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2015

VERKÜNDIGUNG

VERKÜNDIGUNG UND FORSCHUNG


UND
FORSCHUNG 60. Jahrgang
Die vollständig
durchgesehene Altes Testament –
Sonderausgabe d e r Textgeschichte des
D i e t r i c h B o n h o e ffe r We r ke Alten Testaments

Altes Testament – Textgeschichte des Alten Testaments


Die historisch-kritische Ausgabe der Werke Dietrich Bonhoeffers
umfasst 16 Bände und einen Registerband. Neben den Büchern,
 Biblische Texte in Qumran
die er noch zu Lebzeiten für den Druck autorisierte, enthält die
Ausgabe auch Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Predigten.
 Samaritanischer Pentateuch
Aus Anlass seines 70. Todestages erscheint jetzt eine karto-
 Die Septuaginta in der Exegese
nierte Sonderausgabe der Dietrich Bonhoeffer Werke zu einem
unschlagbaren Jubiläumspreis. Die günstige Alternative für alle
 Zur „Kanonisierung“ der Hebräischen Bibel
Bonhoeffer-Interessierten und die, die in Studium und Forschung
über den großen Theologen arbeiten.  Biblia Hebraica Quinta
DIETRICH BONHOEFFER WERKE (DBW)  Septuaginta Deutsch
Herausgegeben von Eberhard Bethge, Ernst Feil,
Christian Gremmels, Wolfgang Huber, Hans Pfeifer,  Hebräischer Text des AT
Albrecht Schönherr, Heinz Eduard Tödt und Ilse Tödt
Sonderausgabe
10.331 Seiten / 17 Bände / kartoniert
ca. € 298,00 (D) / € 306,40 (A) / CHF* 320,00
ISBN 978-3-579-01818-8
*empf. Verkaufspreis

GÜTERSLOHER
VERLAGSHAUS
www.gtvh.de

Chr. Kaiser 1-2015


2015

12402/ISSN 0342-2410
VF 59/1 p. 2 / 18.2.2015

Verkündigung und Forschung


60. Jahrgang 2015

Herausgegeben von Heinrich Assel in Gemeinschaft mit Reiner Anselm, Christfried


Böttrich, Irene Dingel, Beate Ego, Friedhelm Hartenstein, Anne Koch, Andreas Nehring,
Klaus Raschzok, Bernd Schröder, Samuel Vollenweider, Martin Wallraff und
Michael Welker
Begründet von Ernst Wolf. Weitergeführt von Gerhard Sauter
Redaktion: Henning Theißen, Am Rubenowplatz 2–3, 17489 Greifswald

Heft 1-2015: Altes Testament – Textgeschichte des Alten Testaments


Herausgegeben von Friedhelm Hartenstein

Dieser Ausgabe liegen folgende Prospekte bei:


„Gemeinde – Glaube – Theologie 2/2014“ und „Dietrich Bonhoeffer“
(Gütersloher Verlagshaus)

Wie sind die unterschiedlichen Band 8 enthält Weisheitstexte, Mythen


biblischen Schriften auszulegen und zu und Epen aus Mesopotamien, Anatolien,
verstehen? Das Reformationsjubiläum Syrien (Ugarit), Ägypten (auch griechische
Bezugsbedingungen/Jahresbezugspreis: „Verkündigung und Forschung“ erscheint zweimal im Jahr. 2017 ist ein guter Anlass, darüber erneut Texte), Iran, Transjordanien und Idumäa.
Gesamtjahresbezugspreis Print-Ausgabe: (2 Hefte): jährlich 0 48,– für Privatpersonen / jährlich 0 89,- für Institutionen. nachzudenken, was schriftgemäß ist. Diese Texte sind besonders wichtig
Einzelheft 0 29,70 für Privatpersonen Die Beiträge in diesem Band zeigen, und interessant, weil mit den Begriffen
Gesamtjahresbezugspreis Online-Ausgabe: (2 Hefte): jährlich 0 59, – für Privatpersonen / 0 89,– für Institutionen;
dass schon die biblischen Schriften »Weisheit«, »Mythos« und »Epos«
Einzelheft 0 61,26 für Privatpersonen
Jahresbezugspreis Online+Print-Ausgabe: 0 106,80 für Institutionen
selbst sich als auslegungs- Bereiche angesprochen sind, die für das
Die Preise gelten jeweils für den laufenden Jahrgang. Alle Preise inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten. Abbestellungen bedürftig verstehen. Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu
sind nur zum Ende eines Jahrgangs möglich und müssen bis spätestens 30. September eingehen. den Göttern und zur Welt konstitutiv sind.
SCHRIFTGEMÄSS
Die Mitglieder der „Gesellschaft für Evangelische Theologie“ (Pfarrer Dr. Werner Schwartz, Hilgardstraße 26, 67346 Die Bibel in Konflikten der Zeit TEXTE AUS DER UMWELT DES ALTEN
Speyer, Tel. (00 49)0-62 32/22 12 02, Fax. (00 49)0-62 32/22 18 66, E-Mail: w.schwartz@ev.-diakonissenanstalt-speyer.de, Herausgegeben von Carsten Jochum- TESTAMENTS. NEUE FOLGE (TUAT.NF)
Konto Nr. 210 069 20 18 der KD-Bank eG in Münster BLZ 350 601 90, betr. Ges. f. Ev. Th.) erhalten die Print-Ausgabe Bortfeld und Rainer Kessler Bd. 8: Weisheitstexte, Mythen und Epen
„Verkündigung und Forschung“ als kostenlose Jahresgabe. ca. 272 Seiten / kartoniert Herausgegeben von Bernd Janowski
ca. € 29,99 (D) / € 30,90 (A) / CHF* 40,90 und Daniel Schwemer
Abonnenten-Service:
Print-Ausgabe: VVA-arvato, Abonnenten-Service; An der Autobahn 100, D-33333 Gütersloh,
ISBN 978-3-579-08194-6 560 Seiten / gebunden
Tel.: (00 49)0 52 41/80 19 69, Fax: (00 49)0 52 41/80 96 20 € 168,00 (D) / € 172,80 (A) / CHF* 198,00
Online-Ausgabe / Online+Print-Ausgabe: Rhenus Medien Logistik GmbH & Co. KG, Justus-von-Liebig-Straße 1, ISBN 978-3-579-05281-6
D-86899 Landsberg, Tel.: (00 49)0 81 91-9 70 00-881, Fax: (00 49)0 81 91-9 70 00-103, E-Mail: degruyter@de.rhenus.com

Die Zeitschrift und alle in ihr veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift

Biblische Schriften
darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert, digitalisiert oder gesendet werden.

Print-Ausgabe: ISSN 0342-2410 / www.fachzeitschriften-religion.de


Online-Ausgabe: ISSN 2198-0454 / www.degruyter.com/view/j/evth
Verlag und Eigentümer: Gütersloher Verlagshaus, Verlagsgruppe Random House GmbH, Am Ölbach 19, Eingang B,
D-33334 Gütersloh.
Satz: SatzWeise, D-54343 Föhren
auslegen und verstehen
Druck und Bindung: SOMMER media GmbH & Co. KG, D-91555 Feuchtwangen
Printed in Germany
GÜTERSLOHER
VERLAGSHAUS
www.gtvh.de
*empf. Verkaufspreis
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Inhalt

Friedhelm Hartenstein, Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2


Annette Steudel, Zur Erforschung der biblischen Texte von Qumran . . . 5
Stefan Schorch, Der Samaritanische Pentateuch in der Geschichte des
hebräischen Bibeltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Eberhard Bons, Die Septuaginta in der neueren Exegese. Forschungs-
geschichtlicher Hintergrund, theologische Akzente, gesamtbiblische
Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Martin Arneth, Zur „Kanonisierung“ der Hebräischen Bibel . . . . . . . 42
Stefan Timm, Die Biblia Hebraica Quinta (BHQ) . . . . . . . . . . . . . 52
Reinhard Müller, Das griechische Alte Testament in deutscher Über-
setzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Siegfried Kreuzer, Der hebräische Text des Alten Testaments –
Erforschung und Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Heft 1-2015: Altes Testament – Textgeschichte des Alten Testaments


Herausgegeben von Friedhelm Hartenstein

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes


Prof. Dr. Martin Arneth Prof. Dr. Reinhard Müller
Universität München Universität Münster
Geschwister-Scholl-Platz 1 Universitätsstr. 13–17
80539 München 48143 Münster

Prof. Dr. Eberhard Bons Prof. Dr. Stefan Schorch


Université de Strasbourg Universität Halle-Wittenberg
Palais Universitaire Franckeplatz 1, Haus 25
F – 67084 Strasbourg CEDEX/Frankreich 06099 Halle (Saale)

Prof. Dr. Friedhelm Hartenstein Prof. Dr. Annette Steudel


Universität München Universität Göttingen
Geschwister-Scholl-Platz 1 Platz der Göttinger Sieben 2
80539 München 37073 Göttingen

Prof. Dr. Siegfried Kreuzer Prof. Dr. Stefan Timm


Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel Universität Hamburg
Missionsstr. 9 Sedanstr. 19
42285 Wuppertal 20146 Hamburg

1
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Gefährdung Ahnfrau (Gen 12, Gen 20, Gen 26 und GenApok 19–20), zeigt er
eindrücklich auf, wie zum beiderseitigen Nutzen die Methoden der historischen
Bibelkritik auf die Texte vom Toten Meer angewendet werden können. Der Ar-
tikel geht darüber hinaus der Frage nach, was die Resultate der modernen Bibel-
kritik für das Verständnis der Texte vom Toten Meer austragen und wie umge-
kehrt das Verständnis des Alten Testaments von den Texten vom Toten Meer
profitiert.
Damit sollen keineswegs andere Ziele ausgeblendet werden. Der Blick in Rich-
tung Altes Testament legt sich für Qumranforscher zunächst einmal sehr nahe:
Die Gemeinschaft von Qumran versteht sich selbst aus der biblischen Geschich-
te heraus, im Verlauf ihrer Geschichte sogar zunehmend (Steudel, Dating Texts).
Noch längst nicht sind die starken Rückbindungen der nichtbiblischen Qumran-
texte an die biblische Tradition vollständig aufgedeckt. Doch auch die Zusam-
menarbeit zwischen neutestamentlicher Wissenschaft und Qumranforschung auf
der gerade erst durch die Veröffentlichung aller Qumrantexte etablierten Grund-
lage verspricht für beide Seiten einen enormen Gewinn, anders vielleicht als in
der frühen Phase der Qumranforschung erwartet, dennoch aber mit ungeahnten
Möglichkeiten.

Der Samaritanische Pentateuch in der Geschichte des


hebräischen Bibeltextes Stefan Schorch

Jonathan Ben-Dov, Early Texts of the Torah. Revisiting the Greek Scholarly Context: Journal
of Ancient Judaism 4 (2013) 210–234. – Zeev Ben-Ḥayyim, The Literary and Oral Tradition of
Hebrew and Aramaic Amongst the Samaritans, IV: The Words of the Pentateuch (hebr.), The
Academy of the Hebrew Language Jerusalem 1977, XVIII + 557 S. – Alan D. Crown (Hg.),
The Samaritans, Mohr Siebeck Tübingen 1989, XXI + 865 S. – Anne Katrine De Hemmer
Gudme, Before the God in this Place for Good Remembrance. A Comparative Analysis of
the Aramaic Votive Inscriptions from Mount Gerizim (BZAW 441), de Gruyter Berlin 2013,
X + 181 S. – Jan Dušek, Les manuscrits araméens du Wadi Daliyeh et la Samarie vers 450–332
av. J.-C. (Culture and history of the ancient Near East 30), Brill Leiden 2007, XXVI + 700 S. –
Jan Dušek, Aramaic and Hebrew Inscriptions from Mt. Gerizim and Samaria between Antio-
chus III and Antiochus IV Epiphanes (Culture and history of the ancient Near East 54), Brill
Leiden 2012, XVIII + 200 S. – Esther Eshel/Hanan Eshel, Dating the Samaritan Pentateuch’s
compilation in light of the Qumran biblical scrolls: Shalom Paul/Robert A. Kraft/Lawren-
ce H. Schiffman/Weston W. Fields unter Mitarb. v. Eva Ben-David (Hg.), Emanuel. Studies
in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea Scrolls in Honor of Emanuel Tov (VT.S 94), Brill
Leiden 2003, 215–240. – Magnar Kartveit, The origin of the Samaritans (VT.S 128), Brill
Leiden 2009, XII + 405 S. – Yitzhak Magen/Misgav Haggai/Levana Tsfania, Mount Gerizim
excavations, I: The Aramaic, Hebrew and Samaritan inscriptions (Judea & Samaria publica-
tions 2), Israel Antiquities Authority Jerusalem 2004, IX + 272 + 37 S. – Yitzhak Magen,
Mount Gerizim excavations, II: A temple city (Judea & Samaria publications 8), 2008, XIV +

18 Verkündigung und Forschung 60. Jg., Heft 1, S. 18–29


ISSN 0342-2410 © Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, 2015
VF 60/1 p. 19 / 18.2.2015

281 + XXII S. – Menahem Mor/Friedrich Reiterer in Zusammenarb. m. Waltraud Winkler


(Hg.), Samaritans Past and Present. Current Studies (Studia Judaica 53 = Studia Samaritana 5),
de Gruyter Berlin 2010, XIII + 291 S. – Adrian Schenker, Le Seigneur choisira-t-il le lieu de
son nom ou l’a-t-il choisi? L’apport de la Bible grecque ancienne à l’histoire du texte samari-
tain et massorétique: Anssi Voitila (Hg.), Scripture in transition. Essays on Septuagint, Heb-
rew Bible, and Dead Sea Scrolls in Honour of Raija Sollamo (JSJ.S 126), Brill Leiden 2008,
339–351. – Abraham Tal, The Samaritan Pentateuch edited according to Ms 6 (C) of the
Shekhem Synagogue (Texts and studies in the Hebrew language and related subjects 8), Tel
Aviv University, The Chaim Rosenberg School for Jewish Studies Tel Aviv 1994, 211 + IX S. –
Abraham Tal/Moshe Florentin (Hg.), The Pentateuch. The Samaritan version and the Maso-
retic version, The Haim Rubin Tel Aviv University Press Tel Aviv 2010, VII + 765 S. – Ema-
nuel Tov, Textual Criticism of the Hebrew Bible, Fortress Press Minneapolis (Minnesota)
2
2001, XL + 456 S. – Emanuel Tov, Textual Criticism of the Hebrew Bible, Fortress Press
Minneapolis (Minnesota) 32012, LVIII + 481 S. – József Zsengellér (Hg.), Samaria, Samarians,
Samaritans. Studies on Bible, history and linguistics (Studia Judaica 66 = Studia Samaritana 6),
de Gruyter Berlin 2011, XII + 323 S.

Weitere Literatur
Stefan Schorch, Die Vokale des Gesetzes. Die samaritanische Lesetradition als Textzeugin der
Tora, I: Das Buch Genesis (BZAW 339), de Gruyter Berlin 2004, X + 304 S. – Stefan Schorch,
The Construction of Samari(t)an Identity from the Inside and from the Outside: Rainer Al-
bertz/Jakob Wöhrle (Hg.), Between Cooperation and Hostility. Multiple Identities in Ancient
Judaism and the Interaction with Foreign Powers (JAJ.S 11), Vandenhoeck & Ruprecht Göt-
tingen 2013, 135–149. – Stefan Schorch, A Critical editio maior of the Samaritan Pentateuch.
State of Research, Principles, and Problems: HeBAI 2 (2013) 100–120.

Der Pentateuch der Samaritaner erfreut sich in den letzten Jahren einer zuneh-
menden wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Dieses neu gewonnene Interesse
geht v. a. auf die Erkenntnisse zurück, welche die Auswertung der Funde von
Qumran mit sich brachte. Jene haben nämlich vor Augen geführt, daß die Sama-
ritanische Tora nicht vornehmlich Produkt und Spiegel ideosynkratisch-samari-
tanischer Anschauungen ist, sondern vielmehr eine Textfassung des Pentateuch
bewahrt, die im 2. Jh. v. Chr. zum literarischen und religiösen Gemeingut des
gesamten palästinischen Judentums zählte, ebenso wie der Masoretische Text.
Vor diesem Hintergrund ist die texthistorische Abwertung des Samaritanus
ebenso problematisch geworden wie die Priorisierung des Masoretischen Textes,
und die Forschung konzentriert sich nun weitestgehend auf die sachgerechte
historische Kontextualisierung beider Textzeugen und deren darauf aufbauenden
Vergleich.

1. Die Samaritaner und der Samaritanische Pentateuch


Als „Samaritanischer Pentateuch“ wird diejenige Textversion der Tora bezeich-
net, die innerhalb der samaritanischen Gemeinde überliefert wird und bis in die
Gegenwart als Heiliger Text der Samaritaner dient. Andererseits aber ist die heu-
te als spezifisch „samaritanisch“ bezeichnete Textfassung der Tora ausweislich
der Qumranfunde noch im 2. Jh. v. Chr. kein spezifisch samaritanischer Text ge-

19
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wesen, sondern war zu jener Zeit auch im zeitgenössischen Jerusalem-orientier-


ten Judentum verbreitet. Damit stellt sich die Frage nach dem Ursprung der
samaritanischen Gemeinde und nach der Herausbildung der Beziehung zwi-
schen der samaritanischen Identität und dieser spezifischen Textversion.
Diese Frage wurde in verschiedener Weise versucht zu beantworten. So hat
M. Mor in seinem Beitrag „Samaritan History: The Persian, Hellenistic and Has-
monean Period“ zu dem von A. D. Crown herausgegebenen Grundlagenwerk
„The Samaritans“ (1989) die Auffassung vertreten, eine eigenständige samarita-
nische Gemeinde habe sich in der früh-nachexilischen Zeit herausgebildet, also
bereits im 5. Jh. v. Chr.: „Our knowledge of the Samaritans begins at the time of
Nehemiah’s governorship in Judea.“ (2). Hinsichtlich Mors Begründung ist da-
bei allerdings sehr zweifelhaft, ob man in Sanballat dem Horoniten (Neh 2,10.19;
3,33; 4,1 u. ö.) einen Samaritaner sehen darf, denn Neh 3,34 nennt zwar Samaria
als die Heimat Sanballats, läßt aber darüber hinausgehende Schlüsse auf eine dis-
tinktiv samaritanische Identität wohl ebensowenig zu wie die Hinweise auf San-
ballat in dem Elephantinebrief TAD A 4 oder in der Bulle WD 22 aus Wadi
Daliyeh.
In bezug auf die Frage, ob bereits in der persischen Zeit eine eigenständige
samaritanische Gemeinde existierte, sind unterdessen auch die archäologischen
Funde auf dem Berg Garizim zu berücksichtigen: Die von dem israelischen For-
scher Y. Magen in den Jahren 1982–2005 auf dem Gipfelplateau durchgeführten
Ausgrabungen brachten Überreste zutage, die Magen in seiner Publikation der
Funde als Heiligtum interpretiert und zwei verschiedenen Perioden zuordnet:
Der ältere Bau, zugleich das älteste Gebäude überhaupt auf dem Gipfel des Ga-
rizim, datiere in die Mitte des 5. Jh. v. Chr. und sei von der Perserzeit bis in die
Zeit Antiochus III. (ca. 200 v. Chr.) im Gebrauch gewesen, wohingegen der nach-
folgende jüngere Bau bis zur Zerstörung durch Johannes Hyrkanos I. (111–110
v. Chr.) als Heiligtum gedient habe (Magen, 98 und 152). J. Dušek (Manuscrits,
538–548) hat dieses Gründungsdatum des Garizim-Heiligtums in einer detail-
lierten Studie der historischen Quellen leicht modifiziert und auf den Zeitraum
zwischen 424 und 407 v. Chr. geschlossen. Die Interpretation als Heiligtum wird
durch Funde von Tierknochen als Hinweis auf hier vollzogene Opfer sowie
durch über 400 hebräische und aramäische Inschriften gestützt, darunter v. a.
Weihinschriften. Die Erstveröffentlichung des Großteils dieser Inschriften liegt
nunmehr vor (Magen/Haggai/Tsfania); eine Rekonstruktion von Kontext und
Bedeutung der Weihinschriften hat jüngst A. K. De Hemmer Gudme in einer
Monographie (2013) vorgelegt.
Auf der Grundlage einer detaillierten paläographischen Untersuchung der In-
schriften vom Garizim-Heiligtum hat J. Dušek in seinem Buch „Aramaic and
Hebrew Inscriptions from Mt. Gerizim and Samaria“ (2012) auf deren Datierung
ins frühe 2. Jh. v. Chr. geschlossen.
Allerdings kann auch der nunmehr durch archäologische Funde bestätigte
Umstand, dass es (spätestens) seit dem 5. Jh. v. Chr. ein Heiligtum auf dem Berg

20
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Garizim gab, nicht als Beleg einer eigenständigen samaritanischen Identität in


Anschlag gebracht werden, führt doch v. a. die Elephantinekorrespondenz vor
Augen, dass im Judentum jener Zeit die parallele Existenz mehrerer Heiligtümer
durchaus anerkannt war. Dušeks vorgenannte Arbeit zeigt zudem, dass die In-
schriften vom Garizim auf dem Boden einer gemeinsamen literalen Kultur ent-
standen, die von den Anhängern des Garizim- und des Jerusalem-Heiligtums
geteilt wurde, was wiederum zu der Schlussfolgerung führt, dass von einer sama-
ritanischen Sonderentwicklung noch bis mindestens ins 2. Jh. v. Chr. hinein nicht
gesprochen werden kann. Damit erscheinen neben Mors perserzeitlichem An-
satz einer genuin samaritanischen Identität auch alle weitere Vorschläge obsolet,
die auf ein Datum vor dem 2. Jh. v. Chr. zielen.
In einer umfassenden Darstellung des Quellenbefundes (zu dem neben Jose-
phus v. a. die hebräische und die griechische Fassung von Sir 50,25–26 sowie
Texte aus Qumran gehören) hat Schorch gezeigt, dass der Ursprung der Samari-
taner ins 2. Jh. v. Chr. datiert (Schorch, Construction). Erst mit der beginnenden
Existenz der Samaritaner aber ist überhaupt die Voraussetzung gegeben, von
einem „samaritanischen“ Pentateuch zu sprechen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist
der Text, der ab der Mitte des 2. Jh. v. Chr. zum „Samaritanus“ werden sollte, Teil
derselben gemeinpalästinischen hebräischsprachigen Literaturtradition, der auch
der Masoretische Text und weitere hebräischsprachige Versionen des biblischen
Textes entstammen.

2. Der präsamaritanische Texttyp


Aufschlüsse über die Textgeschichte der biblischen Bücher im 2. und 1. Jh. v. Chr.
geben vor allem die Manuskriptfunde von Qumran. Sie zeigen, dass für die ein-
zelnen Bücher mehrere verschiedene Texttypen nebeneinander im Umlauf wa-
ren. E. Tov hat die insgesamt 46 Pentateuchmanuskripte, welche in ausreichend
großem Umfang erhalten sind, verschiedenen Kategorien zugeordnet und
kommt zu der folgenden Übersicht (Criticism3, 107–109):

Dem Masoretischem Text nahestehend: 22 Mss. (= 48 %)


Dem Samaritanischen Pentateuch nahestehend: 5 Mss. (= 11 %)
Der hebräischen Septuagintavorlage nahestehend: 1 Ms. (2 %)
Keiner dieser drei Gruppen zuordenbar: 18 Mss. (39 %)

Deutlich ist, dass diese Kategorien nicht auf textlichen Charakteristiken der je-
weils betrachteten Manuskripte beruhen, sondern auf dem Vergleich mit ansons-
ten nur in jüngeren Handschriften überlieferten Texten. Sie führen damit vor
Augen, dass die mit späteren Tradentengruppen verbundenen Traditionstexte,
Masoretischer Text (MT) – Samaritanischer Pentateuch (SP) – Septuaginta
(LXX), Vorläufer haben, die im Judentum des 2. Jh. v. Chr. offensichtlich gleich-
rangig nebeneinander im Umlauf waren. Sie werden heute meist als Protomaso-

21
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retischer Text, Präsamaritanischer Text und Hebräische Septuagintavorlage be-


zeichnet.
Neben ihrer Verknüpfung mit den genannten jüngeren Traditionstexten kön-
nen die Vorläufertexte derselben aber auch wenigstens teilweise anhand ihrer
sprachlichen und literarischen Besonderheiten beschrieben und voneinander ab-
gehoben werden. Die fünf als präsamaritanisch zu bestimmenden Manuskripten
4QpaleoExodm, 4QExod-Levf, 4QNumb, 4Q158 (= 4QReworked Pentateucha)
und 4Q364 (= 4QReworked Pentateuchb) teilen mit dem Samaritanus insbeson-
dere die folgenden Charakteristiken (vgl. 79–87):

a) Redaktionelle Zusätze aufgrund von Angleichung


paralleler Textpassagen
Nach Tov ist diese Kategorie von Textänderungen das charakteristischste Merk-
mal der präsamaritanischen Handschriften. Es handelt sich dabei im wesentli-
chen um Einfügungen von längeren Textpassagen an solchen Stellen des Penta-
teuchtextes, die im Pentateuch textliche Parallelen haben, in welchen jedoch
bestimmte Teile dieser Paralleltexte ursprünglich nicht vorhanden sind – es geht
also generell um textliche Zusätze. Diese Form der redaktionellen Bearbeitung
ist nicht systematisch ausgeführt worden, und einige Pentateuchtexte waren da-
bei stärker im Fokus als andere. Ein besonderes Augenmerk scheinen die Redak-
toren des präsamaritanischen Texttyps auf Reden herausragender Protagonisten
gelegt zu haben, denn die in diese Kategorie fallenden Änderungen betreffen v. a.
literarische Fassungen der Reden von Gott und Mose. Ein prominentes Beispiel
ist die auf die Ereignisse der Wüstenwanderung rückblickende Moserede in Dtn
1–3, deren Darstellung im vorliegenden Zusammenhang auf in Exodus und Nu-
meri Geschildertes Bezug nimmt. Ausgehend von einem Vergleich dieser Paral-
leltexte haben die Redaktoren des präsamaritanischen Texttyps nach Ausweis
von 4QpaleoExodm und SP den Wortlaut aus Deuteronomium in die Bücher
Exodus und Numeri hinein übernommen, so dass die drei betreffenden Bücher
in der redaktionell bearbeiteten Textfassung des präsamaritanischen Typs ein li-
terarisch wesentlich konsistenteres Bild bieten.
Ein weiteres Beispiel liegt in der Plagenerzählung in Ex 7–11 vor. Hier bietet
der Text von 4QpaleoExodm ebenso wie SP eine redigierte Version, in der die
Formulierung der jeweiligen Strafandrohung an Pharao durch Mose und Aaron
dem anschließenden Ausführungsbericht nicht nur in der Sache, sondern auch im
Wortlaut parallelisiert wird.

b) Harmonisierungen
Ein weiteres Charakteristikum des präsamaritanischen Texttyps ist, dass die die-
sem zugrundliegende Redaktion auf die Beseitigung von internen Widersprü-
chen und Inkonsistenzen zielte. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine

22
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Tendenz, nicht um eine konsequent und vollumfänglich durchgeführte Bearbei-


tung des Textes.
Ein Beispiel hierfür bietet die Formulierung „männlich und weiblich“: Wäh-
rend der hebräische Text im Buch Genesis dieses Paar im allgemeinen mit ‫זכר‬
‫ ונקבה‬bezeichnet (s. Gen 6,19; 7,3.9), findet sich in Gen 7,2 ursprünglich die
Alternativformulierung ‫ =( איש ואשתו‬MT). Die dem präsamaritanischen Texttyp
zugrundeliegende Redaktion hat diese Diskrepanz beseitigt und ‫ איש ואשתו‬in Gen
7,2 in ‫ זכר ונקבה‬geändert.

c) Sprachliche und orthographische Vereinheitlichungen


Die präsamaritanische Redaktion hat zudem insofern für eine gewisse Verein-
heitlichung von Sprache und Orthographie gesorgt, als sie seltene und unge-
wöhnliche Wörter, Formen oder Schreibweisen an die verbreiteteren anpasste.
Beispiele hierfür sind:
Die durchgängige Ersetzung von ‫„ נחנו‬wir“ durch das geläufigere ‫( אנחנו‬Gen
42,11 u. ö.).
Die durchgängige Ersetzung von ‫ ִהוא‬f ür das Personalpronomen 3. sg. fem.
durch ‫( היא‬Ex 22,26 u. ö.).
Die durchgängige Ersetzung des Suffixes 3. sg. mask. ‫ה‬- durch ‫ו‬- (z. B. < ‫אהלה‬
‫„ אהלו‬sein Zelt“, Gen 9,21 u. ö.).

Die redaktionellen Besonderheiten des präsamaritanischen Texttyps ermögli-


chen zudem wichtige Schlussfolgerungen in bezug auf die Motive der Redaktion
und ihre Datierung:
Bis in die Gegenwart wird der präsamaritanische Texttyp von vielen Gelehrten
(z. B. Sh. Talmon, M. Greenberg, J. Tigay, E. Tov) als ein „Vulgärtext“ bzw. „Po-
pulärtext“ des Pentateuchs beschrieben, d. h. eine Textfassung, deren Erstellung
auf eine eher populäre Verbreitung zielt und daher eine möglichste Verein-
fachung anstrebt, ohne doch Inhalt und Form preiszugeben. In seiner jüngst
erschienenen Studie „Early Texts of the Torah“ (2013) hat J. Ben-Dov dem wi-
dersprochen und stattdessen dafür votiert, das Werk die Redaktion als von einer
gerade entgegengesetzten Neigung motiviert zu deuten, nämlich als Äußerung
des genuin akademischen Impulses, einen möglichst widerspruchsfreien und per-
fekten Text zu erzeugen.
Ausgehend von einem Vergleich verschiedener redaktioneller Praktiken heb-
räischer Bibeltexte in der Spätzeit des Zweiten Jerusalemer Tempels haben E. und
H. Eshel gezeigt, dass hinsichtlich des präsamaritanischen Textes Art und Um-
fang der redaktionellen Arbeit eine Datierung in die 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr.
nahelegen („Dating the Samaritan Pentateuch’s compilation in light of the Qum-
ran biblical scrolls“, 2003).

23
VF 60/1 p. 24 / 18.2.2015

3. Vom Präsamaritanischen Text zum Samaritanus

Im Anschluss an die obenstehend dargestellten Erkenntnisse der Forschung ist


der Samaritanische Pentateuch im wesentlichen als Repräsentant eines spezi-
fischen Texttyps des Pentateuchs zu sehen, dessen charakteristische Eigenheiten
in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. durch redaktionelle Bearbeitungen ge-
schaffen wurden. Diese Redaktion, der durch sie erzeugte Texttyp sowie die
Redaktoren selbst waren Bestandteil einer gemeinpalästinischen judäisch-israeli-
tischen Literalkultur in hebräischer Sprache, die der Entstehung einer eigenstän-
digen samaritanischen Gemeinde und einer von dieser propagierten eigenständi-
gen samaritanischen Literalkultur vorausging.
Im Samaritanischen Pentateuch finden sich allerdings auch einige textliche Be-
sonderheiten, die einer distinktiv samaritanischen Textbearbeitung zugeordnet
wurden. Sie datieren offensichtlich in die Zeit nach dem Bruch zwischen Sama-
ritanern und Juden im späten 2. Jh. v. Chr.
Eine erste und zugleich bahnbrechende Zusammenstellung und Untersuchung
von ideologisch motivierten Korrekturen im Samaritanus hat W. Gesenius im
Jahr 1815 unter dem Titel „De Pentateuchi Samaritani origine, indole et auctori-
tate commentatio philologico-critica“ veröffentlicht. Gesenius’ Arbeit war so
prägend, dass noch der 1991 in einem Supplementband zum Dictionnaire de la
Bible erschienene Lexikonartikel „Samaritain (Pentateuque)“ von J. Margain die
von Gesenius vorgelegte Kategorisierung der Textvarianten nach den Motiven
ihrer Entstehung schlicht wiederholt. Die Schwachstelle von Gesenius’ Unter-
suchung liegt in der fehlenden Trennung der präsamaritanischen von den genuin
samaritanischen Textänderungen.
Doch auch auf der durch die Auswertung der Qumranfunde nunmehr bereits
etablierten Ausgangsbasis, dass die Notwendigkeit dieser fundamentalen Unter-
scheidung besteht, hat sich das wissenschaftliche Bild der ideologischen Korrek-
turen im Samaritanus in den letzten Jahren stark verändert und erscheint weiter-
hin im Fluß. Ein prominenter Beleg dafür sind die Unterschiede zwischen den
verschiedenen Auflagen des Handbuchs „Textual Criticism of the Hebrew Bi-
ble“ von E. Tov.
In der 2001 erschienenen zweiten Auflage dieses Werkes werden unter der
Überschrift „Samaritan elements: Ideological changes“ v. a. die folgenden drei
Belege aufgezählt, die über lange Zeit hinweg als die „klassischen“ Belege ideo-
logisch motivierter Korrekturen im Samaritanus galten (Criticism2, 94 f.):
Die Einfügung eines Zusatzes zum Dekalog, der expressis verbis auf den Berg
Garizim Bezug nimmt und dessen Verehrung in den Dekalogtext einträgt, im
Anschluss an Ex 20,17 sowie Dtn 5,21.
Die Änderung der Ortsangabe für den ersten Altar, welchen die Israeliten nach
dem Jordandurchzug errichten sollen, von Ebal zu Garizim (Dtn 27,4).
Die Änderung der insgesamt 22mal im Text des Buches Deuteronomium vor-
kommenden Zentralisationsformel (Dtn 12,5.11 u. ö.) von einer ursprünglich

24
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mutmaßlich futurischen („der Ort, den der Herr erwählen wird“) zu einer per-
fektischen Ausrichtung („… erwählt hat“), d. h. die Änderung der futurischen
Verbform ‫ יבחר‬in das Perfekt (‫)בחר‬.
Demgegenüber führt die 2012 erschienene 3. Auflage desselben Handbuchs
nur noch den Dekalogzusatz sowie die Zentralisierungsformel als Belege an,
wohingegen eine Fußnote erläutert, die Lesung „Garizim“ (SP) in Dtn 27,4 sei
vermutlich die gegenüber „Ebal“ (MT) primäre Lesung, weil sie auch von der
Vetus Latina bezeugt werde (Criticism2, 88 Anm. 140).
Die Einsicht in diesen Umstand hat sich v. a. aufgrund der Veröffentlichungen
von M. Kartveit (302–305) und A. Schenker durchgesetzt. Sie argumentieren,
dass der Vetus Latina-Lesung „Garizim“ schwerlich samaritanische Ursprünge
nachgesagt werden könnten und sich hier folglich eine Lesung erhalten habe,
welche über die ursprüngliche (d. h. von späteren Revision unberührte) grie-
chische Übersetzung (die sogenannte „Old Greek translation“) des Buches Deu-
teronomium auf die Vorlage derselben zurückführe – und mithin auf einen heb-
räischen Text des 3. Jh. v. Chr.
Schenker hat in seinem Beitrag zu dem von M. Mor und F. Reiterer heraus-
gegebenen Band „Samaritans past and present“ (2010) und einem weiteren Arti-
kel (Schenker) darüber hinaus gezeigt, dass auch die Annahme, der perfektische
Fokus der Zentralisierungsformel gehe auf eine ideologische Korrektur der Sa-
maritaner zurück, aus texthistorischer Sicht nicht länger haltbar sein dürfte: Bis-
lang wenig oder nicht berücksichtigte Belege in griechischen Deuteronomium-
handschriften sowie in Manuskripten von frühen, d. h. vorrevisionellen
Übersetzungen des griechischen Textes (Vetus Latina und koptische Überset-
zung) zeigen nämlich, dass der älteste, unrevidierte Text der griechischen Deute-
ronomiumübersetzung die Zentralisierungsformel in der Vergangenheit bezeugt,
was wiederum auf eine entsprechende hebräische Vorlage führt, die dem grie-
chischen Übersetzer im 3. Jh. v. Chr. als Ausgangspunkt diente. Zudem findet
sich die mit der perfektischen Lesung verbundene Vorstellung, dass die Erwäh-
lung des Ortes bereits zu Moses Zeiten geschehen sei, auch im Masoretischen
Text von Neh 1,9:
„Wenn ihr euch aber zu mir bekehrt […], so will ich […] euch bringen an den Ort, den ich
erwählt habe, damit mein Name dort wohne.“

Es gibt Anzeichen, dass sich Schenkers Nachweis der texthistorischen Priorität


von ‫ בחר‬durchsetzen wird, wobei die Argumentation zwar komplex, aber nach
gegenwärtigem Erkenntnisstand wissenschaftlich alternativlos erscheint. Die
neue Sicht auf den Text verspricht zudem neue Perspektiven für das Verständnis
des Buches Deuteronomium und des sogenannten Deuteronomistischen Ge-
schichtswerkes, wie S. Schorch in seinem Beitrag zu dem von J. Zsengellér he-
rausgegebenen Sammelband „Samaria, Samarians, Samaritans“ (2011) zeigt.
Summa summarum sind folglich die mutmaßlichen samaritanischen Ideologis-
men im Samaritanus im Verlaufe der letzten 10 Jahre auf einen einzigen zusam-

25
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mengeschmolzen, nämlich das Garizim-Gebot als Zusatz zum Dekalog. Ande-


rerseits ist deutlich geworden, dass mit Dtn 27,4 „Ebal“ und der perfektischen
Verbalform in der deuteronomischen Zentralisierungsformel (Dtn 12,5 u. ö.) sig-
nifikante Lesungen des Masoretischen Textes ihren Ursprung offenkundig in
ideologischen Korrekturen haben, als Abgrenzung gegenüber einem sich heraus-
bildenden samaritanischen Gegenüber zum jerusalemorientierten Judentum zur
Zeit der Regentschaft von Johannes Hyrkanos im späten 2. Jh. v. Chr.

4. Die Vokalisierung des Samaritanischen Pentateuch


Anders als im Falle der Vokale und Akzente des Masoretischen Textes ist die
schriftliche Überlieferung des Samaritanischen Pentateuch nur in einem äußerst
geringen Maß mit einer Kodifizierung der Lesung verbunden worden, d. h. Vo-
kalisierung, Akzentueirung und Phrasierung werden bis heute weitestgehend
mündlich überliefert, im Zusammenhang einer liturgischen Lesetradition. Nach
ersten Ansätzen im 19. Jh. ist diese Lesetradition durch den israelischen Gelehr-
ten Z. Ben-Hayyim vollständig aufgenommen, transkribiert, sprachwissen-
schaftlich analysiert und im Jahre 1977 erstmals vollständig veröffentlich wor-
den. Dabei haben sich auch hinsichtlich der handschriftlichen Überlieferung des
Samaritanus entscheidende neue Erkenntnisse ergeben, insbesondere:
Das Hebräische der Samaritaner unterscheidet sich von allen bekannten jü-
dischen Traditionen des Hebräischen. Zahlreiche augenscheinliche Differenzen
zwischen den schriftlichen Überlieferungen von Samaritanus und Masoreti-
schem Text gehen auf sprachliche Differenzen der beiden Traditionen zurück.
Die in der Lesung überlieferte Vokalisierung des Samaritanus bietet in nicht
wenigen Fällen eine von der Masoretischen Vokalisierung abweichende Interpre-
tation des Konsonantengerüsts, z. B.: Der Masoretische Text liest in Gen 2,7
„Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des
Lebens in seine Nase.“

Die Übersetzung „blies“ gibt dabei ‫ ַו ִיַפּח‬wieder. Der samaritanische Text vokali-
siert dasselbe Wort jedoch wyabba, was einen Hif’il desselben Verbs ausdrückt,
also *‫ ַו ַיַּפּח‬entspricht und damit zugleich ein anderes Textverständnis zum Aus-
druck bringt, nämlich: „[…] und Gott ließ den Odem des Lebens in seiner Nase
blasen“. Während folglich nach dem MT die Erschaffung des Menschen auf dem
Einhauchen göttlichen Atems beruht, ist das menschliche Atmen im Samarita-
nischen Text eine Körperfunktion, die von Gott lediglich in Gang gesetzt wird.
Sprachwissenschaftliche Untersuchungen des Samaritanischen Hebräisch so-
wie texthistorische Untersuchungen der samaritanischen Vokalisierungstradition
haben gezeigt, dass die von den Samaritanern überlieferte Lesung im 2./1. Jh.
v. Chr. entstanden ist. In einer Untersuchung zum Text des Buches Genesis hat
Schorch die samaritanische Lesung unter texthistorischer Perspektive betrachtet
(Schorch, Vokale) und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer Ge-

26
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samtzahl von 440 Differenzen zwischen der masoretischen und der samarita-
nischen Vokalisierung in 318 Fällen (= ca. 72 %) der masoretischen Vokalisierung
texthistorische Priorität zukommt und in 48 Fällen (= ca. 17 %) der samarita-
nischen; bei 11 % der Belege erscheint kein Urteil möglich.
Auch wenn damit die masoretische Vokalisierung als unter texthistorischer
Perspektive zuverlässiger als die samaritanische erscheint, wird der Wert der sa-
maritanischen Vokalisierungstradition deutlich: Die samaritanische Toralesung
hat den neben dem Masoretischen Text einzigen vollständig vokalisierten hebräi-
schen Pentateuchtext erhalten und dadurch in vielen Fällen vergleichende Unter-
suchungen überhaupt erst ermöglicht. In einigen Fällen dürfte sie zudem eine
ältere Vokalisierung des Pentateuchtextes bewahren als der Masoretische Text.
Und schließlich ist zu vermerken, dass das hohe und die Zahl der Differenzen
bei weitem übersteigende Maß an Übereinstimmung zwischen den beiden Voka-
lisierungszeugen angesichts der Tatsache, dass die jüdische und die samarita-
nische Überlieferung des Pentateuchtextes seit dem ausgehenden 2. Jh. v. Chr.
kaum Berührungspunkte hatten, das hohe Alter beider Vokalisierungstraditio-
nen erweist.

5. Ausgaben mit wissenschaftlichem Anspruch


Die Geschichte des „Samaritanus“, d. h. die Wahrnehmung der Samaritanischen
Tora in der westlichen Forschung, beginnt erst 1616, als durch den Orientreisen-
den Pietro della Valle eine in Damaskus gekaufte Handschrift nach Paris kam
und deren Text in die berühmten Polyglottbibeln des 17. Jh. aufgenommen wur-
de (Polyglotte von Paris, 1629–1645, sowie Polyglotte von London, 1655–1657).
Bis zu der 1914–1918 veröffentlichten Ausgabe der Samaritanischen Tora durch
A. Frhr. v. Gall bildete dieser Text die Grundlage für die Arbeit mit dem Samari-
tanischen Pentateuch.
Galls Ausgabe enthält neben dem Haupttext drei Apparate, welche sich auf
1. den Konsonantenbestand des Haupttextes, 2. die samaritanischen Vokalzei-
chen sowie 3. die Interpunktionszeichen der samaritanischen schriftlichen Über-
lieferung beziehen. Wenngleich diese Edition als bis heute unersetzliche Pionier-
leistung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist sie doch sowohl im
Hinblick auf die Erkenntnisstände in der alttestamentlichen Textkritik und der
Samaritanologie wie auch unter editionsphilologischen Gesichtspunkten als
überholt zu betrachten.
Neben der Tatsache, dass fast alle der uns derzeit bekannten zentralen samari-
tanischen Pentateuchhandschriften in Galls Ausgabe fehlen, betrifft der genannte
Vorbehalt insbesondere die Präsentation des Haupttextes: Gall bietet einen
eklektischen Text, dessen Lesungen im Zweifelsfall einer unpassenden sprach-
lichen und orthographischen Normierung folgen, die eine Annäherung an den
Masoretischen Text impliziert und zahlreiche für die samaritanische Textüber-
lieferung charakteristische Lesungen in den Apparat verweist.

27
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Die seither erschienenen wissenschaftlichen Ausgaben beschränkten sich dem-


gegenüber auf die Erfassung einzelner wichtiger Handschriften, die von Gall
nicht zugänglich waren. Beachtung verdient dabei besonders A. Tals 1994 er-
schienene Transkription des in der Nabluser (Garizim-)Synagoge aufbewahrten
Ms. 6. Mangels Alternativen ist dieser Text als Textgrundlage für den Samaritanus
breit rezipiert worden, obgleich er beträchtliche Mängel aufweist: Zunächst han-
delt es sich hier lediglich die Transkription eines einzigen Manuskripts, welche
zudem die Interpunktionszeichen und die sonstigen nichtkonsonantischen Lese-
zeichen im wesentlichen unberücksichtigt läßt. Schwerer noch wiegt, dass die
fragliche Handschrift nicht zu den besten Repräsentanten des Samaritanus zählt.
Im Jahre 2010 haben A. Tal und M. Florentin eine Neuausgabe dieses Textes
veröffentlicht, erweitert um den synoptischen Abdruck des Masoretischen Tex-
tes, wobei die Unterschiede zwischen beiden Texten markiert werden. Die Neu-
ausgabe korrigiert zahlreiche Druckfehler der Vorgängerausgabe.
Angesichts der geschilderten Ausgangslage einerseits und der hohen Bedeu-
tung des Samaritanischen Pentateuchs andererseits gehört eine wissenschaftli-
chen Ansprüchen genügende Ausgabe dieses Textes zu den dringendsten Desi-
deraten der alttestamentlichen und hebraistischen Forschung. Dem trägt ein von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes und am Institut für Bibel-
wissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedeltes
Projekt Rechnung. Unter Leitung des Verfassers zielt es auf eine kritische editio
maior des Samaritanischen Pentateuch.
Im Unterschied zur Ausgabe Galls handelt es sich dabei um eine diplomatische
Edition: Der Haupttext gibt das im Jahr 1225 geschriebene Manuskript Dublin,
Chester Beatty Library 752 (1225) wieder, die älteste in fast vollständigem Um-
fang erhaltene Handschrift der Samaritanischen Tora; die Apparate berücksich-
tigen weitere ca. 30 Handschriften aus dem Zeitraum 11.–14. Jh. n. Chr.
Wie in der Ausgabe Galls wird im Haupttext der Edition nicht in samarita-
nischer Schrift, sondern in der im allgemeinen besser vertrauten hebräischen
Quadratschrift wiedergegeben, unter Zusatz der Vokal- und Interpunktionszei-
chen der samaritanischen Handschriften.
In insgesamt fünf vertikal unter dem Haupttext angeordneten Apparaten bie-
tet die neue Ausgabe zudem folgende Informationen:
1. Die Abweichungen zwischen den Lesungen der Haupthandschrift und den
Apparathandschriften. Diese Varianten betreffen häufig Orthographie und Pho-
netik, daneben aber auch okkasionelle Abweichungen im Wortbestand.
2. Die Abweichungen zwischen der hebräischen Pentateuchüberlieferung und
den samaritanischen Versionen, d. h. dem samaritanischen Targum und der Sa-
maritanisch-arabischen Übersetzung.
3. Die Parallelen zum Samaritanischen Text aus nicht-masoretischen Textzeu-
gen, v. a. Septuaginta und Qumranhandschriften.
4. Alle Belege von textkritischen Zeichen und Vokalzeichen in den der Edition
zugrundeliegenden Manuskripten.

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5. Die Abweichungen zwischen den in der Haupthandschrift und den in den


Apparathandschriften bezeugten Interpunktionen.
Zusätzlich bieten Marginalnoten zum Haupttext Angaben zu den samarita-
nischen Vokalisierungen solcher Wörter, deren Schreibung mehrere verschiedene
Vokalisierungen zulässt.
Die Ausgabe wird in Einzelbänden für jedes der fünf Torabücher erscheinen,
der Leviticus gewidmete erste Band ist für 2015 angekündigt; eine Darstellung
des Vorhabens samt Probeseiten der Edition findet sich in dem durch den Vf.
dieses Beitrages verfassten Artikel „A Critical editio maior of the Samaritan Pen-
tateuch“ (2013).

Die Septuaginta in der neueren Exegese.


Forschungsgeschichtlicher Hintergrund, theologische
Akzente, gesamtbiblische Perspektiven Eberhard Bons

Dominique Barthélemy, Critique textuelle de l’Ancien Testament, III: Ézéchiel, Daniel et les 12
Prophètes (OBO 50/3), Éditions Universitaires Fribourg und Vandenhoeck & Ruprecht Göt-
tingen 1992, XXIV + CCXLII + 1150 S. – Filippo Belli/Ignacio Carbajosa/Carlos Jódar Estrel-
la/Luis Sanchez Navarro, L’Antico nel Nuovo. Il ricorso alla Scrittura nel Nuovo Testamento
(Epifania della parola 11), Dehoniane Bologna 2008, 228 S. – Jennifer M. Dines, The Septua-
gint, hg. v. Michael A. Knibb (Understanding the Bible and its world), T&T Clark London
2004, XVII + 196 S. – Natalio Fernández Marcos, The Septuagint in Context. Introduction to
the Greek Versions of the Bible, übers. v. Wilfred G. E. Watson, Brill Leiden 2000, XIII +
394 S. – Karen H. Jobes/Moisés Silva, Invitation to the Septuagint, Baker Grand Rapids (Mi-
chigan) 22001, 351 S. – Jan Joosten, Collected Studies on the Septuagint. From Language to
Interpretation and Beyond (FAT 83), Mohr Siebeck Tübingen 2012, X + 246 S. – Armin Lange,
Handbuch der Textfunde vom Toten Meer, I: Die Handschriften biblischer Bücher von Qum-
ran und den anderen Fundorten, Mohr Siebeck Tübingen 2009, XVI + 582 S. – Mogens Müller,
The First Bible of the Church. A Plea for the Septuagint (JSOT.S 206), Academic Press Shef-
field 1996, 163 S. – Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Inter-
pretation, II: From the Renaissance to the Enlightenment, Vandenhoeck & Ruprecht Göttin-
gen 2008, 1248 S. – Eva Schulz-Flügel, Hieronymus, Feind und Überwinder der Septuaginta?
Untersuchungen anhand der Arbeiten zu den Psalmen: Anneli Aejmelaeus/Udo Quast (Hg.),
Der Septuaginta-Psalter und seine Tochterübersetzungen (AAWG.PH 230), Vandenhoeck &
Ruprecht Göttingen 2000, 33–50. – Folker Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem
Testament. Eine Einführung in die Septuaginta (Münsteraner Judaistische Studien 9), Lit
Münster 2001, 340 S. – Emanuel Tov, The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Re-
search (Jerusalem Biblical Studies 8), Simor Jerusalem 21997, XXXV + 289 S.

Weitere Literatur
Georg Bertram, Praeparatio Evangelica in der Septuaginta: VT 7 (1957) 225–259. – Eberhard
Bons, Parlare di Dio in greco. Traduzione, inculturazione, revisioni teologiche nella versione
dei LXX: Ricerche storico-bibliche 22 (2010) 113–124. – Eberhard Bons, Dieu dans le corpus

Verkündigung und Forschung 60. Jg., Heft 1, S. 29–42 29


ISSN 0342-2410 © Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, 2015

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