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Ausland

ÖSTERREICH

„Nein, nein und wieder nein“


Vertrauliche Depeschen der Wiener US-Botschaft zeigen:
Österreichs Regierende sind für Washingtons politische Ziele nicht zu begeistern. Der Ärger
der Amerikaner über das Land und sein Neutralitätsgebot ist beträchtlich.
ROBERT JAEGER / PICTURE-ALLIANCE / DPA

Amerikanisch-österreichisches Treffen in der Wiener Hofburg 2006*: Ungenierte Interventionen

D
er Ton der US-Gesandten schwankt in Österreich haben für die Wünsche ihrer parieren: weil sie weiter Geschäfte mit
zwischen unverhohlener Drohung amerikanischen Partner stets ein offenes Iran und Nordkorea machen wollen oder
und Resignation. Ist es möglich, Ohr. Aber gleichzeitig mehr als ein Auge weil sie einen gesuchten PKK-Führer aus-
so rätseln sie, dass eine winzige Alpen- auf ihre eigenen Interessen. reisen, andererseits aber keinen Guanta-
republik, kaum halb so groß wie der „Frustriert und extrem enttäuscht“ sind namo-Häftling einreisen lassen.
Bundesstaat Washington, sich den Leit- sie bisweilen, die US-Diplomaten aus der Wenngleich es auch Lob gibt für Öster-
linien amerikanischer Außenpolitik ver- Wiener Boltzmanngasse, „zunehmend reichs „professionelle“ EU-Ratspräsident-
schließt? besorgt“ oder einfach nur „unhappy“, schaft 2006 und für die „konstruktive“
Es ist möglich. Die dem SPIEGEL vor- wenn die Österreicher trotz anderslau- Rolle im Kosovo-Konflikt: Die Meinungs-
liegenden rund 1700 Depeschen der Wie- tender Bekundungen wieder einmal nicht verschiedenheiten Washingtons mit
ner US-Botschaft aus den letzten zehn Wien gehen tiefer als jene mit Berlin,
Jahren legen den Schluss nahe: Ob es um * Mit der Wiener Außenministerin Ursula Plassnik, US- die amerikanischen Interventionen sind
Präsident George W. Bush, seinem österreichischen
Guantanamo, Nordkorea oder um Sank- Kollegen Heinz Fischer und der amerikanischen Außen- entsprechend ungeniert. Die Anzahl der
tionen gegen Iran geht, die Regierenden ministerin Condoleezza Rice. als „geheim“ oder „vertraulich“ einge-
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stuften, unerfreulichen Mitteilungen aus demokratische Kanzler Alfred Gusenbau- und seiner tatsächlichen, zunehmend be-
der österreichischen Hauptstadt ist be- er gilt den Amerikanern als beschlagen scheidenen Leistung“, wie es in einer
trächtlich. und aufgeschlossen, aber als unsicherer Depesche vom Juni 2009 heißt, ist aus
Mit Wien, so die US-Gesandten, gebe Kantonist: „Wir wären nicht überrascht, amerikanischer Sicht nicht kleiner ge-
es zwei Probleme. Das erste sei grund- wenn er auf Konfrontationskurs ginge, worden.
sätzlicher Art: „Österreichs Verbindung sobald es seinen Interessen dient.“ In Fra- Das hat vor allem mit mangelnder
mit der Welt ist schwindend und verengt gen der Raketenabwehr habe Gusenbau- Abstimmung in Politikfeldern zu tun,
sich aus vielerlei Gründen.“ Die wahren er wörtlich klargemacht, „dass die USA die der scheidende Botschafter David F.
Interessen der in Wien Regierenden seien verstehen müssen – sie sind nicht die Ein- Girard-diCarlo im Januar 2009 als die
innenpolitischer Natur: den Außenhandel zigen, die darüber entscheiden, was auf wichtigsten auf der amerikanisch-öster-
voranzutreiben, den eigenen Arbeits- und der Welt passiert“. reichischen Agenda bezeichnete: Iran, Af-
Agrarmarkt abzuschotten und Stabilität Akribisch sind in den Protokollen alle ghanistan, Energiesicherheit, Zusammen-
auf dem Balkan zu gewährleisten. Alles Zwischentöne vermerkt, die die Rolle der arbeit bei der Terrorismusbekämpfung.
in allem zählten die Österreicher zu den Weltmacht in Frage stellen. Außenminis- Auf dem Radarschirm der US-Geostra-
„europaskeptischsten“ EU-Bürgern und terin Condoleezza Rice wird vor ihrem tegen tauchen regelmäßig Geschäftsbe-
seien „zunehmend abgekapselt“. Wien-Besuch 2007 auf die „zunehmend ziehungen österreichischer Banken auf,
Das zweite Problem betrifft die han- populistische Rhetorik“ ihrer Amtskolle- und hier vor allem der Raiffeisen. Knapp
delnden Personen. Das Urteil der Ameri- gin Ursula Plassnik von der konservati- drei Viertel aller 292 „verdächtigen Vor-
kaner über die Mächtigen in Wien ist so ven ÖVP vorbereitet. Die habe im Parla- gänge“ seit Ende der neunziger Jahre, so
treffend wie entlarvend. ment verkündet: „Österreich ist nicht der heißt es in einem US-Memorandum vom
Über Werner Faymann, dem schon als 51. Bundesstaat der USA.“ Februar 2006, darunter auch solche mit
Infrastrukturminister 2007 allenfalls „ex- Was aber war mit der Regierungszeit „Firmenmänteln, die von kriminellen Or-
zellente Kontakte zu den Medien“ gutge- des christdemokratischen Kanzlers Wolf- ganisationen genutzt werden“, gehen auf
schrieben wurden, heißt es nach seinem gang Schüssel bis Anfang 2007, der wegen das Konto des im christkonservativen La-
Amtsantritt als Bundeskanzler: „Es ist klar- seines Bündnisses mit der rechtspopulis- ger wurzelnden Geldinstituts.
geworden, dass Faymann Vor allem die Raiffeisen-
kein persönliches Interesse Kontakte nach Iran verär-
an Außenpolitik hat.“ Als gern die Amerikaner. Es
verlässliche Quellen für die- kommt deshalb zu Gesprä-
se vernichtende Einschät- chen mit österreichischen
zung werden hochrangige Bankern in Washington wie
Berater Faymanns und erfah- in Wien. Dort lässt sich die
rene Mitarbeiter im Außen- US-Delegation nicht von
ministerium benannt. Depesche der US-Botschaft Wien vom 29. Mai 2007: der Versicherung beschwich-
Außenminister Michael „In den letzten Jahren war unser Einfluss auf die öster- tigen, Raiffeisen sei in Iran
Spindelegger wiederum ha- kein großer „Player“. Der
be sich „weitgehend darauf reichische Politik äußerst begrenzt durch die Tatsache, dass US-Botschafter wird deut-
konzentriert, das Vordrin- es sehr wenig gab, was Wien von Washington wollte.“ lich: Die Bank gehe „ein
gen der österreichischen Risiko für ihren Ruf ein“.
Wirtschaft“ im Schwarz- Gerade im Umgang mit den
meerraum und im Kaukasus zu befördern. tischen FPÖ in Europa argwöhnisch be- Mullahs orten die Amerikaner den Kern
Sein Eintreten für die Nabucco-Gaspipe- äugt wurde? Aus amerikanischer Sicht österreichischen Politikverständnisses:
line immerhin sei von „eindeutigem Nut- stand Schüssel für das kleinere Übel: Er ausgeprägten Erwerbssinn gepaart mit
zen für die USA“. und seine Koalitionäre machten sich „sel- pazifistischer Grundhaltung. Gegen einen
Und Verteidigungsminister Norbert Da- ten die Mühe, den USA eins auszuwi- Staat, in dem „Manager glauben, dass Ge-
rabos, der, wie die Amerikaner anfügen, schen“. Mehr noch: Solange er keinen in- schäfte mit Iran ihr gutes Recht seien und
erste „Ungediente“ in diesem Amt seit nenpolitischen Preis dafür zu zahlen hat- beispielhaft für die neutrale Tradition
Bestehen der Zweiten Republik? Ist eben- te, „suchte Schüssel nach Wegen, die ihres Landes“, ist schwer vorzugehen.
so „uninteressiert an Außen- und inter- USA zu unterstützen“. Während Wiener Beamte zu Protokoll
nationaler Sicherheitspolitik“ wie sein Andererseits funken auch bezogen auf geben, dass es wirksamer sei, „Verbindun-
Kanzler, dazu noch „offen ablehnend ge- Schüssels Ägide US-Abgesandte Verdrieß- gen zu Iran aufrechtzuerhalten, als zu
genüber Plänen, österreichische Truppen liches aus Wien: „In den letzten Jahren versuchen, das Regime zu erwürgen“,
auf gefährliche Einsätze ins Ausland“ zu war unser Einfluss auf die österreichische schlussfolgern die Amerikaner 2005:
schicken. „Kontaktpersonen beim Mili- Politik äußerst begrenzt durch die Tat- Österreicher brächen kein Geschäft ab
tär“, wird nach Washington gekabelt, sache, dass es sehr wenig gab, was Wien und unterstützten keinen diplomatischen
klagten, dass Darabos „unfähig, viel- von Washington wollte.“ Um diesem fürs Vorstoß, „nur weil wir es sagen; sie müs-
leicht auch nicht willens ist, mehr Geld Selbstverständnis amerikanischer Diplo- sen überzeugt werden“.
für das Bundesheer herauszuholen. Er matie verheerenden Zustand abzuhelfen, Behilflich bei dieser Aufgabe ist den
gilt als ehrgeiziger Politiker, der gegen empfehlen sie ein „geschicktes“ Vorge- Amerikanern ein Mitarbeiter im Wirt-
seinen Willen auf einem der unattraktivs- hen: „Österreichische Amtsträger sollten schaftsministerium, der die Anliegen der
ten österreichischen Kabinettsposten fest- die Nachricht erhalten, dass die Chancen transatlantischen Partner zu teilen
sitzt“. für unsere Unterstützung besser stehen, scheint. Im Fall des Waffenherstellers
Das Urteil über die wenn die Regierung (in Wien) sich mehr Steyr-Mannlicher protestieren US-Vertre-
vorhergehende Regie- für Fragen interessiert, die höchsten Vor- ter massiv gegen Iran-Geschäfte. Der
rung fällt in puncto Kom- rang für die USA haben.“ staatliche Energiekonzern OMV zuckt zu-
petenz gnädiger, in Sa- Diese Strategie darf, im Dezember rück, nachdem er trotz Uno-Sanktionen
DIE GEHEIMEN chen Bündnistreue un- 2010, als gescheitert gelten. „Die Kluft bereits eine Absichtserklärung zur Mit-
gnädiger aus. Der bis zwischen dem Bild, das Österreich sich wirkung bei der Erschließung des Erdgas-
US-DEPESCHEN 2008 amtierende sozial- selbst von seiner Rolle in der Welt macht, feldes South Pars abgegeben hatte – ein
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„Propagandaerfolg“ für die Iraner, wie
die US-Botschafterin in Wien schäumte.
Trotzdem kommt es immer wieder zu
kuriosen Kontroversen mit schneidendem
Unterton, in deren Verlauf Österreichs

FERENC ISZA / AFP (L.); HEINZ-PETER BADER / REUTERS (R.)


Regierende gemaßregelt werden. Im Ja-
nuar 2009 verabschiedet sich der US-Bot-
schafter in Anwesenheit von Außen-
minister Michael Spindelegger mit einer
eher undiplomatischen Drohung aus
Wien: „Es ist einfach unglaubwürdig,
wenn Sie uns erzählen, Ihre Regierung
habe keinen Einfluss auf maßgebliche Pri-
vatunternehmen in Österreich. Derlei
Stellungnahmen kommen in Washington
nicht gut an.“
Wer versucht, entlang der „Achse des
Bösen“ Reibach zu machen, hat schlechte Kanzler Faymann, Banker Stepic: Makler auf großer Bühne
Papiere. Österreichs Finanzminister Karl-
Heinz Grasser höchstpersönlich wird ein- Protokolle der US-Botschaft über das Un- wortliche im März 2006 bereits Vertretern
vernommen zur Frage, warum die Bank ternehmen RosUkrEnergo (RUE). Das der US-Botschaft in Wien Rede und Ant-
Austria Creditanstalt (BA/CA) in Iran von russisch-ukrainische Joint Venture, regi- wort. Raiffeisen-Zentralbankvorstand
2001 an etwa ein Dutzend Transaktionen, striert im Schweizer Kanton Zug, war sei- Walter Rothensteiner und RBI-Chef Her-
„überwiegend mit Bezug zur Nuklear-In- ner millionenschweren Margen wegen als bert Stepic sollen dabei laut dem US-Pro-
dustrie“, abgewickelt habe und darüber Zwischenhändler bei Gaslieferungen aus tokoll beteuert haben, dass „hochrangige
hinaus auch mit Nordkorea im Geschäft Zentralasien ins Gerede gekommen. Treu- ukrainische und russische Regierungsver-
sei. Grasser verspricht grollend, sich kun- händer für zunächst ungenannte Eigen- treter, darunter die Präsidenten Putin und
dig zu machen. Im Februar 2006 wird ver- tümer des ukrainischen Anteils war die Juschtschenko, von allen Einzelheiten
meldet, die BA/CA habe eingewilligt, ihre österreichische Raiffeisen-Tochter RIAG. hinter dem RUE-Gasdeal Kenntnis hat-
Geschäftsbeziehungen „mit nordkoreani- Als alle Welt noch rätselte, ob der rus- ten“. Es „wäre äußerst naiv, anderes an-
schen Partnern“ abzubrechen. sische mutmaßliche Unterweltboss Sem- zunehmen“, so Raiffeisen-Mann Stepic.
Interessante Einblicke in ein korrup- jon Mogiljewitsch an den Deals beteiligt „Putin und Juschtschenko wissen alles
tionsumwittertes Gasgeschäft liefern die sein könnte, standen Raiffeisen-Verant- über RUE.“
Ausland

Gemessen daran, dass Wladimir Putin maten 2007, „dass die Fähigkeit, weltwei- Die weltweite Verschickung von Guan-
klagte, bei dem Deal würde Geld für te Verbindungen zu unterhalten, ein ech- tanamo-Insassen betreiben die Amerika-
ukrainische Politiker abgezweigt, und ter Beitrag zu Frieden und Stabilität ist.“ ner im Stil eines Basarhandels, bei dem
Wiktor Juschtschenko in Kiew sich ledig- Dazu gehöre auch, dass Österreich be- jeder Erfolg als Beleg für Bündnistreue
lich einsilbig hinter die „Rechte von RUE“ trächtliche Mühe darauf verwende, als in- verbucht wird. Die Frage ist: Wer nimmt
stellte, sind die Ausführungen der öster- ternationaler Konferenzschauplatz wahr- zumindest einen oder zwei und macht
reichischen Banker gegenüber dem US- genommen zu werden – „unabhängig“, sich zum Komplizen? In Wien rührt sich
Botschafter bemerkenswert. wie spöttisch angemerkt wird, „vom Ge- da, wie nicht anders zu erwarten, keine
Der allerdings tadelt die Rolle der halt“ solcher Veranstaltungen. Hand. „Nein, nein und wieder nein“ sei
Österreicher im russisch-ukrainischen Mil- Was zwischen Karwendel-Gebirge und die Antwort, heißt es in einer Meldung
liardengeschäft mit Gas scharf: „Es fällt Karawanken als politisches Konzept ver- der US-Botschaft vom Januar 2009.
schwer, nicht zu vermuten, dass die Treu- kauft wird, stößt bei den Amerikanern „Wer ein Problem verursacht“, verkün-
händerschaft nicht einfach ein Feigenblatt auf Unverständnis: „Österreich unterhält det Österreichs Außenminister Michael
ist für ein unappetitliches Arrangement.“ weiterhin enge politische und wirtschaft- Spindelegger, „muss es auch lösen.“ Für
Wie aus weiteren Protokollen der Kiewer liche Verbindungen zu Ländern (...), die diese aus amerikanischer Sicht wenig
US-Botschaft hervorgeht, soll ein Anteils- wir als Förderer des Terrorismus ausge- schmeichelhafte, aber auch wenig angreif-
eigner bereits 2008 als „enger Freund und macht haben“, heißt es in einer Depesche bare Position müssen die Österreicher mit
Vertrauter“ des damaligen Präsidenten aus dem Jahr 2005. Die Rolle „als Brü- diplomatischem Liebesentzug büßen. Ge-
Wiktor Juschtschenko aufgefallen sein. ckenbauer in Fortführung ihres Vermächt- treu ihrem Leitspruch „Jedes Schriftl a
Und gleichzeitig als Kontaktmann zum nisses aus Zeiten der österreichischen Giftl“ können sie den nun publik gewor-
mutmaßlichen russischen Mafia-Boss Mo- Neutralität im Kalten Krieg“ sei den Be- denen US-Depeschen entnehmen, dass
giljewitsch, dessen „Einverständnis“ der wohnern der Alpenrepublik quasi zur ihr tiefverankerter Hang zur „Abkapse-
Mann gebraucht habe, „um ins Geschäft zweiten Natur geworden: „Das führt lung“ und die „Flaute“ in den transatlan-
einzusteigen“. dazu, dass sie nachsichtig auf Dinge bli- tischen Beziehungen Folgen haben wird.
Die Geschäfte der Raiffeisen-Bank ste- cken, die uns zu denken geben.“ „Die österreichische Regierung wünscht
hen beispielhaft für alles, was bei den Und unnachsichtig auf Dinge, die den Kontakt zur Obama-Regierung auf Kabi-
Amerikanern Misstrauen erregt. Das klei- USA eine Herzensangelegenheit sind. nettsebene oder darüber hinaus“, heißt
ne Österreich als Makler auf großer Büh- Amerikanische Vorstöße auf allen Kanä- es in einem Memorandum der Wiener
ne? Politische Neutralität als Schlagwort len, um „die frühzeitige und vollständige US-Botschaft vom August 2009: „Wir stel-
für die Kunst, immer dabei, aber nie Ablehnung“ ehemaliger Guantanamo- len klar, dass Kontakte dieser Art echte
schuld gewesen zu sein? „Es zählt zu den Häftlinge durch die Regierung in Öster- amerikanisch-österreichische Partner-
Dogmen der österreichischen National- reich aufzuweichen, versanden immer schaft voraussetzen.“
mythologie“, bilanzieren die US-Diplo- wieder. J�� F��������, W����� M���

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