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Martin Forberg zum EU-Assoziationsabkommen (Juni 2010)

1. Das Assoziationsabkommen selbst:

Das EU-Israel-Assoziationsabkommen (EUI-AA) wurde 1995 unterzeichnet, und ist seit


2000 in Kraft. Es ersetzt ein älteres Kooperationsabkommen von 1975.

Der offizielle Titel lautet: „EURO-MEDITERRANEAN AGREEMENT establishing an


association between the European Communities and their Member States, of the one part,
and the State of Israel, of the other part”.

Aus dem Titel geht hervor, dass dieses Abkommen eingebaut ist in die Kooperation der EU
und der „südlichen“ Mittelmeeranrainerstaaten. Dennoch bringt es die besonderen
Beziehungen beider Seiten zum Ausdruck. So sagte Javier Solana, der ehemalige
Beauftragte der EU für Außenpolitik, im September 2009: “Israel ist (...) ein Mitglied der
Europäischen Union ohne ein Mitglied seiner Institutionen zu sein
(... ) Kein Land außerhalb des Kontinents hat diese Art von Beziehungen mit der
Europäischen Union,” und er fügte hinzu, dass heute Israels Verhältnis mit der
Europäischen Union enger sei, als das von Kroatien (ein Land, das immerhin hofft, im Jahr
2011 EU-Mitglied zu werden).

Das EUI-AA bildet die rechtliche Grundlage für die Beziehungen zwischen Israel und der
Europäischen Union. Es regelt den Handel: es geht um den Wegfall (Industriegüter), oder
um die Ermäßigung (landwirtschaftliche Produkte) von Zöllen. Aber nicht nur ökonomische
Beziehungen werden thematisiert, sondern z.B. auch der „politische Dialog“. Auch die
“Sicherheitspolitik” ist Teil dieses Dialoges:
Article 5: 1. The political dialogue shall facilitate the pursuit of joint initiatives and shall take
place in particular: (…) (d) by providing regular information to Israel on issues relating to the
common foreign and security policy, which shall be reciprocated (…)”. Besonders bekannt
geworden ist Artikel 2 des Abkommens, der den Bezug auf Menschenrechte und
Demokratie enthält:
“Relations between the Parties, as well as all the provisions of the Agreement itself, shall be
based on respect for human rights and democratic principles, which guides their
internal and international policy and constitutes an essential element of this
Agreement.” (Hervorhebungen M.F.)

Der Bezug auf die Menschenrechte bildet die Grundlagen für Forderungen, das Abkommen
auszusetzen (der Staat Israel hält sich nicht an die Menschenrechte). Diese Forderung wird
inzwischen breit in vielen EU-Mitgliedsländern, auch in Deutschland, vertreten. Das
Aktualisieren des Vertrages und die Aufwertung des Verhältnisses EU-Israel ist gegenwärtig
gestoppt. Die Initiative hierzu ging im Dezember 2008 vom EP aus. Anlässe waren die
fortgesetzte Siedlungstätigkeit und die Gaza-Blockade (und der Gazakrieg).

Besonders wichtig ist: erstens geht es im EU-I-AA nicht zuletzt um Zollfreiheit (würde es
ausgesetzt, verteuerten sich israelische Produkte auf dem EU-Markt) und zweitens
gruppieren sich darum viele Stränge der Kooperation zwischen der EU und Israel.

2. Skizze verschiedener Vernetzungen zwischen der EU und Israel (staatlich und


privat, ökonomisch, politisch etc.):

Auf der Ebene von EU-Verträgen ist Israel z.B. zusätzlich in die Europäische
Nachbarschaftspolitik integriert. Der Staat Israel soll die Möglichkeit bekommen, zunehmend
bei zentralen Aspekten der EU-Politik und Programme beteiligt zu werde. Die EU und Israel
haben eine “lange Geschichte erfolgreicher wissenschaftlicher und technologischer
Zusammenarbeit.“ So ist Israel beteiligt am EU Research and Technological Development
Framework Programme (FP). Seit 1996 ist Israel das einzige Nicht-EU-Land, das dort
angebunden ist. Die EU ist Israels zweitgrößter Finanzier öffentlicher Forschung nach der
Israel Science Foundation. Unter anderem ist Israel beteiligt am Galileo European Satellite
Navigation System.
Junge Israelis nehmen an einem Austauschprogramm teil, israelische Filmemacher werden
finanziert und trainiert im Rahmen des Euro-Med Audiovisual Programme. Ebenso sind
israelische Universitäten, Handelskammern und Unternehmer-vereinigungen in
verschiedene EU-Programme integriert. Sogar die Israel Antiquities Authority ist in die
Euromed Cultural Heritage eingebunden.

Was die Handelsbeziehungen zwischen der EU – Israel anbelangt, so ist die EU mit
jeweils (Export, Import) ca. 30 % Israels größter Handelspartner. Demgegenüber
macht der israelische Anteil für den Handel der EU nur etwa 1 % aus.

Die Produktpalette soll sich im israelischen Export folgendermaßen darstellen:

(Quelle: Jüdische Allgemeine Wochenzeitung, 27.05.2010; die Zahlen beziehen sich


offenbar auf 2009)

Außerdem sind die bedeutsamen Investitionen von Unternehmen aus der EU in Israel zu
erwähnen (z.B. immer wieder angesprochen wird Siemens; unter den Unternehmen, die
direkt von der Besatzung profitieren, ist z.B. Veolia prominent geworden, aber auch jüngst
Ikea)

Ein besonderes Kapitel stellt die Rüstungskooperation dar, z.B. zwischen deutschen und
israelischen Unternehmen (ThyssenKrupp, Rheinmetall, Diehl), aber auch Firmen aus
anderen EU-Mitgliedstaaten sind hier bedeutsam.

3. Auseinandersetzungen um Siedlungsprodukte:

Auf der Internetseite des „Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel“
(deutschsprachige Ausgabe) ist zu lesen: Siedlungsprodukte „fallen
nicht unter das zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Israel abgeschlossene
Assoziierungsabkommen von 2000, da die besetzten Gebiete nicht vom räumlichen
Geltungsbereich des Abkommens erfasst werden. Dies war zeitweilig umstritten, wurde nun
aber vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Februar 2010 bestätigt.
Die nach dem Assoziierungsabkommen für Produkte aus Israel
eingeräumten Zollvergünstigungen gelten somit nicht für Siedlungsprodukte.
Zum Teil wird jedoch die Herkunft der Waren falsch angegeben, so dass Siedlungsprodukte
doch in den Genuss von Zollvergünstigungen kommen. Das bestehende Kontrollsystem
erscheint daher nicht ausreichend. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich deshalb für
eine Verbesserung der Kontrollen einsetzen. Liegt der Ursprung der Ware nicht eindeutig
innerhalb der Grünen Linie, darf keine Zollpräferenz gewährt werden. Siedlungsprodukte
werden zudem nicht als solche, sondern in irreführender Weise als „Made in Israel“
gekennzeichnet.“
Pax Christi stellte aus Anlass des erwähnten Urteils u.a. fest: „Wer sicher gehen möchte,
keine Waren aus Siedlungen in den Einkaufskorb zu legen, muss derzeit notgedrungen auf
den Kauf sämtlicher Produkte aus Israel verzichten,“ erläutert Christina Pfestroff, Mitglied
der Nahostkommission.“

4. Politische Konsequenzen – einige Thesen:

1. Kampagnen gegen Siedlungsprodukte sind anschaulich und politisch wichtig: der


Unrechtscharakter wird für viele Menschen deutlich, ohne dass sie ihrer Ansicht nach „zu
weit“ gehen müssten. Ähnlich: Rüstung; und: Aussetzung/Beendigung: EU-I-AA; Darüber
gibt es einen breiten Konsens, der genutzt werden sollte.

2. Zugleich aber sind Siedlungsprodukte und Produkte aus dem „eigentlichen“ Israel zu
einem großen Teil kaum zu unterscheiden. Die Besatzungsökonomie stützt die„normale“
israelische Volkswirtschaft – wenn es diesen Unterschied in dieser Form überhaupt gibt.
(Vergleiche auch den ökologischen Aspekt: z.B. Wasserverbrauch)

3. Das EU-I-AA zeigt, dass es eine breite Kooperation auf vielen Ebenen zwischen EU und
Israel gibt. Quantitativ sind landwirtschaftliche Erzeugnisse sogar nur ein kleiner Teil.
(dennoch: wirksam für KonsumentInnenverweigerung).

Die Kooperation zwischen Israel und der EU, aber auch auf bilateraler Ebene, ist zum Teil
so lange gewachsen, in technologischen und wirtschaftlichen Bereichen so zentral, dass
Illusionen darüber falsch wären, dass dies auf sehr leichte Art geändert werden könnte.
Wenn Israel als Besatzungsmacht mit Quasi-Apartheidstrukturen und als Kriegsmacht zu
einer grundsätzlichen Änderung der Politik animiert werden soll, reicht eine Konzentration
auf Siedlungsprodukte, Rüstung, EU-I-AA nicht, kann aber sehr gut einbezogen werden.
Fließende Übergänge auch zum Bereich Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen sind
denkbar.

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