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4/8/2019 Großmacht – Wikipedia

Großmacht
Als Großmacht bezeichnet man einen Staat, der einen wesentlichen geopolitischen Einfluss hat.

Inhaltsverzeichnis
Begriff
Begriffsbestimmung
Begriffsabgrenzung
Anwendung des Begriffs
Großmächte in der Epoche der Neuzeit
Heutige Situation
Ähnliche Begriffe
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise

Begriff

Begriffsbestimmung
Der Brockhaus definiert den Begriff „Großmacht“ als Bezeichnung „für einen Staat, dessen Stellungnahme im
internationalen Leben (Diplomatie, Friedensschlüsse, Kongresse) berücksichtigt werden musste, weil er sich sogar im
Kampf mit der Mehrzahl der anderen Großmächte machtmäßig behaupten konnte“.[1]

Nach Erich Bayer werden diejenigen Staaten als Großmächte bezeichnet, die „einen bestimmenden Einfluss auf die
Weltpolitik“ haben. Dies waren im ausgehenden 18. Jahrhundert (nach dem Ausscheiden Schwedens und Spaniens)
Großbritannien, Frankreich, Russland, Preußen und Österreich. Im 19. und 20. Jahrhundert kamen die USA und
Japan dazu.[2]

Häufig wird als Kriterium für den Begriff angeführt, dass eine defensive Großmacht allein gegen jeden anderen Staat
militärisch bestehen kann. Eine offensive Großmacht hingegen muss in der Lage sein, weltweit militärisch Einfluss zu
üben. Eine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition existiert jedoch nicht, so dass es im Einzelfall umstritten
sein kann, ob ein Staat als Großmacht gelten kann.[3]

Der Begriff kam im frühen 19. Jahrhundert auf,[4] als die Hegemonie Frankreichs am Ende der napoleonischen
Herrschaft durch die Pentarchie abgelöst wurde, eine beschränkte Kooperation der Siegermächte Russland,
Österreich, Großbritannien und Preußen mit dem besiegten Frankreich, die sich auf dem Wiener Kongress
herausbildete. Zunächst wurden nur diese fünf Mächte so bezeichnet.

Der Begriff ist nicht genau definiert, wird aber seit dieser Zeit auch zur Charakterisierung früherer und späterer
Machtkonstellationen angewandt.[5]

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Begriffsabgrenzung
Im Deutschen werden zur Kennzeichnung einer Großmachtstellung hauptsächlich Wörter auf -macht verwendet,
unter anderem Großmacht, Weltmacht und Supermacht, wobei der erste Wortteil grob die Größe der
Interessensphäre sowie den beigemessenen staatlichen Einfluss beschreibt.

Die Bezeichnungen Großmacht und Weltmacht sind an die Stelle des älteren Begriffs Reich getreten, wie zum Beispiel
beim Römischen Reich. Der Begriff Supermacht bezieht sich ausschließlich auf die bipolare Weltordnung mit den zwei
überragenden Konkurrenten USA und UdSSR, bzw. nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nur auf die
Vereinigten Staaten allein.

Anwendung des Begriffs


Eine Unterscheidung zwischen großen Mächten und kleineren Spielbällen der Weltpolitik nimmt bereits Ende des 5.
Jhdts. v. Chr. Thukydides in seinem Melier-Dialog vor, indem er den Athenern den Satz in den Mund legt: "Die
Starken tun, was sie wollen, die Schwachen leiden, was sie müssen!"[6]

Die Begriffsbildung Großmacht bleibt indes der Neuzeit vorbehalten und wird deshalb nur selten zur
Charakterisierung der Machtgewichtung im Altertum und Mittelalter herangezogen, wo man eher von Großreichen
spricht. So werden in der historischen Fachliteratur das alte Ägypten, Babylon, das Assyrische Reich, das Reich der
Hethiter, das Alt- bzw. Neupersische Reich, Karthago, Athen, Sparta, Makedonien bzw. das Alexanderreich, das
Seleukidenreich, das Römische Reich und das Kaiserreich China als Großreiche oder auch als Großmächte bezeichnet.

Als „Großmächte“ des Frühmittelalters gelten das zum Byzantinischen Reich gewandelte Römische Reich, das
Frankenreich, das islamische Kalifat und weiterhin China. Im Hochmittelalter entstanden aus dem Frankenreich das
Heilige Römische Reich und Frankreich. Das Osmanische Reich verdrängte das Byzantinische Reich als Großmacht.
Für die Zeit ihrer Blüte hatten die beiden oberitalienischen Stadtrepubliken Genua und Venedig eine
Vormachtstellung im Mittelmeerraum, Ägypten erlangte in der Zeit der Ayyubiden und der Mamluken eine
Großmachtstellung, die Mongolenreiche für kurze Zeit sogar eine Hegemonie in Mittel- und Ostasien. Auf dem
amerikanischen Doppelkontinent etablierten sich im 15. Jahrhundert die Reiche der Inka und Azteken.

Großmächte in der Epoche der Neuzeit


In der frühen Neuzeit hatten auf Grund ihrer Kolonien auch Spanien und Portugal weltweiten Einfluss, später
gewannen die Niederlande, Russland, Schweden, Polen-Litauen, Österreich, Frankreich, England und nach dem
Siebenjährigen Krieg auch Preußen eine Großmachtstellung. Mit dem Verlust einiger ihrer Kolonien bzw. Gebiete im
18. und 19. Jahrhundert verloren die iberischen Länder und die Niederlande jedoch diesen Status wieder, Schweden
wurde im Großen Nordischen Krieg durch die neue Großmacht Russland zurückgedrängt. Polen-Litauen verschwand
nach den drei Teilungen Polens von der Landkarte. Auf dem indischen Subkontinent etablierte sich seit dem 16.
Jahrhundert das Mogulreich als Regionalmacht.

Seit Ende des Siebenjährigen Krieges bestimmte die europäische Pentarchie der zur Zeit des Wiener Kongresses
erstmals wörtlich so genannten fünf Großmächte: „Die wichtigsten Entscheidungen [auf dem Wiener Kongress] fielen
im Komitee der fünf Großmächte“: Großbritannien, Österreich, Preußen, Russland und Frankreich. Im Europäischen
Ausschuss der acht Signatarmächte des 1. Pariser Friedens saßen darüber hinaus noch Spanien, Portugal und
Schweden.[7] Das ehemals so mächtige Osmanische Reich galt nur noch als Regionalmacht („Kranker Mann am
Bosporus“).

In der Epoche des Imperialismus kamen zu den bisherigen fünf europäischen Großmächten zwei außereuropäische
Staaten hinzu, die auf Grund ihrer frühen Industrialisierung Großmachtstatus erwarben: Die Vereinigten Staaten von
Amerika und Japan.[8]

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Mit der Gründung des Deutschen Bundes trat nach zeitgenössischem Urteil Deutschland wieder als „Gesamtmacht in
die Reihe der Mächte“,[9] die als Hauptmächte[10], als grandes puissances oder als europäische Mächte von den
Staaten zweiter Ordnung abgehoben wurden.[11] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg Italien in den Kreis
der Großmächte auf, Österreich wandelte sich zu Österreich-Ungarn und Preußen ging im Deutschen Kaiserreich auf.
Außerhalb Europas gewannen die Vereinigten Staaten nach dem Sezessionskrieg und Japan nach dem Russisch-
Japanischen Krieg eine Großmachtstellung.

Vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges galten das Deutsche Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die
Sowjetunion und die USA als Großmächte. Die Siegermächte behielten nach Kriegsende diesen Status. Der Besitz von
Atomwaffen wurde ein sehr wichtiges Großmachtkriterium neben dem Status als Ständiges Mitglied des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Diesen hatten nach 1945 die USA, die Sowjetunion, Großbritannien,
Frankreich und China[12] inne und bildeten insofern nominal die neue „Welt-Pentarchie“. Seit dem Kalten Krieg
waren die USA und die Sowjetunion die dominierenden Großmächte, weshalb man sie auch als Supermächte
bezeichnete. Bisweilen wird Russland auch heute noch als Supermacht angesehen, in erster Linie deshalb, weil das
Land bis heute neben den USA das größte Nuklearwaffenarsenal besitzt.

Heutige Situation
Allein der Besitz von Atomwaffen ist kein Kriterium für eine Großmacht. Dagegen verleiht ein ständiger Sitz im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wegen des Vetorechtes einen bevorrechtigten Status. Daher darf man den
Reformplan der G4-Staaten Japan, Indien, Brasilien und Deutschland, der für sie einen ständigen Sitz vorsieht, als
Anspruch auf eine Großmachtstellung verstehen.[13]

Ähnliche Begriffe
Hypermacht ist eine 1999 entstandene Begriffsschöpfung des damaligen französischen Außenministers Hubert
Védrine, um die aktuelle dominierende Stellung der USA in der Politik, Wirtschaft, Kultur, in den Massenmedien und
beim Militär zu kritisieren.

Siehe auch
Weltreich
Politische Philosophie
Wirtschaftsmacht
Zivilmacht

Literatur
Karl-Georg Faber: Von den ‚Großen Mächten‘ zu den ‚Weltmächten‘. Abschnitt 5 des Lemmas Macht, Gewalt. In:
Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur
politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Band 3, Stuttgart 1982, S. 930–935.
Paul Kennedy: Aufstieg und Fall der großen Mächte, 1987, ISBN 3-596-14968-1.
Henry A. Kissinger: Das Gleichgewicht der Großmächte. Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas
1812-1822. 2. Auflage, Zürich 1990.
Ulrich Menzel: Die Ordnung der Welt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015, ISBN 9783518423721.
Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten.
Rowohlt, Berlin 2005, ISBN 3-87134-509-1.

Weblinks
Wiktionary: Großmacht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme,
Übersetzungen

https://de.wikipedia.org/wiki/Großmacht 3/4
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Einzelnachweise
1. Brockhaus Enzyklopädie in 20 Bänden. 17., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 7, Wiesbaden: F.A. Brockhaus, 1969, S.
711.
2. Erich Bayer (Hrsg.): Wörterbuch zur Geschichte. Begriffe und Fachausdrücke (= Kröners Taschenausgabe. Band
289). Kröner, Stuttgart 1960, DNB 455732663, S. 185.
3. Frank Schimmelfennig: Internationale Politik (= Grundkurs Politikwissenschaft, Band 3107). UTB, Paderborn 2008
ISBN 978-3-506-76581-9, S. 74.
4. Während Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart in der Auflage von 1811 das
Stichwort Großmacht noch nicht anführt, sondern nur großmächtig und Großmächtigkeit, schreibt Joseph Görres
(im Rheinischen Merkur vom 23. September 1815) in den Bemerkungen über die gegenseitigen Verhältnisse
Frankreichs und der Verbündeten: „Aus Frankreichs Ansicht ist Preußen eine nagelneue, aber noch nicht
nagelfeste Großmacht.“ Das sei „eine Formulierung, in der das Wort Großmacht eindeutig nicht mehr große
Macht, sondern einen mächtigen Staat bezeichnet.“ (Walter Böhme: Zur Entwicklung des Begriffs Großmacht (htt
p://fontanefan.blogspot.com/2011/09/zur-entwicklung-des-begriffs-gromacht.html), September 2011). Dort findet
sich auch ein Hinweis auf Adelungs Lexikon.
5. Ein früher Beleg ist in der Brockhaus Enzyklopädie von 1823 unter dem Stichwort Congreß, auf den
Friedenskongress von Münster und Osnabrück von 1648 bezogen, zu finden: „Das eben thronlos gewordene
England nahm keinen Theil daran, und Spanien erschien darauf eigentlich nicht mehr als entscheidende
Großmacht neben Östreich, Frankreich und Schweden.“ (Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und
Künste herausgegeben von Johann Samuel Ersch, Johann Gottfried Gruber u. a. Teil 22, Brockhaus Verlag 1832
S. 105)
6. Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, V 89.
7. Geiss, Imanuel: Geschichte im Überblick. Daten und Zusammenhänge der Weltgeschichte. Reinbek bei
Hamburg: Rowohlt, 1995, S. 404.
8. Geiss, Imanuel: Geschichte im Überblick. Daten und Zusammenhänge der Weltgeschichte. Reinbek bei
Hamburg: Rowohlt, 1995, S. 437: „Im Zeitalter des Imperialismus stießen zwei überseeische Großmächte mit
Kriegen als neue dynamisch expandierende Machtzentren im Fernen Osten und im Fernen Westen zu den
europäischen Großmächten – Japan und die USA.“
9. Art. 2 der Wiener Schlussakte von 1820.
10. Arnold Heeren: Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem bei der
Eröffnung des Bundestages dargestellt. 1817, S. 430.
11. Faber S. 931.
12. Ab 1971 trat die Volksrepublik China an die Stelle Taiwans (vgl. Resolution 2758 der UN-Generalversammlung)
13. Der ehemalige deutsche Außenminister Fischer, der selbst den Reformplan vertreten hat, hält den Anspruch für
Deutschland, aber auch für die gegenwärtigen ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich und Großbritannien
für überzogen: „Und so wird der Rest der Welt eines Tages den Europäern wohl klarmachen müssen, dass das
19. Jahrhundert und auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts längst Geschichte sind und die globale
Machtverteilung der Gegenwart nicht mehr, wie in der Vergangenheit, von europäischen Mittelmächten bestimmt
werden kann.“ (Joschka Fischer: I’m not convinced – Der Irakkrieg und die rot-grünen Jahre. Kiepenheuer &
Witsch, 2010, ISBN 3-462-04081-2, S. 299). Daher vertritt er die Position, dass von den europäischen Staaten
außer Russland nur der Europäischen Union ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat zukommen sollte.

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Diese Seite wurde zuletzt am 15. Februar 2019 um 23:35 Uhr bearbeitet.

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