheibenvorfall.
Im ausführlichen Gespräch erfuhr der
Schmerzmediziner allerdings auch vom
unerfüllten Kinderwunsch der Frau, von
ihrer Distanz zum Ehemann, depressiven
Phasen und der Unzufriedenheit mit der
bisherigen Behandlung.
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Gesundheit
«In der Schmerz­Sprechstunde lassen
wir den Patienten zu Wort kommen»,
sagt Alexander Ott. «Wir wollen die
Schmerzgeschichte mitsamt den sozialen
wie psychologischen Aspekten erfah­
ren.» Denn Rückenschmerzen sind ein
biopsychosoziales Leiden – neben mög­
lichen körperlichen Schäden können also
auch psychische und soziale Probleme
Ursache für Rückenschmerzen – beson­
ders in der chronischen Form – sein. Das
ist heute in der Wissenschaft unumstrit­
ten. Es ist trotzdem bei vielen Menschen
noch nicht angekommen, das zeigt der
Fall von Barbara Hofer.
Im KSSG versuchte man an den Stel­
len, die auf den Kernspin­Bildern Schä­
den zeigten, per Injektion von Betäu­
bungsmitteln die Schmerzen zu lindern
– ohne Erfolg. Daraufhin wollte die
Patientin an der Wirbelsäule operiert
werden, um ihre Schmerzen loszuwer­
den. Alexander Ott und Kollegen rieten
davon ab, weil sie die Ursache für die
Schmerzen nach der erfolglosen Betäu­
bungsmittelgabe in erheblichem Masse
auch in den psychosozialen Problemen
der Frau sahen. Die Patientin war davon
nicht überzeugt. Sie suchte sich eine
andere Klinik. Drei Jahre später kam sie
zurück ans KSSG. Mit fast identischen
Schmerzen. Inzwischen hatte sie aber
sechs Wirbelsäulenoperationen hinter
sich, inklusive Versteifung dreier Wirbel
mittels Metallplatten und Einsetzung
zweier Bandscheibenprothesen.
«Viele Ärzte betrachten vorwiegend
die körperlichen Symptome. Häufig wol­
len die Patienten das auch so», sagt Ott,
Mitglied in der Schweizer Gesellschaft
für das Studium der Schmerzen (SGSS).
Zu gross ist für viele Menschen die Angst,
als psychisch krank zu gelten. Dabei ist
jeder Schmerz laut Definition der
Weltgesundheitsorganisation subjektiv.
Er entsteht im Gehirn, das bedeutet, dass
der sonstige mentale Zustand Schmerzen
bei jedem Menschen beeinflusst. «So­
wohl der Sinnes­ als auch der Gefühlsan­
teil des Schmerzes sind untrennbar mit­
einander verbunden», schreibt Sven
Gottschling, Chefarzt und Professor für
Schmerztherapie an der Universität des
Saarlandes, in seinem Buch «Schmerzlos
werden». «Wir können Schmerzen sehr
wohl empfinden, selbst wenn keinerlei
konkrete Schädigung vorliegt.»
Beim Rückenschmerz lenken bild­
gebende Verfahren oft von der eigent­
lichen Schmerzursache ab. «Bei sehr
vielen Menschen über 40 sieht man auch
in Röntgen­ und MRT-Bildern Abnut­
zungserscheinungen», sagt Ott. «Das be­
deutet längst nicht, dass diese Schmer­
zen verursachen.» Eindrücklich zeigte
das eine Studie von Scott Boden vom
George Washington University Medical
Center in Washington DC. Er untersuchte
70 Menschen, die nie Rückenschmerzen
gehabt hatten, im MRT. Ein Drittel der
Probanden wies Abnormalitäten wie eine
Verengung des Spinalgangs oder einen
Bandscheibenvorfall auf. Bei den über
60-Jährigen betrug der Anteil der Men­
schen mit diagnostizierten Wirbelsäulen­
schäden sogar 57 Prozent.
Vielseitige Therapie empfohlen
Wie bei der Patientin von Alexander Ott
kann eine solche Diagnose regelrecht
gefährlich werden. «Es gibt Ärzte, die
schnell dabei sind mit invasiven Metho­
den. Das sehe ich sehr kritisch», sagt er.
«Dabei spielen auch ökonomische Inter­
essen eine Rolle. Ärzte und Spitäler ver­
dienen an Operationen mehr als an kon­
servativer Therapie.»
In Deutschland wurde 2010 eine
Nationale Versorgungsleitlinie Kreuz­
schmerz (NVL) von allen ärztlichen Fach­
gesellschaften, die mit der Wirbelsäule
zu tun haben, verabschiedet, um ver­
fehlte Therapien zu verhindern. Seitdem
wird sie laufend aktualisiert. Für die NVL
wurden Hunderte von internationalen
Studien ausgewertet und darauf basie­
rend Behandlungsempfehlungen formu­
liert – ohne dass sich die Mehrzahl der
in Deutschland praktizierenden Ärzte
danach richten würde.
Allerdings orientieren sich die
Schmerzmediziner vielfach an ihr, so
auch viele Schweizer Kollegen, etwa
Alexander Ott. «Ein bildgebendes Ver­
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
GETTY IMAGES
fahren sollte bei unspezifischen Rücken­
schmerzen frühestens nach sechs
Wochen Schmerz eingesetzt werden»,
sagt Ott. «Bei chronischen Schmerzen ist
die multimodale Schmerztherapie die­
Viele Ärzte jenige mit der besten Wirksamkeit.»
betrachten in
Faktor Stress
erster Linie Das KSSG war eine der ersten Kliniken in
die körperlichen der Schweiz, in denen diese umfassende
Symptome. Und Methode angewendet wurde. «Die multi­
häufig wollen modale Schmerztherapie setzt vor allem
auf individuelle Behandlung des Patien­
die Patienten das ten durch Ärzte, Psychotherapeuten und
auch so. Krankengymnasten», sagt Ott. «Wichtig
ist besonders die interdisziplinäre Zu­
sammenarbeit: Die Behandelnden müs­
sen sich dabei abstimmen, welche Thera­
piebausteine dem einzelnen Patienten
wirklich helfen.»
Die multimodale Schmerztherapie be­
ginnt mit einem dreiwöchigen statio­
nären Aufenthalt, dann folgen sechs
Monate, in denen Teile der Therapie
ambulant fortgeführt werden und das Er­
lernte im Alltag angewendet wird, sowie
ein anschliessendes stationäres Auffri­
schungstraining. Im KSSG gibt es aber
auch ambulante Angebote. Die multi­
modale Therapie ist ein Anstoss, Ver­
halten und Denkprozesse zu verändern
und das dann im Alltag beizubehalten.
Dem chronischen Schmerz versuchen
Fachleute durch Lernprozesse etwas
entgegenzustellen. «Wir zeigen, dass
Schmerz häufig vom Stresszustand ab­
hängig ist, zum Beispiel indem wir Ent­
spannungstechniken wie progressive
Muskelentspannung, Biofeedback oder
Achtsamkeit lehren», sagt Ott. «Bei vie­
len Patienten lässt der Schmerz während
der Entspannung nach.» Im Mittelpunkt
der multimodalen Therapie steht immer
eines: den Patienten zu aktivieren. «Wer
Rückenschmerzen hat, sollte sich weiter
bewegen und am sozialen Leben teil­
nehmen», sagt Ott. «Wer sich schont und
sich zurückzieht, wird die Schmerzen
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht los,
sondern verschlimmert sie.»
* Name der Redaktion bekannt.
NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017
Gesundheit 11

HelfenHilfsmittelwirklich?
Um Rückenschmerzen vorzubeugen, ist regelmässige Bewegung wirksamer als teure ergonomische Möbel
oder haltungskorrigierende Kleidung. Von Felicitas Witte

M
anche rollen auf einem Tische das Auftreten von Rückenschmer- spannt sind – wie ein Kaninchen, das den

WESTEND61 / GETTY IMAGES

Ball am Schreibtisch
hin und her, andere
kippeln auf unbeque-
men Hockern, wippen
auf Kniestühlen oder
sitzen auf einem Sattelstuhl. Das alles, so
die Hersteller, sei perfekt für rücken-
schonendes Sitzen. Dazu der höhenver-
stellbare Tisch, damit Arme und Tastatur
schön im rechten Winkel sind.
Andere schwören auf haltungskorri-
gierende Kleidung, angeblich gibt es
gegen Rückenschmerzen ein «Superman-
Shirt». Immer wieder hört man auch von
Leuten, die sich spezielle Sohlen in die
Schuhe legen oder mit Abrollrücken-
schuhen herumlaufen. Dem einen oder
anderen mögen solche Massnahmen
zwar helfen. Das Geld könnte man sich
aber sparen. Denn viel wichtiger als teure
Möbel oder coole Shirts ist regelmässige
Bewegung, darin sind sich alle Ärzte ei-
nig. Und dafür muss man noch nicht ein-
mal ins Fitnessstudio gehen.
«Rückenschmerzen entstehen meist
durch verschiedene Faktoren, deshalb
muss man an mehreren Stellen anset-
zen», sagt Dagmar Lühmann, Allgemein-
medizinerin an der Uniklinik Hamburg-
Eppendorf. «Zum einen geht es darum,
das eigene Verhalten zu reflektieren und
zu ändern und zum anderen, die Arbeit
richtig zu gestalten.»
Die Art der Büromöbel ist dabei nicht
wichtig, denn es gibt keine Belege dafür,
dass ergonomisch geformte Stühle oder
zen verhindern können. «Auf dem teu-
ersten Stuhl kann man komplett falsch
sitzen und auf dem billigsten Ikea-Stuhl
genau richtig», sagt Martin Verra, Direk-
tor des Instituts für Physiotherapie am
Inselspital in Bern. «Das Problem ist, dass
unsere Wirbelsäule nicht zum starren Sit-
zen gemacht ist – da sind Verspannun-
gen, die zu Schmerzen führen, fast pro-
grammiert.» Deshalb empfiehlt der
Physiotherapeut, dynamisch zu sitzen:
Einigermassen aufrecht, sich nicht
immer hinten anlehnen, oft bewegen
und immer wieder aufstehen.
Innerer Schweinehund
«Ergonomische Massnahmen am
Arbeitsplatz bewahren einen nicht vor
Rückenschmerzen», bestätigt Rahman
Shiri, wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Finnischen Institut für Arbeitsmedizin in
Helsinki. Auch Shiri sagt: «Das Einzige,
was erwiesenermassen hilft, ist körper-
liche Bewegung.» Mit regelmässigen
Übungen zur Stärkung der Rücken-
muskulatur, Dehnen und Ausdauertrai-
ning kann man sein Risiko um 30 Prozent
senken, wie Shiri gerade in einer Auswer-
tung von 16 gutgemachten Studien mit
4310 Teilnehmern zeigte («American
Journal of Epidemiology», online vom
19. 10. 2017).
«Man kann auch zu Hause einfache
Übungen machen, um die Muskeln zu
dehnen und um Rücken- und Bauch-
muskulatur zu stärken.» Die besten Kon-
Sitzball und Stehpult mit Laufband: Ein paar einfache Übungen wären günstiger.
zepte würden jedoch nichts helfen, wenn
man sie nicht konsequent umsetze, sagt
Klaus Wirth, Sportwissenschafter an der
Universität für angewandte Wissenschaf-
ten in Wiener Neustadt. «Die Kosten für
den Besuch eines Fitnessstudios können
kaum als Argument dienen. Man kann ja
auf den Kauf eines neuen Smartphones
verzichten oder pro Monat einen Kasten
Bier weniger kaufen. Für eine Pille, die
vor Rückenschmerzen schützt, würde
man sofort dreissig Franken im Monat
ausgeben.» Das Problem sei meistens der
innere Schweinehund, sagt Gregor
Hasler, Chefarzt Psychiatrie an der Uni-
versität Bern. «Vielen fällt es schwer, sich
zu motivieren.» Helfen kann, wenn man
sich die Zusammenhänge zwischen
Psyche und Schmerzen klarmacht.
«Fühlt man sich im Job gestresst, über-
lastet oder wird gemobbt, verspannt man
sich, was zu Rückenschmerzen führen
kann – aber vielen ist das nicht bewusst»,
sagt Hasler.
Auch gibt es Menschen, die ängstlich
veranlagt und deshalb ständig ange-
Fuchs fürchtet. «Bei jedem Ziehen im Rü-
cken fürchten sie, die Bandscheibe könne
herausgefallen sein, oder sie müssen
nach Hause, weil der Rücken so wehtut.»
Aufs Positive fokussieren
Kein Mensch ist jedoch immerzu kom-
plett schmerzfrei. «Zwickt es im Körper
mal hie und da, ist das ganz normal.» Der
Psychiater hat kürzlich mit Kollegen aus
Zürich und Freiburg i. Ü. herausgefun-
den, dass das Belohnungssystem und der
Botenstoff Dopamin im Gehirn bei
Patienten mit Rückenschmerzen durch-
einandergeraten. «Das spricht dafür, dass
die Betroffenen weniger resilient sind,
also nicht so widerstandsfähig, denn das
Hirnbelohnungszentrum ist das Zentrum
positiver Gefühle und Gedanken.»
Hasler rät, im Büro immer auch das
Positive zu sehen. Statt sich zum Beispiel
darüber zu ärgern, dass einen der Chef zu
einem Sitzungsmarathon verbannt habe,
solle man das lieber als Zeichen sehen,
dass man ihm wichtig sei und sich auf
das Nachtessen mit Freunden freuen. Bei
denen kann man auch richtig Dampf ab-
lassen, statt den Ärger in Verspannungen
in den Rücken zu packen.
Wer sich in klumpigen Abrollschuhen
oder Superman-Shirts im Büro selbst-
bewusster fühlt, wird vielleicht auch da-
durch resilienter gegenüber Stress im
Job. Das ist dann aber mehr ein Placebo-
Effekt. Denn in wissenschaftlichen Stu-
dien wurde das nicht belegt.

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Mit bester Reha zurück in den Alltag P U B L I R E P O R TA G E

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Die Clinic Bad Ragaz bietet stationäre
muskuloskelettale und internistisch-
onkologische Rehabilitation – eingebettet
in Europas führendem Gesundheitsresort.
«The Finest Art of Rehabilitation» er-
möglicht Patienten den Luxus optimaler
und rascher Wiedereingliederung in den
Alltag.
Eine aussergewöhnliche Rehabilitation
Die Klinik vereint qualitativ hochklassige
stationäre Rehabilitation mit einem exklusiven
Betreuungsangebot auf 5-Sterne-Niveau. In
den 17 komfortablen Klinikzimmern verfügen
Patienten über ein eigenes Wellness-Badezimmer
und ein optimal auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes
Interieur. Ruhe, Umgebung und Natur am Tor zu
Graubünden tragen ebenso zur Genesung bei wie
die kulinarischen und kulturellen Höhenflüge des
Grand Resort Bad Ragaz. Dies verspricht nicht nur
den perfekten Rahmen für die Patienten der Clinic
Bad Ragaz, sondern auch für deren Angehörige
und Begleitpersonen.
Medizinische Vielfalt unter einem Dach
Auch wenn Patienten von demselben luxuriö-
sen Hotellerie- und Gastronomieangebot und
5-Sterne-Service profitieren wie Hotelgäste, so
stehen in der Klinik unter Leitung von Prof. Dr.
med. Beat A. Michel die medizinischen Leistun-
gen im Vordergrund. Der ehemalige Direktor der
Rheumaklinik und des Instituts für Physikalische
Medizin am Universitätsspital in Zürich bietet mit
seinem Team ganzheitliche, interdisziplinäre und
individuelle Betreuung und Therapie. Zudem ist
die Kraft und heilende Wirkung des resorteigenen
36,5 °C warmen Thermalwassers wichtiger Bestand-
teil der Therapieleistungen.
«Das Ziel besteht in erster Linie darin, den Behand-
lungsplan aller Patienten so zu entwickeln und
durchzuführen, dass ihre persönlichen Bedürfnisse
während und nach der Therapie erfüllt werden»,
weiss Dr. med. Clemens Sieber, Chefarzt der Clinic
Bad Ragaz im Bereich der internistisch-onkologi-
schen Rehabilitation. Seit Juli verstärkt Dr. med.
keit und ihre Leistungsfähigkeit wiedererlangen.
Kostenübernahme
Rehabilitation ist in Bad Ragaz jedoch nicht nur
Zusatzversicherten vorbehalten. Seit Anfang 2015
verfügt die Clinic Bad Ragaz über den Leistungs-
auftrag des Kantons St. Gallen für den Fachbe-
reich internistisch-onkologische Rehabilitation
und ermöglicht damit auch im Kanton St. Gallen
wohnhaften, allgemein versicherten Patienten
den Zugang zur Rehabilitationsklinik. Im Bereich
der muskuloskelettalen Rehabilitation werden die
Kosten für einen stationären Aufenthalt in erster
Linie von den Zusatzversicherungen übernommen.
Zu diesem Zweck hat die Klinik mit nahezu allen
grossen Schweizer Versicherungen Verträge ge-
schlossen.
Christian Schlegel als Chefarzt im Bereich der mus- Weitere Informationen
kuloskelettalen Rehabilitation die Rehakompetenz www.reha-badragaz.ch
rund um den Bewegungsapparat. Beide Chefärzte
werden von einem erfahrenen Ärzteteam, Physio-
therapeuten und diplomierten Pflegefachkräften
unterstützt, die sieben Tage und 24 Stunden für
die Patienten da sind. Jeder Patient erhält meh-
rere Therapien pro Tag, die massgeblich zu seiner
raschen Genesung beitragen. In der Clinic Bad
Ragaz wird auf diese Weise in allen Reha-Berei-
chen Präsenz und Qualität geboten. So können
Patienten bestmöglich genesen und nach Operati-
on, Unfall oder Krankheit schnell ihre Selbständig-
14 NZZ am Sonntag 3. Dezember 2017

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