You are on page 1of 2

FEUILLETON

LITERATUR GLAUBEN & ZWEIFELN


Biografie: Ein neuer Blick auf Zeitung und Religion: Über die Freiheit in der
Max Frisch S. 55 christlichen Presse S. 66

2. Dezember 2010 DIE ZEIT No 49 51

ch hatte im vergangenen Jahr angeregt, kurzer Suche gefunden. Gleichwohl kommt es im DEUTSCHE TEA PART Y

Foto: Urban Zintel/laif


eine allmähliche Umstellung des beste- Absolutismus schon zu Ansätzen einer reziproken
henden Steuersystems von einem büro- Bindung zwischen dem schützend-vorsorgenden
kratisierten Ritual der Zwangsabgaben
zu einer Praxis freiwilliger Beiträge zum
Staat und einer aus den Wohltaten der autoritär
gewährten Ordnung Vorteile ziehenden Zivilgesell-
Wir Antidemokraten
Gedeihen des Gemeinwesens in Erwä- schaft. Es entstehen die ersten Grundlagen einer Der Wutbürger ist nicht
gung zu ziehen. Sollte ein Hauch von transaktionalen Deutung des Steuerwesens, wonach
Ironie an meinen ernst gemeinten Thesen zu be- Steuern der gerechte Preis des Lebens in geordneten konservativ, er ist reaktionär
merken gewesen sein, so wäre diese dadurch be- Verhältnissen seien. Aus ihnen geht ein wesentlicher
dingt, dass ein Autor normalerweise selbst ziem- Teil der aktuellen Fiskalität hervor. Jedoch ist auch Der kommende Aufstand, jenes viel diskutier-
lich gut einschätzen kann, wann er etwas von sich diese autoritäre Tradition für eine demokratische te, im Spiegel teilabgedruckte, in den Feuille-
gibt, was aller Wahrscheinlichkeit nach in den Gesellschaft letztlich inakzeptabel, weil sie zwar tons gewürdigte Manifest eines französischen
Wind gesprochen ist. Zumindest schien es mir so: Elemente einer rational-reziproken Beziehung im- »Unsichtbaren Komitees« hat, bei aller Revo-
Ohne den Beweis durch die Tatsachen hätte es pliziert, jedoch die Reziprozität einseitig von oben lutionsrhetorik, einen konservativen Kern:
niemand für möglich gehalten, dass eine Wort- her gestaltet. Nach einer demokratischen Metamor- Beklagt wird der Verlust an tradierter Gesel-
meldung zu dem seit Jahrzehnten monoton dis- phose sollte der Staat seine Zugriffe auf Bürgerver- ligkeit, an Volksfesten, an guten Manieren.
kutierten Komplex der unmöglichen »Steuer- mögen längst den postabsolutistischen Verhält- Radikal links assoziierbares Gedankengut –
reform« in Deutschland Aufmerksamkeit erregen nissen angepasst haben – man würde dies daran der Aufruf zur Errichtung von Kommunen,
oder gar skandalfähig werden könnte. erkennen, dass die faktisch gebende Seite auch die Feier eines subversiven Protests, der Anti-

Warum ich
Genau dieses jedoch geschah im Anschluss an rechtens mehr als gebende denn als schuldende ver- kapitalismus – wird mit der Trauer um ver-
einen Essay, den ich am 13. Juni 2009 in der FAZ standen würde und daher in alle Phasen des fis- gangene Alltagsgewohnheiten verzahnt.
vorgelegt hatte. Mit einer Verzögerung von eini- kalischen Prozesses angemessen involviert würde. Der kommende Aufstand wird auch des-
gen Monaten wurde dieses Papier, das unter dem Von einem solchen Schritt in die steuerpolitische halb so rege rezipiert, da er die Wutbürger-
redaktionellen Titel Die Revolution der gebenden Moderne jedoch kann bis heute nirgendwo die aufstände abzubilden scheint, die diesen
Hand erschienen war, von einem in jedem Sinn Rede sein. Das fiskalische Mittelalter ist nicht zu Herbst das Land nicht nur in Stuttgart be-
des Worts aufgebrachten Leser zum Anlass ge- Ende. Nach Lage der Dinge sieht alles so aus, als wegten. Das jedenfalls behauptet der Spiegel
nommen, zu behaupten, der Verfasser habe sich
nun für immer aus dem Kreis der zurechnungs-
fähigen Zeitgenossen verabschiedet. Der Angriff
auf meine Thesen erfolgte in der ZEIT vom 24.
September 2009 unter dem Titel Fataler Tiefsinn
aus Karlsruhe. Er stammte aus der Feder von Axel
doch solle das Fiskalsystem direkt aus dem Absolutismus
ins postdemokratische Zeitalter übergehen, ohne
je eine demokratische Phase gekannt zu haben.

3. »Gegenenteignung« in sozialistischer Tradition,


ausgehend von der populären Devise »Expropria-
in dieser Woche. Und verkennt dabei, dass
die Proteste – gegen allen Anschein – keines-
wegs konservativer Natur sind. Gewiss, man
möchte als Rentner auf dem Spaziergang
nicht mit einer zehnjährigen Baustelle kon-
frontiert sein, in den letzten Lebensjahren

recht habe
Honneth, einem Nachfahren der erloschenen tion der Expropriateure«, mit welcher die Linke des soll möglichst alles bleiben, wie es war.
Frankfurter Schule. Ich habe darauf halbwegs ge- 19. Jahrhunderts ihr Verständnis des bürgerlichen Was auf den ersten Blick als konservativer
lassen, aber nicht ganz ohne Zuspitzungen in der Reichtums als Resultat von »Ausbeutung der Werk- Impuls scheint, ist aber in Wahrheit ein reak-
FAZ geantwortet. Dabei erläuterte ich meine Idee tätigen« zum Ausdruck brachte. Wenn wirklich, tionärer. Reaktionär insofern, als er insgeheim
noch einmal, wonach nur eine Ethik des Gebens wie Proudhon unter dem Beifall von Marx be- von einem glühenden Misstrauen gegenüber
die Stagnation der zeitgenössischen politischen hauptete, Eigentum Diebstahl ist, kann nur ein gut dem Parlamentarismus und demokratischen
Kultur überwinden könnte. Aus der Erregung über dosierter Gegendiebstahl das Mittel zur Behebung Institutionen geprägt ist, die Partizipation
meine mithilfe der ZEIT-Feuilleton-Redaktion des Übels sein. Die Legitimierung der staatlichen strukturieren. Offenkundig ist mittlerweile
effektvoll verzerrten Thesen entwickelten sich Peter Sloterdijks revolutionärer Vorschlag, die Zugriffe erfolgt hier durch den Imperativ der Um- jeder Sinn für die formalistischen Aspekte
mehrere parallele Debatten, teils unter dem Stich- verteilung eines Reichtums, vom dem nicht ein- der Demokratie verloren gegangen: Man will
wort »Klassenkampf von oben«, was in meinen Reichen nicht durch Steuern zu belangen, sondern zusehen sei, warum seine »kollektive Erzeugung« sich nicht in den Niederungen der Parteien
Augen eine eigenwillige Abschweifung vom The- auf freiwillige Abgaben zu setzen, entfachte eine durch seine »private Aneignung« dementiert werden engagieren, sondern den Meinungsbildungs-
ma »Steuerreform aus dem Geist des Gebens« sollte. In sozialdemokratisierten Systemen wie dem prozess in Volksabstimmungen abkürzen.
bedeutete. große Debatte. In der ZEIT wurde er der BRD werden hohe Steuersätze als Erfolge der Man möchte keine Regierung mehr, die auf
Niemand hat je im Ernst geleugnet, dass zu dafür von dem Philosophen Axel Honneth massiv verteilenden Linken eingeschätzt, während man diskrete Kommunikation angewiesen ist,
einer geordneten Staatlichkeit ein zuverlässiges niedere Sätze den Bestrebungen der raffenden sondern feiert WikiLeaks. Man möchte die
Finanzwesen gehört. Meine Anregungen tasten angegriffen. Jetzt antwortet PETER SLOTERDIJK Rechten zuordnet. Die Legitimitätsbasis dieses Minderheiten (Migranten und Raucher)
die Evidenzen nicht an. Was selbstverständlich erstmals ausführlich seinen Kritikern Modells ist freilich seit je brüchig, da sie von der durch Bürgerbefragungen gängeln, solange
ist, soll selbstverständlich bleiben. Wären Steuern, sachlich wie ethisch problematischen Hypothese der Staat sie unnötigerweise noch schützt.
wie manche sagen, nichts anderes als der natür- der »Ausbeutung« der Arbeitnehmer durch den Wie die 68er-Bewegung einst von Ame-
liche Preis des Glücks, in einem effizienten Staat »Mehrwertdiebstahl« seitens der Unternehmen rika aus nach Deutschland fand, ist es heute
unter der Herrschaft des Rechts zu leben, so abhängt. Weist man dieses vergilbte Dogma zurück, die reaktionäre Tea-Party-Bewegung, die uns
brauchte man über ihre Begründung kein Wort so ist der gängigen Steuerbegründung sozialisti- inspiriert. Die Bürgerwut ist dabei schon
zu verlieren – obschon über ihre angemessene gehört, Steuern zu erheben, und er braucht das der Staatskasse reicht weit bis ins 20. Jahrhundert, schen Stils der Boden entzogen. Der Mythos vom deshalb nicht als konservativ zu bezeichnen,
Höhe zu streiten bliebe. Jedoch: Es gibt im In- Geld, weil es keinen Staat gibt, der das Geld nicht seine Popularität kann auch in »volksgemeinschaft- Diebstahl der Reichen an den Armen und vom da sie das Mehrheitsprinzip ganz nach markt-
nersten des Selbstverständlichen einen Komplex braucht. Auf diese eherne Logik kann der Bürger lich« integrierten Sozialstaaten zuweilen ein hohes moralisch legitimen Gegendiebstahl des sozial wirtschaftlichem Vorbild gegen die demo-
von Annahmen, die sich bei näherem Zusehen als allein mit Fatalismus antworten. Den vernimmt Niveau erreichen. Dies hat Götz Aly in seiner Un- engagierten Staats zugunsten der Benachteiligten kratischen Institutionen in Anschlag bringt.
ein völlig unplausibles Konstrukt erweisen. man in dem Seufzer des alten Benjamin Franklin: tersuchung über Hitlers Volksstaat gezeigt: Für hält in unseren Breiten und unter heutigen Umstän- Glaubten die 68er, der Staat sei auf unheil-
Auf diese schwache Stelle zielt, was ich im »Völlig sicher sind auf dieser Welt nur zwei Din- Überfälle auf das Vermögen wohlhabender Juden den der Überprüfung nicht stand. Als Grundlage volle Weise mit dem Kapitalismus vermengt,
Folgenden erläutern will. Wer dort genauere Son- ge, man stirbt und man zahlt Steuern.« wie für die Enteignung der ärmeren jüdischen Mit- für eine steuerethisch reflektierte Rechtfertigung gehen heute die Wutbürger strukturell eine
dierungen vornehmen möchte, stößt fürs Erste Bei der Vereinnahmung von Gütern, die in bürger waren die Deutschen noch in den dreißiger des staatlichen Teilnehmens an den ökonomischen Allianz mit diesem ein.
auf die Mauer der Tatsächlichkeit: Der zeitgenös- den Fiskus neuzeitlicher Staatswesen fließen, sind und vierziger Jahren leicht zu gewinnen. Eine Prise Erfolgen der Gesellschaft kommt diese Erklärung Der Publizist Henning Ritter hat in sei-
sische Staat ist, wie jeder seiner mittelalterlichen vier verschiedene Modi der Aneignung und Sozialismus, eine Prise Rassismus, schon kommt nicht mehr in Betracht, so tief sie auch in unser nen Notizheften jüngst die feine Beobachtung
und absolutistischen Vorgänger, ein nehmender ebenso viele Optionen zur Begründung von der Plünderungsfiskus auch auf der Höhe der »sozialistisches Unbewusstes« eingegraben ist und gemacht, dass zwar Selbstverwirklichung
Staat, der vom Vermögen seiner Bürger im- Nehmer-Routinen in Ansatz zu bringen: Moderne in Schwung. Dass Formen der Bereiche- so verzweifelt manche Bewohner des linken Anti- hoch im Kurs steht, sie aber nichts mehr mit
mer so viel abzieht, wie er nehmen rung dieses Typs für die heutige Bedarfsregelung quariats versuchen, sie zu verteidigen. Emanzipation gemein hat. Die 68er waren
LEKTÜRE
kann, ohne öffentliche Unruhen 1. »Plünderungen« in kriegerisch-beutemacheri- von Steuerstaaten zumindest auf der Ebene diskur- noch vom berechtigten Drang beseelt, sich
ZUR LAGE zu provozieren. Sollte man scher oder piratischer Tradition – ein Modus der siver Begründungen unannehmbar sind, bedarf 4. »Spenden« in philanthropischer Tradition – auf- von allerlei emanzipieren zu müssen, von der
ihn mit der Frage konfron- Staatsbereicherung, der sich von den ersten Reichs- keiner näheren Erläuterung. bauend auf der christlichen, humanistischen, soli- Elterngeneration, dem Pressemonopol, dem
Von WikiLeaks wusste tieren, wie er sein neh- bildungen der Antike an über Jahrtausende bewährt daristischen und volksmoralischen Überzeugung, Patriarchat. Bei allem revolutionären Pathos
André Malraux (1901 bis 1976) mendes Benehmen hat und auch für die Gründungsphasen frühmo- 2. »Auflagen« in autoritär-absolutistischer Tradi- dass es den Habenden gut ansteht, den Nicht- mündete der Protest bald in subkulturelle
nichts. Doch als Schriftsteller rechtfertigt, so wird derner Staatswesen typisch blieb. Die Bürger Roms tion. Dies ist der im frühneuzeitlichen Staat etablier- habenden und den Organisationen ihrer Helfer Nischen oder allerlei Karrieren, die als sinn-
und Politiker war ihm klar, wie man feststellen: Er waren über Jahrhunderte hinweg völlige Steuerbe- te Modus einer regulär-bürokratischen Fiskalität, einen angemessenen, also nicht unbedeutenden Teil stiftend empfunden wurden. Von dem Zeit-
man am besten mit übler begnügt sich da- freiung gewohnt, weil die Plünderungspolitik des die das Bürgertum und die ärmeren Schichten der ihrer Überschüsse abzutreten: sei es aufgrund des punkt an aber, da man ahnt, dass die Selbst-
Nachrede und Vertrauensbruch mit, in Tautolo- sich ausdehnenden Reichs Abgaben im Inneren Bevölkerung gewohnheitsmäßig kräftig belastete, Solidaritätsgefühls, das Erfolgreiche an den Schick- verwirklichung über das Erreichte hinaus
umgeht: »Ich verzeihe meinen gien zu kreisen. überflüssig machte. Erst unter Augustus mussten indes sie Adel, Klerus und andere Privilegierte salen der weniger Glücklichen Anteil nehmen lässt, keinem individuellen Freiheitszugewinn
Freunden, die Schlechtes über mich
Er erhebt Steu- die nicht mehr ausreichenden Plünderungen an schonte. Die Legitimierung von Auflagen wurde sei es aufgrund des »schlechten Gewissens«, das oft mehr entspricht, findet kein Marsch mehr
sagen. Aber nicht denen, die es mir
überbringen.«
ern, weil es der Peripherie durch interne Steuern ergänzt wer- anfangs oft in der natürlichen Berufung der zum durch die Institutionen, sondern ein Nieder-
zum Staatsein den. Die Wirksamkeit dieses Verfahrens zur Füllung Dienen bestimmten Schichten gesucht und nach Fortsetzung auf S. 52 reißen derselben statt. ADAM SOBOCZYNSKI
52 2. Dezember 2010 DIE ZEIT No 49 FEUILLETON

» Meine Kritiker glauben ganz entschieden nicht, dass aus Freiwilligkeit in


sozialen Angelegenheiten je etwas Gutes und Verlässliches entsteht «

Foto (Ausschnitt): Urban Zintel/laif

Fortsetzung von S. 51 hinsichtlich seiner Grundlagen zu befragen. Wer sich der Steuerflucht eindämmen, das ja nichts anderes wäre, sollte man von Demokratie nur mit Vor- ten als das einzig richtige erscheint: die Unterwer-
darauf einlässt, bemerkt mit Erstaunen, dass es nicht besagt, als dass zahlreiche Wohlhabende sich noch behalt reden. fung unter den Oktroi von Abgaben.
als moralischer Schatten auf das Leben der Bevorzugten die geringsten Ansätze zu einer Neudeutung des Sys- immer für Adlige halten, die nicht einsehen, warum Jacques Derrida hat nicht umsonst von der Nun könnte man hypothetisch annehmen,
fällt. Spenden können auch als Friedensprämie für eine tems öffentlicher Finanzen von der Geberfunktion ausgerechnet sie für das Gemeinwesen etwas erübri- Demokratie als einer politischen Lebensform ge- diese Autoren hätten mit ihrem misanthropischen
von Ungleichheitskonflikten bedrohte Gesellschaft der Zivilgesellschaft her gibt. Man denkt auch heute gen sollten – über die Wohltat ihrer bloßen Gegen- sprochen, die nur als »im Kommen« vorgestellt Weltbild letztlich recht. Womöglich ist es wirklich
verstanden werden oder als freiwillige Beiträge zur noch, sobald von Steuern die Rede ist, so gut wie wart hinaus. Die großen Steuerhinterzieher bringen werden dürfe. Demokratie ist nicht der Name ei- so, dass sozialer Zusammenhang in allen Gesell-
Kompensation von Nachteilen, mit denen begabte immer vom Bedarf des Staates aus und setzt seine ja durch ihr Verhalten zum Ausdruck, dass sie nicht ner vorhandenen politischen Ordnung, sondern schaften jenseits einer gewissen Größe nur durch
Bewerber aus ärmeren Milieus um Aufstiegschancen Nehmer-Berechtigung dogmatisch voraus. Im Steuer- verstanden haben, auf welcher Geschäftsgrundlage eine Richtungsangabe, die einer dynamisierten äußere Gewalt und ihre Verinnerlichung entsteht.
zu ringen haben. Schließlich sollen Spenden als regu- system der Moderne überlebt der Absolutismus. Vom sie dem Gemeinwesen sechs-, sieben- oder achtstel- Gesellschaft das Ziel ihrer ständigen endogenen Hat nicht Hobbes im Leviathan geschrieben:
läre Beiträge zu anerkannten Gemeinschaftsaufgaben Ohr der Steuerbehörden ist der Satz, wonach alle Ge- lige Euro-Beträge »schulden« könnten. Hier böte Verwandlung nennt. Die Demokratie ist ihre ei- »Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte«?
geleistet werden oder werden schlechthin aufgrund der walt vom Volke ausgehe, nie gehört worden. Die sich die Gelegenheit, den subtilen Unterschied zwi- gene Visionsquelle und bringt die Korrektive ihrer Also hängen wir letztlich nur durch die Furcht zu-
Genugtuung des Gebers über seine Großzügigkeit er- Wahrheit des Finanzsystems heißt: Alle Gewalt geht schen einer »Schuld« und einer »imperativen Leis- Zustände aus sich selbst hervor. Wenn sich jedoch sammen? Dann dürfte man auch den Gedanken
bracht. Ein Legitimitätsproblem bei der Annahme von vom Fiskus aus. Weil souverän ist, wer über die tungserwartung« zu diskutieren. in einer Gesellschaft, wie es heute der Fall ist, ein zulassen, man sei der Wahrheit am nächsten, wenn
Spenden durch den Staat tritt hier nicht auf, viel eher Zwangsvollstreckung entscheidet, ist der Fiskus der Intuitiv mag evident sein, dass Wohlhabende auf dumpfes Gefühl von Aussichtslosigkeit breit- man die unvornehmen Unterstellungen hinsicht-
stellt sich die Frage, was seitens des Empfängers getan nicht deklarierte Souverän. ihre Stärken angesprochen werden dürfen, wenn es macht, beweist dies nichts anderes, als dass die lich der Beweggründe menschlichen Verhaltens
werden sollte, um solches Verhalten als ein allgemein Begriffe wie »Volkssouveränität« und »Bürger- um die Beschaffung von Mitteln für Gemeinwesen- Bürger schon allzu lange einer demoralisierenden favorisiert: Angst, Gier und heimliche Lust an der
nachahmenswertes Muster privater Generosität in macht« sind in diese Sphäre bisher nicht eingedrun- aufgaben geht, doch von einer moralischen Intuition Mechanik ausgesetzt sind. Erniedrigung des Mitmenschen?
öffentlicher Perspektive zu popularisieren. gen. Sogar die Idee einer nachträglichen Kontrolle bis zur Festsetzung einer vollstreckbaren Schuld ist es In einer sich selber näher kommenden Demo- Dies zugegeben, könnte es erlaubt scheinen,
des Fiskus durch den Bürger ein weiter Weg. An der Geste kratie würde das Geben für überpersönliche Zwe- diese »Gesellschaft von Teufeln«, kantisch klug
Blickt man auf diese Liste, die summarisch alle steht nach wie vor auf schwachen des Spendens lässt sich hin- cke mit der Zeit aufhören, nur als eine moralische und pädagogisch realistisch, auch steuergesetzlich
Modi der Staatsbereicherung erfasst, ist eines un- Füßen. Gewiss, wir schätzen den gegen ohne großen Aufwand Privatlaune zu gelten. Die Spender-Geste würde streng an die Kandare zu nehmen. Das alles gehört
mittelbar evident: Das aktuelle Fiskalsystem lässt Bund der Steuerzahler, der sich » Vom Anfang
Debatte an hat
der zeigen, dass sie die einzige in einer vom Geist der Gabe umgestimmten Ge- in einen Bezirk anthropologischer Spekulation,
sich nur als ein in sich widersprüchliches Amalgam immense Verdienste erwirbt, in- Form von Zuwendungen an sellschaft nach und nach selbstverständlich genug über deren Legitimität oder Illegitimität nichts
aus dem zweiten und dritten Modus der Steuer- dem er Jahr für Jahr dem Staat man sich geweigert, den Staat ist, die einer sich werden, um alles aufzubringen, was ein zeitgenös- vorentschieden ist. Dennoch möchte ich gleich
rechtfertigung verstehen. Es ist zur einen Hälfte bei seinen Verausgabungen auf meine leitende selbst ernst nehmenden Bür- sisches öffentliches Finanzwesen zu seiner Kon- erklären, warum ich diese allzu populäre Anthro-
nach wie vor autoritär-obrigkeitlich bestimmt und die Hände schaut. Lobenswert gergesellschaft zu Gesicht stün- solidierung braucht. Das Spenden fürs Gemein- pologie der primären Gier und die Überzeugung
in der »Auflagen«-Praxis vordemokratischer Staats- ist auch die Tätigkeit der Rech- Annahme zur de. Sie ist zugleich die einzige wohl müsste sich mit der Zeit in einen psycho- von der überwiegend niederträchtigen Motiviert-
wesen verankert – was sich nicht zuletzt in der Kon- nungshöfe. Beiden Institutionen Kenntnis zu nehmen, Weise der Mittelausstattung politischen Habitus verwandeln, der die Popula- heit menschlichen Verhaltens (worin bürgerliche
tinuität der Finanzverwaltungen vom Spätabsolu- aber stehen bedauerlicherweise geschweige denn zu des Staats durch seine Bürger, tionen wie eine zweite Natur durchdringt und Konservative und altgediente Linke längst konver-
tismus bis in die Gegenwart zeigt. In seiner anderen
Hälfte stützt es sich auf die Gegenenteignungslogik
kein »Bund der Spender für den
Staat« und kein »Parlament der
referieren « die sich bei ihrer Begründung
nicht in selbstsabotierende In-
eine globale Umstimmung der Gesellschaften in gieren) für von Grund auf falsch halte – und nicht
Richtung auf Empathie und materiellen Ausgleich nur für falsch, sondern für ethisch prekär und so-
des sozialistischen Umverteilungsdenkens, das es Geber« zur Seite. Diese virtuellen konsequenzen verstrickt. bewirkt. Der neue Habitus könnte nach und nach zialklimatisch verheerend.
irgendwie geschafft hat, sich mit den Versprechen Organe müssten sich für die Tä- Nur wenn die Zuwendun- die Kräfte freisetzen, die nötig wären, um die un- Angenommen, meine Kritiker seien, ihren of-
der »sozialen Marktwirtschaft« zu verbinden. In ih- tigkeiten der Staatshand von der gen der Bürger an den Staat würdigen Relikte der spätabsolutistischen Staats- fen bekundeten prosozialen und diskret prosozia-
rer praktischen Fusion erzeugen die beiden steuere- Seite jener »Einnahmen« her interessieren, die in Spenden sind und nicht Schulden, lassen sich die kleptokratie und deren Fortsetzung in der tief listischen Optionen zum Trotz, tatsächlich von
thischen Komplexe einen Block, der für die gebende Wahrheit als solche noch nicht begriffene Gaben der Absurditäten ausräumen, die sofort auftreten, wenn eingewurzelten Gegenenteignungslogik der klassi- solchen traurigen Ansichten über die menschliche
Seite keine andere Option als die Unterwerfung Bürger an den Staat darstellen. man Steuern als Preise für Staatsleistungen oder als schen Linken durch eine demokratische Geber- Natur eingenommen. Woher dann ihre Wut ge-
unter das waltende Regime übrig zu lassen scheint. Solchen Einrichtungen fiele die psychopolitisch relativ gleichwertige Opfer für das Gemeinwesen be- kultur zu überwinden. gen die Erinnerung an die dennoch unbestreitbar
Die Widersprüchlichkeit zwischen der spätabsolu- wichtige Rolle zu, das Steuerzahlen zu deautomati- stimmt. Diesem Gedanken widersetzt sich allein, wer Sobald man den Bürgern die Freiheit einräum- vorhandene generöse Komponente im mensch-
tistischen und der semisozialistischen Steuermotivie- sieren und aus dem Bereich der stummen Erduldun- von vornherein auf eine rechtlich stichhaltige Steuer- te, einen Teil ihrer bisherigen Steuerlast, und wä- lichen Seelenhaushalt, die nach allem, was man
rung wird durch den Umstand verdeckt, dass beide gen herauszuführen. Ihr Ziel wäre es, das große Ein- begründung verzichtet. Einen solchen Verzicht leistet ren es anfangs nur einige Prozente der fiskalischen weiß, noch vor dem Mitgefühl die stärkste Quelle
dank ihrer gemeinsamen latent antidemokratischen zahlen in die Staatskasse als das explizit zu machen, gern, wer offen für die vorgeblich gutartige Despotie »Schuld«, als frei adressierbare Gabe aufzubringen, aller gebenden Haltungen darstellt? Woher die
Visionen von der Rolle der Staatlichkeit aufeinander was es in einer demokratischen Gesellschaft de facto des leviathanischen Wohlfahrtsstaats eintritt, und würden sie aller psychologischen Wahrscheinlich- Aufgeregtheit, mit der man darauf besteht, das
zugehen können. De facto kommen sie sich bis zur immer schon ist: kein Tribut von Unterworfenen an erst recht, wer in der paranoischen Tradition des keit zufolge aus ihrer Steuerduldungsstarre er- Geben fürs Allgemeine sei nur dann ein richtiges
Verwechselbarkeit der Standpunkte nahe: hier die eine immer siegreiche Obrigkeit, auch nicht eine ein- Marxismus die rechtsstaatlichen Verfassungen als wachen – um nicht zu reden von den unwürdigen Geben, wenn es unter Zwang zustande kommt?
altetatistische Konzeption des Staats als wohltätiger seitig festgesetzte, mit nebulösen Rechtsformeln sta- freiheitlich getarnte Herrschaftsapparate der Kapital- Steuervermeidungsreflexen, um die unser durch In diesem Punkt zeigt sich die nicht überbrück-
Ordnungsmacht, die sich selbst autorisiert, indem sie tuierte Schuld des Steueruntertanen gegenüber dem besitzer »durchschaut«. falsche Anreize pervertiertes Wirtschaftsrechtssys- bare Differenz in den sozialanthropologischen
vorgibt, von oben eingesetzt zu sein; dort die neu- Leviathan, sondern eine von Einsicht und generösem Sobald man der Auffassung zuneigt, der demo- tem konstruiert ist. Dieser Effekt darf nicht mit Grundannahmen, die meine Überlegungen von
etatistische Konzeption des Staats als moralisch auto- Beitragswillen getragene aktive Gebe-Leistung zu- kratische Rechtsstaat sei eine politisch-ethische der »Absetzung« von Spenden bei der Steuererklä- den Einwänden der meisten Kritiker trennen. Un-
risierter Agentur der Umverteilung und der umfas- gunsten des Gemeinwesens seitens einer anteilneh- Struktur eigenen Werts und nicht nur die Maske von rung verwechselt werden: Das neuartige generali- sere »realistischen« Freunde glauben ganz entschie-
senden sozialen Fürsorge. menden und anteilgebenden Bürgerschaft. »Kapitalherrschaft«, führt kein Weg daran vorbei, sierte Spendensegment in der Pflichtsteuer wäre den nicht daran, dass aus Freiwilligkeit in sozialen
Was man im aktuellen Zustand durchweg ver- Die Deautomatisierung der fiskalischen Abläufe sich über die Möglichkeiten einer Ausweitung des keine Laune von hoch motivierten Einzelnen Angelegenheiten je etwas Gutes und Verlässliches
misst, ist die Bemühung um eine Neubegründung würde die Zurückdrängung des zweiten und dritten vierten Modus von Geben und Nehmen im Verkehr mehr, sondern würde zu einem allen Steueraktiven entsteht. Diese Ungläubigkeit bewirkt, dass die
der fiskalischen Transaktionen zwischen der geben- Modus von Steuermotivierung nach sich ziehen und zwischen Staat und Gesellschaft Gedanken zu ma- garantierten Recht, gewisse Beträge aus ihrem Ungläubigen die reale Gegenthese zu ihren Be-
den Gesellschaft und dem nehmenden Fiskus aus unvermeidlich den vierten Modus stärken. Nur sie chen. Die erste Pflicht der Finanzminister wäre es Steuerpensum an gemeinwohlrelevante Instanzen kenntnissen bis heute nicht einmal bemerkt haben.
dem Geist der demokratischen Bürger-Allianz. Als würde wohl aus dem fiskalischen Mittelalter heraus- dann, ihr Ressort als Seminar für Geberbildung zu ihrer Wahl zu adressieren. Es geht nicht um Steuer- Der kritische Punkt meiner Überlegungen kommt
fehlende Größe kommt dies zu Bewusstsein, wenn führen, in dem wir, wenn man es sich recht überlegt, führen. Demokratie würde synonym mit einer Schu- senkungen für geizige Wohlhabende, die dem Ge- in ihren Kommentaren nicht vor. Sie reagierten
man sich der Mühe unterzieht, den Block der Selbst- noch immer leben. Allein sie könnte das auf men- le der Großzügigkeit, und solange nicht Großzügig- meinwohl den Rücken gekehrt haben, sondern fast durchweg mit der monotonen Unterstellung,
verständlichkeiten, auf dem unsere Fiskalität beruht, taler Ebene ebenfalls »mittelalterliche« Phänomen keit das primäre Merkmal einer Gesellschaftsform um die ethische Intensivierung und Verlebendi- dass der Autor des FAZ-Essays nur eine heimtü-
gung von Steuern als Gaben des Bürgers ans Ge- ckische Form von Steuerersparnis für die Reichen
meinwesen. Dies würde vor allem dem Bildungs- in die Debatte geworfen habe! Für diese Autoren
wesen zugutekommen, zu dessen Priorität sich sind freiwillig geben und wenig geben synonym –
Politiker am Sonntag bekennen, um es an Werk- wobei sie sich wohl auf Selbstbeobachtungen
tagen mit seinen Defiziten allein zu lassen. stützen, sind sie doch selbst Kinder des sozial-
Was die große Mehrheit der Kritiker meiner psychologischen Status quo, der in uns engherzige
Thesen miteinander teilt, ist die Überzeugung, es Haltungen züchtet. Sie glauben: Der Hinweis auf
würde bei einer Umstellung der öffentlichen Großzügigkeit kann nur ein Sparprogramm be-
Haushalte von Zwangssteuern auf freiwillige Bür- deuten! Nur aufgrund dieser Unterstellung haben
gerspenden sofort zu einem Kollaps des sozialen sie sich geweigert, meine leitende Annahme zur
Lebens kommen. Kenntnis zu nehmen, ge-
Diese Beobachtung kann schweige denn zu referieren
als ein gesichertes Resultat und gegebenenfalls mit Grün-
der Diskussion verbucht wer- » Die traditionelle den zurückzuweisen.
den: Das Gros der Beiträger Sozialdemokratie Die prononciertesten Kri-
bekennt sich durch seine Ein- liegt am Boden. tiker meiner Anregungen
lassungen zu einer überaus Sie hat es nicht sind Partisanen eines »Realis-
pessimistischen Ansicht über mus«, der sich überschlau
die Natur des sozialen Zu- gelernt, das Wortfeld gibt und doch blind bleibt
sammenhangs in unserem der Großzügigkeit für die psychopolitischen
Gemeinwesen. Zwar lobt in ihre Sprache Wirklichkeiten in den mo-
man die kommunikative
Kompetenz des Bürgers in
zu integrieren « dernen sozialen Systemen.
Der vorgebliche Realismus
hohen Tönen. Wenn es ans flüstert ihnen ein, der gesam-
effektive Geben geht, erlischt te soziale Zusammenhang
jedoch der Glaube an eine müsste sofort in Millionen
solche Kompetenz, und man stellt vorsorglich von autistischer Gier-Atome zerfallen, sobald man den
Kommunikation auf Konfiskation um. Die Mehr- Bürgern mehr Freiheit in der Gestaltung ihrer
heit der Diskutanten geht davon aus, die von ih- Gaben ans Gemeinwesen ließe. Sie denken noch
nen unisono unterstellte kollektive Selbstsucht immer in den Klassenhass-Stereotypen des 19.
würde sich sofort Bahn brechen, wollte man dem Jahrhunderts und der zwanziger, dreißiger Jahre,
dubiosen Kollektiv der Steueraktiven (den im Fis- wie sie nach 1967 vom leninistischen Flügel der
kaljargon so genannten »Leistungsträgern«) auch Studentenbewegung rezykliert wurden. Sie folgen
nur für einen Augenblick die Freiheit lassen, selber den Bahnen einer falschen Soziologie, nach wel-
zu entscheiden, ob sie etwas für den Zusammen- cher eine bürgerliche Gesellschaft nichts anderes
halt des Gemeinwesens aufbringen wollen. sei als ein Mosaik aus Agenten des Eigennutzes.
Fast ausnahmslos machen die Kommentatoren Die traditionelle Sozialdemokratie liegt poli-
die Annahme, eine Geberkultur auf der Basis von tisch und ideell am Boden, weil sie in sozialethi-
Freiheit und Freiwilligkeit könne bloß ein Patch- scher Hinsicht keinen neuen Gedanken zu fassen
work aus Launen und Almosen ergeben – nichts vermochte. Sie war allzu lange unfähig, ihren
jedoch, was einem Budget gliche, aus dem ein Wortschatz zu erneuern. Sie hat es nicht gelernt,
Staat wie der unsere seine Aufgaben bestreiten das Wortfeld der Großzügigkeit in ihre Sprache zu
könnte. Man sähe vermutlich ein paar schöne integrieren und die Verben des Gebens zu kon-
Gesten, einzelne Geber täten sich durch aufsehen- jugieren. Sie ist in den zeitgenössischen psycho-
erregende Spenden hervor, und einige Menschen politischen Tatsachen nicht mehr zu Hause. In der
guten Willens erbrächten wohl ihre regelmäßigen alten Unzufriedenheit bewegt sie sich weiterhin
Opfer, im Großen und Ganzen aber würde die wie der Fisch im Wasser, doch auf dem Boden der
Massenflucht vor dem Klingelbeutel die Szene gebenden Tugenden humpelt sie. Ich wünschte,
beherrschen. Unsere kritischen Kommentatoren, sie würde so bald wie möglich wieder gehen ler-
überwiegend Journalisten und Sozialwissenschaft- nen. Zu lange hat sie auf eine »realistische« Sozio-
ler altlinker, gelegentlich sogar altleninistischer logie und auf eine vom gutgesinnten Ressentiment
und paläomaoistischer Provenienz – sie alle traten diktierte Sozialphilosophie gehört. Und je weiter
bei dem Schreckensbegriff »Freiwilligkeit« die man heute nach links schaut, desto reaktionärere
Flucht nach vorne an. Mit einem Mal bekannten Konzepte blicken zurück. Deutschland war ein-
sie sich freimütig zum Zwang, weil der eben sein mal Exportweltmeister bei falschen politischen
müsse, sobald es ums Materielle geht, und noch Ideen, die in großem Maßstab wirksam wurden.
einmal zum Zwang, da nur er die Staatsbürger auf Jetzt reicht die Produktion kaum noch, die In-
das Verhalten festlegen könne, das den Diskutan- landsnachfrage zu decken.

You might also like