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2015
VERKÜNDIGUNG
GÜTERSLOHER
VERLAGSHAUS
www.gtvh.de
12402/ISSN 0342-2410
VF 59/1 p. 2 / 18.2.2015
Die Zeitschrift und alle in ihr veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift
Biblische Schriften
darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert, digitalisiert oder gesendet werden.
Inhalt
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Gefährdung Ahnfrau (Gen 12, Gen 20, Gen 26 und GenApok 19–20), zeigt er
eindrücklich auf, wie zum beiderseitigen Nutzen die Methoden der historischen
Bibelkritik auf die Texte vom Toten Meer angewendet werden können. Der Ar-
tikel geht darüber hinaus der Frage nach, was die Resultate der modernen Bibel-
kritik für das Verständnis der Texte vom Toten Meer austragen und wie umge-
kehrt das Verständnis des Alten Testaments von den Texten vom Toten Meer
profitiert.
Damit sollen keineswegs andere Ziele ausgeblendet werden. Der Blick in Rich-
tung Altes Testament legt sich für Qumranforscher zunächst einmal sehr nahe:
Die Gemeinschaft von Qumran versteht sich selbst aus der biblischen Geschich-
te heraus, im Verlauf ihrer Geschichte sogar zunehmend (Steudel, Dating Texts).
Noch längst nicht sind die starken Rückbindungen der nichtbiblischen Qumran-
texte an die biblische Tradition vollständig aufgedeckt. Doch auch die Zusam-
menarbeit zwischen neutestamentlicher Wissenschaft und Qumranforschung auf
der gerade erst durch die Veröffentlichung aller Qumrantexte etablierten Grund-
lage verspricht für beide Seiten einen enormen Gewinn, anders vielleicht als in
der frühen Phase der Qumranforschung erwartet, dennoch aber mit ungeahnten
Möglichkeiten.
Jonathan Ben-Dov, Early Texts of the Torah. Revisiting the Greek Scholarly Context: Journal
of Ancient Judaism 4 (2013) 210–234. – Zeev Ben-Ḥayyim, The Literary and Oral Tradition of
Hebrew and Aramaic Amongst the Samaritans, IV: The Words of the Pentateuch (hebr.), The
Academy of the Hebrew Language Jerusalem 1977, XVIII + 557 S. – Alan D. Crown (Hg.),
The Samaritans, Mohr Siebeck Tübingen 1989, XXI + 865 S. – Anne Katrine De Hemmer
Gudme, Before the God in this Place for Good Remembrance. A Comparative Analysis of
the Aramaic Votive Inscriptions from Mount Gerizim (BZAW 441), de Gruyter Berlin 2013,
X + 181 S. – Jan Dušek, Les manuscrits araméens du Wadi Daliyeh et la Samarie vers 450–332
av. J.-C. (Culture and history of the ancient Near East 30), Brill Leiden 2007, XXVI + 700 S. –
Jan Dušek, Aramaic and Hebrew Inscriptions from Mt. Gerizim and Samaria between Antio-
chus III and Antiochus IV Epiphanes (Culture and history of the ancient Near East 54), Brill
Leiden 2012, XVIII + 200 S. – Esther Eshel/Hanan Eshel, Dating the Samaritan Pentateuch’s
compilation in light of the Qumran biblical scrolls: Shalom Paul/Robert A. Kraft/Lawren-
ce H. Schiffman/Weston W. Fields unter Mitarb. v. Eva Ben-David (Hg.), Emanuel. Studies
in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea Scrolls in Honor of Emanuel Tov (VT.S 94), Brill
Leiden 2003, 215–240. – Magnar Kartveit, The origin of the Samaritans (VT.S 128), Brill
Leiden 2009, XII + 405 S. – Yitzhak Magen/Misgav Haggai/Levana Tsfania, Mount Gerizim
excavations, I: The Aramaic, Hebrew and Samaritan inscriptions (Judea & Samaria publica-
tions 2), Israel Antiquities Authority Jerusalem 2004, IX + 272 + 37 S. – Yitzhak Magen,
Mount Gerizim excavations, II: A temple city (Judea & Samaria publications 8), 2008, XIV +
Weitere Literatur
Stefan Schorch, Die Vokale des Gesetzes. Die samaritanische Lesetradition als Textzeugin der
Tora, I: Das Buch Genesis (BZAW 339), de Gruyter Berlin 2004, X + 304 S. – Stefan Schorch,
The Construction of Samari(t)an Identity from the Inside and from the Outside: Rainer Al-
bertz/Jakob Wöhrle (Hg.), Between Cooperation and Hostility. Multiple Identities in Ancient
Judaism and the Interaction with Foreign Powers (JAJ.S 11), Vandenhoeck & Ruprecht Göt-
tingen 2013, 135–149. – Stefan Schorch, A Critical editio maior of the Samaritan Pentateuch.
State of Research, Principles, and Problems: HeBAI 2 (2013) 100–120.
Der Pentateuch der Samaritaner erfreut sich in den letzten Jahren einer zuneh-
menden wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Dieses neu gewonnene Interesse
geht v. a. auf die Erkenntnisse zurück, welche die Auswertung der Funde von
Qumran mit sich brachte. Jene haben nämlich vor Augen geführt, daß die Sama-
ritanische Tora nicht vornehmlich Produkt und Spiegel ideosynkratisch-samari-
tanischer Anschauungen ist, sondern vielmehr eine Textfassung des Pentateuch
bewahrt, die im 2. Jh. v. Chr. zum literarischen und religiösen Gemeingut des
gesamten palästinischen Judentums zählte, ebenso wie der Masoretische Text.
Vor diesem Hintergrund ist die texthistorische Abwertung des Samaritanus
ebenso problematisch geworden wie die Priorisierung des Masoretischen Textes,
und die Forschung konzentriert sich nun weitestgehend auf die sachgerechte
historische Kontextualisierung beider Textzeugen und deren darauf aufbauenden
Vergleich.
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Deutlich ist, dass diese Kategorien nicht auf textlichen Charakteristiken der je-
weils betrachteten Manuskripte beruhen, sondern auf dem Vergleich mit ansons-
ten nur in jüngeren Handschriften überlieferten Texten. Sie führen damit vor
Augen, dass die mit späteren Tradentengruppen verbundenen Traditionstexte,
Masoretischer Text (MT) – Samaritanischer Pentateuch (SP) – Septuaginta
(LXX), Vorläufer haben, die im Judentum des 2. Jh. v. Chr. offensichtlich gleich-
rangig nebeneinander im Umlauf waren. Sie werden heute meist als Protomaso-
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b) Harmonisierungen
Ein weiteres Charakteristikum des präsamaritanischen Texttyps ist, dass die die-
sem zugrundliegende Redaktion auf die Beseitigung von internen Widersprü-
chen und Inkonsistenzen zielte. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine
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mutmaßlich futurischen („der Ort, den der Herr erwählen wird“) zu einer per-
fektischen Ausrichtung („… erwählt hat“), d. h. die Änderung der futurischen
Verbform יבחרin das Perfekt ()בחר.
Demgegenüber führt die 2012 erschienene 3. Auflage desselben Handbuchs
nur noch den Dekalogzusatz sowie die Zentralisierungsformel als Belege an,
wohingegen eine Fußnote erläutert, die Lesung „Garizim“ (SP) in Dtn 27,4 sei
vermutlich die gegenüber „Ebal“ (MT) primäre Lesung, weil sie auch von der
Vetus Latina bezeugt werde (Criticism2, 88 Anm. 140).
Die Einsicht in diesen Umstand hat sich v. a. aufgrund der Veröffentlichungen
von M. Kartveit (302–305) und A. Schenker durchgesetzt. Sie argumentieren,
dass der Vetus Latina-Lesung „Garizim“ schwerlich samaritanische Ursprünge
nachgesagt werden könnten und sich hier folglich eine Lesung erhalten habe,
welche über die ursprüngliche (d. h. von späteren Revision unberührte) grie-
chische Übersetzung (die sogenannte „Old Greek translation“) des Buches Deu-
teronomium auf die Vorlage derselben zurückführe – und mithin auf einen heb-
räischen Text des 3. Jh. v. Chr.
Schenker hat in seinem Beitrag zu dem von M. Mor und F. Reiterer heraus-
gegebenen Band „Samaritans past and present“ (2010) und einem weiteren Arti-
kel (Schenker) darüber hinaus gezeigt, dass auch die Annahme, der perfektische
Fokus der Zentralisierungsformel gehe auf eine ideologische Korrektur der Sa-
maritaner zurück, aus texthistorischer Sicht nicht länger haltbar sein dürfte: Bis-
lang wenig oder nicht berücksichtigte Belege in griechischen Deuteronomium-
handschriften sowie in Manuskripten von frühen, d. h. vorrevisionellen
Übersetzungen des griechischen Textes (Vetus Latina und koptische Überset-
zung) zeigen nämlich, dass der älteste, unrevidierte Text der griechischen Deute-
ronomiumübersetzung die Zentralisierungsformel in der Vergangenheit bezeugt,
was wiederum auf eine entsprechende hebräische Vorlage führt, die dem grie-
chischen Übersetzer im 3. Jh. v. Chr. als Ausgangspunkt diente. Zudem findet
sich die mit der perfektischen Lesung verbundene Vorstellung, dass die Erwäh-
lung des Ortes bereits zu Moses Zeiten geschehen sei, auch im Masoretischen
Text von Neh 1,9:
„Wenn ihr euch aber zu mir bekehrt […], so will ich […] euch bringen an den Ort, den ich
erwählt habe, damit mein Name dort wohne.“
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Die Übersetzung „blies“ gibt dabei ַו ִיַפּחwieder. Der samaritanische Text vokali-
siert dasselbe Wort jedoch wyabba, was einen Hif’il desselben Verbs ausdrückt,
also * ַו ַיַּפּחentspricht und damit zugleich ein anderes Textverständnis zum Aus-
druck bringt, nämlich: „[…] und Gott ließ den Odem des Lebens in seiner Nase
blasen“. Während folglich nach dem MT die Erschaffung des Menschen auf dem
Einhauchen göttlichen Atems beruht, ist das menschliche Atmen im Samarita-
nischen Text eine Körperfunktion, die von Gott lediglich in Gang gesetzt wird.
Sprachwissenschaftliche Untersuchungen des Samaritanischen Hebräisch so-
wie texthistorische Untersuchungen der samaritanischen Vokalisierungstradition
haben gezeigt, dass die von den Samaritanern überlieferte Lesung im 2./1. Jh.
v. Chr. entstanden ist. In einer Untersuchung zum Text des Buches Genesis hat
Schorch die samaritanische Lesung unter texthistorischer Perspektive betrachtet
(Schorch, Vokale) und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer Ge-
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samtzahl von 440 Differenzen zwischen der masoretischen und der samarita-
nischen Vokalisierung in 318 Fällen (= ca. 72 %) der masoretischen Vokalisierung
texthistorische Priorität zukommt und in 48 Fällen (= ca. 17 %) der samarita-
nischen; bei 11 % der Belege erscheint kein Urteil möglich.
Auch wenn damit die masoretische Vokalisierung als unter texthistorischer
Perspektive zuverlässiger als die samaritanische erscheint, wird der Wert der sa-
maritanischen Vokalisierungstradition deutlich: Die samaritanische Toralesung
hat den neben dem Masoretischen Text einzigen vollständig vokalisierten hebräi-
schen Pentateuchtext erhalten und dadurch in vielen Fällen vergleichende Unter-
suchungen überhaupt erst ermöglicht. In einigen Fällen dürfte sie zudem eine
ältere Vokalisierung des Pentateuchtextes bewahren als der Masoretische Text.
Und schließlich ist zu vermerken, dass das hohe und die Zahl der Differenzen
bei weitem übersteigende Maß an Übereinstimmung zwischen den beiden Voka-
lisierungszeugen angesichts der Tatsache, dass die jüdische und die samarita-
nische Überlieferung des Pentateuchtextes seit dem ausgehenden 2. Jh. v. Chr.
kaum Berührungspunkte hatten, das hohe Alter beider Vokalisierungstraditio-
nen erweist.
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Dominique Barthélemy, Critique textuelle de l’Ancien Testament, III: Ézéchiel, Daniel et les 12
Prophètes (OBO 50/3), Éditions Universitaires Fribourg und Vandenhoeck & Ruprecht Göt-
tingen 1992, XXIV + CCXLII + 1150 S. – Filippo Belli/Ignacio Carbajosa/Carlos Jódar Estrel-
la/Luis Sanchez Navarro, L’Antico nel Nuovo. Il ricorso alla Scrittura nel Nuovo Testamento
(Epifania della parola 11), Dehoniane Bologna 2008, 228 S. – Jennifer M. Dines, The Septua-
gint, hg. v. Michael A. Knibb (Understanding the Bible and its world), T&T Clark London
2004, XVII + 196 S. – Natalio Fernández Marcos, The Septuagint in Context. Introduction to
the Greek Versions of the Bible, übers. v. Wilfred G. E. Watson, Brill Leiden 2000, XIII +
394 S. – Karen H. Jobes/Moisés Silva, Invitation to the Septuagint, Baker Grand Rapids (Mi-
chigan) 22001, 351 S. – Jan Joosten, Collected Studies on the Septuagint. From Language to
Interpretation and Beyond (FAT 83), Mohr Siebeck Tübingen 2012, X + 246 S. – Armin Lange,
Handbuch der Textfunde vom Toten Meer, I: Die Handschriften biblischer Bücher von Qum-
ran und den anderen Fundorten, Mohr Siebeck Tübingen 2009, XVI + 582 S. – Mogens Müller,
The First Bible of the Church. A Plea for the Septuagint (JSOT.S 206), Academic Press Shef-
field 1996, 163 S. – Magne Sæbø (Hg.), Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Inter-
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gen 2008, 1248 S. – Eva Schulz-Flügel, Hieronymus, Feind und Überwinder der Septuaginta?
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Der Septuaginta-Psalter und seine Tochterübersetzungen (AAWG.PH 230), Vandenhoeck &
Ruprecht Göttingen 2000, 33–50. – Folker Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem
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search (Jerusalem Biblical Studies 8), Simor Jerusalem 21997, XXXV + 289 S.
Weitere Literatur
Georg Bertram, Praeparatio Evangelica in der Septuaginta: VT 7 (1957) 225–259. – Eberhard
Bons, Parlare di Dio in greco. Traduzione, inculturazione, revisioni teologiche nella versione
dei LXX: Ricerche storico-bibliche 22 (2010) 113–124. – Eberhard Bons, Dieu dans le corpus