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Inhaltsverzeichnis
1. Ramakrishna und Brahmacharya
2. Die menschliche Geburt: eine seltene Gelegenheit
3. Was ist Brahmacharya?
4. Brahmacharya und Charakter
5. Brahmacharya geht über Indiens Grenzen hinaus
6. Die sechs Schätze des Brahmacharya
7. Antworten auf einige Fragen
8. Wie man die Sinneslust besiegt
"Keine Kraft kann erschaffen werden; sie kann nur gesteuert werden.
Folglich sollten wir lernen, die großartigen Energien zu steuern, die bereits
in unseren Händen sind. Wir sollten lernen, diese Energien, mittels unseres
Willens, spirituell, anstatt sinnlich, zu nutzen. Damit wird offenbar, daß
Keuschheit der Grundstein aller Sittlichkeit und aller Religion ist", sagt
Swami Vivekananda (ein Schüler Ramakrishna's).
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Der Mensch, der einst frei von Krankheiten war, der tat, was immer er tun
wollte. Er pflegt zu singen: „Ich habe keine Furcht vor dem Tod, etc.“.
Davon war er vollkommen überzeugt. Warum aber wird der heutige
Mensch, von tausenden Ängsten geplagt? Er wird von störenden Gedanken
beunruhigt und versinkt in den abgründigen Ozean der Unzufriedenheit.
Warum ist das so? Es liegt am Mangel an Enthaltsamkeit. Sollten wir uns
nicht um Antworten bemühen, wie es einst die Weisen Nachiketas und
Shukadeva taten? Warum findet in unserer Gesellschaft kein Nachdenken
über die tieferen Gründe der weit verbreiteten Unzufriedenheit mehr statt?
Es liegt daran, weil wir, durch den Mangel an Enthaltsamkeit, dieses
historische Feuer, diese ursprüngliche Kraft in uns, verloren haben. Ohne
Enthaltsamkeit kann nichts Großes erreicht werden.
Anmerkung
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Es ist natürlich nicht richtig, wenn man demjenigen, der kein Brahmacharya
praktiziert, jeden Erfolg im Leben abspricht. Vielleicht sollte man lieber
sagen, dass demjenigen, der kein Brahmacharya praktiziert, die Tür zum
Paradies verschlossen bleibt. Derjenige, der das Bild Brahmans in seinem
Herzen trägt, ist natürlich auch nicht in der Lage, übersinnliche Fähigkeiten
zu erwerben, auch wenn dieses immer wieder behauptet wird. Aber solche
mythologischen "Wahrheiten", werden immer wieder gerne gehört und sie
werden deshalb immer wieder gerne erzählt. Deshalb haben sie eine fast
unbegrenzte Lebensdauer, denn Leichtgläubigkeit und Unwissenheit, sind
weit verbreitet. Ich würde nicht sagen, dass unser Leben ohne
Enthaltsamkeit nutzlos ist. Aber in einem Leben ohne Enthaltsamkeit fehlt
die Seligkeit, die das Leben erst lebenswert macht. Es ist vom Leid
gekennzeichnet.
Ende Anmerkung
Warum wurde es für alle vorgeschrieben? Weil alle großen und edlen
Qualitäten des Charakters in dieser Periode des Lebens leicht erlangt
werden können. Heutzutage ist es in vielen Ländern der Welt üblich, die
Kinder auf die berufliche Laufbahn vorzubereiten. Man nimmt sich kaum
die Zeit, die moralischen und spirituellen Qualitäten der Kinder zu fördern.
In früheren Zeiten legte man auf diese Dinge besonderen Wert. Der größte
Wert wurde auf die Bildung des Charakters gelegt. Danach erfolgte die
spirituelle Ausbildung. Und zuletzt erfolgte die berufliche Ausbildung.
Denn jeder wusste, daß Charakter und Wissen Dinge sind, die am meisten
benötigt werden. Geld und alles andere kommt von selbst, wenn man diese
beiden Dinge besitzt. Charakter und Wissen sind dem Geld keineswegs
untergeordnet. Man sollte diese Wahrheit keineswegs gering schätzen.
Lord Krishna sagt im Bhagavata: „Wenn der Brahmachari (der Schüler, der
das Brahmacharya praktiziert) wegen seiner Enthaltsamkeit, wie ein Feuer
erstrahlt, wenn seine Sünden und schlechten Eigenschaften, durch die
Enthaltsamkeit niedergebrannt worden sind, und er Liebe für mich
(Krishna) entwickelt hat, dann wird der Lehrer ihn, in Bezug auf sein
Wissen, prüfen. Sollte der Schüler diese Prüfung bestehen, so nimmt er mit
der Erlaubnis des Lehrers ein reinigendes Bad, und dann kann dieser gute
Spross, frei nach seiner Wahl, in das Leben eines Familienvaters, eines
Einsiedlers oder unverzüglich zum vierten Lebensstadium, in das Leben
eines Sannyasin (Mönches), überwechseln.“ Wir sehen also, dass alle
Schüler das Stadium des Brahmacharya durchlaufen haben.
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Die Qualitäten, die im ersten Stadium des Lebens geübt werden, sind
ebenfalls in allen weiteren Stadien des Lebens erforderlich. Sogar im Leben
eines Familienvaters, ist Brahmacharya von großen Wert. Dieses gilt
selbstverständlich auch in den übrigen zwei Lebensstadien (Einsiedler,
Mönch). Ohne Brahmacharya ist es unmöglich, das Leben
eines Familienvaters entsprechend den Pflichten der heiligen Schriften zu
führen. Ohne Selbstkontrolle können Verheiratete ihre Ideale nicht
verwirklichen. Sri Ramakrishna wendete sich an alle, dabei waren die
Familienväter nicht ausgenommen, und sagte: „Mache zuerst die Erfahrung
des Einsseins mit dir selbst und dann erledige deine Pflichten. Suche zuerst
festen Halt bei Gott und dann lass' dich treiben. Fixiere den größeren Teil
deines Verstandes auf Gott und erledige mit dem Rest deines Verstandes die
täglich anfallenden Pflichten.“ Mit diesen und vielen anderen
schönen Gleichnissen, pflegte er den Verheitateten beizubringen, wie sie ihr
Leben führen sollten. Es ist ratsam, als Verheirateter nach diesen
Anweisungen zu leben. Deshalb ist Brahmacharya die erste Sache,
die erforderlich ist.
Anmerkung: Glauben
Sicher wird sich derjenige der gläubig ist, auf Gott konzentrieren. Aber
nicht jeder ist gläubig und nicht jeder möchte sich auf Gott konzentrieren.
Der Weg mit Gott, ist ein möglicher Weg. Der Weg ohne Gott, ein anderer.
Da aber niemand weiß, ob es wirklich einen Gott gibt, ist mir persönlich der
zweite Weg der ehrlichere. Weiter ist anzumerken, dass Verheirateten nach
den Vorstellungen des Varnashrama-Dharma, welches einerseits die
Kastenzugehörigkeit (Varna) und andererseits die 4 Lebensabschnitte
(Ashrama) beschreibt, das auf den Veden beruht, ist der Geschlechtsverkehr
zwischen Eheleuten keineswegs verboten. Er sollte allerdings nur zur
Zeugung des Nachwuchses praktiziert werden.
Ende Anmerkung.
Zuallerst ist also eine Kontrolle der Sinne erforderlich. Man sollte lernen,
die Sinne durch den Willen zu zügeln. Mit anderen Worten, du solltest
perfekte Selbstkontrolle beherrschen. Dies ist der Grund, warum einige den
Lebensabschnitt der Verheirateten, als den schwersten Lebensabschnitt
bezeichnen. Es ist in der Tat ein sehr reiner Lebensabschnitt. Er ist nichts
für Rohlinge, sondern für die, die rein im Herzen sind und das
Brahmacharya perfekt meistern. Für die menschlichen Rohlinge hat der
Lord keinen Ashrama (Lebensabschnitt) vorgeschrieben. In keiner heiligen
Schrift ist aber zu lesen, dass der Verheiratete die Zügel schleifen lassen
sollte, um seinen Leidenschaften zu frönen. Stelle dir für einen Moment vor,
wie rein der Lebensabschnitt der Heiligen und Mönche und sogar der des
Lords ist, und in welcher Reinheit sie wiedergeboren werden. Welch
eine große Vorsicht müssen sie ausüben. Es kann kein Wohlergehen ohne
Brahmacharya geben, weder für einen Yogaschüler, noch für einen
Verheirateten, einen Einsiedler im Wald oder für einen Bettelmönch. Ohne
Brahmacharya wird es in der Gesellschaft weder Wohlergehen noch Frieden
geben.
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Anmerkung: Pythagoras
Mit der Antike wird die Epoche des Altertums im Mittelmeerraum etwa
zwischen 1.200 v.Chr. und 600 n.Chr. bezeichnet. Im engeren Sinne
bezeichnet man mit der Antike die Geschichte des klassischen
Griechenlands und des römischen Reiches, das nach dem ersten Jahrhundert
nach Christus eine politische und kulturelle Einheit bildete. Insofern ist die
Aussage nicht richtig, dass allein die indischen Rishis das Brahmacharya
(Zölibat) in der Antike praktizierten. Erinnern wir uns daran, dass der
jüdische Weisheitslehrer Jesus Sirach sich bereits 180 Jahre vor Christus für
ein Zölibat im Judentum aussprach.
Ende Anmerkung
In der Prashna Upanishad, einer heiligen indischen Schrift, steht, das einst
sechs Rishis, nämlich, Sukesha Bharadwaja und fünf andere, die alle ihr
Leben Brahman geopfert hatten, zu Rishi Pippalada kamen, um von ihm das
höchste Wissen zu erwerben. Rishi Pippalada aber forderte sie auf, für ein
Jahr das Brahmacharya zu beachten, dann werde er ihnen das höchste
Wissen vermitteln. In einer anderen heiligen Schrift, dem Chhandogya
Upanishad, wird von einem Dialog zwischen Indra (Kriegsgott), Virochana
(Anführer der Dämonen, Sinnbild der Sinneslust) und Brahma berichtet, in
dem Brahma Indra das Wissen von Brahman unterrichtete, nachdem er ihn
gebeten hatte, 101 Jahre hindurch das Brahmacharya zu beachten.
In der Spätantike verbreitete sich die Idee des Brahmacharya von Indien aus
nach Ägypten und mit Beginn des Neoplatonismus nach Griechenland unter
den Pythagoräern aus. Zu einem etwas späteren Zeitpunkt, breitete sich die
Idee der Enthaltsamkeit auch in den Ländern Europas aus. Von Indien
ausgehend verbreitete sich die Idee des Brahmacharya auch in
verschiedenen Ländern Asiens. Die Perser übernahmen sie direkt aus
Indien. Die Buddhisten trugen sie weit in die Welt hinaus. Die Essener
übernahmen das Brahmacharya von den Buddhisten und die Christen
(Juden) übernahmen es teilweise von den Neoplatonisten und den Essenern.
Die Bibel erzählt, Paulus habe im Jahr 35/36 n.Chr. beim Tod des
Stephanus, dem ersten christlichen Märtyrer, der zu Tode gesteinigt wurde,
die Kleider der Steiniger bewacht. Paulus (Saulus) erhiet den Auftrag, in
Damaskus weitere Christenverfolgungen zu leiten, aber eine wunderbare
Begegnung mit dem auferstandenen Christus vor Damaskus veränderte sein
Leben von Grund auf. Paulus selbst bezeichnete dieses Ereignis nicht als
Bekehrung, sondern als Offenbarung von Jesus Christus. Von der
übermächtigen Erscheinung Christi getroffen, fiel Saulus zu Boden und
wurde - erblindet - nach Damaskus geführt. Ananias heilte ihn und taufte
ihn, er wurde Christ, Apostel und Missionar, predigte in der Synagoge von
Damaskus und wurde bald schon selbst verfolgt; Freunde halfen ihm, im
Jahre 38 in einem Korb über die Stadtmauer zu entfliehen. Weiteres aus
dem Leben Paulus im Heiligenlexikon.
Ende Anmerkung
Heute ist es unter Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Theologie eine
allgemein akzeptierte Tatsache, dass Jesus Christus der Gemeinschaft der
Nazarener angehörte, welche ein Zweig der Essener Glaubensgemeinschaft
war (aus diesem Grunde müsste sein Beiname "Jesus von Nazareth"
korrigiert werden zur wohl richtigeren Bezeichnung "Jesus der Nazarener",
da zudem keinerlei Hinweise gefunden werden können, dass ein Dorf
namens Nazareth in Jesus' Tagen existierte). 1974 wurden in den Höhlen
der Quaratania-Bergen über dem Toten Meer Pergamenthandschriften und
Papyrusrollen entdeckt, welche nachweisliche Überreste einer großen
Schriftensammlung dieser religiösen Gemeinschaft der Essener sind.
Obwohl die Schriften bis heute noch nicht vollständig übersetzt und
ausgewertet worden sind, kann man eine große Ähnlichkeit zwischen der
Lehre der Essener und der Lehre Jesu finden. Die Essener sagten sich vom
Tempel und seinem Opferdienst los. Sie lebten meist ehelos in
Klostergemeinschaften zusammen und mussten sich vielen
Reinheitsvorschriften unterziehen. Voll Eifer in einem Leben des Gebetes,
der Enthaltsamkeit und der Arbeit erwarteten sie die nahe Ankunft des
Messias. War Jesus also einer der ersten jüdischen Mönche (Yogis)?
Quellen:
yoga-vidya journal
Die Essener
Ende Anmerkung.
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Jesus Sirach 23, 16-18 : „Zwei Gruppen von Menschen häufen die Sünden,
drei ziehen den Zorn herbei: Leidenschaftliche Begierde, sie brennt wie
Feuer und erlischt nicht, bis sie sich verzehrt hat; der Mensch, der am
eigenen Leib Unzucht treibt und nicht aufhört, bis das Feuer verglüht; der
Wollüstige, dem jedes Brot süß schmeckt, der nicht aufhört, bis er tot ist;
der Mensch, der Ehebruch treibt auf seinem Lager, der bei sich denkt: Wer
sieht mich?“
An diesem Beispiel kann man erkennen, wie die Heiligen Schriften oftmals
durch den Zufall entstehen. Hätte man die Weisheiten des Jesus Sirach mit
in den jüdischen Kanon aufgenommen, dann sähe der Talmud und mit
ihm die Bibel heute anders aus. Dann wäre die Enthaltsamkeit ein
selbstverständlicher Bestandteil dieser heiligen Schriften. Es wäre also
interessant, zu erfahren, warum man diese Weisheiten nicht mit in den
jüdischen Kanon aufgenommen hat.
Ende Anmerkung
Im Islam gibt es die Bewegung der Sufis, den Sufismus, wobei betont wird,
dass die Sufis eigentlich unabhängig von einer Religionszugehörigkeit sind
und diese Bewegung schon weitaus älter ist als der geschichtliche Islam.
Die Sufis selber betonen jedoch, dass sich der Sufismus zu seiner vollen
Blüte erst ab dem Auftreten des Propheten Mohammed entwickelt hat. Die
ersten Sufis sollen aus dem Jemen kommen, wo sie in der Wüste gelebt
haben sollen. Die meisten Sufis bewegen sich aber innerhalb des
orthodoxen Islams von Sunna und Schia und sind somit entweder Sunniten
oder Schiiten. Ihr Weg folgt vier Stufen, die auf die Prägung aus dem
indischen Raum verweisen; bis heute ist jedoch offen, wie und in welche
Richtung diese Beeinflussung historisch verlief:
Das oberste Ziel der Sufis ist, Gott so nahe zu kommen wie möglich und
dabei die eigenen Wünsche zurückzulassen, wobei der Suchende danach
strebt, die Wahrheit schon in diesem Leben zu erfahren und nicht erst auf
das Jenseits zu warten. Dies spiegelt sich klar in dem Prinzip "zu sterben
bevor man stirbt" (Wiedergeburt im jetzigen Leben) wieder. Hierzu
versuchen die Sufis, die Triebe der niederen Seele bzw. des tyrannischen
Ego so zu bekämpfen, dass sie in positive Eigenschaften umgeformt
werden. Auf diese Weise kann man einzelne Stationen durchlaufen, deren
höchste die reine Seele ist. Diese letzte Stufe bleibt jedoch ausschließlich
den Propheten und den vollkommensten Heiligen vorbehalten.
Die Blütezeit der asketischen Strömung innerhalb des Sufismus kann man
laut Schimmel im 9. Jhd. ausmachen, hier entstanden auch erste
theoretische Schriften über die richtige Praxis und den Sinn und Zweck der
Askese. So schildert eine von einem Mann namens Ibrahim stammende
Definition die in drei verschiedenen aufeinanderfolgenden Stufen
erfolgende Abkehr von der Welt und die Zuwendung zum totalen
Gottesgedenken folgendermaßen: im ersten Schritt erfolgt die Aufgabe der
Welt, im zweiten die Aufgabe des Glücksgefühls, das aufgrund der
Erfüllung des ersten Schritts im Sufisten aufgekommen war und im dritten
Schritt erreicht man einen "Zustand, in dem der Asket die Welt für so
unwichtig ansieht, daß er sich nicht mehr um sie oder die eigene
Weltabkehr kümmert". - Warum lehnten die Sufisten überhaupt jeglichen
weltlichen Luxus ab?
Diese Frage kann man in ganz ähnlicher Weise beantworten, wie die Frage
danach, warum die Sufisten weltliches Wissen ablehnten: Alle Dinge des
täglichen Lebens sind eine Last für den wahren Gläubigen, da sie ihn von
dem absoluten und immerwährenden Gottesgedenken abhalten und damit -
wie im 9. Jhd. ein Mann namens Bishr glaubte - einen "Schleier zwischen
Gläubigen und Gott bilden"; mit weltlichem Luxus - oder schlimmer noch -
eindeutig sündigem Verhalten ist eine wahre Gotteserkenntnis unmöglich.
Vermutet man jetzt jedoch, die Sufisten hofften in einem nach dem Tode
beginnenden Leben in einer Art Paradies ungehemmt den von Gott dort zur
Verfügung gestellten Luxus - quasi als Entschädigung für ihr irdisches
Entsagen - genießen zu können, irrt man: die Sufisten leugnen zwar die
Existenz eines von Gott geschaffenen Paradieses - ebenso wie die Existenz
der Hölle - nicht, das Gelangen zu diesem Ort ist jedoch nicht das Ziel einen
wirklichen Sufisten, da dieser Ort - weil "geschaffen" - nicht mit Gott
identisch ist und der wahre Sufi erst dann am Ziel ist, wenn er Eins
geworden ist mit seinem Herrn: "Wenn er deine Sinne mit Paradies und
Huris füllt, dann wisse, daß er dich fern von sich hält." Dabei bedeuten die
Huris Jungfrauen im Paradies, die nach islamischem Glauben zur
Belohnung der Seligen dienen. Vielfach wird dabei eine Anzahl von 72
angenommen.. Sie stehen also für die erotische Lust im Paradies.
Eine der Askese ganz ähnliche Funktion hat auch das Zölibat in der
sufistischen Lehre: Obwohl der Prophet ursprünglich seine Anhänger immer
dazu angehalten hatte, "Familien zu gründen, herrschte unter den frühen
Asketen eine Vorliebe für das zölibate Leben": ebenso wie im weltlichen
Wissen und im irdischen Luxus erblickten die Sufisten im Familienleben
eine Gefahr, die sie von Gott entfremden könne, da einem verheirateten
Menschen immer ein guter Teil seiner Zeit, nämlich der, den er mit der
Versorgung seiner Familie zubringen muß, an der totalen Gottergebenheit
fehlt und er sich somit nicht absolut der Gläubigkeit hingeben kann.
Außerdem stand das Heiraten und Gründen von Familien immer in dem
Ruf, eine Art "legalisierte Sünde" zu sein; das Familienleben war so eines
der "größten Hindernisse auf dem mystischen Pfad".
Die sehr negative Einstellung zur Familie ging bei manchen Sufis soweit,
daß sie den Tod eines nahen Verwandten als glückliches Zeichen von Gott
auffaßten und sich sogar über den Tod der eigenen Kinder freuten. Zölibates
Leben ist ein Ausdruck der Gläubigkeit, den sowohl männliche als auch
weibliche Sufisten praktizieren konnten; anders sah es jedoch mit der im
Islam - und damit auch im Sufismus - weit verbreiteten Abscheu gegen alles
Weibliche aus, eine Tatsache, die sicher nicht in direktem Zusammenhang
mit der tiefen Religiosität zu sehen ist sondern wahrscheinlich einen mehr
sozial-ideologischen Hintergrund hatte und noch immer hat: Beispielsweise
berichten viele Überlieferungen, wie schrecklich das Eheleben - oft bedingt
durch die reine Anwesenheit der Frau - doch sei und wie "frech, unerzogen,
redselig" und damit unnütz die Frau sei.
Ein sehr einflussreicher früher Sufi war der Asket Hasan al-Basri (642–728
n.Chr.). Seine Vorstellung von einem spirituellen Leben waren: wenig
Schlaf, sich weder über Hitze noch über Kälte zu beklagen, keinen festen
Wohnsitz zu haben und stets zu fasten. In Basra (im heutigen Irak) lebte und
wirkte Rabia al-Adawiyya (etwa 714-801 n.Chr.), eine der bedeutendsten
weiblichen Sufi-Heiligen. Es wird angenommen, dass sie nie einen Lehrer
hatte und sie wird als eine „trunkene Gottesliebende“ bezeichnet, die als
eine strenge Asketin lebte: zum Trinken und für ihre rituellen Waschungen
soll sie einen zerbrochenen Krug, eine alte Schilfrohrmatte zum Liegen und
einen Flussstein als Kopfkissen verwendet haben. Im 9. Jahrhundert war
Dhu'n-Nun al-Misri († 859) einer der ersten Sufis, der eine Theorie über
„Fana“ (arab. für Auflösung) und „Baqa“ (arab. für Bestehen) entwickelte,
eine Lehre über die Vernichtung bzw. Auflösung des Selbst. Außerdem
formulierte er die Theorie von Ma'rifa (intuitive Gotteserkenntnis).
Bayazid Bistami (803-875 n.Chr.), aus Bistam in dem heutigen Iran, hielt
vor allem die Liebe für das Wichtigste, um die Einheit mit Gott zu
erreichen. Darüber hinaus erlangte er den Zustand von absolutem Einssein
mit dem Schöpfer durch strenge Selbstkasteiung und Entbehrungen. Ein
wichtiger Vertreter des Sufismus ist al-Ghazali († 1111). Er war einer der
ersten Perser (Iraner), der seine Ideen zu einem mystischen System ordnete.
Der ursprüngliche Rechtsgelehrte erkannte eines Tages, dass er nur durch
eine der Welt entsagende Lebensweise wirklich zu Gott finden könne. Er
gab deshalb seinen Lehrstuhl an der Universität in Bagdad auf, um als
wandernder Derwisch viele Jahre in der Abgeschiedenheit zu verbringen.
Der Lehre al-Ghazalis gemäß besitzen die Menschen in ihrer Brust ein
"feinstoffliches Herz", das in der Welt der Engel beheimatet ist. Dieses
Organ ist in der grobstofflichen Welt im Asyl und weist den Menschen den
Weg ins Paradies zurück.
Dass der Sufismus innnerhalb des Islams größte Schwierigkeiten hatte, und
heute noch hat, liegt zum einen darin, dass die lebensfrohen Tänze den
orthodoxen Islamisten immer schon ein Dorn im Auge waren. Ausserdem
fand die asketische Lebensweise der Sufisten nicht die Zustimmung der
Islamisten. So ist z.B. von Mohammed bekannt, dass er einen Harem von
neun Frauen und drei Konkubinen. (Beischläferinnen, Prostituierte)
hinterließ.
"Doch als spirituelle Kraft ist der Sufismus tot", glaubt Nabi Baksh Balosh.
"Er ist nicht länger eine Quelle geistiger und religiöser Erneuerung. Die
Bevölkerungsexplosion, die Urbanisierung (die Verstädterung) und die
Landflucht (in die Städte), auch das grassierende Analphabetentum haben in
den letzten Jahrzehnten die Profanierung (die Entweihung spiritueller
Werte) und Instrumentalisierung religiöser Mystik bewirkt. Gleichzeitig
befindet sich der islamische Fundamentalismus im Aufwind. Früher fühlte
sich die intellektuelle Elite vom Sufismus angezogen. Heute ist er in erster
Linie eine Ausdrucksform des Subproletariats (der sozialen
Unterschichten)."
Der richtige Dreh: Als Keimzelle für Verschwörung und Revolte galt der
Orden (der Sufis in der Türkei). Kemal Atatürk, der Vater des modernen
türkischen Staates, ließ Klöster und Tekkes (Versammlungsorte) 1928
schließen.
Nun noch eine Anmerkung zum Tanz der Sufis (Derwische), dem Sema-
Ritual:
Sufismus I
Sufismus II
Geschichte des Islam
Ende Anmerkung.
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Man sollte nicht denken, daß Brahmacharya nur von religiösen Menschen
beachtet werden sollte. Brahmacharya ist unabhängig von Glauben und
Religion. Es ist auch unabhängig davon, ob jemand an die Seele, die
Wiedergeburt oder an die Veden glaubt. Im Brahmacharya sind folgende
„sechs Schätze“ enthalten:
1. Sinneskontrolle
2. Verstandeskontrolle
3. Nachsicht
4. Enthaltsamkeit
5. Vertrauen
6. Konzentration
Diese sechs Schätze sind auch für den von höchstem Wert, der nur an sein
eigenes Wohl oder an das Wohlergehen seines Landes interessiert ist.
Dieses gilt sowohl für materialistisch orientierte Menschen, als auch für
Menschen, die nicht nach der Erleuchtung streben oder an das Jenseits
glauben. Diejenigen unter den Materialisten, die es zu Ruhm und Ansehen
gebracht haben, haben eine sehr hohe Meinung von diesen „sechs
Schätzen“. Besitzt jemand einen dieser sechs Schätze nicht, dann wird er
nicht in der Lage sein, etwas Großes in seinem Leben zu erreichen.
Wie viele Wohltaten verdankt die Menschheit nicht den Menschen, die die
Kontrolle über ihre Sinne und ihren Verstand besassen? Selbst ein Kaiser ist
arm wie ein Bettler, wenn er nicht diese sechs Schätze erworben hat. Ein
wohlhabender Mann ist stets um sein Vermögen besorgt. Aber der Besitzer
dieser sechs Tugenden ist grösser als ein Monarch. Er wird sogar von den
Göttern verehrt. Er wird von Glück und Zufriedenheit durchströmt. Aus der
Fülle dieser von ihm erworbenen sechs Schätze, kann er sie freigiebig an
andere verschenken. Was könnte mehr Freude bereiten? In Zeiten der
Gefahr entfliehen die Reichen ihrem Leben. Sie überlassen ihre Freunde
und Verwandten ihrem Schicksal. Diejenigen aber, die im Besitz dieser
sechs Schätze sind, verbringen ihre Tage ohne die geringste Spur von
Furcht. Sie ermuntern sie und bieten anderen ihre Hilfe an. Diejenigen, die
das Brahmacharya verwirlicht haben, leisten ihrem Land wertvolle Dienste
und werden dafür geachtet und geliebt. Es sind in der Tat, gesegnete
Menschen.
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Einige könnten sagen, daß man dann, wenn man auf die Welt, auf die Heirat
und auf das Zeugen von Kindern verzichtet, man nicht von der natürlichen
Schuld freigesprochen ist und keine Befreiung erlangen kann. Aber im
Bhagavata (11.5.41) sagt Karabhajana zu Janaka: „Der Mann, der alle seine
Aufgaben und Pflichten aufgibt und sich von ganzem Herzen zur Anbetung
Gottes bekennt, hat keine Schuld auf sich geladen, weder gegenüber
den Göttern, noch gegenüber den Rishis (Weisen), der Familie, den
Verwandten oder anderen gegenüber.“ Im Mahabharata (167.26) sagt der
Weise Narada zu Shukadeva: „Ohne zu heiraten, sei der Herr deiner Sinne.“
Jesus sagt in Matthäus 19,12 : „Denn einige sind von Geburt an zur Ehe
unfähig; andere sind von Menschen zur Ehe unfähig gemacht; und wieder
andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht, um des Himmelreiches
willen. Wer es fassen kann, der fasse es!“
Anmerkung:
Man mag früher der Meinung gewesen sein, man könne Befreiung nur in
der Einsamkeit erlangen, so sieht man dieses heute anders. Niemand braucht
in den Wald, ins Kloster oder in die Einsamkeit zu gehen, um Erlösung zu
erlangen. Dies ist auch möglich, wenn man den Weg der Kontemplation
und Entsagung ins normale Leben integriert. Man kann also weiterhin in der
Famile leben, einer geregelten Arbeit nachgehen, sich um seine Kinder
kümmern, aber man sollte sich auch Zeit für seine spirituelle Praxis
nehmen. Ich halte dieses für viel besser und mutiger, weil man dadurch
seine spirituellen Fortschritte viel besser beobachten und erkennen kann. Ist
der Weg in die Einsamkeit nicht auch immer eine Flucht aus der Welt, aus
der Realität, der man nicht gewachsen ist? Es spricht aber auch nichts
dagegen, sich zeitweise an einen Ort der Ruhe, der Besinnung,
zurückzuziehen, um neue Anregungen zu sammeln und sich von den
Anstrengungen des Alltags zu erholen.
Ende Anmerkung
Einige glauben, daß man dann, wenn man ein zölibatäres Leben führt, zu
vielen Krankheiten neigt. Das ist falsch. Dr. Nichols sagt: „Es ist eine
medizinische, eine physiologische Tatsache, daß das beste Blut im Körper
die Elemente der Fortpflanzung (Eizellen, Spermien) bilden, und zwar in
beiden Geschlechtern. In einem reinem und geordneten Leben, ist dieser
Prozess gedämpft. Das Blut bleibt im Kreislauf, um Gehirn- und Nerven-
Zellen, sowie Muskelgewebe zu bilden. Das Leben des Mannes, bei dem
das Blut weiterhin von seinem Körper aufgenommen wird und nicht zur
Produktion neuer Keimzellen benötigt wird, macht ihn männlich, stark,
tapfer und heldenhaft.“ (dies gilt im übertragenen Sinne ebenfalls für die
Frau) Wenn dieses Blut aber für die Samenproduktion vergeudet wird,
verweichlicht der Mann, es macht ihn schwach und unentschlossen. Es
schwächt ihn intellektuell und physisch. Er wird ein Opfer sexueller
Begierden. Er neigt zu krankhaften und depressiven Empfindungen, zu
psychosamatischen Erkrankungen, zu einem bemitleidenswertem
Nervensystem, zur Epilepsie, zu psychischen Auffälligkeiten und sogar zum
Suizid (Tod). Im Jnana-Sankalini Tantra sagt Shiva: „Den Körper zu quälen
ist keine Entbehrung. Brahmacharaya ist die beste Entbehrung. Ein Mann,
der ununterbrochen Brahmacharya praktiziert, wird zum Gott.“
Wir sehen es häufig vor unseren Augen, wie schwach, ängstlich, ja,
geradezu engherzig, engstirnig, kleinlich und boshaft die Menschen sind,
die zu Sklaven ihrer sinnlichen Lust geworden sind. Ihr Leben sieht düster
und miserabel aus. Wie stark, kräftig, mutig und selig sieht dagegen das
Leben der Tugendhaften aus, die ihre sinnlichen Leidenschaften unter
Kontrolle haben.
Sri Ramakrishna pflegte zu sagen: „Wer immer sich der Sexualität enthalten
kann, kann die Welt (das Weltliche) verschmähen.“ Der, der die
Sinnesfreuden aufgegeben hat, der seine erotischen Leidenschaften durch
seinen Verstand gestoppt hat, ist sich sicher, daß Gott nicht weit von seinem
Herzen entfernt ist. Der Schatten Gottes fällt bereits auf ihn. Er wird den
Verehrer reich beschenken, der sich für nichts anderes mehr interessiert.
Und dann empfindet er eine ekstatische Freude, in jeder Pore seines
Körpers. Die Intensität der Freude, die er empfindet, ist so groß, dass er
jedes Bewusstsein für die Aussenwelt verliert. Er fällt in Trance und
geniesst diese unbeschreibliche Freude, als einen kontinuierlichen Strom
des Bewusstseins.
Top
Die einzige Weise, die Sinneslust zu besiegen, besteht darin, alle Frauen als
die eigene Mutter, als Ebenbild der göttlichen Mutter zu betrachten. Ebenso
wie man von Hingabe erfüllt ist und dazu neigt, das Bild der göttlichen
Mutter anzubeten, sobald man es erblickt, sollte man von Hingabe erfüllt
sein und den Wunsch haben, eine Frau anzubeten, wenn man sie sieht.
Niemals sollten wir unserem Verstand erlauben, das Bild einer Frau zu
verinnerlichen. Eine Frau als sinnliches Wesen zu betrachten, öffnet das Tor
zur Hölle. Betrachtet man sie dagegen als göttliche Mutter, so ist dieses
unsere Rettung, die uns vor dem Verfall in sinnliche Begierden bewahrt.
Wir sollten also unseren Blickwinkel verändern. Wenn wir das machen,
sind wir von sinnlicher Versuchung befreit.
Anmerkung
Es ist natürlich nicht der einzige Weg, die Sinneslust zu besiegen, wenn
man alle Frauen als Mütter betrachtet. Diese Einstellung spiegelt allerdings
die Haltung der Inder wieder. In den meisten Ländern der Welt, wird die
Frau als individuelles Wesen, als Frau soundso, betrachtet. In Indien
dagegen betrachtet man alle Frauen, ausser die eigene, als Mutter. Die
Betrachtung der Frau als ein Ebenbild der Mutter Gottes zeugt von der
Zwiegespaltenheit der indischen (hinduistischen) Gesellschaft. Einerseits
hat man ihr über Jahrtausende jegliche Gleichberechtigung abgesprochen
und sie als untergeordnetes Anhängsel des Mannes betrachtet, was die
grausamsten Folgen für die Frauen mit sich brachte, und andererseits wird
sie auf einen göttlichen Sockel gehoben, was den Frauen aber nicht wirklich
half.
Ende Anmerkung
Wir sind immer und wieder geboren worden. Aber was haben wir getan, um
unser innerstes Selbst zu entwickeln, um göttlich zu werden? Wir sind
immer und immer wieder den Sinnesfreuden nachgelaufen und erlitten
unsägliche Qualen. Aber es ist nie zu spät, dies zu erkennen und dieses
Verhalten zu verändern. Die aufrichtige Resignation eines einzigen
Augenblicks, über das eigene Verhalten, kann genügen, um Befreiung von
der sexuellen Besessenheit, durch die Kraft Gottes zu erbitten. Aber dieser
Wunsch sollte aufrichtig sein. Allein dieser eine Wunsch, wird die ganze
Lebenseinstellung verändern. Man unterscheidet die Menschen nicht mehr
in Mann und Frau, sondern betrachtet alle als göttliche Wesen. Dann wird
jegliche Anhaftung an die Sexualität und an alle weltlichen Genüsse
verschwinden. Stattdessen stellt sich eine Freude ein, die in ihrer
Glückseligkeit allen weltlichen Freuden unendlich überlegen ist.
Schlusswort
Die Welt, so wie sie ist, ist voller Elend. Aber es liegt innerhalb der Kraft
eines jeden Menschen, sie in Seligkeit umzuwandeln. Jeder Mann besitzt
etwas Göttliches. Jede Frau gleicht der heiligen Mutter. Änderst du deine
Einstellung zum Leben, dann wirst du das Königreich des Himmels, bereits
auf Erden finden. Brahmacharya ist der Schlüssel dazu.
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