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o~;S MILITÄRGESCHIC II TLICIIEN INSTIT UTS II E I~Z SPERLI\G

DER DDR

Bewaffnete Kämpfe
KL EI'\E MILITÄRGESCII ICIIT E
Bewaffnete revolutionäre Kümpfe in Deutschland
1918- 1923

...

~IILITÄRVEHI, i\G
DEli DELTSCHF:N Df:\IOKil ;\ T I SC II E~
REI'UOI.lK
 Vorwort

Oie .Jahre 1918 bis 1923 waren in Deutschland Jahre heftigster

'
Klasscnkiimpfe. Ihren Höhepunkt bildete die ovemberrevolu-
tion 1918/19, die erste antiimperialistische Volksrevolution in der
deutschen Geschichte tmd die bis dahin international bedeutsam-
ste \llasscnbcwegung im Gefolge der Großen Sozialistischen Ok-
toberrevolution 1917. in der i'lovemberrevolution kämpften Mil-
lionen - erlaßt von dem gewaltigen Aufsch-..•ung, den die
Oktoberrevolution der weltweiten Auseinandersetzung z-.ischen
Fortschritt und Reaktion gegeben hatte - gegen Krieg und Impe-
rialism us. Einem großen Teil des deutschen Volkes - vor allem
der Arbeiterklasse, aber auch Angehörigen anderer Volksschich-
o...u. o..... ten - war das furchtbare Miterleben und Erleiden des ersten
fk..,aßMMI Klml)lt< '" Druttd\tand 1918-1923 I \'Otl Oider ~'4i klau• C4-aner; llttrtt Sprrll"l- - imperialistischen Weltkrieges 1914-1918 zum wichtigsten politi-
I. Auß. - Utrlut: Militlnt~ dt:t DDR, 1988. - 380 8.:49 Abb. 21 . _ t:n. -
(Kidnf' MUi~idue.
schen Gru.nderlebnis geworden, das die revolutionären Kriirte zu
IJ~waUOI!'ie rt:\olul1onlre Klntpteo)
der Erkenntnis führte, alles zu lw1, um die \ViederhoiWJg einer
ISBN.3-327-00511-7 derartigen Katastrophe zu verhindern. Bereits im ersten Ansturm
vollbrachte die auch unter diesem Aspektangetretene Volksrevo·
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o....t.n.t.- ~ (\t.B) - BM.o. 1981
lulion Großes, das weit in die Zukunft wirkte: Sie erzwang den

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c..p,.- ~ lll 11138

Ofru. AIMin- 'nA
Frieden, fegte die Monarchie und die Dynastien hinweg, versetzte
dem deutschen Imperialismus und Militarismus schwere Schläge
und erkämpfte eine Republik. Die in der Weimarer Republik be-
btehenden demokratischen Freiheiten und sozialen Rechte waren
in erbittertem Ringen mit der Rea.ktion - teilweise unter Anwen·
dung revolutionärer bewaffneter Gewalt - von den Volksmassen
Kanm.! Chrit~a und K011...d Kun,e: erkäm pft worden. ichts hatte die herrschende Klasse freiwillig
H«~~k•~l.e, 1. o.,....,...,, 1987 gewährt.
•
t..SV: 05-&5 Der Kampf um die Erhaltung und Erweiterung der Nove1nber·
6et4dlnummt7: 7" 7 0 18 I
errungenschoflen bcslinunte von nWl an maßgeblich Inhalt und
• 015<10 Verlauf der Klassenschlachten in Deutschland. Oie deutschen Ar·

5
 bcilcr, an ihrer Spilze die Kommunisten, unlcrnnhmen große An-
Sir(•ngungrn, schon Errungenes insbesondere gegen militaristi-
srhr Angriffe, die bereits ab Ende 1918 - also noch während
der J ovemberre' olution - massiv einsetzten, zu 'erteidigen und
teilweise zu erweitern. ln ihren Attacken gegen die revolutionä-
ren 1-.räfle griff die Reaktion neben politischer Demagogie und
ökonomischem Omck permanent zur be" nffneten Gewalt. Oie
An" rndung dieser Gewalt - der zweiten wichtigsten i\lethode
der Machlausübung der Bourgeoisie - wurde in den Jahren
1918 bis I !123 zu einem bevorzugten Mitlei bei der Durchsel-
zung der gegen die Interessen des deutschen Volkes geri chteten
imperialistischen Klassenziele. Dabei trat die reaklionär·e bewaff-
nete Gewalt als staatlich organisierter gesellsch!lrtlichcr Zwang in
Erscheinung, der in erster Linie durch den Eins!ltz bewaffneter
Repressivorgane - der Freikorps, der Heichswehr und der Poli-
zei - wirksam wurde.
Die Werktätigen Deutschlands sahen den Angriffen auf die re-
'
volutioniiren Ern~ngenschaften nicht tatenlos zu. sondern selzten
sich in machtvollen Massenbe"'egungen dagegen zur Wehr. Als
AnI" ort auf das gewaltsame Vorgehen der llcaktion entwickelten
sich bewaffnete Abwehrkämpfe. die oftmals zu Höhepunkten der
Klasscnnuscinanderselzung des Proletariats mit den wiedererstar-
kenden Kräften des deutschen Imperialismus und Militarismus
wurden. Der reaktionären bewafFneten Gewalt mußte die deut-
sche Arbeiterklasse die revolutionäre be1Jaffnete Gewalt entge-
,gensetzcn.
Ziel des vorliegenden Buches ist es, einen Überblick über die
bewaffneten Auseinanderseizungen der Jahre 1918 bis 1923 zu
'ennilleln. Die erste marxistiscb-leninislischc Gesamtdarsteilung
dieser Tht•matik will dem Leser vor allem L.rsachen, Verlauf und
Ergebnisse der bewaffneten Kämpfe der Arbeiterklasse in der
\'o, emberre1 olution 1918/ 19, im Frühjnhr 1920 und 1921 so-
wie im Krisenjahr 1923 erschließen. Damit möchten die Autoren
ihren spezifischen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der re-
volutionären deutschen Arbeiterbewegung leisten.
Bereits seit längerem ist es ein Erfordrrnis der Geschichtswis-
senschaFt der DDR, eine solche militärhistorische Untersuchung
vorwiegen. Bisher erschienen zur Thematik lediglich Einzelab-
hnndlungcn, so die llefte der verdienstvollen Reihe • Gewehre in
6 7
Arbcilerhand«, die meist aus den 50er/60er Jahre stammen. In-
~wischen sind durch zahlreiche grundlegende Veröffentlichungen
"cr1Volle neue Erkenntnisse zur Geschichte der deutschen und
der intcmutionalen Arbeiterbewegung erschlossen worden. E.r-
gänzl wurden sie durch eine Fülle von Einzelfakten übe.r die be-
waffneten Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse, die in den von
den Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der örtlichen
Arbeiterbe" cgung herausgegebenen Publikationen veröffentlicht
sind.
Es lag in der atur der Sache, daß es die Klassenkampfbedin-
gungen der Jahre 1918 bis 1923 der proletarischen Seite ver-
wehrten, die damaligen Ereignisse in vollem Umfang zu doku-
mentieren. Das erschwerte es verschiedentlich, den Verlauf der
Kämpfe, Stärke, Gliederung, personelle Zusammensetzung, Be-
waffnung und Verluste von Arbeitenonnationen im Buch detail-
licr1 darzustellen. Auch biographischen Angaben wurden hier-
durch ge"isse Grenzen gesetzL
Die Autoren versuchten, auch die militaristischen Gegenkräfte
der revolutionären Arbeiter ·partiell in ihre Darstellung einzube-
ziehen. So infonnieren sie über die Planungen des Militärs und
der Polizei zur l iederschlagung der Arbeiter, charakterisieren sie
die in den Kämpfen der Jahre 1918 bis 1923 eingesetzten For-
malionen der bewnrfnelen Repressivorgane des deutschen Impe-
rialismus, zeigen sie deren Einsatzprinzipicn, Gliederung, Stärke
und Bewaffnung. Dabei wird deutlich, daß den Arbeitern meist
ein quan titativ weit überlegener Gegner gcgeniibcrstand.
Das vorliegende Buch beruht auf grundlegenden Veröffentli-
chungen der DDR-Geschichtsschreibung. wie der .Geschichte
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Abriß., dem
•Grundriß der deutschen Geschichte•, der Publikation . Ernst
Thälmann. Eine Biographie., der • Geschichte der Militärpolitik
der KPD ( 1918 - 1945)• und dem . Kuncn Abriß der deutschen
Militiirgcschichtec. Die Verfasser stiitzten sich weilerhin auf
Überblickdarstellungen und Detailuntersuchungen zur deutschen
Ccschichlc und zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung
der Jahre I !118 bis 1923 sowie auf Erinnerungsberichte von Ar-
bcitcrveleranen. Sie werteten Archivqucllcn, zeitgenössische Ver-
öffentlichungen sowie die vom faschistischen Oberkommando
dl'r Wehrmacht bzw. des Heeres herausgegebenen • Darslellun-
•
gen aus den ~a<'hkriegskämpfen deutscher Truppen und Frei-
korpsc aus.
Herangezogen wurden auch Arbeiten bürgerUcher Historiker
aus der BRO. Diese enthalten, wenn auch in unterschierlliclrem
Maße, zahlreiche neue Fakten und dokumentarische Zeugnisse
über die bewaffnett>n Auseinandersetzungen der Jahre 1918 bis
1923. In der Mehrzahl dieser Veröffentlichungen sind die histori·
sehen Ereignisse jedoch so interpretiert, daß sie ein verzerrtes,
antikommunistisches Geschichtsbild vermitteln.
Lm Anhang des vorUegenden Buches wird ausführlich darüber
berichtet, wie die revolutionären Traditionen des bewaffneten
Kampfes der deutschen ArbeiterkJasse ( 1918-1923) für die Ge·
genwart erschlossen werden. Weiterhin sollen Sacberläuterungen
dem mililärhistorisch weniger kundigen Leser eine Hilfe für das
Versländnis der im Text am häufigsten vorkommenden mililäri·
schen Bezeichnungen, Sachverhalte usw. sein. Wenig bekannte
Grundsatzdokumente geben Einblick in die Vorstellungen und
Prinzipien von Militär und Polizei über den inneren Einsatz der
bewaffneten Repressivorgane des deutschen Imperialismus in
den Jahren 1919 bis I 921.
• \Ver sich zur Geschichte seiner Bewegung verhält wie einer,
der sich an nichts erinnert, der kann kein klassenbewußter Arbei-
ter seine - schrieb \V. I. Lenin. Ausgehend hiervon, möchten die
Autoren die Erinnerung an die aufopferungsvollen Kämpfe, die
die deutsche Arbeiterklasse in den Jahren 1918 bis 1923 mit der
Waffe für die Verteidigung der Lebensinteressen des deutschen
\"olkes ausfocht, vertiefen heUen und zugleich dem Leser ein
vom marxistisch-leninistischen Standpunkt Ausgearbeitetes Bild
eines bewegten Abschnitts der deutschen Mililiirgeschichte ver-
mitteln.
• Basis er-halten. Bereits das erste Dokument des jungen Sowjet·
•
Die bewaffneten Kämpfe
der deutschen Arbeiterklasse
in der ovemberrevolution 191 8/1 9
Vorbereitungen auf den bewarfneten Aufstand
191 8 - im vierten Jahr des ersten Weltkrieges - war das kRiser-
liehe Deutschland zum schwächsten Kettenglied in der Front des
Weltimperialismus geworden. Ocr deutsche Imperialismus, mili·
lärisch geschlagen, sozial und politisch erschüttert, konnte seine
Herrschalt in der bisherigen Form und mit den alten Methoden
nicht mehr aufrechterhalten. Oie katastropha.lcn Lebcnsbedin·
gungen der Werktiitigen und Soldaten, die aussichtslose militäri-
sche Lage und die gegen den Willen der Mehrheit des deutschen
Volkes betriebene Fortsetzung des Krieges durch die herrschen·
den KJassen ließen die politischen Aktivitäten der Volksmassen
stüm1isch anwachsen. Große Teile der Arbeiterklasse waren
nicht mehr bereit, sich mit dem Krieg und der imperialistischen
llerrschaft abzufinden.
Starke Impulse empfing die revolutionäre Bewegung von der
Großen Sozialistischen Ok1oberrevolution, mit der in1 ovember
1917 eine neue welthistorische Epoche eingeleitet wurde. Erst-
mals in der Menschheitsgeschichte war mit der Errichtung der
So" j('tmacht eine von Ausbeutung und UnterdrückUDg freie Ge-
sellschaft entstanden, hatte der Kampf um Frieden eine staalliche
Staates, dAs . Dekret iiber den F"riedenc, enthielt ein Angebot an
die Regierungen und Völker Aller kriegführenden Staaten, einen
demokratischen Frieden ohne Annexion und Kontributionen ab·
zuschlit'ßcn. Im Gt'gcnsatz zum Imperialismus erwies sich der
Sozialismus vom Anfang an als große gesellschaftliche Kraft, die
nicht nur über alle Potenzen verfügt, den Fortschritt in F'rieden
9
 voranzubringen, sondern auch dringend den Frieden benötigt,
um ihre Ideale zu verwirkJichen.
l.,nt('r d!'m unmittelbaren Einfluß der Ideen des Holen Oktober
nahm die in Deutschland zunächst nur schrittweise heranreifende
Antikriegsbe"egung einen mächtige n Aufschwung. Insbesondere
das • Dekret über den Friedenc fiel bei den kriegsmüden, hun-
gernden deutschen Arbeitern und Soldaten auf fruchtbaren Bo-
den. Am klarsten erkannten die deutschen Linke n um Kar! Lieb-
knecht und Hosa Luxemburg die welthistorische Bedeutung der
Oktoberrevolution. In ihrem Flugblatt . Oie Stunde der Entschei-
dung!« von Anfang Dezember 1917 und im Spartakusbrief r. 8
vom Januar I 918 zog die Sparlokusgruppe die entscheidende
Schlußfolgerung, daß ein allgemeiner demokratischer Friede nur
durch den Sturz des Imperialismus zu el"twingen sei.
Bereits im 1\'ovemher/Dezember 191 7 fonden in Deutschland
Solidaritätskundgebungen für die junge Sowjetmacht und Anli·
I
l..riegsdcmonstrotionen statL Am stiirksten und unmittelbarsten
"irkte sich der Einfluß der Ok1oberrevolution auf die deutschen
Truppe n an der Ostfront aus. Hier setzte eine Welle von Solda-
tern erbrüdcrungen ein. Mit den 48 Di' isioncn, die ' 'on ~ovem­
ber 19 17 bis April 1918 von der Ost- an die Westfront verlegt
"urd<•n, gelangten die Ideen der Oktoberre,rolution direkt an die
lluuptJront des Krieges. Auch im Heimathcer, das Anfang 19 18
rund 2, 7 Millionen Mann zählte, wu chs die Antikriegsstimmung.
ßnd c .Januar 1918 brach der größte politische Musscnslr'cik wäh-
rend des Krieges aus. Mehr 11ls eine Mil lion llüstungsarbeiter
kämpften für die Durchselzung demokrutiscber Mindestforderun-
gen so"ic für einen Friedensschluß ohne Annexionen und Kon-
tributionen mit So.,•jetrußland. Als die Sowjetmacht von lnter-
' ention und innerer Konterre,•olulion bedroht wurde, stellten
sich Tausende deutsche Internationalisten an die Seite ihrer russi-
schen Klassenbrüder.
\llit seiner Intervention gegen Sowjetnrßland und der Früh-
jahrsoffensive 1918 im Westen balle sich der deutsche Imperia-
li sm us unmittelbar an den Rand der icderlage gebracht. Die
zeitweilig durch eine hemmungslose Propagnnda unter großen
Tcii(•n di'S deutschen Volkes erzeugten letzten Siegeshoffnungen
wurcn e ndgültig zusammengebrochen. Die ntl stungsproduktion
ging rapide zurück. ln1 Westheer mußte die Oberste Hceres.lei-
10
tung seit Anfang 191 8 32 zerschlagene Division en auflösen. F'lillc
offrner Befehlsverweigerung häuften sich. Zehntausende Solda-
ten ließen sieb kampfl os gefangennehmen. Im August 1918 wa-
ren über I 00 000 Soldaten tmd ~·latroscn fahnenflüchtig. Noch •
stärl..er als im Feldheer schlug sich die vn:wfricdenbeit der
\ olksmassen mit der Kriegspolitik der herrschenden Klassen im
lleimathecr und in der Marine nieder. Während die deutschen
\lonopolc und Banken Gewinne von rund 50 Milliarden Mark
aus dem Kri egsgeschäft gezogen hatten , erreichten die Not und
das soziale Elend der 1verktäligen Massen sowie die Eskalation
der Unterdrückungsmaßnahmen im Jahr I!) 18 ein bisher nicht
gekonntes Ausmaß. •
Als gesetzmiißiges Ergebnis der Verschiirrung des kapitalisti-
schen Grundwiderspruchs entstand - beschl eunigt durch die
sich immer deutlicher abzeichnende Weltkriegsni ederlage des
deutschen Imperialismus- im Herbst 1918 in Dcutscbl11nd eine
re,olutionärc Krise. Auf diese trafen die drei Hauptmerkmale.
die \~. I. Lcnin in seiner Arbeit • Der Zusammenbruch der II. Ln-
temationnlec zur Cbarakterisierung der re,olutionören Situation
hcrau gearbeitet hatte, voll zu:
• I. Für die herrschenden Klassen ist es unmöglich, ihre Herr-
schaft unveriinderl aufrechtzuerhalten; di e eine oder andere
Krise der >oberen Scnichten<, eine Krise der Politik der herr-
schrnden Klasse, die einen Riß entstehen liißt, durch den sich die
Unzufriedenheit und Empörung der unter·drückten Klassen Bahn
bri('ht. Damit es zur llevolution kommt, genügt es in der llegel
nicht, daß die •unteren Schichten < in der alten Weise micht leben
"Ollen<, es ist noch erforderlich, daß die >oberen Schichten< in
·der alten Weise >nicht leben können <.
2. Oie "\ot und das Elend der unterdrückten Klassen verschärfen
\ich über das ge"·öhnlicbe Maß hinaus.
3. lnfolge der erwähnten Ursachen steigert sich erheblich die Ak-
ti,itiit der \1 assen, die sieb in der •friedlichen< E1>oche ruhig aus-
plündern lassen, in stürmischen Zeilen dagegen sowohl durch die
ganz<' Krisensituation als auch durch die >Oberen Schiclttem
selbst zu selbstiindigem historischem Handeln gcdriingt "'erden.•
in Deutsch land stand die sozialistische llevolution aur der Ta-
gesordnung. Bereits seit der He rausbildung des Imperialismus
um die Juhrhundertwende ballen sich im Wilhelminischen Kaiser·
II
 reich die Widt'rspriirhc des Kapitolismus ständig zugespitzt. lm
ersten Wehkrieg wurde besonders deutlich, daß der Kampf um
sozialen Fortschritt und der Kampf um Frieden unlösbar mitein-
ander verbunden waren. Oie Lösung der antagonistischen Wider-
sprüche zwischen der Arbeiterklasse und den für Krieg, Ausbeu-
tung und Elend verantwortlichen Kräften des deutschen
Imperialismus konnte nur auf revolutionärem Wege erfolgen.
Wesentlicher Bestandteil des Kampfes der deutschen Arbeiter-
klasse um die Macht war ihr Bemühen um die revolutionäre Lö-
sung der Militär!rage. Das bedeutete vor allem, die Soldatenmas-
sen an die Revolution heranzuführen, die imperialistischen
Streitkräfte zu zerschlagen, die Arbeiter zu bewaffnen und starke
militärische Formationen der Arbeiterklasse zum Sturz des deut-
schen Imperialismus und zur Verteidigung der revolutionären Er-
rungenschaften aufzustellen.
Unter dem Eindruck der konsequenten Lösung der Macht-
und Militärfrage in der Oktoberrevolution festigte sich in der
deutschen Arbeiterbewegung immer mehr die Erkenntnis, daß
der imperialistische Krieg nur durch den Sturz der herrschenden
Klasse beende! werden konnte. Unter den konkreten Klassen-
kampfbedingungen des Herbstes 1918 hieß das primär: Vorberei-
tung und Durchfiihrung des bewaffneten Aufstandes. Den Bestre-
bungen des deutschen Imperialismus, die revolutionäre Bewe-
gung durch die reaktionäre bewaffnete Gewalt abzuwürgen,
mußte das Proletarint zur Ourchsetzung der Lebensinteressen
des ganzen deutschen Volkes die progressive bewaffnete Gewalt
.entgegenstellen.
Insbesondere in seinen Arbeiten .Marxismus und Aufstand«
und • Ratschläge eines Außenstehenden• wies W. I. Lenin nach,
daß der bewaffnete Aufstand, um erfolgreich zu sein, eine revolu-
tionäre Situation voraussetzt. Er muß sich auf die fortgeschritten-
ste Klasse und auf den revolutionären Aufschwung der Volksmas-
sen stützen und zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem das
politische Kriifteverhiillnis für die Aufständischen günstig ist. Da-
bei spielt die llaltung der Soldatenmassen zur Hevolution eine
bedeutende Holle.
W.l. Lenin hat in seinen Arbeill•n den bewaffneten Aufstand -
den er als •besondere form des politischen Kampfes• ver-
stand - gründlich analysiert. \achdrücklich betonte er in diesem
12
Zusan1mcnhang, daß di e rcvolutioniire Arbeiterbewegung immer
bestrebt ist. die poUtische Macht mit friedlichen Mitteln zu er-
obern. Erst dann, wenn die Bourgeoisie ihr das mit bewaffneter
Gewalt ~erwehren will, setzt sie dieser die progressive bewaHnete
Gewalt entgegen.
Als typische Merkmale des bewaffneten Aufstandes arbeitete
Lenin heraus: sein revolutionäres Ziel, die organisierte mjUtäri-
sche Aktion. seinen Massencharakter und seine relativ kurze
Dauer. Dabei "ics Lenin auch auf die enge \'erknüpfung des be-
waffneten Aufstandes mit dem Bürgerkrieg hin. Dort, wo ein ra-
'cher Erfolg des bewaffneten Aufstandes ausbleibt, geht dieser
meist in den BUrgerkrieg über.
unmittelbar am Vorabend der Großen Sozialistischen Okto-
berrevolution erinncrle \V. I. Lenin die Arbeiter Rußlands in $ei-
nen • Ratschlägen c·ines Außenstehenden• an die bereits von Karl
\lan. und F"riedrich Engels fiXierten allgemeinen Hauptregeln
des bewaffneten Aufstandes:
• I. Vie mit dem Aufstand spielen, hat man ihn aber einmal be-
gonnen, so muß man genau wissen, daß man bis zu Ende gehen
muß.
2. Am entscheidenden Orl und im entscheidenden Augenblick
muß ein großes Obergewicht cm Kräften konzentriert· werden,
denn sonst wird der F'eind, der besser ausgebildet und organisiert
ist, die Aufständischen vernicht.en.
3. Sobald der Aufstand begonnen hat, gilt es, mit der größten
Entschiedenheit zu handeln und unter nllen Ums!iinden und un-
bedingt die Offensive zu ergreifen.• Oie Defensive ist der Tod
der bewa[fneten Erhebung.c
4. Man muß bestrebt sein, den Feind zu überraschen und den
~ugenblick abzupassen, wo seine Truppen zerstreut sind.
::>. Es gilt, täglich (handelt es sich um eine Stadt, so können wir
Sßgen stündlich) wenn nuch kleine Erfolge zu erreichen und da-
durch um jeden Preis das >moralische Obergewichlt festzuhal-
ten .•
Die konsequente Umsetzung dieser l lauptregeln des bewaiTne-
ten Aufstandes durch die Bolschewiki u11d die von ihnen geführ-
ten \ olksmassen wurde zu einer wichtigen Voraussetzung für den
&chnellen Erfolg des Oktoberaufstandes 1917 in Pet.rograd.
Der bewaf(nete Aufstand erforderte eine gründliche und allsei-
13
tige.Vorbcrcitung. Die deutsche Arbeiterklasse, die in der Mehr-
heit noch den Opportunisten und Zentristen folgte, mußte durch
geduldige Über-leugungsurbeit el'lit rür den bewaffneten Aufstand
gewonnen werden. Doch durfte nrbcn der ideologischen seine
militärische und organisatorische Vorbereitung nicht vernachläs-
sigt werden. Dabei kam es vor allem darauf an, am Vorabend der
Revolution die kampfentschlossenen Arbeiter der Großbetriebe
zusammenzufassen. zu bewaffnen und im WaUenhandwerk zu
üben. Solche Kaderorganisationen waren notwendig, um den be-
waffneten Aufstand zum politisch richtigen Zeitpunkt auslösen,
um im Verlaufe der Auseinandersetzung mit der militärischen
Konterrevolution die Arbeiterklasse umfassend bewairnen und
um auf die Bildung von Volksstreitkräften hinarbeiten zu können.
\'on \Ornherein mußten die Arbeiterfom1ationen mit einem an
Zahl. Organisation, Bewaffnung, Ausrüstung und Kampferfah-
rung überlegenen Gegner in Gestalt des imperialistischen stehen-
den lleeres rechnen.
Oie einzige politische Kraft in Deutschland, die die Arbeiter-
klasse auf die heranrcifendr Revolution vorbereitete und ihr ein
Programm gab, war die Spnrtnkusgruppe. Seit Frühjahr 1918 war
ihr Ziel der bewaffnete Aufstand.
Von Anfang an ging die Spnrtakusgruppe davon nus, daß der
Erfolg des Aufstandes wesentlich von der ßewarfnung der Arbei-
terklasse nls der flihrend<•n Kraft der revolutionären Beweglmg
abhing. ln Berlin gelang es den revolutioniinJn Kräften bis No-
vember 1918, in rund 30 Großbetrieben geheime bewaffnete
Kampforganisationen zu for·micren, die .Schwarzen Katzen«. Für
die \Vnffenbrscharfung wurde eine spezielle Kommission - die
sogenannte Federhalterkommission -gebildet. Sie • organisierte•
Pistolen. Gewehre und einige Maschinengewehre aus den Deut-
schen Waffenwerken Wittenau, den Spandauer Cewrhrfabriken.
dem Waffenwerk Obcrsprce und aus Suhler Waffenfabriken, zu
denen die B<'rlincr Jlc,olutioniire \crbindung hatten. Hierbei
wirkte die partakusgruppe rng mit drn rrvolutionären Obleuten
d<'r Berliner Großbetrirbe zusammen.
Die Waffen "urden in \~ crlstiitten, in Kellrm und auf Böden
vel'liteckf, zum Teil sogar ringcmauert. Trotz intensiver Polizei-
üben,achung blieben die Waffentransportrund ·\Crstecke unent-
deckt. \'om Erfolg der· Anstrengungen der Spartakusgruppe bei
ltl.
der W1tffenbeschaffung zeugt unter ander·rrn die Tatsache, daß
Anfang November 1918 in der Wohnung der Berliner Metnllar·
beiterin Cliire Casprr-Oerfcrt zeitweise 400 Pistolen und etwa
20 000 Schuß Munition lagerten.
Bereits frühzeitig halle die Spartakusgruppc erkannt: Für den
erfolgreichen Verlauf des bewaffneten Aufstandes und für das
weitere Jlevolutionsschicksal war die llaltung der Soldatenmas-
sen von el'litrangigcr Bedeutung. Der Sieg der llevolution unter
den Bedingungen des imperialistischen Krieges hing nicht nur
, on der Zersetzung der alten Streitkräfte, sondern vor allem vom
Obergang der Mehrheit der Soldaten auf die Seite der Jlevolution
ab. Die Spa.rtakusgrui>PC 'crstiirkte deshalb seit Sommer 1918
ihre Anstrengungen, die Antikriegsbewegung in I leer und flotte
in eine zielgerichtete revolutionäre Massenbewegung hinüberzu-
leiten. Ihr Flugblatt • Kameraden erwacht !c, das dazu aufforderte.
die Waffen gegen den Feind im eigenen Land, gegen die deut-
schen Imperialisten und Militaristen zu kehren, wurde massen-
haft unter den Soldaten verbreitet. Doch gelang es der Spartakus-
gruppe aufgrund ihrer zahlenmüßigen und organisatorischen
Schwäche sowie des großen EinOusscs des Opportunismus nicht,
entscheidende Erfolge bei der Gewinnung der Soldatenmassen
zu erringen.
Die Reichskonferenz der Sportakusgruppe, die am 7. Oktober
1918 illegal in ßerlin lugte und llll der auch Vertreter von Cmp-
pcn der Linksradiknien teilnahmen, orientierte nur die Volksrevo-
lution für die sofortige Beendigung des Krieges, für den Kampf
um demokratische Rechte und Freiheiten, für den Sturz des Im-
perialismus und Militarismus sowie für die Herstellung freund-
schaftlicher Beziehungen zu So,vjctrußland. Oie Delegierten ho-
ben die große moralische Unterstützung hervor, die die
revolutionäre Arbeitcrbcw<'gung Deutschlands durch die Okto-
berrevolution erhalten hatte.
Führende Kräfte der Spartakusgmppe erkannten. daß in der
neuen welthistorischen Epoche auch in Deutschland die soziali-
stische Revolution auf der Tagesordnung stand. Sie formulierten
deshalb als Endziel die Erkämpfung einer sozialjstischen Repu-
blik. Im Ringen um die Ourchsetzung antimilitaristischer. anfiim-
!>l'rialistisch-demokratischcr \ ohziele sollten die \ oraussetzuo-
gen für den Übergang zur sozialistischen llevolution geschairen
15
werden. Als entscheidend verwiesen sie dabei nur die j(l'IJnCile-
gende \ eriinderung der ~lachtverbiiltnisse: • Der Kampf um
wirkliche Demokratisierung geht nicht um Parlament, Wahlrecht
oder Abgeordnetenministerc, sondern er gilt »den realen Grund-
lagen aller Feinde des Volkesc, dem • Besitz an Grund und Bo-
den und Kapitale, der . Herrschaft über die bewaffnete ~lacht
und über die Justiz.c
ln ihren Hauptzügen kamen die Beschlüsse der m :tol>erkmtfe-
rcnz den Grunderkenntnissen der Leninschen Revolutionstheorie
und dem von W.l. Lenin konzipierten .Militlirprogramm der pro·
leta rischen Hevolutionc nahe. Als ihre wichtigste militär;politis,che
Aufgabe sa h es die Spartakusgruppe an, die Antikriegsbewegung
dl'r Arbei ter und Soldaten in den bewaffneten Aufstand überzu-
leiten. Sie forderte, so(ort und überall mit der Bildung von Arbei-
ll'r· und Soldatenröten zu beginnen, die nach dem Vorbild der
Oktoberre~olution auch die organisatorische Basis für die Volks-
hl'waffnung bilden sollten. Unter sokhen zentralen Losungen wie
.Alle \1acht den deutschen Arbeiter· und Soldatenröten!c und
. llerrschaft über die be"affnele ~lacht!c wurden die Arbeiter
aufgerufen, bewaffnete Arbeiterformalionen zu bilden.
Auf der Oktoberkonferenz nahmen die Fragen der Militiirnui-
tutionc, di'c nu rklärende Arbeit in den imperialistischen Streitkräf-
ten, ei nen besonderen Tagesordnungspunkt ein. Die Konferenz
stellte die Aufgabe, die kaiserliche Armee als Machtinstrument
des deutschen Imperialismus unbrauchbar zu machen und die
Soldaten für die Revolution zu gewinnen. Ein wichtiger Schritt
hierw waren die kon kreten Forderungen der Spartakusgruppe
nach durchgreifender demokratischer Umgestaltung des Heeres
als Übergang zur Schaffung von eigenen Streitkräften der deut·
sehen Arbeiterklasse.
Das von der Spartakusgruppe entworfene Programm war ge-
eignet, die Volksmassen zu re'olutionören \ktioncn zu mobilisie·
ren und sie im Verlaufe der antiimperialistischen Umwälzung an
die völlige Beseitigung des Imperialismus heranzurühren. Oie
Spaltung der Arbeiterklasse durch den Opportunismus und das
Fehlen einer revolutionären Kampfpartei gcriihrdeten jedoch die
Vcr"~rklichung dieser Ziele und beeinträchtigten die konse·
qucnte Vorbereitung des bewaffneten Aufstunds.
Aber auch die der Revolution entgegenwirkenden politischen
16
t-.riifl«> blieben angesichts der sich zuspitzenden Krise des impe-
rialistischen Systems nicht untätig. Die herrschenden Kreise des
deutschen Monopolkapitals drängten im Herbst 1918 auf eine ra-
sche Beendigung des Krieges und auf innenpolitische Verönde-
rungt:>n. um der Revolution zuvorzukommen. Selbst Kaiser \Vii-
helm 11. hatte erkannt, daß ohne Aufnahme rechter sozialdemo·
kratisrher Partei· und Gewerkschaftsführer in die Regierung und
ohne baldiges Kriegsende jeder Versuch hoffnungslos war, noch
t•inrn Weg aus der offen ausgebrochenen Krise zu finden. Gleich-
zeitig wurden direkte militärische Maßnahmen ergriffen, die
rinen brwaffnelen Aufstand der Arbeiter und Soldaten vereiteln
und die llevolution bereits im Keim ersticken sollten. Ihr Haupt-
augenmerk richtete dabei die militiirische Führung auf die Bil-
dung spezieller Formationen für den inneren Einsatz. Erich Lu·
drndorff, Erster Generalquartiermeister in der Obersten
11ecresleilung und als Exponent des Militärregimes der meistge-
haßte \1ann in Deutschland, mußte am 26. Oktober 1918 al>tre-
ten. ein achfolger wurde der politisch nexiblere Generalleut-
nant Wilhclm Groener.
Lm die Empörung des Volkes allzufangen und die Aufnahme
YOn Waffenstillstandsverhandlungen mit den Ententemächten zu
erleichtern, wurde am 3. Oktober 1918 unter Prinz Max von Ba-
drn !'ine neue, parlamentarisch verhriimlc Regierung gebildet. Sie
sollte den imperialistischen Krieg möglichst schnell in einen im-
t><'riulistischcn Frieden überleiten. Den Massen wurde eine • Par·
lamentarisicrung«, jedoch unter Beibehaltung der Monarchie, ver-
sprochen.
ln dieses Kabinett traten ·die rechtssozialdemokratischen Füh-
rer Custav Bauer und Philipp Scheidemann ein, um den Aus-
brurh dt>r Revolution verhindem zu helfen. So wurde die oppor-
tunisti!>che Politik, Arbeiterinteressen preiszugeben, am Voral>end
der \o~cmbcrrevolution mit der Absicht fortgesetzt, durch Refor·
men die revolutionäre Massenbewegung abzubremsen.
Seit Ende Oktober 1918 nahm die Spartakusgmppe unmittelbar
Kur~ auf die Revolu tion. Sie plante, die Revolu tion durch einen Ge-
neralstreik in Bcrlin - dem politischen und militärischen Macht-
zentrum Deutschlands- auszu lösen, der in den bewoffncten Auf-
Siund übergeleitet wer(len soUte. Hier.w verstürkte sie ihre
Verbindungen zur illegalen Orgnnisation der revolutionären
17
 Obleute der Metnllbctriebr, um die sich der revolutionäre Kern
der Berliner Arbeiter gruppierte. Drei führende Vertreter der
Spartakusgruppe - Karl Licbknecht, Ernst Meyer und Wilhelm
Pieck - wurden am 26. Oktober in deren Vollzugsausschuß be-
rufen.
Auf die Vorbereitung des bewairneten Aufstandes wirkte sich
die schwankende llaltung der Führung der USPD stark hem-
mend aus. Am 30. Oktober lehnte der Parteivorstand die von den
revolutionären Obleuten für den 3. o' embcr beschlossenen Ver-
sammlungen und Demonstrationen in Bcrlin mit der Begründung
ab, daß man die Kräfte nicht 'erLelteln dürfe und gleich mit dem
bewaffneten Aufstand beginnen solle. Auch die Vertreter der
USPD an der Spitze der revolutionären Obleute, wie Emil Barth,
Ernst Diiumig und Riehard Müller, verstanden nicht, daß es not-
wendig war, die Arbeiter durch Massenstreiks und Demonstraticr
nen an entscheidende Kämpfe heranzuführen. Die Taktik der
Verbindung von konspirativer Aufstandsvorbereitung mit legalen
revolutionären Masscnnktionen, die Karl Liebknecht, Ernst
Meyer und Wilhclm Picck im Vollzugsausschuß der Berliner re-
volutionären Obleute vertraten, sahen sie - wie Emil Barth aus-
führte - als unnütze •revolutionäre Gymnastik« an.
Am 2. ovembcr 1918 beschloß der Vollzugsausschuß der re-
volutionären Obleute fü r Uerlin den Plan des bewaffneten Auf-
standes. Milifürisch beraten wurde der Vollzugsausschuß dabei
von Oberleutnant Wnlz, Kompanieführer im 2. Gardepionierer-
satzbataillon. Dieser benbsichtigte, mit seiner Einheit am Auf-
sfand teilzunehmen und weitere Truppen für die Revolution zu
gewinnen. Walz, der unter dt•m Decknamen Lindocr auftrat,
wurde jedoch am 4. ovember verhaftet.
Der Aufstandsplan legte die Besetzung der miliüirisch wichtig-
sten Punkte fest und bestimmte die Anma.rschlinien der Arbeiter
aus den Großbetrieben. Die von Walz gelührte Pionierkompanie
und die von l\1ariendorf und Tempelhof heranziehenden Arbeiter-
trupps der Daimler- und der Stock-Werke sollten verhindern, daß
es zu blutigen Auseinandersetzu ngen mit den Berliner Garnison-
truppen kam. ln dem \laßr. "ie dann revolutionäre Soldaten der
Ersatzlruppcntrile die brwalfnetcn Arbeiterformationen verstärk-
ten, wollte man den Aufstand auf die ganze Berliner Innenstadt
ausdehnen.
18
Der Vollzugsausschuß der n•volufioniiren Obleute beschloß,-
11rn bewafFneten Aufsfand am 4. ovembcr zu beginnen. Doch
noch am Abend des 2. ovember wurde diese Festlegung auf
einer weiteren Beratung der revolutionären Obleute wieder aufge-
hoben. Die führenden Vertreter der USPD stellten sieb wegen an-
geblich ungenügender »technischer Vorbereitung• gegen die Ak-
tion, der sie noch am Vorn,iftag ihre Zustimmung gegeben hatten_
Sie verlangten, den bewaffneten Aufstand um eine Woche zu ver-
•
s<'hicben. Daraufhin forderten Karl Liebknccht, Ernst Meyer und
\\ ilhclrn Picck, am 5. ovember in den Generalstreik zu treten,
der in \ erbindung mit einer großen bewaffoeten Demonstration
die \lassen an den bewaffnrfen Aufstand heranführen sollte. Die-
ser Antrag der Spartakusgruppe wurde jedoch abgelehnt. Die
\lehrhcit der revolutionären Obleute stimmte den1 Beschluß zu.
den Aufstand zu verschieben und sich erst an1 6. l ovember wie-
der zu trerren. Oie rechten F'ührer der US PD schreckten davor
zu rück, die Revolution in der l luuptstadt auszulösen, die Regie-
rung zu stürtcn und damit die Führung der revolutionären Bewe-
gu ng in Deutschlund zu iibrrnehmen.
Das Vertögcrn des bewuffneten Aufstandes in Berlin geflihr-
dcfe die gesamte revolutionäre Bewegung in Deutschland. Sie gab
den herrschenden Kreisen und der Regierung Zeit, politische und
militärische Maßnnhmcn vorwbereiten, die den Fortbestand der
imperialistischen Herrschort in Deutschland sichern sollten.
Die Berliner Ereignisse am unmittelbaren Vorabend der Revcr
lution hatten nochmals schluglichtartig erhellt, in welch kompli-
zierter Situation sich di e revolufioniire Bewegung im Herbst 1918
in Deutschland bdund, wie hemmend sich der starke opportuni-
stische Einfluß auf die konsequente Vorbereitung der Revolution
auswirkte. Die Spartakusgn•1>pe war zu schwach zur alleinigen
Führung der revolutionären Arbeiter und Soldaten. Bei allem
Heroismus ihrer Mitglieder konnte sie die fehlende revolutionäre
marxistisch-leninistische Partei nicht ersetzen.
Kiel gab das Signal
Die Auswirkungen der Oktoberrevolution und die sich im Herbst
19 18 zusehends 'erschürfende Krise des deutschen lmperialis-
19
 mus waren entscheidende Ursachen rür die im Oktober 1918 er·
neut au fflammende revolutionäre Ma trosenbewegung gegen den
Krieg. Trotz der brutalen Unterdrückung der Matrosenerhebtmg
im August 19 17 war es der Seekriegsleitung nicht gelungen, den
revolutionären Elan der Matrosen und Heizer der deutschen
HochseeFlotte zu ersticken.
Es war kein • Zufall der Geschichte«, daß die ovemberrevo-
lution 1918/ 19 mi t dem Aufstand in der kaiserlichen Marine be·
gann. Spezifische Bedingungen an Bord und insbesondere die
enge Verbindung der Matrosen zur revolutionären Arbeiterbewe-
gung waren unmi ttelbar die Hauptgründe dafür.
Oie Matrosen der HochseeFlotte waren durchweg klassenbe·
wußte Arbeiter, di e aus den industriellen Ballungsgebieten
Deutschlands stammten und als Scltlosser, Dreher, Mechaniker
u. ä. Kon takt zur Arbeiterbewegung gehabt hatten. ln den Kriegs-
häfen ergaben sich direkte Verbindungen zu den Werftarbeitern.
Matrosen nal1men an deren Versammlungen teil, erhielten von
Spartakusanhängern und anderen linken Kräften Flugblätter, die
dazu aufriefen, nach dem Beispiel des Roten Oktober den impe-
rial istischen Krieg zu beend en. Das enge Zusammenleben an
Bord schweißte die Mannschaften der Kriegsschiffe fest zusam-
men und erleichterte die revolutionäre Arbeit.
Wie die Arbeiter, Frauen und Kind er in der Heimat, litten die
Mannschaften der Kriegsschiffe Hunger, während ihre Offiziere
aus dem vollen lebten. Gerade die Marineoffi ziere bildeten eine
besondere Kaste, die sich vorwiegend aus privilegierten Schich-
ten rekrutierte. Von großer Arroganz im Auftreten, waren Schika-
nen gegenüber den Schiffsbesatzungen an der Tagesordnung. Auf
dem engen Raum an Bord brachen die sozialen Gegensätze offen
auf.
Längst hatte die Mehrzahl der Matrosen den verbrecherischen
Charakter des imperialistischen Völkergemetzels erkannt. Ihre
Unzufrieden heit wuchs hinüber in en tschlossenes revolutionäres
Handeln, als die Seekriegsleitu ng angesichts der hertutnahenden
militärischen Kat.astrophe beschl oß, di e Flotte in einem . Ritt ge-
gen England« aufzuopfern. Der geplante • Heldentod« von rund
80 000 Matrosen sollte in Deutschland eine letzte chauvi nistische
Stimmungswelle auslösen und die Ententemächte über die rniHtä-
rische Schwäche des deutschtm Imperialismus täuschen.
20
Am 26. Oktober 1918 gab die Seekriegsleitung den Befehl zum
Auslaufen und Vorstoßen der auf der Außenreede von Wilhelms-
haven zusammengezogenen Plotte in Richtung der südostengli-
schen und flandrischen Küste. Seekriegsleilttng und Flottenkom-
mando wollten das geschützt bei Scapa Flow liegende Gros der
weit überlegenen englischen Kriegsflotte zu einer großen See-
schlacht provozieren. Militärisch gesehen bot dieses Unterneh·
111 en keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Als die Matrosen, denen die Offiziere zunächst einzu.reden
suchten, es handle sich lediglich um ein Flottenmanöver in der
Deutschen Bucht, die wahren Absichten des Marineoberkom-
mandos erkannten, vereitelten sie dessen verbrecherisches Vor-
haben. Schon während des Zusan1menziehens der Hochseeflotte
in den letzten Oktobertagen war es zu Befehlsverweigerungen ge-
kommen. Viele Matrosen gingen nicht an Bord. Einige Besatzun-
gen bunkerten keine Kohle. Am 30. Oktober weigerten sich die
'
Mannschaften mehrerer Großkampfschiffe, so die der »Thürin-
gen«, der »Helgolandc und der • Friedrich der Große«, die An-
ker zu lichten. Das run 31. Oktober in Kiel einlaufende rn. Ge-
schwader mit den Linienschiffen . Bayern•, ~König«, . Kronprinz
Wilhelm«, »Markgraf« und »Großer Kurfürst« wurde zum Zen-
trum der revolutionären Matrosenbewegung. Oie Roten Matrosen
stellten sofort Kontakte zu den Kieler Werftarbeitern her, die sich
mit ih nen solidarisierten. Am 30./3 1. Oktober hatten die Matro·
scn ihr ahziel erreicht: Oie Seekriegsleitung mußte ihren Plan
endgültig aufgeben, die einzelnen Geschwader wurden in die Hä-
fen zurückheordert. Das Auslaufen der FloUe war verhindert
worden.
Oie Militärbehörden leiteten sofort rigorose Maßnahmen ein,
um die • bolschewistische« Matrosenbewegung zu liquidieren
und ihr Übergreifen auf die in Kiel stationierten Truppen und die
Arbeiter zu verhindern. Sie ließen über 1 000 Matrosen verhaf-
ten. Oie Soldaten durften di e Kasernen nicht verlassen. Reaktio·
näre Offiziere, Maate und Offiziersschüler patrouillierten durch
die Straßen Kiels. Oie Ma.rineinfanterie wurde in Alarmbereit-
schaft versetzt.
Unter Führung von linken USPO-Mitgliedern, wie dem Ober-
heizer Karl Artel!, bemühten sich die revolutionären Matrosen
energisch um die Befreiung ihrer verhafteten Kameraden. Am
21
 3. ovember versammelten sich über 3 000 Matrosen, Soldaten
und Arbeiter zu einer Protestkundgebung auf dem Exerzierplatz
vor der Stadt. Mit den Rufen .Freiheit für unsere Kameraden! c,
• Weg mit dem Kaiserle zogen sie von dort zur Marinearrestan·
stalt. Militärpatrouillen wurden entwaffnet. Dem Demonstrations·
zug schlossen sich weitere Soldaten aus den Kasernen an. An
cinrr Straßenecke stieß er plötzlich auf eine starke, vorwiegend
aus Offizieren und Unteroffizieren bestehende Postenkette, die das
Feuer eröffnete. 8 Demonstranten wurden getötet, 29 schwer ver-
letzt.
Diese Schüsse auf eine friedliche Oemonstrution machten den
Malrosen deuUich, daß ihre Ziele jetzt nur noch durch revolutio-
niirc Gewalt erreicht werden konnten. Oie Zeit des Vort.ragens
von forderungen war vorbei. jetzt galt es, sie mit der Waffe
durchzusetzen. roch in der acht vom 3. zum 4. ovembe.r bil-
deten sich zur Führung des bewaffneten Aufstandes auf den
Schiffen, in den Kasernen und Betrieben Matrosen-, Soldaten-
und Arbeiterräte. Am Morgen des 4. November s tanden den Kie-
ler Revolutionären bereits 20 000 Gewehre mit je 60 Schuß zur
Verfügung. Die Mehrzahl der Schiffsgeschütze war von den Auf-
ständischen besetzt. Bis Mittag hatte sich die Uiilfte der in Kiel
stationierten Truppen den Räten unterstellt. Am achmitlag des-
selben Tages konstituierte sich der .Kieler Arbeiterrat aus Vertre-
tern der Werften und Großbetriebe und rief für den 5. ovember
zum Generalstreik auf. Dem Gouverneur von Kiel, Vizeadmiral
Wilhelm Soucbon, blieb niebis anderes übrig, als die inhaftierten
Matrosen freizulassen. Als sieb die eiligst aus anderen Garniso-
nen nach Kiel herangeführten Truppen mit den Aufständischen
solidarisierten, mußte Souchon das Versprechen geben, keine
weiteren auswärtigen Truppen nach Kiel zu beordern.
Am Abend des 4. ~ovember 1918 befand sich Ki el vollständig
in den !Iänden der revolutionären Matrosen, Soldaten und Arbei-
ter. Der provisorische Soldatenrat aller Ki eler Truppen verkün-
dete: •Unsere Schicksalsstunde hat geschlagen. Die Macht isl in
unserer I land !c 20 000 Revolutioniire demonstrierten unter roten
Fahnen. Im llafen, in den militärischen Objekten und Anlagen
hatte die bewaffnete Arbeiterklasse die Macht iibernommen. Oie
Matrosen-, Soldaten- und Arbeiterräte verkörperten die zivile
und militärische StaatsgewaiL Sie bestimmten über den Sicher-
22
heits- und Polizeidienst Unter ihrer Kontrolle arbeiteten die
Stadtverwaltung und die Lebensmi ttelbelri ebe zur Versorgung
der Bevölkerung. ln Kiel halte der bewaffnete Aufstand gesiegt.
Doch bereits am Ausgangsort der ovemberrevolution gelang
es den konterrevolutionären Kräften, das vorzucxer<~ieren, was
Tagr später in Be rlin und in anderen Städten Deutschlands zur
\1a.,ime der Gegenrevolution wurde. Oie Regierung entsandte
den rech ten sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Gu-
slav \loske in die au[ständische Hafenstadt, um die Hevolution
1 einzudiimmenc. l oske verstand es, die politische Un klarheil der
rcvolutioniiren Krä[te auszunutzen und sich 11m 5. ovember mit
Versprechungen über die »Weitere ntwicklung« der Revolution
den Vorsitz des Soldatenrates in Kiel zu erschleichen. Am 7. o-
vcmber übernahm er dann anstelle ''On Vizeadmi.ral Souchon das
Amt des Gouverneurs von Kiel.
ln beiden Funktionen rief Gustav l oske dazu auf, · Ruhe und
Ordnung• zu bewahren, versuchte er, revolutioniirc Aktionen zu
verhindem und die Konterrevolution zu organisieren. Von An-
rang an unternahm 1oske alles, um die Revolution militärisch ZU
entmachten. Ocr Kamp[ um die Lösung der Militärfrage wurde
bereits in Kiel zun1 Angelpunkt im Ringen zwischen Revolution
und Konterrevolution.
ln seinem ersten Tagesbefehl ordnete oske an, daß der mili-
liirische Sicherheitsdienst in seinem Befehlsbereich wieder voll
aufgenommen werden müsse. Das Warrentragen - außer im MW-
tiirdienst - wurde verboten, die Bildung einer von den Arbeiter-
und Soldatenräten verlangten Roten Garde durchkreuzL oske
begann, aus Ofrizieren und Unteroffizieren eine konterrevolutio-
näre Truppe aufzustellen. Die Revolution allerdings konnle auch
ein \oske nicht mehr aufhalten.
Der 9. ovember 1918 in Ber1in
Der Kicler Malrosenaufstand wirkte auf Deutschland wie der
F'unke im Pulver[aß. Trotz der von der Hegierung verhängten
Nurhrichtensperre breitete sich die Kunde von den .Kieler Ereig-
nissen in kürzester Zeit über das ganze Lnnd aus. Hinzu kam,
daß die Kieler Revolutionäre, um die Matrosen der anderen Ge-
23
schwader für den Aufstand zu gewinnen und die HeranFübnmg
von konterrevolutionären Truppen gegen die Kieler Erhebung zu
verhindern, Sendboten in die norddeutschen Stiidte schickten.
Überall, wo diese »Sturmvögel der Revolution• auftauchten, wur-
den sie von den Arbeitern, Matrosen und Soldaten voller Herz-
lichkeil begrüßt. Ihr Eintreffen gab oft den letzten Anstoß zur re-
volutionären Erhebung.
In einer Stadt nach der anderen, an der ord· und Ostseeküste
und im Landesinnern erboben sich die Arbeiter und Soldaten.
nabhiingig von Kiel hatte die Revolution 11m 4. ovember 1918
Stuttgort erfaßt. Am 5. ovember griff die Revolution auf Bruns-
bütlelkoog, Lübeck und Travemünde über, 11111 folgenden Tag auf
Altonn, Bremen, Bremerhaven, Cux haven, F'lensburg, Hamburg,
eumünstcr, Oldenburg. Spartakusanhiinger, Linksradikale ,und
Linke der USPD waren die politisch treibenden Kräfte. Oie Ar·
beiter in den Städten und Industriegebieten, die Mehrheit der
Soldaten des I Ieimaiheeres erhoben sich gegen den Krieg und
das imperialistische System.
Am 7. 'ovember 1918 wehten rote Fahnen über Braun·
schweig, Frankfurt am Main, Harmover, Magdcburg, Rostock,
Schleswig, Schwerin und vielen anderen Stiidtcn. ln München
stür.~:ten die Revolutionäre an diesem Tag den ersten deutschen
Königsthron, eine republikanische Regierung aus US PD und
SPD wurde gebildet. Von b.ier sprang der revolutioniire Funke
auf Augsburg, ürnberg, Regensburg und andere süddeutsche
Städte über.
Bis zum I0. November hatte die revolutioniire Welle ganz
Deutschland erlaßt. Bewaffnete Arbeiter und Soldaten besetzten
zentrale Ämter, entwaffneten Militär- und Polizeiwachen, stürm·
ten militärische Einriebtungen und befreiten politische Gefan·
gene. Überall bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die vieler·
orts zunächst reale Macht ausübten und bewaffnete Kräfte zum
Schutz der Bevolution formierten.
I lnupttriebkraft der Revolution war die nach Frieden, Demo·
kratie und Sozialismus strebende Arbeiterklasse. Sie vertrat am
konsequentesten die Lebensinteressen des gnnzen deutschen Vol·
kes. Die Bildung von Räten nach dem Beispiel der Oktoberrevo·
lution war beredter Ausdruck der Dominanz der Arbeiterklasse
in der revolutionären Bewegung.
24
Oie wichtigsten Kampfformen der Revolvtioniire waren Mas-
sendemonstrationen, Genera.lstreik und bewaffneter Aufstand,
also solche spezifisch proletarischer Art Ausgehend von der kon·
kretcn Situation bei der Konfron tierung der Revolutionäre mit
der llcaktion, gingen diese KampCformen häufig ineinander über.
\ ur dort, wo der Bevolution die reaktionäre Gewalt aktiv gegen-
iibertrat, griffen die Revolutionäre zum bewaffneten Aufstand.
Dieser ließ den in einigen Städten, wie in Düsseldorf (6. ovember),
\llagdeburg und Hannover (7. 1 ovember) sowie in Dresden und
Wolfenbüttel (8. November), organisierten militärischen Wider·
stand kontcrrevolutioniirer Offiziere schnell zusammenbrechen.
Auch in ßerlin - dem politischen und militärischen Machtzen·
trum des deutschen Imperialismus - konnte nur der bewaffnete
Aufstand der Revolution zum Sieg verhelfen. Da sich hier das
Schicksal der deutschen Revolution entscheiden mußte, war mit
dem besonders hartnäckigen, bewaifneten Widerstand der kon·
terrevolutionären Kriiite zu rechnen.
Lrn die Revolution in Berlin bereits im Keime zu ersticken,
zo~ der Oberkommandierende in den Marken, Generaloberst
\lexander von Linsingen, zunächst als besonders zuverlässig gel·
tcnde Truppen um ßerlin zusammen, darunter jägerbataillone,
die bei der tederschlagung der Revolution in Finnland einge-
Sl'lzt worden wltren. Dann verbot er die ßildung von Arbeiter·
und Soldntenriiten. ln der Nacht vorn 7. ?.um 8. ovember 1918
wurde der l"ernsprech- und Telegrafenverkeh r zwischen Berlin
und dem Reich eingestellt, am 8. ovember sämtlicher Zugver·
~eh r von und nach Berlin gesperrt. Damit sollte verhindert wer·
den, daß revolutionäre Matrosen in Berlin eintreffen konnten.
\ lle nach Berlin beurlaubten Offiziere erhielten Befehl, sich be-
\\affnet bei der Kommandantur zu melden, wo sie in spezielle
Kam pfgruppen eingeteilt wurden. Großbetriebe und die Berliner
Stadtl>ahn wurden militärisch besetzt. Am 8. O\ ernher bewegten
sich Offizierspatrouillen und Panzerkraftwagen durch die Straßen
Berlins. Zahlreiche öffentliche Gebäude, das Schloß, das Ratbaus
und das Polizeipräsidium wurden in Verteidigungszustand ver·
h!'lzt. Doch alle diese militiirischen Maßnahmen konnten nicht
verhindern, daß sich die revolutioniire Bewegung in Berlin bis
zum bewaffneten Aufstand steigerte.
Als arn 4. ovembcr 1918 die ersten 1 achrichten vom Kieler
25
Matrosenaufstand Berlin erreichten, verstürkten die Führer der
Spartakusgruppe ihre Bemühungen, die revolutionären Obleute
zum Losschlagen zu bewegen. Der Antrag Karl Liebknechts vom
6. 'ovember, am 8. den Aufstand in BerHn auszulösen, ·wurde
vom Vollzugsausschuß jedoch noch immer abgelehnt. Erst am
8. 'ovember, nachdem bercits die Polizei mit Verhaftungen unter
den Organisaloren des Aufstandes begonnen hatte, beschloß der
Vollzugsausschuß der revolutionären Obleute, dem Drängen der
Spartakusgruppe nachzugeben und für den 9. ovember zum Ge-
neralstreik und bewaHnelen Aufstitnd aufzun1fcn. Oie bewaffne-
ten Demonstranten sollten in I I Marschsiiulen zum Zentrum
marschieren und wichtige Gebäude besetzen. ln einem kurzge-
faSten Flugblatt wurden die Arbeiter zum revolutionären Han-
deln aufgerufen. Zur gleichen Zeit verbreitete die Spartakus-
gruppe ein Flugblatt, das von Karl Liebknecht und Ernst Meyer
unterzeichnet war. Als nächste Ziele des bewaffneten Aufstandes
wurden hier genannt:
,1. Bcrreiung aller zivilen und militärischen Gefangenen.
2. Aufhebung aller Einzelstaaten und Beseitigung aller Dynastien.
3. Wahl von Arbeiter- und Soldatcnrüten, Wahl von Delegierten
hierzu in allen Fabriken und Truppenteilen.
4. Sofortige Aufnahme der Beziehungen zu den übrigen deut-
schen Arbeiter- und Soldalenrälen.
5. Übernahme der Regierung durch die Beauftragten der Arbei-
ter- und Soldalenriile.
6. Sofortige Verbindung mit dem internationalen Proleiitriat, ins-
besondrre mit der russischen Arbeiterrepublik.«
in den Morgenstunden des 9. ovember 1918 begann in Ber-
lin der bewaffnete Aufstand. In allen SIIldtteilen folgten die Ar-
beiter den Aufru.fen der Spartakusgruppe und des Vollzugsaus-
schusses der revolutionären Obleute. Funktionäre der SPO, rue,
gemäß einer Lnslruktion ihrer Parteiführung vom Vortage, zum
Abwarten aufriefen, fanden kein Gehör. Gegen 9 Uhr zogen rie-
sige Demonstrationszüge unter roten Fahnen von den Außenbe-
zirken ins Innere der Hauptstadt. An ihrer Spitze marschierten
Arbeitergruppen, die sich aus den illegalen Warrenverslecken be-
waffnet hatten, um den etwaigen Widerstand reaktionärer Trup-
pen niederkämpfen zu können. eben den Arbeitern hallen sich
viele Frauen in die langen Marschkolonnen eingereiht, die Frie-
26
ckn und Brot, ein menschenwürdiges Leben sowie soziale und
polilische Gleichb:rechtigung forderten. Das erste Ziel der Revo-
lutionäre waren d1e Kasernen.
Der schwache Widerstand, den reaktionäre OCCiziere an eini-
gen Stellen organisierten, wurde rasch und ohne größere Verluste
iib<'rwunden. Oie Mehrheil der Truppen schloß sich den De-
monstranten an oder verhielt sich neutral. Nur an der »Maikäfer-
kaserne«, der Unterkunft des Gardefüsilierregiments in der
Chnuss<'estraße, kam es zu einem kuncn Kampf, bei dem Erich
tlabersauth - ein beliebter Führer der Derliner Arbeiterju- '
gend - und zwei Arbeiter fielen. Schließlich konnten rue OW-
zirr<' überwältigt werden. Viele Soldaten reihten sich in die De-
monstrulionszüge ein.
Gegen 13 Uhr stürmten bewaffnete Arbeiter und Soldaten das
Grfiingnis in Moabit und befreiten die dort eingekerkerten politi-
M'hcn Gcrangenen. Auch das Strafgefängnis in Tegel wurde von
den ne,olutionären im Sturm genommen. Etwa 200 Militärgefan-
grne t'rhielten die rreiheil.
ln den frühen 1 achmittagsstunden belagerten Tausende De-
monstranten, teilweise bewaffnet, das Polizeipräsidium am Alex-
anderr>latz. Sie haUen es eingeschlossen und die Zugänge mit Ma-
schinengewehren abgesichert. Oie Berliner Revolutionäre forder-
ten die sofortige Übergabe des Polizeipriisidiums und die
Fortrührung seiner Tätigkeil unter revolutionärer Leitung. Der
Polizcipriisident mußte kapitulieren, ebenso die zur Verteidigung
eingesetzte Jägerformation. Oie Revolutionäre befreiten 650 poli-
tisrhe Gefangene. Emil Eichhorn, ein linker Funktionär der
LSPO, wurde von den Revolutionären als Polizeipräsident von
ßcrlin cingesetzl
Danach kam es nochmals zu einem Aufß11111men der bewaffne-
trn Auseinandersetzungen mit der Konterrevolution. ln der
Straße »Unter den Linden« entwickelten sieh heftige Kämpfe vor
der Universität und der Preußischen Staatsbibliothek. Hier hatten
sirh Offizierstrupps verschanzt, die das rcuer auf die Demon-
stranten eröffneten. Bewa.ffneten Arbeitern und Soldaten gelang es
jedoch bald, nuch hier den Widerstund der konlerrevolutioniiren
Offiziere zu brechen.
ln den achmittagsstunden besetzten bewaffnete Gruppen den
Hl•i<'hstag, die Zeitungsverlage, das Wolffsche Telegrafenbüro
27
und das Telegrafenamt Hermann Ouncker nahm mit eiDtem
Trupp bewaffneter Soldaten und Matrosen Redaktion und u riiK·
kerei des »Berliner Lokal-Anzeigers• in Besitz und gab hier
meinsam mit Ernst Meyer noch am seihen Abend die erste N ..,m.
mer der Zeitung »Die rote Fahnec heraus. Oie Sp•artakiJ5gJ'UI>i>e
verfügte damit über ein eigenes Presseorgan.
lnz"ischen zogen die revolutionären Arbeiter und Soldaten
Berlins zum kaiserlichen Schloß, dem S)rmbol der H~ihenz<>Ue:rn·
herrschaft. achdem Karl Liebknecht das Schloß unter den
Schut.z des Berliner Arbeiter· und Soldolenrates gestellt hatte,
er, auf einem Kraftwagen stehend, den jubelnden Massen
• Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden
e•·zw1.mgen. Der Friede ist in diesem Augenblick geschlossen. Das
Alte ist nicht mehr. Die Herrschaft der Hohenzollern, die in die-
sem Schloß jahrhundertelang gewohnt haben, ist vorüber. ln die-
ser Stunde proklamieren wir die freie sozialistische Republik
Deutschland. Wir grüßen unsere russischen Brüder.« Wenig spä-
ter wies er in seiner Ansprache vom Balkon des chlosses nach-
drücklich auf die großen Aufgal>en hin, die noch vor der Revolu-
tion standen: • Wenn auch das Alte niedergerissen ist, dürfen wir
doch nicht glauben, daß unsere Aufgal>e getan sei. Wir müssen
alle Kriifte anspannen, um die Regierung der Arbeiter und Solda-
ten aufzubauen und eine neue staatliche Ordnung des Proletari-
ats zu scharfen, eine Ordnung des Friedens, des Glücks und der
Freiheit unserer deutschen Brüder und unserer Brüder in der
ganzen Welt.c Die Versammelten erhoben die Hände zum
Schwur auf die [reie sozialistische llepublik Deutschland und die
Weltrevolution. Die rote Fahne der Arbeiterklasse "'Utde gehißt.
Am Abend des 9. ! ovember besetzten die revolutionären Ar-
beiter und Soldaten die Regierungsgebiiude, die von den Beam-
ten und Offtzieren Duchtartig ''erlassen worden waren. Der be-
waffnete Aufstand hatte in Berlin gesiegt.
'\1achtvolle Aktionen der einheitlich handelnden Arbeiter und
Soldaten fegten im ersten Ansturm - weitgehend unblutig - die
llohenzollernmonarchie und die Dynastien in den deutschen
Staaten hinweg. ur dort, wo die Reaktion hartniickig bewaffne-
ten Widerstand leistete, hatten die Revolutionöre ihre Waffen ge-
braucht. Wichtige demokratische Rechte und Freiheiten waren
erkiim1>ft worden. Am I I. ovemher 1918 wurde mit der Unter-
28
eichnung des Waffenstillstandes der erste Weilkrieg beende!.
~ie Arbeiterklasse begann zu begreifen, daß Kriege weder Folge
, on Zufällen sind noch von Machenschoflen •feindlicher 1 ach-
barn• heraufbeschworen werden. Die landesweile Forderung
. Fort mit Wilhelm!c galt dem imperialistischen System. Diese
sich mehr und mehr durchsetzende, aus 50 bitteren Kriegsmooa·
ten stammende Erkenntnis wurde nun auch in Deutschland zur
geschichtsgestaltenden Kraft
Dereits in den ersten Tagen der Novemberrevolution wurde
die Macht des. deutschen Imperialismus und Militarismus stark
erschüttert. Die objektiv auf der Tagesordnung der Geschichte
sl<'hende llauptaufgabe der Revolution war damit jedoch noch
nicht gelöst. Es galt, in einem revolutionären Umwiilzungsprozeß
das Kriifteverhiillnis der Klassen so zu verändern, daß der Über-
gang zur sozialistischen Revolution möglich wurde.
Für die revol utionäre Lösung der Militärfrage
Dl'r Spartakusbund, am II. ovenilier 1918 aus der Spartakus-
gruppe hervorgegangen, erwies sich als die konsequenteste politi-
schE' Kraft der antiimperialistischen Volksrevolution. Er kämpfte
dafilr, die Hiite zu wirklichen Machtorganen der Arbeiterklasse
zu entwickeln, den alten Staatsapparat zu zerschlagen und einen
neurn der Arbeiterklasse zu errichten.
Dl'r Spartakusbund ging von der Erkenntnis aus, daß es für
die Weiterfiihrung der Revolution und für die Lösung der Macht-
frage letztlich entscheidend war, welche Seite über das stärkere
militärische Potential verfügte. Deshalb betrachtete er die Ver-
wirklichung des Kernstücks revolutionärer proletarischer Mili·
lärpolitik - die Bewaffnung der Arbeiterklasse sowie ihre mililä·
rische Organisation und Formierung - als seine militärpolitische
llauptaufgabe in der Revolution. ! achdrücklieh trat der Spartakus·
bund flir die Beseitigung der Kommandogewall der reaktionären
Ürftzit•re, die Entwaffnung der Konterrevolution, die Bewaffnung
des werkliitigen Volkes und die Bildung proleturischer lloter Gar·
den zum st.iindigen Schutz der Revolution ein. Diese Forderun-
gen bcriicksichtiglen ctie .militärischen Erfahrungen der Bolsche-
wiki und entwickelten die Milizvorstellungen der revolutionären
29
de utschen Sozialdemokratie unter den Bedingungen des Über-
gangs vom Imperialismus zum Sozialismus weiter.
Bereits am I 0. November hatte die Spartakusgnsppe in der
• Roten Fahne« ein politisch ausgereiftes Programm zur Siche-
rung und Weiterführung der Revolution vorgelegt. Dabei nahmen
militärpolitische Aspekte des Kampfes um die Macht breiten
Raum ein. Anknüpfend an die Beschlüsse ihrer Oktoberkonfe-
renz, rief die Spartakusgnsppe die Arbeiter und Soldaten auf, fol-
gende Forderungen mit aller Entschlossenheit durchzusetzen:
. 1. Entwaffnung der gesamten Polizei, sämtlicher Offiziere sowie
der Soldaten, die nicht auf dem Boden der neuen Ordnung
stehen; Bewaffnung des Volkes; alle Soldaten und Proletarier,
die bewaffnet sind, behalten ihre Waffen.
2. Übernahme sämtlicher militärische r und ziviler Behörden
und Kommandostellen durch Vertrauensmänner des Arbei-
ter- und Soldatenrates.
3. Übergabe aller Waffen- und Munitionsbestände sowie aller
Rüstungsbetriebe an den Arbeiter- und Soldatenrat
4. Kontrolle über alle Verkehrsrnittel durch den Arbeiter- und
Soldatenrat
5. Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit; Ersetzung des militä-
rischen Kadavergehorsams durch freiwillige Disziplin der Sol-
daten unter Kontrolle des Arbeiter- und Soldatenrates.•
Diese detaillierte Aufgabenstellung ging von den konkreten Er-
gebnissen des bewaC[neten Aufstandes aus. Sie beruhte auf der
Erkennlnis, daß die Revolution noch nicht gesiegt hatte, und
zielte darauf ab, die Volksmassen an die Errichtung der Macht
der Arbeiter- und Soldatenräte heranzuführen.
ln einigen Punkten wurden diese militärpolitischen Forderun-
gen vom Spartakusbund in der folgenden Zeit noch konkretisiert.
So forderte Rosa Luxemburg in ihrem run 18. November 1918 in
der . Roten Fahne« unter der Überschrift • Der Anfang« veröf-
fentlichten Leitartikel di e Bildung einer Roten Garde zum ständi-
gen Schutz der Revolution und die Heranbildung einer Arbeiter-
mi liz sowie die Säuberung der Verwaltung, Justiz und Armee von
reaktionären Elementen. Angesichts des Erstarkens der Konterre-
volution hielt Karl Liebknecht in seinem Leitartikel • Rüstung der
Revolution« - am 2. Dezember in der • Roten Fahne« veröffent-
licht - folgende Soforlmaßnahmen für unbedingt erforderlich:
30
Entfernung der Offiziere aus den Arbeiter- und Soldatenräten
und ihre Ersetzung durch bewährte Revolutionäre; Wiederaufhe-
bung der Kommandogewalt der Offiziere; Durchführung einer
demokratischen Heeresreorganisation - unter Entlassung aller
konterrevolutionären Offiziere - auch unter den Frontlruppen;
Entwaffnung aller konterrevolutionären Elemente.
Oie zu den Kernfragen der revolutionären Entwicklung in
der . Roten Fahne« Stellung nehmenden Artikel Karl Lieb-
knechts und Rosa Luxemburgs sowie zahlreiche Reden Karl
Liebknechts im November/Oezember 1918 legen Ze ugnis davon
ab, wie politisch weilsichtig sich der Spartakusbund darum be-
mühte, die Arbeiter und Soldaten an die revolutionäre Lösung
der Mil.itär[rage in der Novemberrevolution heranzufiihren. In
ihnen und in anderen ;(.entralen, aber auch irl regionalen oder lo-
kalen Verörfenllichungen des Spartakusbundes wurden immer
wieder mit besonderem achdruck die For·demngcn nach gründ-
licher Säuberung der Soldatenräte, nach der Bewaffnung der Ar-
beiterklasse und der Bildung revolutionärer Streitkräfte erhoben.
Von pi'Ogrammatischer Bedeutung Cür die Entwicklung der Mi-
litärpolitik des Spartakusbundes waren die • Leitsätze• Karl Lieb-
knechts vom 28. ! ovember. Oieses Dokument enthielt ein umfas-
sendes Programm von politischen, militärischen, wirtschaftlichen
und sozialen Aufgaben zur Weilerführung der Revolution. Als
primäre militärpolitische Aufgabe betrachtete hier Karl Lieb-
knecht die Durchführung einer »VOn Grund aus proletarischen,
demokratischen Organisation von Heer und Marine ... als Über-
leitung zur allgemeinen Bewaffmmg des Proletariats.« Dazu for-
derte er die sofortige Aufhebung der Kommandogewa.lt der Offi-
ziere, die Besetzung aller militärischen Ämter •durch Wal1len,
· · . zu denen nur die Arbeiter und poletarischen Soldaten wahlfä-
hig sind c, und die Siiuberung de.r Soldatenräte von allen konter-
revolutionären Kräften. Im Rahmen der von ihm geforderten ver-
stärkten revolutionären Propaganda verlangte Karl Liebknecht
»die Aufklärung und Revolutionierung der jetzt von den Fronten
zurückkommenden geschlossenen Armeen, die in den Händen
der verbrecherischen Offiziere eine ungeheure Bedrohung der Re-
volution bilden«. Anstelle der rasch zu demobilisierenden und
vollständig aufzulösenden imperialistischen Streitkräfte verlangte
I<arl Liebknecht in seinen • Leitsätzen« rnit Nachdruck: .Eine
31
•
Arbeitermiliz und eine Rote Garde müssen sofort geschaffen wer-
den. soll die Gegenrevolution nicht siegreich und die soziale Re-
'olution nicht schwer gefährdet sein.c
Bereits am 9. ~ovember 1918 halle Kar! Liebknecht gemein-
sam mit Heinrich Dorrenbach versucht, in ßerlin eine Rote
Garde aus revolutionären Arbeitern und Matrosen aufzustellen.
Dnbei ging er von der Holle nus, die der Hauptstadt als poUti-
sches Zentrum Deutschlands auch für die Formierung starker
Volksstreitkräfte zuknm. Dieser Versuch, in Berlin ein für ganz
Deutschland bedeutsames Beispiel der für die Weiterführung der c

Revolution unbedingt notwendigen revolutionären Militärorgani- --

0

sation der Arbeiterklasse zu schaffen, scheiterte jedoch am Wi-

derstand der von rechten Sozialdemokraten beeinnußten Solda-
• a. •
tenriite der Berliner Ersatztruppenteile. Sie hintertrieben dieses
Vorhaben mit dem Argument, die Formierung einer besonderen
Roten Garde sei Ausdruck des Mißtrauens gegenüber den Solda-
ten.
Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Verwirklichung der c
Volksbewaffnung waren die Volks- und Sicherheitswehrcn. Oie -~
deutschen Arbeiter zeigten sich im , ovember 1918 in ihrer über-
wiegenden Mehrheit bereit, die Errungenschaften der Revolution
mit der Waffe zu verteidigen. Und das auch dort, wo der Sparta-
kusbund nicht über den dominierenden Einfluß verfügte.
Kumpfstarke proletorischc Volks- und Sicherheitswehren ent-
standen vor allem in den Industriegebieten. nchwcisbnr ist die
F'onnicrung von revolutionären Wehren jedoch in fast allen Tei-
len Deutschlands: Allenstein. Barmen, Berlin, ßorna, Branden-
burg, ßraunschweig, Bremen, Buer. Burgstödt, Chcmnitz. Cuxha-
~en, Dinslaken, Döbeln. Duisburg, Düsscldorf. Eisenach,
Elberfeld, Emden, Erfurt, Essen, Frankfurt arn 1ain. F'reiberg, .",
c
Grlscnkirchen, Gern, Cothn, !lagen, Halle, llaltern, Humborn,
"
llamburg, Jlanau, Hcrvest-Dorslen, lserlohn, lckcrn, Kamenz,
Königsberg, Leipzig, Lünc>n. Lyck, Magdeburg, Merseburg, Mül-
heim, Oberhausen, Offenbach, Pima, Plauen, Rcmscheid, Riesa,
Solingen. Sömmerda, Stcrkrade. Sultl, Trebbin, Unna. Weißen-
fels, Zeitz und Zwickau. ie setzten sich aus parteimäßig oder ge-
M•rkschaftlich organisierten Arbeitern, Soldaten. \ latrosen und
anderen Werktöligen zusnmrnen. ]
L

Oie Wehren der Arbeiterklasse erreichten in der ovemberre- <

\

32
 volution 1918/19 eine Gesamtstärke von rtwa I00 000 bis
200 000 Mann. Sie waren territorial zer8f)littert und besaßen
keine einheitliche Leitung. ln militiirpolitischer und organisal<>-
risch-tcchnischcr I tinsieht "'aren die Volks- und Sicherheitsweh-
ren durch folgende Züge charakterisiert:
urbau nach der Rätestruktur. Das traf sowohl für die rein zi-
vilrn oder rein militiirisehen Sicherheilswehren als auch für
die kombiniert aus Arbeitern, Soldaten und Matrosen zusam-
mengesetzten Volkswehren zu.
- Ergiinzung nach dem Freiwilligcnprimdp. Teilweise wurde
hierbei eine mehrjährige Mitgliedsch11ft in den Arbeiterpar-
• trirn oder in den Gewerkschaften sowie eine längere militäri-
sche Ausbildung als Aufnahmebedingung gestellt.
- Wühlbarkeil des Kommandobestandes. Sie unterlag der Kon-
trolle drr Arbeiter- und Soldatenriite nach Gesichtspunkten
der politischen Zuverlässigkeit und der militärischen Qualifika-
tion. Gewählte \ ertrauenskörperschaften sorgten für die Wahr-
nehmung der Interessen der , achgeordneten und durch politi-
sche ufkliirung für ein einheitliches. straffes Kommando und
die gewissenharte Oienstdurchführung.
- V('rpflichtung zur strengen Oisziplineinhaltung. Dabei stützte
sich die Disziplin rJicht auf blinden Gehorsom, sondern auf dos
Vcrantwtlrlungsbewußtsein der Volkswehrnngehörigen gegen-
iibcr dm· Arbeiterklasse. Oie ihnen übergebenen Waffen wur-
den nur auf Weisung der Vorgesetzten angewnndt.
- Gliederung (allerdings erst in einem entwickelten Studium und
bei der F:rfüllung spezifisch militärischer Aufgaben) nach
chützenformationen (Rotten, Gruppen, Zügen, Kompanien.
Abteilungen) und in technische Kommondos (Sprengtrupps,
Kraftfahrer. Telegrafen-. Maschinengewehr-, Artillerieformatio-
nen).
- Bildung mili7-artiger Reserven aus Industriearbeitern, um den
Hürkhalt für die Volkswehren irn ör11ichen Abwehrkampf ge-
gen konterrevolutionäre Angriffe zu stiirkcn.
Für den Aufbau der proletarischen Volkswehren bestanden zu
Beginn der ovcmberrevolution günstige Voraussetzungen, da
d(•r milifürische Zusammenbruch des deutschen Im perialismus
dtn weitg1•hrnden Zerfall seines stehend en llceres nach sich ge-
zogen hatte. Jedoch verstand nur eine Minderheit politisch orga-
34
nisiertcr i\rbcitcr und Soldaten die Grundfragen der Revolution.
Opportunistische Illusionen und pazifistische Tendenzen waren
"eit 1erbreitet. Sie hinderten die meisten Volkswehrungehörigen
daran zu begreifen, wie notwendig es wu.r, reguläre Streitkräfte
der Arbeiterklasse zu schaffen, die über den örtlichen Sicher-
h('itsdi!'nst hinaus zentral den militärischen Schutz der Errungen-
schaften der Revolution vor konterrevolutionären Anschlägen ge-
"iihrlristen konnten. Ihre Ansichten und praktischen Verhaltens-
1,rbrn widerspiegelten die ganze Vielfalt unterschiedlicher, oft
einandrr widersprechender Vorstellungen in der Arbeiterbewe-
gung iihrr die Lösung der Militärfrage.
Di1• großen militärpolitischen und militiirischen Potenzen der
Volkswehren konnten nur teilweise wirksam werden, da vielfach
opportunistisch ausgerichtete Arbeiter- und Soldatenräte den ent-
sch!•idenden Einnuß auf sie ausübten. 1 ur dort, wo der Sparta-
kusbund und andere linke Kräfte über festere Verbindungen ver-
fügt!'n und ihre Einwirkung auf die lokalen Arbeiter- und Solda-
tenräte rrfolgreich war, entstanden und entwickelten sich revo-
lutioniire Volks- und Sicherheitswehrcn. ln ihrer ~1 chnahl unterla-
gen die Wehren, wie die Räte selbst. dem opportunistischen Ein-
nuß. Aber auch in diesen Volkswehren wirkten viele SPO-,
uSPD- und Cewerkschaftsmitglieder, die danach strebten, den
drutsehen Militarismus zu zerschlagen und ein demokratisches
Dt>utschland nufzubauen.
Prolctnrische Wehren, in denen revolutioniire Krähe dominier-
ten. r rf11ßten etwa 50 000 bis 60 000 Kämpfer. Sie wurden vieler-
Or1s von Vertretern des Spartakusbundes und der Linksradikalen
oder von linken Kräften der USPD gegründet. Zu den fortschritt-
lich~trn und zahlenmäßig bedeutendsten Wehren gehörte die
\ olksrnorincdivision in ßerlin. Günstige Voraussetzungen für die
Bildu ng einer demokratischen alkswehr waren auch in Braun-
srh"cig gegeben. Hier besaß der Spartakusbund großen politi-
><·ht•n t-;inOuß. Oie zum Schutze dieses revolutioniiren Zentrums
grsc·haffenen militärischen Muchtorganr bestanden nus einer
Volksmurinefonnation von 300 Matrosen und ei ner Volkswehr
von etwu I 000 bis 2 000 Mann, die sich nuf miliz~~rtigc Soldaten-
Wnch.rn und Betriebswehren stiitzte.
Di<•sc Wehren verkörperten reale Machtpositionen und übten
Zeitwc·ilig nlilitiirische und polizeiliche Cewalt aus. ln den Roten
,
 Garden der Großen So~ialistischen Oktoberrevolution sahen sie
ihr Vorbild. Die revolutionären Volkswehren waren eine echte
Alternative zum irnperiaJistischen Militär- und Polizeiapparat Sie
stellten Ansätze zur Schafiung demokratischer Volksstreitkräfte
dar und bildeten hi!u[ig den organisatorischen Rückhalt bei der
bewaffneten Verteidigung der Errungenschalten der ovemberre-
volution.
Eng verknüpft mit dem Ringen des Spartakusbundes um die
Volksbewafrnung war sein Kampf zur Gewinnung der Soldaten-
massen für die Revolution. Um die revolutionäre Arbeit unter
den Soldaten, besonders unter den zurückkehrenden T ruppen
des Feldheeres, zu verstärken, wurde auf seine Anregung am
15. ovember 1918 der Rote Soldatenbund (RSB) gegründet. Er
war die erste Wehrorganisation der revolutionären deutschen Ar·
beiterbewegung.
Die Leitung des RSB bestand aus Mitgliedern des Spartakus-
bundes. Als Vorsitzende fungierten Willi Sudich und Karl Gru-
busch. Mitglieder der zentralen Leitung des Roten Soldatenbun-
des waren weiterhin Albert Schreiner, Karl Schutz und Christel
\Vunn. Größere Ortsgruppen des RSB, der insgesamt etwa
12 000 :1itglieder umfaßte, entstanden unter anderem in Berlin.
Dresden, Hamburg, Leipzig und München.
Ziel des Roten Soldatenbundes war es, die Soldaten und ihre
Riite im Sinne der revolutionären Ideen des Spartakusbundes zu
beeinflussen. llierzu entwickelte er zunächst unter den Fonnatio·
nen des Heimatheeres und seit Ende November 1918 vor allem
unter den zurückkehrenden Truppen des Feldheeres eine rege
revolutionäre Agitationsarbeit Oie RSB-Ortsgruppen erhielten
die Aufgabe, in ihren Städten Soldatenversammlungen durchzu-
führen, die am Ort ansässigen Soldaten iJn Roten Soldatenbund
zu organisieren und die von Truppentransporten berührten
Bahnhöfe zu besetzen, um w1ter den Soldaten mündlich ~u agi-
tieren sowie Flugblätter, Zeitungen und anderes Propagandamate-
riaJ zu verteilen. Von erstrangiger Bedeutung für die Tätigkeit des
RSB, vor allem für seine politische Orientierung und für die Fe-
stigung seiner Organisation, war die ab 23. ovember erschei-
nende Zeitung . Ocr Rote Soldntc.
Der Rote Soldatenbund kämpfte gegen die Wiederherstellung
der BefehlsgewaJt der Orftziere und für die Säuberung der Solda·
36
• •
tcnräte. Er trat für die Schaffung revolutionärer Streitkräfte ein,
bekundete seine Sympathie für Sowjetrußland und propagierte
dir Ideen des proletarischen lntemationalismus. Seit Anfang De-
zember 1918 übernahm der RSB auch den bewaffneten Schutz
von Demonstrationen und Kundgebungen der Arbeiterklasse. In
den Januar- und Frühjahrskiimpfen des Jahres 19 19 standen
RSB-Mitglieder in den vordersten Reiben der revolutionären
Kämpfer. Sie verteidigten unter anderem in Ber!in, Bremen und
\1ünchen mit der Waffe die Revolution. Ende Juni 1919 löste die
KPO den Roten Soldatenbund auf, da die veränderten Karnp(be-
dingungen und die Bildung der vorläufigen Reichswehr auch
neue Formen und Methoden der Arbeil unter den Soldaten erfor-
derten.
lJm ein weiteres Voranschreiten der revolutionären Entwick-
lung zu verhindem und die erschütterte Macht des deutschen hn-
prrialismus und Militarismus wieder zu festigen, suchten füh-
rende Vertreter des Finanzkapitals und die Oberste Heereslei-
tung nach neuen Formen imperialistischer Machtausübuog.
Insbesondere ging es ihnen hierbei darum, Einfluß auf die Mas-
;en zu gewinnen. Im Auftrag der Generalität ergriff deshalb Ge-
neralleutnant \Vilhelm Groener die Initiative, um mit der rechten
F'ührung der SPO, die sich an die Spitze der revolutionären Be-
wegung manövriert hatte, ein Bündnis zu schließen. Am Abend
des I 0. November 1918 telefonierte er auf einer dir·ekten Leitung
mit F'riedrich Eber!, dem Vorsitzenden des Rates der Volksbeauf-
tragten. Groencr teilte ihm mit, daß sich das Heer der Regierung
zur \ erfügung stelle und daß er dafür von ihr bei der Aufrechter-
haltung der militärischen Ois~iplin in der Truppe Unterstützung
rrwarte.
ll!nter dieser !Corderung verbarg sich das Bestreben, das en't-
srhrrdende Machtinstrument der deutschen Monopolbourgeoisie,
das lleer, das sich unter dem Einfluß der Revolution in Auflö-
sun~: befand, wieder völlig in die Hand der Offiziere zu bekom-
lllt>n und es dann zur Niederschlagung der Revolution einzuset-
zen .. Groener gab das Ebert unumwunden zu verstehen, als er
~rklärtc, daß das Offizierskorps von der Regierung di e Bekiimp-
~rng des Bolschewismus verlange und dnfür bereit ste he. Aus an-
~l?lsf'h~wistischer Ver?lendung und Feindschaft gegen die Revo-
tion stimmte Ebcrt diesen Forderungen bedingungslos zu.
37
 Oie Preisgabe der Loteressen der Arbciterklnsse durch die
rechte SPD-Fübrung ermöglichte es dem deutschen Imperialis-
mus, Zug um Zug die Konterrevolution zu organisieren. Seit
\l itte :'\o,ember 1918 machte die Formierung der konterrevolu-
tionären Krärte schnelle Fortschritte. Gestützt auf das Bündnis
mit den rechten SPO-Führern und unterstützt ' '0111 preußischen
Kriegsministerium, wurde die Oberste I Ieeresieitung zum Zen-
trum der Konterrevolution.
Ihren lluuplstoß richtete die OHL gegen die Soldatenräte. Ge-
schickt versuchte sie hierzu die lliickführung des W«:stheeres
auszunutzen. Mit dem am II. ovcmber dazu gegebenen Befehl
und d<•r von ihr diktierten und vom Rat der Volksbeauftragten er·
lasscncn Vrrordnung über die Zustiindigkeiten der :Sotdnterlrä,te
im Feldheer stellte sie die Kommandogc,valt der Ofüzicre wieder
her, entmachtete sie die Soldatenräte. Wütende antikommunisti-
s<·he lletze und verschiedenartigste 'VIanipulierungsversuche be·
gleiteten diesen ersten großen Angriff auf die Novembererrun·
~enschaftrn.
Die Kommandobehörden und Offiziere vermochten es jedoch
nicht, die oldaten so zu beeinflussen, dnß sie für die 'ieder·
sehlagung der Revolution eingesetzt werden konnten. Ein bedeu·
lender Teil des Westheeres war zersetzt. Bei m Betreten des deut·
sehen Territoriums oder spätestens nnch Erreichen der
Demobilmachungsorte lösten sich die meisten Truppenteile des
Westheeres spontan auf.
Ein ähnliches Schicksal erfuhr der Plan der OI{L, Berlin als
Hevolutionszentrum möglichst schnell auszuschuHen. Dieser sah
nach dem Einmarsch von Gardetruppen in die llauptstadt eine
stufcn"'Ci&c Ausweitung des konterrevolutionären Terrors bis zur
'ölligen i\iederschlagung der revolutionären Berliner Arbeiter
vor. Oie ab I0. Dezember 1918 einrückenden oldaten befreiten
sich jedoch durch die unmittelbare Berührung mit der Revolution
sehr schnell vom Einfluß ihrer Offiziere und wurden zum iiber·
wiegenden Teil für den konterrevolutionären Einsatz unbrauch·
bor.
Anfang Oe..:embcr 1918 knm es zu ersten bewaffneten Vorstö·
l.lrn drr Konterrevolution. Sie konnten in ßremt•n, ßruunschweig,
Dr!•sclen, Chcmnitz, Oüsseldorf, ITamm und onderen Orten von
den bewaffneten Arbeitern ohne große Opfer zurückgeschlagen
38
•
.. crdrn. Am 6. Dezember putschten reu kHonäre Truppen und ir·
regeleitete Soldaten in ß erlin. Sie verhafteten zeitweilig den Voll·
zugsrat der Arbeiter· und Soldatenräte und versuchten, Friedrieh
Ebcrt zum Präsidenten auszurufen. Am sclben Tag verübten Gar·
dt•fiisiliere auf mehr als 2 000 Arbeiter und Soldaten. die für die
\\ eiterführung der Revolution demonstrierten, einen Feuerüber·
fall. Entschiedene Gegenaktionen der Werktätigen - am 8. Oe-
tcmber vereinten sich 150 000 Berliner zu einer gewaltigen Mas·
,(·ndemonst ration - zwangen die Konterrevolution jedoch
71'ilwrilig zum Rückzug.
Einen llöhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen um
das weitere Schicksol der Hevolulion auf dem vom 16. bis zum
20. Dezember 1918 in Berlin tagenden I. lleichskongreß der Ar·
briter· und Soldatenräte Deutschlands. Dieser leitete durch seine
Zustimmung zu Wahlen für eine 1ationalvcrsammlung und zur
Cbrrgabe der Machtbefugnisse der Räte in die lliindc der Regie-
rung eine Wende beim Kampf um die lacht ein. Er entschied
si('h rindeutig für das Weiterbestehen der llerrschaft des deut-
o;c·hen Imperialismus in Form der bürgerlich-parlamentarischen
ltcpublik.
ln der Militärfrage konnten die rcvoluHonüren Kräfte aller·
clings einen Erfolg er~.:ielen. Zu sehr wirkten die Erfahrungen vie-
ler Arbeiter und Soldaten mit Militarismus und Krieg nnch. Oie
vom Kongreß angenommenen sogenunntcn Hamburger Punkte
forderten die Abschaffung des stehenden I leeres und die Aufstel·
lung einer Volkswehr, die Überlrngung der Kommandogewalt an
dl'n Hat der Volksbcuuft.rag1en unter Kontrollr des Vollzugsrates
drr Arbeiter- und Soldatenriite, den Ausbau der Hechte der Sol-
datl.'nräte und die Wählbarkeit der militärischen Führer. Diese
auf eine demokratische Umgestaltung der Streitkräfte gerichteten
rordl.'rungen wurden jedoch in der Folgezeit auf Betreiben des
llutrs der \ olksbenuftragten und der OI IL nicht vcrwirklichl
Weihnachtskämpfe der Volksmarinedivision
Ermu tigt durch den für sie positiven Ausgnng des Heichsrätekon·
{!rcsscs, nuhrn di e Konterrevolution unmitt!'lhlll' nuch dessen Be·
endigung Kurs auf die gewaltsame ieder"•erfung der Arbeiter·
39
klasse. Ihr Hauptschlag galt dem Zentrum der revolutionären
Bewegung in Deutschland, der Hauptstadt Berlin, und dabei ins-
besondere seinem zuverlässigen, der Revolution treu ergebenen
militärischen Machtinstrument - der Volksmarinedivision. Seit
ihrer Gründung war diese der Konterrevolution ein Dorn im
Auge.
Die Volksmarinedivision zählte zu den fortschrittlichsten und
bedeutendsten Volkswehren der ovemberrevolution 1918/ 19
und \"ar die einzige wahrhaft revolutionäre militärische Forma-
tion der Berliner Arbeiter. Sie wurde am II. November 1918 un-
ter maßgeblichem Einfluß des Spartakusbundes durch Leutnant
Heinrich Dorrenbach und Obermaat Paul Wieczorek zmn be-
waffneten Schutz der Revolution geschaffen. Die meisten ihrer
Angehörigen waren klassenbewußte Berliner Arbeiter, die in der
Marine gedient hatten. Die Volksmarinedivision zählte bereits am
13. November 1 500 Mann, erfuhr am nächsten Tag durch
600 Matrosen aus Cuxhaven eine beträchtliche Verstärkung und
erreichte Ende 1ovember/ Anfang Dezember 1918 mit etwa
3 200 Mann ihre größte Stärke.
Als höchstes E'ührungsorgan wählten die Matrosen einen fünf-
zehnköpfigen Matrosen rat, der sich »Volksmarinerat von Groß-
ß erlin und Vororten• nannte, und aus dem später ein Hauptaus-
schuß der Division als e ngere Leitung hervorging. Zum ersten
Kommandanten und gleichzeitig Vorsitzenden der von Aniang an
koiJektiven Leitung wurden am 11. · ovember Paul Wieczorek
und nach dessen Ermordung am 14. ovember der Berliner Me-
tallarbeiter und Matrose Ollo Tost gewählt.
Mit aller notwendigen Konsequenz gab die Volksmarinedivision
den revolutionären Maßnalunen des seit dem 23. November
1918 in ß erUn tätigen 53er-Ausschusses der Marine, der das
Reichsmarineamt und den Admiralstab kontroUi erfe und in en-
gem Kontakt mit dem Spartakusbund stand, den erforderlichen
militärischen Rückhalt. Der von diesem gewählte fünfköpfige
Zentralrat der Marine halte Entscheidungsbefugnis für alle Mari-
nefragen, so auch für die Volksniarinedivision. Nachdem die
Volksmarinedivision am 6. Dezember verwaltungsmiißig dem
Zentralrat der Marine unterstellt worden war, setzte der Volksma-
rinerat von Groß-ßerlin und Vororten noch am selben Tag ei nen
5cr-Ausscbuß als engere Leitung der Vol ksmarinedivision e.in.
40
Besonders F ritz Radtke, der neue Kommandant der Volksmarine-
di vision, und Heinrich Dorrenbach als Leiter der Aufklärungs-,
Agitations- und Pressekommission setzten in der folgenden Zeit
das Prinzip des demokratischen Zentralismus im Organisations-
au fbau weiter durch und festigten Ordnung und DiszipUn. Der
verdienstvolle ehe malige Kommandant Otto Tost bekleidete seit
Ende ovember im 53er-Ausschuß der Marine eine wichtige
f'unktion. Oie enge. Bindung zu diesem Ausschuß, dessen politi-
sches Programm eine soziali.stische Republik und eine sozialisti-
sche Volkswehr. beinhaltete, bestimmte entscheidend die revolu-
tionären Grundpositionen der Volksmarinedivision.
Eine wichtige Voraussetzung für die beträchtliche Stärke der
Volksmarinedivision war ihre straffe militärische Organisation.
Gegliedert war sie in einen Stab und in 3 Abteilungen, die sich
wiedenun in Kompanien untergliederten. Oie Abteilung I be-
stand im November aus etwa I 500 und im Dezember aus
I I 00 Mann. Sie lag im Marstall. Die Abteilung II (800 bzw.
300 Mann) befand sich seit dem 15. November im Berliner
Schloß, ab 25./26. ovember in einem Ber~ner Lokal (Straße . Ln
den Zelten•) und seit 6. Dezember im ehemaligen Preußischen
Abgeordneten haus. Oie Abteilung lU, sie umfaßte 900 bzw.
400 Mann, war in den Ausstellungshallen am Lehrter Bahnhof
untergebracht.
Die Bewaffnung der Volksmarinedivision bestand aus Maschi-
nengewehren, Gewehren, Pistolen und Handgranaten, zeitweise
auch Gesch iitzen. Sie verfügte über einige Panzerkraftwagen und
Lastkrartwagen.
Die Volksmarinedivision eriiiiJte in Berlin verschiedenartige
Schutz- und Sicherungsaufgaben. Sie stellte ständige Wachen für
öffentliche und Regierungsgebäude, wurde zu Absperrungen und
Sonderei nsätzen herangezogen. Die Bera!UJ1gen des VoiJ zugsrates
der Berliner Arbeiter- und Solda!enräte, viele andere Tagungen
von Revolutionäre n und auch der Gründungsparteitag der KPO
fanden in dem unter bewaffneten Schutz der Volksma rinedivision
stehenden ebemaligeo Preußischen Abgeordnetenhaus statt.
Als bedeutendste militärische Kraft der Revolution in Berlin
hatte die Volksmarinedivision im November/Dezember 1918 ein
großes politisches Gewicht. Der E innuß des Spartakusbundes
lltTd die direkle Verbindung seiner führenden Vertreter, wie Karl
•
41
Liebknecht und Wilhelm Pieck zu den revolutionären Matlro,serl,
prägte nachhttltig die Positionen dieser Truppe. Obwohl die poli-
tischen Auflassungen der Angehörigen der Volksmarinedivision
nicht einheitlich waren, ließen sie sich von der rechten SPD-Füh-
rung nicht zu konterrevolutionären Zwecken mißb~uchen. Si~
standen, wenn auch nicht ohne Schwankungen, an der Seite der
revolutionären Arbeiter und Soldaten ßerlins.
Diese progressive Ha.ltung des ganzen Verbandes trug dazu
bei, daß die Berliner Werktätigen der Volksmarinedivision Ach-
tung und Vertrauen entgegenbrachten. Zugleich sahen die impe-
rialistischen und militaristischen Kräfte wie auch die rec~ten
SPD-Führer in der Volksmarinedivision ein ernstes Hindernis für
die geplante Niederschlagung der ovemberrevolution. Schon
Ende November 1918 hatte die Oberste Heeresleitung ausdrück-
lich die »Aushebung der Matrosen« verlangt. Gegen die Volks-
marinedivision fanden deshalb dieselben konterrevolutionären
Mittel Anwendung, mit denen auch der Spartakusbund bekämpft
.
wurd e. Die bürgerliche und sozialdemokratische Presse hetzte
.
die Öffe nlHchkeit skrupellos gegen die Malrosen auf. Ihr e rster
Kommandant., Paul \Vieczorek, wurde bereits am 14. ovember
von einem Marineoffizier ermordet. Heinrich Dorrenbach entging
diesem AUentat nur knapp.
Bewußt und planmäßig bereiteten die rechten SPD-Führer
F'riedrich Ebert und Otto Wels, letzterer zu dieser Zeit Stadtkom-
mandant von ßerlin, im Einklang mit der Obersten Heeresleitung
eine Provokation gegen die revolutionäre n Matrosen vor. Sie ver-
weigerten die Löhnung, falls die Volksmarinedivision sich nicht
mit einer Enllassung von 2 400 Matrosen, der Eingliederung der
restlichen 600 in die Republikanische Soldatenwehr und der
Räumung des Schlosses einverstanden erklären würde.
Obwohl sich die Matrosen zu letzterem hereil fanden und am
23. Dezember die Schlüssel des Schlosses abl ieferten, weigerte
sich Wels, die Löhnung auszuzahlen. Als einer der Führer der
Matrosen daraufhin die Ein- und Ausgänge der Reichskanzlei be-
setzen ließ, wurden die wartenden Matrosen von Regierungstrup-
pen beschossen. Es gab Tote und Verwundete. Jetzt stUrroten die
e mpörten Matrosen die Kommandantur. Sie verhafteten Weis
und zwei seiner Mitarbeiter, forderten dessen sofortige Abset-
zung als Stadtkommandant und die Bestrafung der Schuldigen.
42
Daraufhin umstellten Regierungstruppen die Reichslanzlei. Als
jedoch für die Matrosen Verstärkung heranrückte, versicherte
Ebert, die Truppen würden in ihre Quartiere zurückgezogen und
die Differenzen sollten am nächsten Tag beigelegt werden. Auf-
grund dieser Zusage ging die Masse der Angehörigen der Volks-
marinedivision in \Veihnachtsurlaub. ur wenige Matrosen -
etwa 30 - verblieben im Schloß tmd etwa 70 bis 80 in1 Marstall,
dem Sitz des Stabes und der l. Abteiltmg.
Am späten Abend des 23. Dezember forderte Generalleutnant
Wilhel m Groener von Eber!, nunmehr rücksichtslos gegen die re-
volutionären Matrosen vorzugehen. ach Beratung mit den bei-
den anderen SPD-Mitgliedern des Rates der Volksbeauftragten
erteilte Ebert dem preußischen Kriegsminister die Weisung, am
Morgen des 24. Dezember Schloß und Marstall anzugreifen.
Noch am 23. Dezember unterstellte dieser alle Stäbe und Trup-
pen im Raum Groß-Berlin Generalleutnant Arnold Lequis, der
den Überfall auf die Volksmarinedivision leiten sollte.
1m Morgengrauen des 24. Dezember schlossen etwa
I 200 Mrum schwerbewaf[neter Cnrdetruppen Schloß und Mar-
stall ein. Den Matrosen wurde das Ultimatum gestellt, die Waffen
niederzulegen und sich gefangen zugeben. Das war die Forderung
nach bedingungsloser Kapitulation. Ohne z u zögern lehnten die
Matrosen das Ultimaturn ab.
-
Danach begann von mehreren ·Seiten zugleich das Arti llerie-
feuer aus 77-rnm- und I 05-mrn-Geschiilzen gegen Schloß und
Marstall. Geschützballerien standen unter anderem beim Zeug-
haus an der Schloßbrücke, vor der Bildergalerie am Lustgarten,
am Werdersehen Markt und auf·dern Leipziger Platz.
Granaten schlugen in die ordfront des Schlosses, das Schloß-
portal brach zusammen. Heldenhaft verteid igten sich die Matro-
sen unter Führung von Heinrich Dorrenbach. Einer von ihnen,
Fntnz Beiersdorf, Mitglied des Spartakusbundes, erinnert sich:
•Es ballert jetzt von allen Seiten. Ein Stoßtrupp der Hegierungs-
truppen pirscht sieb ·die Französische Slraße entlang und ver-
sucht, das rote Schloß zu erreichen, um uns von dort zu behar-
ken . . . Rasend mähen unsere MGs. Drüben zieh! sich der
Stoßtrupp schnell zurück, wobei er einen Mann verliert ... Wü-
tend donnert ihre Artillerie. .letz! hören wir die Einschläge hin-
ter uns ... Schloß und Marstall sind feuerspeiende Feslungen ge-
43
 worden. Jedesmal wenn sich ein Trupp formiert, um sich dem
Kampfplatz zu nähern, empfängt ihn rasendes Feuer.«
Zwei Stunden lang wehrten die Malrosen - nur mit Geweh·
ren, Maschinengewehren und einem Geschütz bewaffnet - die
von Artilleri~ unterstützten Angriffe ab. Mehrere Angehörige der
Volksmarinedivision wurden von Granaten zerfetzt. Auch Gas·
granaten detonierten. Dann schien sich der Sieg der Konterrevo-
lution abzuzeichnen. Zu groß war die zahlenmäßige und waffen·
technische Überlegenheit der konterrevolutionären Truppen.
Doch die Malrosen blieben nicht allein. Durch den Kampflärm
alarmiert, vom Spartakusbund und den revolutionären Obleuten
der Berliner Großbetriebe mobilisiert, rückten vom Norden und
Osten Berlins Arbeiterkolonnen heran. Auch Matrosen, die sich
außerha.lb des Sch.losses und des MarslaJis befunden hatten, und
die Sicherheilswehr des Polizeipräsidenten Emil Eichhorn eilten
zur Hilfe herbei.
Der Erinnerungsbericht eines Berliner Arbeiters gibt hierzu
folgende Schilderung: »Am 24. Dezember frühmorgens hörte ich
"'- plötzlich Kanonenschüsse aus dem Zentnm1 der Stadt. Wir ha·
ben uns sofort auf die Beine gemacht ... Als wir zum AJex ka·
men, merlcten wir, daß es um den MarstaU ging. Hintenherum ka·
men wir zum Werdersehen MarkL Wir gingen an das Geschütz,
das dort stand. Ein Leutnant und 3 oder 4 Mann Bedienung wa-
ren dabei. Wir sagten: >Was macht ihr denn! [hr schießt doch auf
eure Kameraden!< Die Soldaten wurden unsicher. Der Leutnant
wurde bla.ß. Wir redeten weiter auf sie ein und setzten ihnen aus·
einander, worum es ging.«
Nicht nur am Werdersehen Markt, auch an vielen anderen
Stellen durchbrachen Berliner Arbeiter, Frauen und Jugendliche
die Absperrungen, gelangten sie in den Rücken der Angreifer
und forderterr diese auf, die Waffen niederzulegen. Viele Solda-
ten verweigerten daraufhin den Gehorsam und entwaffneten ihre
Offiziere. Andere Abteilungen wurden von bewaffneten Berliner
Arbeitern gewaltsam aufgelöst. Voller Entsetzen mußten die Offi-
ziere zusehen, wie ihre bisher so •zuverlässigen• Truppen unter
Einwirkung der revolutionären Agitation zerfielen. Der Versuch
der Reaktion, die Revolution in Berlin gewaltsam zu ersticken,
war gescheitert. Der vereinte Kampf der revolutionären Matro-
sen, Arbeiter und 'Soldaten hatte der Konterrevolution eine emp-

44
'
45

\
 findliehe Schlappe bereiteL Sieben Mutrosen und mehrere Berli-
ner Arbeiter ließen dafür ihr Leben.
Doch die Früchte d.icses Sieges wurden unter dem Einnuß un-
entschlossener linker USPO-Funktioniire "erschenkL ln den an-
schließenden \ erhandlungen verpflichteten sich die Führer der
Volksmarinedivision, das Berliner Schloß zu verlassen, die Volks-
marinedivision in d.ie Republikunisehe Soldatenwehr einzuglie-
dern und in Zu kunrt nicht wieder an Aktionen gegen die Regie-
rung teilzunehmen. Im Januar 1919 wurde uuf Weisung des
Rates der Volksbcauftrugten die Volksmurinedivision liquidiert,
indem die Mehrheit ihrer Angehörigen uus l:lerlin »versetzt« und
nur 600 Matrosen in die unter SPO-Einfluß stehende Republ.ika-
nisehe Soldatenwehr eingegliedert wurden. llundertc der •ver-
setzten• i\lotrosen blieben aber gegen den Willen der Regierung
in Berlin und kämpften in der folgenden Zeit mit den BerHner
Arbeitern gegen d.ie Konterrevolution.
Der heimtückische Überfall auf die Volksmarined.ivision rief in
ganz Deutschland die Empörung der klassenbewußten Arbeiter
hen•or. Zur eindrucksvollsten S) mpathiekundgebung kam es am
25. Dezember in Berlin. Obgleich es ein schneereicher Weih-
nachtsfeiertag war, zogen große Demonstrationszüge in den Tier-
gurten und bekundeten ihre Verbundenheit mit den revolutionä-
r·en Matrosen. lledner des Spartakusbundes, der revolutionären
Obleute und der Volksmarinedivision entlarvten Ziel und Zweck
des blutigen Überfalls der Konterrevolution. Karl Liebknecht be-
tonte warnend. daß die Gegner nicht geschlagen, sondern nur
zum zeitweiligen Rü ckzug gezwungen wurden. Zur wichtigsten
Aufgabe in dieser zugespitzten Situation erklärte er die Bewaff-
nung der Arbeiterklasse. Oie vom Spartakusbund immer wieder
gestrille Crundforderung, daß die Re,olution in der Luge sein
muß, sich gegen aUe Angriffe der Konterrevolution zu verteidi-
gen, sprach auch aus dem redaktionellen Artikel der . Roten
• Fahne« vom 25. Dezember: • Die Bewaffnung des Volkes, die Bil-
dung der Roten Garde zum Schutze der llrvolution ist eine drin-
gende otwendigkeit geworden. Proletarier! Soldnten! Seid auf
der Hut! ßleibt auf dem Posten, um die Soche dl•r Revolution ge-
gen das System der blutigen Putsche zu vcrteidigrn!c
Am 29. Dezember fand die Beisetzung der in den Weihnacbts-
kiimpf('n gefallenen Matrosen sllllt. llundcrltnusende folgten der
46
Aufforderung des Spartakusbundes und der revolutionären
Oblculr, die Beisetzung zu ei ner Protestkundgebung gegen die
Kontrrrrvolution zu gestalten. Auf dem Friedhof der i\lärzgefalle-
n<·n von 1848 im Berliner Friedrichshuin fanden die Opfer des
kontrm>volutioniiren Überfalls vom 23. und 24. Dezember ihre
letzte lluhestätte.
Die wenigen Tage, die seit dem Ende des Reichsrätekongresses
vCf!!llngcn waren. vor allem die Ereignisse in Llerlin, hatten ge-
r.cigt, daß die imperialistische Konterrevolution immer unverhoh-
lcnrr die bewaffnete Gewalt auf die Tageso rdnung setzte. och
konnten die Arbeiter, Matrosen und Soldaten alle konterrevolu-
tioniircn Vorstöße zurückschlagen. Wollten aber die revolutionä-
ren Kräfte die Errungenschaften des November oucb in Zu kunft
erfolgreich verteidigen und die Revolution weiterfUhren, mußten
sir sirh fC'ster und unter einer einheitlichen und zielklaren Füh-
nrng zusammenschließen. Am 29. Dezember 1918 scl1rieb Rosa
Lu-.emburg dazu - in Auseinandersetzung mit der USPO-Poli-
tik - in der • Roten Fahnec: • Das deutsch<' Proletariat braucht
hcutl' an seiner Spitze eine sozialistische Partei. die der großen
Stunde gewachsen ist. Für eine Partei der 1-lolbheit und Zweideu-
ti~krit ist in der Hevolution kein Platz.c
Die Gründung der KPD -
Ausgangspunkt marxistisch-lcni nistischer
MiliUirpolitik in der deutschen Arbeiterbewegung
Im Laufe des November/Dezember 1918 war offensichtlich ge-
"Orden, daß auch der aufopferungsvollste l::insatz der bewußte-
s~er~ Teile der deutschen Arbeiterklasse Hir den Stur.t des lmpe-
noh mus und Militarismus nicht die führende Kraft einer
.,., olutionüren Partei ersetzen konnte. Oie Schaffung einer revo-
lutionürrn, marxistisch-leninistischen Kampfpartei war zur drin-
ll~ndst!'n Aufgabe geworden.
Ausgt>hcnd von der historischen Mission der Arbeiterklasse,
bcknnntt> sich der Gründungsparteilag dt•r KPD (30. Dezember
1
.918- t. Janunr 1919) zur marxistischen Auffossung vom Sozia'
118
1llus. Das Programm der Partei entsprach mit der Forderung
118
l'h dem Sturz des Lmperialismus und der Errichtung der Dikta-
47
tur des Proletariats den Prinzipien des Marxismus. Es war
Ausdruck der Übereinstimmung mit Auffassungen Lenins
den Erfahrungen der Bolschewiki in Grundfragen des :Swttes ~
und der Revolution.
Überzeugend deckte das Programm der KPO den Zu!;ammel~-,
hang zwischen Imperialismus und Krieg auf, machte es
Rolle des Sozialismus als der ersten Gesellschaftsordnung des
Friedens deutlich. Erst im Sozialismus, hieß es dort, »Sind
kerhaß, Knechtschaft entwurzelt. Erst wenn eine solche Gesell-
schaft verwirklicht ist, wird die Erde nicht mehr durch
schenmord geschändet. Erst dtmn wird es heißen: Dieser Krieg
ist der letzte gewesen!« Eindeutig wurde im Referat Rosa Luxem-
burgs die Tatsache herausgearbeitet, daß die deutschen Kommu-
nisten künftig zusammen mit dem Sozialismus und den Interes-
sen der Revolution auch die Interessen des Weltfriedens zu
verteidigen haben.
Ein klares Bekenntnis zur Partei Lenins und zu Sowjetrußland
war der markantesie Ausdruck der intemationalistischen Positio-
nen der KPD. Auf ihrem Gründungsparteitag bekundeten die
deutschen Kommunisten ihre uneingeschränkte Unterstützung
für die ßolschewiki und den von ausländischen Interventen be-
drohten jungen Sowjetstaat Sie appellierten an die deutschen
Soldaten im Osten, sich mit der Roten Annee zu solidarisieren
und mit ihr gegen die Konterrevolution zu kämpfen. Das war
nicht nur eine Augenblicksreaktion, sondern ein spezifischer
Ausdruck der Einsicht der KPD in die weltgeschichtliche Bedeu-
tung der Oktoberrevolution, die von der internationalen Arbeiter-
klasse mit allen Mitteln verteidigt werden mußte.
Karl Marx und rriedrich Engels folgend, vertrat der Grün-
dungsparteilag der KPD eine von der Bourgeoisie völlig unabhän-
gige. eigenständige proletarisch-revolutionäre Mililärpolitik. ln-
dem dns Programm der KPD den revolutionären Charakier 'der
Partei und ihre klare Abgrenzung von jeglichem Opportunismus
erklärte, traf es auch die entscheidende Aussage über die bis da-
hin fehlende führungskrall für eine revolutioniire Militärpolitik.
Die vom Parteitag entwickelte militärpolitische Konzeption folgte
den Traditionen des antimilitaristischen Kampfes der revolutionä-
ren deutschen Sozialdemokratie. Sich dem Beispiel der Sowjet-
macht zuwendend und gestützt auf eigene Klassenkampferfah-
48
•
rungen, nahmen die deutseben Kommunisten uuch in mililärpoli·
tist·hcn Grundfragen zunehmend leninistische Positionen ein. Der
Gründungsparteitag der KPD hob die 'otwendigkeit hervor, der
Gewalt der bürgerlichen Konterrevolution die revolutionäre Ge·
walt des Proletariats entgegenzustellen. Unter den konkreten
J(Ja~;,enkampfbcdingungen der Jahreswende 1918/19 - der dro-
hend<>n Gefahr einer Erdrosselung der Revolution - erforderte
das die umgehend e Bewaffnung der Arbeiterklasse. Oie KPD ver-
ln nf!te daher 1die Bewaffnung des Volkes und Entwaffnung der
lwrrschcnden Klassen•.
Oie einmütige Zustimmung der Delegierten des Parteitages zu
konsequent revolutionären Programmforderungen schuf gül1Stige
Voraussetzungen, um auch die noch recht un tersch iedlichen Auf-
fussungen iiber die unmittelbar in den Revolutionskämpfen ein-
wsrhlagcnde Strategie. Taktik tmd Militärpolitik einander anzu-
nähern. Oie Lageeinschätzung des Parteitages besagte, daß die
Re' olulion in Deutschland an einem Punkt angelangt sei, an dem
t•ntwcder die sich von ihren Illusionen befreienden Massen den
konst'quenten Kampf um die Macht aufnehmen oder die konter-
revolutioniiren Kräfte die revolutionäre Bewegung erdrosseln
würden. Einigkeit wurde über das folgende. militärpolitische Ak-
tionsprogramm zur Verteidigung der Revolution el"'t:ielt:
•1. Entwaffnung der gesamten Polizei, siimtlicher Offiziere sowie
drr nichtproletarischen Soldaten. Entwaffnung aller Angehöri-
gen der herrschenden Klassen.
2. Beschlagnahme aller Waffen· und Munitionsbestände sowie
Hüstungsbctriebe durch A.- und S.-Riite.
:1. Bewaffnung der gesamten erwachsenen männlichen proletari-
~chen Bevölkrrung als Arbeitermiliz. Bildung einer Roten
Garde aus Proletariern als aktiven Teil der Miliz zum sländi·
f!Pn Schutz der Revolution vor gegrnrevolutionären Anschlä-
~tcn und Zettelungen.
I. Aufhebung der Kommandogewalt der Offiziere und Unteroffi·
zirre. Ersetzung des militiirisehcn Kadavergehorsams durch
freiwillige Disziplin der Soldaten. Wahl aller Vorgesetzten
durch die Mannschaften unter jederzeitigem Hi.ickberufungs- .
rcrht. Aufhebung der Mililärgerichtsblll·kcit.
5. Entfernung der Q((iziere und Kapitultmtcn (freiwillig Länger-
dienende - d. Verf.) aus allen Soldatenriiten.
49
6. Ersetzung aller politischen Organe und Behörden des früheren
Regimes durch Vertrauensmänner der A.· und S.-Räte.
7. Einsrtzung eines Hevolutionstribunals, vor dem die Haupt·
schuldigen am Kriege und seiner Verlängerung, die beiden Ho-
hcnzollern, LudendoriT. Hindenhurg, Tirpitz und ihre Mitver-
brecher sowie alle Verschwörer der Gegenrevolution abzuur-
teilen sind.c
Oie Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands war
das wichtigste Ergebnis der ovemberrevolution. Oie Anwen-
dung grundlegender militärpolitischer Positionen der Bolschewiki
aur die konkreten Klassenkampfbedingungen in Deutschland
kennzeichnete ihren Gründungsparteitag wgleich als Beginn der
Ourchsetzung des Leninismus in der revolutioniiren Militärpoli-
tik der drutschen Arbeiterbewegung. Er wurde zu einem Ein·
schnitt, der dem militärpolitischen Wirken der deutschen Kom-
munisten Ziel und Richtung gab.
Berliner Januarkärnpre
Oil' Klassenauseinandersetzungen in den letzten \Vochen des
Jahres 1918 und insbesondere die Gründung der Kommunisti·
sehen Partei Deutschlands zeugten davon, daß sich die revolutio·
niken Kriirte enger zusammengeschlossen hatten und gewillt wa-
ren, die Errungenschaften der Revolution gegen jegliche
Anschlüge zu verteidigen. Oie Monopolherren und Militaristen
suchten dieser Entwicklung mit einer militärischen Gewaltaktion.
mit einer Provokation großen Ausmaßes zu begegnen. Oie KPD
sollte zerschlagen werden, bevor sie sich organisatorisch festigen
und eng mit den Iiassen verbinden konnte. Dem Zentrum der re-
volutionären Bewegung galt dabei erneut der konterrevolutionäre
llauptstoß.
Entscheidend für die Wahl des Zeitpunktes der Provokation
war, daß die Konterrevolution erst dann gegen die revolutionären
Kriiftr ßerlins losschlagen wollte, wenn sie üher eine erdrük·
kende rnililiirische Übermacht verfügte. !Iatte doch der geschei·
terte Anschlag nur die Volksmnrinedivision die Kumpfbereitschaft
drr ßl•rlincr Arbeiter gezeigt und glrichzeitig deutlich gemacht.
daß die Masse der Pronllruppen - auch die Gardeverbiinde -
50
als Werkzeug der Konterrevolution unbrauchbar war. Die Ober·
ste I Ieeresleitung entschloß sieb deshalb, die Schaffung spezieller.
Bürgerkriegsgarden zu forcieren.
Bereits seit Ende November/Anfang Dezember 1918 hatten
kai~rrliche Offiziere im Auftrag der OIIL in vielen Teilen
O!'utschlands der Reaktion ergebene Kräfte zu konterrevolutionä·
ren Formationen zusammengefaßt, denen sie die von 1812113
bekttnntr und populäre Bezeichnung • Freikorps• gaben. Diese
rekrutirrten sich vorwiegend aus dem Orriziers· und Unteroffi·
zirrskorps der kaiserlichen Armee, nus Studentenkreisen, aus
klcinbiirgcrlich-biiurischen Elementen sowie aus den Randschich-
ten der werktiitigen Klassen. Politisch-ideologisch standen die
Freikoq>s nuf dem Boden eines militanten Antikommunismus
und Chauvinismus mit starken monarchistischen Tendenzen.
Glirderung, Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung entspra·
chen ihrem Bürgerkriegsauftrag. Die Kommandogewalt der Offi.
ziere war in ihnen wieder völlig hergesteiiL Gestützt auf Geld mit·
tri des Reiches sowie auf beträchtliche finanzielle Zuschüsse von
Konzrrnen und reaktionären Organisationen, konnten die Frei-
korps ihren Angehörigen einen hohen Sold zahlen.
Ihr I laß gegen alles Fortschrittliche machte die Freikorpsange-
hürigrn zu erbittertsten Gegnern der revolutioniiren Arbeiterbe·
wcgung. Terror und Mord waren Bestundteil ihres Einsatzes. Ver·
wundern kann es deshalb kaum, daß viele ehemalige
Frc•ikorpsangehörige später einßußreichc. Funktionen in der SA
und SS sowie seit 1933 im faschistischen Machtapparat ausübten.
\ach dem Scheitern des konterrevolutionären Angriffs in den
\~ cihnachtstagen 1918 konzentrierte die Oberste Heeresleitung
in enger Zusammenarbeit mit dem rechten SPD-Pührcr Gustav
\oske, der seit dem 29. Dezember im Rat der Volksbeauftragten
für \lilitiirangelegenheiten verantwortlich war, reaktionäre Trup-
PI'n gegen Berlin. Diese sollten die revolutionären Kräfte noch
'Orden Wahlen zur 1ationalversammlung, die für den 19.jnouar
1919 unberaumt waren. militärisch niederwerfen tmd ihrer Füh·
rung beruuben. Resümierend stellte Generalleutnant Wilhelrn
Groencr in seinen • Lebenserinnerungen« hiertu fest: • Mit Be·
ltinn des Jahres 1919 durften wir uns wtrouen, in Berlin zuzu·
Pllc·ken und zu säubern. Alle Maßnohmcn jetzt und spiiter erfolg·
ten in engstem Einvernehmen mit der lleereslcitung, aber die
51
 l.ritung tmd die \ cmnt"ortung 'or Regierung und \ olk trug der
bald zum Reichs" ehnninister ernannte Xoske. der, den Fußtap-
fen Eberts folgend, ein festes Bündnis mit den Offizieren ein-
.
gmg.«
Ende Dezember wurden die um und in Berlin stationierten
konterrevolutioniirrn F'ormationen reorganisiert. Der Komman-
dierende General des lll.Armeekorps \ alther Freiherr von Lütt-
" itz löste Lequis ab. Oie Gardekavalleriescbülzendh1sion, das
• militärische Rückgrate des Generalkommandos, wurde südlich
'on Berlin, im Raum Tcltow stationiert und weiter aufgefüllt. Das
Freiwillige Lundcsjiigcrkorps des Generalmajors Gcorg Maercker
bezog im Lager Zossen Quartier. Im llaum Polsdttm formierten
sich das Regiment . Potsdamc, das Freikorps Hiilsen und das
Landesscbützenkorps. ln Berlin sclb t bildete Oberst Wilbelm
Hcinhard (später: S -Obergruppcnführer) aus Resten der Garde-
truppen und anderer rormalionen das Frci"~Uigenregiment Rein-
hard, das in den Moabiter Kasernen lag. So formierte sich Ende
•
Ül'zember 1918 eine gegen die revol utionären Kriifte Hcrlins ge-
richtete Stoßgruppierung von etwa I 0 000 Mann.
Das Zusammenziehen der Truppen stellte jedoch nur einen.
""nn auch den entscheidenden. Faktor in der konterre,·olutionä·
ren Verschwörung gegen die Berliner Arbeiter dar. Parallel
hierzu intensivierte die Konterrevolution die propagandistische
Vorbereitung der Provokation. Oie bereits lange vor dem ovem-
• bcr 1918 entfesselte Pogromhetze gegen Kar! Liebknccht, Rosa
Luxemburg und andere linke Kräfte erreichte zur Jahreswende
191811919 ein noch nie dagewesenes usmaß. Oie \ erlcumdung
drs Spartakusbundes bzw. der jungen KPO war eng verflochten
mit einer zügellosen antisowjetisc·hen Kampagne.
Mehr und mehr forciert wurde auch die Spitzel- und Diver-
sionstätigkeit gegen die revolutioniire Bewegung. llicruci tat sich
insbesondere die von Eduard Stadtier gegründete t Antibolsche-
" islische Liga« hcn or. ln seint>m Buch •Als Antibolschewist
191811919« bemerkte Stadtier zu dieser Seite der Tätigkeit sei-
nrr konterrevolutionären Organisation: • Wir hatten unsere be·
1.ohlten achrichtenlcute, die uns tiiglich iiber die Vorgiinge irn
kommunististht>n Lager informierten.«
Aber auch die Gardckavallericschiilzendivision und dus F'rei-
" illigenregiment Hcinhard ent" id.eltcn eigene Initiativen auf die-
52
.,cnt Gebiet. Oberst Reinbard beauftragte nach ufstrllung seines
Freikorps den Oberleutnant und späteren Hauptmann Eugen von
Kessel, innerhalb des Freikorps eine geheimpolizeiliche Sonder-
formation zur ßekiimpfung der progressiven Kriifte der Berliner
Arbeiterbewegung aufzustellen. Den Kern der . 3. StrcifkomJ)ß·
nie« - so lautete die Tarnbezeichnung dieses Militärpolizeior-
!!On~ - bildeten etwa 50 Beamte der von Emil Eichhorn aufgeli5-
~t<·n Politi chen Polizei. Zu ihnen gehörte auch der berüchtigte
lo.rirninalwachtmeister Ernst Tamschick, der spätere Mörder von
~.ro jogicbes und lleinrich Oorrenbach. Ocr Hauptschlag der
.3. Streifkompnnicc sollte der gerade gegründeten KPO gelten.
l m diesen vorzubereiten, versuchten ihre Spitzel, allerdings er-
folglos. in die llcihcn der KPO einzudringen. Doch lagen den
lo.onterrevolulioniircn bereits vor Beginn der Provokation genaue
Angaben über die führenden ~1itlieder, die Versammlungslokale
und Druckereien der KPO vor.
r-.achdern 'Sich om 4. Januar 1919 Friedrich Ebcrt und Gustav
oske in Zossen von der Einsatzbereitschalt
. der konterrcvolutio-.
nüren Truppen überzeugt hatten und offensichtlich mit dem
Stand der militiirischen Vorbereitungen zufrieden waren. hielten
die \'erschwörcr den Zeitpunkt für gekommen, die langfristig an-
gestrebte Provokation gegen die revolutionären Arbeiter Berlins
zu starten. 1och am seihen Tag teilte der preußische.lnnenmini-
~tcr Paul Hirsch dem Polizei präsidenten von ßedin Emil Eich-
horn mit, er sei entlassen. Eichhorn, der den linken Kriiften der
LSPO angehörte und große Sympathien bei den Berliner Arbei-
tern besaß. hatte sich durch die Aufdeckung 'on konterrcvolutio-
niiren Anschlägen verdient gernacht und erste Mußnahmen zur
Srharfung eines demokratischen Polizeiwesens eingeleitet. Das
und sein Auftreten für ein enges Bündnis mit Sowjetrußlnnd
brachten ihm den erbitterten I laß der Heaktion ein, der sich un-
ll'r anderem in einer seit den ersten Januartagen eskalierenden
"iisten Pressekampagne gegen Eichhorn iiußerte. Oie Entfernung
diP~es Revolutionärs aus der wichtigen Funktion des Berliner
Polizeipräsidenten zielte darauf ab, eine weiterl' l\lochtposition
drr Hevolution zu zerschlagen und die Berliner revolutionären
Arbeiter und Soldolen zu unvorbereiteten bewaffneten Auseinan-
d,·r~etzungen mit einem weit überlegenen Gegner zu provozie-
tl'll.
53
 \Vie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von Eich-
horns Absetzung. Oie Aussage Eichhorns . Ich habe mein Amt
von der Revolution empfangen, und ich werde c nur der Revolu-
tion zurückgeben• fand die volle Unterstützung der Berliner Ar-
beiter. Noch am 4. Januar 1919 begannen in Großbelrieben wie
Knorr-Bremse und bei der Eisenbahn Protcstslreiks. Auf einer
Beratung der revolutionären Obleute vom gleichen Tag, an der
auch Kar! Liebknecht und Withelm Pieck sowie Vertreter der
Leitung der USPD Groß·ßerlins teilnahmen, wurde beschlossen,
die Bevölkerung Berlins für den 5. Januar zu einer machtvollen
Protestkundgebung aufzurufen.
Oie Mehrheit der Berliner Arbeiter halle sofort erkannt, wel-
cher Schlag mit der Absetzung Eichhorns gegen die Revolution
geführt werden sollte. Am 5. Januar zogen mehr als I 00 000 Ar-
beiter und Soldaten durch die Stadt zum Polizcipriisidium am
Alcxnndcrplatz. Sie fo•·derlen die Zurücknahme der Entlassung
Eichhorns, die Entwaffnung der konterrevolutionären Truppen
und die Bewaffnung der Arbeiter. Bewaffnete Gruppen des Roten
Soldatenbundes und aus den Großbetrieben, Lastautos mit ~a­
chinengewehren begleiteten den Oemonstralionszug. Die Mas-
sen waren bereit, die Errungenschaften der Revolution auch mit
der Waffe zu verteidigen.
Von ein~m Hohenzollerndenkmal, am Gebäude des preußi·
sehen Ministeriums des lnnern und vom Balkon des Polizeipräsi-
diums sprach Kar! Liebknecht zu den Demonstrtmten. Er for-
derte zu entschlossenem Handeln auf. Gleichzeitig warnten
Liebknecht und auch die anderen Redner davor, sich zu unüber-
legten Handlungen hinreißen zu lassen.
ln dieser Situation traten von der Konterrevolution gedungene
Elemente auf den Plan. Sie nutzten den Haß großer Teile der
Ocrliner Arbeiter gegen di e antikommunistische lletzc und Ver-
• leumdung verbreitenden Presseorgane aus und riefen zur Beset-
zung des Berliner Zeitungsviertels auf. Ein Agent sagte später
aus, daß er im Auftrag der Regierung an diesen Vorgängen betei-
ligt gewesen sei, getarnt als Mitglied des Roten Soldntenbundes.
'ioch am Abend des 5. und in der Nacht zum 6.Januar besetzten
Arbeitergruppen das • \ orwiirtsc-Gebäude, die bürgerlichen Zei-
tungs,erlage und das Wolffsche Telegrafenbüro. Orunit war eine
von der Konterrevolution erwünschte Situation entslnnden, die
54
als \ orwand benutzt werden konnte, mit bewaffneter Gewalt ge-
gen die Arbeiter ßerlins 'orzugehen.
,\m Abend des 5. Januar wurde von den Hcvolutioniiren über
"eitere Kampfmaßnahmen beraten. Teilnehmer wnren die revo·
tutioniiren Obleute der Berliner Großbetriebe und die Leitung
der ßerliner US PO, Kar! Liebknecht und Withclm Pieck von der
KPD sowie je ein Vc•·h'etcr der jetzt in die Republikunisehe Sol-
datrnwehr integrierten Restformolionen der Volksmnrinedivision,
dt•s Zentralrates der Marine tmd des Zentralrates der Eisenbah-
ner. Die ~ lehrheit der Anwesenden forderte den Stun der Regie-
nmg. Der Vertreter der !loten Malrosen erklärte, daß sowohl die
\lntrosen als auch die meisten Soldaten der Berliner Garnison
bereit stünden. um gegen die Regierung zu kämpfen. Dieser Be-
richt war jedoch - wie sich bald zeigte - zu optimistisch gefärbt.
Lntcr dem Eindruck der MnsscndemonstnJtioncn und der [nl-
sclwn Einschätzung des Grades, den die revolutionäre Bereit-
schaft der Volksmassen erreicht haUe, wurde die Entscheidung
getroffen, die Berliner Arbeiter und Soldaten für den 6. Januar
zum bewaffneten Kampf gegen die Regierung Ebert-Scheide-
mnnn und für die Eroberung der Macht aufzurufen. Karl Lieb-
knecht und Wilhelm Pieck standen dabei vor einer schweren
Entscheidung. Abseits stehen konnten die Kommunisten ange-
sichts der sich entwickelnden revolutionären Mussenbewegung
nit·ht. Sie gaben deshalb dem Beschluß ihre Zustimmung. Zur
Lt•itung des Kampfes bildete sich ein Hevolutionsnusschuß aus
33 \1 itgliedern, dem alle an der Beratung beteiligten Organisatio-
nt•n und Räte angehörten.
\lit dem 6.Januar 1919 setzte der Generalstreik in ganz Berlin
!'in. \och am Vormitlag dieses Tages zog über eine halbe Million
1\rbt:'iter und Soldaten unter Hochrufen auf Kar! Liebknecht,
Rosa Luxemburg und Emil Eichhorn durch die Berliner lnnen-
Mnllt. ÜberaU wurde die Forderung nach Waffen erhoben. Auf
lnitintive von Kommunisten und revolutionären Obleuten holten
\llltrosen und Arbeiter aus den staatlichen Depots und Waffen-
" t•rt..stiitlcn in Spandau und Willenau Waffen nach ßerlin, die im
\larstall und im Polizeipriisidium verteilt wurden. Etwa 3 000 Ar-
ht:'itl'r konnten bewaffnet werden. Hierdurch und da zahlreiche
Ct'" ehre seit Revolutionsbeginn in den Hiindcn 'der Arbeiter wa-
1'\'n, ließ sieb die ßewaffnungsfragc relntiv leicht lösen.
55
 Um jedoch eine einheitliche Kampforganisation aufzustellen,
bedurfte es einer anerkannten rührenden politischen Kraft und
erfahrener militärischer Kader, die fest an der Seite des Volkes
standen. Beides fehlte im Januar 1919. Der Revol utionsausschuß,
in Sl.'i ner Mehrheit USPD-Funktionäre, erwies sich als unfähig,
e ntschieden zu handeln und die kampfhereilen Massen zu füh-
ren. Zehntausende Berliner Arbeiter und Soldaten warteten auf
klure Anweisungen. Der Hevolutionsausschuß beriet jedoch nu r
in Permanenz; und die Ue rliner Leitung der USPO sowie die
\lc hrheit der revolutionären Obleute beschlossen, Verhandlun·
gl'n mitI
der Regierung aufzunehmen.
Oieses unheilvolle La' ieren verschaffte nur der Konterrevolu·
tion, die von der Wucht der Ereignisse überrascht wurde, Vor·
teile. Sie erhielt eine willkommene Atempause w1d Ze it zur Her·
anführung weiterer militärischer Kräfte.
Angesichts der unmittelbar drohenden Gefnhr eines konterre·
volutioniiren Angriffs hülle d er Revolutionsnusschuß als wichtig·
ste ofortmaßnohmen beschließen müssen: ollgemeine Bewaff.
nung der Berliner Arbeiter, Besetzung aller für die Verteidigung
ßerlins wichtigen Positionen. Doch außer dem Zeitungsviertel
und einigen Bahnhöfen, Kasernen und öffentlichen Gebäuden
wurden nur wenige militärisch ...~chtige Punkte ße rlin s zur Ver·
teidigung vorbereitet
Am 6)anuar zeigte sich schließlich oucb, daß di e in ßerlin sta·
tionic rten Truppen des frühere n kaiserlichen Heeres nicht zu den
Arbeitern übergingen, sondern versuchten, »neutrale zu bleiben.
Welch schwankende Haltung die Soldaten der Berlin!!r Garnison
einnahmen, beweist unter anderem das Verhalten der Gardefüsi·
liere, der »Maikäfere. achdem sie in Alarmbereitschaft versetzt
und Maschinengewehre postiert worden waren, kam es am Mittag
des ?. Januar zum Schußwechsel zwischen Soldaten und bewaff.
ncten Arbeitern. Vor der Kaserne wurde ein Schild aufgestellt:
»Wir sind für Scheidemann!c Andererseits wollte der Soldatenrat
des llegiments am sclben T ag dringend von oske erkliirt haben,
weshalb er denn nicht ihre Offiziere durch »Kameraden aus UD·
serer Mittee ersetzen lasse. Schließlich erklärte sich das Regiment
für »neutrale. Ähnlich verhielten sich auch die a nderen Trup-
pen teile der Berliner Garnison.
In zwischen rüstete die Konterrevolution ~um Angriff. Um die
56
\ oll.smassen über den wahren Charakter der • Hcgicrungstrup-
rlfn• zu täuschen. setzte sie an ihre Spitze einen rechten Sozial-
demokraten. Gustav Noske wurde am 6. Januar zum • Oberbe-
fehlshaber der regierungstreuen Truppen in und bei Berline
eruannt. Er übernahm seine Funktion mit den Worten: »Meinet·
,. rgcn! Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verant-
"ortung nicht.•
'oske machte sich mit großer Energie doran, die gegen Berlin
aufgestellten konterrevoluUonliren Formationen zu einer einheitli·
r hen Truppe zusammenzufnssen. Um dafür und für die Heran·
führungweiterer Verstärkungen Zeit zu gewinnen, ging die Regie-
ru ng au f das von USPD-Führem und revolutioniiren Obleuten
, orgetragene Verhandlungsangebot ein. Unter diesen Umständen
t•r-.. icsen sieb die in der 111cht zum 7. Janunr aufgenommenen
\ t'rhan dlungen, für deren Dauer Waffenruhe verei nbart wurde,
ulo reine F~~rce.
Bereitsam 6./7. Januar hatte die Konterrevolution erste Trup·
prnkontingente gegen die revolutionären Kräfte eingesetzt. ln
' rr;,chiedenen Stadtteilen ßerlins begannen vereinzelte, aber hef·
tigr l\.än1pfe. Vom Balkon des Leopold-Palais in der '\ ilhelm-
olraße feuerten Maschinengewehre d es Freiwilligenregiments
Hcinhard in di~ Menge. 60 Demonstranten fielen diesem Überfall
zum Opfer. Um den Schlesischen Bahnhof entspann sich ein
fiinfstündiges Gefecht, in dem auch Artillerie-eingesetzt wurde.
Dir Versuche der Arbeiter, die Kommandantur und das preußi-
sche Kriegsministerium zu besetzen, schlugen fehl. Dagegen wur·
dt•n auf der Pionierkaserne in der Köpenicker Straße, dem Pro-
' iontarnt und dem l-laupttelegrafenamt rote Fahnen gehißt
ln dieser angespannten Situation trat die Zentrale der KPO am
8 . .Januar zusan1men. Vor allem Rosa Luxemburg kritisierte
scharf das Versagen der USPD-Leitung Groß.ßerlins und der re·
volutionären Obleute. ln einem am seihen Tag verbreiteten Flug·
blatt warnte die KPO vor dem drohenden Einmarsch der konter·
revolutionären Truppe n, rief sie zur Bewaflnung der Arbeiter
und zur Entwaffnung der Konterrevolution auf: »Rüstet Euch!
Jrder waffenfähige Mann versehe sieb mit einem Gewehr! Jetzt
iM t•s Zeit, daß alle Be-..affneten sich einheitlich in geschlossenen
Fnrmationen zusammenfinden: j e tz t ersteht die Hole Ga.rde. Ent·
" affnet alle Gege nrevolutioniire. c
57
 ln diesen bewegten Tagen und ächten waren die Führer der
KPD pausenlos unterwegs, um in den bewaffneten Kampftrupps
und Führungsgremien der revolutionären Arbeiter und Soldaten
die unmittelbaren Aufgaben zu erläutern, die Kämpfer anzuspor-
nen, zur Wah l entschlossener Führer aufzurufen. So besuchten
Karl Lieb.kncc ht, Wilhelm Piec.k und Otto Franke am 8. Jnnuar
die Besatzung des »Vorwärls«-Gebiiudes, zu der auch Eugen Le-
vine und Karl Liebknechts Sohn Wilhelm gehörten. Stürmisch
wurden sie von den bewaffneten Arbeitern begrüßt. Über den ln-
halt der im Hof des • Vorwärts• von Karl Liebknecht gehaltenen
Rede berichte! ein Arbeiterkämpfer: • Er erklärte, daß die Führer
der US PD nur eine ll inhaltepolitik übten; sie ließen Hunderttau-
sende von Berliner Arbeitern immer noch ohne Direktive ...
Liebknecht appellierte an uns, unfähige Führer sofort abzusetzen.
und an ihrer Stelle der Arbeiterklasse und der Revolution bis
zum letzten treu ergebene Arbeiter einzusetzen.•
Am ll.Januar begann unter Bruch des vereinbarten WaffensliU-
slandsabkommens der st ufenweise, sich Zug um Zug eskalie-
rende AngriH der konterrevol utioniiren Truppen. Der Revolu-
tionsa usschuß rief ern~ut d ie Arbeiter und Soldaten Bcrlins auf,
in den Generalst re ik zu treten tmd sich zu bewaffnen. Jedoch er-
hielten die kampfbereiten Massen .keine konkreten Riebtlinien
hierfür. Am I 0. Januar entsclüeden die USPD-Fiihrer sogar, er-
neut mit der Regierung zu verhandeln. Angesichts dieser ver-
hängnisvollen Politik des Revolutionsausschusses beschloß die
Zentrale der KPD noch am Abend desselben Tages, il1re beiden
Vertreter aus dem Ausschuß abzuberufen.
Die Konterrevolution nutzte die Zeit des Verhandeins insbe-
sondere dafür, weitere militärische Kräfte aus nnderen Teilen
Deutschlands hernnzuziehen. Am I0. Januar 1919 hatten die ge-
gen die Berliner Arbeiter aufgebotenen »regierungstreuen Trup-
pen• eine Stärke von 80 000 Mnnn erreicht. oske befahl, jeden
Revolu tionär, der mit e iner Waffe nngetroffen wurde, sofort zu er-
schießen. Damit gab es im vorhinein eine regierungsoffizielle Bil-
ligung für das Wüten des weißen Terrors, das nun begann. Die
anti kommunistisch verhetzte Soldateska ging mit Tanks, Panzer-
kraftwagen, Artillerie, Min en- und Flammenwerfern sowie schwe-
ren MaschiJlcngewehren gegen die mangelhaft bewa[fnetcn, ohne
zentral e Führung kämpfenden Arbeiter vor. Trotz großer Verlu-
58
ste verteidigten die Arbeiter die von ihnen besetzten Bahnhöfe,
Gebäude und nnderen Stützpunkte oft bis zur letzten Patrone.
Der erste entscheid ende Schlag der Konterrevolution galt den
revolutionären Kräften in Spandau. Hier hatten am 9.Januar Ar-
beiter und Soldaten das Rathau s besetzt. Der Arbeiter- und Sol-
datenrat verfügte über die dortigen Waffenfabriken. Am Morgen
des I 0. Januar eröffneten Haubitzen das Feuer auf das Rathaus
und schossen es stunureif. 63 Revolutionäre wurden gefangenge-
nommen. Mehrere Arbeiterfiihrer, darunter der Kommunist Ro-
bert Pieser - Vorsitzender des Arbeiterrates -, wurden sofort er-
schossen. Der Vorsil:.tende des Soldatenrates Max von Lojewski
"'urde mit einigen Arbeitem in der acht vom 16. zum 17. Ja-
nuar im Tcgeler Forst feige e rmordet.
E:twa zttr gleichen Zeit wie in Spandau entwicke lten sich in
verschiedenen Stadtteil en Berlins heftige Kämpfe zwischen den
vorrückenden konterrevolutionären Truppen und den ihre Posi-
tionen verteidigende n Arbeitern. ln der Tacht vom 9. zum I O.Ja-
nuar kam es nn den Bahnhöfen Halensee und Zoo zu e inze lnen
Gefechten. Eine Gruppe revolutionärer Matrosen nahm die
Eisenbahnmeisterei am Markgrafendamm ei n. Die Druckerei der
• Roten Fahne« wttrde von der Konterrevolution besetzt. Am Mit-
tag des I O.Januar entfesselten Vorausabteilungen d er konterrevo-
lutionären Truppen bewaffnete Auseinand ersetzungen am Zen-
tralviehhof. Sie begannen, ins Zeitungsviertel vorzurücken.
ln der acht vom I 0. zum II. Januar bereiteten die Angehöri-
gen des Regiments »Potsdam« den Angriff auf das Zentrwn des
revolutionären Widerstands, das ~ Vorwärts «-Gebäude, vor. Seine
Besatzung, die sich in 3 Kompanien gliederte, bestand aus etwa
500 Kämpfern, vor allem aus Arbeitern der Scbwartzkopif-
\Verke, der AEG-Betriebe und d er Knorr-Bremse. ln kurzer Zeit
war hier eine straffe militärische Ordnung eingeführt worden,
eine schlagkräftige Formalion der Berliner Arbeiter entstanden.
Ein Schützengraben, der vom »Vorwärts«-Gebäude bis zum Pa-
tentamt re ichte, wurde nngelegl. Probealanne, Waffenappelle und
Ausbildung an den Waffen fnnden statt. Zum Revolutionsaus-
schuß, insbesondere zu Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck, be-
standen e nge Verbindungen. Die im • Vorwärts• entstandene
Kampfleitung unternahm den Versuch, die Besatzungen des Zei-
tungsvierte ls z u führen.
59
'
 .
Zu den Verteidigern des • Vorwiirtsc-Gebiiudes
eine Gruppe italienischer lnternationalislen. Unter Führung von
Fran()('SCO 'vtisiano, einem bekannten itolirnischen Hevolutionär
und Journalisten, hatten sich Oresle Abbote, \ lario Accomasso.
Ouillo ßalduini und weitere italienische Hevolutionäre an die
Seile ihrer deutschen Klassenbrüder gestellt. Seil dem 5. Januar
gehörten sie zur 2. Kompanie der • Voruiirtsc-Besotzung.
Eine PD-Delegation versuchte am I 0. Januar, die Kämpfer •
des • \ orwiirts« zur kampflosen Übergabe des Gebäudes zu über-
rrdcn. Oieses Ansinnen wurde einmUtig abgelehnt. Während der
VerhClndlungen schlossen die konterrevolulioniiren Truppen den
Hing um den • Vorwärts• enger. Sie bcsetzlcn Gebäude in der
Nachbarschnfl, brachten Maschinengewehre und Geschütze in
glinsligc Stellungen. Oie Verteidiger bemerkten diese Vorberei-
tungen und konnten einige der konterrevolulioniiren Söldner ge-
fangcnnehmen. Oie • Vom·ärtsc-ßesotzuns "urdc in Alarolhereit-
schalt 'ersetzt.
Im Morgengrauen des II. Januar begann der Angriff auf den
• \ orwärtsc. Gegen die Handfeueru affen der Arbeiter setzten die
Regierungstruppen Minenwerfer und Feldhaubitzen ein. Für die
Verteidiger unerreichbar, eröffneten sie aus diesen das Feuer.
ach viertelstiindigcm Beschuß gingen unter dem Feuerschutz
der schweren Maschinengewehre Stoßtrupps mit gebündelten
Handgronaten vor. Dieser Angriff brach jedoch im Abwehrfeuer
zusammen. un beschossen die konterrevolutionären Truppen
zwei Stunden lang das Gebäude vom Dach des Vorderhauses bis
zum Keller, in dem sich die Verwundeten befanden. Oie Fassade
wurde zerstört, im Papierlager brach Feuer aus. Als weiterer Wi-
derstand sinnlos geworden war. entsandten die Arbeiter Parla-
mentiirc, zu denen auch der Dichter ~ emer \ löller und der Re- -
~·

dakteur Wolfgang Fernhoch gehörten, um Kapitulationsverhand-

lungen zu rühren. Möller, Fernbach und fünf andere
Parlamentäre wurden viehisch ermordet. Ebenso erging es vielen
der Verteidiger des • Vorwärtsc-Gebiiudcs. Sie wurden mit Peit-
schen und Gewehrkolben in die Gefangenschaft getrieben, ein ...,"
Teil wurde erschossen.
Am II. Junullr 1919 nallmen die llcgicrungslruppcn auch die
anderen G<'bäudc des Zeitungsviertels ein. Oie Verteidiger des .:
\llossc-Verlagshauses schlugen mehrere Angriffe der kontcrrevo- Cl

•
llO 61
lutionören Söldner zurück. Erst nach dem Fall des • Vorwärts.
wurde der geordnete Rückzug beschlossen. Die Revolutionöre
konnten fost vollzählig entkommen. Auch die meisten Kämpfer in
den anderen \'erlags· und Druckereigebäuden lösten sich unter
~litnahmc ihrer Waffen vorn Gegner und entgingen so der Gefan-
genschaft.
Die lrtztcn Kämpfe fanden am 12.Januar um das Polizeipräsi-
dium statt, wo sich noch etwa 300 Arbeiter, Matrosen und Solda-
ten verteidigten. Der Angriff begann bereits kur-t nach Mitter-
nac-ht. Die Regierungstruppen eröffneten aus Mnschinengeweh-
rcn das Feuer auf das Gebä ud e. Im Morgengrauen traten
Fcldgcst"hiitzc und schwere Haubitzen in AkHon. Dann stürzten
sirh zwei Stunntrupps mit gebündelten ll undgrannten auf die
Verteidiger. Der Kommandant des Polizeiprüsidiums, der Kom-
munist Justus Braun, und vier seiner Mitkämpfer wollten in aus-
sichtsloser Lage Übergabeverhandlungen aufnehmen. Sie wurden
von drr Konterrevolution ermordet. Die Überlebenden der Besat-
zung wurden gefangengenommen, mißhandelt, mehrere an Ort
und Stelle erschossen.
Mit den Kämpfen mn das Polizei präsidium war der Wider-
stand der revolutionären Berliner Arbeiter, die sich zwar helden-
haft gewehrt, aber uneinheitlich gehondelt lullten und ungenü-
gend orgonisiert waren, gebrochen. ßerlin wurde völlig von den
kontl'rrevolutioniiren Truppen besetzt. Bei großangelegten Waf-
fen suchaktionen tobte sich der weiße Terror gegen die revolutio-
nären Kriirte ßerlins, insbesondere gegen Kommunisten aus.
llunderte Arbeiter wurden ins Gefängnis geworfen. Auch die her-
vorragenden Führer der deutschen Arbeiterklasse Karl Lieb-
knecht und Rosa Luxemburg fielen am 15.Junuar 1919 der Kon-
terrevolution in die Hände und wurden von dieser bestialisch
ennordel. Der Verlust ihrer erfahrensten Führer, die so bald
nicht zu ersetzen waren, bedeutete flir die noch ungcfesligte KPD
einen schweren Schlag.
Am srlben Tag erschien in der . Roten rahnec das revolutio-
niirt• Verrniichtnis Kar I Liebknechts •Trotz alledem! c, das die
brrzeugung vom endgiiltigen Sieg der deutschen Arbeiterklasse
7.um Ausdruck brachte: • Die Besiegten der blutigen Jonuarwo-
che, sie hnbrn ruhmvoll bestanden; sie haben um Großes gestrit-
ten. ums edelste Ziel der leidenden Menschheit. um geistige und
62
018tcrielle Erlösung der darbenden Massen ... Die Geschlagenen
von hrute werden die Sieger von morgen sein.c
Oie Januorkämpfe in ßerlin endeten mit einer Niederlage der
rt'' olutionärcn Kräfte. Die heroisch kämpfenden Arbeiter erlagen
rin('r mehrfachen Übermacht konterrevolutionärer Truppen. in
den jonuarkiimpfen holten die Kommunisten fest an der Seite der
\rbcitcrkampfgruppen gestanden. Die KPD war jedoch unmittel-
bar nach ihrer Gründung noch nicht in der Lage, solch eine .\1as-
scnbrwegung zu fiihren und spontan ausgebrochene in organi-
sier!!• bcwnffncte Kämpfe hinüberzuleiten.
Mit d(•r brutalen Niederschlagung der revolutioniiren Arbeiter
in ihr<•r sliirkstcn Bastion, in der ll nuptstadt Berlin, halte die
Konterrevolution gewaltsam die oraussctzungcn für dos Zustan-
ch•komrnrn der ationalversammlung geschofrcn. Oie in einer t-
rnosphärc der nterdrückung und des Terrors am 19. Januar
1919 stallfindend en Wahlen brachten eine \ lchrheit für die bür-
grrtichcn Parteien. Als stärkste Partei gi ng dir SPD aus den Wah-
ll'n hrrvor.
Die Verteidigung der Bremer Räterepublik
Anfong 1919 ging die Konterrevolution in Deutschland dazu
iihcr, die Arbeiterzentren nacheinander mililiirisch nieder-.mschla-
g<·n. Während die Reaktion iiber zentrnl geführte Machtorgane
verfügte, blieb die revolutionäre Bewegung (irtlich begrenzt. ln
ihrer strategischen Konzeption berücksichtigt(' die Reaktion, daß
die ihr zur Verfügung stehenden Kräfte noch nicht duzu ausreich-
ten, ihre Ziele in ganz Deutschland mit einem Schlag zu verwirk-
lidll.'n. Desholb führte sie ihre schon in den januarkämpfen ange-
"andtr Taktik fort, die revolutionären rbcitrr \'Or-LC'itig in lokale
bt•waffnete Konnikte zu verwickeln. Sie suchte sie möglichst von-
einander zu isolieren, um sich regional l'in mililiirisches Überge-
wi<'ht zu schoffcn und durch konzentriert en F:insnt.z der Truppen
die Arbeiter in den revolutionären Zentren nocheinander nieder-
'"\'l"f('n und entwaffnen zu können.
Zur Vcr·teidigung der 1 ovember~rrungenschnftcn rei!1ten sich
immer mehr Arbeiter in die örtlichen Abwrhrfronten ein. Viele
\ olks,vehren erreichten dadurch während der bewaffneten Aus-
63
cinaJldersetzungen im Frühjahr 1919 den llöbepunkt ihrer r.nt.
wicklung. Doch blieb die Volkswehrbewegung ebenso wie die Rä-
tebewcgung nach wie vor örtlich zersplitlert.
\ach der blutigen Niederwerfung der Berliner Arbeiter in den
Januarkämpfen unternahmen die nun in ganz Deutscbland Gu-
sla\ \oske unterstehenden »regierungstreuen Truppenc Unter-
driickungsfeldzüge gegen die Arbeiter einzelner Großstädte und
Industriegebiete. Ende Januar/Anfang Februar rüstete die Kon-
terrevolution zum Schlag gegen die Bremer Räterepublik.
Ihren stärksten Widerhall hatten die Ocrliner januarkämpfe in
der Freien Hansestadt Bremen gefunden, wo die Kommunisten
großen Einnuß in der revolutionären Bewegung besaßen. Fest
entschlossen, die Berliner Werktätigen wirkungsvoll zu unterstüt-
zen, rit'fen die Bremer Kommunisten gemeinsam rnit der USPD
am IO.Januar 1919 zu einer Massendemonstration auf, nachdem
sich \ crtreter beider Parteien darüber verständigt hatten, eine
Riilcrepublik zu proklamieren. Etwa 30 000 Demonstranten zo-
gen am ~achmittag dieses Tages zum llathaus. Der hier tagende
Aktionsausschuß der Arbeiter- und Soldatenräte Bremens ließ
nach kurzer Beratung die Errichtung der sozialistischen Republik
Bremen ausrufen. Ein Rat der Volkskommissare aus Mitgliedern
der KPD und der USPD wurde gebildet, die vöUige Ausschaltung
der alten Machtorgane, die Entwaffnung aller bürgerlichen Eie·
rnonlc und die Bewaffnung der Arbeiter beschlossen.
Die lloffnung, daß sich dem Bremer Beispiel weitere Orte
orddeutschlands anschließen WÜrden, erfüllte sich nur in gerin·
gern t\ laße. Am !!.Januar wurde in Cuxl1aven und den angren·
zenden preußischen Kreisen I ladein und 1euhaus die sozialisti·
sehe Hepublik proklamiert.
Die Bremer Räteregierung bt'gann sofort, auf sozialem und
l..ommunalpolilisehem Gebiet \laßnahmcn im Interesse der
Werl..tätigen einzuleiten. Das Einkommen der Arbeiter, Ange-
stellten, Lehrlinge und Beamten sowie die Unterstützungen für
Kricgslwschiidigte und Arbeitslose wurden rrhöhl, die Lebens·
mittel gerechter verteilt. Das erregte den fluß nicht nur der Bre·
mrr Großbourgeoisie.
Auf deren Drängen beschloß am 25.Janunr 1919 der Rat der
Volksbeauftragten unter Ebert die • Rcichsexckution« gegen die
Br('mcr llätcrepublik. Am 28. Januar wurde die koolerrevolutio·
64
närc F'reiwilligendivis.ion des Obersten Wilhelm Gerstenberg von
ßerlin in Richtung Bremen in Marsch gesetzt. Sie zählte etwa
3 500 Mann und verfügte über 24 Geschütze. Außerdem wurden
ihr die I. Marinebrigade aus Kiel sowie Kavallerie- und Flieger·
einheilen zugeteilt. Gerstenberg hatte den Auftrag, Bremen zu
besetzen, dort den Belagerungszustand zu verhängen, die Rätere-
gierung abzusetzen, bewafEneten Widerstand konsequent zu bre-
chen und die Arbeiter und Soldolen zu entwaffnen. Anschließend
sollte er auch in Bremerhaven, Cuxhaven und Emden • Ordnung
schaffen«. Im Einsatzbefehl hieß es, daß • bewaffneter Wider·
stand rücksichtslos zu brechenc sei.
Den bürgerkriegsmäßig bewaffneten und ausgerüsteten Frei-
korps traten die zahlenmäßig weit unterlegenen Arbeiter· und
Matrosenformationen der Bremer Räterepublik entgegen, die au-
ßer Infanteriewaffen nur 2 leichte Geschütze besaßen. An der
Seile der Bremer Volkswehr und der wenig kampferfahrenen Ar-
bcilemlilizen der Weser-Werft und anderer Großbetriebe stand
zu Beginn des Angriffs lediglich noch eine aus Cuxhaven heran-
geführte Abteilung von etwa 250 Matrosen.
Ihre Entschlossenheit zur bewaffneten Abwehr des konterre-
\ olutionären Angriffs demonstrierten die Verteidiger der Bremer
lliiterepublik seit dem 2. Februar. Oie Cuxhavener Matrosenab-
ll'ilung fühlte nordöstlich Bremens vor, um mit den erwarteten
IIomburger Kontingenten zusammenzutreffen und in die Flanke
dr r östlich der Weser entfalteten I. Marinebrigade zu stoßen.
Gleichzeitig erreichte das Gros der Bremer Arbeiterformationen
frontal die Linie Hemelingen-Sebaldsbrück. Geringere Kräfte der
\ olkswehr hielten dje ausgebaute Flankenstellung im Stadtrand-
gebiet auf dem westlieben Weseruier und an den Weserbrücken
gegen die dort vorgehende 3. Landesschützenbrigade und eine
bürgerliche Bremer Freiwilligenabteilung unter Major Caspari.
Die Bremer und Cuxbavener Kämpfer bauten fest darauf, von
dc:>n Räten der Wasserkante unterstützt zu werden. Doch diese
llilfc blieb aus. Etwa 3 000 Hamburger Arbeiter, an deren Be-
waffnung Ernst Thiilmann führend beteiligt war, uniernahmen
den Versuch, nach Bremen zu gelangen. Sie wurden aber durcb
(•inen von reaktionären Kräften inszenierten Eisenbahnerstreik
daran gehindert.
Der Kampf um Bremen begann am frühen Morgen des 4. Fe-
65
bruar 1919 mit Vorpostengefechten. Gegen 10 lJhr gi ngen
Freikorps ohne Rücksicht auf die Bevölkerung mit Artillerie, Mi-
nenwerfern, Maschinengewehren und Tanks zum konzentrischen
Angriff auf die Stadt über. Das Artilleriefeuer richtete sich auf die
Stadtmitte; wo sich das Rathaus, der Dom und der Markt befan-
den. Über Bremen kreisten Flugzeuge. Es gab viele Opfer, auch
unter Unbeteiligten. Da die meisten Änte in Bremen zu diesem
Zeitpttnkt einen konterrevolutionären • Gcgenslreikc verkündet
hatten, übernahmen Arbeiterfrauen d.ie Versorgung der Ver.vun-
deten.
Die tapfer kämpfenden Anhänger der Bremer Räterepublik
verteidigten besonders hartnäckig die Bahnhöfe Sebaldsbrück
und I-Iuchting, den Osterdeich und die \Veserbrücken. Vergeb-
lich versuchten die Angreifer, die nur von geringen Kräften der
Bremer Revolutionäre gehaltenen Brücken nach Nordosten zu
überschreiten. Sie hatten dabei erhebliche Verluste. Karl Jan-
nack - Verteidiger der Bremer Räterepublik ttnd Mitglied der
Bremer Räteregierung - gibt ein anschau liches Bild dieser hel-
denhaften Kämpfe: •A,n der Weser sperrten Matrosen den Wei-
ßen den Übergang über den Fluß.· Aw dem Dach eines Hauses
hatten sie das einzige schwere Maschinengewehr, das sie besa-
ßen, aufgebauL Jeder Versuch der Weißen, Boden zu gewinnen,
blieb erfolglos. Das hämmernde Tack-tack-tack des Maschinenge-
wehrs zerschlug a.lle Angrirfe und bedeckte die Straßen mit Toten
und Ver.,.undeten. Die meisten Matrosen waren schon in·1 Kugel-
hagel der Weißen gefallen, doch immer wieder griff einer der tod-
wunden Verteidiger nach der Waffe und trieb die Scharen der
Angreifer zurück. Die Helden kämpften, bis ein Artillerievolltref-
fer sie zerriß.c
Auch nachdem die Bremer Arbeiter dem Beschuß der Feldar-
tillerie, der Minenwerfer und schweren Maschinengewehre aus-
weichen mußten, blieb ihr Mut ungebrochen. Kämpfend zogen
sie sich zurück. Als sich die HoUnung auf Waffenhilfe von den
revolutionären Arbeitern der \Vasserkante nicht erfüllte, war
ihnen klar, daß Bremen nicht gehnlten werden konnte. Gegen
22 Uhr ordnete das revolutionäre Oberkommando die Einstel-
lung des Kampfes an. Bei der Weser-Werft sammelten sich die
Verteidiger der Bremer Räterepublik, um sich nach Cuxhaven zu-
rückzuziehen.
66
Oie Art und Weise, wie sich die Revolutionäre vom überlege-
nen Gegner lösten, wie diszipliniert ttnd gut gedeckt sie sich zu-
rückzogen, zeugten vom militärischen Können und der hohen
Kampfmoral der Verteidiger der Bremer Räterepu blik. Ermög-
licht 'vurde der geordnete Rückzug vor allem dadurch, daß die
im 1-lemelinger Rathaus stationierte achhut ihren Auftrag vor-
bildlich erflillte.
Revolutionäre Arbeiter und Matrosen Bremens und CltXha-
vens hallen der konterrevolutionären Übermacht heroischen Wi-
derstand entgegengesetzt. Angesichts der erdrückenden Über-
macht nmßten sie sich zurückziehen. Oie Leitung des Kampfes
durch ein Oberkommando sowie die gute Organisation und Diszi-
pli n bei den Abwehrkämpfen zeigten, welche militärischen Poten-
zen die revolutionären Kräfte Anfang 1919 der Reaktion entge-
gensetzen konnten.
Die Erhebung der Br·emer Arbeiter widerspiegelte den Drang
der fortgeschrittensten Teile des deutschen Proletariats nach
einer grundlegenden Veränderung der Machtverhältnisse. Dieser
heroische Versuch scheiterte jedoch. Eine so isolierte revolutio-
näre Bewegung konnte nicht siegen.
Am 9. Februar 1919 besetzten konterrevolutionäre F reikorps
ßremerhaven, Geestemünde und Lehe. Einen Tag später sollte
eine . Strafexpedition« gegen CltXhaven statlfinden. Aber die Re-
volutionäre zogen bereits vorher die Konsequenz aus der verän-
derten Lage und gaben ihre Machtpositionen auf. Mit der militä-
rischen BesetzLmg dieses Gebietes stellte die Reaktion nach
Berlin in einem weiteren revolutionären Zentrum unter Anwen-
dung von brutaler bewaffneter Gewalt wieder • Ruhe und Ord-
nung« her.
Märzkämpfe der Berliner Arbeiter
Mit Streiks, Massendemonstrationen, Kundgebungen und bewaff-
nei-Cn Aktionen setzten sich die Arbeiter in den ersten Monaten
des Jahres 19 J9 gegen den Unterdrückungsfeldzug der konterre-
'
volutionären Truppen, gegen die Versuche der Reaktion, die re-
volutionären Errungenschaften abzubauen, zur Wehr. Gleichzei-
tig hiermit versuchten sie, die Uevolulion weiter.mtreiben. Immer
67
•
stärker trulcn dabei spezifisch proletarische Forderungen wie die
nach Sozialisierung - darunter verslanden die Arbeiter die Über-
führung des Eigentums an Bodenschälzen und Produktionsanla-
gen in den Besitz der Allgemeinheil - in den Vordergrund. Die
Mehrheil der Proletarier hatte jedoch noch nicht erkannt, daß
dieser Schrill die Errichtung der politischen Macht der Arbeiter-
klasse voraussetzte. Sie hoffte, ihre Ziele vor allem durch politi-
schen Druck auf die sollialdcmokratisch geführte Reichsregierung
und die ationalversammlung erzwingen zu können.
Aus diesen Massenaktionen ragten die in Mitteldeutschland,
besonders die im dan1aligen Regierungsbezirk Merseburg, hervor.
Dem mitt eldeutschen Gene ralstreik, der seit dem 23. Februar
1919 unter der L osung . Sozialisierung« gerührt wurde, schlossen
sich die Arbeiter fast aller Lndustriezwcige an. An vorderster
Front standen dabei auch hier die Kommunisten. Während die
Truppen des Generalmajors Georg 1aercker in !·lalle rücksichts-
los gegen alle Streikversammlungen und -demonstrntionen vor-
gingen, machte die Regierung den Streikenden weilgehende Zu-
geständnisse. Sie sagte den Ausbau der Rechte der Betriebsräte,
die verfassungsmäßige Anerkennung zentraler Arbeiterräte und
die Aufhebung d er Militärgerichtsbarkeil zu. Daraufhin wurde
der Streik am 7. März abgebrochen. Oie Organisiertheil und
Kampfkraft der Arbeiter Mitteldeutsch lands waren im Verlauf
des Generalstreiks gewachsen, die KPD und der revolutionäre
Flügel der USPD halten an Einrluß gewonnen.
Ln vielen Gebieten Deutschlands drängten die klassenbewuß-
ten Arbeiter darauf, den mitteldeutschen Generalstreik zu unter·
stützen und die Konterrevolution zurückzuschlagen. Die KPD
warnte jedoch gleichzeitig davor. sich von der Konterrevolution
zu bewaffneten Kämpfen provozieren zu lassen.
Am 3. \lärz 1919 ' 'eröffentlichle »Oie Rote Fahnec den Aufruf
der KPD zum Generalstreik in Berlin. Die llaupt!ordcnmgen wa·
ren: Wahl von Betriebsräten in allen Betrieben, die die Produk·
tion zu kontrollieren und schließli ch die Betriebsleitung zu über·
nehmen hoben; Beseitigung der Willkürh errschaft der Solda-
teska ; Aufhebung der Militiirgerichtsbarkeit ; Beseitigung der
Wei ßen Gnrde und Bildung einer Roten Gard e; Befreiung aller
politischen Gefangenen; sofortige Aufnahme wirtschaftlicher und
diplomatischer Beziehungen mit Sowjetrußlnnd. Am gleichen Tag
68
beschloß die Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte
Brrlins mit großer Mehrheit den Generalstreik.
Oie Regierung antwortete auf die Forderungen der Berliner
Arbeiter mit der Verhängung des Belagerungszustandes über Ber•
lin und mit der Übertrngung der vollziehenden Gewalt auf Gu-
; ta' Noske. Damit wurden die wichtigsten bürgerlichen Grund-
rechte außer Kraft gesetzt
Als erstes ließ oske die Redaktionsrä ume und Druckmaschi-
nen der . Roten Fahnec demolieren. Erne ut setzte die Jagd au!
Kommunisten ein. Bereits in der ncht zum 4. Miirz wurden über
120 kommunistische Funktionäre verhaftet und das illegale KPD-
Büro gestürmt. Ähnlich wie in de n Januarkämpfen spielte hierbei
die . 3. Streifkompaniec des Fre ikorps Reinhard eine wichtige
Holle. Oie Tätigkeit dieser geheimpolizeili chen Formation ein-
schätzend, bemerkte der Adjutant von Oberst Reinhard und Bru-
der des Chefs der .3. Streilkompaniec, Leutnant Hans von Kes-
.,el: • Man hatte also am Vora.b end des großen Kampfes die
Bewegung ihrer wichtigsten Führer beraubt u nd sie damit von in-
nen heraus schon geschwächt, bevor es überhaupt zum Kampfe
kam.c
Der am 3. März einsetzende Generalstrei k wurde mit großer
Wucht geführt. Tagelang legte er Produktion und Verkehr fast
völlig still. Kommunisten, Mitglieder der US PD und der SPD,
Parteilose standen in einer Streikfront
Schon am ersten Tag des Generalstreiks hallen konterrevolutio-
näre Kräfte im Stadtinneren bewaffnete Auseinandersetzungen
provoziert und die Besetzung einiger Polizeiwachen inszeniert.
\m Abend wurden von zweifelhaften Elementen Warenhäuser
!!Cplündert. Die Republikanische Soldatenwehr ging daraufhin ge-
I!Cn die Plünderer vor. oske boten diese Ereignisse den gc-
"ünschten Anlaß zum Eingreifen. Er befahl die militärische Bc-
octzung Berlins.
Die militärische Operation gegen das revolutionäre Berlin war
langfristig und sorgfältig vorbe reitet worden. Bereits am 31. Ja-
nuur e rließ der Stab des Generals Wallher Freiherr von Lüttwitz
einen sogenannten Vorbefehl, der die Aufteilung Berlins in sie-
b<'n Sektore n vorsah, in welche die bei Berlin konzentrierten
Truppen von verschiedenen Seiten einzumarschieren hatten. Die
gesamte nterdrückungsaktion sollte d emagogisch im Zeichen
69
 der • Verteidigung• gegen einen angeblichen •Spartakisten über.
fall e stehen. Im Februar erhielten die Truppen zahlreiche zusätz.
liehe Anweisungen, die diesen Plan zu r ' iederschlagung der Be r·
Iiner Arbeiter noch konkretisierten.
Am \ lorgen des 4. März 1919 begann der Einmarsch der kon-
te rrevolutionären Truppen in Berlin. Zuerst erreichten starke
Krähe der Gardekavallerieschützendivision Berlin. Nach ihnen
rückten die Deutsche Schutzdivision, das Freikorps Hülsen und
andere Formalionen in die Stadt ein - insgesamt eine konterre·
volutioniire Streitmacht von über 30 000 schwerbewaffneten
Söldnern. Sie sollten die Berliner Arbeiter zu bewafrnelen Kiimp·
fe n provozieren und einen blutigen Terrorfeldzug gegen sie enl·
fesseln. Jetzt versuchten sie das nachzuh olen, was der Konterre·
volu tion im Januar 1919 nicht. gel ungen war: die Zerschlagung
der kommuni stischen Bewegung in der Hauptstadt und die völ·
lige Entwaffnung der Berliner Arbeiter.
Den Vorwand für die Eskalation des konterrevolutionären Ter·
rors bot wieden•m eine Provokation. Am 5. Miir.t e rhielt das Oe-
pol 15 der Republikaniseben Soldatenwehr im Marinehaus an
der Jannowitzbrücke (die Reste der ehemaligen Volksmarinedivi·
sion) von der Stadtkommandantur den Befehl, gegen den Alexan·
derplatz vor.tugehen, wo Plünderungen vermutet wurden. Bei der
Ausführung clieses Auftrags gerieten die Angehörigen der Repu·
blikanischen Soldatenwehr in bewaffnete Auseinnndersetzungen
mit ei ner ALteilung des Freikorps LUtzow, von der sie aus der
Magazinstraße und dem Polizeipräsidium beschossen wurden. Un-
terstützt von Arbeitern, versuchten die Matrosen am Mittag des
5. Miir.t, das Gebäude des Polizeipräsidiums zu erstürmen, wur-
den aber zurückgeschlagen. Arbeiter begannen nun auf dem
Strausbcrgcr Platz, in der Neuen Friedrichstraße und an anderen
Stellen im Zentrum Berüns Barrikaden zu errichten. Das nahm
oske zum Anlaß, die als .unzuverlässige geltende Republikani·
sehe Soldatenwehr mit Waffengewalt aufzulösen ltnd den Angriff
auf die revolutionären Arbeiter Bcrlins zu befehlen. Ln dieser Si-
tuation warnte die KPO erneut vor den Provokationen der kon-
terrevolu tionären Truppen und vor aussichtslosen Kämpfen.
Am 6. Miir.-; begann der Angriff der mit ISO-nun-Haubitzen,
schweren Minenwerfern, Maschinengewehren und Tanks ausge·
rüsteten und von Fliegerstaffeln unterstützten konlerrevolutionä-
70
rcn Truppen. Am erbittertsten tobten die Kämpfe zwischen die-
sen und der llepublikanischen Soldatenwehr am Alexanderplatz
um das Poli;~~eipriisidium. Hier kamen - wie das . Berliner 'Page·
blatte am 8. März berichtete - •alle Mittel der Feldschlachte zum
Einsatz: • leichte und schwere Artillerie, 1inen bis zu 2 Zentnern
und schließlich Fliegernufklärung und Fliegerbomben.« Otis Ma-
rinchaus wurde ebenfalls mit Bomben belegt und anschließend
durch konterrevolutionäre Truppen gestünnl. ach dem Artille-
riebeschuß und der Sprengung der Tore drangen die Konterrevo-
lutioniire in den Marstnll .e in, wo erbitterte ahkämpfe entbrann-
tl'n. Ein T eil der Republikani schen Soldutenwehr zog sich vor
dt'l" erdrückenden Übermacht in Richtung Osten und ordosten
zurück.
Die Erbitterung der Arbeiter über das Vorgehen der Regie·
rungstruppen widerspiegelte sich auf der Vollversammlung der
\rb!'iterriite am 6. März, aui der beschlossen wurde, den General-
streik z u verschärfen und auch die Elektrizitäts-, Gas- und Was-
serw!'rke stillzulegen. Rechte SPO-F'unktioniire nahmen diesen
ßcbchluß zum Vorwand, die Versammlung zu verlassen und aus
der Streikleitung auszutreten. Sie spalteten hierdurch die Streik·
front und zwangen zum Abbruch des Generalstreiks am 8. Mär.t.
Oie ei nheilli ehe front der Berliner Arbeiter war mit Beendi-
gung des Generalstreiks zerfallen, die llepublikanische Soldaten-
wehr fakti sch aufgelöst. Trotzdem gingen die militärischen Unter-
drückungsaktionen der Konterrevolution weiter. Um diese zu
rt•chtfertigen, verleumdete die bürgerliche t>resse die bewaffneten
Abwehrkämpfe der Republikanischen Soldatenwehr und der an
ihrer Seite stehenden Berliner Arbeiter als • korrununislischen
Großaufstandc.
~och am 8. März begann der Vorstoß der Regierungstruppen
in Richtung Norden und Osten, wo die Arbeiter unter anderem in
der Palisaden-, Frankfurter u nd Langestraße Barrikaden errichtet
hatten. Am Strausberger Platz und in cukölln kam es zu Kämp-
fen. Besonders hartnäckigen Widerstand leisteten die Arbeiter
der Spundauer Waffenfabriken, der Fabrik Riebe in Weißensec,
von AEG in Henrligsdorf und der Onimler-Werke in Marienfe lde.
l•:inige llundert Soldaten, Matrosen und Ar·beiter zogen sich nach
Lichtenberg zurück Ulld verteidigten sich in diesem Arbeitervier-
tel gegen die konterrevolutionären Truppen.
7I
 Am I0. Miir.t setzte der konzentrische Angriff auf Lichtenberg
ein. Propagandistisch vorbereitet wurde er durch die bürgerliche
Presse und den sozialdemokratischen • Vorwärts « mit der Greuel·
meldung, daß Spartakisten in Lichtenberg 60 Polizeibeamte und
einige Dutzend Regierungssoldaten . abgeschlachtete hätten.
Wenn diese Lüge auch wenige Tage später dementiert we.rden
• mußte, so errüllte sie doch ihren Zweck und gab oske den Vor-
wand, das Standrecht über ßerlin zu verhängen und zu befehlen:
• Wer von jetzt ab mit der WaUe in der Hand gegen Regierungs-
truppen kämpfend angetroffen wird, ist auf der Stelle zu erschie-
ßen.•
Bis zum I I. Män gelang es den Regierungstruppen, Lichten-
berg völlig einzuschließen. Der Stadtteil wurde von jeder Gas-,
Strom-, Wasser· und Lebensmittelzufuhr abgeschnitten. Ange-
sichts dieser aussichtslosen Lage erklärten die Revolut.ionäre ihre
Bereitschaft, über die Beendigung der Kampfhandlungen zu ver-
handeln. oske lehnte jedoch ab. Er verlangte bedingungslose
Kapitulation. Am 12. März 1919 wurde Lichtenberg nach Einsatz
schwerer WalJen vom FreikOl'J>S Hülsen besetzt. Damit war der
letzte organisierte Widerstand der Berliner Arbeiter gebrochen.
Der von den Hegieru ngstruppen im unmittelbaren Zusammen·
bang mit der bewaffneten iederschlagung der Berliner Arbeiter
und kttrz danach entfachte Terror übertraf alle bisherigen Blutta·
ten der Konterrevolution. Viele llevolutioniire wurden nach ihrer
Gefangennahme sofort an Ort und Stelle erschossen. Bei der Su-
che nach •Spartakisten• und versleckten Waffen durchkärmnten
die Söldner brutal die Arbeiterviertel Berlins. Skrupellos e rmor·
deten sie jeden, der als Kommunist denunziert worden war. Der
Besitz eines warrenähnlichen Gegenstandes genügte, um erschos-
sen zu werden. Eine besonders abscheuliche Tat vollbrachte die
Soldateska am II. März. An diesem Tag wurden etwa 200 aus
der Hepuhlikanischen Soldatenwehr entlassene Matrosen in die
Französische Straße 32 bestellt, um dort angeblich ihre Löhnung
zu empfangen. Nach ihrer Gefangennahme ließ Oberleutnant
Otto Marloh 29 Matrosen aussuchen und grundlos niederschie-
ßen. In ßerlin fielen etwa I 200 Personen der Konterrevolution
zum Opfer, unter ihnen Leo Jogiches, der seit der Ermordung
von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an der Spitze der
deutschen Kommunisten gestanden halte.
72
Fast zeitgleich zu den Berliner Ereignissen tagte vom 2. bis
6. Miir.t 1919 auf Initiative W. I. Lenins und der Partei der Bol-
schewiki der Gründungskongreß der Kommunistischen Interna·
tionale in Moskau. Ausgehend von den Bedingungen der neuen
Epoche, bezeichnete er es als dringende Aufgabe für dje interna-
tionale Arbeiterbewegung, kon sequent revolutionäre Parteien zu
formieren und eine kommunistische Weltbewegung zu schaUen.
Die KJ trug den Marxismus-Leni nismus in die internationale Ar-
beiterbewegung hinein, entwickelte ihn weiter und wies dem so-
zialen und nationalen Befreiungskan1pf der Völker wie auch dem
Ringen um die Erhal tung des Friedens Ziel und Richtung. Von
Anfang an erhielt die KPD durch die KJ wertvolle Hilfe und Un-
terstützung, so auch bei der Weiterentwicklung ihrer revolutionä-
ren Militärpolitik.
Die Gründung der weltumspannenden Kommunistischen In-
ternationale begeisterte und stärkte die revolutionäre Arbeiter·
klasse in vielen Ländern. Die neue Internationale spielte eine
große Rolle bei der intemationalistischen Erziehu ng der Werktä-
tigen und bei der Organisicrung von Solidaritätsaktionen für die
an den Brennpunkten des Klassenkampfes stehenden Abteilun·
gen des Proletariats. Das zeigte sich schon wenige Tage nach
ihrer Gründung, als am 21. Miirz 1919 die Ungarische Bäterepu-
blik gebildet wurde.
Dieses bedeutende Ereignis löste auch in Deutschland ein brei-
tes Echo aus. Viele deutsche Arbeiter schöpften nach den bisheri-
gen Niederlagen wieder neucn Mut und forderten, so zu kämpfen
wie die ungarischen Klasscnbrüder. Oie KPD und linke Kräfte
der US PD riefen zur Solidarität mit Hiitcungarn auf. Werktätige
hielten Truppen-, Waffen- und Materialtransporte aui, mit denen
die imperialistischen Westmächte die Interventen gegen die Un·
garische Räterepublik versorgen wollten. Ebenso wie in Sowjet-
rußland setzten in Ungarn deutsche Internationalisten ihr Leben
zur Verteidigung der lliitemaeht ein.
 Die Bote Armee der Bayrischcn Hüterepublik
im revolutionären Abwehrkampf
Errichtung der Rätemacht
Die \1 onale März und April 1919 standen ganz im Zeichen der
große Teile Deutschlands erfassenden proletarischen Massen-
kiimt>fe, in denen die Arbeiter und anderen Wcrktiitigen für die
Verteidigung der ovembcrerrungenschaften und für die Weiler-
führung der Revolution eintraten. Ein Ende Mitrz im Ruhrgebiet
begonnener Generalstreik breitele sich rasch auf das ganze Berg-
buugebiet aus. Er übertraf alle bisherigen Kampfaktionen in die-
sem industri ellen Zentrum. Fast vier Wochen lang streikten etwa
300 000 Bergarbeiter. Blutige Auseinandersetzungen mit den ge-
gen die Strei kenden eingesetzten konterrevolutionären Truppen
entwickelten sich in Castrop, Essen, Düsseldorf und in weiteren
Orten.
Zur gleichen Zeit kam es in anderen Gebieten Deutschlands
immer wieder zu massenhaften ArbcilSnicderlegungen, die sich
teilweise zu lokalen bewaffneten Auseinandersetzungen mit den
zur ntcrdrückung der Streiks vorgehenden Truppen ausweite-
ten. Die Arbeiter Stullgarts und weiterer Sliidte Württembergs
!roten in den Generalstreik. Im Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenre-
vier begann ein Sympathiestreik für die Ruhrbergarbeiter. Kurz
llarouf setzte Mitle April 1919 in Oberschlesien erneut eine
Welle von Streiks gegen die VerschJechlerung der Lebensbedin-
gungen und die ständigen Provokationen der konterrevolutionä-
ren Grenzschutztruppen ein. Zu mächtigen Streiks und zum Teil
schweren bewaffneten Auseinandersetzungen kam es in der zwei-
ten Aprilhiilfle in Bremen, Jena, Sieltin und anderen Städten.
Wührend die Arbeiter in großen Teilen Deutschlands erbittert
gegen die vordringende Konterrevolution kilmpften, erreichte die
1ovemberrevolution 1918/ 19 mit der Errichtung der Bayrischen
Räterepublik einen letzten Höhepunkt. Angespornt von den Mas-
senkiimpfen des Frühjahrs 1919, unter dem Eindruck der Siege
der Boten Armee über die innere Konterrevolution und die Lnter-
vcntionstruppen in Sowjetrußland sowie unter dem Einfluß der
ersten F:rfolge der Ungarischen Riilerepublik und der zu dieser
Zeit aufflammenden revolutionären bewaffneten Kämpfe in
74
ü st(•rreich, erhoben bayriscbe Arbeiter im April 1919 immer
hiiuligcr die Forderung nach Errichtung der Rätemacht
ßa) crn wurde zu dieser Zeit noch stark von der landwirtschaft-
lit>hrn Produktion geprägt. Während fast 40 Prozent der Bevölke-
nmg in der Landwirtschaft tiitig war, betrug der Anteil der Ar-
bcit<-rklasse, die sich vor allem in den Münchner Großbetrieben
kontentrierte, etwa 35 Prozent. Hier fand die revolutionäre Be-
" t•gung Bayerns ihren bedeutendsten Rückhalt. Hauptschauplatz
drr lrtztcn großen Aktionen der Novemberrevolution wurde des-
hnlb München.
Zu ßcginn der ovemberrevolution hatte sich in Bayern eine
Koa litionsregierung aus SPD und USPO gebildet. An ih rer Spitze
bla nd Kurt Eisner (USPD) als Ministerpriisident. Obwohl er
n1l·hts unternahm, um die Machtverhältnisse irn revolutionären
Sinnt' zu verändern, war er doch über.teugter Antimilitarist und
kl•i n I landlanger der Konterrevolution. Das machte ilm der Reak-
hon aufs tiefste verhaßt.
Als Eisner am 21. Februar auf dem Weg zu m Landtag von
l'mem ultrareaktionären Oliizier erschossen wurde, spitzte sich
die politische Situation in Barern aufs äußerste zu. Groß war die
Empörung der Arbeiter Münchens. Sie folgten einmütig dem von
ttlll•n Arbeiterorganisationen erlassenen Aufruf zu einem dreitägi-
gcn Protcststreik. Zu Streiks kam es auch in anderen süddeut-
schen Stiidten, so in Augsburg, Mannheim und Würzburg. An
dN Beisetzung Eisners nahmen etwa I 00 000 Menschen teil.
Münchner Arbeiter forderten nachdrücklich, die Konterrevolu-
tion I..ompromißlos zu bekämpfen und eine Riiterepublik zu er-
rirhtcn. Teils von wirkJicbkeitsfremder revolutionärer Ungeduld
!(etragen, teils mit der Absicht, die Massen durch scheinrevolutio-
niirt> Aktivitäten zu besänftigen, stellten sich auch die in Bayern
l'innußreichen Anarchisten. die Führer der US PO, Funktionäre
dt•s ßa)erischen Bauernbundes und ei nige Führer der SPD hin-
t<'r die Forderung nach Errichtung einer Hätemacht.
In Boyern stand die KPD vor einer kompli zierten Situation.
Der Aufhau der Parteiorganisation gestaltete sich iiußcrst schwie-
rig, du hier revolutionäre Traditionen mehr als in vielen anderen
Cl•biell•n Deutschlands fehlten und sich noch dem Ausbruch der
1\ovcmbcrrevolution uJtralinke und anarchistische Einflüsse ver-
Märkt hatten. Zunehmende politische Klarheil gewannen die bay-
75
 rischcn Kommunisten erst, als Anfang Mür~ Eugen Levine, einer
der engsten Kampfgefährten Karl Liebknechts und Rosa Luxem-
burgs, im Auftrag der KPD nach München kam, um die Arbeit
der »Münchner Roten Fabne• ~u reorganisieren und sich füh-
rend an der Parteiarbeit zu beteiligen. Auf Beschluß der Zentrale
der KPO waren auch Willi Budich und Paul Frölich mit ähnli-
chem Auftrag nach :VIünchen entsandt worden.
Levin{!s besonderes Verdienst war es, die konkreten Schritte
im Kampf um die politische Macht zu weisen. So lenkte er die
Aufmerksamkeit der Münclmer Kommunisten auf den Aufbau
von Zellen, die in den Betrieben und Wohnbezirken die Grund-
lage fiir eine feste Verbindung der Purlei mit den werktätigen
Massen bilden sollten. Damit wuchs der Einfl uß der KPD. Zahl-
reiche Arbeiter, insbesondere aus den Münchner Großbetrieben,
traten ihr bei. Oie Mehrheit der Arbeiterklasse Bayerns blieb
aber - trotz aktiver revolutionärer Überzeugungsarbeit - noch
außerhalb ihres Einflusses.
Oie KPD trat gegen die Proklamierung lokaler Räterepubliken
auf. Sie erklärte, daß im Frühjahr 1919 keine objektiven Voraus-
setzungen für die sofortige Errichtung der Arbei termacht in
Deutschland beständen und auch die subjektiven Voraussetzun·
gen fiir die Machtergreifung des Proletariats fehlten. achdrück-
lieh wies die KPD darauf hin, der zu frühe und räumlich eng be-
grenzte Versuch, die Rätemacht zu errichten, könne der
Konterrevolution die Handhabe zur weiteren blutigen Unterdrük-
kung der Arbeiterklasse liefern.
ach vielen Manövern proklamierten die USPD, der unter
großbäuerlichem Einfluß stehende Bayerische Bauernbund und
die Anarchisten, von einigen SPO-runktionären unterstützt, am
7. April 1919 eine . Räterepublik •. Doch diese Scheinräterepu·
blik, eine Karikatur auf die Diktatur des Proletariats, ließ den
bürgerlichen Staatsapparat unangetastet und unternahm so gut
wie nichts, um die Konterrevolution zurückzudrängen und die
Position der Arbeiterklasse zu verbessern. So leitete sie auch
keine konsequenten Maßnahmen zum bewaffneten Schutz der
Hiitere1>ublik ein. Lediglich 600 Gewehre gelangten in die Hände
der Arbeiter. Oie KPD-Organisation in München lehnte die Betei·
ligung an einer solchen • Hiiterepublikc ab.
Nach der Ausrufung der Scheinräterepublik setzte sich die
76
ba) rische Landesregierung unter dem achfolger des ermordeten
'\linisterpriisidenten Eisner, Johannes lloffmann (S PD), nach
Bomberg ab und bereitete von dort die militärische iederschla-
!,'llng der Münchner Arbeiter vor. ln dieser Situation konnte die
f.PD nicht ab eits stehen. Ohne in die Hegierung der Scheinräte-
rt'publik einzutreten, erklärte sie sich bereit, ihre ganze Kraft für
die \'erteidigung Münchens gegen die konterrevolutionären Trup-
prn einzusetzen. ln einer am II. April in der •Münchner Roten
!Cohne« veröfrenilichten Erkliinmg betonten die Kommunisten
nnchdrücklich, daß die aus Barnberg heronriiekcnden konterrevo-
lutionären Truppen nicht nur die Seheinriitcrepublik, sondern die
boyrischen Arbeiter insgesamt bedrohen wiirden. »ln dieser
furchtbaren Situation• könne die KPD nicht »die Verantwortung
da für übernehmen, daß die Verwirrung in den Arbeitermassen
'\1ünchens gefördert wird, daß der Kampf zwischen der Schein-
diktatur und der wirklichen Diktatur durchgefochten wird in
demsell>en Augenblick, wo 1-lannibal vor den Toren steht. Ln die-
M'm furchtbaren Augenblick muß die geschlossene Kraft des re-
'olutionären Proletariats gegen den gerahrlichsten Feind, gegen
dir weißen Garden, geführt werden ... Arbeiter Münchens! Hal-
tr t Euch bereit. Schwere Kämpfe stehen vor Euch. Klarheit und
Entschlossenheit ist die Parole!c
Die Warnungen der Kommunisten erwiesen sich nur zu bald
als begründet. Den eng mit der Hegierung Hoffmann verbnnde-
nr n konterrevolutionären Münchner Verschwörern gelang es,
ei nen Teil der Garnisontruppen auf ihre Seite zu ziehen. Ln der
\acht vom 12. zum l3.April zettelten das Infanterieleibregiment
und die »Hepublikanische Schutztruppe• eine konterrevolutio·
näre Revolte an. Oie Putschisten besetzten das Wittelsbacber Pa-
lais - den Sitz des Zentralrats der eheinräterepublik - sowie
dir wichtigsten öffentlichen Gebäude Münchens und verhafteten
12 Mitglieder der Regierung. Zur Unterstützung des Putsches
hatte die Hegierung Hoffmann konterrevolutioniire Formationen
in der Umgebung Münchens bereitgestellt, die jedoch nicht mehr
rrchtzeitig die Stadt erreichten.
Die Regierung der Scheinräterepublik konnte dem konterrevo-
lutioniiren Putsch nichts entgegensetzen. Sie Wltr rasch hinwegge-
rt•gt.
Die Münchner Truppenteile, die in Resolutionen die Ausru-
77
fung der Riiterepublik geforderl und ihr nterstützung zu~esi­
chert hatten, versagten am Tage des konterrevolutionären Put-
sches. Sie unterstützten die Konterrevolution oder traten nicht in
\ktion. Erncut bestätigten diese Ereignisse die Erkenntnis, daß
sich die Revolution zu ihrer Verleidigung eigene Streitkräfte
schaffen muß.
Bewußt halte die Konterrevolution die !\acht zum Palmsonn-
tag für ihren Putsch gewählt. Sie rechnete damit, daß die in der
Majoritiit christliche Bevölkerung Münchens an diesem kirchli-
chen Feierlug mit der Palmenwei he oder -prozcssion beschäftigt
sein würde. Zudem waren die Mobilisierungsmöglichkeilen der
Arbeiter an einem Sonntag insgestuni erschwert.
Der raffiniert ausgeklügelte Plan ging aber nicht auf. Der kon-
terrevolutionäre Putsch versetzte die Miinchner Arbeiter in tiefe
Empörung. Sie waren nicht bereit, der Reaktion das Feld zu räu-
men. pontan setzte der Kampf gegen die l)utschisten ein. Zahl-
reiche Arbeiter und Soldaten versammelten sich bereits am Mor-
gen des 13. April auf der Theresiell\,;ese und zogen von dort ins
Stadtzentrum.
ln dieser kritischen Situation stellte sich die KPD entschlossen
an die Spitze des Kampfes gegen die Konterrevolution. Sie orga-
nisierte in den Sektionslokalen der Parlei und in den Fabriken
die Bewaffnung der Arbeiter und nahm Verbindung zu den Sol-
dolen der Münchner Garnison auf, von denen sich viele den Ar-
beitern tmschlossen. ln den Wohnungen der Bourgeoisie und in
den Waffengeschäften wurden Gewehre, Pistolen und Munition
beschlagnahmt.
Am Mittag des 13. April begann der organisierte bewaffnete
Kampf gegen die Kont.errevolution. \litglicder der SPD und
U PD standen Seite an Seite mit dl'n Kommunisten. um den
Putsch nicdcr-.wschlagen. Bereits in den frühen 1 achmittagsstun-
den entwaffnete eine Arbeiterabteilung eine größere Formation
von Konterrevolutionären an der Theresienwiese. Arbeiterfrauen
mischten sich unter die Soldaten und iiberredeten diese zur Kapi-
tulution. Mehrere hundert Gewehre, einige Maschinengewehre
und za hlreiche Nilmition fielen in die lliinde der Arbeiter.
ln er·bitterlen bewaffneten Auseinundersclzungen drängten die
Arbeiter und Soldolen die konlerr•evolutioniircn Truppen zurück.
Deren Gros verschanzte sich daraufhin run Miinchner Haupt-
78
bahnhof, wo gegen Abend die entscheidenden Kiimpfc stattfan-
den. Drei Parlamentäre der Arbeiter, die die »Republikanische
Sc·hutztruppec zum iederlegen der Waffen auffordern wollten,
" urden auJ Veranlassung des Kommandanten der Bahnhofswa-
rhe cnnordet. Oaraufuin wurde der Bahnhof mit Geschützen und
\linenwerfern beschossen und kurz danach von den revolulionä-
rl'n Arbeitern und Soldaten erstürmt. Diese Aktion leitete der
\1otrose Rudolf Egelhofer. Unter seiner F'ührung konnte auch die
Stadtkom mandantur im Handstreich genommen werden. Da die
Putschisten nicht die versprochenen Versliirkungen von außen
t'rhielten, mußten sie sich ergeben. Die konterrevolutionäre Re-
volte war niedergeschlagen.
Das akti ve Auftreten bewaffneter revolutionärer Kämpfer zur
\ crteidigung ihrer Errungenscharten schuf eine neue Lage. Die
sirh ihrer Kraft bewußt werdenden Münchner Arbeiter wollten
keine Wiederherstellung der Scheinräterepublik. Sie forderten
dil' Bildung einer wirklichen Räterepublik.
Oie Kommunisten hauen keine andere Wahl, als sich an die
Spitze dieser Bewegung zu stellen und zu versuchen, eine wahr-
haft revolutionäre Macht zu errichten. Sie waren sich über die
Kompliziertheit der Situation im klaren und wußten, daß nur ge-
ringe Chancen bestanden, von Bayern aus die revolutionäre Lö-
sung der Muehtfrage in ganz Deutschland voranzutreiben. Die
KPD mußte jedoch davon ausgehen, daß eine wtlhre Arbeilerpar·
tc•i die Massen unter keinen Umständen im Stich lassen darf,
" rnn diese die hislorisehe Initiative ergreifen. Fiir sie galt der
l(rundsiitzliche Hinweis Lenins, »daß es Augenblicke in der Ge-
sc·hichte gibt, wo ein verzweifelter Kampf der Massen sogar für
ri ne aussichtslose Sache notwendig ist um der weiteren Erzie-
hung dieser 1\'lassen und ihrer \ orbcreitung zum nächsten
1\ampf willenc.
och während die Käntpfe um den Hauptbahnhof tobten,
tagte die VollversammJuug der Betriebs- und Soldatenräte Mün-
c·hens. Sie setzte den unfähigen Zentralrat der Scheinriiterepublik
rtb und übertrug die politische Gewalt an einen fünfzehnköpfigen
Aktionsousschuß aus Mitgliedern der KPD, USPO und SPD. Die-
ser billigte d11s von der KPD vorgeschlagene Aktionsprogramm,
dus die Schaffung einer wahren Hiitcregi(•rung vorsah. Er wiihlte
~incn Vollzugsrat, an dessen Spitze der Kommunist Eugen Le-
79

vin~ stand und dem noch je zwei Mitglieder der KPD und der
SPD angehörten. Darüber hinaus wurden Kommissionen für
die wichtigsten Ressorts gebildet: eine Milillir~o~ission, e~e
Wirtschaftskommission, ein e Verkehrsk01nm1SS10n und eme
Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution sowie ein
Propagandaausschuß. . ...
Zur Militärkommission gehörten: als Vors1tzender der 23Jäh·
rige Kommunist Rudolf Egelhofer, ei11 aktiver Teilnehmer der re-
volutioniircn Matrosenbewegung, weiterhin Johann \Viedemann,
Leo Rcichert und Wilhelm Reichart Egclhofcr, der sich bei der
licderschlagung des Put.s ches als talentierter mi litärischer Führer
bewiihrt hatte, wurde als Oberbefehlshilber der zu bildenden Ro-
ten Armee vorgeschlagen.
Am 14.April sandte der Vollzugsrat im omender ne uen, re-
volutionären Räterepublik einen Funkspruch mit Grußbotschaf-
ten an die russische und die ungarische Arbeiterklasse und deren
Röterepubliken in den Äther. Darin wurde versichert, daß das
Münchner Proletariat alle seine Kräfte für den Dienst an der gro-
ße n historischen Aufgabe einsetzen werde, deren erste Initiatoren
seine tapfe re n russischen und ungarischen Brüder gewesen seien.
W. l. Le nin verfolg1e die revolutionären Ereigni sse in Deutsch·
land mit großer Aufmerksam keit und Sympathie. Der Bildung
der ßayrischen Räterepublik maß er internationale Bedeutung
bei. Al s Antwort auf ihren Funkspru ch vom 14. April verfaßte
Le nin am 27. April sein Grußschreiben an die ßayrische Rätere-
publik. Das Schreiben, das die Hüteregierung all erdings nicht
mehr erreichte, hatte folgenden Wortlaut: • Wir danken für Lhren
Gruß und begrüßen unsererseits von ganzem II erzen die Rätere-
publik in Bayern. Wir bitten Sie sehr, möglichst oft und möglichst
konkret mitzuteilen, welche Maßnahmen Sie zum Kampf gegen
die bürgerlichen Henker Scheidemann und Co. durchgeführt ha-
ben. I laben Sie Arbeiter- und Gesinderäte in den Stadtteilen ge-
schaffen, die Arbeiter bewaffnet, die Bourgeoisie entwaffnet, die
Bestünde an Kleidung und anderen Erzeugnissen verwendet, um
den Arbeitern und besonders den Landarbeitern und Kleinbau-
ern sofor1ige und umfassende Hilfe zu leisten, haben Sie die Fa-
briken und die Reichtümer der Kapitali sten in München wie
auch die knpitalistischen land wir1schuftli chcn Betriebe in seiner
Umgebung enteignet, die Hypotheken und Pachtzahlungen fiir
80
• •
die Kleinbauern aufgehoben, die Löhne für La ndarbeiter und un-
j(('lr rnte Arbeiter verdoppelt oder verdrei facht, alles Papier und
alle Druckereien zum Druck populärer Flugblätter und Zeitun-
gen für die Massen beschlagnahmt, den Sechsstundenlag bei
gleichzeitiger zwei- oder dreistündiger Beschäftigung in der Ver-
,.·altung des Staates eingeführt, den Wohnraum der Bourgeoisie
in \tünchen beschränkt, um sofort Arbeiter in die Wolmungen
der Heichen ei nzuweisen, alle Banken in Ihre Hände genommen,
Geiseln aus der Bourgeoisie festgesetzt, für die Arbeiter größere
Le bensmittelrationen als für die Bourgeoisie eingeführt und die
Arbeiter ausnahmslos sowohl für die Vertei digung als auch für
di e ideologische Propaganda in den umli egenden Dörfern mobili-
siert? Die schnellste und umfassendste Durehführw1g dieser und
iilmlicher Maßnahmen bei eigener Initiative der Arbeiter- und
La ndarbeiterräte und gesondert von ihnen der Kl einbauernröte
" ird Ihre Stellung festigen. Es ist notwendig, der Bourgeoisie eine
au ßerordentliche Steuer aufzuerlegen und in der Lage der Arbei-
ter, Landarbeiter und Kleinbaue rn sofort u nd um jeden Preis
eine faktische Verbesserung herbeizuführen.
Die besten Grüße und Wünsche für de n Erfolg.•
Die bayrisehen Revolutionäre fonden Unterstützung in ganz
Deutschland. Im Freislaat Sachsen erreichten die Solidaritäts-
kundgebungen für die Bayrische Hüterrpublik und die t<orderun-
gen nuch der Hütemacht solches Ausmuß, daß der Belagerungszu-
stund über Sachsen verhängt wurde und konterrevolu tionäre
T ruppen in Leipzig einmarschi erten. ln Wiirttemberg waren die
Solidnritötsbckundungen eng verknüpft mit dem Protest gegen
die Entsendung württemhergischer Truppen zur Niederschlagung
der bayrischen Arbeiter. Insgesamt blieben aber die Aktionen zur
L nterstiitzung der Bayrischen Röterepublik zersplittert. Dem Vor-
haben der Konterrevolution, die revolutioniiren Zentren Deutsch-
lands naeheinand~r blutig niederwwerfen, konnte die deutsche
\rbeiterklasse auch im ApriVMai 1919 keinen geeinten Wider-
stand entgegensetzen.
•
81
 Die Bewaffmmg der AJ·beitcr
und der Sieg bei Dachau
Unter Führung der Kommunisten war die l:layrische Räterepublik
bestrebt, den Weg zur Zerschlagung des alten bürgerlichen
Staatsapparates und zur Errichtung der Diktatur des Proletariats
zu bahnen. Klar hatten die Münchner Kommunisten erkannt, daß
der Lösung der Militärfrage für die von einer konterrevolutionä-
ren Übcrmncht bedrohte Räterepublik erstrangige Bedeutung zu-
kam. Dns bedeutete vor allem, wie auch \y. I. Lenin in seinem
Grußschreiben vom 27.April umnißverstiindlich formuliert hatte:
Bewaffnung der Arbeiter und Entwaffnung der Bourgeoisie.
Ocr erste Schritt zur Lösung der Militiirfrage war der nm
13. April auf Antrag Eugen Levines von den Vertretern sämtli-
cher Betriebe und der Beamtenorganisationen beschlossene Auf-
ruf zu einem zehntiigigen Generalstreik. Während seines Verlaufs
sollte die Bewafrnung und militärische Organisation der Arbeiter
sowie die Entwaffnung der Bourgeoisie durchgesetzt werden.
Gleichzeitig bot der Generalstreik die Gewähr für eine stiindige
Einsatzbereitschaft der bewaffneten Arbeiter zur Abwehr konter-
revolutionärer Angriffe.
Verantwortlich für die Bewaffnung der Arbeiter war die von
I der Räteregierung eingesetzte Militärkommission unter Rudolf
Egelhofer, der seit dem 13. April auch die Funktion d~s Stadt-
kommandanten von München ausübte. Schon nach wemgen Ta-
gen waren etwa 20 000 Gewehre an di!' Arbeiter verteilt. Sie ka-
men aus den Waffenbestünden der Bourgeoisie oder wurden von
den Soldatenräten der Garnisontruppen zur Verfügung gestellt
Vorrangig bewaffnet wurden die militärisch erfahrenen Werktiiti-
gen. Oie Arbeiter trugen ihre Waffen auch auf dem Weg zu und
von ihren Arbeitsstellen. Anband von Listen, die den 1'\amen des
Waffenträgers und die entsprechende Waffennummer entltielten,
übten die Betriebsräte eine strenge Kontrolle aus.
Gleichzeitig mit der Bewaffnung wurde während des General-
streiks damit begonnen, die bewaffneten Arbeiter auf Betriebsba-
sis zu militiirischen Einheiten zu formieren. Die Besten aus ihren
Reihen wlll·dcn durch Wnhl uls Kommondeure eingesetzt. Tag
und 'acht' hielten sich die bewaffneten Arbeiter zum Schutz der
Hätema('ht bereit. msichtige Vorbereitungen ?.ur Abwehr kon-
82
•
t<'rr<'' olutionürer Anschläge - so das Festlegen der Sammel-
pliitz!' bei Alarm, ständige Wach- und Kontrolldienste oder die
Durrhfühnmg von Marsch- und Schießiibungen - bestimmten
... iihrend des Generalstreiks den Tagesablauf der Arbeiterforma-
tionrn.
,\(s " eitere wichtige Aufgabe betrachtete die Hüteregierung die
Ent"affn ung der Bourgeoisie. Bereits die Scheinräterepublik
hattr die Bourgeoisie zur Abgabe der Wuffen aufgefordert, doch
ohne Erfolg. In seiner Funktion als Stadtkommandant ordnete
l•:jXclhofer mn 14. April an: »Siimtliehe Bürger haben binnen
12 Stunden jede Art Waffen in der Stadtkommandantur abzulie-
f!'rn. Wer innerhulb dieser Zeit die Waffen nicht abgegeben hat,
"ird erschossen.• Wie sich bald zeigen sollte, konnte diese For-
derung nur in Ansätzen venvirklicht werden. Die ~lünchner Kon-
trrrcvolution verfügte - trotz eingeleiteter Entwaffnungsaktio-
nt•n - "eiterhin über beträchtliche illegale ~ affenvorräte.
Die immer noch im Dienst stehenden ngehörigen der köl\ig-
lirh-ba) rischen Polizei wurden in ~ l ünchen entwaffnet und ent-
la>~en. Bewaffnete Arbeiter übernahmen den polizeilichen Si-
rlwrhri tsdicnst. dessen Kern bewährte KPO- und SPD-Mitglie-
tler bildeten. Vonviegend ältere bewaffnete Arbeiter I"Urden den
Si<-hrrheitsposten der einzelnen Wohnbezirke zugeteilt. j eweils
t•in Vertrauensmann der Wach teule regelte die Diensteinteilung.
11rreits nuch wenigen Tagen erwies sich der proletarische Sicher-
lwit>dienst stark genug, um die innere Konterrevolution niederzu-
halten. chließlich übernahm die' Hole Garde. die zur Unterstüt-
zung der Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution
aufgestellt worden '''ar, den polizeilichen Sicherheitsdienst Au-
ßt•rclrm erfüllte die Rote Garde die Funktion einer ersten Re-
~rn r bei konterrevolutionären Angriffen von außen.
\ach zehntiigigem Generalstreik waren die Vorbereitungen zur
\ l'rtridigung der Bäterepublik nach Auffassung der Räteregie-
rung so "'eit fortgeschritten, daß der Streik beendet werden
k_onnte. Der letzte Tag des Generalstreiks, der 22.April, gestaltete
~•eh zu einem beeindruckenden Höhepunkt in der Geschichte
dt•r Bnyrischcn Hüterepublik. Wiihrend der Vormittagsstunden
Fnntl in München ein Aufmarsch von etwa 15 000 bewaffneten
Arbeitern und Soldaten statt. Nachmittags und nbends folgten
1Jnsst>nvcrsamrnlungen und weitere rnachtvolle Demonstrations-
83
züge. All dies dokumentierte die Verbundenheit der \ lünchner
Arbeiter mit der Räterepublik und ihre Entschlossenheit zu de-
ren Verleidigung. Oie Bourgeoisie hatte in München eine ieder-
lagc erlitten. Oie Gefahr der inneren und äußeren Konterrevolu·
tion war damit jedoch nicht gebannt.
Oie 'lünchncr Kommunisten waren sich der Tatsache bewußt,
daß der Räteregirrung nur wenig Zeit verblieb, den Kampf gegen
die von ·orden her anrückenden Truppen der Regierung Hoff.
mann vorzubereiten.
lJJn der Gefahr eines militiirischen Überfalls der l(onterrevolu-
tion auf die Bayrische Räterepublik zu begegnen, genügte die Be·
waffnung des Proletariats allein nicht. Eine reguläre Rote_Armee
mußte geschaffen werden. An dieser für die Räterepublik Iebens·
wichtigen Aufgabe arbeitete die Militärkommission seit Beginn
des Generalstreiks. Doch bereits der zweite Tag des Bestebens
der Bayrischen Hüterepublik brachte ihr eine schwere militäri·
sehe Bewährungsprobe..
Buchstäblich von der ersten Stunde ihrer Existenz an war die
Bayrische Räterepublik, deren territoriale Ausdehnung sich im
wesenllichen auf München und dessen nähere Umgebung be-
schränkte. militärischen Überfüllen der Konterrevolution ausge-
setzt. Die Regierung HofFmann konzentrierte ihre Truppen nur
einige Dutzend Kil ometer nördlich von München. Am 15. April
sahen sich die Revolutionäre gezwungen, alle verfügbaren Arbei·
ter und Soldaten nach dem l ordwesten Münchens zu rnlen. Um
dem Vormarsch der von der lloffmann-Regienmg aufgebotenen
Formationen des II. und lll. bayriscben Armeekorps bis zur Am·
per und der provokatorischen Besetzung Dachaus durch ein kon·
terrevolutioniires Freikorps entgegenzuwirken, wurde bei Karls-
feld und Allach in wenigen Stunden eine improvisierte
Verteidigungsstellung geschaffen. Oie eiligst ZusammengesteUlen
Kampfgruppen gingen zum Angriff über und warfen den Gegner
noch am 15. April bis nach Karlsfeld und von dort nach Oachau
zurück.
Oie aus diesem Kampf siegreich hervorgegangenen Arbeiter-
und Soldatentrupps sowie von München herangeführte Verslii r·
kungcn wurden zum Grundstock der bayrischen Roten Anncc.
Zu ihrem Oberbefehlshaber wurde der Vorsitzende der ~l ilitär·
kommission und \lünchncr Stadtkommandant, der Kommunist
84
Hudolf Egelhofcr, ernannt. Als wichtigste Aufgabe sah es das
Oberkommando der bayrischcn Roten Armee an, den in aller
Eile zusammengestellten, un cinheitlich bewaffneten und formicr·
tcn Trupps der revolutionären Arbeiter und Soldaten eine feste
militärische Organisation zu geben. Der erste Schritt hierw war
di<' Bildung von 5 •Sturmbataillonenc, die etwa die Stärke und
Glicderung von Kompanien bcsußen. Unterstützung erhielten
dicsc durch 2 Batterien Artillerie mit 6 Geschützen.
I•~ \1orge~gra~en des 16. April bezogen die erst an1 Vortag
fornucrten Emhe1ten der Roten Armee südlich des Dachauer
Bahnhofs Ausgangsstellungen für den Sturm auf Oachau. 1-licr
hatten sich Truppen der 1-loffmann-Regicrung in Stiirke von etwa
800 \1ann verschanzt.
Oie Rotannisten gingen in Schützenketten gegen die feindli-
f·hcn Linien vor. Dachau wurde ohne großen Widerstand genom-
men. Dus war durch das mutige Eingreifen der Dachaucr Al·bei-
tcr möglich geworden. Sie hatten, als sich die konterrevolutionii-
rt'n Truppen auf dem ~1arktplatz sammelten, diese überrumpelt
und cnlwaifnet. Der Roten Armee gelang es, über I 00 Söldner
gefangenzunehmen, darunter 4 Offiziere. 4 Geschütze, 3 Maschi-
nengewehre und große Mengen Infanteriemunition wurden er-
bcutet.
1\m selben Tag nahm die Rote Armee auch den Flugplatz
Schieißheim ein. Oie dort stationierten Flicger stellten sich der
Bäterepublik zur Verfügu11g. Weiterhin wurden Freising, Kochel,
Schongau und Kaulheuren besetzt.
, Eine~ ersten großen Erfolg in südlicher Richtung errangen
l·orrnallonen der entstehenden Roten Armee, als sie om
I :iJ 16. ApriJ nach schweren Kümpfen die Stadt Rosenheim be-
freitcn. 'iördlich von Oachau. stieß arn 18. April die revolutionäre
\rbeitcrwehr lngolstadts in Stiirke von etwa 700 bis 800 Mann,
d•c der lläternacht zur Hilfe eilen wollte, auf eine von Nürnberg
herangeführte Frcikorpsabteilung. Unter dem Kommando von
Rudolf Egelhofcr, der zu diesem Zeitpunkt die Iogoistädter Hun-
dertschaften inspizierte, wurden die Konterrevolutionäre überra-
schen~ angegriffen und zur Kapitulation gezwungen.
Ocr Versuch der llegierung lloffmann, die Räterepublik allein
~nit bayrisehen und württcmbergischen konterrevolutionären
rruppcn niederzuschlagen, war gescheitert. Dort, wo sieb die
85
Hoffmann-Truppen zum Kampf stellten, wurden sie von der bay-
rischen Roten Armee geschl!lgen.
Durch intensive Überzeugungsarbeit erreichten die Revolutio-
näre, daß sich die Truppen der Hoffmann-Regierung fast durch-
weg weigerten, gegen die Räterepublik vorzuge hen. So gelang es
dem Soldatenrat des in F.reising liegenden I. Jägerbataillons am
15. April, einen im Auftrag der Hoffmann-Regierung aus Regens-
burg kommenden Transport von 1 200 Soldaten über die Situa-
tion in München aufzuklären und seinen Rückzug zu erzwingen.
Am 18. April übergaben 700 Soldaten eines ürnberger Regi-
ments, nachdem sich ihre · Parlamentäre durch Gespräche tm d
persönlichen Augenschein von den wahren Zuständen in Mü n-
chen überzeugt hatten, ihre Waffen an die Rote Armee und fuh-
ren wieder nach ürnherg zurück.
Die Erfolge der bayrischen Roten Armee - insbesond ere der
Sieg bei Dachau - stärkten die politischen wtd militärischen Po-
sitionen der Bayrischen Häterepublik bedeute nd. Nunmehr kam
es darauf an, den errungenen militärischen Vorteil zu nutzen, um
den relativ begrenzten Einflußbereich der Rätemacht zu erwei-
tern. ur so konnte sie die Arbeiter und Soldaten auch in den an-
deren Teilen Süddeutschlands mitreißen und ihre Existe nz be-
haupten. Doch die Erfolge der Roten Armee wurden nicht
gen utzt.
Im Dachauer Truppenteil ~ der militärischen Ha uptstütze der
Räterepublik - war der Einfluß der US PD besonders stark. Des-
halb wurden hier die USPD-Funktionäre Ernst Toller als Ober·
kommandierender und Gustav Klingelhöfer als ein Stellvertreter
eingeset:~t. Toller ging mit dem Vorsatz nach Dacbau, sofort Ver·
handJungen mit der Konte rrevolution einzuleiten, jedem weiteren
Kampf auszuweichen. StaU konsequent Maßnahmen zur Ausnut-
zung der für die Räterepublik günstigen militärischen Lage
durchzusetzen, stoppte er den Vormarsch der bayrischen Roten
Armee. Ernst Toller leitete ohne Wissen und gegen den Willen
des Aktionsausschusses Waf[enstillst.andsverhandlungen ein, die
zu dieser Zeit niemand so dringend benötigte wie die gesch lage-
nen konterrevolutionären Truppen. Am l9. April wurde ein drei-
tägiger Waffenstillstand ausgehandelt, der das Gebiet zwischen
l.ngolstadt und Dachau zur neutralen Zone erklärte. Toller und
Klingelhöfe r verhalfen so der bayrischen Konte rrevolution zu
86
einer Atempause, in der diese bede utende militärische Verstär-
kungen aus den anderen Teilen Deutschlands zur iederschla-
gung der Räte republik heranführen konnte.
Der Aufbau der bayrischen Roten Armee
und die militärischen Vorbereitungen
zur Verteidigung der Räte republik
Im Gegensatz zu Toller und seinen Anhängern bewährten sich
die Münchner Kommunisten als vorwä rtstreibende Kraft der Rä-
terepublik. Sie üblen wichtige F unktionen in der Räteregierung,
in der Militärkommission und im Oberkommando der Roten Ar-
mee aus, drangen auf eine n Ausbau de r erzielten militärischen
Erfolge und eine Beschleunigung des Formierungsprozesses der
bayrischen Roten Armee.
Ober die konkreten Vorstellungen der Räteregie rung zum Auf-
bau der Roten Armee gibt der folgende Aufruf der ,Militärkom- '
mission und des Vollzugsrates de r Betriebs- und Soldatenräte
Münchens vom 25. April detaillierte Auskunf1:
•An das klassenbewußte Proletarwt!
Arbeiter! Bauem! Soldaten! Erwerbslose!
Die Bourgeoisie führt ihre Soldknechte gegen München heran,
um die junge Freiheit des Proletariats in Blut zu ersticken. Rüstet
und sammelt Euch zum Kampf um die sozialistische Rätere pu-
bli k! Tretet ein in die Rote Armee! · ·
Zeigt den Henkern der Revolution die Zähne und schickt die
weißen Garden mit blutigen Köpfen heim!
\Ver kann in die Rote Armee eintreten?
Alle Arbeiter, die einer sozialistischen oder freigewerkschaitli- -
chen Organisation angehören.
Bei der Meldung zur Aufnahme sind folgende Papiere vorzule-
gen:
Mitgliedsbücher einer sozialistischen oder freigewerkschaftli-
chen Organisation oder Ausweis eines Betriebs- oder Erwerbslo-
senrates oder Mitgliedsbuch des Soldaten bundes , Freier Kame-
rad , . Überdies ist der Militärpaß mitzubringen. Soldaten können
erst aufgenommen '"erden, nachdem sie aus ihrem Truppenteil
ausgeschieden sind.
87
•
 ~Tiozu verpflichtet sich der Soldat der Roten Annee?
Zur freiwiUigen Unterordnung und unbedingtem Gehorsam ge-
gen die Führer, zu eiserner Disziplin in und außer Dienst im In-
teresse der Räterepublik, Die Rotten-, Gruppen-, Zug- und Abtei-
lungsführer werden von der Mannschaft gewähiL Oie Regiments-
führer und die Führer selbständiger Forn1ationen ernennt der
Volksbeauftragte im Einvernehmen mit den Regimentern ...
Die Häte regierung betrachtet es als ihre erste und selbstver-
ständliche Pflicht, für jeden Soldaten der Roten Armee und seine
Angehörigen in ausreichender Weise zu sorgen.«
Mit den von ihr eingeleiteten Maßnahmen zur Bewaffnung der
Arbeiter und zur Entwaffnung der Bourgeoisie hatte die Bayri-
sche Räterepublik in einem Teil Deutschlands wichtige Schritte
zur konsequenten Lösung der Militärfrage unternommen. Um
diese mit der für die erfolgreiche Verteidigung der Rätemacht un-
bedingt notwendigen Aufstellung einer regulären Arbeiterarmee
zu verbinden, verblieben ihr nur wenige Tage. Innerhalb kürze-
ster Zeit gelang es der Rätemacht, unter Führung der KPD eine
Armee zu formieren, die den lnteressen der Werktätigen diente
und sich als militärisches Machtorgan der Diktatur des Proleta-
riats grundlegend von den bürgerlichen Anneen unterschied. Als
Vorbild wirkte hierbei die Rote Armee Sowjetrußlands, von der
die bayrische Rote Annee auch ihren amen ableitete. Mit der
Formierung der ersten proletarischen Anuee auf deutschem Bo-
den vollbrachte die deutsche Arbeiterklase im April · 1919 ihre
bis dahin größte militärorganisaforische Leistung.
Auf der Grundlage des Freiwilligenprinzips gehörten der bayri-
schen Roten Armee Mitglieder der KPD, der USPD sowie partei-
lose·Gewerkschafter, darunter zahJreiche christliche Arbeiter, an.
Der überwiegende Teil von ihnen unterstützte aktiv die Münch-
ner ·Kommunisten und die linken USPD-Führe r. Sozial hatte der
Personalbestand der bayrischen Roten A rmee folgende Zusam-
mensetzung: Zwei OritteJ der Rotarmisten entstammte dem lndu-
strieproletariat, ein Drittel der Bauernschaft. Fast a!Je hatten eine
militärische Ausbildung in den imperialistischen Streitkräfterf er-
halten.
Die Fühnmg der bayrischen Roten Armee setzre sich vorwie-
gend aus zur Arbeiterklasse gehörenden ehemaligen Soldaten und
Matrosen zusammen. Nur in wenigen F'allen konnte auf friihere
88
•
Offiziere zurückgegriffe n werden. Beispiele dafür sind der Gene-
ralstabsoffizier im Oberkommando der Roten Armee, Oberleut-
nant Eugen Maria Karpf, der Kommande ur der Infanterie der
Oachauer Armeegruppe, Leutnant Ernst Wollenherg, oder auch
Or. Rudolf SchoUenbruch, der an1 19. April 1919 seine Berufung
zum Volksbeauftragten für das Sanitätswesen und zum Arrnee-
arLI der Roten Armee erha.llen hatte. Die unteren Führungskader
•
bis zum Bataillonskommandeur wurden von der MaruJschaft ge-
wählt, die höheren Kommandeure und Führer selbständiger For-
mationen vom Vollzugsrat ernannt.
Ein hervorragendes Beispiel internationalistischer Soliqarität
stellte der Kampf ehemaliger russischer und italienischer Kriegs-
gefangener in den Reihen der bayrischen Roten Armee dar. Sie
~chörten zur Dachauer Armeegruppe. Die russischen Inte rnatio-
nalisten (etwa 80 Mann) kämpften im Bestand des 1., II. und
\'. Sturmbataillons, die italienischen (etwa 20 Mann) im II. Sturm-
bataiUon. ach der Niederschlagung der Räterepublik traf vor al-
lem die ehemaligen russischen Kriegsgefangene n die Rache der
Konterrevolution. Bestialisch ermordete sie 53 von ifmen im Crä-
felfinger Wald bei München.
Da es keine dokumentarischen Unterlagen von revolutionärer
Seite hierzu gibt und der Formierungsprozeß während der we-
nigen Tage ihrer Existenz nicht abgeschlossen, sondern voll im
Gange war, gehen die Angaben über die personelle Stärke der
bayrischen Roten Armee stark auseinander. Bis Ende April 1919
wurden etwa 30 000 Arbeiter bewaffnet und zu Betriebsformatio-
nen zusammengefaßt. Diese bildeten einen wichtigen militäri-
schen Rückhalt der Hätemacht, und hauptsächlich aus ihren Rei-
hen kamen die Freiwilligen der Roten Armee. Doch zum direkten
Personalbestand der Holen Armee können wohl nur die 5 000 bis
6 000 Kämpfer gezählt werden, die zu Einheiten der Roten Ar·
111ee formiert und an der Front eingesetzt worden waren.
Naturgemäß standen vor der erst im Aufbau befindlichen Ro-
ten Armee all die Schwierigkeiten, die als Folge des Zeitdrucks
und der damit verbundenen Improvisation, des Mangels an poli-
tisch und fachlich qualifizierten Militärkadern sowie der ungenü-
genden Bewaffnung und Ausrüstung auftraten. Die kurze Frist
für ihre Formierung erschwerte es außerdem, einheitliche Trup-
penkörper zu bilden.
'
89
 Das 1ichtnutzcn des Dachauer Sieges hatte die Führungs·
schwächen der bayrischen Roten Armee besonders siebtbar ge·
macht. Es fehlten vor allem ein einheitliche r strategischer Kampf·
plan, eine einheilliehe militärische Führung und eine Koordinie·
rung der militärischen Opera~onen an den verschiedenen
Kampfabschnitten. icht wenige Führer aus der USPD und den
anarchistische n Kreisen diskutierten fortwährend über Befe hle
und erregten Panikstimmung. Oie KPD besaß keine Parteiorgaru·
sationen in der Roten Armee l!nd konnte deshalb kaum direkten
Einfluß auf die Rotarmisten nehmen. Das wurde auch di!Tch den
un ermüdlichen Einsatz von Rudolf Egelhofer l!nd die Vorbildwir·
kung der in den Reihen der bayrischen Ro ten Armee kämpfen·
den KPD-Mitglieder ~ich! a usgeglichen.
Das Oberkommando der Roten Armee bereitete sich auf Ver-
teidigungshandlungen z ur Abwel1r eines konterrevolutionären
Angriffs vor. Oie einzelne n Formationen der Roten Armee bezo-
gen in einem Umkreis von e twa 30 Kilometern um München ihre
Stellungen. Diese stützten sich im Norden al!f Freising und Da-
ehau, im Westen auf die Würm, die Amper und den Ammersee
und im Süden auf Starnberg urtd Hosenheim.
Große Bedeutung für den weite ren Ve rlauf der Kämpfe kam
dem Dachauer Frontalbschnitt zo. Dachau bildete infolge seiner
geographischen Lage den Hauptstützpl!llkt zur Verteidigung
• Münchens. Hier waren die stärksten Kräfte der bayrischen Roten
Armee konze ntrie rt, und bei Dachau wurde auch de r R aupt-
seillag der konterrevolutionären Truppen erwartet.
Die revolutionären Arbeiterformationen, die Dachau erobert
haften, wurden vom Oberkommando z ur . Oachauer Armee-
gruppe« z usamme ngelaßt und neu formiert. Ihre Führungsorgane
bestanden aus einem engeren l!nd einem erweiterten Stab. Zum
engeren Stab gehörten etwa 20, zum erweiterten über I 00 Mi t·
glieder, darunter alle Kommandeure und Soldatenräte.
Gegen den Widerstand Ern st Tollcrs und seines Stellvertre-
ters, Gustav Klingelh öfers, wurde von kommunistischen Angehö-
rigen des Dachauer Abschnittsstalbes - unter ihnen Leutnant
Ernst Wollenberg - ein Verteidigungsplan erarbeitet und di!Tch-
gesetzt, der die Reorganisation di eser wi chtigsten militärischen
Stütze der ßayrischen Räterepublik und den intensiven Ausbau
des Dachauer Verteidigungsalbschnitts vorsah.
90
acb der an1 24. April 1919 albgeschlossenen Reorganisation
gliederte sich die Oachauer Armeegruppe in Front- und Etappen-
truppen. Zu den Fronttruppen gehörten 800 Mann Infanterie
(1. Stunnbata illon = 200 Mann, II. Sturmblltaillon = 180 Ma nn,
11 1. Sturmbataillon = 180 Marm, IV. Sturmbataillon = 120 Matm,
V. Sturmbataill on = 120 Mann}, 60 Artilleri sten, 40 Pioniere,
40 Nachrichtenleute, 15 Reiter, ein Stabstrupp (30 Mann}, eine
Radfabrabtei.lung (20 Mann), eine Streckenkommandantur
(60 Mann) und 265 Mann sonstige Truppen. Zu den Etappen-
truppen de r Dacha uer Armeegruppe zählten die Ortskomman-
dantur (60 Mann), der Sanitätstrupp (30 Mann) und die Versor-
gungsahteill!llg (50 Mann). Insgesamt wnfaßte die Oachauer
Armeegruppe - nach den Angaben von Ernst Wollenberg -
L 205 HotarmistelL mit I 165 Gewehren bz,~. Karabinern, 60 Ma-
schinengewehren und 6 Geschützen (4 77-mm-Gescbütze,
2 105-mm-Geschütze).
Das Oachauer Gelände bot güns tige Bedingungen für die Er-
richtung einer tiefgestaffelten, pioniermäßig gesicherten Verteid i-
gu ngsstellung. Oie HiigeUandschaft erm öglichte es, gut getarnte .
Feuerstellungen in den VerteidigungslinieJJ einzurichten und mit
Maschinengewehren aus höher gelege nen Stützpunkten in den
Kampf einzugreifen. Auf diese Weise konnte der angreifende
Gegner durch Kreuz- und Flankenfeuer wirkungsvoll bekämpft
werden.
Das nördliche Vorfeld bestand vorwiegend aus offenem Ge-
lände. Dagegen verhinderte südlich und südöstlich von Dachau
ein sumpfiges Gebiet - das Dachauer Moos - jegliche Truppen-
entfaltung. Oie Gesamtlänge des Dachauer Frontabschn itts betrug
7,5 K,ilometer. Das bedeutete, auf je zehn Meter kam, da die In-
fan terie der Dachauer Anneegruppe nur 800 Mann zählte, ein
Rotarmist. Oie Verteidigung auf breiter Front wurde jedoch
dl!rch die günstigen Geländebedingungen und die relati v zah l-
reich eingesetzten Maschinengewe hre vorteilhart unterstützt.
Der Ve rteidigungsplan der Dachauer Anneegruppe sah eine
Verteidigungsstellung von Etzenhal!sen über We bling bis zun1
Westausgang von Günding vor. Das I. Sturmbataillon e rhielt de n
Abschnitt Etze nhau sen, das 11. den Abschnitt \Vebling und das
111. den Al>schnitt Günding zugewiesen. ach der Einnahme von
Schleißheim durch konterrevolutionäre Truppen bezog das V. Ba-
91

E. Etzenhausen
w. WeiJ/ing
0 Oochou
a. Gunding
I.}
: SturmbalaJI/on
München
\' ertl'idigungsstrllungcn der Oaclmucr Amwt-grupp<·. 1\Jlril 1919
taillon eine lliegelstcllung, die sich links an die Amper, rechts ge-
gen das Darhauer Moos anlehnte und gegen Osten gerichtet war.
Das Oberkommando der bayrischen Roten Armee erwarlete
den konterre' olutionären Angritr bei Etzcnhausen. llicr bestan·
den für den Gegner die günstigsten Annäherungs· und EntfaJ.
tungsmöglichkeitcn. Ocr Abschnitt I (Etzenhausen) "urdc des·
halb. obwohl er die geringste Uinge besaß, am .stiirksten besetzt.
\eben dem I. Shmnbataillon war in Etzenhausen auch noch eine
Abteilung der Streckenkomma ndantur eingeselzt, deren spezielle
Aufgabe im Schutz der Eisenbahnlinie bestand. Der Abschnitt II
(Wcbling) halle die größte Ausdehnung. Er wurde nur durch
schwache Kriifte geschützt, da hier uus den bereits genannten
geographischen Besonderheiten ein feindlicher Angriff unwahr·
scheinlieh war.
Gesichert wurden die Stellungen drr Oachauer Armeegruppe
vor allem durch Stacheldral1thindemissr. Auch rissen Pionier-
kräfte der Roten Armee die Schirnen nördlich von Etzenhauscn
auf und vcr~perrten die w~ehtigsten Zufahrtswege mit gefallten
Bäumen.
Orr \ crtl'idigungsplan der Oachauer Anm•egruppe sah vor.
den AnJ,'I'iff des Gegnersam Abschnill I (Etzcnhnusf'n) zurückzu·
schlngcn und vom Abschnitt 111 (Günding) aus einen F11mkenstoß
gegen die rückwärtigen Verbindungen des Feindes zu führen.
Das I V. und ein Teil des V. Slunnbutaillons verblieben als Re·
scrve in Duchau und sollten später in die Kiimpfe eingreifen.
Am 24. April 1919 war der Ausbau des Dac·haucr Frontab-
92
schnitts abgeschlossen. Die bayrische Rote Armee verfügte hier
ülwr ein Verteidigungssystem, das es ermögl icht hülle, dem An·
griff auch iiberlegener gegnerischer Kriifte standzuhalten und un·
1r r günstigen Bedingungen zur Gegenoffensive iiberwgehen.
Gegen die kot!lerrevolutioniire Übermacht
Die Konterrevolution bereitete den direkten Angriff auf die Bayri·
;ehe llülerer)ublik vor. Die Regierung l lorfmann hatte inzwischen
t•ingeschcn, daß sie nicht in der Lnge war, allein mit den militiiri·
sehen Kriiften der bayrischen Konterrevolution und mit württem-
bcrgischer Unterstützung die Rätemacht nieder.wseh lagen. Des·
halb bat sie die Reichsregierung offiziell um Hilfe.
llcichswehnuinister Gustav Noske war sofort dazu bereit. Er
bCI1.te konterrevolutionäre Truppe n aus ganz Deutschland, die
bereits Erfahrungen bei der blutigen ~iedermet-.r;elung der Revo-
lution gesammelt hatten. gegen Miinchcn in \larsch : die 2. Garde-
infanteriedivision (etwa I 000 Mru1n), das ll essisch-'TIIüringisch-
\Valdecksche Freikorps (etwa I 000 Mann), das Freikorps Görfitz
(clwa I 500 Mann), die Kavallerieschützenkommandos II (etwa
I 500 Mann) und 14 (~twa 1 000 Mann), dus freikorps Lützow
(Stä rke unbekannt) und die Marin ebrigad e E:hrhardt (etwa
I 500 Mann). Weiterhin beteiligten sich mehrere wii rttemoergi·
sehe Formalionen und zahlreiche bnyrische Freikorps - darunter
das Bayerische Schützenkorps unter Oberst Fmnz Xaver Ritter
'on Epp (dem späteren faschistischen Reichsstatthnlter für Bay-
ern) - am Unterdrückungsfeldzug gegen die ßa)Tische Rälerepu·
blik. Oiesen konterrevolutionären Truppen gehörten neben Epp
auch solche späteren Nazi· und Kriegsverbrecher wie Hermann
Göring, lludolf l-Ieß, Heinrich llimmler und Ernst Röhm an. Den
noch in der Fonnierung begriffenen schwachen Kräften der bayri-
s<·hcn Holen Armee stand eine erdrückende, schwerbewaffnete
Übermacht der Konterrevolution gegenüber.
Für den Vormarsch auf M linchen wurden drei Gruppen gebil-
det: A in Donauwörth, Bin lngolsladt und C in Regensburg. Den
Oberbefehl über die gegen die ßoyrische Riiterepublik vorrük·
kenden konterrevolutionären Streitkriifte übettrug Noske dem
Generalleutnant Ernst von Oven. Dieser wies die ihm unterstell·
93
 tcn Truppen zum rücksichtslosen Ein~lz gegen die Verteidiger
der Bn)rrischcn Räterepublik an. ln einem Korpsbefehl vom
25.April hieß es unter anderem: »Es kommt darnur an, daß keine
Spariakisten, besonders keine Führer, aus -"lünchen entkom-
men ... Jeder bewaffnete Bürger gilt also als f eind und ist als sol-
cher zu behandeln. Oie Gruppen haben ihre Aufträge mit Gewalt
durchzuführen. jedes Verhandeln mit dem feinde oder mit der
Bevölkerung ist verboten. Mil~e wird als Schlappheit. Gutmütig-
keit ols Unzuverlässigkeit der Truppe gedeutet.. Im weiteren
wurde der Einsatz von Flugzeugen, Pnnzerkraftwagen und Flam-
menwerfern befohlen. Und der Punkt II des Korpsbefehls er-
klärt e sognr: •Siimtliche Batterien sind mit ßluukreuz-Munition
(Gosgrannten - die erf.) auszurüsten .•
Oie Vorbereitung des ÜberfaHs auf die Bayrische Räterepublik
ging - iU111lich wie es die Konterrevolution im Januar und März
1919 in Berlin praktiziert hatte- mit einer wüsten antikommuni-
sti ~chen \ erleumdungskampagne einher. Die konterrevolutionä-
ren Tn•PJ>en und insbesondere die Bauern Südbaverns wurden
'
\On der Bomberger Regierung auf jede nur erdenkliche Art gegen
die Räterepublik aufgehetzt. Dabei erhielt sie vom höheren Kle-
rus oktive Unterstützung.
Von der bayrischen Konterrevolution wurden auch eigene
neue Kumpfmethoden entwickelt. Um die Räterepublik von in-
nen zu unterhöhlen, verhängte sie ei ne Blockade über München.
Kohlen- und Lebensmitteltransporte trafen nicht mehr ein. Die
Zufuhr von Milch verringerte sich rapide, so daß ihre Verteilung
auf Kinder und Kronke beschränkt werden mußte.
Aus allen llimmelsrichtungen wurde die Offensive gegen die
Bayrische Bäterepu blik eröffnet. Vom \orden her rückten die
I lauptkräfte 1oskes, die preußischen Truppen unter dem Befehl
des Generalleutnants von Oven. vor, aus dem Haum Ulm die
wiirttembcrgischen Einheiten und aus den anderen Richtungen
die konterrevolutionären formationen Bayerns.
Für den Angriff auf München von Westen her war die Beset-
zung des Eisenbahnknotenpunktes Augsburg von großer Bedeu-
tung. Von hier aus konnte die Eisenbahnverbindung nach Mün-
chen und zu d<'n wichtigen Lechbriicken untc•·brochcn werden.
Die Konterrevolution halle es mit der raschen Inbesitznahme
Augsburgs auch deshalb so eilig, weil sir brfürchtete, die rbeiter
91
von Augsburg könnten mit München Kontakt aufnehmen und
sich rventueU der Bayrischen Räterepublik anschließen.
\ach der Kapitulation verantworllicher f unktionäre der SPD
und der USPD vor der Konterrevolution fielen am 20.April würl-
tembrrgische Truppen in ugsburg ein. Der onnarsch in die
\ltotadt verlief verhältnismäßig ruhig. Doch die Arbeiter der Vor-
orlr Pferse, Lechhausen und Oberhausen leisteten - von
fraucn und Jugendlichen unterstützt - fast drei Tage bewaffne-
ten Widersl8lld. Es entwickelten sich erbitterte Kiimpfe gegen die
ihnen an Truppenstärke bedeutend überlegenen, Artillerie und
Flugzeuge einsetzenden konterrevolutionären Formationen. Ernst
Toller, Oberbefehlshilber der Augsburg um nächsten befindlichen
Dachaucr Armeegruppe, führte den Befehl des Oberkommandos
der Holen Annee, den Augsburger Arbeitern Hilfe zu leisten,
nicht aus. Am 22. April fiel die so im Stich gelassene Stadt end-
gültig in die llände der Konterrevolution. Die Kümpfe um Augs-
burg forderten auf der Seite der Einwohner 34 Todesopfer.
Die konterrevolutionären Truppen zogen jetzt den {Ung um
\Jiinchen immer enger. Am 26. April gelang es ihnen, Landshut
und am folgenden Tag Moosburg zu besetzen. An einigen Stellen
rückten sie so weit vor. daß sie sich nur noch etwa 30 bis 35 Ki-
lometer von Hinehen entfernt befanden. Die Lage der Bayri-
schrn Hüterepubli k wurde kritisch.
ln Miinchen selbst verstärkte die innere Konterrevolution ihre
Wühltiitigkeit. Verrat und Diversion nahmen zu. llicrbei spielte
dir sogenannte Thulegesellschaft, eine der Keimzellen des deut-
~chen faschismus, eine besondere Holle. Ihre Mitglieder hatten
großen Anteil an der Herausbildung der nazisfischen Ideologie,
'or allem bei der \'erknüpfung des ntikommunismus mit dem
llassismus. Zu den Mitgliedern der, Thulcgesellschaft 1.ählten
nicht wenige spätere Führer der ~ DAP und Hauptkriegsverbre-
cher des zweiten Weltkrieges, so zum Beispiel Hans frank und
\Hrcd Hosenberg. Adolf Hitler '"ar hiiufiger Gast dieser reaktio-
nären Orgnnisntion. Das Vereinsabzcichrn der Thulcgcsellscbaft
war das llakenkreuz, ihr Presseorgan der »Miinchener Beobach-
ter• - der Vorläu!er der azi-Zcitung • Völkischer Beobachterc.
Die Diversionstätigkeil der Thulegesrllsrhaft iiußerle sich un-
ter IInderem darin. daß sie den Automobilpurk der Hüterepublik
lah mgelegt und die Tanks der Flugzeuge in Schieißheim un-
95
brauchbar gemachl haUe. Auch gab sie während der gesamten
Zcil der Rälerepublik antikommunistische lietzschriflen heraus
und untersmtzle die Aufslcllung konterrevolulionärer Freikorps.
Als die Rote Garde die Leitung de.r Thulegcsellschaft am
26. pril aushob, fielen ihr größere Waffenvorriite, konlerrevolu-
lioniire Flugblätter sowie gefiilschte Ausweise und Stempel der
Räteregierung in die lliinde, so auch ein l"aksimilestempel mit
der nterschrift Rudolf Egelhofcrs und das Siegel der Münchner
Stndtkommandantur. Mit diesen Materialien hallen die Mitglieder
der ThulegeseUschafl willkürlich Eigentum beschlagnahmt, sieb
bereichert und Unruhe unter der Bevölkerung gestiftet.
Am 30. April wurden sieben Angehörige der Thulegesellschaft
und d.rci weitere der Verschwörung überführte Konlerrevolutio-
niire durch ·Angehörige der Roten Garde im Luitpold-Gynma-
sium erschossen. Das war die Antwortauf den konterrevolutionä·
ren Terror - am 29. April waren in Starnberg 12 Rotarmisten
mißhandelt und danach ermordet und in Possenhoren drei Sani-
tliter von den Reaktionären gerneuehell worden. Ocr Bourgeoisie
bot dies den Anlaß, run I. Mai in lünchen das Gerücht zu ver-
breiten, es seien Geiseln ermordet und fürchterlich verslümmelt
\\Orden. Daß die sogenannten Geiseln überführte Plünderer und
Diversanten waren, störte sie dabei nicht. Ähnlich wie mit der
wiihrend der Berliner Miirtkiimpfe 1919 lancierten Falschmel·
dungvom Lichtenherger Beamtenmord sollten mit der Lüge vom
.Geiselmord eine Pogromstimmung gegen die Hevolulionäre enl·
fachl und die Greueltaten der Konterrevolution von vornherein
gerechtfertigt werden.
Bis in die Gegenwart wird von der bürgerlichen Historiogra·
phie diese »Geiselerschießungc immer wieder als Legende kol·
porlierl und damil versucht, die bayrische Rätemacht und die an
ihrer Spitze stehenden Kommunisten - insbesondere den Ober·
befeh lshilber der Roten Armee, Rudolf Egelholer - zu verteu·
Iein.
Während die Truppen der Konterrevolution immer weiler ge-
gen München vorrücklen. halten die Kommunislen innerhalb der
Räteregierung mil großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der 'on
allen Seiten von ~'einden umgebenen Rätcrer>ublik fehlte es an
innerer politischer Stabilität Der bevorstehende Kampf mit einer
Obermacht konterrevolutioniirer Truppen rief unter den Führern
96
der Münchner USPD Unruhe, Verwirrung und Furchl hervor.
Toller, Klingelhöfer und andere wollten unler allen Umständen
einer Entscheidung ausweichen und hemmlen zunehmend die
\rbeit des Aktionsausschusses. Es gelang ihnen, iu der VoUver-
snmmlung der Betriebs- und Soldatenriite, in der zahlreiche klein-
bürgerl!che Vertreter den Ton angaben, immer mehr Anhänger
zu gewmnen.
ln der Vollversamm lung an1 26.April traten Ernsl Toller, Gu-
slav Klingelhöfer und Emil Maenner defiitislisch auf. Sie ver-
lcumdelen die Revolulionäre, verbreitelen Panik. forderten Ver-
ha~dlungen mil der lioffmann-Regierung, verlangten die
\\ 1edenulassung der reaktionären Presse und die \Viedereinsel·
zung der bürgerlichen Polizei. Dem konnlcn die Kommunisten
sclbslverstiindlich nicht zustimmen.
Einen Tag später fiel die Entscheid ung. Oie Mehrheil der Voll-
versammlung_ ~er Betriebs- und Soldatenriile gab der kapitulan -
tcnh~flen Polihk der USPO-Führwtg ihre Zustimmung. Oie Kom-
munisten erklärten daraufhin ihren AuslriU aus dem Aktionsaus-
srh.u_ß. Ein neuer Aktionsausschuß mil völlig unbekannlen und
pohllsch unerfahrenen Mitgliedern trat an die Spitze der Räte-
macht Er verfolgte ausschließlich das Ziel, Kompromisse mit der
llolfmann-Regierung auszuha.udeln. Oie Konterrevolution leh.nle
jedoch jegliche Verhandlungen ab. Und über den Einmarsch
oder Nichteinmarsch der weißen Söldner in Mün chen enlschie-
den jetzt sowies~ nichl mehr die Mitglieder der Bamberger Regie-
rung, sondern d1e Befehlshaber der konterrevolutionären Trup-
pen.
Das Verhalten der USPO-Führer, die angesichls des bevorste-
henden konterrevolutionären Angriffs auf die Rälerepublik kopf·
los geworden wa.ren, trug große Verwirrung in die Reihen ihrer
Ve~t~idiger. T~ller _und sei~e Gesinnungsgenossen begingen die
pohhsche Kap1tulahon bereits vor der militärischen.
Oie bayriscben Kommunisten lehnten die Kapitulation ab. Un-
~eachtet ihres Auslritts aus der Räteregienmg woren sie keines-
wegs gewillt, die Leitung des Kampfes gegen die angreifenden
konterrevolutionären Truppen aus der Hand zu geben. Oberbe-
fe~lshaber der Holen Armee blieb weiterhin Rudolf Egelhofer.
D1e Macht lag jetzt faktisch in den Händen der Roten Annee.
Ihr Obe rkommondo ergriff konsequente Maßnnhmen zur Ver·
97
 •
teidigung der Riiterepublik. Als die konterrevolutionären Trup-
pen den unmittelbaren Angriff auf München vorbereiteten, pro-
klamierte das Oberkommando der Roten Armee am 29.April aen
Generalstreik und rief alle klassenbewußten Arbeiter zu den
Waffen:
»Arbeiter! Soldolen der Roten Armee!
Der Feind steht vor den Toren Münchens. ln Schieißheim sind·
schon die Ortiziere, Studenten, Bourgeoissöhne und weißgardisti-
schcn Söldner des Kapitalismus.
Keine Stunde ist zu verlieren. Heraus aus den Betrieben! So-
fortiger Generalstreik.
Schützt die Hevolution! Schützt Euch selbst! Alle Mann zu
den Waffen!
Auf zum Kampfe! Setzt Eure 11anze Kraft ein! Alles steht auf • ErrlchtungderRäte-
' - repub/ilt in HÜ!Id>l!n
dem Spiele! ~ SI~ d(Jf'RofMArfnee
Der Feind kennt keine Gnade.
ln Starnberg haben die weißgardistischen llunde die Sanitäts-
mannschaiten niedergemetzelt. Ihr kämpft für Eure Frauen, Eure
Kinder, für Euch selber!
llir \ertridigung der Bayrischen Rlilerepubtil. \pnV\Iai 1919
Zeigt den Kapitalisten und deren bezahlten Söldnern, wie das
Proletariat für seine Sache zu kämpfen weiß.
Zeigt der weißen Garde, wie die Rote Armee zu siegen ver-
steht! den Ginsatz von Artillerie konnte die Konterrevolution den Wi-
Auf zum Kampfe für die Sache des Proletariats!« derstand der Rotarmisten brechen und sie zum Hückzug zwin-
Die bnyrische Rote Armee nahm entschlossen den Kampf mit gen.
den mehrfach überlegenen konterrevolutionären Truppen auf. Bis zum 30. April 1919 war es den bayrischen und württem-
fhre Angehörigen kämpften selbstlos und kühn. So verteidigten bergischen Truppen gelungen, von Westen und Südwesten her
I 0 Rotarmisten das Kloster Schäitlam gegen eine Kompanie des bis zu den Vororten Münchens vortustoßen. Nur im orden der
I. Württemhergischen Freiwilligenregiments. Deren erster Angriff Stadt behauptete die Rote Annec noch Dachou und hielt damit
wurde abgewehrt. Erst beim zweiten Angriff, nachdem ein Rotar- den Vormarsch der konterrevolutioniiren Hauptkräfte auf. ,\'ach
mist gefallen und die Munition ausgegangen war, konnten die wie vor war die Dachauer Armeegruppe der entscheidende Fak-
Söldner die Stellung nehmen. Die Rotarmisten wurden vor ein tor für die Verteidigung der Bayrischen Räterepublik. Sie hatte
Standgericht gestellt. zum Tode vemrteilt und erschossen. die zahlenmäßig stärkste Gruppierung der Roten Armee aufzu-
Besonders hartnäckigen Widerstand leistete die Rote Armee weisen und verfügte über ein gut ausgebautes Verteidigungssy-
den von Westen auf München vorrückenden konterrevolutionä- stem.
ren Truppen in und bei Fürstenfeldbruck. ach dem Fall von Als bekannt wurde, da.ß von den konterrevolutionären Trup-
Augsburg war hier und in die Orte Oiehing und Maisach eine pen 2 Pnnzerzüge gegen die Dachauer Armeegruppe eingesetzt
Formation der bayrischcn Roten Armee in Stärke von etwa werden sollten, wurde eine Patrouille ausgeschickt, die die Eisen-
I 300 Mann eingerückt und hatte Stellung bezogen. Erst durch bahngleise zu sprengen hatte. Es gel11ng diesem Trupp, ifem 15

98 99
-
russische Internationalisten angehörten, seinen Auftrag zu erfül-
len und einen PanzCI"LUg zum Entgleisen zu bringen.
Durch Überläufer erfuhr das Oberkommando der Oachauer
Anneegruppe, daß der Gegner für den 30. April, gegen 12 Uhr
einen Generalangriff auf Oachau plante. Zu seiner Abwehr wur-
den bei El:i;enhausen die Stellungen mit mehreren Maschinenge·
wehren und 2 77-mm·Ccschützen verstärkt. Das II. und das
111. Sturmbataillon sollten über Cünding hinaus einen Gegenstoß
führen.
Während sieb die Rotonnisten tapfer dem Ansturm der konter-
rc' olutionären Übennacht entgegenstellten. warer~> die Kapitulan-
ten weiter am Werk. Toller kehrte von der Vollversammlung der
Betriebs- und Soldatenräte nicht wieder nach Dachau zurück. An
seiner Stelle übernahm der kleinbürgerliebe USPD-F'ührer Cu-
stav Klingelhöfer - trotz seines kapitulantenhaften Verhaltens
nuf der Vollversammlung - am 28. April das Kommando iiber
die Dachauer Armccgruppc. Obwohl die Lage günstig war und
die Rotarmisten eine gute Kampfmoral besnl.len. befahl Klingel-
höfer, die Stellung aufzugeben und die Oachnuer Armeegruppe
nach München zuriickzufiihren. Er berief sich bei seinem er-
such. dem Kampf feige auszuweichen, auf einen Befehl von Ru·
dolf Egelhofer. Der aber hatte einen solchen Befehl nie erteilt, im
Gegenteil. Egelhofer bcfond sich zu diesem Z1•itpunkt auf dem
Weg nach Dacbau, um die Führung des Kampfes 1111 diesem für
die Verteidigung der Buyrischen ltäterepublik so entscheidenden
Frontabschnitt zu übernehmen.
Zum Schutze des Dachaucr Bahnhofs ließ Klingelhöfer eine
el"'a I 00 :\lann starke '\ ache zurück. ~ach Abzug der Armee·
gruppc stieß das Freikorps Görlitz diesen Rotarmisten in den
Hücken. Es entwickelte sich ein heftiges Gefecht. Erst nach drei-
stiindigem Kampf und dem Einsalz von Artillerie konnten die
konterrevolutionären Truppen den Bahnhof besetzen.
Den Abzug der Oaehuuer Armeegruppe nutzten die konterre·
volutionären Tn.ppen sofort aus, um Schläge gegen die sich zu·
rückziehenden Einheiten der Roten Armee zu führen. Erbitterte
Kämpfe entbrannten bei Föhring, wo sich die notarmisten schon
nicht mehr verschanzen konnten. Weitere Gefechte fanden bei
Trudering, Zamdorf und Ricm statt. Vom Norden und vom Osten
riicktcn die reaktionären Truppen unmittelbar an München her·
100
11 n. Im Süden und im Westen war der militiirische Umschlie-
ßungsring noch nicht ganz geschlossen. Eine Verbindung zur Au-
ßenwelt besaß München jedoch nur noch im Südosten, und zwar
mit Rosenheim, wo sich eine relativ starke Gruppierung der Ro-
ten Armee befand.
Durch den Rückzug aus Dachau hatte die bnyrische Rote Ar·
mce das Vorfeld von München aufgegeben. Ocr plötzliche und
völlig unmotivierte Abzug der Oachauer Armeegruppe wirkte
;,ich demoralisierend auf die gesamte bayrischc Hole Annee aus.
\lit dem Verrat KJingelhöfers wurde der militärische Zusammen·
bruch der Bayrischen Räterepublik eingeleitet.
Der Weg nach Münrhen stand der Konterrevolution nun of·
f('n. Die Regierung lloffmann lehnte erneut alle \'erhandlungsnn·
!(ebote ab.
ln der acht zum I. Mai 1919 schickt e das Bayerische Schiit·
zcnkorps unter Epp einen Agenten mit dem Aultrag nach Mün·
eben, unter den Solduten des lnfanterieleibregimenls, das sich be-
reits am Putsch vorn 13. April beteiligt halte, eine Meuterei
anzuzetteln. Etwa 200 Soldaten konnten dafür gewonnen wer-
d('n. Diese besetzten zusammen mit einer Gruppe reaktionärer
Studenten überraschend das Schloß, das Hathaus und andere
"ichtigc Gebäude.
Am I. Mai drangen die ersten konterrevolutioniiren Truppen
in München ein. Oie »Münchner Rote Fahne• brachte in ihrem
Aufruf zum I. Mai den Heroismus und die Kampfentschlossen-
heit der Arbeiterklasse zum Ausdruck:
»Die roten Fahnen wehen nicht zu einer Frcudenfeier, sie we-
hen voraus den Schlachtreihen der Arbeiterklasse. Und unser
\ lünchener Proletariat tränkt sie aufs neue mit seinem besten
Blut. Das Münchener Proletariat erbringt in furchtbarem Kampf
!(t'gen einen übcrmiichtigen Feind den Beweis der Treue. Es hat
ein Fort gestürmt :w einer Zeit, '"o das Gros des Hevolutionshee-
r·t' S noch nicht nachko"nuncn konnte. Umbranclet ist es von allen
Seiten von der tobenden Reaktion. Das Münchener revolutionäre
Proletariat gibt dem ersten Mai seine höchste Weihe. Als Winkel·
ried der deutschen. der internationalen Hevolution stürzt es sich
in den Kampf, seiner heiligen Pflicht bewußt. '\ cltkamprtag!
'\uf die Schanzen!
ln Kampf und Tod Clir den Kommunismus!«
I 0I
 In München entbrannten schwere bewaffnete Auseinanderset-
zungen. Obwohl der Kampf so gut wie aussichtslos war, leisteten
Angehörige der bayrischen Roten Armee gemeinsam mit bewaff.
neten Miinchner Arbeitern erbitterten Widerstand. Als der End-
kampf um München stattfand, existierten weder die Dachauer
Armeegruppe noch irgendwelche anderen geschlossenen Forma-
lionetl der bayrischeo Roten Armee mehr. Die einzelnen Kampf-
trupps, in deren vordersten Reihen bis zuletzt die Kommunisten
standen, kiimpften ohne zentrale Fiihrung und weitgehend iso-
liert voneinander. ' richtet.
Die Stellungen nördlich von München, von den Arbeitern ver-
schiedener Großbetriebe zäh gegen eine erd.rückende Übermacht
verteidigt, wurden am l. Mai, gegen LI Uhr dttrchbrl'chen. Da-
nach zogen sich die Arbeiter heldenhaft kämpfend zum Stadtzen-
tnml zurück. In den engen Straßen der Innenstadt entwickelte
sich ein verbissenes Ringen. Am Hauptbahnhof Fügten Angehö-
rige der Roten Armee unter Führung von Rudolf Egelhofer dem
Gegner bedeutende Verluste zu. Im Nordwesten Münchens, in
der Oachaue r Straße, leisteten etwa 60 Rotarmisten hartnäckigen
Widerstand. Zwischen dem Stiglmeyerplatz und dem Maßmann-
pfalz wurde versucht, den Vormarsch der konterrevolutionären
Truppen gegen die nordwestlichen Arbeiterviertel und das Stadt-
innere aufzuhalten. Aber fast unaufhaltsam drang von verschiede-
nen S'eiten unter Einsah: von Tanks, Panzerkraftwagen und Ge-
schlitzen die konterrevolutionäre Übermacht in München ein
und eroberte das Stadtzentrum. Damit entschied sie über das
Schicksai der Räterepttblik.
Ihre letzten militärischen Operationen konzentrierten die ein-
rückenden Truppen gegen die Arbeiterviertel Giesing und Haicl-
bausen sowie gegen das SchlachthofvierteL Oie Verteidiger der
Riiterepublik hatten hier in aller Ei le aus Bierfässern, Möbelstiik-
ken und Karren Barrikaden e rrichtet. Plötzliche Angriffe kleiner
Gruppen von Verteidigern, die aus Kellern und von den Dächern
schossen, hielten die Truppen au[. Da auch die Tanks nicht in die
Tiefe des Raumes vordringen konnten, vermochte das Militär erst
nach dem Eintrerfen von Verstärkungen und nach der »Säube-
rung« des Wohngebiets, die mit einer systematischen Beschie-
ßung der Fenster von Arbeiterwohnungen begann, die Lage wl·
ler ihre Kontrolle zu bringen. 1och bis zum 3. Mai 1919 leisteten
102
Angehörige der bayrischen Roten Armee und bewaffnete Arbei-
ter Münchens der Konterrevolution Widerstand.
Hartnäckig verteidigten sich auch die Rotarmisten in Rosen-
heim, das die konte rrevolutionären Truppen am l. Mai einneh-
men wollten. Sie gingen zum Gegenangriff über und vereitelten
den Vorstoß der Söldner. 1acbdem die Konterrevolutionäre er-
hebliche Verstärkungen herangeholt hatten, zogen sich die Rotar-
misten nach Kolliermoor zurück. Am 4. Mai mußten sie sich der
Übermacht ergeben. Einen Tag darauf wurden ihre Führer hinge-
·
Seit dem 3. Mai 1919 herrschte in München die Konterrevolu-
tion. Rotarmisten und be,vaf[nete Arbeiter, die den Söldnern in
die Hände gefallen waren, wurden meist sofort 4ilrschossen oder
erschlagen. Zahlreiche Kommunisten und Angehörige der bayri-
schen Roten Armee, unter ihnen Rudolf Egelhofer, aber a uch an
der Räterepublik völlig Unbeteiligte fielen der Mordwut der kon-
terrevolutionären Truppen zum Opfer. Während in1 bewaffneten
Kam pf zur Verteidigung der Bayrischen Räterepublik 107 Prole-
tarier gefal.len waren, betrug im Vergleich hier'.w die Zahl der· Er-
mordeten ein Vielfaches. Sie konnte nie genau (estgestell! wer-
den. Die unterste Schätzung liegt bei 400, die höchste bei
I 500 Toten.
Dem Terror der konte ' rrevolutionären Truppen folgte die bour-
geoise Klassenjustiz. In München setzte nach dem 3. Mai eine
Verhaftungswelle großen Ausmaßes ein. Alle Angehörigen der
bayrischen Roten Armee oder der Räteregienmg waren fiir die
Konterrevo.lution . Spartakisten«, gegen die ein regelrechtes Kes-
seltreiben veranstaltet wurde. Bis Mitte Februar 1920 führten die
angeblich zur »Wiederherstellung der Demokratie« eingesetzten
25 Sondergerichte 5 233 Strafprozesse durch; wegen Beteiligung
an der Rätebewegung wurden 65 Personen zu Zuchthaus-, I 737
zu Gefängnis- und 407 1JU Festungsh.aft. verurteilt, die T odesur-
teile nicht mitgerechnet.
Auch Eugen Levine, der hervorragende Führer der Bayrischen
Räterepublik, auf dessen Ergreifung eine Bel.ohnung von
I 0 000 Mark ausgesetzt war, wurde von Spitzeln aufgespürt, ver-
haftet und der bürgerlichen Klassenjustiz überantwortet. Unge-
brochen verteidigte er vor Gericht die Ehre der Konummisti-
schen Partei Deutschlands, das heldenhafte Ringen der
103
Bayriscben Riiterepublik. Am 3. Ju ni 1919 wurde Eugen Levin~
zum Tode verurteilt, am 5. Juni das Urteil vollstreckt Mit dem
Ruf . Es lebe die Wcltrevolutionc brach er unter den Kugeln des
Exekutionskommandos zusammen.
Die Errichtung und Verteidigung der Bayrischen Räterepublik
war der letzte Höhepunkt der ovemberrevolution. Die Bestre-
bungen der fortgeschrittensten deutschen Arbeiter vom Frühjahr
1919, die 1ovemberrevolution zur sozialistischen Revolution
weiterzuführen, fanden hier besonders klaren Ausdruck. Die For-
mierung der bayrischen Roten Annee stellte die bis dahin größte
militärorganisatorische Leistung der de utschen Arbeiterklasse
dar. Für ku rze Zeit bestand mit ihr auf deutschem Boden im An-
salz eine Armee, die den Interessen des Volkes diente.
Die vom I 3. Apri l bis zum 3. Mai I 919 existierende Bayrische
Räterepublik war der bislang in Deutschland weitestgehende und
reifste Versuch, im lokalen Hahmen die Diktatur des Proletariats
zu errichten. Eugen Levin~ und seine Kampfgefährten hatten den
Aufbau der Bäte macht in Bayern mit der Oberzeugung in die
Hand genommen, eine n wichtigen Beitrag zur Fortführung der
Weltrevolution zu leisten. Zu Recht würdigte Clara- Zelkin die
ßayrische Räterepublik als ein bleibendes Vorbild: . Oie Vorhut
des Proletariats kämpfte in München, bcfl\cit von einem Wust po-
litischen, soziolen Aberglaubens. Ihr revolutionäres Hingen ist so
nicht nur nach seinem Umfang, seinem Ungestüm, der Größe sei-
ner Opfer der llöhepunkt der Klassennuseinandersetzung zwi-
schen Bourgeoisie und Arbeiterklasse in den Revolulionsmona-
ten. Es ist ebenso ein l löhepunkt nach seinem geschiehtlieben
Sinn. Es wird deshalb für die künftigen Revolutionskämpfe be-
deutsam bleiben.«
Mit der , iederlage der Bayrischen Räterepublik endete die No-
vemberrevolution 1918/ 19 - die erste Volksrevolution gegen
Krieg und Imperialismus in der deutschen Geschichte. Sie war
eine elementare Antwort der Volksmassen auf den mörderischen
Raub- und Eroberungskrieg und richtete sich gegen das Gesell-
schaftssystem, das den ersten Weltkrieg zu verantworten hatte.
Der bewaffnete Aufstand der Arbeiter, Soldaten und Matrosen
Anfang 1 ovember 19 18 brachte dem deutschen Volk den Frie-
den. Doch der Krieg wurde nicht mit seinen Wurzeln ausgerotleL
104
Die Macht des Monopolkapitals blieb in Deutschland unangeta-
stet.
Die de utsche 1ovemberrevolution 19 I 8/19 vollzog sich am
Beginn d er von d er Großen Sozialistischen Oktoberrevolution
eingeleiteten Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum So-
zialismus. Sie war di e bis dahin internationnl bedeutsamste anti-
imperialistische Massenbewegung im Gefolge der Oktoberrevolu-
tion. Deren Ideen und unmittelbare Auswirkungen beeinßußten
Inhalt und Fonnen des Kampfes der d eutschen Revolutionäre be-
deutend. Die ovemberrevolution wiederum stärkte die Positio-
nen der internationalen Arbeiterbewegung und war eine wirk-
same Unterstützung der jungen Sowjetmacht Sie gab ihr die
\1öglichkeit, den Brester Frieden zu annullieren, und erleichterte
ihr die Befreiung ßelorußlands und d er Ukraine.
Bereits im ersten Ansturm erreichte die Volksrevolution Gro-
ßes, das weit in die ZukunFt wirkte und wiederholt mit der Waffe -
gegen die Reaktion veneidigt werden mußte.
Der Kampf um diese Errungenschaften bestimmte von nun an
maßgeblich die Klassenauseinandersetzungen in Deutschland. Ab
Ende 1918 unte rnahm die Konte rrevolution ständig Attacken,
um das Rad der Geschichte zurückzudrehen, die revolutionären
Kräfte entscheidend zu schlogen und die bereits gewonnenen
Hechte und Freiheiten zu beseitigen. Dagegen setzten sich die
Werktätigen in machtvollen Massenbewegungen zur Wehr. Als
Antwort auf das gcwoltsumc Vorgehen der Reaktion en twickelten
sich aus i~nen hiiufig bewaffnete Abwehrkämpfe der deutschen
Arbeiterklasse, die entscheidend dazu beitrugen, revolutionäre
Errungenschaften zu verteidigen und den wiedererstarkenden
Kräften des deutschen Imperialismu s und Militarismus Grenzen
zu setzen. Da der be waffnete Wide rstand der Arbeiter jedoch iso-
liert blieb, konnten die revolutionären Zentren Deutschlands
nacheinander blutig niedergeschlagen werden, erlagen die Revo-
lutionäre im Frühjahr 1919 der konterrevolutionären ÜbennachL
Als wahre Volksrevolution hatte die 'ovemberrevolution YfiJ-
lionenmassen in den po litischen Kampf einbe-.t.ogen, ihne n wert-
volle Erfahrungen vermittelt. Trotz des heldenhaften Kampfes
der revolutionären Arbeiter und Soldaten war es jed~ch nicht ge-
lungen, den Imperialismus und Militarismus zu stürzen und ein
friedliches, .demokratisches und sozialistisches Deutschland
. zu ~-
105
richtrn. lle Versuche, die 'ovcmbcrrevolution in eine sol!in!Jisti.
sehe Revolution hinüberzuleiten, erlitten eine Niederlage.
\ ovemberrevolution blieb ihrem Chamkter nach eine antiimpe.
rialistisrh-demokmtische Revolution, die in der politischen Herr-
schaft des deutschen Imperialismus einen '' cchsel von der Mon-
archie zur biirgerlich-parlameolarischen Republik erzwang. Auch
die .\lilitürfragc wurde nicht zugunsten der Volksmassen gelöst.
Es entstand kein dem gesellschaftlichen Fortschrill und der Si-
chrrung des Friedens verpflichtetes Militärwesen.
Dos wichtigste Ergebnis der ovemberrevolution \>'ftr die
Gründung der Kommunistischen Parlei Deutschlunds an der Jah-
reswende 1918/ 19. Diese Partei, die zum Ausgongspunkt ma.rxi-
stisch-lcninistischer Militärpolitik in der deutschen Arbeiterbewe-
gung wurde, besaß von Anfang an auch auf militärpolitischem
Gebiet klare programmatische Vorstellungen. eben den aus der
Oktoberrevolution gezogenen Schlußfolgerungen gehörte dazu
frühzeitig die Verarbeitung der in der ovemberrevolution ge-
machten E:rfahrungenc Die KPO ent".ickelte auf ihrem Grün-
dungsparteilag ein militärpolitisches Altemativprogmmm zum
Militorismus, das vor allem die revolutionäre Lösung der Militär-
fmge beinhaltete - die Bewaffnung der Arbriterklasse und die
Entwaffnung der Bourgeoisie.
Aus den Kämpfen der deutschen Arbeiterklasse in der ovem-
berrcvolution zog die KPD grundlegende Lehren, die auch den
militiirl>olitischrn Überlegungen des Proleinrials neue Perspekti-
ven eröffneten. In den auf die Novemberrevolution 1918/ 19 fol-
gl'ndcn bewaffneten Kämpfen zur Verteidigung der ovemberer-
rungensehaften konnte sich die deutsche Arbeiterklasse auf eine
Portei stützen, die sich zunehmend zu einer Partei neuen Typs
ent"' ict..elte.
Gewaffnete Aktionseinheit gegen den
Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
Der Putsch uf\d seine Hintergründe
Die reaktionären Kriifle Deutschlands gaben sich mit ihrem Sieg
iilwr die revolutionären Arbeiter im Frühjahr 1919 nicht zufrie-
drn. Sie setzten die konterrevolutioniirc Offensive mit dem Ziel
fort. die durch die Novemberrevolution 1918/ 19 erschütterte und
immer noch labile .\1acht des deutschen Imperialismus möglichst
rn~ch wieder zu festigen.
Die Siegennächte des ersten Weltkrieges standen dem wohl-
wollend gegeniiber, insbesondere waren auch sie an der 1\"ieder-
~(·hlagung der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung inter-
essiert. Der nm 28. Juni 1919 unten eichnetc und am I0. Januar
1920 in Kraft getretene Versailler Vertrag ließ den deutschen lm-
Jll'riulisten in dieser Beziehung einen gewissen Spielraum. Ande-
rrrscits, und darin bestand das wichtigste Ziel des Vertrages,
sollte die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt zurückge-
drängt, der deutsche Imperialismus politisch, ökonomisch und
militiirisch geschwächt werden.
Ihre schwc..".iegendsten Folgen hallen die Bestimmungen des
\ l'rsai ller Vertruges für das deutsche Volk. Die Reaktion nutzte
dus aus, um Nationalismus, Chauvinismus und Revanchismus an-
t-uheizcn und so von der eigenen Schuld am Krieg und an seineo
Folgen abzulenken. Langfristiges Ziel "'ar, einen Revanchekrieg
ideologisch vorzubereiten. Damit im Zusammenhang wurde von
den reaktionären Kriiften auch di e antikommunistische und anti-
sowjetische lletze forciert, um den Auswirkungen der Großen
Suzinlistischen Oktoberrevolution 191 7 und drr ovcmberrevo-
lu tion 1918/19 entgegenzuwirken und den Boden für neue, ge-
107
 waJlsame Angriffe gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung in
Deutschland zu bereiten.
Gleichzeitig unternnhm die deutsche Monopolbourgeoisie in-
tensive Anstrengungen, um aus dem Übergang von der Kriegs-
zur Friedenswirtschart in großem Maße zu profitieren. Umfang-
reiche Staatsauftrüge für Bohnen, Post, Energieversorgung und öf-
fentliche Bauten sowie andere Maßnahmen führten seit Sommer
1919 zu einer spürbaren wirtschaftlichen Belebung.
Trotz des lrersailler crtragcs entwickelte der deutsche lrnpe-
rialismus 1919 bedeutende Akti,<itäten, um seine militärische
Macht wieder zu festigen. Dazu gehörte vor allem die beschleu-
nigte Formierung neuer Steitkriirte, nachdem das geschlagene
und in Aunösung begriffene I leer und die ~1nrine im Ergebnis
der Kriegsniederlage demobilisiert werden mußten. Oie neuent-
stehende militärische Macht, seit Miirz 1919 als vorläufige
Reichswehr bezeichnet, bestnnd in ihrem Kern aus direkt über-
nommenen Formalionen des allen I leeres, aus konterrevolutionä-
ren Freiwilligenlruppen, die sich Zllm größten Teil aus den be-
rüchtigten Freikorps rekrutierten, sowie aus sogenannten
Grenzschutzverbiinden. Für die vorliiul'ige Reichswehr wurden
vor allem diejen igen Unteroffiziere und Mannschaften ausge-
wählt, die Fronterfa hrungen und SI)Czielle militärische Kenntnisse
besaßen sowie politisch als •zuverlässige galten. Gleichzeitig for-
mierte sich ein Offizierskorps, das von fanatischem Anti kommu·
nismus, Revanchismus und militaristischem Kastengeist durch-
drungen war. Mille 19 19 umfaßte die neue Streitmacht über
400 000 Mann. Dnmit verfiigte die herrschende KJasse über ein
wesentlich schlagkrii!tigeres konterrevol utionäres Machtinstru-
ment als zur Zeit der ovembcrrevolution 1918119. Auch wenn
dessen Stärke entsprechend den im Versailler Vertrag fixierten
Bestimmungen auf I 15 000 Mann reduziert werden mußte, seine
Rolle als imperialistisches Unterdrückungsinstrument im lnnern
wurde durch den \ ertrug in keiner Weise beeinträchtigt. Das war
insofern von Bedeutung, da die innere Funktion der imperialisti-
schen deutschen Armee in der Weimarer Republik unter den Be-
dingungen der allgemeinen Krise des Kapitalismus, den hlchwir·
kungen der Kriegsniederlage und der Novemberrevolution
1918119 sowie der wachsenden Ausstrahlungskraft der Sowjet·
macht ein größeres Ge,.icht als bisher erhielt.
108
F'ii r dus rnilitiirische Wiedcrerstnrkcn des deutschen Imperia-
lismus wuren der Aufbau der Reichswehr und der unmittelbare
F:influß ihrer Fühnmg auf die Hegicrungspoliti k 1919/20 die
..·ichligsten Aspekte. Darüber hinaus schuf sich d er deutsche Mi-
litarismus weitere Instrumente zur Unterdrückung und Beeinflus-
sung der olksmassen sowie zur militärischen Wiederaufrüstung.
Das gelang ihm, indem er sich an die nach der Großen Sozialisti-
schen Oktoberrevolution grundsät.zlich veränderten Entwick-
lungsbedingungen anpaßte und die in der Weimarer Republik
ringeschränkten Wirkungsmöglichkeiten berücksichtigte. 1\'eu ge-
schaffen wurde beispielsweise die Sicherheitspolizei. deren Auf-
gabe es war. die Heichswehr bei inneren Einsätzen spürbar zu
entlasten. Andere Organisationsformen der militaristischen Kräfte
"aren die Einwohnerwehren und die reaktionären Wehrver-
bände. Militaristische Ideologie verbreitend, betrieben sie anti-
kommunistische und revunchistische I fetze und bildeten eine be-
achtliche Massenbasis für die zukünftige Aggressionspolitik des
deutschen Imperialismus.
\ on den 1919 bereits wieder politisches Oberwasser gewin-
nenden militaristischen Kräften ging die größte Gefahr für die in
der ovemberrevo!ution 1918119 erkämpften demokratischen
R<'chte und Freiheiten aus. Ultrnrenktioniire Kreise glaubten im
Lnterschied zu den politisch Beweglicheren innerhalb der herr-
schenden Klasse, daß ein schnelles Wiedererstarken der Macht
rl(•S deutschen lmr>crialisn'lus nicht durch eine sozia ldemokra-
tisch-bü rgerl iche Koulilionsrcgierung und den Abbau dieser oder
jener Errungenschaft aus der I ovcrnberrevolution 1918119, son-
dern nur durch die ßeseitigung der bürgerlich-parlamentarischen
Republik zu erreichen sei. Sie traten ebenso wie Großgrundbesit-
zer und rheinische Schwerindustrielle für einen militaristischen
Putsch ein.
Oie sich seit Mitte 1919 sammelnden Verschwörer hofften,
maßgebliche imperialistische Kreise des Auslands für ihre Ziele
!{t>winnen zu können. Sie spekulierten dabei auf die Gegensätze
Z\\ischen den Großmilchten und in erster Linie auf die von die-
sen Deutschlandzugewiesene Rolle als antibolschewistische Speer-
spitze. Denn in d<'n kontrrrevolulionären Absichten dieser
Kräfte nahm OeÜtschland durch seine geographische Lage sowie
durch seine ökonomischen, politischen und militärischen Polen-
109
 I
zen eine Schlüsselsleitung in der Auseinandersetzung zwischen
Imperialismus und Sozialismus ein. Kontaktaufnahmen der Ver-
schwörer zu britischen Militärkreisen blieben beispielsweise da-
her nicht ohne Erfolg.
Die zunehmenden Bestrebungen des deutschen Monopolkapi-
tals. das Kräfteverhältnis in der Weimarer Republik weiter zu
verändern, stießen auf den heftigen Widerstand der Werktätigen.
Deren Kampfeswille war lrotz ihrer iederlage in der 'ovember-
revolution 1918/ 19 nicht gebrochen. In Berlin, Mitteldeutsch-
land. Oberschlesien und in anderen Gebieten Deutschlands bra-
chen seit Sommer 1919 erneut machtvolle Streiks gegen die
\'orstöße der Reaktion aus.
Die KPD unterstützte diese Aktionen, obwohl sie sich 1919 in
einer äußerst komplizierten Situation befand. Kun; nach ihrer
Gründung waren ihre besten Führer heimtückisch ermordet wor-
den. und ihre Mitglieder hatten härteste Verfolgungen zu ertragen.
Den größten Teil des Jahres 1919 mußte die KPD in der 111egali-
tät "~rken. Trotzdem stellte sich die KPD in die vordersie Reihe
des Kampfes, als sich die innenpolitische Situation zu Beginn des
Jahres 1920 zuspitzte.
Zum Anlaß dafür wurden die Ereignisse Anfang Januar 1920
vor dem Reichslug in llcrlin genommen. Dort hatten sich Zehn-
tausende voh \Verktiitigen zu einer friedlichen Demonstration
versammelt, um gegen das reaktioniire Betriebsrätegesetz zu pro-
testieren und für die Bcibeholtung der Mitbestimmung in den Be-
trieben einzutreten. Diese Forderung haUe auch die Führung der
KPD auf ihrer Zentralausschußsitzung Anfang Januar 1920 erho-
ben. Denn der vorgelegte Gesetzentwurf degradierte die Betriebs-
räte - eine wichtige Errungenschaft der 1 ovemberrevolution
1918/ 19 - zu einer bloßen Ueschwerdeinstanz, zu einem Hilfs-
orgnn der Unternehmer. Durch dieses Gesetz verloren die Räte
ihre Funktion als potentielles Kampf- und Machtorgan der Arbci·
ter, es war eine Gegenmaßnahme der herrschenden Klasse auf
den im Frühjahr 1919 von den Werktätigen erkämpften Ausbau
von Positionen der Arbeiterräte in den Betrieben. Aber daß die
Regierung gezwungen gc.... esen .... ar, überhaupt ein Betriebsräte-
gesetz vorzulegen, zeugte davon, wie tief der Rätegedanke auch
jetzt noch in Teilen der deutschen Arbeiterklasse wurzelte.
Als sich am 13. Januar 1920 Zehntausende vor dem Reichs·
II 0
tagsgebüude zum Protest gegen dieses Gesetz zusammenfanden,
schossen dort postierte Angehörige der Sicherheitspolizei auJ un-
bewaffnete Demonstranten. Sie töteten 42 von ihnen und ver-
" undeten I 05.
Oie reaktionürstcn Kreise nutzten dieses blutige Ereignis, um
ihre Putschvorbereitungen zu beschleunigen. Dabei halfen ihnen
die jetzt noch rascher aus den Kassen von Monopolkapitalisten
wie Ernst von Borsig. Emil Kirdorf und llugo Stinnes nieBenden
finanziellen Mittel. Es entstanden neue Kontakte zur rechtsste-
henden Presse, zu ultrareaktionären Organisationen und Persön-
lichkeiten.
Alle wichtigen Fäden der Verschwörung liefen über Wolfgang
Kapp. Gutsbesitzer und Direktor der ostpreußischen General-
landschaft - einer öffentlich-rechtlichen KreditanslalL Dieser '
\lann war kein politischer Außenseiter, sondern ein einflußrei-
cher Vertreter der deutschen Konterrevolution. Er gehörte dem
~ \ufsichtsrat der Deutschen Uank und dem Hauptvorstand der
großbürgerlichen Deutschnationalen Volkspartei an. Kapp genoß
dns Vertrauen von Großgrundbesitzern, schwerindustriellen Krei-
sen und Generalen der Reichswehr.
Zur Reichswehr hatten die Verschwörer durch den General
dl'r Infanterie Wallher Freiherr von Lüttwitz eine besonders enge
\"crbi ndung. General von Lüttwitz befehligte das Reichswehr-
gruppenkommando I und verfügte damit über eine zentrale Füh-
rungsposition innerhalb der Streitkriifte. Seine Bereitschaft und
die unclcrcr führender Offiziere der Reichswehr zu einem Um-
sturz resultierte vor allem aus ihrer Gegnerschaft zur bevorste-
henden Reduzierung der Reichswehr auf die von den Sieger-
möchten geforderte Stiirke von I 15 000 Mann und zur Auflösung
der Einwohnerwehren sowie der Zeitfreiwilligenverbände. Die
\ ersuche des Generals von Lüttwilz, den Reichspräsidenten Fried-
rich Ebert umzustimmen, schlugen fehl. Auch die Ebert und
\oskc durch Lüttwitz vorgetragenen ultimativen Forderungen
der Verschwörer wurden abgelehnt. Daraufhin lösten sie im März
1920 den Putsch aus.
Auch ehemalige Militiirs, darunter so einflußreiche wie Gene-
ral der Infanterie a. D. F:rich Ludcndorff, unterstützten die Um-
~turzpliine. Zu diesem Kreis, der sich zum Teil in der konterrevo-
lutionären o t ationalen Vereinigung• - einem Dachverband
III
nationalistischer Verbände - organisiert halle, gehörten weiterhin
Oberst a. 0 . Max Bauer, im ersten Weltkrieg politischer Berater
von Ludendorff, und Hauptmann a. 0. Waldemar Pabst, Mitver-
antwortlicher für die Ennordung von Kar! Liebknecht und Rosa
Luxemburg.
Diese Kräfte hielten am 13.Mä,rz 1920 ihre Stu nd e für gekom-
men und übernahmen durch einen Putsch die llegierungsgewall
Am frühen Morgen dieses Tages zogen etwa 5 000 Mann der
2. Marinebrigade mit klingendem Spiel in Berlin ein. Oie Bri-
gade - nach ihrem Kommandeur, Korvettenkapitän Hermann
Ehrhardt, auch Brigade Ehrhardt genannt - kam aus ihrem nord-
westlich von ßerlin gelegenen Quartier, dem Ausbi.ldungslager
Döberitz. Sie marschierte zur Siegessäule und paradierte danach
vor einer Gruppe hoher Offiziere und prominenter Zivilisten. Zu
dieser illustren Gesellschaft gehörten unter anderen Cencralland-
schahsdircktor Wolfgang Kapp. Trnugoll von Jagow - tmler Wtl-
hclm II. Polizeipräsident von Be rlin -,der ehemalige Unterstaats-
sekretär Friedrich Freiherr von Falkenhausen, General der
Infanterie Wallher Freiherr von Lüttwitz und Oberst a. 0. Max
Bauer.
I !inter dem Brandenburger Tor verli eßen General von Lütt-
witz, Ma.x Bauer und Vertreter des Stabes•dic Parade der Brigade
und fuhren zum lleichswehnninisterium. Wolfgang Kapp begab
sich mit Traugott von jagow, der' als preußischer Innenminister
fungi!•re n sollte, und mit Freiherr von F'alkenhausen, d em vorge-
sehenen Chef der Reichskanzlei, in das Regierungsgebiiude. Dort
ernannte sich Kapp zum Reichskanzler und preußischen Mini-
sterpräsidenten. Reichspräsident Friedrich Ebert und fast alle
Mitglieder der llegierung Custav Bauer nohcn zunächst nach
Dresden und dann nach Stuttgart.
Oie ersten Anordnungen ~er t neuen Hcgienmgc offenbarten
bereits eindeutig deren diktatorischen Charakter. Wolfgang Kapp
verkündete die Aunösung der 1 ationalversammlung und der
Preußischen Verfassunggebenden umdesversammlung. Kundge-
bungen, Demonstrationen und das Erscheinen von Zeitungen
wurden verboten. Eine Verordnung vom 15.Milrz 1920 bedrohte
St reikposten mit dem Tode. Sie sollte ei nem eventuellen General·
streik entgegenwirken und zugleich eine wesentliche Errungen·
schoft der Arbeiterklasse, das Streikrecht, beseitigen. Anderer·
112
,dts erkannten die Putschisten aber auch, daß sie ohne
\lu~senbasis auf längere Dauer kaum rcgicl'('n konnten. Deshalb
, rrsuchtcn sie mit der Metbode .Zuckerbrot und Pcitschec,
reUe der Arbeiterklasse für sich ZU gewinnen, und versprachen
thnen demagogisch, sie vor der tinternationalen \ erknechtung
durch das Großkapitale und 'or einer angeblich drohenden tbol-
'chewistischen Cclabrc zu schützen. Mit der Behauptung, die
Putschregienmg sei eine . Regierung der Ordnung, der Freiheit
ttnd der Tat c wurde versucht, in breiten Bevölkerungskreisen
Ei nfluß zu gewinnen.
Diese demagogischen Beteuerungen fruchteten, soweit sie
iib(•rhaupt an die Ohren der Werktätige n drangen, ebensowenig
"ie die Drohungen gegen den Streik. Oie von den Putschisten er-
hoffte !lassenbasis kam nicht zustande. Lediglich eine kleine
~rhar von Monopolisten, Großgrundbesitzern sowie höheren Be-
amten und 1\ljljtiirs unterstützte den Staatsstreich vorbehaltlos.
\ndcrc Kreise der herrschenden Klasse 'erhielten sich zu-
rüc-khaltend. So stimmten die 1,rroßbiirgcrlichen Parteien dem
Putsch nur bcdin1,<1 zu. Auch in der Heichswchr erhielt er nicht
den erhofften Bückhall ~ur eine kleine Zahl von Kommandeu-
ren trat mit ihrrn Formationen, die vor 11llem in Ostpreußen,
Pom mrrn, Mecklenburg und Schlesien stationiert waren, oUen
uuf die Seite von Kapp- Liittwitz. Volle Zustimmung fand der
Putsc·h dagegen beim Chef des Admiralstubs dct· Reichsmarine,
\'i1.eodmit·al Adolf von Trotho.
Die meisten Kommandeure der vorlüufigen Heichswehr ließen
'irh von der Haltung des Chefs des Allgemeinen Truppenamts,
Ceneralmajor llans von Seeckt, leiten. Dieser lehnte mit der Pa-
role• . Truppe schießt nicht auf Truppcc den Einsatz von Reichs-
" r hrfonnationen gegen die Putschisten ab. \ach seiner Ansicht
hütte ein Kampf von Heicbswehreinheiten gegeneinander das
"ichtigste Instrument zur Sicherung der imperialistischen Macht
!(«'spalten und damit e ntscheidend geschwiicht. Die zwielichtige
I htltung Secckts resultierte schließlich oueh aus dessen ablchoen-
dl•r Einstellung zur Weimarer Republik.
Sceckt diente mit seinem Lavieren dem Gesamtinteresse der
d!'utschc•n Bourgeoisie. Er und die uuf seiner Seite stehenden '
Komma ndeure ließen sich die Möglichkeit offen, beim Gelingen
clco Putsches zu Kapp - Lüttwitz überwgehen. Sie kalkulierten
I t3
aber auch ein, daß bei einem Scheitern des Staatsstreichs die Re-
gierung wieder auf die Unterstützung durch die vorläufige
Reichswehr angewiesen war, um dem zu erwartenden revolutio-
nären Aufschwung zu begegnen.
Arbeiterwehren siegen über die Putschisten
Formierung des Widerstands
Oie Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnte den Kapp-Lütt-
'"ilz-Putsch ab und war zum Widerstand bereit. Ausgangs- und
Kristallisationspunkt aller Abwehraktionen bildeten die Arbeiter
in den Betrieben. Millionen von ihnen, unterstützt von Landar-
beitern. traten in den Generalstreik. Ihnen schlossen sich Zehn-
lausende von AngesteUten, unteren und mittleren Beamten,
Handwerkern und Angehörigen der Intelligenz an.
Ih re Führung übernahmen Aktionsausschüsse, Arbeiterräte
und treikleilungen, die sich - anknüpfend an die Traditionen
des Kampfes der Werktätigen in der i ovemberrevolution
1918/ 19 - in dieser Situation neu formierten. An der Spitze die·
ser Ausschüsse standen zumeist Funktionlire der Arbeiterpar-
leien oder der Gewerkschaften. Sie leiteten Maßnahmen zum Wi-
derstand gegen die Putschisten ein und bestimmten die politische
Zielrichtung des Abwehrkampfcs.
Großen Anteil daran, die Abwehrfront der Werktätigen zu for·
mieren, hatten die Freien Ge"•erkschaften mit ihren mehr als sie-
ben \1illionen Mitgliedern. Der Generalstreikaufruf des Allgemei-
nen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGO) und der Arbeits-
gemeinschaft freier Angestelltenverbände vom Nachmittag des
13. Märt 1920 hatte große mobilisierende Wirkung. Dieser Auf·
ruf " 'ar, gemessen an der bisherigen Poli tik der Gewerkschafts-
führung, eine beachtliche Entscheidung. Er beschränkte sich je-
doch darauf, den Generalstreik zu verkünden.
Oie rilhrung der KPD hatte schon seit Tagen vor der Gefahr
eines kont errevolutionären Putsches gewarnt. Es war daher
selbstverstiindlich, dr\ß sich die Kommunisten sofort nach Be-
kanntwer·den des Putsches den Ab,vehraktioncn anschlossen
oder mithalfen, diese zu organisieren. Die Partei mitglieder waren
114
dnzu auch el\lschlossen, als die an1 13. Miirz in ßerlin anwesen-
den runktionäre der Zentrale der KPD unter linksradikalem Ein-
fluß den Kopp-Lüttwitz-Putsch unzutreffend als Auseinanderset-
zung innerhalb der herrschenden Klasse werteten und nicht
oofort zu energischem Widerstand aufriefen. Viele Orts- und Be-
.ürkslcitungcn der KPD drängten so wie die Bezirksleitung Enge-
birge-VogUand noch am l3.Märt zum Generalstreik.
~ach Eintreffen der Mehrheil ihrer Mitglieder in ßerlin be-
schloß die KPD-Zentrale am 14. Miirt 1920 einen Aufruf zum
Kumpf gegen den Putsch. Er forderte - ausgehend von der ein-
rlt•utigen Kennzeichnung des Klassenchnrnktcrs der • neuen Re-
gierung« als einer Diktatur der Monopolkapitulisten, Großgrund-
besitzer und Generale - den Generalstrei k und verlangte den
oofortigen RU cktritt der Kapp-Liittwitz-Regierung. Oie KPD-Fiih-
rung empfahl weiterhin die Bildung von Organen zur Führung
de• Kampfes und die Formierung von Arbeiterwehrcn. Schließ-
lich forderte sie die Entwaffnung und Auflösung der Reichs"·ehr.
dt•r Sicherheitspolizei, der Einwohnerwehren und der ZeitErei"~l­
li!(enverbiindc.
Dan1il verdeu tlichte der Aufruf der KPD. daß der Kampf nicht
nur um die Wiedereinsetzung der bisherigen Koalitionsregierung
;,u führen war, sondern entschiedene Schritte zur Beseitigung der
l rsuC'hen des Staatsstreiches sowie für ei ne Veränderung des
I\ Iassenkräfteverhäitnisses in Deutschlund zugunstcn der Werktii-
tig<•n ('ingcleilel werden mußten. Ausgehend hiervon, forderte die
I--PO: •Jetzt endlich muß das deutsche Prolet11riat den, Kampf um
srin(' eigene Macht eröffnen ... « Die Zentrale der KPD war sieb
j{·doch darüber im klaren, daß dies nicht von heute auf morgen
rt'alisierbar war. Sie warnte daher noch arn 14. ~ lärt in einem
Hundschreiben an die Bezirksleitungen ovor der Vorstellung, als
ob nun etwa mit einem Schlage alle lllusioncn, die bisher in den
Köpfen der Arbeiter über den Wert der bürgerlichen Demokratie
hrrrschtcn, beseitigt seien. Es ist anzunehmen, daß es erst einer
langwierigen und OJ>ferreichen Kampfführung bedürfen wird, bis
di<'se Illusionen in den entscheidenden Schichten der Arbeiter·
klussc restlos beseitigt ... sein werden.«
Oie Wcrkliitigen traten in den Generalstreik, weil sie durch
drn Kapp-Liiltwitz-Putsch die in der ovcmbcrrevolution er-
kiimpften Rechte und Frei heiten ernsthaft bedroht sahen.
115

J\m \llontag, dem 15. März 1920, halte sich der Generalstreik
auf ganz Deutschland ausgedehnl Er crfaßte fast 12 Millionen
Wcrklätige, deren geschlossenes Auftreten mobilisierend aui die
nichtprolrtarischen Schichten wirkte und erneut bestätigte, daß
nur dir einheitlich handelnde Arbeiterklasse fähig ist, als füh-
rende Kraft des gesamten Volkes wirksam zu werden. Da jedoch
weder am 13. März noch danach ein Einheitsfrontabkommen zwi-
schen den Arbeiterparteien und Gewerkschaften auf zentraler
Ebene zustande kam - es gab auch keinen gemeinsamen Gene-
rnlstreikaufruf -, verlagerte sich die llauptlast bei der Organisie-
rung des Kamt>fes gegen den Putsch auf die Schultern der regio-
nalen Führungsorgane der Arbeiterparteien und Gewerkschaften.
Der Abwehrkampf verlief in den einzelnen IÄindern und Pro-
"inzcn Deutschlands recht unterschiedlich. ln den Arbeiter7,en-
tren, "ie. im lluhrgebiet, im Freistaat Sachsen, in der Niederlau-
sitz, in \1itteldeutschland, in Thüringen und Ieekienburg sowie
in Hrrlin, entwickelten sich sowohl im Ausmaß als auch in ihrer
Organisiertheil äußerst wirksame Ab"chraktionen. ln solchen
Regionen wie Ostpreußen oder Bayern gab es dagegen nur An-
sätze des Abwehrkampfes. losgesamt stellte er jedoch eine ge-
ballte Macht dar, die den Staatsstreich schon nach wenigen Tagen
scheitern ließ. Duran halten die bewaffneten Kämpfe der Werktä-
tigen einen nicht unerheblichen Anteil.
Bewaffnete Abwehraktionen in ßerlin
ln Berlin lag das Zentrum des Putsches. Daher entschied das Ver-
halten der Berliner Werktätigen maßgeblich über den weiteren
\'crlauf des l.Jmsturzversuchs in ganz Deutschland. Das war auch
den Berliner Funktionären der Arbeiterparteien und Gewerk-
schaften klar, als sie sofort nacb den ersten \llcldungen über den
Putsch l\laßnahmen einleiteten, um eine geschlossene Abwehr-
front zu schaffen.
Die Berliner Werktätigen befanden sich in einer schwierigen
Situution. Das ichtzustandekommen eines zentralen Abkom-
mens über die Aktionseinheit zwischen den führenden Gremien
der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften ·führte in der Stadt
zur Entstehung von zwei Streikleitungen. Die eine wurde von
I 16
•
\ crtretcrn des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
und der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände gebildet
und stand im engen Kontakt zum Partei\ orstand und zur Berliner
Bezirksleitung der SPD. Die andere, die Zentralstreikleitung, lag
'or allem in den Händen führender Funktioniire der USPD und
der KJ>D sowie von Vertretern der Betriebsräte.
Ollwohl die sozialdemokratischen Mitglieder der Reichsregie-
nmg und der Parteivorstand der SPD noch am 13. März in einem
\ufruf an die • Bürger, Arbeiter, Parteigt>nossen!c den .General-
;,lrcik auf der ganzen Linie• gefordert hatten. verließen sie die
llauplstadl. Zurück blieb lediglich Vizckunzler Eugen Schirfer,
pin!'r der Führer der Deutschen Demokralischen Partei, um zu
\ crtretern der Putschregierung Verbindung aufnehmen zu kön-
n('n. Zuvor haue der sozialdemokratische Reichswehrminister
Gustav Noske darauf verzichtet, den Befehl zum militärischen
Widerstand gegen die Umstürzler zu geben.
Die Putschisten nutzten dieses erhalten rigoros aus. Gestützt
auf die in Hcrlin einmarschierten 5 000 \lann starken Truppen
"urden das Regierungsviertelund andere "ichtige Punkte der In-
nenstadt besetz!. Ihr Vorgehen wurde dadurch begünstigt, daß
siC'h ein Teil der in Berlin stationierten F'onnationen der Reichs-
" ehr und der Sicherheitspolizei . loyale verhielt. Diese etwa
7 000 Mann bildeten zusammen mit Teilen der Heichswehrbri-
gade 3 aus Potsdam eine starke militiirische Kraft, auf die sich die
Putschregierung indirekt stützen konnte.
Dieses Kräfteverhältnis erschwerte den Abwehrkampf der Ber-
liner Werktätigen beträchtlich. Doch auch in ßerlin übte der
Streik von l lunderttausenden seine Wirkung aus. Außerdem pro-
tcstierten an mehreren SteUen der Stadt auf Kundgebungen oder
durch Demonstrationen Zehntauscnde. Sie bewiesen Mut und
Standhaftigkeit, als pulschisfische Truppen am I lalleschen Tor, in
der Oeusselstraße, am Wilhelmplatz in Charlottenhurg und am
Potsdamer Platz gewaltsam gegen sie vorgingen.
Der Terror und die Gefahren, die, der Putsch für die Existenz
der bürgerlich-demokratischen Republik sowie für den Bestand
der· l~rrungenschaflen der Revolution heraufbeschwor, lösten bei
?.ahlrcichen Werktätigen die Hcr·eitschaft aus, dem bewaffnet enl-
gcgcnzulreten. Frisch in Erinnerung wnren vielen noch die Er-
folge, die sie beim Aufbau von Arbeiterfonnationen und im be-
I 17
 waffneten Abwehrkampf gegen die Konterrevolution 1918/19
erzielt halfen. Diese Erfahrungen halfen jetzt bei der Aufstellung
und beim Einsatz bewaffneter Arbeitergruppen in Berlin, mit de-
nen sich die Werktätigen gegen die weil ii berlegene n putschisti-
schen Truppen in der Inn enstad t, vor allem jedoch in den Voror-
ten und Randgebieten Berlins zur Wehr setzten. Das geschah in
erster Linie in Adlershof, Friedrichshagen, Grünau, Hennigsdorf,
Köpenick, Staaken, Spandau und Velten. Als die Arbeiter ihre
Wehren schufen, konnten sie häufig auf ih.r e noch aus dem ersten
Weltkrieg oder aus den Kämpfen der Novemberrevolution stam-
menden Waffen zurückgreifen. Andere Arbeiter beschafften sich
ihre Waffen bei den Angehörigen reaktionärer Wehrverbände
oder bei Einwohnerwehren.
Besonders gut organisierte Abwehrkämpfe entwickelten sich in
Adlersho[, Köpenick und Oberschöneweide. Sie standen unter
der Leitung des Sozialistischen Verteidigungskomitees, das sich
am 16. März 1920 unter dem Vorsitz von Alexander Futran
(USPD) gebildet halte und im • Lokal Fuchs. am Alten Markt in
Köpenick tagte. Das Komitee entschloß sieb zu bewaffneten Ge-
genaktionen, als putschislische Truppen wichtige öffentliche Ge-
bäude und einige Betriebe in Adlershof, Köpenick und Oberschö-
neweide besetzten. Bewaffnete Arbeiter vertrieben die Putschi-
sten aus den Postämtern von Oberschöneweide und Friedrichsha-
gen sowie aus dem Friedrichshagener Wasserwerk. Etwa
150 Arbeiter verjagten aus der Albatroswerft in Friedrichshagen
80 Angehörige putschistischer Formationen und eroberten dabei
dringend benötigte Kampfmittel - über 100 Gewehre, 2 Minen·
werfer, eine Kiste Handgranaten und mehrere Kisten Munition.
Viele Berliner beteiligten sich auch in Hennigsdorf, einem
nordwestlich, in unmittelbarer ähe der Hauptstadt gelegenen
Ort, am bewaffneten Widerstand. Sie gehörten zu den über
6 000 Werktätigen, die in den Industriebetrieben Hennigsdorfs
beschäftigt waren. Gemeinsam mit den Hennigsdorfer und Span-
dauer Arbeitern stellten sie sich bewaffnet dem Putsch entgegen.
Berliner w1d Hennigsdorfer Werktätige schufen einen Aktions-
ausschuß, dem Paul Schreier und Paul Bergmann (beide KPD),
Hichard Korbasinski (USPD) sowie Paul Jobke und Karl Ennulat
(beide SPD) angehörten. Dieser Ausschuß organisierte die Be-
schaffung einer größeren Anzahl von Waffen, nach Angaben der
118
Reichswehr sollen es etwa 400 Gewehre gewesen sein, rüstete da-
mit die Arbeiter aus und stellte Arbeiterweluen auf. Diese sicher-
ten Hennigsdorf gegen konterrevolutionäre Angriffe und blockier-
ten den durch den Ort führenden l achschubweg für die sich in
ßerlin befindenden putschistischen Truppen.
Der Abwehrkampf der Berliner Werktätigen hemmte die Ent-
faltungsmöglichkeiten der Putschisten, band eine beträchtliche
Zahl ihrer Kräfte und half mit, die Ansätze einer Regierungstätig-
keit von Kapp-Lüttwitz empfindlich zu stören.
Rote Garden in orddeutschland
ln den Küstenprovinzen der Nord- und Ostsee streikten Hundert-
tausende von Werktätigen gegen den Sta.atsst.reich. ln Bremen,
Hamburg, Kiel, WillJelmshaven und anderen Orten standen in al-
len Betrieben die Maschinen still. Auch viele Matrosen, Deck-
und Unteroffiziere leisteten dem Putsch Widerstand. Am konse-
quentesten traten die Matrosen in Wilhelmshaven auf, die den
Putsch entschieden ablehnten. Im Auftrag der Matrosen forder-
ten Vertrauensleute am 16. März 1920 vom Chef des Stations-
kommandos Nordsee, Vizeadmiral Andreas Michelsen, sich offen
für die Republik auszusprechen und die Bereitschaft zu erklären,
mit Waffengewalt gegen die Putschisten vonugehen oder aber
mit seinen Offizieren zurückzutreten. Als Vizeadmiral Michelslln
ausweichend reagierte, wurden Offiziere der Marinestanunabtei-
lung, der Min ensuchboote, der Eisernen Flottille und des Küsten-
wehrregiments von den Matrosen, die gleichzeitig das Waffenla-
ger der Torpedokaserne besetzten, verhaftet. Schließlich mußten
der Chef des Stationskommandos 1ordsee und sein Stab ihre Tä-
tigkeit einstellen.
Der Widerstand der Matrosen gegen den Putsch stand im völli-
gen Gegensatz zum Verhalten der Marineleitung, die sich offen
mit Kapp-Lüttwitz solidarisiert halle. Ihr Chef, Vizeadmiral Adolf
von Trotha, sandte am 13. März 1920 nach einer Sitzung mit sei-
nen Gruppenchefs und Abteilungsleitern ein Telegramm an die
ihm unterstellten Dienststellen, das an Deutli chkeil nichts zu
wü nschen ließ: • leb habe mich mit der Marine der neuen Regie-
119
 rung zur Verfügung gestellt und erwarte, daß die Marine wie bis-
her geschlossen meinen Befehlen folgt.«
Zu den führenden Offizieren der Reichswehr, die sich eben-
raUs offen ZWll Putsch bekannten, zählten der Brigadekomman-
deur der Heichswehrbrigade 9, Generalmajor Paul von Lettow-
Vorbeck, der sich bei der Niederwerfung des lhotwan-Aufstandes
in China ( 1900) und des Aufstandes der Herero in Südwestafrika
( 1904) mit Blut besudelt hatte, sowie die Kommandanten zahlrei-
cher Garnisonen, unter anderem in Demmin, Creifswald, Pase-
walk, Rostock, Schwerin und Stralsund.
Rückhall fanden die Putschisten auch bei den in Mecklenburg
und Pommern auf zahlreichen Gütern stationierten Freikorpsan·
gehörigen. Oie F'reikorps vertraten extrem antikommunistisch-mi-
litaristische Ziele. Besonders berüchtigt waren sie durch ihr
brutales Vorgehen in der 1ovemberrevolution 1918/ 19 und ihre
Teilnahme an der ersten antisowjetischen Aggression des deul·
schen Imperialismus geworden. Eines jener Freikorps, das Frei·
korps Roßbach, gehörte im März 1920 mit seinen etwa
I 000 Mann zur militärischen Stütze der Putschisten in Mecklen·
burg.
Die ökonomischen, politischen und militärischen Bedingungen
in Norddeutschland erschwerten es hier den Werktätigen, ihren
Kampf gegen den Putsch zu organisieren. Es ist deshalb bemer·
ker:swert, wenn dennoch Hunderttausende von Arbeitern und
Landarbeitern auch dort den Putschisten energisch Widerstand
leisteten. In Städten wie Ankla.m, Cuxhaven, Elbing, Kiel, Königs·
berg, Rostock, Schwerio, Stettin, Wilhelmshaven und Wismar so-
wie in mehreren kleinen Orten wehrten sich die Werktätigen ge·
gen den Staatsstreich. Daran hatten die Landarbeiter aus
Mecklenburg und Pommern beachtlichen Anteil. 1920 beteiligten
sich weitaus mehr von ihnen an den Massenaktionen als in der
overnherrevolution 1918119.
Diese Entwicklung widerspiegelte sich auch im bewaffneten
Abwehrkampf. Dabei fällt vor allem die im Vergleich zu I 918/ 19
größere Zahl der Arbeiterwehren und die Tatsache auf, daß in
diesen \VeJ1ren Arbeiter und Landarbeiter oftmals Seite an Seite
standen. Solc\Je Arbeiterformationen existierten in Battinsthnl,
Biitzow, Dömitzow, Gnoien, Greifswald, Güstrow, Warin, \Visrnar
und Penkun. In einigen dieser Orte, entwickelten sich bewaffnete
1'20
Auseinandersetzungen. Ihren Höhepunkt fanden die Abwehr·
kämpfe in Rostock und Schwerin.
In Rostock, dieser damals über 70 000 Einwohner zählenden
Industrie- und Hafenstadt, organisierte der im Gebäude der Phil-
harmonie tagende Aktionsausschuß den Kampf gegen die Put-
schisten. Die in ihm vertretenen Funktionäre der USPD, SPD,
KPD und des ADCB ri efen nicht nur zum Generalstreik, sondern
auch zu bewaffnetem Widerstand auf, da die Putschisten ge-
waltsam öffentliche Gebäude in der Stadt besetzt und ihre be-
waffneten reaktionären Fonnationen durch zahlreiche Zeitfreiwil-
lige, meist reaktionäre Studenten und ehemalige Offiziere,
verstürkt hatten. Es gelang dem Aktionsausschuß bis zum
14. Miirz 1920, das 1. Batnilion bewaHneter Rostocker Arbeiter
aufzustellen, dessen Kern Arbeiter der 1 eptun-'Werft bildeten.
Dieses Bataillon stand unter dem Kommando von Kar! Otto und
umfaßte am I 5. Miir~; bereits etwa 7 000 Mann. Zusammen mit
anderen Arbeitergruppen war das die • Rostocker Arbeiterwehrc.
Sie blieb !rotz ihrer beachtlichen Stärke den in Rostock kon·
zcntrier1.en Putschtruppen unterlegen. Erst nach dem Abzug des
111. Bataillons des 17. Infanterieregiments nach Schwerin konnten
bewaffnete Arbeiter wichtige öffentliche Gebäude der Stadt - die
Post, den Bahnhof und das Telegrafenamt - von den Putschisten
befreien und Zeitfrei willige sowie Angehörige der Einwohner·
wehr, die noch in Roslock verbli eben waren, en1waffnen.
Andere bewaffnete Arbeiter w1ter der Fuhrung von August
IIeims nahmern inzwischen den Flugplatz, die Post und den
Leuchtturm in Wamemünde unter ihre Kontrolle. Sie wehrten
am 16. März 1920 den Angriff einer Kompanie Zeitfreiwilliger
auf den Flugplatz ab und stellten sie in der Nähe von Schutow
nochmals zum Krunpf. Dabei erbeuteten die Arbeiter 120 Ge-
wehre und 4 Maschinengewehre.
Die übrigen bewaffneten Arbeiter des I. Bataillons schlossen
die Kaserne in Hostock, in der sich noch Teile des Zeitfreiwilli-
genbataillons befanden, ein. Den Zeitfreiwilligen gelang es jedoch
arn ! ?.März, in Richtung Wismar durchzubrechen. Die sie verfol·
genden Arbeiter stellten die Zeitfreiwilligen etwa sieben Kilome·
tc:r westlich von Bützow, bei Katelbogen, und entwaffneten sie.
Bewaffnete Rostocker Arbeiter unterstützten den Kampf gegen
die Putschisten auch außerhalb der Stadt. Am 19. Miirz kamen
121
 etwa 300 Angehörige der • Rostocker Arbeiterwehre der Bitte des
Wismarer Aktionsausschusses nach, ihm gegen putschistische
Reichswehrformationen Hilfe zu leisten, und marschierten nach
Wismar. Vor der Stadt ''urden sie arn 20. März in Vorpostenge-
fechte verwiekeiL Zu weiteren bewaffneten Au cinandersetzun-
gen kam es jedoch nicht mehr.
Rostocker Arbeiter halfen weiterhin in Fahren, Garvensdorf,
Kröpelin, Levezow, Moitin, , eukloster, Satow, Schependorf,
Steinhagen, \Vestenbrügge tmd \Vokrent, die Putschisten zu ent-
waffnen. So trugen die bewaffneten Arbcitergrutlpen aus Roslock
nicht nur zur iederschlagung des Putsches in ihrer Stadt, son-
dern doriibcr hinaus auch in großen Teilen Mecklenburgs bei.
ln Ieitin wehrten sich die Werktätigen energisch gegen den
Staatsstreich, mit dem nicht nur die Offiziere der Reichswehrgar-
nison, der lleichswehrbrigade 2 und des Wehrkreises II, sondern
auch einnußreiche bürgerliche Kräfte in der Stadt sympathisier-
ten. Bereits urunittelbar nach Bekanntwerden des Putsches hatten
sich die \ ertreter der drei Arbeiterparteien auf Initiative des Se-
kretiirs der KPD-Organisation der Stadt, Kar I Schulz, getroffen
und Abwehrmaßnahmen beraten. Als erstes schufen sie einen
Aktionsausschuß, dem neben Karl Schulz auch August Horn
(USPO), Theodor Hartwig (SPD) sowie weitere Funktionäre der
Arbeiterparleien und der Gewerkschaften angehörten. Der Aus-
schuß rief zum Generalstreik und zur Bewaffnung der Arbeiter
•
auf. Am 14. Miirz 1920 streikten die Werktiitigcn in ganz Stettin.
Arbeiter bewaffneten sich, Tausende bekundeten auf dem Para-
deplatz und am 15. März auf weiteren Kundgebungen ihren Wil-
len zum Widerstand.
Die nächste Demonstration soUte am 16. Män zu den Kaser-
nen führen. Reichswehrsoldaten sperrten alle Zugangsstraßen
dorthin und zum Garnisonkommando mit Drahtverhauen, Spani-
schen Reitern und Postenkelten ab. Als dann protestierende
Werktätige, aus der Richtung des Berliner Tores kommend, in die
Linsinger Straße einbogen, schlug ihnen Gewehr- und Maschi-
nengewehrfeuer entgegen, das drei Teilnehmer des Demonstra-
tionszuges tötete und mehrere verwunc.lete. Vier weitere De-
monstr·nnten wurden von putschistischen Truppen in der
Breitestraße und in der Johannisstraße erschossen.
Dieser blutige Überfall löste unter den Sielliner Werktätigen
122
große Empörung aus und bestärkte sie in ihrer Entschlossenheit
;r.un1 be,.,affneten Widerstand, dessen Zentren der Stadtteil Bre-
dow und die Vulkanwerft wurden. ln dieser Werft tagte ein Lei-
tungsgremium unter Führung des Schiffszimmermanns Haones
\ lengeil (USPD). Er organisierte die weitere Waffenbeschaffung
durch Entwaffnung von Angehörigen der Reichswehr, der Ein-
" ohnenvehren und der Kriegervereine sowie durch Beschlagnab-
rnungen in Lagern von Altdamm, Greifenhagen und anderen Or-
ten. Die Waffen erhielten politisch zuverliissige und waffenkun-
dige Werktiilige, die sich zu bewaffneten Arbeitergruppen
formierten. Für diese bürgerte sich als Sammetbezeichnung der
\ame »Hole Vulkanarmee• ein, die auf dem Höhepunkt ihrer
l::n twicklung ehva 5 000 Mann um faßte und über Hunderte von
llandfeuenvaffen, einige Lastkraftwagen und bewaffnete Schiffe
'crfügte.
Die rbcitcrwehren, von einer Befehlsstelle geführt, die sich
auf dem Überseedampfer • Tirpitzc befand, kontrollierten große
Trile der Stadt und die angrenzenden Wasserwege. Mit ~1aschi­
nenge" ehren bestückte Schiffe, so der Dampfer • Boxe, sicherten
dir Hafeneinfahrt und den Wasserweg bis·Swinemünde. Vier wei-
tere, ebrnfalls mit Maschinengewehren bewaffnete Dampfer
kreuzten auf der Oder.
Oie Stiirke der bewaffneten Arbeiter vor Augen, wagten es die
Putschisten Ionge Zeit nicht, ihre Kasernen und Depots zu verlas-
sen. Trotzdem lehnten es die Kommnndeur·c der noch in der
Stadt befindlichen Reichswehrformationen ab, die forderun.gen
der Arbeiter zu erfüllen. Diese beinhalteten die Ablösung des
Wehrkreisbefehlshabers und aller anderen am Putsch beteiligten
oder mit ihm sympatJlisierenden Offiz1ere so"<ie die Ent..·afinung
der lleichswehrformationen. uf Verhandlungen gingen sie nur
ein, um Zeit zur Heranführung von \'crstiirkungen zu gewinnen,
die auch am 17. März eintrafen. Andere Rciehs"•ehrformationen
sehoben sich immer näher an die Stadt heran und griffen am
18. März bewaffnete Arbeiter in der unmittelbaren Umgebung
von Stettin, so bei Stepenitz, Finkenwnlde und Podcjuch, an.
llicrbei gab es auf beiden Seiten Tote und Verwundete. Am fol-
gt·rHien Tng entbrannten in der Oderstrnße und in der Gustav-
1\dolf-Straßc bewaffnete Auseinandersetzungen. Der Aktionsaus-
schuß rung sich jedoch - entgegen seinen bisher gemachten
123
Erfahrungen - nich{ zu entscbJossenem Widerstand durch. Er
ließ sich auf einen 48stündigen Waffenstillstand ein, der nur dem
Gegner Vorteile brachte.
Die Abwehrfront der Werktätigen begann zu zerbröckeln. Als
der bisherige Wehrkreisbefehlshaber abgelöst wurde, glaubten
viele Arbeiter, sie hätten schon einen bedeutenden Sieg emm-
gen. Was dieser Erfolg aber wirklich wert war, zeigte der neue
Befehlshaber, Generalmajor Richard von ßerendt. Ohne lange zu
zögern, ließ er den Angriff gegen die Positionen der bewafmeten
Arbeiter in der Stadt vorbereiten. Auf seine Weisung hin gab der
Garnisonkommandant, Generalleutnant von Stockhausen, den
Befehl, am 21. Män, 8 Uhr, mit 2 Detachements aus dem Kaser-
nenviertel und aus dem Lager Kreckow vorzustoßen. Als der Ak-
tionsausschuß davon erfuhr, wich er wiederum vor dem Druck
des Gegners zurück und ordnete die kamt>nose Räumung der
von den Arbeitern in der Stadt bezogenen Stützpunkte an.
Trotz dieser und manch anderer Fehlentscheidung örtlicher
ktionsa1,1sschüssc trug der Abwehrkampf der Werktätigen in
~orddcutschland zum Stun der Kapp-Lüth• itz-Regierung bei. Er
verhinderte, daß sich die Putschisten in diesen Gebieten festset-
zen konnten.
Abwehrkämpfe im Freistaat Sachsen
Der Freistaat Sachsen gehörte zu den 18 Ländern, aus denen
sich die Weimarer Republik als Bundesstaat zu dieser Zeit zu-
sammenset.zte. Oie offizieUe Bezeichnung für diese Länder ent-
sprach deren historischer Entwicklung. Sie reichte von der Kenn-
zeichnung Freistaat oder freier Volksstaat bis zur Freien und
llansestadt.
Der Freistaat Sachsen nahm angesichts seines wirtschaftlichen
Gewichts - auf seinem Territorium gab es eine entwickelte Ma-
schinenbau·, Textil-, Elektro-, Optik-, ahrungs- und Genußmit-
telindustrie - und der hier stark ausgeprägten revolutionären
Traditionen der Arbeiterklasse einen besonderen Platz bei der
Abwehr des Kopp-Lüttwitz-Putsches ein. Seit der ovemberrevo-
lulion 19 18/19 halt~ die politische Organisiertheil der sächsi-
schen Arbeiterklasse weiter zugenommen. Anfang 1920 besaßen
•24
•
die KJ>D und lin ke Kräfte der USPD in diesem Freistaat, vor aJ.
km in Chemnitz und Leipzig, eine wachsende Anhängerschar.
ln Sachsen insgesamt überwog jedoch die politische und ideo-
loj!i>che Einwirkung durch opportunistische SPD-Funktionäre.
Ihre führenden Vertreter bildeten zusammen mit Mitgliedern der
Deutschen Demokratischen Partei, der damals bei den Landtags-
"ahlen zweitstärksten Partei, die sächsische Koalitionsregierung.
Dirse lehnte wohl den Kapp-Putsch ab, vermied es jedoch, die
Werktätigen zu konsequenten Abwehrma.ßnahmen a.ufzufordern.
Ihr Aufruf vom 13. März 1920 enthielt kein Wort darüber, wie •
drr Kampf gegen den Putsch gefiihrt werden sollte. Dort, wo der
opportunistische Einfluß auf die A•·beiter noch überwog, konnten
sieh deshalb die Abwehraktionen in der Hege! nur spontan ent-
wickeln.
Einen anderen Verlauf nahmen die Ereignisse dagegen in den
Orten, in denen Funktionäre der KPD oder linke Mitglieder der
L SPD maßgeblich die latigkeit der rasch entstehenden Aktions-
ausschüsse förderten und den Generalstreik organisierten. Diese
J..riifte beteiligten sich a.uch an der Aufstellung von Arbeiterweh-
n•n in Borna, Leipzig, Mügeln, Oschat.z, Waldheim, Wunen und
in anderen Orten Westsachscns.
Wie notwendig die Bewaffnung der Arbeiter zur Abwehr des
Kapp-Lüttwitz-Putsches war, zeigte das Verhalten der Mehrheit
cl!'r Reichswehrkommandeure in Sachsen. Sie unterstützte die
Putschisten nicht offen, begünstigte diese jedoch durch ihre
lla.ndlungen. So behinderte sie unter dem Vorwand, .Ruhe und
Ordnung« aufrechterhallen zu müssen, die Streikaktionen der
"rrl..tlitigcn, verbot Demonstrationen, Vcrsammfungcn und teil-
" eise auch die Hemusgabe von Zeitungen und F1ugbliittern.
Diese llaltung wurde uneingeschränkt unterstützt vom Befehls-
haber des Wehrkreises IV, dem die Heichs"ehrbrigade 19 unter-
stand und der zugleich die Reichswehrbrigade 16 führte. Gene-
ralmajor Georg Maercker - bekannt und berüchtigt durch sein
hrutales Vorgehen als Freikorpsführer bei der iederschlagung
dl•r ovcmbcrrevolulion 1918/ 19 - konnte seine Sympathie für
rll•n Putsch nur schwer verbergen. P•'Ovokatorisch fuhr er am
I :l. Miir?o 1920 mit einer schwarzweißroten fi'laggc am Auto vor
dus Gebiiudc der sächsischen Landesregierung und lehnte in der
nachfolgenden Beratung die Aufforderung des Ministcrpräsiden-
125
ten Or. Georg Gradnauer (SPO) ab, dem Aufruf zu r Verurteilung
des Staatsstreichs zuzustimmen.
Derart provokatorische Handlungen ve rschärften die Situation
beträchtlich. Dazu gehörte auch das gewaltsame Vorgehen von
Reichswehrformationen gegen Werktätige, das häufig w blutigen
Zusammenstößen führte, unter anderem in Borna, Dresden, Leip-
zig und Plauen. Oie Kämpfe der Leipziger Arbeiter besaßen we-
gen ihres Umfangs, ihrer Da uer und Bedeutung ein besonderes
Gewicht für den Abwehrkampf der Werktätigen des Freist.aates
Sachsen.
ln Leipzig standen sich die Anhänger und Sympathisanten der
,.
leutzsch
Kapp-Lüttwitz-Regierung - der Stab der Reichswehrbrigade 19, X XXNeusllldl
'KriSiu/1· XXX
große Teile der Bourgeoisie und ihrer politischen Parteien - und X ;»IU$1X
16.3. 17.-ZO.:J.
die weitgehend unter dem Einfluß der USPO stehenden kampf- XXX
XXX Anger
entschlossenen Arbeiter gegen über. Unmittelbar nach Bekannt-
werden des Putsches wurde hier der Generalstreik ausgerufen.
Uneinigkeit bestand unter den Fu nktionären der Arbeiterparteien Al«rf;»rK
XXX r
X 17.3.
allerdings darüber, welche weiteren Schritte gegen die Urhe ber XXX XXX
des Staatsstreichs unternommen werden sollten. Lewglich die Be- Thonberg
zirksleitung der KPO Mitteldeutschland, die ihren Sitz in Leipzig
hatte und für die politische Arbeit der KPO in der Stadt sowie im
Regierungsbezirk Merseburg verantwortlich war, unte rbreitete
konkrete Vorstellungen zur Demokratisierung des gesellschaftli-
chen Lebens: Beseitigung der Kapp-Lüttwitz-Regierung, Entwaff-
nung der Putschisten, Aufhebung des Ausnahmezustandes, Frei-
lassung der politischen Gefangenen, Bewaffnung der Arbeiter,
Wiederhe rs.tellung der Rechte der Betriebsräte und Wahl von Ar-
beiterräte n. '
Am 14.März wurden diese Forderungen zwischen Funktionä-
ren der KPO, USPO, SPD und der Gewe rkschaften beraten. Sie
fanden bei der Mehnahl der Teilnehmer Zustimmung. Jedoch /(ompfweg bewrnl"neler Arbeiter
lehnten die Vertreter der US PO, SPO und der Gewerkschaften X wichtiges Gel"eeht ,
XX X grdßert: BarrlkodfJ/7 bewoffnell:r Ar!Jeiter
die Wiederherstellung der Rechte der Betriebsräte und die Wahl
von Arbeiterräten als vermeintliche Schritte zu einer . Rätedikta-
® ein wnbewoffneten Arbeitern kontrolliertes Oe/Jiei

tur« ab.
® ein vtJnputxhisl/schen Truppen kontrolliertes 6t:/J1t:t
ElsM/Johnl!nle
rluß
Zur gleichen Zeit, als die Le.ipziger Arbeiterparteien noch über
die nächsten Maßnahmen berieten und sich dabei nicht völlig ei-
Abwehrkämpfe in Lei1>zig:. Miin 1920
nigen konnten, hatten einflußreiche politische und militärische
Kräfte in der Stadt damit begonnen, den Staatsstreich indirekt zu

126 127

•
 unterstützen. Am 13. März 1920 vermied es der ßiirgerausschuß
in einer eiligst abgegebenen Erklärung, den Umsturz zu verurtei-
len. Am selben Tag erließ der Kommandeur der Heichswehrbri-
gade 19, Generalmajor Bodo Senfit von Pilsach, in Absprache
mit dem Oberbürgermeister der Stadt, eine Anordnung, in der er
die Besetzung öffentlicher Gebäude in der Innenstadt befahl.
\1it ihrer Ausführung wurde vor allem das bereits am II. MiirL
1920 alarmierte Leipziger Zeitfreiwilligenregiment der Heichs-
wehr beauftragt, das sich vornehmlich aus Studenten der Lcipzi-
ger Universität sowie aus Gymnasiasten der Ca.rola- und Thomas-
Schule zusammensetzte. Der Stab dieses Regiments saß im Hotel
Kaiserhof in der Schützenstraße. Er wies am 14. Män die Ab-
sperrung der Innenstadt an und ließ dazu an der Peripherie des
innerstädtischen Ringes Gräben ausheben. Maschinengewehre in
Stellung
•
bringen und Drahtverhaue ziehen. Außerdem richtete
die Rei.ehswehr in zentral gelegenen und die Gegend beherr-
schenden Gebäuden - im Hathausturm, auf dem Dach der
Dresdner Bank, der llauptpost, dem euen Theater und der Uru-
versitiit - StütZJ>u•tll.te ein. An einigen Stellen, wie auf dem ord-
und auf dem Yorkplatz, dehnten die Soldaten ihre Absperrmaß-
nahmen auch auf Gebiete aus, die außerhalb der Innenstadt la-
gen.
Um den Cho.rakler dieses Vorgehens zu verschleiern und den
Widerstandswillen der Werktätigen in der Stadt zu schwächen,
gab die Brigadeführung nach Absprache mit dem Bürgeraus-
schuß ebenfalls noch am 13. Miin 1920 einen ;\ufruf an die
Leipziger Bevölkerung heraus, in dem sie die Aufrechterhaltung
von »Ruhe und Ordmmgc forderte. Dieser Appell konnte aber
nicht darüber hinwegtäuschen, daß die ergriffenen Maßnahmen
nicht nur einer Unterstützung der Putschregierung glrichkamen,
sondern auch die kampfbereiten l.eipziger Werktätigen direkt
provozierten.
ln dieser Situation hing viel 'on einem einheitlichen llandeln
drr Arbeiter al>, da nur so den relativ starken reaktionären Kriif·
ten der Stadt wirksam begegnet werden konnte. Deshalb erhielt
der Aufruf des inzwischen aus Vertretern der drei Arbeiterpar-
teien und der Gewerkschaften gebildeten Aktionsausschusses an
die Werktätigen, sich am 14. März 1920. I 0 Uhr, zu Protestver-
sammlungen zusammenzufinden, besondere Bedeutung. Auf den
128
daraufbin stattfmdenden 19 Kundgebungen unterbreiteten die
Hedner aller drei Arbeiterparteien unter stürmischer Zustimmung
der Anwesenden die Fordenmg nach Ausrufung des General-
streiks. Die Kundgebungsteilnehmer, unter ihnen nuch Angehö-
rige der Mittelschichten und des demokratisch gesi nnten Bürger-
tums, stimmten den zuvor vom Leipziger Aktionsausschuß
angenommenen Forderungen zu. Diese beinhalteten: Sturz der
Putschregierung, Aufhebung des Ausnahmezustandes, Freilas-
sung der Schutzhiiftlinge, Amnestie für politische Vergehen und
Bewaffnung der Arbeiter zur Sicherung der in der Novemberre-
volution 19 18/19 erkämpften Errungenschaften.
ach Abschluß der Kundgebungen formierten sich gewaltige
Demonstrationszüge und bewegten sich in Hiehtung Innenstadt.
Hcichswehrsoldaten, vornehmlich Zeitfreiwillige und Angehörige
des I. Bataillons des Landesjägerregiments 3 versuchten darauf-
hin, die Demonstranten gewaltsam aufzuhalten. Sie eröffneten am
York-, Johannis-, Fleischer- und am Hoßplatz sowie am Haupl·
buhnh~f dus Feuer auf die Demonstranten.
Zu besonders folgenschweren Ausschreitungen kam es am Au-
~tustusplatz. Dort wollte eine Patrouille - ein Offizier und
1 Mann -, aus der Richtung Königsst.raße kommend, einen Dc-
monstrationszug durchbrechen. Das Vorhaben mißglückte. Teil-
nehmer des Zuges umringten die Zeitfreiwilligen. Daraufhin gab
der Offizier einem sozialdemokratischen Ordner sein Ehrenwort,
daß sich im Falle des freien Abzugs seine Truppe friedlich entfer-
nen würde. Der Ordner ging - unter Mißachtung der Warnun-
gen umstehender Demonstraflten - auf die es Angebot ein.
Kaum hatten die Zeitfreiwilligen zu den Arbeitern einen gewissen
Abstand hergestellt, eröffneten sie das Feuer. Tote und Verwun-
dete bedeckten die Straße. Damit erhöhte sich die Zahl der l"eip-
ziger Werktätigen, die allein an diesem Tag dem Heichswehrter-
ror zum Opfer gefallen waren, auf 40 Tote und etwa
I 00 Verwundete.
Viele Arbeiter errichteten, aufgebracht über das hinterhältige
und brutale Vorgehen der Rci chswehrsoldaten, Straßensperren
und Barrikaden. Arbeitersporti er, Mitglieder der USPD und SPD,
Kommunisten sowie Parteilose - unter ihnen z11hlreiche junge
Werktätige - sammelten sich in eiligst geschaffenen Stützpunk-
ten und stellten am 15. und 16. Miir-L 1920 Arbeiterwehren auf.
129
Sie wollten sich nicht widerstandslos dem Terror der Reaktion
beugen.
Eine andere Haltung nahmen dagegen rührende Kräfte der
Ll'ipziger USPD und SPD ein. Diese widersetzten sich den Be-
waffnungsaktionen und erklärten, da es an Waffen, Munition,
Verpflegung sowie an geschulten Kräften zur Leitung eines be-
waffneten Widerstandes mangele, sei eine bewaffnete Abwehr un-
möglich.
Oie Bezirksleitung der KPO unterstiitzte hingegen die Arbei-
ter, die sich durch Entwaffnung reaktionärer Kräfte in Leipzig
und Jußerhalb der Stadt, so durch Hausd urchsuchungen und Be-
schlagnahmungen auf größeren Bauerngehöften am Rande der
Stadt, Waffen beschafften. Sie sah im bewaffn eten Abwehrkampf
eine notwendige, den Leipziger Werktätigen durch die Reaktion
aufgezwungene Form des Widerstands gegen den Putsch. Die
KPO half daher auch bei Solidaritätsaktionen in Altenburg,
Chemnitz, I lalle und Suhl, Waffen für dje Leipziger Arbeiter zu
beschaffen. Mit diesen Waffen konnten weitere Werktätige ausge-
rüstet und neue Arbeiterformationen aufgestellt werden, die zu-
meist zwischen I 0 und I 00 Mann stark, 1tber militärisch nicht
straff organisiert waren. An größeren Abschnitten wurden sie von
Kampfleitungen gerührt.
Angesichts dieser Kampfentschlossenheit der Leipziger Werk-
tätigen schlugen die reaktionären Kräfte der Stadt eine zweiglei-
sige Taktik ein. Einerseits stellten sie die Schüsse vom Vortag als
bedauerliche Unglücksfälle hin und bekundeten ihre) Treue« zur
sächsischen Hegicrung, zur Weimarer Verfassung und zur Reichs-
regierung. Sie spekulierten dabei auf vorhandene Meinungsver-
schiedenheiten unter den Funktionären der drei Arbeiterparteien
in Leipzig, die sich unter anderem in der Bildung von zwei zen-
tralen Kampfleitungen ausdrückte.
Oie andere taktische Variante zielte auf eine möglichst rasche
Verstärkung der konterrevolutionären militärischen Kräfte in der
Stadt. So ordnete der Befehlshaber der Reichswehrbrigade 19
noch om 14. Miirz 1920 an, das Lnfontericrcgiment 38 aus Döbeln
auf allen nur verfügbaren Lastkraftwagen über Leisnig-Grimma-
Taucha heranzuführen.
Da die Kommandeure der ficichswchrfom1alionen am
15. März darauf vcrtichteten, einen Angriff gegen die Positionen
130
drr bewaffneten Arbeiter einzuleiten, kam es an diesem Tag nur
zu kleineren Feuergefechten. Reichswehrsoldaten schossen aus
~iinbtigen Stellungen auf Posten von Arbeiterwehren und auf hin-
ter Barrikaden verscb80Zte Arbeiter. Oie Angegriffenen lernten
jedoch rasch, sieb dagegen zu wehren. Sie setzten Scharfschützen
ei n, um die Feuernester der Reichswehrsoldaten zu bekämpfen.
Während sich die Lage in der Innenstadt zunächst kaum ver-
änderte, verliefen die bewaffneten Auseinandersetzungen in den
Vo rorten Lcipzigs für rue Arbeiter erfolgreich. Es gelang ihnen
dort, die Rciehsweh.rsoldaten aus einigen ihrer Stützptmkte zu
vertreiben, so daß der Aktionsradius der fleichswehrformationen
im wesen tlichen mtf die Innenstadt begrenzt werden konnte.
Trotz ihres ausgeprägten Kampfgeistes waren die Arbeiter
nicht in der Lage, den ihnen an Zahl und Bewaffnung weit über-
legenen Gegner aus der Innenstadt zu verdriingcn. Hemmend
"irkte vor allem, daß rue Leipziger USPO- und SPO-Führungen
den bewaffneten Widerstand ablehnten und auf seine Einstellung
hi narbeiteten. Mit rueser Absicht setzten sie am 17. ~lärt 1920
im Stadtverordnetenkollegium die Annahme von neun Punlden
durch, die vor allem auf die Beendigung des Generalstreiks sowie
auf die Abgabe von Waffen und Munition durch die Arbeiter ge-
ric·htct wnren. Oie dafür von der Gegenseite gemachten Zusagen
trugen dagegen nur vagen Charakter. So sollte das Zeitfreiwilli-
genregiment seine Stellungen in der Innenstadt »ZU einem noch
niihcr zu bestimmenden Zeitpun~ räumen, und die Auflösung
dieses Regiments wurde der Entscheidung des Reichswehrmini-
&ters überlassen. Abet selbst diese verschwommenen Verspre-
r hungcn wurden durch keinerlei Garantien gesichert. Noeb am
späten Abend des 17.März 1920 wurde auf der Grundlage dieser
Punkte verhandelt. Teilnehmer wa.ren Vertreter der sächsischen
Rl'gierung, der Stadt und der Kommandeur der Reichswehrbri-
~ade 19 sowie die führenden Funktionäre der US PD und der
SPO Leipzigs. Am frühen Morgen des 18. März wurde daraufhin
<'i n Abkommen geschlossen, das weit hinter den netm Punkten
zurückblieb. Oie Reaktion blieb von Verpflichtungen fast ver-
schont, so auch von der Forderung nnch Auflösung der Zeitfrei-
willigcnformntion.
Diese Verhandlungen und das als ihr Resultat geschlossene
1\bkommen torpeilierten den Kampf der Leipziger Werktätigen
131
 und dienten letztlich der iederschlagung der revolutionären
Kräfte. Noch während die Verhandlungen andauerten, bereiteten
die Kommandeure der in der Stadt stationierten Reichswehrfor-
mationen einen Angriff auf die Arbeiterbarrikaden vor. Er be-
gann am 19. Mär.t: 1920 mit einem Detachement von mehr als
200 Mann, das über die Delitzscher Straße in das Stadtinnere
vorstieß. An mehreren von Arbeitern besetzten Barrikaden ent-
wickelten sich Feuergefechte. Eine andere Abteilung, die an Zahl
noch stärker und mit Artillerie ausgerüstet war, ging zuerst gegen
die Barrikaden in der Münzgasse und dann gegen das »Volks-
hause, den Sitz der Kampfleitung der Arbeiter, vor und schoß
dieses in Brand. Bis zum 24. März verloren dje bewaffneten Leip'·
ziger Arbeiter al le von ihnen besetzten Positionen. In den Kämp-
fen vom 13. bis 24. März 1920 hatten beide Seiten starke Verlu-
ste: der Gegner 27 Tote, darunter 3 Offiziere, und 111 Verwun-
dete, die Werktätigen Leipzigs etwa 150 Tote und über
30Q Verwundete.
Jn Clu!mnitz, einer weiteren großen Industriestadt des Frei-
s taates Sachsen, fanden keine bewaffneten Auseinandersetzungen
mit den Putschisten statL Doch beeinOußten die Abwehraktionen
der Chemnitzer Werktätigen den Gesamtverlauf d es Kapp-Lütt-
witz-Putsches im Freistaat Sachsen bedeutend.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Staatsstreichs entwaffne-
ten die Chemnitzer Arbeiter durch rasches, entschlossenes und
einheitliches Handeln die reaktionären Kräfte der Stadt binnen
kurzem. Erleichtert wurde dies dadurch, daß es in Chemnitz
keine starke Reichswehrgarnison gab. Die :Arbeiter schufen einen
Aktionsausschuß unter der Le itung von Heinrich Brandler
(KPD), Allred Fellisch (SPD) und Amo Bruchardt (USPD), der
sofort die Kontrolle über die Stadt übernahm. Der Aktionsaus-
•
schuß organisierte den Generalstreik und setzte schneller und rei-
bungsloser als in anderen sächsischen Orten die Entwaffnung der
Reaktion und Bewaffnung der Arbeiter durch. Noch am Abend
des 13. März 1920 ließ der Aktionsausschuß die bürgerlichen
Kräfte aus der Einwohnerwehr entfernen und bildete diese unter
Einbeziehung weiterer Werktätiger, vor allem von Mitgliedern
der KPD, zu einer Arbeitenvehr um. Von der mehr als
3 000 Mann umfassenden Wehr gehörten 2 000 der SPD, über
700 der KPD und die übrigen Arbeiterkämpfer zumeist der
132
USPD an. 1och an1 selben Abend veranlaßte der Ausschuß die
Auflösung der Zeitfrei'willigenformationen uhd der Technischen
othi lfe. Gegen 21 Uhr besetzten Angehörige der Arbeiterwehr
das Rathaus, die Post und die Bahnhöfe der Stadt Dieses ent-
schlossene Handeln, die klare politische Führung des Abwehr-
kampfes, die Existenz einer starken Arbeiterwehr und von Arbei-
terräten übten großen Ein[Juß auf den Kampf der sächsischen
Werktätigen gegen die Putschisten aus. So wurden die in Chem-
nitz entstandenen Arbeiterräte zum Vorbild für die Bildung und
die Tätigkeit ähnlicher Führungsorgane der Arbeiterklasse in
Aue, Falkenstein, Limbach, Oelsrutz und Zwickau.
Eine noch größere politische Ausstrahlungskraft übte die Lan-
deskonferenz der Aktionsausschüsse Sachsens sowie angrenzen- ·
der Orte Thüringens und Bayerns aus, die am 18. März\ 1920 in
Chemnitz tagte. Rund 400 Delegierte vertraten die Ausschüsse
von etwa 100 Orten. Die Konferenz leitete die ersten Schritte
zum einheitlichen Handeln aller sächsischen Werktätigen gegen
die Reaktion ein. Mjt nur zwei Gegenstimmen nahmen die Dele-
gierte n weitreichende Forderungen an: Entwaffnung und Auflö- •
sung der Reichswehr, der Sicherheitspolizei und der Zeitfreiwil.li-
genformationen, Bildung von Arbeiterwehren unter Kontrolle der
Arbeiterräte, Einberufung eines Zentralrätekongresses, Einrich-
tung revolutionärer Gerichtshöfe zur Aburteilung führender Put-
schisten, Freilassung der politischen Gefangenen und Bezahlung
der Streiktage durch die Fabrikbesitzer. Diese grundlegende poli-
tische Orientierung, entstanden unter maßgeblicher Mjtwirkung
des damaligen Vorsitzenden des Chemnitzer Vollzugsrates, Fritz
Hecker! (KPD), widerspiegelte sich in den Forderungen zahlrei-
cher sächsischer Aktionsausschüsse. Wären diese verwirklicht
worden, hätte das die Kampfbedingungen der Werktätigen in der
Weimarer Republik wesenilich verbessert und der Reaktion einen
empfindlichen Schlag versetzt.
Bewaffnete Chemnitzer Werktätige halfen den Arbeitern der
näheren Umgebung auch direkt im Kampf gegen den Putsch und
unterstützten sie, wie in Leipzig, mit einer größeren Anzahl von
Waffen. Sie enviesen sich als starker Rückhalt in1 Abwehrkampf
der sächsischen Werktätigen.
Der bewaffnete Widerstand der Arbeiter in Borna, Leipzig und
Riesa, die energische Reaktion von Werktätigen in Dresden,
133
Plauen und anderen Orten auf Provokationen reaktionärer Trup-
pen und die rasche Entmachtung der Putschisten in Chemnitz er-
höhten die Wirksamkeit des Generalstreiks der Werktätigen im
Freistaat Sachsen. Das zwang die Reaktion zum Rückzug.

Arbeiterwehren in der Provinz Sachsen

Starker Widerstand schlug den Putschisten auch in der preußi-

schen Provinz Sachsen, insbesondere in deren industriellen Zen-
tren um Oitterfeld, Halle und Magdeburg, entgegen. Diese Pro-
vinz umfaßte die Regierungsbezirke Mngdeburg, Merseburg und
Erfurt und ziihltc etwa drei Millionen Einwohner. Den größten
Anteil am Zustandekommen des Abwehrkampfes hatte hier die 0
Holz.wlß/g
USPD, die in einigen Gebieten, wie im Hegierungsbezirk lerse-
burg. den stärksten Einßuß von allen drei Arbeiterparteien aus- 183.
übte.
Die in der Provinz Sachsen stationierte Rei<'hswehr unternahm 0 /Jrt:l111tt
nichts gegen die Putschisten, im Gegenteil, sie begünstigte diese
sogar. Das traf auf den in Magdeburg befindlichen Stab der
Reichswehrbrigade 4, die von Generalmajor Wilhelm Groddeck 18.3. X 0 Oe!/tzsc/7
geführt wurde, ebenso zu wie auf die Mehrtnhl der Ofnziere der
in Altenburg, Burg, Halberstadt, Hnll e, jüterbog, Merseburg, 4 Kumpiweg uewrJffneterArbeiter
1 uumburg und Willenberg dislozierten Reichswehrformationen. <:- E/nsutz nml?e/ChSwt:llrllJrmor/onen
Das Verhalten der Reichswehr übte einen en tscheidenden Ein-
X wtclltlges Oetec/11
fluß auf den Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen zwi·
sehen Anhängern der Kapp-Lüttwilz-Regierung und den zum Wi- Gt·lrchle im ßiurrfeldcr Industriegebiet. \liin 1920
derstand gegen den Putsch bereiten Werktätigen aus. Denn als
die Arbeiter der Provinz in den Generalstreik traten - beispiels-
weise stellten die Chemiebetriebe im Raum Halle und Bitterfeld, Der Schwerpunkt dieser Auseinandersetzungen lag im Regi.e-
die Kupferscl1icferwerke im Mansfcldischen, das Braunkohlenre- rrmgsbe:.irk Merseburg. Hier nahm die USPD, vor allem deren
vier um Zeitz und Weißenfels so.,.~e der Kalibergbau in Staßfurt linke Kräfte, einen beachtlichen Einfluß auf das politische Ge-
ihre Produktion ein - und die Werktätigen in zahlreichen Städ- schehen. Ihr standen auf bürgerlicl1er Seite die Deutschnationale
ten gegen den Umsturz protestierten, provozierten konterrevolu- Volkspartei und di'< Deutsche Volkspru1ei gegenüber, die nur
tionäre Truppen Feuerüberfalle auf friedliche Demonstranten. noch in den ostelbischen Gebi eten über eine größere Anhänger·
Daraufhin gingen die Werktätigen in Brehna, Delitzsch, Halle, scha r als hi er verrügten. Diese Konfrontation politisch so konträ-
ll albcrstadt, Jeßnitz, Magdeburg und weiteren Städten dazu rer und starke r Kräfte barg viel Zündstoff in sich. Er wurde noch
über, Reichswehrangehörige zu entwaffnen. ln nnderen Orten lei- durch die Konzentration der Arbeiter in einigen wenigen Groß-
steten Arbeiterweftren bewalfneten Widerstand. betrieben dieses Gebiets erhöht. So arbeiteten in der Montanin-

134 135
dustrie 200 000 und allein in den chemischen Betrieben von
Leuna über 20 000 Werktätige.
Gemeinsam mit den anderen Werktätigen des Regierungsbe-
zirks traten sie noch um 13. März 1920 in den Generalstreik. Au-
ßerdem fanden in Deuben, Hohenmölsen, Naumburg, Osterfeld,
Teuchern, Weißenfels und Zeitz eindrucksvolle Protestkundge-
bungen statt, die zunächst friedlich verliefen. Zu Zusammenstö-
ßen kam es erst, als reaktionäre Truppen gewaltsam provozierten.
So war es in Bitterfeld, Naumburg, Weißenfels, Wolfen und ande-
ren Orten. Dort hatten Reichswehrsoldaten auf Demonstranten
geschossen und einige von i.hnen getötet. Als Schutz gegen den
Terror schufen Werktätige unt.e r dem Einfluß von Mitgliedern
der USPD und der KPD in diesen Orten sowie in Anunendorf,
Delitzsch, Döllmitz, im Geiseltal und in Hettstedt Arbeiterweh-
ren.
Am 16. und I 7. März 1920 entwickelten sich Kämpfe bei
Helfta und in Eisleben. Ortsansässigen Arbeitern gelang es mit
Unterstützung bewaffneter Arbeiter aus Erdeborn, H elbra, Hett-
sledt und Wollerode, den Vorstoß eines gepanzerten Reichswehr-
eisenbahnzuges auf Eisleben abzuwehren und die in der Stadt
befindlieben Reichswehreinheiten zu vertreiben.
Am 17. März fanden blutige Auseinandersetzungen bc.i .Jeßnitz
statt. Dort verjagten 60 bewaffnete Arbeiter 110 Angehörige des
2. Landesjägerregiments, die sich in der Aue - am Lausegra-
ben - verschanzt hatten. Auch dieser Erfolg war maßgeblich auf
das gemeinsame Handeln von Werktätigen mehrerer Orte, so aus
Jeßnitz, Dessau und Ragu hn, zurückzuführen.
Weitere Gefechte entbrannten in Delitzsch (18. März), Oster-
feld (17./18. März), Thall1eim (16. März), Zeitz (17. März) und
Zschepkau ( 16. März).
Die bedeutendsten bewaffneten Kämpfe in der damaligen Pro-
vinz Sachsen fanden in Halle statt. Hier hatte sich der Garnison-
älteste und Regimentskommandeur Oberst Hermann Czettrib;
offen der • neuen Regierunge zur Verfügung gestellt. Er mobili-
sierte zusätzlich zu seinen Truppen Zeitfreiwillige und Einwoh-
nerwehren, ließ die Hauptpost besetzen, Wachen und Patroumen
verstärken. ln einem Aufruf an die Bevölkerung der Stadt er-
klärte Czetlritz, mit allen Mitteln für . Ruhe und Ordnung• zu
sorgen. Damit kündigte er seine Entschlossenheit an, jeden Wi-
136
derstand gegen den Putsch energisch zu unterdrücken. Protest-
versammlungen und Demonstrationen wurden verboten. Es durf-
ten nur kappfreundliche achrichten in den Zeitungen und
Flugblättern verbreitet werden.
Oberst Czettritz stand zur Durchsetzung seiner Anordnungen
eine Streitmacht in Stärke von insgesamt etwa 4 500 Mann zur
Verfügu!]g, darunter 2 Bataillone des Jägerregiments 31, eine Mi-
nenwerferkompagnie, eine Geschützbalterie, 2 Reiterschwadro-
nen und weitere Reichswehreinhei ten sowie Einwohnenvehren.
Offenen Beifall fand der Putsch bei den einflußreichen Rechts-
parteien in Halle. Ihre Stadtverordneten verließen am 15. März
während einer Abstimmung über die Verurteilung des Putsches
demonstrativ den SitzungssaaL Schon am 14. März hatte die
. Hallesche Zeitung«, das Organ der Deutschnationalen Vol kspar-
tei, in einem Leitartikel die Kappregierung in den höchsten Tö-
.
nen gepriesen.
Dies alles empörte die Werktätigen Halles zutiefst, lehnten sie
den Putsch doch entschieden ab. Jhre Ha.ltung wurde maßgeblich
von der USPD geprägt, die in Halle schon 1919 bei den Wahlen
zur ationalversammlung fast dreimal mehr Stimmen als die
S PD erhalten hatte. Die USPD unterstützte den Generalstrei k ak-
tiv. Sie forderte die Entwaffnung sowie die Bestrafung der Pul-
. schisten und ging damit bedeutend weiter als die SPD. Und dort,
wo wie in Halle die linken Kräfte in der USPD dominierten,
stand diese Partei an der Seile der Werktätigen im bewaffneten
Abwehrkampf. Dagegen hatte die KPD in der Stadt gerade erst
F'uß gefaßt. Der Widerhall ihrer politischen Arbeit unter den
Werktätigen war allerdings weitaus größer, als es die Zahl von
etwa 700 Mitgliedern vermuten läßt. Auf den Einfluß dieser lin-
ken Kräfte ist es vor allem zurückzuführen, daß in Halle der
Streik sofort nach dem Bekanntwerden des Staatsstreichs ein-
setzte und am 15. März 1920 voll durchgesetzt werden konnte.
Die Putschisten sahen sich in die Defensive gedrängt. Sie leite-
ten daher eine Reihe votl Maßnahmen ein, um den Widerstand
der Werktätigen einzudänunen. Dazu gehörte die Schaffung eines
dichten Tetzes militärischer Stützpunkte, das unter anderem ein-
schloß: die Ar1illeriekaserne, das Waisenhaus, die Franckeschen
Stiftungen, die Polizeidirektion, die Hauptpost, das Landgericht,
die Eisenbahndirektion, die Hoßplatz- und Heilkaserne, die Ober-
137
 realschule und das Stadtlheater. Oberst Czellritz erhöhte außer-
dem die Anzahl der Patrouillen. Er ließ an einigen ausgewählten
Punkten in der Stadt, beispielsweise am Marktplatz, Drahtsperren
errichten. Am 16. März verkündete Czetlrijz als Inhaber der voll-
ziehenden Gewalt den militärischen Ausnahmezustand in der il-
lusorischen Annahme, hierdu rch den Widerstand der Werktäti-
gen gegen den Putsch rascher brechen zu können.. . im folgenden unter dem Sammelbegriff Thüringen behandelt.
Ln dieser gespannten Situation kam es zu blutigen Zusammen-
stößen. Am Abend des 17. März fielen am Marktplatz die ersten
Schüsse. ln der acht zum 18. März entwickelten sich an mehre-
ren Stellen der Stadt bewairnete Auseinandersetzungen mit Strei-
fen bzw. Posten der Reichswehr, unter anderem in der Ulrich-
straße. Am 18. März spitzle sich die Lage durch erneute
KonHikte mit Patrouillen der Reichswehr weiter zu.
Führende Funktionäre der Arbeiterparteien Halles bemühten
sich daher, die Aktionen der putschistischen Truppen in der
Stadt durch eine Forcierung des politischen Kampfes einzu-
schrän ken. Eine inzwischen aus Mitgliedern der USPO, KPD,
SPD und der Deutschen Demokralischen Partei gebildete Achter-
kommission forderte am 18. Mär-.t vom Garnisonkon1mando:
' Rü cktritt des Garnisonälteslen, Vertretung aller vier gegen den
Put.sch auftretenden Parteien - der USPO, KPD, SPD und der
Deutschen Demokratischen Partei - in der Einwohnerwehr, Bil-
dung einer Militärkommission und Reduzierung der Anzahl der
Reichswehrpatrouillen in der Stadt. · die sich in Thüringen gerade erst formierte, ihren politischen Ein-
Um diesen Forderungen den notwendigen Nachdruck zu ver-
leihen, organisierte die Achlerkonunission noch am seihen Tag
10 Versammlungen, in deren Verlauf sich die überwältigende
Mehrheit der Teilnehmer für die Forderungen der Komm.ission
aussprach. Oberst Czeltritz reagierte darauf mit weiteren provo-
zierenden Handlungen. Er verschärfte hierdurch die Lage so, daß
es zu neuen bewaffneten Zusammenstößen kommen mußte.
Die l. Volksweh rarmee Thüringens
Das thüringische Gebiet, in dem sich der Abwehrkampf gegen
den Kapp-Lüttwilz-Putsch formierte, setzte sich damals aus ver-
schiedenen Territorien zusammen. Den Kern Thüringens bildete
138
der spätere Freistaal Thüringen, zu dem sich am 4. Januar 1920
sieben ehemalige thüringische Einzelstaaten vereinigt baUen.
Ihrem Gemeinschaftsvertrag stimmte die deutsche Nationalver-
sammlung am 30. April 1920 zu. Er trat dann 8ll1 1. Juli 1920 in
Kraft. In Thüringen lagen auch )Oiche Städte wie Erfurt und
Suh[, die damals zu Preußen gehörten. All diese Gebiete werden
Daß es in Thüringen zu heftigen bewaffneten Abwehraktionen
der Werktätigen gegen den Putsch kan1 , ist zunächst erstaunlich,
war doch der größte Teil der mehr als 500 000 Erwerbstätigen
dieses Raums nicht in der Industrie, sondern in der Land- und
Porstwirtschart oder als H eimarbeiter beschäftigt. Industrielle
Zentren, wie Apolda, Erfurt, Gotha, Gre.iz, Suhl und Saalfeld, wa-
ren mit solchen Industriestädten wie etwa Leipzig oder Essen
kaum zu vergleichen. Oie Hauptursache für die rasche Herausbi l-
dung einer machtvollen Abwehrbewegung gegen den Putsch in
Thüringen lag auch hier, wie in der preußischen P rovinz Sach-
sen, im großen politischen Einfluß der USPO, insbesondere ihrer
linken Kräfte, sowie in der Stärke der KPD. Außerdem verfügten
die drei Arbeiterparteien mit 29 Sitzen gegenüber 23 der rechten
Parteien über eine Mehrheit im Landtag. die die politische Wirk-
samkeit dieser Kräfte in Thüringen widerspiegelte. Positi v machte
sich weiterhin bemerkbar, daß von diesen 29 Sitzen USPD und
KPO gemeinsam 18 Sitze inne hatten. Überhaupt hatte die KPD,
nuß spiirbar erhöhen kön.nen. In Albrechts, Goldlauter, Heiders-
bach, Heinrichs, Lauscha und Sonneberg besaß sie bereits ein
beachtliches politisches Gewicht.
Auch hatten die Werktätigen Thüringens zur Organisierung
ihres Widerstands gegen den Putsch einen Handlungsspielraum,
wie er damals in den meisten Teilen Deutschlands nicht bestand,
da in Thüringen nur wenige Reichswehrfonnationen stationiert
waren. Es gab sie in Eisenach, Erfurt, Gotha, Hildhurghausen,
Meiningen und Weimar.
Begünstigt durch diese Bedingungen, reagierten die Werktäti-
gen in den meisten größeren thüringischen Orten auf die ach-
richt vom Putsch sofort mit Streikaklionen. Am Montag, dem
l 5. März 1920, standen in fast allen Betrieben die Räder still.
Und das, obwohl die Brigadekommandeure der jeweils · fiir be-
139

KampfWeg von Reicl7swMrtlJrmt7tlonen
wlc/7!/ges 6erecht
' mehrere Maschinengewehre, zahlreiche Pistolen und eine grö-
MO - Ste/lvn.;in der Arbei~
llewaffneter Stllf.Fpvnkt der Reicllswehr
(1l?athtTUS, Z:Posl, 38ollnllol')
Kiimplc in Suhl. Mä..-z 1920
I
140
stimmte Gebiete Thüringens zuständigen Reichswehrbrigaden II
und 16 strengstens alle Widerstandsaktionen tu1tersagt hatten.
Die Empörung der Werktätigen über den Staatsstreich schlug je-
doch so hohe Wellen, daß dieses Druckmittel kaum Erfolge
brachte.
Die thüringischen Werktätigen waren jedoch nicht nur zu
Streik-, sondern auch zu bewaffneten Abwehraktionen bereit.
Das Verhalten von Reichswehrkommandeuren in den ersten Ta-
gen nach dem Putsch machte ihnen klar, welche Gefahr für den
Weiterbestand der Weimarer Republik von der Reichswehr aus-
ging. Und dieser Gefahr konnte nur bewaffnet begegnet werden.
ln vielen Orten begannen die Arbeiter daher, reaktionäre Kräfte
zu entwaffnen und die dabei beschlagnahmten Waffen zum AuJ-
bau vor Arbeiterwehren zu verwenden, so unter anderem in Al-
brechts, Gera, Goldlauter, Gotha, Heidersbach, Neubaus, Ohr-
druf, Schleusingen, Sonneberg, Suhl, Tiefenort, Walldorf,
Weimar und Zella-Mehlis. Teilweise erreichten diese Formalio-
nen eine beachtliche Stärke, so in Zella-MehJis etwa 500 Mann.
Gestützt auf diese Wehren, hielten die Arbeiter die Reaktion zu-
meist in Schach, sorgten sie in ihren Heimatorten für wirkliche
Ruhe und Ordnung.
Doch so blieb es nicht. Reichswehrform!llionen verließen ibre
Garnisonen und drangen im Thüringer Raum vor, um den Wider-
stand der Werktätigen gegen die Kapp-Lüttwitz-Regierung zu
brechen.
In Suhl· standen die Werktätigen zum Abwehrkampf bereit.
Hier hatte der Aktionsausschuß für den 14. März 1920 eine
Groß kundgebung gegen den Putsch organisiert. Auf ihr wurden
de~ Generalstreik proklamiert sowie die Entwaffnung der Ein-
wohnerwehren und die Bewaffnung der Arbeiter gefordert.
Durch EntwaHnungsaktionen und das Herbeischaffen von Waf-
fen aus Suhler Waffenfabriken konnten etwa 1 000 Gewehre,
ßere Menge Munition bereitgestellt werden. Damit wurden die
. von den Ak-
entstehenden Arbeiterwehren.. für die sieh bei den
tionsausschüssen eingerichteten Meldestellen bereits zahlreiche
Arbeiter eingetragen hatten, bewaffnet. Bedingung für die Auf-
nahme in diese Wehren war es, Mitglied einer der Arbeiterpar-
teien oder der Gewerkschaften zu sein und über militärische
141

Kenntnisse zu ''crfiigen. Oie Kommandeure der Arbeiterwehren
organisi('rlC'n Wachen zum Schutz vor etwaigen Angriffen kontcr-
revolutioniirer Tmppen. Bewaffnete Arbeiter palrouillierlen
durch die tadt.
Am \llorg!'n des 15. lär.G, kurz nach 4 uhr, näherte sich, aus
~riningen kommend. eine Kompanie des 1\'. Bataillons des
chützenrcgimeots 21 auf Lastkrattwagen der Stadt. Die Arbei-
terwachen erhielten vom Aktionsausschuß den Befehl, nicht zu
schießen, um so Blutvergießen zu verhindern. Außerdem hatte
der Aktionsausschuß erfahren, daß die Hcichswehmngchörigen
Arbeiter aus Heinrichs, einem Ort nur wenige Kilometer von
Suhl entfernt, nls Geiseln miltührte\1.
Die lleichswehrformation nutzte diese Situation aus und drang
in die Stadt ein. Sie besetzte mit den noch nicht entwaffneten An-
gehörigen der Einwohnerwehr im VeriRuf des Vormittags "~ch­
tige Gebiiude der Stadt - das Rathaus, den Bahnhof so"rie die
Post - und richtete das Rathaus als Stützpunkt ein. Die Zugänge
zu diesem Gebäude und zum Markt wurden mit Stacheldraht
versperrt, außerdem wurden mehrere ~laschinengewebre in Stel-
lung gebracht.
Daraufhin drängten die Suhler Arbeiter den Aktionsausschuß,
entschiedene Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine Gruppe be-
waffneter Arbeiter, unter ihnen das Mitglied der KPD Fritz Köh-
ler, zog mit 2 Maschinengewehren auf den Ottilienstcin am Dom-
berg. Von dort hatte sie ein ausgezeichnetes Schußfeld. Andere
bewaffnete Arbeiter postierlen sich unterhalb des Berges 811 der
hier entlangführenden Eisenbahnlinic. Gleichzeitig benachrichtig-
ten Kuriere die Arbeiterwehren der umliegenden Ürle und baten
um llilfe-
Oie ersten Verstärkungen trafen aus Zella-\lehlis ein. schnell
organisierl durch die dorl recht stark vertretenen :VIitglicder der
USPD und der KPD. ln diesem Orl hatte der Aktionsausschuß
schon arn 13.Miirz 1920 damit begonnen, die Arbeiter mit den in
14 Betrieben, WerkstiHlen und Lagern beschlagnahmten Waffen
auszurUsh•n und Arbeiterwehren aufzustellen. Zu deren Bestand
gehörlt•n auch 5 Panzerkraftwagen, die Werktiilige in einem der
chcmalig<•n Ehrhnrdtschen Hüstungsbetrirbe entdeckt und unter
großem Kraftaufwand repariert hallen.
Die ersten Kämpfer aus Zella-Mehlis kamen grgen 6 Uhr in
142
•
Suhl an und schlossen sich mit Arbeitern aus Goldlauter zu einer
Gruppe zusammen, die etwa 40 Mann umfaßte. Sie bezog in der
Gothaer Straße, in unmittelbarer ähc des »1-le•meberger Hau-
'csc, Posten, um den Heicbswehrsoldaten den Weg nach Zella-
\lchlis und nach Gotha zu verst>errcn. Kurz damui näherte sich
ihr ein Lastkraftwagen, mit Soldaten besetzt, die unmittelbar zu-
' or einen unbewaffnejen Arbeiter an der Ecke Himbachstraße/
Steinweg erschossen haUen. Die Werktätigen zögerlen daher
nirht und eröffneten soforl das Feuer, wodurch sie den Gegner
lwangen, in Richtung Rathaus abzudrehen.
Die Nachricht von der Mordtat der Soldnteska verbreitete sich
in Windeseile in der Stadt und steigerte die ohnehin große Erre-
gung der Bevölkerung über den Einmarsch der lleichswehr.
Zahlreiche Werktätige, unter ihnen bewaffnete Arbeiter, zogen zu
drn Stützpunkten der Soldaten.
Ihr erstes Ziel war der Bahnhof. llier entwickelte sich ein Feu-
rrgefecht, das mit der Vertreibung der lleichS\\;ehrsoldaten aus
dem Suhler Bahnhof endete. Dann drängten die Arbeiter zur
-.tark befestigten Post. ach längerem Schußwechsel mußte auch
hier die lleichswehrbesatzung kapitulieren. 'u11mebr erhöhten
die Suhler Arbeiter ihren Druck auf die im Hathaus verschanzten
Soldaten. Gleichzeitig besetzten sie die Zugungsstraßen zur Stadt,
da sie erfahren hatten, daß Verstärkungen im Anmarsch auf Suhl
srien.
Die Heichswehrsoldaten im llathous lehnten die Forderung
nuch Kapitulation ab. Daraufhin stießen die Arbeiter auf das Rat-
haus vor. Unter dem Feuerschutz ~er auf dem Ottilienstein und
am ßahndrunm stationierten Maschinengewehre rückten mehrere
h!'waffnete Arbeitergmppen, vor allem aus der Richtung Gothaer
und Rüssenstraße, herßll. Besonders wirkungsvoll war der Be-
schuß des Rathauses durch die am Bahndamm in Stellung gegan-
genen Arbeiter, zu denen Tbcodor l lelrricht, Karl Öbring, Fritz
Blichet und F'ritz Häfner gehörten. Doch heftiges Abwehrfeuer
Prschwerte es den inzwischen whlenmiißig verstärkten Arbeiter-
"Chren, noch zügiger vorwdringen. Erst der Einsatz von 2 Pan-
~rrkrnftwagcn aus Zella-Mehlis leitete gegen I I Uhr eine Wende
un Kampfverluuf ein.
Der Kommruldßllt des einen Panzcrkraftwugcns hieß Richard
.Jung, sein l~ahrer August Winter. Die Panzerkmftwagen konnten
143
•
8 \1ann aufnehmen und waren mit 2 Maschinengewehren be-
stückt, die jeweils in diagonal angeordneten, auf Kugellagern lau-
fenden Drehkabinen untergebracht waren. An den Seiten des
Panzerkraftwagens befanden sich Schießscharten, durch die mit
Handfeuerwaffen geschossen werden konnte. Einer der beiden
Panzerkraftwagen griff aus Ri chtung Gothaer Straße, der andere
von der Herrenstraße in das Kampfgeschehen ein. Beide Fahr-
zeuge zogen nach ihrem Eintreffen fast das gesamte Feuer der
Rathausbesatzung auf sich und erleichterten es dadurch den Ar-
beitern, rascher vorzustoßen.
Die Suhler Werktätigen wollten kein Blutbad und forderten da-
her die Besatzung des Rathauses gegen 14 hr erneut auf, sich
zu ergeben. Da diese jedoch wiederum ablehnte, ging der Kampf
weiter. Erst gegen 15 Uhr entschlossen sich die lleichswehrsolda-
tcn, das Angebot der Arbeiter anzunehmen und sich gefangen zu-
geben. Sie wurden zunächst im Casthaus • Weißes Roß« und spä-
ter in der damaligen Mercedes-Fabrik in Zella-Mehlis gefangen-
gehalten. Ein Teil dieser Soldaten verfaßte unter dem Eindruck
der Kämpfe und nach Disku ssionen mit Arbeitern einen Aufruf
an die in anderen thüringischen Orten eingesetzten Reichswehr-
angehörigen. Darin brachten sie zum Ausdruck, daß sie sich von
ihren Offizieren betrogen fühlten und erkannt hätten, daß der
Kampf der Arbeiter eigentlich auch ihren Interessen diene.
Doch mit der Einnahme des Rathauses war die von der
Rei chswehr ausgehende Gefahr für Suhl noch nicht gebannt, da
aus Meiningen weitere Reichswehrforn1ation en anrückten. Diese
konnten jedoch durch Arbeiterwehren bereits bei Dietzhausen,
etwa I0 Kilometer vor Suhl, gestoppt und nach heftigem Fe uer·
gefecht zum Rückzug gezwungen werden. Das bceinnußte die
Meininger Garnison derart, daß diese die Stadt in der Nacht vom
15. zum 16. März verließ. Die Bedrohung Suhls wnr damit been·
det.
ln den Kämpfen um Suhl wurden 4 Arbeiter gelötet und meh·
rere verwundet. Die Arbeiter erbeuteten 4 Lastkraftwagen, 4
schwere und mehrere leichte Maschinengewehre, annähernd
I00 Gewehre, 28 Pistolen, etwa 200 Handgranaten und umfang·
reiche Munitionsbestände.
Unmittelbar nach ihrem Erfolg beschafften sich die Werktäli·
gen nus Suhl und seiner Umgebung weitere Waffen und began·
144
nen, ihre Wehren stärker nach militärischen Organisationsprinzi-
pirn aufzubauen und in Gruppen, Züge und Kompanien zu
~lil.'dem. Dabei half ihnen eine Kampneitung, die sich Exekutiv-
komitee nannte und der Vertreter aus Suhl, Zclla-Mehlis, Cold-
lauter, Heidersbach und Albrechts angehörten.
ach dem Formierungsprozeß dieser Wehren begannen am
15./16. März 1920 die bewaffneten Arbeiter damit, reaktioniire
Kräfte in der Umgebung von Suhl zu entwaffnen. Sie spürten
Waffenverstecke in Kühndorf, Schmalkaiden und in anderen Or-
trn auf, beschlagnahmten Waffen von reaktionären Kräften in
Srhleusingen, verdrängten ein starkes Kontingent preußischer Si-
r herheitspolizei aus Hildburghausen und halfen Meininger Arbei-
tern im Kampf gegen die lleaktion. ln Suhl selbst besetzten be-
waffnete Werktätige weitere militärisch wichtige Objekte, wie das
Zeughaus, und trafen Abwehrmaßnahmen gegen etwaige Reichs-
wehrangriffe.
Bis zum 16. März holten die Arbeiterwehren die lleichswehr-
soldaten faktisch aus dem ganzen südthüringischen Raum davon-
gejagt. Sie konnten nun darangehen, die reaktionären militiiri-
M:hen Kräfte auch aus dem ' orden Thüringens, vor allem aus
Gotha, abzudrängen. Denn dort hatte es die Reichswehr sogar
vermocht, die Werktätigen wieder aus wichtigen Objekten der
Stadt - so der Fliegerwerft, der Post, dem Hathaus und dem
Volkshaus - zu vertreiben.
Am Nachmit1ag des 16. März 1920 zogen etwa 500 bewaffnete
1\rbeiter aus Zella-Mehlis, annäherod 200 aus Suhl und Arbeiter-
'-ehren aus Albrechts, Coldlauter, Heidersbach, Heinrichs und
anderen Orten mit 5 Panzerkraftwagen in Richtung Gotha.
Weitere bewaffnete Kräfte der Arbeiter rückten vom ehemali-
fl\'n Truppenübungsplatz Ohrdruf heran. Dorl war es am
16. März gelungen, die Wachmnnnschaften des Platzes zu über-
rumpeln. Während unnötiger und längerer Verhundlungen mit
de m Platzkommandanten konnte jedoch der grö(lte Teil der Be-
satzung in Richtung Gotha entkommen. Dennoch gelang es den
\rbeitem, noch 4 Offiziere, einen Feldwebel und 30 Soldaten ge-
fa ngenzunehmen.
Die zurückbleibenden '\ erktätigen rich1eten drn Truppen-
iibungsplatz Ohrdruf als zentralen Stützpunkt der siidlhüringi-
srhcn Arbeiterwehren ein. Sie ernannten Paul Marx zum Platz-
145
kommandanten, der mit seiner Gruppe dafür sorgte, daß die aus
Ohrdruf, Suhl, Zella-Mehlis und anderen Orten herbeieilenden
Arbeiter mit Waffen versorgt. und in die Arbeiterwehren einge-
gliedert wurden. In diesen Tagen entstanden die Voraussetzun-
gen für die Formierung einer südthüringischen Volkswehrdivi-
sion oder der 1. Volkswehrarmee in T hüringen, wie sie in den
damaligen Aufrufen der Arbeiter entsprechend den revolutionä-
ren Vorbildern aus der Zeit der Novemberrevolution I 918/ 19 ge-
nannt wurde.
Kommandeur der sich bildenden I. Volkswehrarmee in Thü-
ringen "'ar August Creutzburg, Mitglied der USPD seit 1917 und
Vorsitzender des Betriebsrates der Waggonfabrik in Gotha. Er
trat für die Vereinigung der linken Kräfte in der USPD mit der
KPD ein. Sein Stabschef war Hans Müller, ein Mitglied der KPD.
Die Führung der I. Volkswehrarmee gab ein Mitteilungsblatt
heraus, durch das sich die Angehörigen der bewaffneten Arbeiter-
formationen Thüringens vor allem über die politischen Hinter-
gründe des Putsches und den Verlauf der Abwehrkämpfe infor-
mieren konnten. Das »l\1illeilungsblatt für die Volkswehre
erschien mit einer Auflage von etwa 20 000 Stück. Es war auf In-
itiative Hermann Lindemanns, eines Mitglieds der Bezirksleitung
der KPD, gegründet worden. An dem Blatt wirkte auch der be-
kannte kommunistische ArbeiterfunktiOLlär Hermann Duncker
mit, damals mit Billigung der Zentrale der KPD in der Landesre-
gierung Gotha Hegierungssekretär, außerdem war er Sekretär des
Arbeiterrates von Gotha.
Der größte Teil der auf dem Truppenübungsplatz von Ohrdruf
aufgestellten Formationen der 1. Volkwehrsarmee Thüringens
marschierte in Richtung Gotha und sammelte sich südlich der
Stadt mit den anderen anrückenden Arbeiterwehren. Dieses Ge-
biet glich am 17. März einem Heerlager, da sich etwa 5 000 Ar-
beiterkiimpfer dort konzentriert hatten. fhre Bewaffnung bestand
aus Pistolen, Gewehren, schweren und leichten Maschinengeweh-
ren, wozu noch die bereits erwähnten 5 Panzerkraftwagen aus
Zella-Meblis kamen. Auch unbewaffnete Werktätige hatten sich
den Wehren angeschlossen.
Besonders starke Arbeiterstützpunkte befanden sich in Boil-
städt, Melleben, Emleben, Schwubhausen und Petriroda. Im letzt-
genannten Ort tagte der Kampfstab aller bewaffneten Arbeiter-
146
gruppen und beriet über mög.liche Varianten des Vorstoßes gegen
die von der Reichswehr besetzten Objekte in Gotha.
Am 18. März, 4 Uhr, begannen die ersten Angriffshandlungen.
Den Hauptschlag führten die Suhler, Zella-Mehliser sowie Ohr-
clrufer Webren aus Richtung Meileben und Boilstädt auf den südli-
chen Teil von Gotha, besonders gegen die Kasernen in der Kai-
serslraße. Eine kleinere Anzahl von Arbeitern drang, aus
Scbwabhausen kommend, über den Eisenhahnviadukt in das
Stadtinnere vor und vertrieb die im Postgebäude befindlichen
Soldaten.
Der Gegner handelte erba.rmungslos. So verurteilte er 13 ge-
fangengenommene Arbeiter in einem Schnellverfahren zum
Tode. Das Urteil, das gegen 14 Uhr vollstreckt werden sollte,
wurde nur deshalb nicht vollzogen, weil die Soldaten schon vor
diesem Zeitpunkt aus den Kasernen verjagt worden waren.
Der Kampf um die Stützpunkte der Reichswehr dauerte an
diesem 18. Mä.rz den g8TLZen Tag. Besonders heftig verlief er im
Raum der Fliegerwerft Mehrere Vorstöße der bewaffneten Arbei-
ter, die von den Besatzungen der 5 Panzerkraftwagen tmterstützt
wurden, scheiterten zunächst am starken Abwehrfeuer der·Solda-
ten. Heimtückisch öffneten diese plötzlich unter Schwenken einer
weißen Fahne das Werfttor. Die angreifenden Arbeiter glaubten
darauf!Un, die Besatzung hätte sich ergeben, und sie stürmten un-
ter Hurrarufen auf das Gelände. ln diesem Augenblick eröffneten
die Soldaten erneut das Feuer und töteten 32 Arbeiter. Danach
setzten erbitterte Auseinandersetzungen ein. Nach einem weite-
ren Vorstoß der Arbeiter mußte sich die Reichswehrbesatzung
zu rückziehen. Gegen 20 Uhr verließ sie die Stadt in Richtung Er-
furt.
Einen mit den Gothaer Ere ignissen vergleichbaren Erfolg von
Arbeiterwehren inl Kanlpf gegen reaktionäre Reichswehrtruppen
errangen 1920 nur noch die Angehörigen der Roten Ruhrarmee.
Die einig handelnden Arbeiter, entschlossen und zielklar geführt,
gut organisiert und militärisch erfahren, waren durchaus in der
Lage, selbst kampfstarke Reichswehrformationen in schwere Be-
drängnis zu bringen. Außerdem hinterließen die Erfolge der be-
waffneten Arbeiter auch in der politischen Haltung mancher Sol-
daten Spuren. Einige Soldatengruppen kapitulierten, andere
riefen nach ihrer Ge[angennallme, noch unter dem Eindruck der
147
bewafineten Auseinandersetzungen stehend, ihre Kameraden
dazu auf, den Kampf einzustellen. Und im II. Bataillon des Lan-
desjägerregiments 31 in Altenburg leisteten Reichswehrsoldaten
offen Widerstand gegen ihre Orrizierc, die sich auf die Seite der
Putschisten gestellt hallen.
Zu den bedeutendsten Ergebnissen der bewarrneten Abwehr-
kämpfe in Thüringen zählt die Bildung einer Volkswehrdivision,
mit der direkt an die revolutionären Traditionen der Volkswehr-
bewegung der 1 ovemberrcvolution 1918119 angeknüpft wurde.
Diese I. Volkswehrarmee Thüringens gehörte im März 1920 ge-
meinsam mit der Roten Ruluarmee zu den wenigen Versueben in
Deutschland, einen militärisch gegliederten, ausgerüsteten und
geführten Verband zu formieren. Beispielhaft war auch die Bil-
dung einer einheitlichen Führung der thüringischen Wehren
durch das Exekutivkomitee und die politische Unterstützung
durch Vertreter der Landesregierung in Gotha.
Widerstand in der Provinz Brandenburg
Die Werktätigen dieser Provinz standen einmütig il(l Streik gegen
den Putsch und die Gefahr der Errichtung einer Militärdiktatur
in Deutschland. Dabei kam es in einigen Gebieten auch zu be-
waffneten Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern
des Staatsstreichs. Oie Auseinandersetzungen waren zumeist nur
kurzzeitig u'nd entwickelten sich vorwiegend dann, wenn Reichs-
wehrsoldaten auf demonstrierende Werktätige schossen. Derar-
tige bewaffnete Konflikte entstanden in Bemau, Fürstenwalde,
Guben, Grünberg, Jüterbog, Luckenwalde, Potsdam, Sirausberg
und Wemeuchen. Kämpfe, in denen die Werktätigen als Antwort
auf die Provokationen der Reichswehrformationen bewaffneten
Widerstand leisteten, fanden in Cottbus, Eberswalde und in
Frankfurt an der Oder statt. ln der Niederlausitz erreichten sie
das größte Ausmaß.
ln diesem Gebiet besaßen die revolutionären Kräfte in der Ar-
beiterbewegung, die Anhänger des linken Flügels in der USPD
und die Mitglieder der KPD, einen beachtlichen Einfluß. Hier
setzten sich auch viele Sozialdemokraten über die Bestrebungen
iluer Führer hinweg, den Abwehrkampf lediglich auf den Streik
148
zu beschränken. So forderten die Angehörigen des Sekretariats
der SPD-Leitung in Hoyerswerda am 19. März vom Reichspräsi-
denten Friedrich Ebert die Bestrafung der Schuldigen am Putsch,
die . umorganisation« der Reichswehr und die Schaffung einer
. arbeiterfreundlichen« Regierung.
Eine vorwärtstreibende Rolle bei der Organisation des Ab-
weh rkampfes in der Niederlausitz spielten auch viele Ak:tionsaus-
schüsse. Sie traten energisch rür den sofortigen Rücktritt der
Kapp-Lüttwitz-Regierung, für die Erweiterung der demokrati-
schen Freiheiten und sozialen Rechte sowie vielfach für die Ent-
waffnung der Putschisten und die BewalTnung der Arbeiter ein.
ln Calau, rmsterwalde, Guben, Senftenberg. Spremberg und Vet-
schau übernahmen Aktionsausschüsse den Schutz der Werktäti-
gen vor den Übergriffen reaktionärer Soldaten, kontrollierten
staatliche Gebäude und bewaffneten die Arbeiter.
Das Zentrum des Abwehrkampfes der iederlausitzer Werktä-
tigen befand sich in Cottbus und dessen unmittelbarer Umge-
bung. llicr lehnten die Werktätigen den Putsch einmütig ab. Am
13. und 14. März zogen Tausende von ihnen zum Schiller- und
zum Berliner Platz und erklärten sich zum Streik bereit. Doch
'Vfajor Bruno-Ernst ßuchruckcr, Garnisonä.ltcster der Stadt, war
entschlossen, jeden Widerstand gegen den Putsch zu unterdrük-
kcn. Buchrucker galt als eingefleischter Feind der Demokratie
und der \Veimtlrcr Republik, 11ls ein besonders militanter Anti-
kommurusl. Er halle sich schon 1919 an brutalen Unterdrük-
kungsaktionen gegen die revolutionären Arbeiter beteiligt und
stand 1920 an der Seite der reaktionärsten Kräfte.
Am 15. Märt 1920 ließ Major ßuchrucker 3 Patrouillen zu je
9 Mann aus der II. Batterie des Reichswehrregiments 15 zusam-
mensteUen und erteilte ihnen den Auftrag, Bekanntmachungen in
der Stadt anzubringen. Es handelte sich einmal um eine Prokla-
mation des Putschistengenerals von Lüttwitz, in der dieser Frei-
heitsstrafen fiir den Fall von Widerstand gegen den Staatsstreich
androhte, und zum anderen um zwei Bekanntmachungen von
Buchrocker selbst, in denen er •Ruhe und Ordnungc forderte.
Bei Zuwiderhandlungen kündigte er Geflingnis- und hohe Geld-
strafen an. Auch verkündete Buehrucker, daß er die ovollzie-
hende Gewaltc übernommen habe.
Als die Reichswehrangehörigen die provokatorischen Bekannt-
149
 machungen im Stadtinneren anbringen wollten, kam es zu ersten
gewaltsamen Auseinandersetzungen. Dabei wurden oldaten ent-
waffnet.
achdem Major Buchrucker von diesen Aktionen gehört hatte,
befahl er der 6. und der 7.Kompanie des II. Bataillons des Reichs-
wehrregiments 30, mit je 2 schweren Maschinengewehren •Ord-
nung« zu schaffen. Oie Soldaten brachten ein Maschinengewehr
vor der Konditorei Seidel in der Spremberger Straße und das an-
dere auf dem Kaiser-Wilhelm-Piatz in Stellung. Von dort aus ließ
der verantwortliche Offizier in die Menge schießen. Oie Schüsse
löteten 4 Ein~ohner und verletzten 5 schwer. Während dieser
Ereignisse drang eine andere Gruppe von Soldaten in die Räume
der Redaktion der USPO-Zeitung ein und warf 4 Handgranaten.
Der Cottbuser Aktionsausschuß leitete jedoch keine energi-
schen Maßnahmen gegen die Putschisten ein. Seine maßgelili-
chen Mitglieder, rechte USPD- und SPD-Funktioniirc, begannen
sogar, mit Major Buchrucker zu verhandeln.
Angesichts dieser lavierenden llallung griffen die Arbeiter zur
Selbsthilfe. Größere Arbeilergruppen zogen in das etwa drei Kilo-
meter nordöstlich von Cottbus gelegene Lager Mertdorf, um sich
Waffen zu beschaffen, was ihnen mit nterstützung des ehemali-
gen Feldwebels Heidrich, eines Mitglieds der SPD, auch gelang.
Andere Arbeitergruppen beschlagnahmten Waffen bei Mitglie-
dern von Einwohnerwehren oder bei Großgrundbesitzern.
Oie Anzahl der im Lager Mendorf aufgefundenen Wa.f'fen
reichte aus, um damit Arbeiterwehren auszurüsten. Es wurde
eine Leitung der Arbeiterwehren gebildet, an deren Spitze das
linksorientierte Mitglied der SPD Albert Förster, ehemaliger
Feldwebel und damals Revisor in Mendorf, stand. Dieser wandte
sich im Auftrag der Leitung an die Aktionsausschüsse benachbar-
ter Orte, insbesondere an Ausschüsse im Senileoberger Revier,
und bat um HiUe.
Sie kam vor allem aus Forst, Guben, Hoyerswerda, Seoften-
berg und Sprembcrg sowie aus deren Umgebung, wo unter tat-
kräftiger Mitwirkung der Aktionsausschüsse Arbeiterwehren auf-
gestellt worden waren. Zahlreiche Werktätige riß auch der
beispielhafte Einsatz von Mitgliedern der KPD mit. So stand an
der Spitze der aus Guben heranmarschierenden Gruppe, die
etwa 200 Mann stark war, der Ortsvorsitzende der KPO OUo
150
Thiele. Mehr als I00 Mann, die aus Laubusch anrückten, führte
der Kommunist Remelius. Oie 4 Hundertschaften aus Hoyers-
werda und Umgebung kommandierte das KPD-Mitglied Zielke,
ein Teilnehmer der revolutionären Matrosenbewegung in der 1o-
vemberrevolution 1918119.
Die bewaffneten Arbeiterkolonnen - aUein aus Hoyerswerda
und Umgebung zogen fast I 000 Mann heran - bewegten sich
von Nordosten, Osten und Süden auf Cottbus zu. Da bei weitem
nicht jeder der anrückenden Arbeiter eine Waffe besaß, bemühte
man sich auf dem Marsch, diese durch Entwaffnung reaktionärer
Kräfte zu beschaffen. Die Arbeitenvehren näherten sieb immer
mehr der Stadtgrenze von Cottbus. Sie besetzten dabei wichtige
Orte, -...<ie Branitz, Sachsendorf und Ströbitz. ·
Die Führung der Garnison versuchte, die drohende Einschlie-
ßung zu verhindern, und befahl am 16. März der 6. Kompanie,
die noch durch den I. Zug der 7. Kompanie versliirkt wurde, ge-
gen Branitz zu marschieren und eine Bresche in den entstehen-
den Ring zu schlagen. Oie hier befindlichen etwo I 00 bewaffne-
ten Arbeiter vermochten es jedoch, den Vorstoß der
Reichswehrsoldaten abzuwehren. Dabei zeichnete sich die
Gruppe unter Führung des Kommunisten Waller Wagner beson-
ders aus. Dennoch mußten sich die Arbeiter zurückziehen, da sie
angesichts ihrer geringeren Zahl und ungenügenden Bewaffnung
auf die Dauer keinen erfolgreichen Widerstand zu leisten ver-
mochten. Beeindruckt durch die hartnäckige Gegenwehr der Ar-
beiter, wagten es die Soldaten aber nicht, weiter vonustoßen,
und rückten wieder in ihre Kaserne ein.
Inzwischen erreichten die ersten Gruppen der auf Cottbus
mll(Schierenden Arbeiterkolonnen den Stadtrand. Von dort stie-
ßen sie in das Stadtinnere vor. Die Arbeiter besetzten wichtige
Gebäude, wie den Bahnhof, und umschlossen die Kaserne. Es ge-
lang jedoch nicht, sie einzunehmen.
Noch am 16. März fand auf dem Berliner Platz eine vom Ak-
tionsausschuß veranstaltete Großkundgebung statt, an der Tau-
sende Einwohner von Cottbus teilnahmen. Sie forderten die
strenge Bestrafung Major Buchruckcrs und eine beschleunigte
Bewaffnung der Arbeiter. Mit dieser Aufgabe wurde Albert För-
ster beauftragt.. Er sollte außerdem zu den in Cottbus einrücken-
den Arbeiterwehren Verbindung aufnehmen und darauf hinarbei-
151
 ten, daß für die Niederlausitz ei ne einheilliebe Kampfleitung
gebildet und eine Rote Garde formiert wurde.
Dem Kommando der Arbeiter standen bald 4 000 größtenteils
bewaffnete Werktätige zur Verfügung, die Arbeiterwehren der
verschiedensten Orte der Niederlausitz angehörten. Diese We h-
ren unterschieden sich in Zahl und Bewaffnung beträchtlich. Mit-
glieder der USPO und der SPO besaßen in ihnen den größten po-
litischen Einfluß.
Oie Kampfleitung der Roten Garde tagte am Anger von San-
dow, dem Arbeiterviertel von Cottbus. Führende Mitglieder der
Leitung waren Albert Förster und die Mitglieder der USPD ·Ro-
senbaum und Tschichert. In Sandow richtete n die Arbeiter auch
Stützpw1lcte zur Versorgung der Arbeiterwehren und ein Lazarett
ein. Zur Sicherung vor Überraschungsangrirren putschistischer
Truppen wurden Sperren errichtet und Wachen aufgestellt.
Der Druck der Arbeiterwehren auf die Reichswehrkaserne
nahm stündlich zu. Major ßucbrucker entschloß sich deshalb zu
einem Entlastungsangriff, mit dem er zugleich dem . Hilferuf•
von Grubenbesitzern des Senftenberger Reviers, e ndlich . Ord-
• nung• zu schaffen, nachkam. Er stellte eine Kampfeinheit zusam-
men, die in der Lage sei n sollte, rasch zu operieren, und die über
eine beachtliche Feuerkraft verfiigte. Sie bestand aus der 7. Kom-
panie, 2 Zügen der 5. Kompanie, der Maschinengewehrkoo1panie
und 2 Feldkanonen der 7. Batterie des Reichswehrregiments 15.
Als die Leitw1g der Arbeiterwehren von diesem Vorhaben er-
fuhr, sandte sie bewaffnete Arbeiter nach Orebkau, um den put-
schistischen Tmppen den Weg abzuschneiden. Oie Arbeiter-
gruppe bezog zusammen mit den schon in Orcbkau befindlieben
Wehren am nördlichen Stadtrand Stellung. Geschickt nutzten sie
dabei die beiden Wäldchen in· der Nähe des Bahndam111s zur Er-
richtung gut getarnter Feuerstützpunkte aus.
Von dort erhielt dann auch die frontal angreifende 7. Kompa-
nie, die von einem halben Zug der 5. Kompanie unterstützt
wurde, Feuer. li:benso erging es den anderen Kräften der 5. Kom-
panie, die versuchten, die Flanke der Arbeiterstellungen zu um-
fassen. Als jedoch der Kommandeur der Reichswehrformationen
Feldkanonen einsetzte, sahen sich die Arbeiter gezwungen, bis
zum Ortsausgang von Drehkau zurückzuweichen. Oiesen vertei-
digten sie so hartnäckig, daß die Reichswehrsoldaten am späten
152
Abend des I 7. März ihre Positionen verlassen und erfolglos wie-
der nach CoUbus abziehen mußten.
Oie militärische Leitung der Arbeiter gab sich mit diesem Er-
folg nicht zufrieden und befab~ bei Sachsendorf, südlich von
Cottbus, den zurückmarschierenden Gegner in die Zange zu neh-
men. Zunächst schien dies auch zu gelingen. Doch nachdem Ma-
. jor Buchrucker noch die 6. Kompanie eingesetzt haUe, erhielt der
Gegner hierdurch ein Übergewicht an Kräften, dem die Arbei-
ter - trotz heftiger Gegenwehr - nicht standzuhalten vermoch-
ten. Sie konnten den Rückmarsch der Soldaten in die Kaserne
nicht mehr verhindern.
Oie Reichswehrangehörigen unternahmen - beeindmckt vom
Kampfgeist der Arbeiter - danach keine weiteren Angriffe. Ma-
jor ßuchntcker befürchtete sogar einen Sturm der Arbeiter auf
die Kaserne und ließ Maschinengewehre auf den Kasernenmau-
ern postieren. Gleichzeitig bat er das Kommando der Reichs·
wehrbrigade 5 in Frankfurt an der Oder um Unterstützung, wor-
auf ihm auch die Entsendung eines gepanzerten Eisenbahnzuges
und einer Maschinengewehrkompanie zugesagt wurde. Damit
veränderte sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Reichswehr-
formatione n. Es gelang den bewaffneten Arbeitern deshalb in der
Folgezeit nicht mehr, die putschistischen Tntppen zu entwaffnen.
Trotzdem zählen die Abwehrkämpfe in der Niederlausitz zu
den bedeutendsten Aktionen der Werktätigen in der Provinz
Brandenburg, die von ihnen bis zum 17. März 1920 gegen den
Kapp-Lüttwitz-Putsch unternommen wurden. Sie zeichneten sich
vor al lem durch ihre Viel1.ahl, ihr zeitliches Ausmaß und die Zahl
der an ihnen beteiligten Arbeiter aus. Bedeutsam waren auch die
Bemühtrogen zur AufsteUtmg einer Roten Garde und zur Bildung
eines zentralen militärischen Fühmngsorgans der Arbeiterwehren
in der iederlausitz.
Doch so wie in der Provinz Brandenburg oder in den vorber-
genannten Freistaaten und Provinzen war es nicht in allen Teilen
Ocutscblands. Nicht überall e ntwickelten sich bewaffnete Ab-
wehrkämpfe, sondern häufig beschränkte sich de r Widerstand auf
die Teilnahme am Generalstreik. Oie Ursachen Für dieses unter·
schiedliche Verhalten sind recht vielschichtig. In der Demokrati-
schen Republik Baden und im Freien Volksstaat Württemberg
lehnten beispielsweise Reichswehr und Sicherheitspolizei den
153
Staatsstreich ab und provozierten nicht, wie in vielen anderen
Gegenden in Deutschland, die Werktätigen zum bewaffneten Wi-
derstand. So gab Generalleutnant Waller von Bergmann, Befehls-
haber des Wehrkreises V, am 15. März 1920 zusammen mit dem
sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Württemherg,
Wilhelm Blos, eine Treueerklärung für die Regierung Gustav
Bauer ab. Die Arbeiterparteien und Gewerkschaften in diesen
Ländern beschränkten sich daher aui den Generalstreik, der in
erster Linie als Unterstützung des Abwehrkampfes in den ande-
ren Teilen Deutschlands gedacht war.
Wiederum anders reagierten die Werktätigen auf den Putsch
im Freistaat Bayern und in der preußischen Provinz Ostpreußen.
Hier entstanden keine das gesamte Territorium erfassenden
Streikaktionen. Massiver ökonomischer, politischer und militäri-
scher Druck vor allem von Großgrundbesitzern, konservativen
Bauernverhänden und großbürgerlichen Rechtsparteien hinderte
erfahrungen in den Klassenauseinandersetzungen mit Imperialis-
mus und Militarismus, die sie besonders seit der Jahrhundert-
wende - im· großen Bergarbeiterstreik von 1912, in mächtigen
Streikkämpfen während des ersten Weltkrieges und in der o-
vemberrevolution 1918/19 - erworben hatten.
Seitdem standen die Werktätigen des Ruhrgebiets mit an der
Spitze des Kan1pfes zur Verteidigung und Erweiterung der in der
ovemberrevolution errungenen demokratischen Rechte und
Freiheiten. Sie wehrten sich auch Anfang 1920, als den Bergar-
beilern Überschichten aufgezwungen und den Eisenhalmern eine
Verlängerung der Arbeitszeit zugemutet werden sollten. Ihre Em-
pörung wuchs, als zu alldem noch am 13. Januar 1920 über die
- lf4mpowg /Jewull'llffer Arlefltr
X w/r/111;<$ W«ht

die Werktätigen daran, entschiedene Abwehrmaßnahmen zu er- P' VMif</c!J$we/lrksuLIUQI'f

~ "tJ11$1ther~Jt/f$p1b<ei!JeWmrPI1
greifen. Auch das lavierende Verhalten mancher rechtssozialde- ......, bl> zvm t?.3.19Zlllwtltnpla'etel'r.nt
mokratischer Fu.nktionäre hemmte den Widerstand. Vielerorts iler~enRatrnRuhl'flrmee
Ahlen
0
kämpFte die K.PD erst darum, Fuß zu fassen, und selbst die 0
Bedvm
USPD spielte im politischen Leben dieser Gebiete eine unterge-
ordnete Rolle. So besaß sie im bayrischen Landtag von 180 Ah-
geordnetensitzen lediglich 3. Diese Bedingungen verursachten 16.3.
maßgeblich das Scheitern einheitlieber Streikaktionen und X0~
schlossen die Entwicklung anderer Formen des Abwehrkampfes ~i~ I
~-
aus. Welche Bedeutung dem einheitlieben Handeln der Werktäti- op- AW
U/Je/flaiJSell
~-
/JIJchum
X 1,.3, ovnna
gen für die Organisation eines vielseitigen und erFolgreichen Wi- ~~essen t Dorfmund
derstands gegen den Putsch zukam, zeigten besonders anschau- X t6.3.
lich die Ereignisse im Ruhrgebiet 1J.3.Xo Oflvrf«k•
mner oHag<n

Die Entstehung der Roten Ruhrarmee

Erste Reaktionen der Ruhrarbeiter auf den Putsch

Vom Verhalten der Werktätigen im Ruhrgebiet hing der Ausgang

des Abwehrkampfes gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch entschei-
dend ab. hn Ruhrrevier, dem industriellen Herz Deutschlands,
lebten fast vier Millionen Werktätige. Sie besaßen reiche Kampf- 13e-.•aflnete Auseiollßdcrsetzungen im Huhrgebiet. 15.- 17. März 1920

154 155
R~ierungsbe~irke Amsberg, Oüsseldorf, Minden und Münster -
ab 17 .Januar 1920 nur noch über den Regierungsbezirk Oüssel-
dorf - der militärische Ausnahmezustand verhängt wurde.
Oie Kampfbereitschaft der Ruhrarbeiter zeigte sich sofort nach
dem Bekanntwerden des Putsches vom 13. März 1920. Sie ver-
stärkte sich noch, als die Werkti!tigen feststellten, daß General-
leutnant Oskar Freiherr von Watter, der Befehlshaber des für die-
ses Gebiet zuständigen Wehrkreiskommandos VI, eine eindeutige
Erklärung gegen den Staatsstreich ablehnte. Dieser General tat al-
les, um seine Haltung zum Putsch so lange zu verschleiern, wie
fiir ihn noch nicht klar war, welchen Verlauf der Umsturzversuch
nehmen würde. Indirekt jedoch förderte er diesen, indem er sich
fiir •neutrale erklärte, die Aufrechterhaltung von . Ruhe und
Ordnung• mit der Absicht ankündigte, jegliche Protestaktionen
gegen den Putsch zu verhindern und nichts gegen die Freikorps
in seinem Befehlsbereich unternahm, die sich - wie die Frei-
korps Lützow, Liebtschlag und Scbulz - offen zur Kapp-Lütt-
witz-Regierung bekannten.
l linzu kam noch, daß auch andere politische und bewaffnete
Kräfte im Ruhrgebiet indirekt bzw. offen den Putsch unterstütz-
ten. Oie dortige Sicherheitspolizei, formell dem Oberpräsidenten
der Provinz Westfalen, Bemhard Wuermeling (Zentrum) unter-
stehend, der sich gegen den Kapp-Putsch ausgesprochen hatte,
wurde durch ihren Kommandeur, Oberstleutnant von Caprivi,
noch nm 13. März auf die Putschistenregierung verpflichtet. Oie
meisten Einwohnerwehren im Ruhrgebiet folgten dem Aufruf
ihrer Berliner Zentrale und erklärten sich ebenfalls für Kapp. Oie
lokalen Vorstände der Deutschnationalen Volkspartei bekundeten
ihre Sympathie für den Staatsstreich, während sich die der Deut-
schen Volkspartei noch zurückhaltend über den Kapp-Lüttwit.z.
1
Putsch äußerten.
Demgegenüber verurteilten die Vertreter der drei Arbeiterpar·
leien im Ruhrrevier von Anbeginn an den Putsch. Sie sprachen
sich fiir den Generalstreik gegen Kopp-Lüttwitz aus. Trotz unter·
schiedlicher Auffassungen darüber, ob allein für die Erhaltung
der Weimarer Republik oder für weitergehende demokratische
Veränderungen gekämpft werden sollte, einigten sich Vertreter
dt'r Bezirksleitungen der drei Arbeiterparteien om 13. Miir-1. in El-
berfeld darüber, einen gemcinsarnen Aufruf herauszugeben. ln
156
diesem Dokument hieß es: Oie drei sozialistischen Parteien des
Bezirks iederrhein verpnichten sich, •den Kampf gegen die
neugebildete Kapp-Regierung mit allen Kräften geschlossen auf-
tunehmen.
Der einheitliche Kampf ist zu führen mit dem Ziel:
I. Erringung der politischen Macht, durch die Diktatur des Prole-
tariats bis zum Siege des Sozialismus, auf der Grundlage des
Hiitesystems.
2. Sofortige Sozialisierung der dazu reifen Wirtschafts~weige. Um
djeses Ziel zu erreichen, rufen die tinlerzeichneten sozialisti-
schen Parteien alle Arbeiter, Beamten und Angestellten auf,
am Montag, dem 15. März, geschlossen in den Generalstreik zu
treten.«
Mit seiner Zielstellung, die Diktatur des Proletariats zu errich-
ten, ging der Aufruf zweifellos weit über die damals in Deutsch·
land bestehenden realen Möglichkeiten hinaus. Doch entschei-
dend blieb scine Empfehlung, einhcitliche Abwehraktionen
du rchzusetzen, woraus auch seine große praktische Wirkung re-
oultierte.
Der Aufruf bildete die politische Grundlage für das zeitweilige
Zustandekommen ciner Zentralstreikleitung, in der Vertreter der
USPO, der SPO, der KPO und der Gewerkschaften gemeinsam
wirkten. Diese Leitung gab . Richtlinien« zur Führw1g des Ab-
wehrkarnpfes heraus, in denen den örtlichen Aktionsausschüssen
empfohlen wurde, alle Behörden zu veranlassen, öffentlich zum
Putsch und zum Generalstreik Stellung zu nehmen. Im Falle
l'iner Unterstützung der Putschisten durch die Behörden sollten
die Beamten an der weiteren Ausübw1g ihrer Tätigkeit gehindert
werden. Des weiteren war vorgesehen, Polizei, Verkehr und Le-
bensmittelversorgung den Aktionsausschüssen zu untersteDen so-
wie ihnen auch Waffen und Munition abwliefem.
Überall spürte man das Bestreben, einheitlich gegen den
Putsch zu handeln. In vielen Städten des Ruhrreviers erklärten
die Vertreter der drei Arbeiterparteien als nächstes Ziel des Ge-
neralstreiks: .Niederwerfung des Militärputsches, Sicherung der
llepublik und der erreichten Arbeiterrechtec. Unter diesen Lo-
sungen fanden bereits am 13. März vielerorts Demonstrationen
und Streiks statt, so in Bochum, Ouisburg, Essen, Hagen, Han1·
born, Haspe, Unna und Wetter.
157
 Aur znhlreichen Kundgebungen und in Aurruren von Aktions-
ausschlisscn t11uchten schon an diesem Tng häufig Forderungen
nach Entwarrnung der putschistischen Truppen und der Sicher-
heitspolizei, nach Reorganisation der Einwohnerwehren und
nach Bewaffnung der Arbeiter auf.
Die Konsequenz dieser Fordenmg war, im Ruhrgebiet Arbei-
terwehren aufzustellen. Doch bis es dazu kam, waren häulig be-
trächtliche Schwierigkeiten, vor allem der Widerstand der örtli-
chen Behörden oder der reaktionären Einwohncrwchrcn, zu
überwinden. Aber Einsatzbereitschaft, Findigkeit und Mut er-
möglichten es vielen Werktätigen, sich Warren zu beschaffen. So
beschlagnahmten am 14. März Willen er Werkliitige 40 Gewehre,
und am selben Tag gelang es in ßochum, 2 000 Gewehre eines
Warrentransportes sicherzustellen und damit Arbeiter auszurü-
sten.
Oie Eile, mit der sich die Arbeiter warren besorgten, war ver-
ständlich. Stündlich mußten sie, bei der mehr oder weniger offe-
nen Unterstützung der Putschisten durch die Reichswehr, mit be-
wairneten konterrevolutionären Aktionen - häulig unter dem
Vorwand der Erhaltung von . Ruhe und Ordnung« - rechnen.
Außerdem waren wegen der Streikaktionen AnCang 1920 im
Ruhrgebiet die Reichswehrformationen bedeutend vermehrt wor-
den. Mitte März 1920 standen im und um das Ruhrgebiel: I 1 Ba-
t11illone, 6 Eskadronen und 6 Batterien. Das waren bei der da-
mals recht unterschiedlichen Stärke der Einheilen etwa
6 500 Mann und 24 Kanonen bzw. Feldhaubitzen.
Der größte Teil dieser Reichswehrtntppen befand sich an der
Grenze zum Ruhrgebiet, denn nach Artikel 42 und 43 des Ver-
seitler Vertrages waren die Unterhaltung und Zusammenziehung
einer bcwaifneten Macht •auf dem linken Ufer des Rheins wie
auch auf dem rechten Ufer westlich einer 50 Kilometer östlich
dieses F1usses gezogenen Liniec verboten. Aber die Signat11r-
miichtc gestatteten es, in diesem Gebiet bis drei Monate nach ln-
krarttrcten des Vertrages, also bis zum I 0. April 1920, maximal
20 Bataillone, I 0 Eskadronen und 2 Batterien der Reichswehr
noch zu belassen. So verfügte das z.usliindige Wehrkreiskom-
mando VI im rheinischen Teil dieses Territoriums über die
Reichswehrbrigade 31, die unter Befehl von Generalmajor Ernst
Kabisch stand. Oie Formationen dieser Brigade waren in Düssel-
158
dorf, im Raum Wesel, in Mülheim und Elten disloziert Über
den südwestlichen Teil des Ruhrgebiets übte Generalmajor
Bruno von Gillhausen das Kommando aus. Ihm unterst11nden die
Freikorps Hackelau und Lützow im Raum Remscheid sowie die
Truppen der Reichswehrbrigade 7 im östlichen Teil Westfalens.
Im Ruhrrevier - in ßochum, Düsscldorf, Duisburg, Elberfcld,
Essen, Gelsenkirchen, Gummersbach, Mülheim, Oberhausen,
Remscheid und in Wesel -standen etwa 4 000 Mann der Sicher-
heitspolizei: 24 Hundertschaiten, 8 Technische Hundertscharten,
eine Berittene Starret, 7 Nachrichtenzüge sowie sogar eine Flie-
gersUtffel.
Wie berechtigt die Befürchtungen der Werktätigen im Ruhrge-
biet gegenüber dem Verhalten der Reichswehr und Sicherheits-
polizei waren, zeigte sich bald. Am 14. März befahl Generalleut-
nant von Waller, mit dem für den Fall von •Unruhenc schon seit
längerem vorbereiteten Auemarsch zu beginnen. Danach hatten
die Brigaden mit den hierfür speziell gebildeten Reichswehrabtei-
lungen bis zu einer restgelegten Linie vorzurücken.
Das Freikorps Lichtschlag, dessen Einheilen in Münster, Os-
nabrück uod Bietefeld lagen und das aus 3 Bataillonen, einer Eska-
dron, 4 leichten uod einer schweren Batterie und anderen Forma-
tionen best11nd - insgesamt etwa 2 500 Mann - wurde angewiesen,
sich sorort in Richtung Hagen in Marsch zu setzen. Sein II. Batail-
lon unter der Führung von Hauptmann Lange und die Infanterie-
Geschütz-Batterie I 07 (Batterie Hasenclcvcr) bildeten die erste
Starret. Generalleutnant von Watter wählte dieses Ziel, weil sich
hier ein Zentrum des Widerst11nds gegen den Putsch im westli-
chen Westfalen befand.
Ein bewaffneter Konflikt bahnte sich an, denn es war abzuse-
hen, daß die Werktäligen Hagens gegen den Einmarsch der
Reichswehr Abwehrmaßnahmen ergreifen würden. Auf einer Be-
ratu ng rührender Funktionäre der USPD, der einflußreichsten
Arbeiterpartei der St11dt, beschlossen die Tcilne.hmer am ach-
mittag des 13. März 1920, auf einer Kundgcbtmg am Vormittag
des nächsten Tages den Generalstreik zu verkünden. Oberstes
Ziel sei die •Sicherung der Einheitsfront aller Kopr- und Handar-
beiter« zur Nicdetwerfung des Knpp-Lüttwilz-Putsches. Um die
Wirksamkeit des Strei.ks zu erhöhen, müsse er durch eine Be-
waffnung von Arbeitern gestützt werden. So sollten bewaffnete
159
Arbeiter die Stadtpolizisten auf ihren routinemäßige n Patrouillen-
gängen begleiten.
Mehr als I 0 000 Kundgebungsteilnehmer stimmten am
14. März diesen Beschlüssen ~· Der Generalstreik begann, aber
als weitaus schwieriger erwi es sich, die Bewaffnung d er Arbei-
ter durchzusetzen. Schli ich wurde die Herausgabe von 130
der 160 im Rathaus vo Hagen lagemden Gewehre an die Werk-
tätigen erzwungen. heiter beschafften sich noch weitere Waf-
fe)l, so daß sie bald über 200 Gewehre verfügten und eine Arbei-
terwehr aufgestellt werden konnte. Gleichzeitig schufen Funktio-
näre d er USPD, uQterslützt von Mitgliedern der SPD, eine
Zentralstelle tür die überregionale Organisation des Abwehr-
kampfes. · lluhrtal li egend en Ort umschlossen. Dogegen vermochten es die
Fast zur selbe n Zeit traten auch die Werktätigen von Wetter in
den Generalstreik ein und bewaffneten sich. Hier führte ein
.Exekutiv-Komiteec, bestehend aus Mitgliedern der drei Arbei-
terparteien, den Abwehrkarnpf. Über dieses von der Reaktion
verteufelte Komitee wurde unter anderem behauptet, es habe in
Wetter eine Räterepublik ausgerufen. Generalleutnant von Wal-
ler nutzte derartige Falschmeldungen bewußt als zusätzlichen Vor-
wand, um den beiden auf dem Wege nach I lagen befindlichen
Reichswehrformationen zu befehlen, zuerst Wetter und Herdecke
zu • befriedenc.
Kämpfe in Wetter, Herdecke, Karnen und Dortmund
Am späten Abend des 14. März 1920 fuhr die Batterie des
HauptmannsOtto Hasenclever ( 130 Mann und 6 Kanonen) mit
einem Zug in Richtung Wetter. Der 32jährige Hauptmann war
ehemaliger Frontoffizier, Träger des Königlichen Hausordens der
Hohenzollern und des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse, ein fa-
natischer Gegner der Weimarer Republik. Nur durch läuscbung
der Eisenbahner gelang es ihm, seinen T ransport bis nach Wetter
zu bringen. Dort traf er am Morgen des 15. März 1920, gegen
I 0.30 Uhr, ein.
Während der Verhandlungen in der ßahnh6fshnlle mit Vertre-
tern des Exekutiv-Komitees e rklärte sich llaser1clever für den
Putschistengeneral von Lüttwitz. Damit endeten die Unterband-
160
lungrn. Fabriksirenen gaben Alarm. ll undcrte \Verktiilige ström-
ten zum Bahnhof. Hauptmann Hasenclever ließ daraufhin de n
Giitcrzug zum Kampf vorbereiten. Dennoch bemü hten sich Ver-
treter der Arbeiter - inz"~schen erschien auch eine Delegation
au~ I lagen - , ihn zum Abzug seiner Tnrppen zu bewegen. Ha-
s!'nclever wollte aber durch Verhandlungen nur Zeit ge"innen,
duoich schon ein in Bielefeld stationiertes Bataillon des Freikorps
Li c·htschlag auf dem Anmarsch befand.
ln dieser zugespitz ten Situation ent~ckclte sich gegen 15 Uhr
L'in Feuergefecht, in dem sich die Arbeiter in ein er relativ günsti-
~('n Lage befanden. Sie waren in der Überzah l, griffen das ßahn-
hofsgcböudc frontal und von den Höhen an, die den im engen
llrichswehrsoldaten nicht, ihre militiirische Überlegenheit zur
Gdtung zu bringen. Lhr Versuch. die Kanonen von der Rampe
hl'runte•tuholen und einzusetzen. rnißlnng. Mittlerweile hallen
sich fast 2 000 größtenteils bewaffnete \' erktätigc - davon etwa
I 000 aus I lagen und Umgebung - eingefunden. 1unmehr be-
j!nnnen zahlreiche Reichswehrsoldaten unsicher zu werden, etwa
20 'on ihnen verließen noch während der Verhandlungen ihre
Einheil und liefen zu den Arbeitern über.
Das Feuergefecht dauerte über eine St unde. Kein e der beiden
Seiten vermochte es in dieser Zeit, ent scheidende Vorteile zu er-
ringen. Erst als gegen 16.30 Uhr eine aus bürgerli che n Kreisen
zusnmmengesclzte Del.egation mit I lasenclever verhandelte, nutz-
ten Arbeiter, d ie diese Abordnung nicht anerkannten, di e kurze
Fr ucrcinstcllung und drängten vor. I ach einem Schußwechsel
" urden die Soldaten in der Bahnhofshalle libcn•·ältigt und muß-
t!'n sich ergeben. Sie hatten in den Küm pfen I I .\llann, darunter
llauptmann Hasenclever, verloren. Die Werktätigen beklagten
i Tote.
Als Ergebnis djeser bewaffneten Auseinandersetzungen ergab
sich für die Arbeiter eine völlig neue Situati on. Früher hatten sie
oftmals iederlagen einstecken müssen. Jetzt ko nnten sie einen
~roßen Erfolg verbuchen. Eine Batterie der Putschisten halte ka-
pituli ert und ihre Kanonen eingebüUt.
Der J::rfolg von Weller blieb kein Einzclfnll im Ruhrgebiet Das
II. Bntaillon des Freikorps Lichlsch lag, 11nniihcrnd 350 Mann
stark. konn te seinen Auftrag, die Batterie I lasenclever zu unter-
161
 stützen, nicht erfüllen. Eisenbahner hatten den mit diesem Batail-
lon belad~nen Zug mehrmals aufgehalten, so daß die Verbindung
zur Batterie abriß.
Der Transport traf erst zwei Stunden nach Beendigung der be-
waffneten Auseinandersetzungen in Herdecke ein, das noch vier
Kilometer YOn Wetter entfernt lag.
Der Kommandeur des Bataillons, I lauptmann Lange, besetzte
mit dem größten Teil der Truppe den Bahnhof so"~e das Rathaus
und stellte Sichenmgen an der Ruhrbrücke in den Richtungen
Hagen und Wetter auf. Verhandlungen mit Vertretern der Werk-
tätigen verliefen ergebnislos, da sich Hnuphnann Lange nicht be-
reit erkliirte, mit seiner Formation abzuziehen. Sein Verhalten äh-
nelte stark dem des Hauptmanns Hasenclever in Weller. Arbeiter
von Herdecke bezogen dal1er, unterstützt von Werktätigen der
Umgebung, in der ähe des Bataillons Stellung. Als den Arbei-
tern dann noch der Anmarsch von weiteren Heichswehrtruppen
bekannt wurde und der Bürgermeister von l lerdecke ihnen au-
ßerdem mit Gegenmaßnahmen drohte, wenn sie ihren Abwehr-
kampf fortsetzten, entscWossen sich die Kommandeure der A.r-
beiterwehren in Absprache mit Funktionären der rbeiterpar-
teien der Stadt zum Angriff auf die pu tschistischen Truppen.
Der Angriff begann arn l 6. Miirz 1920, gegen 7 hr. An ihm
beteiligten sich einige hundert bewnffn cte Arbeiter. Diese zahlen-
mäßige Überlegen heit der Werktätigen, die zersplitterten Positio-
nen des Bnlaillons sowie die vorhandene Unzufried enheit unter
den Mannschoflen über ihren Einsalz zwangen den Bataillons-
kommandeur, den Kampf kurz nach 9 Uhr einstellen zu lassen.
Der Unmut unter den Soldaten und Unteroffizieren baUe sich
schon vor der Abfahrt des Bataillons in ßielefeld gezeigt. Spre-
cher verurteilten die Unterstützung des Putsches durch ihre OFfi-
ziere und den bevorstehenden Einsatz. Kurz danach wurden sie
in llaft genommen. Nach Beendigung des Kampfes in Herdecke
erging es vielen Angehörigen des Bataillons ebenso. Daraufhin
gaben die in Schutzhaft genommenen Unterofriziere und Mann-
schaften des 2. Bataillons Lichtschlag am 16. März .1 920 in Her-
decke folgende Erklärung ab: • Wir stehen nach wie vor fest hin-
ter der· vom Volke gewäWten R.egicrung, der wir den Treueid
geleistet haben. Uns wurde gesagt, wir seien neutral und sollten
nur da eingreifen. wo geraubt und geplündert werde. Als wir in
162
llerdecke die Wahrbeil unserer Bestimmung erfuhren, haben wir
llauptmann Lange den Gehorsam verweigert und auf eine Vertei-
digung des Ratbauses verzichtet. Auch ist das Feuern in der vor-
deren Linie auf eigene Faust eingestellt worden. 'ach unserer ln-
trmierung müssen wir feststellen, daß wir von unseren
, orgesetzten Offizieren in gröblichster Weise hinters Licht ge-
führt worden sind. Wir haben keine konterrevolutionäre Gesin-
nung und hüllen uns niemals wissentl ich zu konterrevolutionären
Zwecken mißbrauchen lassen. Wir bemerken ausdriicklicb, daß
auch die umlaufenden Behauptungen, wir seien nach unserer
Waffenstreckung durch die Arbeitert ru ppen scheußlich behan-
drlt und rnißhttndelt worden, unwahr sind, daß jede gegenteilige
llrhauptung auf keiner Mitteilung der Soldnten beruhen kann. c
Die achriebt von den Erfolgen der Arbeiterformalionen bei
\'t'ettcr und llerdecke verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sie er-
füllte die Werktätigen mit Stolz über die errungenen Ergebnisse
und mit der Freude, dem verhaßten Freikorps Lichtschlag, des-
o,rn brutales Auftreten bei der Niederschlagung der revolutionä-
ren Arbeiter im Ruhrgebiet im Jahre 1919 noch in Erinnerung
'' ar, eine ' iederlage bereitet zu haben.
Die Abwehrkämpfe der Arbeiter bei Wetter und Herdecke hat-
ten gezeigt, in welch hohem Maße unter den Werktätigen des
Huhrreviers die Bereitschaft vorhanden war, den putschistischen
Truppen entschiedenen Widerstand zu leisten. Dieser Wille, die
Orgonisiertheit, die Konzentration und die gegenseitige Unterstüt-
zung der Arbeiter im Ruhrgebiet ermöglichten es, gleichzeitig ge-
l(cn verschiedene provozierende Truppen vor-tugehen. Daher
kam es zur selben Zeit auch in anderen Orten zu Abwehrkämp-
f('n.
1n Kamen kontrollierte die arn 13. Miirz 1920 gebildete Arbei-
trn. ehr wichtige Punkte der Stadt und unterstützte dadurch die
Wirksamkeit des Streiks. Als Angehörige des ehemaligen 8. Husa-
n•nregimenls aus Paderborn mit einem Lastkrallwagen am
15. Mürz, gegen 19 Uhr, in·die Stadt fuhren und der Fahrer den
llaltcruf der Posten der Arbeilen.,ehr mißachtete, entwickelte
sirh ein SchußwechseL Dieser und die nnschließende Geisel-
nahme von drei Einwohnern aus Kamen sowie das Fehlschlagen
dl'r· Vcr·handlungen zur Freilassung der Geiseln führten zum Aus-
bruch bewa!fneter Auseinandersetzungen, die arn 16. Män, ge-
163
gen 7 Uhr, begannen. Sie endeten mit der Kapitulation der unter
dem Kommando des Hauptmanns von Manstein stehenden For-
mation. Kurz nach Beendigung dieser Kämpfe kam es zu weite-
ren bewaffneten Zusammenstößen, diesmal in Dortmund. Sie
wurden für den späteren Verlauf des Abwehrkampfes der Werk-
tätigen im Ruhrgebiet zu einem Wendepunkt.
ln Dortmund herrschte am Morgen des 16. März 1920 e ine äu-
ßerst gespannte Situation. Als am Vortag Angehörige der Dort-
munder Polizei tmd Sicherheilswehr am Hauptbahnhof und vor
dem Stadthaus Demonstrierende und Streikende auf Befehl des
Polizeipräsidenten von Heeringen beschossen, hatte es 6 Tote,
fast 30 Schwerverletzte und zahlre iche Verletzte gegeben. Von
Heeringen, Sohn des ehemaligen kaiserlichen Kriegsm inisters,
hatte sich schon im Frühjahr und Sommer 1919 maßgeblich an
der blutigen Niederschlagung der Dortmunder Arbeiter beteiligt.
Die Forderungen von USPD-Ftmktioniiren, diesen Reaktionär ab-
zulösen, wurden jedoch vom Stadtparlament und von führenden
Funktionären der Düsseldorfer SPD-Organisation abgelehnt
Die Haltung des Dortmunder Polizeipräside·nten zum Putsch
und der blutige Feuerüberfall der Polizeikräfte auf friedliche De-
monstranten lösten unter der Bevölkerung große Erregung aus.
Sie schlug in bewaUnete Abwehraktionen um, als am 16. März
ein gepanzerter Zug mit dem I. Bataillon des Freikorps Licht-
schlag zur Weiterfahrt nach Hagen auf dem Güterbahnhof Dort-
mund-Süd eintraf. Es kam zu ersten bewaffneten Auseinanderset-
zungen, so daß die Soldaten den Befehl des Kommandeurs der
Reichswehrbrigade 7, Dortmund wieder in Richtung Münster zu
verlassen, nicht befolgen konnten. In der Zwischenzeit trafen
Hunderte von Arbeitern aus ßochum, Hagen, Haspe, Iserlohn,
Kamen, Lethmathe, Unna, Witten und anderen Orten in Dort·
mund ein und führten auf Wagen Wafren, Munition und Proviant
mit, 2 Lastkraftwagen 7l0gen Feldgeschütze. Zum TroLYgehörten
auch Sanitätsautos. Die heranziehenden Arbeiter sammelten sich
i.n Vororten der Stadt mit dem Ziel, die Putschistentruppen zu
entwaffnen.
Am nächsten Morgen, dem 17. März, stießen sie gegen 6 Uhr
aus mehreren Richtungen zum Bahnhof vor. Ihren Hauptstoß
flihrteo sie aus Richtung Hörde. Tausende von Werktätigen -
ihre Zahl wird auf etwa I 0 000 geschätzt, viele von ihnen unbe-
164
waffnet - bewegten s ich auf das Stadtinnere zu. De r Druck der
Arbeiter war so stark, daß die Soldaten gegen 10 Uhr de n Bahn-
hof räumten. Thr Versuch, zum Stadthaus durchzubrechen und
sich dort mit der örtlichen Sicherheitswehr zu vereinigen, schlug
fehl. Von al.len Seiten eingeschlossen, mußten sich die Soldaten
e rgeben. Auch die Sicherheitspolizisten kapitulierten. Gegen
12.30 Uhr schwiegen die Waffen. In diesen Kämpfen verloren
das F'rei korps Lichtschlag und die Sicherheilswehr II und die
Arbeiter etwa 20 Mann.
ach der Vertreibung der bewaffneten Putschisten aus Dort-
mund konll'ollierten die Werktätigen fast den gesamten westfäli-
schen Teil des RtLhrgebiets. Sie verfügten dan1it über günstige
Voraussetzungen für weitere erfolgreiche Auseinandersetzungen
mit den konterrevolutionären Kräften. Der Sieg der Werktätigen
in Dortmund förderte die F'ähigkeit der Arbeiter, starke bewaff.
nete Formationen aufzustellen und diese erfolgreich zu führen.
Die im Kampf gegen die Dorlmunder Putschisten entstandenen
Arbeiterwehren bildeten den Kristalli sationskern für den sich
n unmehr rasch voiJziehenden Entstehungsprozcß der Roten
Huhrarmee. Schließlich sammelten die Werktätigen in Dortmund
Erfahrungen für den bewaffneten Kampf in größeren Städten,
war es doch ein Unterschied, ob in Städten wie He rd eckc, das
etwa 5 000 Einwohner zählte, oder in Dortmund, das
500 000 Bewohner hatte, gekämpft wurde.
Am 17.März 1920 entwickelten sich auch in Elberfeld und in
Barmen bewaffnete Abwehrkämpfe. Mit ihnen begannen die be-
waffneten Auseinandersetzungen im Bergischen Land. Ausgelöst
wurden sie in Elberfeld. als am 15. März etwa 250 Sicherheits-
polizisten in die Stadt einrü ckten, um zusammen mit dem nach-
folgenden Freikorps Hacketau den Widerstand der Werktätigen
sowohl in der Stadt als auch im Bergischen Land zu brechen. Als
die Polizisten in Elberfeld einmarschierten, be fanden sich wegen
des beginnenden Generalstreiks Tausende von Menschen auf
den Straßen. Es kam z u ersten Auseianderselzungen zwischen Si- I
chcrheitspolizisten und Werktätigen.
Die Situation spitzte sich zu, als kurze Zeit später Freikorpsfor-
mationen in der Stadt e intrafen, den ' eumarkt absperrten und
vor dem Rathaus Sperren errichteten. Streifen patrouillie rten mit
den Rufen »Fenster zu! Es wird geschossen!« durch die Straßen.
165
An mehreren Stellen d er Stadt entwickelten sich blutige Zusam-
menstöße zwischen Sicherheitspolizisten und Einwohn ern. Das
provokatorische Verhalten der putschistischen Truppen erreichte
am nächsten Tag, dem 16. März, seinen Höhepunkt. Angehörige
der Sicherheitspolizei schossen rücksichtslos auf ei nen Demon-
strationszug aus F'alingen, der zu r Unterstützung der Eibeneider
.rbeiter in die Stadt gekommen war.
Kämpfe brachen aus. Die Arbeiter verschanzten sich in einer
Ziegelei an der Rudolrstraße, die nach Barmen führte. Sie leiste·
ten den angreifenden Sicherheitspolizisten energischen Wider-
stand. Diese e rhielten daraufhin durch Soldaten des Freikorps
I lacketau Unterstützung. Doch auch mit deren l lilre gelang es
nicht, wesentliche Erfolge gegenüber den erbittert kiimpfenden
Arbeitern zu erzielen. Inzwischen hatte sich die Zahl der Vertei-
diger ebenfalls erhöht. und die bewaffneten Arbeiter konnte n er-
ste Vorstöße unternehmen. Schritt fiir Schri tt drängten sie die
putsch~stischen Kriifte aus der Stadt. Gegen 22 Uhr waren Elber-
feld und Barmen fre igekämpft
Die bewaffneten Auseinandersetzungen in Elberfeld und Bar-
men gehören zu den verlustreichsten in dieser Phase des Kamp-
fes im Ruhrgebiet, denn über 50 Arbeiter verloren in ihnen ihr
Leben. Diese Kämpfe beendeten einen wichtigen Abschnitt in
der Entwicklung des bewaffneten Widerstands der rtuhrarbeiter
im März 1920.
ln Wetter, llerdecke, Kamen, Dortmund, Elberfeld und Bar-
men entstanden in der Zeit vom 13. bis zum 17. März 1920 zahl-
reiche Arbeite!"\\ ehren. Das waren echte Volkswehren, denn sie
setzten sich aus \'ertretern d es gesamten Volkes zusammen, wur·
den vom größten Teil der ßevölkenmg unterstützt und verfoch·
ten mit ihrem Kampf gegen die Gefahr einer Mi litärdiktatur die
Interessen der Mehrheit. Da die Wehren ein Ergebnis der T'atig·
keit der gerade erst gegründeten Aktionsausschüsse bzw. Voll·
zugsräte waren, bildeten sie sich organisiert, nicht spontan her·
aus. Diese Ausschüsse hat1en zur Schaffung von Arbeiterwehren
aufgerufen. übernahmen deren materielle Ausrüstung, die Ent·
lohnung und Verprlcgung der Kämpfer und organi sierten die Ein·
sctzung oder Wahl der militiirischen Führer.
Die Arbeiterwehren im Ruhrgebiet, hatten unterschiedliche
Stärke. Ihr Aufbau voOzog sich nach militärischen Prinzipien.
166
Eingetei lt waren sie in der Regel nach Gruppen, Zügen und
Kompanien. In den ersten Tagen des Widerstands gegen den
Putsch besaßen nur wenige Arbeiter Waffen, die ie entweder aus
\ erstecken geholt oder bei reaktionären Kräften im uftrag der
Aktionsausschüsse sichergestellt hatten. Spiiter gelang es den
Werktätigen dllrch ihre Erfolge im Kampf, eine größere Anzahl
von Waffen zu erbeuten. ach unvollständigen Angaben fielen
ihnen bis zum 17. März 1920 über 20 000 Gewehre, mehrere
Dutzend Maschinengewehre und einige Geschiitze in die Hände.
Während der bewaffneten Auseinandersetzungen lernten die
Werktätigen es immer besser, ihre Kräfte rasch z u mobilisieren,
zu koordini eren Lmd zu kon zentrieren. Sie e ntwicke lten ein ße-
nacbrichtigungssystem, das sofort wirksam wurde, wenn von put-
schistischen Truppen Gefahr drohte. Dadu rch konnten die be-
"affneten Arbeiter ihre Zahl im e ntscheidenden Moment schnell
vervielfachen. So kämpften in Wetter etwa 2 000, in Herdecke
6 000 und in Dortmund schon fast I 0 000 gegen reaktionäre
T ruppen. Mit dieser Method e vermochten es die Arbeiter, ihre
militäri sche Unterlegenheit teilweise auszugleichen. Das Zusam-
men"~rken mehrerer Arbeiterwehren hielt in dieser Phase der
\useinandersetzungen jedoch nur kurz an.
Bis zum 17. März 1920 bestand noch keine Z<'ntrale rührung
rler Arbeiterwehren des Ruhrgcbiets. Aber es bi ldete n sich bis
dahi n die personellen und strukturellen Voraussetzungen flir die
Zusammenfassung der Wehren zu ei11er Arbeiterarmee heraus,
die als Rote lluhrarmee in die Geschichte eingegangen ist Sie
führte diesen amen in enger Anlehnung an ihre Vorbilder, die
Rote Armee Sowjetrußlands und die bayrische Rote Am1ee. Oie
Rote Ruhrarmee iibertraf letztere durch ihre zahlenmäßige Stärke
und Ausrlistung, das von ihr kontrollierte Gebiet, ihre Erfolge
und besaß e ine bis dahin in Deutschland noch von keiner Arbei-
te rformation erreichte politische sowie soziale Breite. Sie verkör-
perte in vielem schon das, was Vertreter der Werktätigen im
Ruhrgebiet damals unter einem zukünftigen Volksheer verstan-
den.
Die Kiimpfer der Roten Ruhrarmee standen nrn 17. März 1920
an der Linie Dorlmund, Kamen, Wetter, 1-lerdeeke, Bnrmen und
Elberfeld. Diese stellenweise unterbrochene Linie bildete die
Front im bewaffneten Widerstand gegen die Putschisten im Ruhr·
167
 revier. Bis zum 17. März t 920 halle sich dort ein militärisches
Kriifte, erhültnis herausgebildet, das es den Arbeiterwehren er-
möglichte. die Initiative im Abwehrkampf gegen die putschisti-
schen Tnappcn im Ruhrgebiet zu ergreiFen. Oie Arbeiterwehren
waren jetzt stark genug, um auch größere Städte dieses Territo-
riums von bewaffneten Anhängern der Kapp-Lüth•~tz-Regierung
zu säubern.
Der größte Teil der im westfälischen Raum des Ruhrreviers ge-
bildeten · rbeiterwehren stieß in Richtung Duisburg, Essen, Mül-
heim und nach Süden auf Remscheid vor. Andere Wehren be-
wegten sich in Richtung Münster, einem weiteren Zentrum
putschistischer Truppen, und schoben sich dabei an die Lippe
heran. Auch jenseits des Flusses entstanden Arbeiterstiitzpunkte,
so in Ahlen, Beckum und Hamm.
Oie bisherigen Erfolge der streikenden und mit der Waffe
kämpfenden Ruhrarbeiter beeinOußten die weiteren Handlungen
und Pläne des Generalleutnants von Watter. Er mußte seine ur-
sprüngliche Absicht aufgeben. jeden 'I iderstand gegen den
Putsch sofor1 gewaltsam zu ersticken, und zunächst darauf ver-
zichten, weitere Truppen in das Ruhrrevier zu verlegen. Schließ-
lich sah er sich am 16. Mürz t 920 vcrnnlnßt, beim Reichswehr-
gruppenkommando 2 Verstärkungen für die Absicherung der
Grenzen zum Ruhrgebiet anzufordern.
Oie Abwehrkiimpfe der Werktiitigen im Huhrrevier wirkten
weit über dieses Territorium hinaus. Sie woren maßgeblicher Be-
standteil der machtvollen Streik- und bewnfrneten AkJionen ge-
gen den Putsch in ganz Deutschland und trugen wesentlich zum
raschen lurz der Regierung Kapp-Liittwitz bei. Am 17. Mürz
1920, kurz nach 8 Uhr, mußte Wollgang Kapp zurücktreten und
einige Stunden spüter General der Infanterie \ValU1er Freiherr
von Lüttwitz seineo Posten zur Verfügung stellen. ach wenig
mehr als vier Tagen war der Versuch der reaktionärsten imperia-
listischen Kreise Deutschlands, eine Militärdiktatur zu errichten,
gescheitert.
Den entscheidenden Beitrag dazu leistete der machtvolle Ge-
neralstreik von annähernd 12 Millionen Werkliitigen, darw1ter
7 lillionen Mitglieder der Freien Gewerkschaften. Dieser Gene-
ralstreik, dem sich außerdem Zehntausende von Angestellten
und ßeomten angeschlossen baUen, legte die Wirtschaft und die
168
Tiitigkeit des Staatsapparates faktisch luhrn. Er traf die reoktionär-
;ten Kriifte bis ins Mark. Schon die gewaltigen Massenaktionen
drr Werktiltigen - die Demonstrationen und Kundgebungen -
hatten die Putschisten in die Defensive gedrängt. Ihr Schicksal
"urde endgültig besiegelt, als sich Zehntausende von Arbeitern
bewaffneten, Arbeiterwehren aufstellten sowie putschistische For-
mationen und andere konterrevolutionäre Kräfte entwaffneten
und diesen energischen Widerstand leisteten.
Oie Bildung Hunderter von Arbeiterwehren und der bewaff-
rwtc Kampf der Arbeiter stellten in Anbctrncht des gewaltsamen
\ orgchens der Putschisten die notwendige Ergänzung des Cene-
ralstr·eiks dar und waren eine wesentliche Voraussetzung fiir den
rusl'hcn Sieg über die Stnatsstreichler. Ocr bewaffnete Abwehr-
~urnpf schwächte, teilweise demoralisierte er sogar entscheidende
Triigcr des msturzversuchs und verhinder1e den offenen Über-
tri tt der Mehrheit der zunächst abwartenden Reichswehroffiziere
und anderer Kräfte der herrschenden Klasse auf die Seile der
Kapp-Lüttwitz-Regierung. Er half darüber hinaus mit, in ökono-
misch und politisch ausschlaggebenden Teilen Deutschlands vor-
übergehend ein solches Krilfteverhiiltnis zu chaffen. das für den
''ritcrE'n Ausbau der in der I ovemberrevolution 1918119 ernan-
l(!'ncn demokratischen Rechte und ~~reihciten günstige Bedingun-
l(l'n bot.
Der Erfolg der Arbeiterklasse im Miirz 1920 wäre ohne das
rinhcitliche Handeln vieler Werktiitiger nicht möglich gewesen.
Oie Aktionseinheit war die stärkste Waffe der Arbeiterklasse so-
" ohl im Generalstreik als auch im bewaffneten Kampf. Oie An-
"<•ndung dieser beiden Formen des Klassenkampfes ~derspie­
gelle den Heifeprozeß, der sich in der Arbeiterklasse seit der
\o, emberrevolution vollzogen hatte. Das konsequente Auftreten
linker Mitglieder in der USPD und der deutschen Kommunisten
trug dazu entscheidend bei. Die einheitliche Kampffront führte
zur Bildung von politisch-organisatorischen Zentren des Abwehr-
kampfes - den Vollzugsräten oder Aktionsausschüssen. Diese
politischen Organe der Werktiitigen lenkten maßgeblich den Ge-
n('ralslreik, überwachten die Tiitigkeit der Stn~~tsorgane, veranJaß-
tc•n die Entwaffnung putschistischer Kriiftc und cngten, gestützt
uu f Arbeitcrwehren, die Wirkungsmöglichkeiten des imperialisli-
&<"hen Staatsapparates ein. Ihre Abwehrmaßnahmen gegen den
169
 Putsch trugen revolutionär-demokratischen Charakter. Das traf
vor allem auf das Wirken der Aktionsausschüsse im Ruhrrevier
zu.
Um die einheitlich handelnden Arbeiter scharten sich Tau-
sende von demokratisch gesinnten Angehörigen der fortschriftli-
chen Intelligenz und des Kleinbürgertums. Diese Kräfte, empört
über den Putsch und dessen reaktionäre Ziele, entschlossen sich,
gegen den Staatsstreich Widerstand zu leisten. Sie stützten sich
dabei auf die Kraft der Arbeiterklasse. Die breite und massive
Abwehrfront trug wesentlich zum Sieg über die Putschisten bei.
Für die Sicherung und Erweiterung der Erfolge
des Abwehrkampfes ( 17.-21. März 1920)
Das veränderte Kräfteverhältnis
Mit dem Sturz der Kapp-Lüttwitz-Regierung am 17. März konnte
der Kampf der Werktätigen gegen die reaktionärsten Kräfte in
Deutschland noch nicht beende! sein. Denn bis dahin gab es von
der Reichsregierung Gustav Bauer noch immer keine verbindli-
chen Garantien, die für die Zukunft derartige Putschversuche
ausschlossen und die Bestrafung der Verantwortlich en am Staats-
streich sicherten. Durch den Abwehrkampf von Millionen von
Werktätigen halte sich in Deutschland ein innenpolitisches Kräf-
teverhältnis herausgebildet, das die historische Chance bot, die in
der ovemberrevolution I 918/ 19 erkämpften Erru ngenschaften
zu festigen und zu erweitern sowie durch grundlegende Verände-
rungen in Staat und Wi rtschaft eine Wende in der Innen· und
Außenpolitik Deutschlands herbeizuführen. Lm März 1920 ent·
stand die Möglichkeit, gestützt auf den außerparlamentarischen
Kampf des Volkes und die schon errungenen Positionen - Ak·
tionsausscbüsse, revolutionäre Betriebsräte, Arbeiterriile und die
Arbeiterwehren - sowie auf solche Kampfformen wie den Gene·
ralstrcik und den bewaffneten Kampf, ei ne Gewerkschafts· bzw.
Arbeiterregierung zu schaffen. Das wäre eine echte AJtemative
zur bisherigen sozialdemokratisch-bürgerlichen KoalitionspoHtik
gewesen.
Der Kapp-Putsch hatte vielen Werktätigen, auch zah lreichen
170
•
Mitgliedern der SPD, die fragwürdige Koalitionspolitik der sozial-
demokratischen Führung vor Augen geführt. Insbesondere stie-
ßen die militärpolitischen Aulfassungen des sozialdemokrati·
sehen Reichswehrministers Gustav oske auf starke Kritik, die·
sich auch in seiner Tatenlosigkeit gegenüber den Pulsebisten aus·
drückten. Schon seine Rolle bei der iederscblagung der Novem·
bcrrevolution 1918/ 19 hatte gezeigt, wohin die Ablehnung des
revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse und die grundsätzli-
che Bejahung des bürgerlichen Staates führten. Gustav Noske
wandle sich damals wie im Miirh 1920 gegen die Schaffung von
Arbeiterwebren. Einseitig auf den Kampf gegen Links ausgerich·
tet, nahm er dabei auch die Hilfe reaktionärster Formationen in
Anspruch und duldete schli eßlich die republikfeindlichen Offi-
ziere in der Reichswehr. oske ww·de daher zu Recht als ein Mit-
verantwortlicher an den Märzereignissen 1920 angesehen. Oie
überwiegende Zahl der Werktätigen balle jedoch noch nicht er-
kannt, daß die verbale Ableh nung des Militarismus und die For·
derung nach Beseitigung des Einflusses der reaktionären Offi.
ziere allein nicht ausreichten, um wirklich etwas zu verändern.
och war die Mehrheit der Werktätigen in bürgerlich-parlamen-
tarischen Illusionen belangen.
Daher erhielt der Kampf der KPD und Linker Kräfte der USPD
in dieser entscheidenden Situation besondere ß edeutw1g dafür,
den Werktätigen Weg und Ziel der weiteren Klassenauseinander-
setzuJlgen zu zeigen. Die KPD entsprach dem mit ihrem Aufruf
vom 18.März 1920. Darin forderte sie zur Fortsetzung des Gene-
ralstreiks und zum Kampf für die Absetzwtg aller konterrevolu-
tionären Offiziere auf, sie verlangte die Bewaffnung politisch or·
ganisierter Arbeiter und die Bildung von Arbeiterwehren. Sie
lehnte die Wiederkehr des Kabinetts Bauer- oske ab. Eine ähnli-
che Meinung vertrat am 19. März das Zentralkomitee der USPD.
Auch die Führungen des Allgemeinen Deutschen Gewerk·
schaftsbundes, der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenver·
bände und des Deutschen Beamtenbundes trafen am 18. Mär·z in
einem Aufruf - ähnlich wie in ihrem eun-Punkte-Programm
vom seihen Tage- für die Weilerführung des Generalstreiks ein.
Die unzuverlässigen Truppen sollten entwaffnet und eine .Neu-
organisation der Truppe• eingeleitet werden, damit • für die Zu·
kunft jeder mmtärische Putsch unmöglich• würde. Diese Forde-
171
 rungen stimmten weitgehend mit denen der KPD und der SPD
überein und deuteten die Möglichkeilen an, die bei einem Zu-
sammengehen dieser Kräfte damals bestanden. Denn auch der
Vorstand des ADGß "'ollte es nunmehr - im Unterschied zu sei-
ner Haltung am 13J 14. Män 1920 - nicht mehr dubei bewen-
den Jassen, daß die Regierung !:lauer- oske ihre Tätigkeit wie-
der aufnahm. Bereits am I 7. \11ürz 1920 halle er sich an das
Zentralkomitee der US PD mit dem \ orschl.ag gewandt, eine Re-
gierung aus Vertretern der Gewerkschaften, der SPO und der
USPD zu bilden, die auf der politischen Grundlage der ~ eimarer
Republik für ein Zurückdrängen der konterrevolutionären Kräfte
eintreten sollte. Eine solche Position begünstigte objektiv die
Weiterführung des Massenkampfes. Sie wurde von vielen Ak-
tionsausschüssen unterstützt. die - wie der Aktionsausschuß von
Hagen am 17. ~Im I 920, die 400 Delegierten des Kongresses
der Arbeiterriite Sachsens, der angrenzenden Gebiete ·n1üringens
und Bayerns am 18. März und der Aktionsausschuß von Stettin
Rm 20. Män - iihnliche Forderungen erhoben.
Als unrealistisch en>'ies sich aber das Bestreben einiger Ak-
tionsaussehüsse. die den politischen Reifegrad der Arbeiter und
das enstandene politische Kräfteverhältnis überbewerteten, jetzt
direkt den Kampf um die Errichtung der Diktatur des Proletariats
zu führen.
Wie groß die Hoffnungen vieler Werktätigen auf eine splirbare
Veränderung der politischen Verhüllnisse damals in Deu tschland
waren, widerspiegellen auch die Ansichten vieler SPO-Funktio-
näre. So trat der sozialdemokratische • \ olksbotec von Sieltin am
19.Män I 920 für die •sofortige Beseitigung der aufstündig gewe-
senen Militürs, Entfernung der re11ktionären Beamten aus der
Ven,.altung, Sicherung des Einflusses der organisierten Arbeiter-
schnfl bei den Militiir- und Zivilbehörden und sofortige Umbil-
dung der Regierung auf breiterer proletarischer Grundlngcc ein.
Millionen von Werktätigen folgten den Aurforderungen des
AOCB, der KPD und der USPD, den Generalstreik fortzuführen.
Auch in dieser Phase des Kampfes entwickelten sich wiederum
bewaffnete Auscinnndersetzungen, die Abwehrcharakter trugen,
da sie eine Heaktion auf dii'S scwttltsamc Vorgehen von Reichs-
wehrformationen darstellten. Zu ihnen gehörten die Kämpfe in
Berlin, Bad Köscn, Delitzsch. Eberswalde, Gotha. Leipzig und
172
•
'\aumhurg. ndere, wie die in Cottbus und Halle, bei Zickra und
, or allem im Huhrgebiel, wurden von den Arbeiterformationen
mit dem Ziel geführt, die reaktionärsten Kräfte in Deutschland
"eiler zurückzudrängen. Dieses Bestreben dominierte jetzt - im
nterschied zu den bewnffnetcn Abwehrkämpfen der Werkliiti-
gen bis zum 17. Mm 1920 - bei den Arbeiterwehren.
Bewaffnete Auseinandersetzungen in llalle,
Cottbus und im Haum Greiz
ln Halle hatte Oberst Hermunn Czcltritz die bereits cn>'iihnten
Forderungen der Achterkommission nach weiteren demokrati-
~chen Veränderungen am 18. ~län abgelehnt und noch am sei·
bcn Tag zum Zusammenschluß der Bevölkerung gegen eine an-
gebliche drohende »Bolsehewistcngefahrc aufgerufen. Er machte
damit noch einmal deutlich, dnß weder er noch andere Sympathi-
sa nten der nunmehr gestürzten Putschisten dnrnn dnchten abzu-
treten.
Die slreikend~>n und mit der Waffe kämpfenden Arbeiter in
I lalle besaßen aber nicht die Krnft, den Einfluß der putschisti-
sc~en T ruppcn in der Stndl zu brechen. Oberst Czcllrilz führte
den Befehl über 4 500 Angehörige der Rei chswehr und der Ein·
wohnerweh ren. Die Hallenser Werktätigen hofften daher auf
I lilfe von ttußen.
Bis zum 18. Män 1920 hatten sich Arbeilen>'ehren aus ver·
<chiedenen Orten der Umgebung, beispielsweise aus ~1ücheln
und Weißenfels, aus Ammendorf und ßeesen, I lalle genähert. ln
den frühen Morgenstunden des 19. März entwickelten sich zwi·
sehen ihnen und Heichswehrsoldnten am Südrand der Stadt, vor
allem am Hosengarten und an • Husches Hof« sowie in der Rich-
tung \Vörmlitz/ßöllberg, bewaffnete Auseinandersetzungen. Auf
der Seile der Reichswehr kämpften im Raum . Husches Hof •
hauptsächlich Soldaten der II I. Batterie des leichten Artillerieregi-
ments 16 und einer Kompani e des Infanterieregiments 31. Die
Auseinandersetzungen am Hoscngnrlen dauerten bis zum
22. März 1920 und nahmen buld F'ormen eines Stcllungskamr>fes
an.
Zur Unterstiilzung der von außerhalb Halles vorstoßenden
173
 Werktätigen banden HaUenser Arbeiter bewaffnete Putschisten
durch gezielte Aktionen an mehreren SteUen der Stadt. Diese Un-
ternehmungen fanden am Vormittag des 19. März beispielsweise
am Sandanger und am Hetlstedter Bahnhof statt.
0
Tormru ln Ammendorf befand sich ein wichtiger Stützpunkt der be-
waffneten Arbeiter, die von h.ier aus nicht nur ihre Kampfbefeh le,
sondern auch Waffen, Munition und Verpflegung erhielten und
medizi!'Jisch versorgt wurden. Weiteruin existierten dort Repara-
turwerkstätten, in denen kleinere Schäden an Maschinengeweh-
ren und anderen Waffen sowie an Fahrrädern behoben werden
konnten.
Im Verlauf des 19. März 1920 bildete sich im Rücken der am
Südrand Halles kämpfenden Arbeiter eine kritische Situation her-
aus. Fonnationen des I. Bataillons des 31. Infanterieregiments
riickten aus Merseburg heran. Durch geschicktes Manövrieren
und eoerg.ischen Widerstand gelang es Angehörigen der Arbeiter-
wehren jedoch gegen Mittag, diese Kräfte zwischen Döllnitz und
Osendorf aufzuhalten und zum Abdrehen in Richtung Bruckdorf
zu zwingen. An diesem Erfolg hatten auch e hemalige russische
Kriegsgefangene aus dem Lager in Merseburg Anteil.
Ermutigt durch diese E1iolge und den anhaltenden Abwehr-
kampf, vervie~fachten die Arbeiter Halles ihre Aktionen und ent-
waffneten in der Reilstraße, am Markt, am Steinweg und in ande-
ren Teilen der Stadt gegnerische Kräfte und leisteten diesen an
mehreren Stellen bewaf.fneten Widerstand. Dabei zeichneten sich
einige Kämpfer besonders aus. So verzögerte am Nachmittag des
19. März Willi Zschammer, ein 24jähriger Transportarbeiter, mit
seinem Maschinengewehr mehrere Stunden das Vordringen von
Reichswehrsoldaten über die Burgstraße nach Norden, bevor ihn
ein Schuß aus dem Hinterhalt tötete. Willi Zschanuner war Funk-
tionär der Freien Sozialistischen Jugend und Mitbegründer der
Ürlsgruppe der KPD.
Sein aufopferungsvoller Einsatz wie auch der anderer Kämpfer
beflügelte so maneben Arbeiter der benachbarlen Orte und ver-
anJaßte sie, in Kröllwitz, Lettin, Trotba und Seeben neue Arbei-
terwehren zu bilden und den Werktätigen Halles zu Hiiie zu
eilen. So kamen aus Bernburg, Cüsten und Staßfurl etwa
Kiimplc in Halle. Miirz 1920 300 Mann nach Halle. Die Lage der Arbeiterkämpfer verbesserte
sich weiter, als am achmitlag des 19. März auch aus Eisleben,

174 175
•
Hettstcdt, Monsfeld und Teutschenthal Verstiirkung in Halle ein-
traf, die in den westüchen Vororten Stützpunkte errichtete und
das tadtgut Gimritz stünnte, in dem sich etwa 50 Zeitfreiwillige
verschanzt hatten.
Bis zum 20. März bauten die inzwischen auf mehr als
2 000 \lann ange"·achsenen Kräfte der bewaffneten Arbeiter ihre
Positionen so weit aus, daß sie von allen Seiten auf das Stadtin-
nere vorrücken konnten. Nach Meldungen des Garnisonkom-
mandos wurden Arbeitertrupps in der Sccbener und Großen n,., olutionän:
Steinstraße, im Raum des Gertmudenfriedhofcs, in der Kellner·, \1a1rosrn drmon·
Glauchauer, Jakob- und Zwingerstraße gesichtet. Stützpunkte !ltri('rtrt in Kiet
von Hciehswehrsoldaten, wie die J lauptpost, Moritzburg und '1/ovrmher 191 H
Heil-Kaserne, lagen unter Beschuß. Am achmitlag eroberten Ar- ~1u~blau der s,)8rt•·
beiter den Flugplatz in Trolha und das Polizeiverwaltungsge- ~ u <~•ru pJM'.

bäude. Sie unternahmen auch Vorstöße in Richtung Galgenberg. 11.\o-.mbt'r 1n18

Zur selben Zeit zogen andere Arbeitergruppen den Ring um
die tadt immer enger. Diese Aktivitäten sowie die Aktionen der
Werktätigen in der Stadt begrenzten die l landlungsfähigkeit der
putschistischcn Kräfte am 20. März auf die von ihnen noch be-
setzten tützpunkte. ln dieser für die Arbeiter vorteilhaften Lage
wiederholten ih re Abgesandten die von ihnen schon am 18. März
1920 erhobenen Forderungen zur weiteren Dcmokratisierung
des politischen Lebens in Halle. Doch Oberst Czettritz lehnte
wiederum ob. Er wußte, daß er mit seinen Tru ppen den Arbei-
tern immer noch militärisch überlegen war, und bereitete einen
konzentrischen Angriir gegen sie vor.
Dieser begann am 21. Märt-. dem Tag, der als » Hallescher Blut·
sonntagc in die Geschichte einging. 5.30 Uhr griffen die reaktio-
nären Reichswehrsoldaten im Gebiet des Klausberges, des Zoos
und vor allem im Raum des Großen Galgenberges die Positionen
der Arbeiter an und dehnten ihre Handlungen bis zum Flugplatz
aus. Gegen I 0 t..:hr setzte der Sturm der 9. Kompanie des lll. Ba·
taillons des Infanterieregiments 31 und der 2. Hundertschaft der
Sicherheitspolizei gegen die Stiitzpunkte der Arbeiter auf dem
Galgenberg ein.
Zuniichst gelang es den Arbeitern, die Angreifer zuriickzu·
schlugen. Doch während eines nocbmuligen Vorstoßes drang eine
Abteilung der Heichswehr, unter Einsulz von Punzcrkraftwagen
und 4 Mnschinengewehren, bis zum Flugplatz vor und bedrohte

l<arl Llebkned)t. emtt rneyer.

176
 •.

Siegcslt!ucrwerk in Wil·
hclmshavcn. I 0. Novcrnbe
1918

A11geh<iri~c der Volks,•nari

ncdi' ision im llof clcs
Iiner Schlosses.
24. Dczcmhcr 1918

ftameraben!
<ßenoUen! 2!rbeih
l)k tooo"" ..... """"' Dir llltofd ~ ,.,..,.,
1$ tlll "' Wt Bti!Obfllo " ti'lft ~ ~
...._ 3'1 Mttr:• 31Wf •14 ..,. .-11 arr lFilhlt M

Roten <Barbe
."....,. Mdft.
~ l ~~ ~tllftt.McSMat. ba lbf
,. ~ Ul kfl $opoft.-u• p ~ D\rl8 "
ft'ft'WIII ...... ...".• ..,,riMtkfl'ttM!IdiMI,.. ~.......
~ ~ lOk c1M flortr ..JIItk ..,.._... )d«
tl6lrtft '"1~Min Jktktodtr ••h kt "'" ~1'11.. • II
'""'"""ll«"'l
1l1f 111111 l.mll fDr <'lW JNI)« fo/10(1~ ltm~W.

<is lebe bie Rote 2trmee!

(is lebe bie llJeffteoolution
1}tr J'lot1 CSofllatrn

Aulrul des Hotcn Soldatenhundcs,

November 1918

Karl Lichkn€'cht nuf eirler Protesi·

kundgcbung gegen den Übcrfnll aul
die Volksmnrinedivision. 25.DC"l.(.•mber
1918
 Gbtr 0..
-
Q3runbung6parteitag ber
S\'ommunijlifd,en J)artei
Deuijd,fanb6
tf!HIIt•l·~·l
oom30. :0.~mll<r 1918bi4l.J<tnuor 1919.

".,-...,.
""" b« llo.."uni!bld.>no J)ortti 'Onlfid1t.ob<i
te,.,..,,.~,...

lk•rlirwr Jonunrl..iimpfc 19tH

\ltlr~~iimpr,. I!)19 in
ll•·rlin. ~:in Frt' ikOf'JlS-
'>tuUtnopr• ~··ht.
~~· ..t·hiil.tl 'Hn f'inem
l•ul. um llülo"l'l•tz
\flr
 •

llot• \ erleidi@cr dt•r 1111) ri"•hen lliilt' re-

1Hihlilr. "-f'rdrn bt:·~nfTrlf'l
lh•mons1ration lM·"ufTnrl<'r ~'olu1io­
nar('r \rbei1rr und Sold•wn in \lion-
dwn. 22. \pril 1919

Rmlolf E@t•lhof<'r - Oht•rb<'fehl~halwr

d('r ha) riM"Iwn Hoh•n \rmf"r
ftuf zum Generalstreik!
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Ba IIIIe llrklleP,IlDguRJiti u.Beamtet
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Iltunhu'l(t'r Aul;luntl 1923. llarri·
~ndt•n in llurntbl'rk

1-:ru.,l ThiilnHUH1 -poliüscher Führer

tl•·• llnmhn'ller \ ulslands 1923

l.in1· tlurd1 S1nrlwldraht gesic·ht·rt~

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1921 urz nmpft•r d es.
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 '' ~'nu ,,..".,,. • "" "'-""'"
U,., l'YNl'UI'L'Iot.loalhU .... ~I'I '"''" 1."-I U~

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ALPRED MEYER

MEOAII t,F r ORTEILNAilME

AN DEN BEWAFFNETEN KJI)tPFEN
DER DEUTSCHEN ARBEITERKLASSE
IN Df.N JAIIRf.NID18·19U
Urkuolflc fllr '1\•ihuohme un den
bo•" allowl~n Kiimpfrn dtr dtnlschon
\rbeilo•rkla>>f 19 16 IJi> 192:1
....... ~·-·-·
- \lrt~tin~ an rinrm Panlt'r''J.ug in llaiJe.
\rtt,ltldl. mwh~dw.ul tlt•rn dt·r L('una·
\rlwi1rr au' dt•n \ 1rir;-"ämpr(·n d(""
John>' I ~21

\\ iclo•r>pirgdnn~ clo•r
hc .. allnctcn Kiimpfc
'0" 1918 hi• 192:1 in
olo•r Litrratur der 1)1)11
 DEFA-Filmt' ühcr Persönlichkeiten
der dcutschrn Arbeil~rbewegung.
Szene aus • I::msl Thiilrnann - Sohn
!'einet Klasse• und Plakat zum Film
über Karl Lirbkn~'<"hl •Solangr Leben
in mir ist.:
Alier Frieclhor in Bcrlin-l.ichlcnbcrg.
An dieser Mauer \\1.ard{!ll am 12.~1liir;.
1919 I I Arb~ilerkiimpft•r von konter·
revolutioniiren Soldaten ermordet

•:\ovcmbcr 1918., Lithographie von

~lngnus Zcllrr von 1957
 Blistr lleinrich Oorrt>nbachs, einer der
Führer der Volksrnarinedivision. Im
\ 1ui 1919 ' 'Qn der Konte rrevolution
heimtü('kisch e rmorde!. Ein Truppe n-
teil der Grenzln•tlilCn der DDR triigl
sdnen Namen

l.,·unu·Kröllwitz. Zentral" Gedenk·

sliHtc fiir die währc•nd der ~lärtkämpfc
1921 in ~l itteldeutschhmd gcrollcnm
Traditionszimmer einer Einheit \hrktiitigen
Volksmarinf'

' •

;\usslellung irn Armeemuseum der

l)()ll in Dresden. gc"'idmet den
Kiimprcrn gf'gcn Kupp· l.iittwib.

,
~
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/(, 19.3.
W/1/mersttorr
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16::.3:_.
~ _ _ _ _ o Forst
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J(Qmpfweg oewtrffneter Arbeiter

<X Einsatz wnJ?e/cl7s!'/e/7rliJrmQ/Ionen
w/c/Jttges Oe/eCht
• ••• l'anzvzug tterRe!cl7swehr

Aktionen bewaffneter Arbeitergnoppen bei Cottbus. ~ li.in. 1920

die linke Flanke der Arbeitergruppen. Die Verteidiger mußten

sich zurückziehen. Etwa 20, zumeist junge Arbeiter, Handwerker
und Bauern, deckten den Abzug ihrer Kameraden. Trotz des
mörderischen Beschusses hielten sie standhaft aus. Im Nahkampf
wurden sie schließlich getötet bzw. venvundet und gefangenge·
nommen.
Erfolgreicher f~r die Arbeiter verliefen die bewaffneten Aus-
einandersetzungen im Süden und Südwesten der Stadt, obwohl
sich hier ein Panzer'.wg der Reichswehr ständig im Einsalz be-
l~hn·nJ)O:,len vor der Offizirn,hoth·
t't·hul(' c.h•r Lund.slr(~itkriifh.· :. Ernst
rh iil nw nn « 177
fand. Oie Arbeiter konnten ihre Positionen vor den Fnmckescben
Stiftungen halten. am Hallmarkt und am Marktplatz Feuerstütz-
punkte des Gegners einnehmen und die Angriffe gegen ihre
KampReifung am HeUstedler Bahnhof abwehren. Den Reichs-
wrhrtruppen gelang es nicht. die Arbriter llalles niederzuwerfen.
Erst das EintreiTen von etwa I 000 Mann Verstärkung aus Mag-
deburg und die drückende Überlegenheit der Reichswehr an
schweren Waffen und Munition, das Fehlen von Reserven und
einer einheitlichen KampReifung bei den Arbeitern zwang diese
schließlich, am 22. März, gegen 20.30 Uhr, die bewaffneten Ab·
wehrkiimpfe einzustellen.
ln Cottbus und Umgebung bemühten sich die Werktätigen
nach dem 17. März, die errungenen Positionen zu verteidigen
und demokratische Verändenmgen herbrizuführen. Ihre Haupt-
anstrengungen richteten. sich darauf, den Gurnisonkommandan·
ten der tadt, Major Bruno-Ernst ßurhrucker. der offen auf der
Seite dt'r Putschisten stand, zum Abtreten zu zwingen. ßuchruk-
ker hntte, um dem Druck der Arbeiter weiter "iderstehen zu kön·
nen, von der Reichswehrbrigade 5 in f'mnkfurt an der Oder
einen gepanzerten Zug angefordert.
ls Cottbuser Arbeiter davon am 18. Miirz erfuhren, sprengten
sie die ßahnlirtie zwischen Peitz und \Villmersdorf. Etwa
500 Mann zogen dem Zug entgegen und beschossen ihn in der
ühe von \Vi llmersdorf. Dabei zeichneten sich Gubener Arbei ter
unter der Führung von Otto Thiele besonders nus.
Oie leichten Waffen der Arbeiter vermochten gegen den ge-
panzerten Zug nur wenig auszurichten. Ocr ständige Beschuß des
Zuges verhinderte jedoch die Versuche der Soldaten, die unter·
brocherum Gleise zu reparieren. Dadurch "urde der achsehub
der Reichswehr nach Cottbus blockiert und die Zugbesatzung
schließlich zum Rückzug gezwungen.
Auch weitere Bemühungen der Reichswehr, in die Stadt zu ge-
lungen, konnten zunächst vereitelt werden. So verhinderten Ar-
beiter aus Ströbitz, die von Kümpfcrn nus Kolkwitz, Senftenberg,
dcrn l.autnwcrk und der Grube •Erikn. unterstützt wurden, dns
Vorrücken weiterer Reichswehreinheiten noch Cottbus. Erst der
zusiitzliche Einsatz von 2 Kompani en und von 2 Kanon en veran-
luLlte die Arbeiter, sich zurückzuziehen.
Dieser Rückschlag entmutigte sie jedoch ni<"hl. Ihre Vertreter
178
wiederholten am 20. März 1920 erneut die Forderungen nach
\bbcrufung von Major ßuchn~cker, nach Auflösung der putsehi·
,tisdu•n Reichswehrformationen und Schaffung einer Arbeiter-
.... ehr. Ein Verlangen, das ausdrücklich von den SPO-Funktionä-
ren in der Stadt sowie anderen SPO-Gremien, wie dem
Parteisekretariat von Hoyerswerda, bekriiftigt wurde. Dieser
Druck erzwang schließlich a.m 29. Miirt den Abzug der unter
Führung von Major Buchrocker stehenden Reichswehrformalio-
nen aus der Stadt. Doch dauerte t'S no<'h bis Anfang Juli 1920,
ehe der Putschist Buchrucker aus der Reichswehr entlassen
wurde.
Im Baum Creiz befand sich ei n weiteres Zentrum des Kamp·
ft•s gegen pulschisfische Reichswehrforrnationen. llier hatte der
.\klionsausschuß der Stadt, als er am Morgen des 20. März die
\aehricht vom Anmarsch des I. und II. Bataillons des Infanterie·
regiments 38 aus Plauen erhielt, die Arbeiterweh ren der Stadt
und umliegender Orte alanniert. Er beschloß zusammen mit dem
Grraer usschuß, die Reichswehrtruppen nach Möglichkeit zu
t•nh• affnen.
Dazu wurde folgende Idee entwickelt: Ein Teil der Gerocr Ar-
hritcrwehren konzentriert sich im Raum Weidu, um ein Vordrin-
grn der Fleichswehrformationcn an Weida vorbei zu verhindern.
Die librigen Arbeiter verfolgen mit Greizer Arbeiterweh ren den
C('gner parallel zu seinem Marschweg und verhüten sein Über-
"t'tzen auf das rechte Elsterufer. Bewaffnete Arbeiter aus Zeulcn-
rodu und Triebes beschießen die Flanken der Heichswehrforma-
tionrn während ihres Vormarsches. Arbeiterwehren aus Bergs,
Werduu und Fraureuth besetzen die Elsterbriicke bei ßerga und
dir llöhen östlich des Ortes.
Zur Ven•;rklichung dieses Kampfplans .,..·urden weitere Arbei·
h•r....ehren alarmiert; mittlerweile waren fast 2 000 rbeiter aufge-
boten. Da ihnen aber die Reichswehrtruppen militärisch üherle-
!(<•n waren, vermieden sie es, direkt auf diese zu treffen. So
hrschossen kleinere Arbeitergruppen die Soldaten während ihres
\1arsches. Gleichzeitig entsandten die Werktätigen eine Delega-
tion unter Führung des Ministers Brandenstein aus der Regierung
drs Stautcs Heuß, das war einer der noch bis April 1920 beste·
IHmden sieben thüring.ischen Einzelstuaten, zu Verhandlungen,
urn den Kommandeur der Heichswehrformationen zur Einstel·
179
lung des weiteren Vormarsches und zur Abgabe der Waffen zu
veranlassen.
Ocr Rrichswehrorfizier lehnte jedoch das Angebot der Arbeiter
ab. Am 21. Mär.t setzte eine Kompanie südlich Berga, bei Eula.
iiber die Weiße Elster. Sie wollte die bei Berga postierten Arbei-
t!'r überrumpeln und die Elsterbrücke einnehmen. Dabei kam es
vor allem auf der Ceisendorfer Höhe zu heftigen bcwafrneten
Auseinandersetzungen, in denen die Werktätigen 8 Tote und
15 Verwundete und die Reichswehrsoldaten 6 Tote und I0 Ver-
wundete einbüßten.
Inzwischen versuchten Minister von Brandenstein und Kom-
mandeure der Arbeiterwehren vor Zickra, die Orrizicre zur ßeen-
diglmg des Kampfes zu bewegen. Diese schwankt en aber noch,
obwohl sie aus dem Abhören von Telefongesprächen des Zenlra·
len Aktionsausschusses entnommen hatten, daß sie faktisch von
den bewaffneten Arbeitern eingeschlossen waren. Sie kapitulier-
ten erst, als das \llitglied des Zentralen Aktionsausschusses und
des Staatsrates von Reuß, Hernuum Drechsler (US PD), blufrte
und mit dem Einsatz schwerer Waffen drohte.
Die Offiziere setzten ihre Namen auf die Kapitulationsurkunde
neben die der Arbeiterkommandeure - ein einmaliges Ereignis
im Mär.t 1920. Oie Urkunde trägt die Unterschriften von sechs
Kommandeuren der Arbeitenvehren, auch die des Vorsitzenden
der KPO von Gcra, Sebastian, von Major ßoltzc und von Haupt·
mnnn Kopp. Poraphiert wurde sie vom Minister Brandenstein.
Entsprechend den Fesllegungen, mußten dit~ beiden Heiehswehr·
bntaillonr unter Bewachung nach Cößnitz marschieren und sich
von dort in ihre Garnisonen in Oschatz und Freiberg begeben so-
"ie zwei Drittel ihrer Waffen und Munition abliefern. Am spii!en
achmitlag des 21. l\liirz marschierten die siegreichen Arbeiter-
" ehren. von qcr Bevölkerung stürmisch begrüßt. durch die Wie-
senstraße in Cera und feierten ihren Erfolg.
Zwar blieb dieser Sieg ebenso wie der in Cottbus nach dem
17 .Miirz 1920 eine Ausnahme. Dennoch zeugten die Kämpfe der
Werkliiligcn im Htlllrn Creiz, in Cottbus und Umgebung sowie in
Hallt~ vorn nusgcpriigten Willen vieler Wcrktiiliger, die Bestrafung
der· Putschisten und die Entmachtung der rcoktioniiren Reichs-
wehrformntioncn nach dem Stur.t: von Kapp und Lüttwitz durch-
zust>tzcn.
180
Vom1arsch der Roten lluhrarrnce
Im Ruhrgebiet streikte auch nach dem 17. Miir.r. 1920 noch die
\lt>hrheit der Werktätigen für die Sicherung und Erweiterung der
hisher errungenen Positionen. Zugleich aber komplizierten sich
drren Kampfbedingungen, denn die Reichswehr konnte jetzt aus
d(•n sogenannten ruhigen Gegenden Truppen abziehen und an
dir Grenze zum Ruhrgebiet verlegen. Außerdem mehrten sich
die Stimmen, die für die Beendigung des Generalstreiks eintraten.
Dirsc Kräfte halten dem Streik hauptsächlich unter dem Druck
clr r Ereignisse nach dem 13. Mär.t 1920 zugestimmt und sahen
' "in Ziel mit dem Sturz der Putschistenregierung erfüllt. So for-
rlrrt(•n rechte Funktionäre der SPO und der Gewerkschaften
narh dem 17. März massiv den Abbruch des Generalstreiks.
l\och aber folgten die meisten \Verkliitigen im Ruhrgebiet diesen
\ufrufen nicht. Unter Einsatz ihrer ~ affen wehrten sie sich.
-.. r nn sie von reaktionären Reichswehrformationen provoziert
'-trrden.
ln llemscheid brachen die ersten bewaffneten Auseinanderset-
zu ngen im Ruhrgebiet nach dem Sturz der Kapp-Lü!twitz.Regie-
rung aus. Sie wurden durch das Verhalten des etwa I 000 Mann
htarkcn Freikorps Lützow in der Stadt verursacht. Spldaten die-
ses Freikorps haUen schon am 13. und I4. Miir.t 1920 öffentliche
Cebi!ude in Remscheid besel:tt sowie nm 17.Miirz in eine Kund-
gebung geschossen, wodurch ein Arbeiter getötet und ein anderer
schwer venvundet worden war. Diese Ereignisse und das Eintref-
fen von Generalmajor Bruno von Cillhousen mit dem Freikorps
llackctau, der 3. Hundertschaft der Sicherheitspolizei und mit
Zeitfreiwilligen - insgesamt etwa 500 Mann - in Remscheid lö-
Men letztlich die bewaffneten Kiimpfe im 011 aus.
\ ·icle Hemscheider sahen die in der ovemberrevolution
1918/ 19 schwer erkämpften demokratischen Hechte und Freihei-
len durch diese Truppen bedroht und begannen sich zu bewa[f.
ncn, wobei sie von Arbeitern benachharter Orte unterstützt wur·
den, die 7 erbeutete Feldkanonen milfiihrien. Oie Mehrzahl
rliescr Wcrkliitigen sammelte sich vor der Stadt. \Viihrcnddcsscn
versuchten Arbeiterfunktioniire, die komplizierte Situation durch
\ erhond lungen zu entspannen. Als dieses Bemühen jedoch
fl'hlschlug, wurde durch Artilleriebeschuß des Rathauses der An·
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2Z.3.
18./1!1.3.
l\:iim1>fe der Rotrn Ruhrarmee. 17.- 23.Miin 1920
griff auf die Putschistenstützpunkt e eingeleitet Eine Kampflei-
tung, bestehend aus dem Abgeordneten der ationalversamm-
lung Otto Brass (USPD), Walter Paul (USPD) nus Ronsdorf und
Paul Sauerbrey (USPD) aus Barmen, versuchte, die Aktionen der
bewaffneten Arbeiter zu koordinieren.
Für die Rote Ruhrarm ee wurden jetzt spezielle Kampfleitun-
gen erforderlich. Die erste war wilhrend der Kämpfe um Dort-
mund gebildet worden, jetzt stieg die Zahl der Formationen, die
Front nahm an Ausmaß zu, die Kämpfe dauerten länger, und die
Entfernung zu den 1-leimatorten der Rotarmisten vergrößerte
sich. Effektivere Formen der Führung sowie der materiellen und
personellen Sicherstellung der Arbeiterwehren mußten deshalb
gefunden werden.
ln den Kämpfen bei Wetter und llerdecke sowie bei allen spä-
teren örtlich begrenzten bewaffneten Auseinandersetzungen führ-
182
tt>n noch die \ Ollzugsausschüsse bzw. Vollzugsräte der Städte die
Arbeiterwehren im Kampf. Sie organisierten die Entwaffnung der
Put~cbisten, die ße,vaffnung der Arbeiter und leiteten deren Ein-
~atz in ihrem \V~tkungsbereich. Als es zu einem Zusammenwir-
k!'n ,·on Arbeiterwehren mehrerer Orte kam, bildeten sich
Kumpfleitungen heraus. Den bestimmenden Einfluß in diesen
Leitungen übte jeweils diejenige Arbei terpartei aus, die in dem
b!'treffenden Gebiet über den größten Einfluß verfügte. Zumeist
grhörten den Kampfleitungen führende Vertreter de~ USPD, teils
ihres linken, teils ihres rechten F'lügels, und der Gewerkschaften
an.
Am 17. März 1920, gegen 17 Uhr, führte die Remscheider
Kumpfleitung mit Formationen der Roten Ruhrarmee ihren
llauptstoß aus nördlicher und nordöstlicher Richtung gegen die
putschistischen Stütz1>unkte in Hemscheid. Die Rotarmisten dran-
gen in die Stadt ein und kreisten mit Hilfe von mehr als I 0 000
teilweise bewaJrneten Einwohnern und von \Verkliitigen aus der
niiheren Umgebung die Reichswehrsoldaten ein. Doch durch die
Lnachtsamkeit einiger Arbeiter begünstigt, konnte ein Teil der
Soldaten aus der Stadt in südwestlicher Richtung entkommen.
Während ein Teil der bewaffneten Rotarmisten, unter ihnen
Cronenberger \Verkliltige, fliehende Soldaten aufspürte und fast
I00 von ihnen nach kurzem Schußwechsel gefangennehmen
konnte, besetzten andere Kämpfer den Marktplatz, die Hauptpost
un d den Schlachthof, die bisherigen Eckpfeiler des Stützpunktsy-
>~rms der konterrevolutionären Truppen in Remscheid. Damit
fanden die Bemühungen der Arbeiter zur Befreiung ihrer Stadt
und des Bergischen Landes von bewaffneten PutschiHlen ihren
\ bschluß.
Oie erbittert geführten Kämpfe hallen beiden Seiten große
Verluste zugefügt. Von den Arbeitern fanden 40 und von den
Putscllisten 58 Mann den Tod. 266 Angehörige der konterrevolu-
tionären Truppen gerieten in Gefangenschaft
Im Raum Münster befanden sich das Wehrkreiskommando VI
und der Stab der Hcichswehrbrigade 7, deren Orfizicrc mit der
Ka pp-Lüttwitz-Regicrung indirekt oder sogar offen sym1>athisiert
huuen. ln der Umgebung von Münster sammelten sich bis zum
18. März 1920 vor allem Truppenteile der Reichswehrbrigade 7,
~o das Artillerieregiment 7 und das Infanterieregiment 14, For-
183
 mationen des freikoqls Lützow und der 3. Marinebrigade sowie
Einheiten der Reichswehrbrigade 10.
Um sich gegen diese massive Konzentration reaktionärer Trup-
pen zu schützen, zogen Formationen der Roten Ruhrarmee aus
dem Raum Elberfcld, Dortmund und llagen in nördlicher und
nordwestlicher llichtung zur Lit>pe. Sie beabsichtigten, dort Ver-
t.eidigungsstellungen gegen eventuelle Vorstöße von Reichswehr-
formationen aus dem llaum Münster in das Ruhrgebiet zu errich-
ten und reaktionäre Formationen zu entwaffnen. Am 17. März
mußte die Einwohnerwehr von Werne, am 20. Mär.G die von
Hamm und die von Reddinghausen ihre Waffen an Arbeiterweh-
ren abliefern.
Einige der Arbeiterwehren bezogen in der l ähe' der Lippe Stel-
lung. Diese Formationen unternahmen \ orstöße auf Münster, um
dje zwischen dieser Stadt und der Lippe liegenden Orte von pul-
schistischcn Kräften zu säubern sowie die dort Iagerndeo Waffen
zu beschlagnahmen. Teil dieser Aktionen war auch die kurzzei-
tige Besetzung von Diilmcn (22. März) sowie von Lüdinghausen
und ßork (23. Miirt). Dabei drangen Patrouillen der Arbeiter bis
nach Hillrut>, das etwa sieben Kilometer von Münster entrerot
lag, vor.
Die Mchrlahl der an der Lippe operierenden Formalionen der
Holen Ruhrarmee murschie rte entlang des Flusses weiter nach
Westen in Hichtung Wesel, wo sich ebenfalls eine starke Gruppie-
rung reaklioniircr Reichswehrformalionen - Truppen der Reichs-
wehrbrigade 31 unter der Führung von Generalmajor Ernst Ka-
bisch - befand. Die Arbeiter legten vor der Stodl Verteidigungs-
stellungen an, um ein Vordringen der im Raum \Vesel stehenden
Truppen in das Ruhrgebiet zu verhindern.
Inzwischen setzte Generalleutnant von \Vatter sei ne Angriffs-
vorbereitungen mit der Heranführung von militärischen Verstär-
kungen aus anderen Teilen Deutschlands fort. Diese Truppen ka-
men vor allem aus Gebieten, in denen der Streik schon beende!
oder der bewaffnete Widerstand der Arbeiter gegen den Putsch
nur schwach gewesen war. uch bschluß des Aufma.rsches sol-
len 16 Bataillone, 5 Eskadronen, 17 Ballerien und 6_Yz Pionier-
kompanien im Raum Mün&ler dislozier1 gewesen sein. Einen Teil
der aus Würllembcrg für Münster bestimmten Kräfte ließ Gene-
ral von Waller am 20. März 1920 in Lippsladt und die aus Bay-
184
ern eint reffenden Truppen um 21. März in Rhedu mit der Absi cht
konzentrieren, von dort 11us einen Angriff in den Rücken der Ro-
ten Ruhrarmee zu führen.
Die Mehrzahl der im Haum Barmen, Dortmund und Hagen
aufgestellten Formationen der !loten Ruhrannee marschierte in
Richtung westliches lluhrgcbieL I Lier befanden sich starke Kräfte
der Reichswehr und der Sicherheitspolizei, die iodirekl oder so-
gar offen den Putsch unlerslülzl hatten. Dazu zählten vor al.lem
das annähernd I 000 Mann starke Freikoq>s Schulz in Mülheim,
das in Düsseldorf stationierte Infanterieregiment 61 und das ln-
fanteriercgiment 62, das im Raum Wesei-Hambom-Dorsten ope-
rierlc. Diese reaktionären Truppen fühlten sieb nach dem Sturz
der Kapp-Lüllwitz-llegierung durch die Anweisung ihres Kom-
mandeurs, Generalmajor Ernst Kabisch, vom 17. März 1920 er-
muntert, gegen die um ihre demokratischen Rechte und Freihei-
len kämpfenden Werktöligen gewaltsam vorzugehen. General
Kabisch hatte befohlen, nunmehr mit aller Schärfe gegen strei-
ke nde und bewaffnet kiimpfende Arbeiter aufzutreten: »I. Jede
Aufforderung zur Aufrechterhaltung des ... Generalstreiks oder
zu m Eintrill in den Streik ist von den Militörbefehlshal>ern mit al-
len zu Gebote stehenden Mitlein zu unterdrücken, die für derar-
tige Kundgebungen verantwortlichen Personen sind festzuneh·
men. c
Ähnlich wie die Heichswehrformationen traten auch die im
westlichen Ruhrgebiet stationierten Sicherheitspolizeieinheiten
auf. Sie provozierten bewaffnete Zusammenstöße mit Werktäti-
gen und schossen auf friedliche Demonstranten. Solche Vorgänge
ereigneten sich in Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid und in an·
deren Orten. Es konnte dtlher gar 11icht ausbleiben, daß es zwi-
sch!'n den vorrückenden Arbeitern und den Sicherheitspolizisten
zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam.
Am 18. Miirz 1920 entwickelte sich ei n Feuergefecht bei Wat-
tenscheid und danach ein weiteres bei Stoppcnberg, unmittelliar
~or Essen. ln Stoppenberg dauerte der Kampf fast 16 Stunden.
Er begann, als die Spitze der nach Essen ziehenden Arbeiter auf
et"a 50 mit mehrt>ren laschinengewehren ausgerüstete Sicher-
hl'itspolizislen stieß. ln einem mehrstündigen Gefecht konnten
die Arbeiter das Rathaus und den Kircbhügel erobern.
Zur gleichen Zeit stießen andere bewaffnete Arbeiter aus öslli-
185
rher und südöstlicher Richtung auf Essen vor und besetzten meh-
rere \'ororte. Dadurch verschlechterte sich die Lage der einge-
schlossenen Polizisten weiter.
Oie KampOeitung der Arbeiterwehren bemühte sich nun um
die Einstellung des Kampfes. Sieentstandlei n der acht vom 18,
zum 19. März 1920 ßevollmiichtigte in das Essener Polizeipräsi-
dium mit der Aufforderung, sofort zu kapitulieren und die Waf-
fen aller in der tadt befindlichen Sicherheitspolizisten abzulie-
fern. Aber der Polizeipräsident lehnte ab.
Darnurhin formierten sich die Arbeiterwehren erneut und stie-
ßen um 9 Uhr gegen den stärksten Stützpunkt des Gegners in Es-
sen, den städtischen Schlacht- und Viehhof, vor. Es gelang ihnen,
dieses Objekt in kaum einer Stunde einzunehmen. Da die Werk-
tätigen auch in anderen tadtteilen erfolgreich kämpften, konnten
sie rasch in die Innenstadt eindringen. Das geschah so schnell,
daß dem Gegner keine Zeit mehr verblieb, Verstärkungen heran-
zuholen. Gegen 12.30 Uhr mußte die Besatzung des Rathauses
und später auch die der Post kapitulieren. Schließlieh gelang es,
die Sicherheitspolizisten aus dem Vorort Rüttenscheid und den
Kruppsehen Baracken am Rande des Segeroth-Viertels zu vertrei-
ben. Dabei fielen den Arbeitern zahlreiche Waffen und umfang-
reiche Munitionsbestiinde in die Jliinde. Mittags befand sich Es-
sen - bis auf den Wasserturm, der im Ostpark am Steeler Berg
(Südosten der Altstadt) stand - in der Hand der Werktiitigen.
Der Kampf um den Wasserturm war die letzte, aber auch
schwierigste bewaffnete Kampfaktion in Essen. Reaktionäre bür-
gerliche Historiker nahmen sie in der Folgezeit immer wieder
zum Anlaß, um die Rote Ruhrannee •sadistischer Greueltaten«
zu bezichtigen und ihr Ringen um demokratische Rechte und
Freiheiten zu verunglimpfen.
Im Wasserturm waren 24 Mann der Einwohnerwehr und
22 Angehörige der Sicherheitspolizei verschanzt. Oie Arbeiter
hatten den erhöht liegenden Wasserturm - in seinem Parterre
befand sich ein Restaurant, in der Etage darüber standen Kessel-
anlagen, überragt von Ecktürmen - umschlossen und belagerten
dus Gebäude. Ein Angriff wäre Ciir sie auf dem freien Vorgelände
zu verlustreich gewesen. Zu kapitulicrerr lehnte die ßcsutzung ub.
Gegen 17 Uhr steckte sie jedoch aus einem Fenster eine weiße
Fahne heraus. Als die Arbeiter nun langsam herankamen und die
186
ersten Kämpfer bereits die Freitreppe betraten, nogen ihnen aus
dem Obergeschoß Handgranaten entgegen, feuerte ein ~laschi­
nengewehr. Getroffene Arbeiter wälzten sich am Boden.
Den Werktätigen gelang es erst nach mehrmaligen verlustrei-
rnen Angriffen, die Besatzung gcftmgenzunehmcn. Deren heim-
tückisches Verhalten und die hohen Verluste der Arbeiter empör-
ten die sich im Kampfgebiet aufhaltenden Werktätigen dermaßen,
daß einige von ihnen gegenüber den Gefangenen tätlich wurden.
'eun ,\lann der Besatzung fielen im Kampf.
Der Sieg der Arbeiter in Remscheid und Essen verschlechterte
spürbar die Situation der noch in Dlisseldorf und Hitheim be-
findlichen Reichswehr- und Sicherheitspolizeiformationen. Für
sie bestand jetzt die Gefahr der Einschließung. Daher befahl Ge-
neralmajor Kabisch in Absprache mit Generalleutnant von Wat-
tcr diesen Truppen, sofort ihre Quartiere zu verlassen und sich in
den Raum Oinslakcn zurückzuziehen.
ln der acht vom 19. zum 20. Miirz räumte das Regiment 61
Dlisseldorf so schn ell, daß eine größere Anzahl von Waffen tmd
\lunition - etwa 3 600 Gewehre, mehr als 600 Karnbin er, über
:wo Pistolen, etwa I 00 Maschinengewehre, 2 Kanonen und etwa
20 Minenwerfer - den nachrückenden Arbeitern in die Hände
fiel. Am Abend des 19. März verließ das Freikorps Schutz
Mülheim. Formationen des Regiments 62 deckten den Rückzug
dieser Truppen.
Am 20. M iin 1920 kam es zwischen diesen Fonnationen und
\rbeiterwehren bei Harnborn und Walsum zu schweren Kämp-
fen. Erst am Abend trafen das Freikorps Schutz und das Infante-
rieregiment 62 im Raum Oinslaken ein. Sie gingen südlich und
östlich des Ortes in Stellung. Weiter zurück, im Lager Friedrichs-
fclde, sammelten sich die durch die Kämpfe der letzten Tage völ-
lig demoralisierten Kräfte der Sicherheitspolizei. 'och später
kam das stark geschwächte Regiment 61 an.
Einen Tag später entbrannte in diesem Raum ein regelrechter
Stellungskrieg, der, bedingt durch die waffentechnische Überle-
~enheit der lleichswehr- und Sicherheitspolizeiformationen,
einen entscheidenden Erfolg der Arbeiter zuniichst unmöglich
machte. Erst als Arbeiterwehren der Roten Ruhrarm ee bis vier
Kilometer öst.lich vor \Vesel vorstießen und hierdurch die Umfas-
sung der bei Oinslaken stehenden Truppen von i orden her
187
 drohte, gingen diese nacb Wesel zurück, so daß sich zwischen
drr Lippe und der Linie Düsseldorf-Remscheid kaum noch Tru p-
pen bdanden.
Die Arbeiter errangen seit dem 17. ~liin im Ruhrgebiet nicht
nur militärische Erfolge, sondern sie konnten auch ihre bisher er-
kämpften politischen Positionen weiter ausbauen. Die in den mei-
sten Orten bestehenden VoUzugsausschüsse bzw. Vollzugsräte
lenkten den Generalstreik und halfen, den bewaffneten Abwehr-
kampf zu organisieren. Sie riefen zum Eintritt in die örtlichen Ar-
bciterwehren au[, wirkten auf die Auswahl und die militärische
Ausbildung der proletarischen Kämpfer ein und sorgten fiir die
Bewaffnung sowie Entlohnung der Angehörigen der Arbeiterweb-
ren. Dos förderte maßgeblich die weitere EntwickJu11g der Roten
Ruhr11m1ee.
Die Vollzugsausschüsse übten auch politische und wirtschafts-
organisatorische Funktionen aus. ln zahlreichen Städten kontrol-
lierten sie die Verwaltungsorgane, allerdings zumeist unter Beibe-
haltung der alten Beamten im Dienst, kümmerten sich um
Wohnungsfragen und veran.laßten in einigen Belrieben Maßnah-
men zur \ erbesserung der Arbeitsbedingungen, die vor allem die
Entlohnung und die Arbeitszeit betraJen. Sie unternahmen große
Anstrengungen, um die Ernährung der Ei nwohner zu sichern,
und organisierten den Kampf gegen Schieb~r·, sorgten für eine ge-
rechtere Verteilung der vorhandenen und die Zufuhr weiterer
Lebensmittel. Die Vollzugsausschüsse begannen in einigen Orten,
die Telefon- und Telegrafenverbindungen zu kontrollie~en.
Unverkennbar traten aber auch die Schwächen ihrer Tätigkeit
zutage. Diese bestanden vor allem in der geringeren Au[merk-
samkeit für solche wichtigen Bereiche wie Justiz, Banken, das
chul- und Pressewesen. Außerdem wurden die wenigen festge-
nommenen zivilen Putschisten meist bald wieder freigelassen.
Insgesamt jedoch schränkte die Arbeit der Vollzugsausschüsse
zeitweilig den Einflußbereich der Imperialisten und Militaristen
im Ruhrgebiet spürbar ein. Sie bot eine gute GrundJage für wei-
tere Veründerungen im Interesse der Werktiitigen. Die Möglich-
keiten dazu waren nicht ungünstig, denn Hunderttnusende von
Arbeitern unterstlitzten die Maßnahmen der AusschUsse. Außer-
dem konnten sich die Vollzugsausschüsse auf eine relativ starke
bewaffnete Macht, die Rote Ruhrarmec, stützen.
Ocr Roten Huhrarmee gehörten zu dieser Zeit, dem 17. und
18. ~liirz 1920, etwa 80000 bis 100000 Mann an. Öiese Zahl
enthüll alle, auch die nur zeitweise zur !loten Ruhrarmee gehö-
renden Werktätigen. Danach verringerte sich der Bestand der Ro-
ten Huhra.rmee, bedingt durch den schon mancherons beendetcn
Generalstreik und vor allem durch die Vertreibung der putschisti-
schen Fonnationen aus dem Ruhrgebiet merklich. Er stieg wie-
drr an, als die Reichswehr erneut in das Huhrgebiel marschierte.
Einen Einfluß auf das Schwanken der zahlenmüßigen Stärke der
Buhrarrnce übten auch der Milizcharakter dieser Armee sowie
das Verlassen der Truppe durch Rotannislen nach Erfüllung
ihr!'S Kampfauftrages aus. Oftmals gingen Arbeiter nach Beendi-
~ung größerer bewaJfnetcr Auseinandersetzungen - rnit Zustim-
mung ihrer Kommandeure und unter Abgabe ihrer WaJfen -
"it>der nach Hause. So fuhr ein Teil der bewaffneten Arbeiter
nnch dem erfolgreichen Verlauf der Kiirnpfe in Essen in seine
llrirnatorte zurück.
Scitr an Seite standen in der Roten Ruhrannee Werktätige ver-
schiedener Benrls- und Altersgruppen, davon ein beachtlicher
Tril Jugendlicher. Sie setzte sich in ihrer Mehnahl aus Arbeitern
zusam men, die bei ihrem Eintritt in die !lote Ruhram1ee militäri-
sche Erfahrungen und ihre politische Organisation nachweisen
konntC'n. Viele Rotarmisten gehörten den ~'reien GewerkschaJten
und der· Freien Arbeiter-Union sowie der USPD oder der KPD
an. Diese Auswahlprinzipien sicherten den Fonnationen der Ro-
h•n Huhrarrnee eine hohe politisch-moralische Festigkeit.
An den bewaffneten Auseinandersetzungen nahmen in den
Rt•ihen der Holen Ruhrarmee auch Angehörige anderer Nationen
tril. eben Polen. die als Bergleute im Ruhrrevier arbeiteten, gab
es dort lebende ehemalige russische Kriegsgefangene. So bestand
l'ine Kompanie nur aus russischen Werktätigen. Sie wurde von
cinrm ehemaligen rähnrich der zaristischen Annec geführt. Der
Kompan ie Hugo 1-laase aus Schöneheck bei Essen gehörten zu-
rnrist ortsonsüssige Polen an.
Oie Formationen der Roten Ruhrurmee wurden nach dem Vor-
bild d!'r Volkswehren aus der ovcrnberrevolution 19 I8/19 ge-
bildl't, entweder unter lokalem Aspekt oder noch ßetriebsbeleg-
'-chnftcn. Das entsprach den damaligen Vorstellungen sowie den
organisatorischen Möglichkeilen und unterstrich den Milizcha-
189
 '
rakter der Roten Huhrnrmee, der ihren inneren Zusammenhalt
erhöhte und ihre Führung erleichterte.
Oie Kompanie, unterglieder1 in Züge und Gruppen, war die
dominierende Strukturform in der Roten Rullrarmee. Sie ent-
sprach zumeist dem, was oft als Arbeiterwehr eines Ortes angese-
hen wurde. Von etwa I00 beknnntgewordenen Kompanien tru-
gen rund 50 die Namen ihrer Heimatorte, 30 die ihrer
Kommandeure und 13 die beliebter Funktionäre der revolutionä-
ren Arbeiterbewegung. Oie Kompanien unterschieden sich in
ihrer zahlenmäßigen Stärke sehr. Einer Liste von II 0 Kompa-
nien ist zu entnehmen. daß die schwächste. dje AbteiJung Dunge
aus Mühlheim, 15 und die stärkste. die Kompanie Ouisburg-Hei-
dericb. 347 Mann zählte. Im Durchscbrutt befanden sich in jeder
Kompanie 70 \ lann. \ iele Kompanien verfügten über spezielle
Kräfte, so Artilleristen, Maschinengewehrschützen und Kuriere.
Es gab ·auch Sonderformationen, wie Maschinengewehr-, Rad-
fahr- und Sanitätskompanien. ln letzteren waren die Arbeitersa-
mariter, häulig Frauen, aufopferungsvoll tiitig.
ßatrullone oder Regimenter bestanden in der Roten Ruhrarmee
nur wenige. Diese Formationen wurden zumeist nur für einzelne
Kämpfe geschaffen und nuch deren Beendigung wieder aufgelöst
Wenn es zu bewaffneten Auseinunderselzungen kam, führten
die bereits crwiihnlen Ktunprleilungen die Arbeiterwehren. Diese
entstanden fast nlle nnch dem 17. März 1920 und vor nllem im
'"estlichen Teil des llulu·gebicts. Sie waren dort in Dinsluken,
Gladbeck, 1-lan1born, ll ünxc, Mari, Mülheim, Oberhausen,
Schermbeck, Syjhen, Vocrde und Walsum wirksam. Im östlichen
Teil des Ruhrreviers bestanden derartige Leitungen in Gelsenkir-
chen, Gevelsberg, llörde, Kamen, Lünen und Unna. Den Kanlpf-
leitungen unterstanden mehrere Formationen umfassende Grup-
pen der Roten Ruhrannee. So gab es die Gruppen ßergisches
Land, Segeroth, Duisburg, Essen und l lllrnbom. An i.hrer Spitze
standen im östlichen Huhrgebiet beispielsweise Wa.lter Meis
(USPD), \Vilhelm Dieckmann, Karl Stemmer (USPD) und Josef
Ernst (USPD). Im westlichen Ruhrgebiet sind unter anderen die
Kommandeure August \l üller (KPD), Karl Wohlgemuth (USPD)
und Hans Ficks (KPD) bekanntgeworden.
Viele dieser militärischen Führungskader hatten während des
ersten Weltkrieges Erfal1rungen geSill1lmelt und aktiv lll1 der J'.o-
190
vemberrevolution 19 18/ 19 teilgenommen. Zumeist handelte es
sirh um muHge und entschlossene Arbeiter, die ein großes Anse-
hen unter ihren Klassengenossen besaßen. Sitz der Kampfleitun-
gen waren vorwiegend Hothüuser, Schulen oder Gaststätten.
Eng verbunden mit der Entstehung der Holen Ruhrarmee war
auch die Herausbildung ihrer militärischen Zentralen, die einen
"eiteren Schritt auf dem Wege zu einer zentralen Führung bilde-
ten. Die erste militärische Zentrale entstand unter dem Einnuß
der SPD-Bezi rksleitung mit dem Beginn der Kämpfe im Ruhr-
[!ebiet in Hagen. Ihr gehörten Josef Ernst (USPD), Gustav Gi-
gowski (KPD), Baum (SPD) und Hermann Stenz (Deutsche De-
mokratische Partei) an. Sie war vor allem für den östlichen Teil
deo Ruhrgebiets zuständig. Ein Augenzeuge beschreibt in seinen
Erinnerungen die Tiitigkcit der Hagener Leitung folgenderma-
ßen: . zwei Zimmer der tadtverwaltung beherbergen das Ab-
schnittskommando. Im Vorlirnmer, in dem sich gleichzeitig auch
eines der Werbebüros fiir die Hote Armee befindet. wird fieber-
haft gearbeitet. llier wird Munition angefordert, Autos sollen be-
scharrt werden, ein Kompanieführer verlangt für seine Leute
Schuhzeug, ein anderer klagt über schludrige Verpflegung, ein
dritter sucht den achweis zu führen, daß er für seine Tätigkeit
unbedingt eines Pferdes bedarf ... Ins Allerheiligste, wo die bei-
den Abschnittskommandeure sitzen, wird man nur mit besonde-
rem Ausweis eingelassen ... Inmitten ihres Stabes nehmen sie
Meld ungen entgegen, verfolgen an Hand der telefonisch einge-
henden Gefechtsnachrichten auf einer über einen Tisch ausge-
breiteten Karte den Gang der Operation, geben Befehle und Wei-
sungen, kurz und bestimmt.•
Am 26.Miirz 1920, also viel spiiter als in Hagen, entstand aucb
eine militärische Zentralleitung für den westlichen Teil des Ruhr-
gebiets. Linke Funktioniire der SPD und vor allem KPD-Funk-
tionärc bemühten sich jetzt um die Schaffung einer Gesamtlei-
tung der Roten tluhrarmce. Im Auftrag der Zentrale der KPD lrllf
am 24. März 1920 Wilhelm Pieck in Essen ein, um ilie KampDei-
tungen und Vollzugsräte poliHsch zu unterstützen. Seine Bemü-
hungen, die Anerkennung des l':ssener Zentralrats als Cesamtlei-
tung der Holen Huhrnrmee durchzusetzen. schlugen fehl, da die
politischen Differenzen zwischen den linken und rechten Kräften
in der USPD unüberwindlich blieben. Das Fehlen einer Gesamt-
191
Ieitung wirkte sieb besonders in der SchlußJ>hnse des Kampfes im
Huhrrevier nachteilig auf die Abwehraktionen der llotcn Ruhra.r-
mee aus.
Von großer Bedeutung für den erfolgreichen Kampf der Roten
Ruhrannee war auch ihre Versorgung mit Ausrüstung, Lebens-
mittt'ln und \Or allem mit Waffen und Munition. Bei der Muni-
tionsbeschaffung ergab sich bald eine iiußerst komplizierte Situa-
tion, die zunächst nur unter großen Anstrengungen der
Vollzugsausschüsse teilweise behoben werden konnte. Diese Aus-
schüsse leiteten Maßnahmen ein, um Waffen und Munition zu er-
rossen sowie die gesom melten Waffen- und Munitionsbestände in
zentralen Depots zu lagern. Außerdem wurden olle verfügbaren
Lastkraftwagen an bestimmten Stellen konzentriert und Treib-
stofnager angelegt
ln kurzer Zeit organisierten die Ausschüssr auch ein 1achrich-
tensystem, das es ihnen besser ennöglichte, ständige Verbindun-
gen mit den Formalionen der Roten Ruhrannee aufrechtzuerhal-
ten. ic nutzten zur 'lachrichtcnübcrmittlung das öffentliche
Fernsprechnetz und andere. zumeist in Kiimpfen mit der Reichs-
wehr eroberte achrichtenmittel sowie mobile \leider - vor al-
lem Motorrad- und Fahrradfahrer sowir Meldereiter. ur in
seltenen rullcn konnten sie die gegnerischen Telefon- und Tele-
grafcnvcrbindungen überwachen.
Große Sorgen bereitete die Versorgung der Hotarrnisten mit
Bekleid ung. Als die Arbeiter in den Kampf zogen, tmgen sie in
ihrer Mehrzahl Zivilbekleidung. Manche besaßen ein Uniform·
slück aus der Zeit des ersten Weltkrieges. So sah das äußere Bild
der Roten lluhrarmee recht uneinheitlich aus. Erbeutete Stahl-
helme "'llrden kaum genutzt Die Trage" eise der Waffen und ln·
fanterienmnilion war denkbar einfach. Viele Arbeiter befestigten
Jle, olver, llandgranaten und Patronenlaschen an einem um den
Leib gebundenen Strick. Symbolischer Ausdruck einer Uniform
war eigentlich nur das allgemeine Erkennungszeichen: eine rote
Binde am Arm oder eine rote Schleife an der Kopfbedeckung.
Sehr unterschiedlich sah es auch mit der 13cwaffnung der Ar-
beiter aus. ! eben veralteten Gewehren und Hevolvern gab es
den Karabiner 98, ferner Hieb- un d Slichwnffcn aller Arl. Äu·
ßerst kompliziert gestaltete sich die Bcschuffung schwerer Waf-
ft>n. Die llotc lluhrarmee verfügte nur über einige f.'eldgeschütze.
192
Ober die Gesamtzahl der Waffen, die sich damals in den Händen
der Werktätigen im Ruhrgebiet befund en haben, existieren keine
zuverlässigen Angaben. Um dennoch eine Vorstellung von der
Hewaffnung der Roten Rubrannee zu vennitteln, sollen die o([i.
zieHen Zahlen der Reichswehr über die von ihr im Kampf erbeu-
ieten oder durch die Bevölkerung abgelieferten Waffen genannt
wt'rden. Danach fielen in die Hände der lleiehswehr: I 0 Ge-
schütze, 50 Minenwerfer, etwa 700 Maschinengewehre, mehr als
60 000 Gewehre und ungeflihr I 0 000 Handgranaten.
Schwierig gestaltete sich die Verpflegung der Rotannisteu. Das
Ruhrrevier war ohnehin ein Einfuhrgebiet für Lebensmittel, aber
durch die Lebensmittelblockade der Koalitionsregierung und der
ostelbischen Großgrundbesitzer hatte sich die Situation noch ver-
schiirft. Oie Aktionsausschüsse versuchten, den Engpaß durch
eine strenge Kontrolle der Lebensmittelverteilung zu überwin-
den. Sie untersagten die BeschJagnahme von Lebensmitteln auf
eigene Faust. Lebensmittel durften nur auf ihre Anweisung her-
ausgegeben werden. Anforderungen mußten vom Vorsitzenden
des jeweiligen AKtionsausschusses und in einigen Städten, wie in
ßam1en, Bollrop und Recklinghausen, noch von einem Mitglied
des Magistrats unterzeichnet sein. ln wichtigen Etappenorten lie-
ßen Aktionsausschüsse Lebensmitteldepots anlegen, wie das in
der evangelischen Schule von Walsum. Eine größere Menge von
Lebensmitteln erbrachten Spenden, zu denen die Aktionsaus-
schüsse aufgerufen hatten. Einige Gemeinden und Städte richte-
t<'n, um die Versorgung der Rotarmisten zu verbessern, öffentliche
verpflegungsstellen ein.
Die Vollzugsausschüsse unternahmen ebenso große Anstren-
gungen, um den Kämpfern die Löhnung auszuzahlen. Sie zwan-
gen die Unternehmer in einigen Gebieten, die im Kampf stehen-
den Werktätigen zu entlohnen. Sie organisierten öffentliche
Spenden oder nahmen Anleihen auf. ln manchen Städten, wie in
Dorlmund, zahlten die Stadtkassen den Lohn. Als in ei nigen Or-
ten versucht wurde, das Geld der Banken zu beschlagnahmen,
wu rde festgestellt, daß der Bargeldbestand schon vorher wegge-
schafft worden war. Aber im wesentlichen erhielten die Rotanni-
stcn, wenn auch lokal unterschiedlich geregelt, ihren Lohn.
Ungeachtet unzureichender Bekleidung und Ausrüstltng sowie
mangelhafter Verpflegung kämpften Zehntausende von Werktäti-
193
gen oftmals mehrere Tage und · ächte, marschierlen sie ki.lome-
lerweif und setzten ihr Leben zur Verteidigung der demokrati-
schen Errungenscha.f1en ein. Darin zeigte sieb die große
Bedeutung des politisch-moralischen Faktors im Abwehrkampf.
Er war die enlscheid e.n de Voraussetzung für die Erfolge der Ro-
ten Ruhrarmee.
Dal1er bemithten sich die Krunp[leitlmgen auch, die Kampfmo-
ral und Disziplin der Werktätigen zu erhalten und durch Regle-
ments weiter zu festigen. Das von der Mari er Kampfreilung einge-
führte Reglement forderte beispielsweise strenge Disziplin und
. Mat1Jleszuchl« und, legte dazu folgende Prinzipien fest: Be-
kenntnis zw' revolutionären Arbeiterklasse, Gehorsam gegenüber
den Befehlen der Vorgesetzten, strenge Bes(rafung bei Feigheil
vor dem Feind sowie bei Raub, Diebstahl oder Plünderung.
Diese Prinzipie n bildeten die Grundlage für folgenden Eid, der
in dieser oder ähnlicher Form auch in ande re n Arbeiterwehren
abgelegt wurde: »Ich schwöre auf das Programm der revolutionä·
ren Arbeiterschaft, daß ich die hohen, heiligen Ideale für Freiheit,
Gleichh eit und Brüderlichkeit mit me inem Her~blut erkämpfen
will. Die mir vorgelesenen Paragraphen d es Reglements sollen
mir stets als Richtschnur meines Handeins dienen. Es lebe der
Sozialismus! Menschenrecht, wer Menschenantlitz trägt. «
Klassenbewußtsein und revolutionäre Disziplin, Kampferfab-
rung, Mut und Opfe rbere itschaft waren wesentliche Vorausset-
zungen fü.r den Sieg de r bewaffneten Arbeiter über den starken
und gut ausge bildeten Gegner sowie wichtige Bestandteile der
Kampfkraft der Roten Ruhrarmee, Groß ware n die politischen,
militärischen und organisatorischen Leistungen beim Aufbau und
bei der Führung der Roten Ru.hrarmee. Das Ruhrproletariat
strunpfte seine Armee förmlich aus dem Boden. Es gelang ihm,
die Kräfte zweckmäßig zu gliedern, erfolgreich zu rühren, mit
Waffen und Mlmition zu versorgen sowie Verpflegung und Löh-
nung sicherzustellen. Die Rote Ruhrarmee war die größte Arbei-
terarmee in Deutschland unter kapita]jstischen Bedingungen. Sie
gab ein prägnantes Beispiel fü.r die schöpferischen F'lihigkeiten
der Arbeiterklasse auf dem Gebiet des Mijjtärwesens.
194
Abbruch der Kampfhandlungen
Die Fortführung des Generalstreiks und des bewaffneten Wider-
stands wurde nach dem Sturz der Kapp-LüUwitz-Regierung im-
mer schwieriger. Durch den Rücktritt der Putschisten entfiel für
vit'lr Werktätige der Hauptgrund für ihren Abwehrkampf.. Zehn-
tausende von ihnen nahm en daher - entsprechend de n Au.frufen
der wied er amtierenden Koalitionsregierung und der sozialdemo-
kratischen Reichstagsfraktion vom 17. und 18. Män 1920 - ihre
Arbeit wieder auf. Ln Baden, Bayern, Ostpreußen, Schlesien und
Würltemberg wurde de r Generalstreik bzw. der Streik beendel
ln Sachsen-Anhalt und Pommern stellten die Werktätigen auch
ihren bewaffneten Krunpf ein.
Dagegen folgte ein and erer, und zwar recht beträchtlicher Teil
von Werkfiitigen den Aufrufen des ADGB, der KPD und der
USPD, die diese nach dem Stun der Kapp-Lüttwitz-Regicrung
erlassen hatten, und streikte weiter. Eines der Hauptmotive war,
mitzuhelfen, das vom ADGB aufgestellte eun-Punkte-Programm
zu verwirkliche n. Dessen Hauptforderungen waren: entscheiden-
der Einfluß der Gewerkschaften ·auf die Umgestaltung der
Flcicbsregierung und auf die 1 euregelung der wirtschafls- und so-
zialpolitischen Gesetzgebung, sofortige Entwaffnung und Bestra-
fung der am Putsch beteiligte n Truppen und Maß•·egelung aller
Pt?rsonen, die die Kapp-Liittwitz-Regierung unterstützt hallen,
Rücktritt Joskes und schnellste Dcmokrntisierung der Verwal-
lung sowie Sozialisierung des Bergbaus. Diese Forderungen wi-
derspiegelten das Verlangen nach einer Gewerkschafts- bzw. Ar-
bciterregierung mit einem fortschrittlichen Hegierungsprogramm.
Angesichts der damajjgen Stimmung der Volksmassen sah sich
d ie Reichsregierung veranlaßl, mit Vertretern des ADGB über die
'\ieun Plmkle zu verhandeln. Schließlich e inigte man sich auf ein
Acht-Punkte-Programm., einen Kompromiß, d er we il hinter den
bisherigen Forde rungen zurückblieb. So wurde die Mitwirkung
der Gewer·kschaiten bei einer Regierungsbildung auf di e eines
Konsultationspartners reduziert. Am verhängnisvoiJsten erwies
sich aber die Festlegung, den Generalstreik abzubrec hen. Da-
d urch wurde d en We rktätigen das entscheid ende Mittel zur Ver-
wirklichung ihrer Forderungen genommen. Die ei.nheitliche
Krunpffront zerbrach weiter, und die herrschenden Kreise erhiel-
195
•
 ten die Möglichkeit, dns entstllndene Kriifteverhiillnis wieder zu
ihren Gunsten zu verändern. Am 22. Miir'J; 1920 wurde nach
nochmaligen Verhandlungen von den Vorständen des ADGB, der
Arbeitsgemeinschaft freier Angestellten-Verbände, der Berliner
Gewerk chaftskommi sion, der SPD und der USPD beschlossen,
die Arbeit ab 23. März 1920 wiederaufzunehmen. Für die von
der Reichsregierung zusätzlich abgegebenen Zusicherungen, un-
ter anderem den militärischen Ausnahmezustand nufzuheben
und . die bewaffneten Arbeiter, insbesondere im Ruhrrevierc,
nicht anzugreifen, gab es kei11erlei Garantien.
Die reformistische Konzeption rechter F'ührer der SPD über
die weitere gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland wirkte
sich aus. Insbesondere ihre Haltung zum bürgerlichen Staat und
ihr Zurückweichen vor dem politischen Druck der Bourgeoisie,
der Großgrundbesitzer sowie der Reichswehrführung war wesent-
liche rsache dafür, daß die objektiv günstigen Bedingungen für
weitere demokratische Veränderungen in Deutschland, vor allem
für die Bildung einer Gewerkschafts- bzw. Arbciterregierung,
nicht genutzt werden konnten. Hemmend machte sich auch be-
merkbar, daß maßgebliche Funktionäre der SPD durch revolu-
tionäre Phroseologie und Unverständnis für die unmittelbar auf
der Tagesordnung stehenden F'ragen den Kampf um eine Ge-
werkschafts- bzw. Arbeiterregierung erschwerten. Eine intensive
Verleumdungskampagne der bürgerlichen, aber auch rechter
SPO-Presscorgane desorientierte die Werktiitigcn. Diese Presse
hetzte, wie in der 1 ovemberrevolution 1918/ 19, gegen die Ak-
tionsaussehüsse bzw. Vollzugsausschüsse und warf ihnen t Miß-
wirtschaftc vor. Sie redete der Bevölkerung ein, . Ruhe und Ord-
nung« könne nur mit Hilfe staatlicher Gewalt wiederhergestellt
werden, womit die bevorstehenden militärischen Unterdrük-
. kungsaktionen der Reichswehr gerechtfertigt werden sollten. Oie
demagogische Gegenüberstellung von sogenannter Ordnung und
Unordnung half, die Einheitsfront der Arbeiter weiter zu schwä-
chen, die Kleinbürger zu verängstigen und die Reichs,vehrsolda-
ten für ihren Einsalz zu motivieren.
Die gewnltsume Unterdrückung der noch kämpfenden Werktä-
tigen wurde inzwischen von der Reichswehrführung im Auftrag
der Heichsregierung vorbereitet. Oie militiirischc Führung ging
daran. die Zentren des bewaffneten Kampfes der Arbeiter nach-
196
einander zu zerschlagen, eine Methode, die von der Konterrevo-
lution bereits 1918/ 19 praktiziert worden war. Eventueller Wi-
derstand sollte mit •rücksichtsloser Energie und schwersten
Nlr.npfmittelnc gebrochen werden.
Der Hauptstoß richtete sich gegen das lluhrrevier, hatte die
Henktion doch sehr wohl erkannt, daß der erfolgreiche Abwehr-
kampf der Arbeiter in diesem Gebiet auf ganz Deutschland aus-
strahlte und dem Ringen der Werktätigen um demokratische Ver-
änderungen mächtigen Auftrieb gab. Der Aktionsplan des
Wehrkreiskommandos Vl in Münster, das mit der Durchführung
des gewaltsamen Vorgehens gegen di e Werktiitigen im Ruhrrevier
bcauftrugt worden war, sah einen breiten und umfassenden An-
griff aus dem lloum Wesel-Lippstadt vor. Sein Beginn wurde auf
den 25. März 1920 festgelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten
sich alle für den Einmarsch in das Ruhrgebiet vorgesehenen
T n1ppcn in den Ausgangsräumen befinden. ßis dahin wollten die
\tlilitärs auch den Widerstllnd der Arbeiter in anderen Teilen
Deuts~;hlands nocheinander gebrochen haben, um dann ihre
Kräfte ganz auf das Ruhrgebiet konzentrieren zu können. Sie
schufen sich die notwendigen Voraussetzungen dadurch, daß sie
in der Zeit vom 22. bis 25. März 1920 den Widerstand bewaffne-
ter Arbeiter - unter anderem in Halle 11m 22. März, in Senften-
berg nm 24. März sowie in Gotha, Rostock und Umgebung am
25. Miirz - brutal n.iederschlugen.
un wurden die letzten Vorbereitungen für ihren Angriff ge-
gen die Rote Ruhrarmee getroffen, dessen GrundJage der am
22. Miir'.t 1920 erlassene • Operationsbefehl r. l c bildete. Gene-
nilleutnant Oskar Freiherr von Wattcr sah darin den Aufmarsch
der Kräfte auf der Linie Wesei-Dülmen-siidlich Münster-Rhe-
da-Lippstndt vor. Oie Truppen wurden in vier Befehlsgruppen
gegliedert. Die Gruppe I bestand aus den Fonnotionen der
lleichswehrbrigade 31, die im Raum Wesellagen. Oie Gruppe 2,
auch Gruppe 3. Kavalleriedivision genannt, umfa.ßte die . Bri-
gade X• und die 3. Marinebrigade. Sie hatte sich im Ha um ßor-
ken- Koesfeld zu versammeln. Zum Kern der Gruppe 3, der Divi-
sion Münster, gehörten Formlllionen der Reichswehrbrigade 7,
die durch Truppen der Reichswehrbrigade I 0 verstiirkt wurden.
Die Gruppe 4 setzte sich schließlich aus der Division Hans zu-
sammen und teilte sich in zwei Untergruppen, von denen sich die
197
 eine - gebildet vorwiegend aus bayrischen Tru1>peu - um
llh<'da und die andere - fonniert aus württembcrgischen Trup-
pen - um l~ippstadt konzentrierte.
Die lleichswehrführung stützte sich bei diesem Aufmarsch auf
ihre reaktionärsten Kommandeure und Truppen. So stand Gene-
mllculnanl I Jennano von Hofmann an der Spitze von Offizieren,
\On l::inheiten und Truppenteilen, die zur Kerntruppe der Kon-
terrevolution gehört hatten und an der bluligen 1'\iederschla-
gung der Werktöligen in der ovemberrevolution 1918119 so-
wie on der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxern-
burg beteiligt gewesen waren. Freikorps, die wenige Tage zu-
vor noch die Flegierung Kapp-Lüttwitz unterstützt hullen, bilde-
ten einen großen Teil -der zum Einfall in das l'luhrgehiet hereitge-
stelltrn Fonnationen. Zur Gruppe r. 2 des Generalleutnants
I lermann 'on Hofmann gehörten beispielsweise die Freikorps
lloßbuch, f'aupel , Kühne, Aulock, Oberschlesien und die schon
erwähnte 3. Marinebrigade (von Loewenfeld). Zum Bestand der
Dhision \lünster zählten die Freikorps Münslerland, Pfeffer, Se-
'erin. llindenburg, Cabke, Oldenburg und Göltingen. Bei den
bayrischen Truppen im Raum Rheda befanden sich die Freikorps
Epp, Oberland und Schwaben. Diese ZuSilmmenballung extrem
konterrcvolulionürer Truppen deutele die Absicht der militüri-
schcn Führung 1m, gegen die streikenden und mit der Waffe
kiimpfcndcn Arbeiter im Ruhrrevier mit brutaler Gewult vorwge-
hen.
Der Einmarsch in das Ruhrgebiet "rurde auch politisch vorbe-
reitet. Vertreter der lleichsregierung und der preußischen Staats-
regierung bemühten sich in diesen Tagen, im Ruhrgebiet die Be-
endigtmg des Genemlstreiks, des größten I lindemisses für den
erfolgreichen Angriff der Reichswchrfonnalionen, mit verschiede-
nen Mitteln und Metboden zu erreichen. So wurde das Streben
der ~ crktütigen nach weiteren demokratischen \ eränderungen
als Versuch verleumdet, in Deutschland die . Kommunistcnherr-
schuftc zu errichten. Ein anderes Mittel der BecinOussung war
die Drohung, die Lebensmittelzufuhr in dns lhihrrevier gänzlich
zu stoppen. Schließlich täuschte man die Arbeiter uuch hier mit
dem Vcrsprcch(•n. nach Abbruch des Streiks den militärischen
Ausnuhmezustund aufzuheben und auf den Einmarsch der
Reichsw(•hr in das Ruhrgebiet zu vcnirhten.
198
Den llöhcpunkt der Kampagne zur Spaltung der Kampffront
der Werktätigen bildeten zweifellos die l.liclcfclder Verhandlun-
~cn. Am 23. Män 1920 kamen etwa 150 Personen zu einer Bcm-
tung nach Bielcfeld. Eingeladen hatten im Auftrag der Reichsre-
gieru ng der Reichspostminister Johann Gicsbcrts (Zentrum), der
Rrichs- und Staatskommissar flir Rheinland-Westfalen Carl Scve-
ring (S PD) und der preußische Landwirtschaftsminister Otto
Bmun (SPD). Um ihr Kommen gebeten worden waren die Regie-
rungspräsidenten von Arnsbcrg, Düsscldorr und Münster, die
Oberbürgermeister der größeren Stiidle des Ruhrgebiets sowie
Vcrh·eter der Vollzugsausschüsse, der Arbeiterparteien, der Deut-
schen Demokratischen Parlei und des Zenlrums.
Di<• Kommandeure der Roten lluhrarmee hallen dagegen
kr inc Einladungen erhalten. Einige lleichswehroffiziere nahmen
als . ßcobachterc an den Beratungen teil, denn führende Militärs
drs Wehrkreiskommandos V1 lehnten die Konferenz mit der ße-
flirchlung ab, dort könnte ein Beschluß gegen den Einmarsch der
lleirhs" ehr in das lluhrgcbiet geraßt werden. Diese Militürs rniß-
billiglcn selbst das Verhalten rechter SPD-F'unktionäre, die es an-
gcsiehls des politischen Kräfteverhältnisses für zweckmäßiger
hi<'ltcn, die Kampffront der Arbeiter durch weitere Versprechun-
gen zu spalten, als durch ein sofortiges militärisches Vordringen
in rlas Huhrgebiet die Gefahr einer erneuten einheilliehen Ab·
w('hrakfion der Werktätigen heraufzubeschwören.
Am Schluß der Bietefelder Verhandlungen unterzeichneten am
H. MiirL 20 Personen die • Dielefelder Vereinbarungen«. Zu den
l nlerLeichncnden gehörten: Reichspostminister johann Gies-
h<'rts, Reichs- und StaatskommisSilr Carl Sevcring, Oberbürger-
meister \VtUy Cuno aus Hagen, Otto Bmss von der USPD-ße-
tirkslei tung l iederrhein, Oberl>iirgenncistcr Karl Jarres aus
Duisburg, das Mitglied des AklionSilusschusses von Bam1en Enz
(S PD). Die Mitglieder der KPD F'ritz Charpcntier aus Elberfeld
und Oskar Triebet aus Barmen setzten ebenfalls ihre Unterschrift
unter das Dokument, holten dazu jedoch von ihrer Partei keine
\ ollmacht erholten.
Zu den Bietefelder Verhandlungen kam es auf der Grundlage
d('s am 22. Mürz 1920 zwischen Vertn•tcm der llcichsregierung
und der Gewerkschaften sowie der SPD und USPD ausgehandel-
ten Acht-Punkte-Programms. So sollten auch nach den Fesllegun-
•
199
gen in Sielefeld die Gewerkschaften lediglich einen Einfluß auf
personelle Fragen der Regierungsbildung sowie auf die Neurege-
lung der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetze erhalten. An-
dererseits forderten die Vereinbarungen die •sofortige Entwaff-
nung und Bestrafung aller am Putsch . . . Schuldigen•,
versprachen sie denjenigen, die sich am Abwehrkampf beteiligt
hatten, Straffreiheil sowie eine •gründl iche Reinigung der gesam-
ten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwahungen von ge-
genrevolutioniiren Persönlichkeiten«, die .sofortige lnangriff.
nahme der Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweigec
sowie die Auflösung der . konterrevolutionären militärischen For-
mationen und ihre Ersetzung durch Formationen aus den Krei-
sen der zuverlässigen republikanischen Bevölkerung, insbeson-
dere der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten«. Die
Regierung wollte weiterhin den militärischen Ausnah mezustand
aufheben und dafür sorgen, daß bei . loyaler Einhaltung dieser
Vereinbarungen« die Reichswehr nicht in das rheinisch-westfäli-
sche Industriegebiet einmarschieren würde und Generalleutnant
Oskar Freiherr von Watter nur auf .schriftliche Anweisung des
gesamten Reichsministeriumsc in politisch-mili tärischen Angele-
genheilen handeln dürfe.
Diese Verei nbarungen enthielten zweifellos ei nige Festlegun·
gen, für die Hunderttausende von Werktätigen in den Märztagen
gestreikt und mit der Waffe gekämpft hatten. Ihre Hauptschwä-
che bestand vor allem darin, daß die Zusagen ohne verbindliche
Garantien gemacht worden waren, von den Arbeitern jedoch
wurde verlangt, spätestens innerhalb von zehn Tagen ihre Waffen
abzugeben, falls sie nicht Ortswehren angehörten, und den Streik
sofort zu beenden.
Das Sielefelder Abkommen bekräftigte die bei vielen Werktäti-
gen vorhandenen bürgerlich-parlamentarischen Illusionen und
führte vielerorts zum Streikabbruch und zur Abgabe der Wa.IIen.
Doch trotzdem enthielt es wichtige antimilitaristische und demo-
kratische Forderungen, die durchaus Ansatzpunkte für eine wei-
tere Zurückdriingung der konterrevolutioniiren Kräfte in
Deutschlund waren, aber nur durch den Kampf der Massen ver·
wirklicht werd en konnten. Seine Entwicklung hiit.te jedoch ver·
langt, die Taktik der herrschenden Kräfte, die diese mit dem Siele-
felder Abkommen verfolgten, vor den Massen zu enthüllen.
200
ln dieser Situation erwies sieb die KPO erneut als diejenige po-
litische Kraft, die diesen Forderungen entsprechen konnte. Oie
Führung der KPD ging davon aus, daß die Streiks und bewaffne-
ten Käm pfe in den meisten Gebieten Deutschlands beende! wa-
ren und sich ähnliche Entwicklungen auch im Ruhrgebiet andeu-
teten. Eine Weiterführung des Streiks und des bewaffneten
Widerstands konnte daher zur Isolierung des Abwehrkampfes im
Ruhrgebiet rühren. Die Werktätigen sollten jedoch hereil sein, er-
neut in den Generalstreik zu treten, falls das Abkommen von Bie-
lefeld gebrochen würde. Die Reichsregierung mußte zur Einbal-
lung dieses Abkommens durch außerparlamentarische Aktionen
gezwungen werden.
Diese realistische Orientierung versuchte Wilhelm Pieck im
Auftrag der KPD-Führung im Ruh rgebiet durchzusetzen. Dabei
arbeitete er eng mit dem Essener Zentralrat und den beiden mili-
tärischen Leitungen zusammen. Doch mußte er in seinen Ver-
handlungen mit Bevollmächtigten des Miilheimer Arbeiterrates,
der militärischen Leitung des Weseier Kampfabschnitts und an-
deren Vertretern der Roten Ruhrarmee erfahren, daß diese die
\ orschliige der KPD-Führung ablehnten. Besonders abweisend
'erhielt sich die Zentralleitung West der Holen Ruhrarmee in
Mülheim. Sie ging von einer falschen Einschützung der entstan-
denen Situation aus, trat für die Weiterführung des bewaffneten
Kampfes ein und lehnte politische Mittel zur Vert eidigung der
von den Arbeitern bisher errungenen demokratischen Rechte
llnd Freiheiten .ab. Oie Zentralleitung West glaubte mit ihrer Hal-
tung das Errungene besser sichern zu können und mißtraute Ab-
machungen mit regierungsorriziellen Vertretern. Sie wollte, ohne
den Kampf zu unterbrechen, Verhandlungen und dabei E'rgeb-
nis e erreichen, die weit über die Sielefelder Festlegungen hin-
ausgingen.
Eine genau entgegengesetzte, aber ebenfalls unrealistische Po-
sition nahm die militärische Zentralleitung Ost in Hagen ein. Sie,
die in der ersten Phase der bewaffneten Auseinandersetzungen
im Ruhrgebiet eine durchaus positive Rolle gespielt hatte, war zu-
nehmend unter den Einfluß rechter USPO-Fiihrer geraten. Die
llagener Leitung überschätzte das Abkommen von ßielefeld und
bezeichnete es . als vollständige iedcrloge der Reaktion im In-
dustriegebiete. Dementsprechend befahl sie auch den schrittwei-
201
sen Rückzug der Arbeiterwehren aus den östlichen Kampfah-
schnitlcn und enblößte dumil den Bücken der noch im
nördlichen und westlichen Teil des Ruhrgebiets stehenden Arbei-
terformationen. Da sie die Gefahr eines möglichen Reichswehr-
einmarsches negierte, traf sie dagegen auch keinerlei Abwehr-
maßnahmen.
Oie Standpunkte der beiden militärischen Leilungen fügten
dem weiteren Abwehrkampf der ~ erktätigen im Ruhrgebiet gro-
ßen Schaden zu. Er vergrößer1e sich noch durch den Widerstand
dieser Leilungen gegen den Esscner Zentral rat, der am 25. März
1920 von etwa 200 Oelegicr1en. die von fast 70 Vollzugsaus-
schüssen des Ruhrgebiets entsandt worden waren, gewählt
wurde. lhm gehör1en I 0 Vertreter der SPO, 7 der KPO und ein
Vertreter der SPO an. Der Zentralrat bemühte sich um die ein-
heilliehe Fühnmg des Widerstands. Doch wurde sein Bestreben
von den militärischen Leitungen in I lagen und in Mülheim, wenn
auch aus unterschiedlichen Motiven, faktisch hintertrieben.
Selbst die Bemühungen des Essener Zentralrats, die Kampfbe-
reitschaft der Werktätigen im Falle eines Angriffs der Reichswehr
zu erhöhen, wurden nur zögernd unterstützt. Erst eine Beratung
am 26. Miirz 1920 in ll ngen, nn der 74 Vertreter der US PD, 39
der KPD und 33 der SPD aus dem llagcner Raum und Beauf-
tragte des Essener Zentralrots teilnahmen, ermächtigte den Rat,
bei einem Scheitern der 11wischen der Hagener Kampfleitung und
der Reichsregierung begonnenen Verhundlungen über die Ver-
wirklichung der ßielefelder Beschlüsse den Generalstreik auszu-
rufen. Dieser Erfolg wurde sofort geschmiilcrt, als Teilnehmer der
Hagener Zusammenkunft die Müthcimer militärische Leitung
über di e Ergebnisse informierten und um Zustimmung baten, die
aber von der Mülhcimer Leitung kategorisch abgelehnt wurde.
Es wäre zu einfach, die Ursache dafür allein im subjektiven
Verhalten einiger Kommandeure aus dem Kampfabscbniti der
Mülheimer Leitung oder in der llaltung des Reichswehrspitzels
Gottfried Karusseit, der sich zum . Oberkommandierenden des
Abschnitts West der Holen nnee• ernannt hatte, zu suchen. Na-
türlich hatte dies negative Auswirkungen, doch an erster Stelle
der vielfdltigcn Ursachen stehen die unklaren politischen Vorstel-
lungen, die revolutionäre Ungeduld und die Enttäuschung über
das \ 'erhalten rechter SPD-F'ührer.
202
Die absichtliche Verschiirrung der Lnge im Raum Wesel durch
das provokatorisch!' Verholten von GottJried Kamsseit und die
li nksradikale llollung anderer Vertreter der Mülhcimer Leitung
fiihrtcn jedoch keineswegs, wie bürgerliehe Historiker behaupten,
gerudlinig zu den nun folgenden bewaffneten Auseinandersetzun-
grn im Huhrgcbiet. Ausgelöst wurden sie vor allem durch da.s
provokatorische Vorrücken und dem späteren Einmarsch von .
Heichswchrformationen in dieses Gebiet. Erst das provozierte die
nachfolgenden blutigen Zusammen Iöße.
~lnßgcbliche ~lilitiirs hatten die Absicht nicht aufgegeben, den
\rl>l'item ihre errungenen Po;itionen " ieder gewaltsam zu ent-
rei ßen. Nochdem am 24. Miirz in lliclcfeld das zeitweilige Waf-
fenstillstandsabkommen abgeschlossen worden war, nahmen
Rr ichswehrformationen Ausgangsräume nahe der Lippe ein, die
eine Art Trenn Iinie zwischen den Reichswehrtruppen und den
be,Htffneten Arbeitern bildete. Dabei kam es bereits zu bewaffne-
ten Zusammenstößen mit sich zurückziehenden Arbeiterwehren.
Am selben Tag rückten Heiehswehrsoldaten in den gerade erst
von bewuffneten Arbeitern gcriiumlen Or1 Hausdülmen (südwest-
lich von Oülmen) ein und eröffneten das Feuer auf die achhul
der Arbeiter. Daraufhin kehrten die anderen Arbeiter wieder um
und versuchten, die etwa 300 Angreifer zuriickzusehlagen. ln
diesen Kämpfen wurden vier Arbeiter venvundet und daraufhin
in das Laznrclt von Diilmen gebracht. Als dus am nächsten Mor-
gen von Reichswehrsoldolen besetzt wurde, töteten die Soldaten
die vier llotnrrnisten und verstümmelten ihre Leichen bis zur Un-
kenntlichkeit.
Die Reichswehr setzte ihren Aufmarsch nördlich der Lippe un-
f!Cstört fort. Immer neue Fonnationen trafen aus allen Teilen des
lteiches ein. Am 25. März kam die fast 8 000 Mann starke 3. Ma-
rinebrigade in Billerbeck an. Einen Tag später rückte sie über
Borken in Ri1·htung Hansfeld vor. Am 26. März war der Auf-
marsch beendet.
Schon am 27. Miirz 1920 überquerten die ersten Formationen
cler lleichswehr und llundcr1schaften der Sicherheilspolizei süd-
östlich von ~ esel, bei Krudenberg, die Lippe. Das n. Bataillon
des Regiments 61 und 2 llundertschaften der Sicherheitspolizei
bildeten bei Buchholtwelmen und ll ünxe Brückenköpfe. Andere
lleichswehrfonnatjonen driingtcn die nördlich der Lippe befindli-
203
chen Arbeiterwehren über den Fluß. Dabei entwickelten sich bei
Erle, Schermbeck, Beckum und anderen Orten bewaffnete Aus-
ei nandersetzungen. Bis zum 30. März hatten alle für den Ein-
marsch in das Ruhrgebiet vorgesehenen Truppen die Lippe er-
reichL Etwa 50 Bataillone, 18 Eskadronen und 54 Batterien,
zusammen etwa 45 000 lann, standen angriffshereiL
Die zu dieser Zeit noch vorhandenen Kräfte der Roten Ruhrar-
mee waren ihnen an Zahl, Ausrüstung und Bewaffnung weil un-
terlegen, denn nach dem ßielcfelder Abkommen halle sich die
Anzahl und Stärke der Arbeiterwehren an allen Kampfabschnit-
ten beträchtlich verringert. Zwischen Wesel und Haltern, einem
AbschnitL der der Mülheimer Kampfleitung unterstand, befan-
den sich beispielsweise höchstens 5 000 Rotarmisten. Im Ab-
schnitt der Hagene r Leitung war die Stiirke der Kämpfer nach
dem ihnen befohlenen Abzug noch geringer. Die meisten Arbei-
terwehre n litten unter Munitionsmangel und Versorgungsschwie-
rigkeiten.
Die Masse der Arbeiterwehren im Ruhrgebiet stand zu dieser
Zeit als Ortswehren im llinlerland, also vorn Kampfgeschehen
entfernt und organisatorisch zersplitterL Unterstützung durch Ak·
tionen von Arbeitern in anderen Teilen Deutschlands war nach
der allgemeinen Beendigung der bewaffneten Kümpfe und des
Generalstreiks nicht zu erwarten.
ln dieser Situation mußte jedes weitere Blutvergießen vermie·
den werden. Der Esseocr Zentralrat nahm daher die run 28. März
1920 von der Regierung gestellten fünf Bedingungen - Anerken·
nung der Staatsautorität, Wiedereinsetzung der staatlichen Ver·
waltungs- und Sicherheitsorgane, Auflösung der Roten Ruhrar·
mee, Entwaffnung der Bevölkerung und Freilassung der
Gefangenen - an. Doch die Reichsregierung verschärfte ihre Be-
dingungen noch durch Zusatzbestimmungen, die zum Beispiel
vorsah en, bis zum 31. Miirz, I I Uhr, eine festgelegte Anzahl von
Waffen und Munition abzuliefern und djes dem Wehrkreiskom·
mando VI zu melden.
Heichsregierung und Wehrkreiskommando hatten ihre Forde-
rungen so gestellt, daß deren zu erwartende •chh~inhaltung Vor·
wände für den Einmarsch der Reichswehr in das Ruhrrevier lie-
fern konnte. Der Zentralrat rief zur Abwehr dieser Machenschaf·
tcn alle Arbeiter des Ruh rgebiets zu einem Streik gegen den
204
bevorstehenden Einmarsch der Reichswehr auf. Wiederum erho-
ben sich Zehntausende von Werktätigen gegen die Reaktion.
Doch insgesamt blieb ihre Zahl weit unter der des Generalstreiks
gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch. Außer der KPD hatten alle aode-
rrn Arbeiterparteien und auch die Mehrzahl der Gewerkschaften
drn Streikaufruf abgelehnt.
Der Zentralrat ließ sich durch diesen Rückschlag nicht entmu-
tigen. Er entsandte selbst Vertrete r zu der von Severing für den
3 I. 1ärz nach Münster einberufenen Zusammenkunft von Abge-
sandten vieler Vollzugsausschüsse des Ruhrgebiets, der Gewerk-
schaftsführung in ßerlin, der USPD und des Wehrkreiskornman-
dos. Er war zu diesem Schritt bereit, obwohl diese Beratung
mithelfen sollte, die revolutionären Kräfte im Ruhrgebiet weiter
zu isolieren und die Auswirkungen der Wattersehen Zusätze
über die Ablieferung der Waffen durch die Bevölkerung zu ver-
schleiern. Dnran änderte auch nichts, daß in den als •Abkommen
\On Münster« bezeichneten Vereinbarungen nochmals das Bie te-
felder Abkommen anerkannt wurde.
Trotz der Zwiespältigkeit, die diese Zusammenkunft in Mün-
ster kennzeichnete, stimmte eine Vollversammlung von 280 Dele-
!!icrten der Vollzugsaus chüsse aus 94 Orten und Kreisen
(56 Mitgliedern der SPD, 11 3 der USPD, I 09 der KPD und
2 Syndikalisten) run I. April 1920 diesem Abkommen zu. Siebe-
schloß, die letzten Pormationen der Roten Ruhrarmee bis zum
vorgeschlagenen Zeitpunkt aufzulösen. Daraufhin begannen die
\ ollzugsausschüsse der meisten größeren Orte mit der Verwirkli·
chung der Beschlüsse. In kleineren Orten wurden diese Festle-
gungen erst später bekannt und ausgeführt.
Die verantwortl iehen Vertreter der Arbeiter des Ruhrgebiets
un ternahmen also große Anstrengungen, um bewaffnete Ausein-
andersetzungen mit der Reichswehr zu vermeiden. Doch unge-
nrhtct dessen beschlossen Reichsregierung und Reichswehrfüh-
rung - entgegen ihren öffentli chen Bete uenmgen - das
\ordringen von Reichswehrtruppen in das Ruhrgbi et. Schon am
29. März hatte die Hcichsregieru ng auf ihrer Kabinettssitzung, an
der auch Carl Severing teilnahm, dem Reichswehreinmarsch
!!rundsätzlich zugestimmt. och am selben Tag legte Generalleut-
nont von Watterden Termin des ()berfalls auf das lluhrgebiet auf
den 2. April 1920 fest. ßis dahin rückte n weitere Reichswehrfor-
205
mationen unter Bruch d er Bielefelder Vereinbarungen teilweise
schon in das Ruhrgebiet vor. Sie nahmen damit zahlreichen Voll-
zugsausschüssen die Möglichkeit, die Festlegungen von .Bie lefc ld
und Münster einztthalten. Das aber wurde wiederum von Reichs-
wehrkommandeuren a ls Anlaß für den weiteren Vonnarsch ihrer
Formatioqen genutzt. Die Reichswehrverbände stießen vor allem
an den Abschnitten ßuchholtwelmen, Dorsten, Haltern, Olfen und
Hamm vor.
Diese A ktionen waren von brutalem Terror gegen Angehörige
der Roten Ruhrarmee und andere Arbeiter begleitet, die einen
energischen Kampf gegen den Kapp-Lüttwitz-Pu tsch geführt hat-
ten. Am !.April griffen Ei nheiten d er Regimenter 4 1 und 42 so-
wie des Artillerieregiments 21 Pelkum an. Sie schlossen die im
Ort befindlichen bewaffneten Arbeiter ein und drangen dann, un-
terstützt von Flugzeugen und von einem Panzenug, in Pelkum
ein. ln einem mehrstündigen Feuergefecht metzelten sie etwa
300 Arbeiter nieder, Gefangene wurden nicht gemach t.
Am 2. April begann auf breiter Front der Angrifr der Reichs-
wehrtruppen gegen die Hauptkräfte der Roten Ruhrarmee. Oie
Truppen stießen a us mehreren Richtungen in die Tiefe des Ruhr-
gebiets vor, hauptsächlich aus dem Raum Friedrichsfeld- Hünxe
in Richtung Dinslaken, aus dem Raum Oorslen- Haltern nach
Recklinghausen und aus dem Raum Olfen-Werne auf Dort-
mund.
Als sich die neugebildete Reichsregierung Hennann Müller
(SPD) bereit erklärt hatte, auch das Vorrücken der Reichswebr-
formationen in die entm ilitarisierte Zone gegenüber den Alliier-
ten zu verantworten, erweiterte Generalleulntmt von Watter am
3.April durch den »Operationsbefehl Nr. 6« die Angrinsziele. Für
den rechten Flügel (Division Kabisch und Truppenteile der 3. Ka-
valleriedivision) legte er als neues Ziel die L inie D'uisburg- Ober·
hausen-Osterfeld- südli ch Recklinghausen fest. Der linke Flügel
(Division Münster und Gruppe Haas) sollte die Linie Waltrop-
Liixen- Kamen-Unna- Menden zunäc:;hst nicht überschreiten.
Der Vormarsch der Reichswehrtruppen verlief relativ zügig, da
sich der größte Tei l der Fonnationen der Roten Ruhrarmee ange-
sich ts der gegnerischen Übennacht und zttr Vermeidung von ho·
hen Verlusten zurückgezogen und aufgelöst hatte. Reichswehrsol-
daten rückten daher nal1ezu kampflos in Harnborn, Kirchhellen,
206
ßuer und Mari ein. ur wenige Formationen der Roten Ruhrar-
mee leisteten Widerstand, und wenn, dann waren es vor allem
diejenigen, die von dem raschen Vorstoß der Reichswehr noch
während ihrer Auflösung überrascht wurden. So versuchten a.m
3. April Arbeiterkämpfer, die zum Stadtrand von Alt-Ouisburg
vorrücke nden Reichswehrformalionen au[zuhalten. Am seihen
Tag bemühten sieh andere Rotarmisten auf dem Schlackenberg
der Gute-H offnungs-Hülle bei Oberhausen, Reichswehrsoldate n
am Übersetzen über den Rhein-H erne- Kanal zu hindern. Glad-
beck fiel erst nach längerem Feuerwechsel in di e Hände der
Reichswebrsoldaten.
Heftige Kämpfe entbrannten in Bottrop. Dort hatten am
3. April Einheiten der 3. Marinebrigade gegen 8.30 Uhr den nörd-
lichen Stadtrand erreicbt und wollten in den Ort eindringen.
Gruppen bewaffneter Arbeiter, die in Häuserblocks und Gärten
gut postiert waren, wehrten den Angriff einer Kompanie, die von
2 Panzerkraftwagen und von 2 behelfsmäßig gepanzerten Last-
kraftwagen Unterstiitzung erhielt, e rfolgreich ab, indem sie einen
Panzerkraft wagen manövrie runfähig. schossen und die Soldaten
zurückdrängten. Den Angreifern gelang es nur durch die Einfüh-
nmg neuer Kräfte und den Einsalz schwerer Waffen, in den Ort
einzudringen. Sie hatten jedoch große Mühe, ihre bisher errunge-
nen Positionen gegen den energischen Widerstand der Arbeiter,
die durch Vorslöße frischer Kräfte a us Richtung Karnap und
Horst unterstützt wurden, zu behaupten. Erst am 4.April konnten
sie ßottrop endgültig in Besitz nehmen.
Ande re Formationen der Division Münster stießen in der Zwi-
schenze it bis Hen richenhurg vor, wo sie in Kämt>fe mit Arbeiter·
weh ren ver.,.tickelt wurden. Währenddessen rückte die Gruppe
llaas am 3. und 4. April bis zur Linie Kamen-Unna vor. Damit
hatten die Reichswehrtruppen annähernd die Linie Bottrop-
ll enrichenhurg- Ka.men erreichL
_ Generalle utnant von Watler d rängte nun auf einen schne llen
Vorstoß auf das Zentrum des Widerstands der Rote n Ruhrar·
mee - auf Mülheim, Essen und Oorlmund. Er kümmerte sich
dabei wenig um Proteste der französischen Regierung über das
Eindringen von Reichswehr in die Gebiete der entmilitarisierten
Zone. So· marschierten Reichswehrformationen am 5. April nach
kur-tem Halt weiter vor, und das Regim ent 61 besetzte noch am
207
seihen Tag Mülbeim, das in dieser Zone lag. Am nächsten Tag
rückten.Truppen der Gruppe Haas in Dortmund ein.
Für den Angriff am 7. April 1920 auf Essen stellte General-
leutnant von Waller seine berüchtigsten Formationen, wie das
Freikorps Roßbach, Reste der Freikorps Lützow und Lichtschlag
sowie die 3. Marinebrigade, bereit. Oie Söldner rechtfertigten voll
sein Vertrauen und mordeten zahlreiche Arbeiter, obwohl es von
deren Seite keine Gegenwehr gab.
Ähnlich wüteten die reaktionären Truppen auch in anderen
Städten und Ortschaften des Ruhrgebiets. Dabei spielte es keine
Rolle, daß sich die Mehrheit der bewaffneten Arbeiter an die ver-
einbarten Festlegungen hielt, die Waffen abgab und ihre Fonna-
tionen auflöste. Die Kommandeure der Reichswenr suchten gar
nicht mehr nach Vorwänden für ihr terroristisches Vorgehen. Sie
wollten sich vor allem Für die seit dem 13. März 1920 durch
die Werktätigen erlittenen Schlappen rächen und die revolutionä-
ren Krähe im Ruhrgebiet empfindlich schwächen.
Die meisten Opfer des Terrors waren ehemalige Angehörige
der Roten Ruhrarmee, Vollzugsratsmitglieder, Funktionäre der
KPD und USPD. Aber auch andere Demokraten, wie der Orts-
vorsitzende der Deutschen Demokratischen Partei in Werne,
wurden Opfer der Gewalt. Ln Lünen verhafteten Reichswehrsol-
daten den Hornisten der ört lichen Arbeiterwehr. Vielfach genügte
eine Denunz iation. Am 3. April 1920 führten Angehörige des
Freikorps Aulock vier junge Bergarbeiter im Alter von 18 bis
21 Jahren au!grund einer erfundenen Beschuldigung ab und er-
schossen sie vor der zusammengelau[enen Zuschauermenge.
Ein genauer Überblick über die von reaktionären bewaffneten
Formationen im Ruhrgebiet ermordeten Werktätigen existiert
nicht. Carl Severing schätzte, daß mindesten I 000 während der
Kämpfe fielen oder von konterrevolutionären Soldaten exekutiert
wurden. Während der Verhaftungswelle, die damals das gesamte
Ruhrgebiet erfaßte, sind annähernd 3 000 Menschen festgenom-
men worden, ein großer Teil von ihnen ohne jegliche gesetzliche
Grundlage. Gestützt auf den Ausnalunezustand vom 13. Januar
1920, sind durch Standgerichte nach den offiziellen Angaben
205 Todesurteile ausgesprochen worden, von denen 50 voll-
streckt wurden. Im berüchtigten Sennelager befanden sich zeit-
weilig etwa I 200 Gefangene. Sie waren in Baracken unterge-
208
bracht, die ein drei bis vier Meter hoher Zaun umgab.
Schwerbewaffnete Soldaten bewachten das Lager. Bis Mitte Juli
1920 verhängte die Terrorjustiz über 822 Arbeiter insgesamt
1 088 Jahre Freiheitsentzug. Massenproteste erzwangen später
eine Überprüfung dieser Urteile, von denen dann viele gemildert
oder ganz annulliert werden mußten.
Vor dem Wüten des Militärs [lohen Tausende von Arbeitern,
auch Frauen und Kinder, in das von belgischen, britischen und
französischen Truppen besetzte Gebiet links des Rheins. Sie fühl-
ten sich hier vor den Zugriffen der konterrevolutionären Solda-
teska relativ sicher. Die alliierten Tmppen standen auf diesem
deutschen Territorium laut Artikel 428 des Versailler Vertrages.
Darin hieß es: •Als Sicherheit für die Ausführung des vorliegen-
den Vertrages du rch Deutschland werden die deutseben Gebiete
westlich des Rh eins einschließlich der Brückenköpfe durch die
Tmppen der alliie.rten und assoziierten Mächte wältrend eines
Zeitraumes von 15 Jahren besetzt, der mit dem lnkrafltreten des
gegenwärtigen Vertrages beginnt.« Die auf dieses Gebiet geflohe-
nen 15 000 Menschen wurden jedoch von den Besatzungsmäch-
ten interni ert. Arbeit zu finden wa.r ihnen hier unmöglich. Erst
ei ne Amnestie der Reichsregierung vom 2. August 1920 erlaubte
es den Vertriebenen, in die Heimatorte zurückzukehren.
Während Tausende von Verteidigern der Weimarer Republik
terrorisiert wurden, blieben die führenden Putschisten ungestraft..
Wolfgang Kapp, der sich noch Wochen nach dem Scheitern des
Putsches bei befreundeten Großgrundbesitzern im Raum Berlin
und Magdeburg verborgen geba.lten hatte, fuhr a.m I 0. April in
einer offenen Droschke durch Berlin zum Flugplatz Tempelhof
und flog von dort· aus in ei nem durch Mil1elsmänner besorgten
l'lugzeug naeh Schweden. General der Infanterie Wallher Frei-
herr von Lüttwitz hielt sich nach dem I 7. März noeh etwa eine
Woche lang in und um Berlin auf, übernachtete sogar in seiner
Dienstwohnung, hega.b sich dann nach Schlesien und floh erst
Ende April in einem Auto nach Ungarn. Andere fültrende Orfi-
ziere, die den Putsch offen unterstützt hatten, 775 an der Zalu,
wurden als Mitläufer eingestuft. Lediglich der Justizminister der
Kapp-Lüttwitz-Regierung, Traugott von Jagow, verbüßte drei
Jahre Festuogsha.ft, allerdings unter erleichterten Bedingungen.
• 209
Als Hindenburg 1925 Präsident der Weimarer Republik wurde,
amnestierte er alle Verantwortlichen am Putsch.
Mit dem Einmarsch der Reichswehrtruppen am 7. April 1920
in Essen befand sich der größte Teil des Gebiets nördlich der
Ruhr unter der Kontrolle der Reichswehr und der Sicherheits-
poUzei. Was jetzt noch folgte, war ein •Durchkämmen« der noch
nicht vollkommen von diesen Kräften beherrschten Gebiete und
eine Umgruppierung der Truppen im Ruhrgebiet Oie letzten grö-
ßeren Städte in diesem Territorium, in die Reichswehrformatio-
nen einmarschierten, waren Bochum am 15.April und Witten am
19-April.
Der Hall der Reichswehr an der Ruhr fand bei den Monopol-
herren des Ruhrreviers wenig Verständnis. Auf einer Bespre-
chung beim Reichspräsidenten, die am I 0. Apri l stattfand, Teil-
nehmer waren u. a. der Krupp-Direktor Otto WiedJeldt und der
Generaldirektor des Thyssenkonzerns, Hermann Schmilz, sowie
bei anderen Gelegenheiten drängten diese und andere Interessen-
vertreter des Monopolkapitals auf die Besetzung des restlichen
Ruhrgebiets. Thnen ging es vor allem darum, die Arbeiter auch
dieser Gebiete rasch zu entwaJrnen. Reichswehrministe r Otto
Geßler (Deutsche Demolerntische Partei), der Gustav oske abge-
löst hatte, forderte vom lleichskanzler mehrmals, die Regi erung
möge . den Enlschluß zum Einmarsch in das Gebiet südUch der
Rtthr unvertiiglich fassen(.
Am 3. Mai 1920 wurde diesen Wünschen mit dem Einrücken
der Sicherheitspolizei in das Gebiet entsprochen. Da es sich vor-
wiegend um Territorien handelte, die zur neutralen Zone gehör-
ten, kam Reichswehr nur insoweit zur Verwendung, '"ie diese als
. Rü ckhalt« für die Sicherheitspolizei angesehen wurde. Unter
diesem Vorwand marschierte zum Beispiel das Regiment 6 1 am
3.Mai in Düsseldorf ein. Mit dem Eindr·ingen der Sicherheitspoli-
zei in das Gebiet südlich der Ruhr war nunmehr das gesamte
rheinisch-westfälische Gebiet wieder in den Händen der reaklio-
niiren Kräfte.
Überblickt man alle bewafFneten Abwehrkämpfe im Män/April
1920, so ist erkennbar, tlaß die Existenz Hunderter von Arbeiter-
wehre n und deren bewaffneter Widerstand gegen gewaltsame Ak-
tionen pulschisti scher Truppen wesentlich dazu beitrugen, die
210
Errichtung einer uneingeschränkten und volksfeindlichen Dikta-
tur irn lnnern und e inen verschärften Aggressionskurs nach au-
ßen zu verhindern. Damit erschwerten sie das Wiedererstarken
des deutschen Imperialismus und Mi litarismus. An dem Erfolg
hatte das häufig einheilliehe Handeln von Vertretern der Arbei-
terparteien in den Wehren großen Anteil. Außerdem wirkte sich
die Existenz starker Arbeiterwehren in ökonomisch bochentwik-
kellen und politisch wichtigen Gebieten Deutschlands, wie in den
pre ußischen Provinzen Brandenburg, Pommern, Sachsen, West-
falen und in der Preußischen Rheinprovinz sowie in den Freistaa-
ten Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Schwerin, außeror-
dentlich vorteilhaft für den bewaffneten Abwehrkampf gegen den
Kapp-Lüttwitz-Putsch aus. Vielerorts vertrieben Arbeiterwehren
bewaffnete Putschisten, unterbanden regional und zeitweilig die
Handlungen reaktionärer Kräfte und unterstützten die Maßnah-
men der Vollzugsausschüsse zur Verteidigung der demokrati-
schen Rechte und Freiheiten. Vielfach reichte schon die Existenz
bewaffneter Arbeiterwehren aus, um Aktionen reaktionärer
Kreise des Ortes zu vereite ln. Das Vorhandensein von Arbeiter-
wehren und deren energischer Widerstand gegen den Staats-
streich verhinderte, daß die Mehrzahl der Kommandeure der
Reichswehr und viele reaktionäre Politiker sowie die hinter ihnen
stehenden Parteien offen auf die Seite der Putschisten traten. Die
Arbeiterwehren halfen mit, in großen Teilen Deutschlands ein
Kräfteverhältnis zu schaffen, das die Möglichkeit zu ein er Wende
in der deutschen innen- und Außenpolitik durch die Bildung
ein er Gewerkschafts- bzw. Arbeiterregierung bot. Dabei hiitten
d ie Arbeiterforrnat.ionen, insbesondere die Rote Ruhrarmee, ein
wesentl icher Teil eines gesamtnationalen militärischen Instru-
ments der Werktätigen zur Stärkung einer solchen Regierung und
zur Durchsetzung der von ihr gefnßten Beschliisse werden kön-
nen.
Die Basis für die Erfolge des bewaffneten Abwehrkampfes im
'vlärz 1920 bildeten die gewaltigen und breite Schichten des Vol-
kes erfassenden Massenkämpfe und deren Grundlage, die Ak-
tionseinheit der Arbeiterklasse. Letztere widerspiegelte den da-
mals in den Reihen der Arbeiterklasse vor sich gehenden
tiefgreifenden politischen Reifeprozeß, der noch Ende desselben
Jalues in die Vereinigung der KPD mit dem linken Fliigel der
211
 USPD mündete. Oie Aktionseinheit der Arbeiterklasse war eine
wichtige Voraussetzung rür die massenhafte Beteiligung der
Werktätigen am bewaffneten Kampf. Im März 1920 hatten sich
fast 150 000 Werktätige in den Arbeiterwehren organisiert. Diese
Wehren, vor allem die Rote Ruhrarmee, die I. Volkswehrarmee
Thüringens, die Roten Garden in der iederlausitz oder die Stet-
tiner Vulkanarmec. waren echte Ansätze zur Verwirklichung der
\'olksbewaffnung.
Die Wehren halten sich vorwiegend in den industriellen Zen-
tren Deutschlands gebildet. Sie knüpften an die Traditionen des
bewarrneten Kampfes der Arbeiterklasse, insbesondere an das Wir-
ken der \ olks- und Sicherheitswehren 1918/ 19, an. Stützen
konnten sie sich auf die in der ovemberrevolution geformten
militärischen Kader der Arbeiterklasse, auf die gesammelten mili-
tärpolitischen und militärischen Erfahrungen sowie teilweise auch
•
auf aus dieser Zeit noch vorhandene Waffen. Die meisten Arbei-
terkämpfer verfügten über militärische Kenntnisse. die sie wäh-
rend des ersten Weltkrieges in den imperialistischen deutschen
Streitkräften erworben hatten. Das militärische Vermögen der
deutschen Arbeiter widerspiegelte sich in vielen Details: in der
Führung des bewaffneten Kampfes der Wehren gegen einen oft-
mals überlegenen Feind, in der Bcfehlsgebung der Komman-
deure der Arbeiterwehren, aber auch in den militärorganisatori-
schen Leistungen bei der Formierung der Wehren und der
Bildung spezieller militärischer Formationen wie Maschinenge-
wehr-, Artillerie-, Radfahr- und Sanitätskompanien. lo vielem er-
hielten die unter kapitalistischen Bedingungen erworbenen militä-
rischen Kenntnisse der Arbeiter im Kan1pf gegen die bewaffneten
Kräfte des deutschen Imperialismus neue Ziige. ur dadurch war
es unter anderem möglich, in .kaum zwei Tagen eine mehrere
zehntausend Mann zählende Rote lluhrarmee aufzustellen und
ihre materiell-technische Sicherstellung sowie politische und mili-
tärische Führung zu gewährleisten. Ideenreich versuchten die Ar-
beiterwehren, ihre Unterlegenheit gegenüber den Truppen des
Gegners auszugleichen, so durch die geschickte Ausnutzung des
Terrains oder die zeitweilige Zusammenfassung von Arbeiterweh-
ren mehrerer Orte zu größeren Formationen.
Im Vergleich zu den bewaffneten Aktionen der Arbeiter in der
~ovemberrevolution I 918/ 19 bildeten sich im Kampf gegen den
212
Kapp-Lüttwitz-Putsch auch neue Momente in der Entwicklung
der Arbeiterwehren heraus, die einen bedeutenden Einrtuß auf
d('n Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzungen ausübten.
Oie Wehren im Miirz 1920 übertrafen die aus der Novemberre-
volution an Zahl, Stärke und Bewaffnung. Auch hatten in ihnen
linke Funktioniire der USPD und Mitglieder der KPD einen grö-
Lieren Einrtuß als 1918/ 19. Ebenfalls unterschieden sieb Zah~
\ usmaß und Dauer der Kämpfe im März 1920 von denen in der
\ ovcmberrevolution. Die bewaffneten Abwehrkämpfe der Arbei-
ter im März 1920 waren in dieser Beziehung die bedeutendsten
im Deutschland der Jahre 1918 bis 1923.
Der Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen den Kopp-
Lüttwitz-Putsch hatte großen Einrtuß auf die Weiterent"~cklung
drr \lilitiirpolitik der KPD. Ihr 4. Parteitag im April 1920 wertete •
die Erfahrungen der Märzkämpfe gründlich aus und näherte sich
der Erkenntnis, daß die KPO auch in ihrer Militärpolitik den po-
litischen Reifegrad der Mehrheit der Arbeiterklasse berücksichti-
gen und an die Tagesforderungen der Werktätigen anknüpfen
muß. wenn sie die Massen gewinnen will. Oie KPD wies unmittel-
bar nach den Miirzkiimpfen 1920 warnend auf das Fortbestehen
drr konterrevolutioniiren Gefahr in Deutschland hin und emp-
fahl, Aktionen der Massen dngegen, wenn nötig auch mit bewaff-
neter Gewult, zu unterstützen. Sie forderte daher die Bewaffnung
der Arbeiterklosse und die Entwuffnung der Konterrevolution.
Diese militärpolitischen Orientierungen schufen zusammen mit
anderen Forderungen des 4. Parteitages der KPD wichtige Grundla-
grn für das verstiirkte Bemühen der KPD in ihrem Kampf um die
Gewinnung der Mossen. Sie boten eine Voraussetzung für den er-
folgreichen Widerstand gegen die zunehmenden Angriffe der re-
aktionären Krähe auf die Errungenschaften der Novemberrevolu-
tion 1918/ 19 und für weitere demokratische Veränderungen in
Deutschland.
 Der Abwehrkampf der
rnit.teldeutschen Arbeiter 192 1
• im llcichstag wurde. l"ür die KPD, die auf Beschluß ihres 4. Par-
r achen und orbereitung der Märzprovokation
l::s "ar im Mai 1920, wenige Monate nach dem Scheitern des
Kapp-Lüttwitz-Putsches. Erneut bescbä.ftigtrn sich führende Ver-
IreiN der Großbourgeoisie und des Staatsuppurutes mit Plänen,
"'ic sie die in der ovemberrevolution 1918/ 19 errungenen de-
mokratischen Freiheitcn und sozialen Rechte der Arbeiterklasse
"citcr beschneiden und die Lasten der Weltkriegsniederlage
noch stärker auf die \Verl..tiitigen abwiitzen könnten. Seit ~litte
1920 'erschärften sie den ökonomischen und politischt'n Druck
aur die Mehrbeil des Volkes. So schränkte eine ansteigende Geld-
entwertung die als verbindlich erklärten Tarirvcrtriige, die garan-
tirrtr Arbeitslosenunterstillwng und andere soziolr Hechte er·
hrblich ein. Zugleich stiegen die Preise fiir Lebensmittel,
Kleidung und Brennmaterial sehneUer als die Löhne, Gehälter
und Renten.
Politisch ging die Reaktion in Deutschland - im Einklang mit
einer auch international erkennbaren Tendenz - verstärkt zu
Angrirfen auf die demokratischen Errungenschaften über. Dieser
Trend widerspiegelte sich unter anderem in einem zunehmenden
Einnuß nationalistischer und militaristischer Kreise im gesell·
schartliehen Leben. Milit~~ristische Verbände wurd(•n immer akti·
•
ver. Im Mai 1920 entstand in Bayern die Organisation Esche-
rich, eine weitgehend illegale Tarn- und Auffangorganisation für
di!' im April 1920 aufgelöstl•n Einwohnerwchren. Der Organisa·
tion Escherich, kurz Orgesch genannt, gehörten um die Jahres·
"end!' 1920/21 etwu eine \ lillion Mitglieder an, dit' zum großen
Teil über Waffen verrügtcn.
Der deutsche lmperiulismus konnte 1920 seine politischen Po-
214
;.itionen weiter nusbnuen. Zwei der großbürgerlichen Parteien,
dit' Deutschnationale Volkspartei und die Deutsche Volkspartei,
!!~'"11nnen in den Heichstagswahlen am 6. Juni 1920 gegenüber
dt•n "ahlen vorn 19. Januar 1919 annähernd drei Millionen
Stimmen hinzu und erhielten insgesamt rund siebeneinhalb Mil-
liont'n Stimmen. Gleichzeitig beunruhigte sie ab('r die Tatsache,
duß die USPO mit 4,9 Millionen Stimmen 1.wcitstiirkste Fraktion
tt•illag(•s vom April 1920 erstmals an den Parlamentswahlen teil-
!(rnommen hatte, stimmten 410 000 Wühler. Diese Stärkung der
r!''olutionären Kräfte kulminierte im Dezernher 1920 in der Ver-
rinigung der USPD (Linke) mit der KPO zur Vereinigten Kom-
muniotischen Partei Deutschlands (VKPO). Der Zenlrismus, der
jahrelang der deutschen Arbeiterbewegung mit seiner scbwan-
J..!'ndcn Politik erheblichen Sehnden zugefügt hatte, erlitt dadurch
l'ine schwere iederlage. Mit der Bildung der VKPO wurde ein
"khtiger Senritt zur Wiederherstellung der b:inheit der deut-
"·hen Arbeiterbewegung aur revolutionärer Grundlage getan. Oie
1\omrnunistische Partei "'llr bereits eine Massenpartei geworden,
ch·r mehr als 300 000 Mitglieder angehörten, die allerdings poli-
tbc·h und ideologisch noch keine Einheit bildeten.
Ein Ergebnis dieser Entwicklung bestand in der i11 breiten
Kreisen der deutschen Monopolbourgeoisie wachsenden Furcht
vor dem weiteren Erstarken der revolulioniiren Arbeiterbewe-
gung, dem für sie größten Hindernis bei der Ourchselzung ihrer
Politik. Deren hauptsiichliche Ziele waren: der Abbau bzw. die
Brseiligung der Errungenschaften der ovcmberrevolution, das
\\ it'dererstarken des deutschen Imperialismus und letztlich der
llr, anchekrieg. Möglichst rasch woUten sie deshalb einen emp-
findlichen Schlag gegen die revolutionären Kriifte in der deut-
~<"hcn Arbeiterbewegung führen. Dabei berücksichtigte die Mo-
nopolbourgeoisic die Erfahrungen des gescheiter-ten Kapp-Lütt-
witz- Putsches 1920, die besagten, daß ein FronlaiangrifF gegen
dit• revolutionäre Bewegung in Deutschland w dieser Zeit nicht
anöl!lich war. Sie entschloß sich deshalb, in erster Linie gegen die
\ orhut dieser Kriifte, die \ KPD, vorzugehen.
\ls Ziel des An!!riffs "'urde der Regicnmgsbezirk \1erseburg
lluogewähiL da dieser zu den Zentren der revolutionären deut·
~~·hcn Arbeiterbewegung zählte und sich dort günstige l3edingun-
215
 • •
gen fiir die Aublösung einer Provokation hoten. Im Rcgierungsbe·
zirk l\1crseburg erfaßte die VKPD mit ihren fast 30 000 ~1itglie­
dern jeden siebenten Arbeiter. Jn wichtigen Gewerkschaftsver-
biindcn, "ie dem Bergarbeiter-, Bauarbeitcr- und Zimmercrver-
band, stellte sie den Vorsitzenden. Außerdem hatte die \'KPD
zahlreiche \'er1rrter in Stadtverordneten- und Gemeindever-
sammlungen, in Kreistagen und im Provinziallandtag. Sie konnte
bei clen Wahlen zwn preußischen Landtag im Februar 1921 im
Regierungsbezirk \llerseburg fast 30 Proz<·nt der Wühlerstimmen
auf sich vereinen. Besonders beunr·uhigt zcigtt• sich die Reaktion
d11rliher, daß es ihr seit der rovemberrevolution 1918/ 19 in die-
sem Gebiet nicht gelungen war, die Werktätigen vollständig zu
enl waffnrn.
Im Regierungsbezirk Merseburg war die Arbeiterklasse stark
' 'ertrelen. Zu den Arbeiterzentren zählten vor allem der Mansfel-
dcr Gebirgskreis, die Stadtkreise Eisleben und I lalle sowie die
Kreise Delitzsch. Bitterfeld und Merscburg. ln diesen sechs der
insgesamt dreizehn Kreise des Regierungsbezirkes konzentrier1eo
sich große Teile bedeutender Lnduslriez" eige Deutschlands, so
des Kupfererzbergbaus, des Braunkohlentagebaus und der Che-
mirindustrie.
ln der zweiten l lälfle des Jahres 1920 unternahmen führende
Politiker und Militärs erste gemeinsame Schritte zu r· Vorberei-
tung einer hcwaffncten Provokation gegen die mitteldeutschen
Arbrilcr. Im Auftrag des preußischen lnncnministers, Carl Seve-
ring, der seit 1893 der SPD angehörte und zum rechten Flügel
der Partei zählte, berief der Oberpräsident dt>r preußischen Pro-
vinz Sachsen. Otto Hörsing, hierzu mehrere ßcralungen ein. Hör-
sing war fast ebensolange Mitglied der SPD wie e' ering. vertrat
opporlunistische so"~e sozialchauvinistische Auffassungen und
üble sein Amt seit 1920 aus. An den ' on ihm organisierten Be-
sprechungen nahmen Vertreter zentraler zh iler Institutionen der
Provinz Sachsen teil, so die Regierungspriisidcnlcn und Landräte
der Begicrungsbezirke Errurl, Magdcburg und Mcrseburg.
Curl Scvcring und Üllo Hörsing kamen dnrnit den WUnschen
einflußreicher mitteldeutscher Monopolka1>italislcn noch, die
mchrruch gerordert hnllt>n, im Regienmgsbezir·k Mersebur·g end-
lich • Ürdnungc zu schaffen. Sie befolgten mit ihren Aktiviüiten
jedoch ouch Anregungen und Forderungen führender Militärs
216
ß LIS dem Reichswehrminislrrium von nfang 1920. ln mehreren
Sl'hrciben an den Reichspräsidenten, Reichskanzler, Reichsmini-
>ter des lnnern und preußischen ~linisterpriisidenten hatte d.ie
(ll•t•resleilung ein bewaffnetes Vorgehen gegen die milleldeut-
' elwn \rbeitcr verlangt. ~1otiviert "urde dies danlit, daß in Mil-
tdd<•ulschland angeblich ein • kommunistischer Putsche vorberei-
ll'l "ürdc.
Drtailliert entwickelte die Reichswehrführung ihre Ansichten
in drn • Richtlinien für eine eventuell erforderliche Säuberungs-
uklion in Mitteldcutschlandc, die im .)uni 1920 an zentrale Zivil-
lwhiirdcn verschickt wurden. Ausgehend von den darin enthalte-
nPn llauptgcdanken, erließen die Kommandeure der Reichs-
" r lubrignden 12 und 16 mehrere Befehle, die den Einsatz 'von
ll r ichswchrformationen unter den Stichworten •Operation
llallrc, • '>~ibelungenliedc und .Cöttrrdiimmrrungc zur Abriege-
lung und • iiuberungc des mitteldeutschen Raumes vorsahen.
\och unter dem Eindn1ck der machtvollen Aktionen der
\\ r rJ...Iiiti(len gegen den Kopp-Lüttwitz-Putsch stehend. empfahlen
dir \lilitiirs. \'Or allem ein einheiUir hes I landein der Arbeiter zu
\l'rhindem. Deshalb soUte die geplante Aktion politisch sorgfältig
~orhereilet werden. Darunter versland die Heichswehrführung
\Or nllcm, verleumderische • Gründec fiir den beabsichtigten Un-
l<'rflrückungsfeldzug im Regierungsbezirk Mcrscburg zu propa-
!(iPren, die von der Mehrheil des deutschen Volkes als glaubwür-
tlif.( ukzcrJtiert würden.
l~ndc I 920 begunn die reaklioniire Presst• mit der massenpsy-
f'lw logischcn Einstimmung der Bevölkcnrng auf di e vorgesehene
Pro~okation. Groß aufgemacht erschienen in der ~lehruhl der
Zt•ilungcn der Provinz Sachsen und später auch in zentralen
Pn•sscorganen ' 'erleumderische Berichte über angebliche
• Putschpliine der KPD c. Zugleich ' crsurhlc man der Bcvölke-
runf.( wciszumacben. in Mittcldcutschlnncl herrsche eigentlich ein
~«'srlt.loser Zustand, ein Chaos. Die reaktionären Journalisten
hausrhtcn Einzelfälle aus I ol und ll ungrr vrrübter Felddieb-
sliihlt• zu einer Mnsscnerscheinllng uuf. Betriebsdirektoren erkliir-
lt>n dus bisherige Gewohnheitsrecht, llolzabriille aus dem ßerg-
huu mit1.u nehmcn, plötzlich zu kriminellen l luncl lungcn.
Die Furcht vor eventuellen einhrillic·hcn Abwehraktionen der
mitteldeutschen Arbeiter bestimmte die Diskussion in der Re-
217
 gierung duriiber, welche bewaffneten Kräfte im Regicnmgsbezirk
eingesetzt werden sollten: llcichswehr oder die 1920 geschaffe-
nen kasernierten Schutzpolizciformationen. Die Entscheidung fiel
zugunsll'n der Schutzpolizei aus. Führende Politiker und Militärs
glaubten, hierdurch ihrer Provokation den Anstrich einer • nor-
malen• Polizeiaktion grben und dnmil den einheitlichen Wider-
stand der Arhcitrr 'erhindern zu können. Auch spielte dabei der
Gedanke, die lleichs" ehr möglichst aus den inneren Auseinander-
setzungen herauszuhalten, eine wichtige Rolle. Starke Polizei-
kräfte, geschaffen nach der \ovcmberrevolution, waren dafür
vorgesehen. Die Armee sollte sich nicht im Einsatz gegen die Ar-
beiter ovcrschleißenc, sondern sich 'oll auf die Vorbereitung des
Revanchekrieges konzentrieren können. Im lnnern fiel ihr des-
halb - nach den \'orstellungen maßgeblicher Militärs - lediglich
die Holle einer ultirna ratio, des iiußerstE>n und letzten Ge,.,altmit-
tels, zu.
~it dieser Arbeitsteilung bei der inneren Absicherun(! der im-
perialistischen Mnchlvcrhiiltnisse entsprachen die herrschenden
Kreise in Deutschland einer seit der Großen Sozialistischen Okto-
berrevolution 1917 wirkenden Tendenz imperialistischer Macht-
ausübung, die sich in Tempo und Gewalt na tional unterschiedlich
durchsetzte. Aus diesem Grund schufen sie 1919 die Sicherheits·
polizei. Erstals die imperialistischen Siegermilchte 1920 das Ver-
bot der etwa I00 000 Mann starken und mit schweren Waffen
ausgerüsteten Sicherheitsi)Olizei erzwungen hatten, bildeten sie
die Schutzpolizri. Personelle Stärke, Struktur, Ausrüstung. Be-
waffnung und Dislozierung versetzten die nunmehr auf Länder-
ebene organisierte Schulzpolize:, insbesondr re ihre kasernierten
Hunclcrtscharten, in die Lage, die Reichswehr bei lokalen KJas·
senouseinandcrsetzungcn im lnncrn weitgehend zu entlasten.
Auch die Schutzpolizei umfaßte fust I 00 000 ~lann. 'on denen
jeder Dritte mit einem Gewehr oder Karnbiner und jeder Zwan·
zigste mit einer \laschinenpistole be"affnet \\llr. Auf I 000 Poli·
zisten entfiel ein Panzerkmft\\agen. Der geplante Polizeieinsalz
bot die \löglichl..cit, dir Schlagkraft der nrugebildeten kasernier-
ten Schutzpoli zei erstmals im »Ernstfalle zu überprillen und. im
Unterschied zur Hcichs\\rhr, ihn eventuell auch ohne Verkündi-
gung des Ausnuhmezustandes durchzuführen. Angesichts dieser
Argumente mußten letztlich auch diejenigen Militiirs nachgeben.
218
die ein llewuffnclrs Vorgehen in Mitleldculschlnncl als vorrangige
Angelegc·nheit der 1\eichs"•chr angesehen holten.
Anfang 1921 wurden di e Beratungen über die Auslösung der
Pro' ok11tion fortgesetzt und traten in ihr entscheidendes Stadium
ein. Das wird schon daraus (•rsichtlich, daß außer Vertretern zen-
traler Behörden der preußi;,chcn Provinz Sachsen auch solche
, on Behörden des 1\eichcs und Preußens an den Absprachen
trilnahmen. Außerdem wurde der Kreis der Beteiligten durch ei-
nige Bürgermeister und Betriebsdirektoren aus dem Regierungs-
bt•lirk \lcr"•burg rn•eiter1. Die Teilnehmer der Tagungen einig-
ten sich im Ein' erstiindnis mit dem preußischen Innenminister
Carl e' ering schließlich d11rauf. mit der Provokation kurz vor
dem Osterfest zu beginnen. ie hofften, auch durch diese Termin·
festlegung eventuellen Gegenaktionen der rbeiter die Spitze ab·
brechen zu können. Zugleich sollte die Ausweitung des Aktions-
(!ebicts über den Monsfelder Gebirgs- und Seckreis hinaus auf
den Stadtkreis Eisleben sowie die Kreise Merscburg und Quer-
fun des Hegienmgsbezirks Mrrseburg die Wirksamkeit des \'or-
gehens erhöhen.
Seit Beginn des Jahres 1921 verstürkten die imperialistischen
Propagandaorgane ihre Aktlvitüten zu r Vorbereitung der Provo-
kution. Sie griffen einbei immer wieder auf die bereits strapazierte
Lüge vom bevorstehenden . Kommunistenpulsch« zurück. Dazu
lieferte ihnen ein am 13. M iir~ begangener •Sprengstofianschlttg•
aur die Sicgcssiiule in Berlin willkommene Schlugzeilen. Anarchi-
stische Kräfte hatten nn dieser Siiule ein . zutallig« in die • Hell·
slcdter Zeitung• cinge,v"ickeltes Sprengstoffpaket abgelegt. Und
der Anstifter des Attcntulsversuchs \Vilhehn Hering - ein zwei-
fl'lhafter Abenteurer - bezeichnete sich als militärischen Leiter
der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPO) in
\ litteldeutschland.
Oie KAPD, die sich im April 1920 als links ektiererische Split-
terpartei konstituier1 hatte. "ar aus der linksradikalen Opposition
auf dem Heidelbr rger Parteilag der KPD (Oktober 1919) entsinn·
den. Diese Oppositionellen hatten die Leitsätze zur politischen
Arbeit in den Parlam!'nten w1d Gcwerkscharten sowie die \ 'erur·
teilung link~rodikaler Aktionen abgelehnt und wurden daraufhin
'on dem '' citeren Verlauf des Parteitages ausgeschlossen. Da die-
ser Beschluß gcfaßt "urdc, ohne die Fehlerhttfligkeit dieses oppo·
219
bilioncllcn Standpunktes zu erläutern, unterlagen viele linksradi-
knl gestimmte Kommunisten dem Einfluß parteifeindlicher
kleinbürgerlicher Intellektueller. Die KAPO erfaßte bei der Grun-
dung etwa cin Drittel aller ~ l itglieder der KPO, fiir die sich dar-
aus \Orubergehend eine sriirbare Schwächung ergab. Alle Versu-
che der Kommunistischen Internationale und der KPD, die
vorwiegend proletarischen Mitglieder der KAPO wieder mit der
KPO zu vereinen, schlugen :wniichsl fehl. Bedingt war das durch
ihr!' oftmals verzweifelte Lebenslage und das Ausmaß der Unter-
driickung, die sie daran hinderten, die ideologische Klarheil und
politische Geduld fiir einen langen und mit Kleinarbeit ausgefiiU-
Ien Kampf um die \ eränderung der gesellschuftliehen Verhält-
nisse aufzubringen. Diese Vcr!'inigungsversuche halten erst Er-
folg, als sich die KAPO durch die abenteuerliche Politik ihrer
Fiihrung bis Ende 1921 ftlktisch zu einer politischen Srktc ent-
wickdte.
Auf die zu »Aktionen• drängenden F'unklioniirc der KAPO
ziihlte der Oberpräsident drr Provinz Sachsen auch, als er am
16. \lörz 1921 in seinem Aufruf • An die Be' ülkcrung des lndu-
strirre' icrs im Regierun~tsbczirk ;\lerseburg!• drn ~inmarsch
von Polizeihundertschaften in dieses Gebiet bekannlgab. Dem-
agogisch begrundete er dieses Vorhaben rnil den weitgehend aus
der Luft gegriffenen Vorwiirfen von • wilden Streiks, Raub und
Pliinderungen ... , Banden·, Einzeldiebstählen, Terror, Sachbe·
schiidigungen, Erprrssung..:n und Körperverl ctwngcn «. Zweck
dieses Aufrufs war somit ebenfalls, ein Bild massenhafter. anhal-
tender Gesetzesverletzungen und an Chaos grenzender Zustände
in dir~rm Regierungsbezirk zu zeichnen. um duraus dir 'otwen·
di!(keit ableiten zu können, •im Interesse der Mehrheit der Be-
'ölkrrung• Polizeihundertschaften einmarschirren zu lassen.
ln cliesrr äußerst zugt•spitzten Situation hntte es die VKPD
nicht leicht, eine den objektiven Bedu1gungen in Dt~ utschland
entsprechende Politik uuszunrbeiten. Sie bemühte sich in voller
Ohrreinstimmung mit den Empfehlungen des II. Kongresses der
Kommunistischen Internationale vom Sommer 1920, den Kampf
um die \1assen immer mehr in den 'vliltelpunkl ihrer lätigkeit zu
ru<·krn. Führende Funktioniire dt'r Partei erkannten, welche ent·
scheidende Bedeutung dabei dic Aufstellung kon kreter Tages·
fordrrungen und das Ringen um die llerstellung der Aktionsein-
220
hrit der Arbeiterklasse be~tß. Ihrem Einfluß zu verdanken war
drr »Offene Brief• vom 7. Januar 1921 an den Allgemeinen
Deutschen Gewerkschaftsbund, die Arbeitsgemeinschaft freier An-
j!t'>trlltenverbände. an die Allgemeine Arbeitenmion, die Freie
\rhriterunion (Syndikalisten), die SPD. USPO und die KAPO.
Er ging aus von dem starken Willen vieler Werktiitiger nach
t!<'llll'insru11en Handlungen zur Abwehr der inflationistischen
Folgrn und der Arbeitslosigkeit. Oie VK PO unterbreitete unter
an<lr rem folgende Vorschläge fiir gemeinsame Aktionen: einheit-
hrhc Lohnkämpfe zur Sicherstellung der Existenz der Arbeiter,
\n!(estellten und Beamten ; einheitliche Regelung und Erweite-
run!( der Arbeitslosenheziige; Beschlagnahme von ~ ohnräumen
fiir Bedürftige; sofortige Entwaffnung und Auflösung konlerrevo-
lutioniirer, paramilitärischer Formationen und Bildung proletari-
.,dlCr Selbstschutzformationen in allen deutschen !.ändern u.nd
Gt•mcinden; sofortige Aufnuhme von Handels- und diplomati-
.,rJwn Beziehungen zu Sowjetrußland.
Dic Erfüllung dieser Forderungen, so betonte die VKPD,
J..önne die Ursachen von 1ot und Bedrohung der Werktätigen
nirht beseitigen. Daher sei der Kampf um die Oikalur des Prole-
turiats als Endziel notwendig. Doch jetzt gehe es urn die gemein-
bllmc Lösung der nächsten Aufgaben. Mit ihrem Appell zur Ak-
tionseinheit an alle Arbeiter und ihre Orgonisutioncn leitele die
\ KPO 'eine qualitativ neue Phase im Ringen um die Schaffung
einer ei nheilliehen Kampffront der Arbeiterklasse ein, schuf sie
dum it die Möglichkeit zur llerslellung ihrer ~inheitsfronl, ohne
dit• ein erfolgreicher Kampf gegen den Imperialismus nicht mög-
lich isL
Der . Offene Brief• fand bei Hunderttausenden von \Verktäti-
~rn Zustimmung. Doch Hihrende Funktionäre der VKPD iiber-
ochiitzten den erreichten Grad des Einflusses der Partei und die
Bereitschart der Werktätigen, fiir eine Veränderung der bestehen-
drn Verhältnisse einzutreten. Sie sprnchen sich deshalb rür Ak-
ti<>ncn aus, unabhängig davon, ob die Bedingungl'n dafür vorhrul·
dt•n waren. W. I. Lenin hatte auf die Sehiidlichkeil dieser auch in
drr internationalen Arbeiterbewegung erkennbaren Ansichten
h('reits in seinem irn Juni 1920 erschienenen ~ erk . Der >linke
lladikalismus<, die Kinderkrankheit im Kommunism use hinge·
1\ i('sen. Seine Ratschläge erhielten im Friihjahr 1921 ein beson-
221
dci'('S Gt'wicht, denn das Streben nach Aktionen um der Aktio-
nen "'illen ochuf einen günstigen Borten rür die von den
herrschenden Kreisen beabsichtigten Provokationt>n und machte
es der rbeiterklasse sehr schwer, sie abzuwehren.
Am 17. \1iin, einen Tag nach der Ankündigung des Polizeiein-
mtmehcs durch Otto I lörsing, tagte der Zentralausschuß der
VKPO. Thema war selbstverständlich die Abwehr der zu erwar-
tenden Provokation. Doch seine Aufforderung, aus diesem Ab-
wehrkllrnl>f zum Stur.~; der Regierung iibenugehen, entsprach
nicht der rcolen Klassenkampfsituation. Ein solcfws Ziel konnte
nicht die Grund Iage für die jetzt noch dringender gewordenen ge-
meinsamen Aktionen aller rbeiterpartcicn und der Gewerk-
schnrten bilden und widers1>rach ·auch den im . Offenen Briefe
gestellten konkreten Aufgaben. die zum Teil. wie der Kampf um
die Erhöhung der Löhne und Gehillter, vom Zentralausschuß
aufrechtl'rhalten wurden.
Der Zentralaus chuß faßte zum weiteren Verhalten der Be-
zirksleitung der VKPD Haße-;\lerseburg keine verbindlichen Be-
schlüs~e. Er empfahl aber ausdrücklich, daß die Bezirksleitung
erst dann den Generalstreik ausrufen und aus diesem zur Bewaff-
nung der Arbeiter übergehen sollte, wenn Polizeicinheiten Be-
triebe und Gruben besetzen würden. Dieser llinweis war jedoch
angesichts drr l~mpönmg vieler Werktiitigcr über ihre verzwei-
felte Lrlwnslage und der unterschiedlichen Auffassungen unter
den Funktioniiren der VKPD über die Formen des Widerstands
grgen d!'n Polizeieinmarsch nur schwer zu vrrwi rklichen. Am
19.1\liin 'rröffentlichte die Bezirksleitung der VKPD Halle-Mer·
scburg einen Aufruf •An die Arbeiterschuft \1itteldeutschlands!c.
in dem sie den Empfehlungen des Zentralausschusses folgte.
An diesem Tug befand sich die gesamte Schutzpolizei der
prrußischen Pro,inz Sachsen bereits in Alannbereitschaft und
traf die lrtztrn \ orbercitungen für ihr Einriickl'n in dil' vorgese-
henen Hiiurn(' des Regierungsbezirks \1 crsrburg. Polizeirnnjor
Folk, Kommandeur der Schutzpolizei Magdcburg. hatte den Be-
fehl, mit :J Polizeihundertschaften llrttstrdt zu brsetzen (• ntcr-
nrhmrn Kohlrnsachc «). Polizeimajor Frndci-Sortorius, Komman-
drur clt•r Sc•h1rtzpolizei I-Lalle. bekam dir Ord1•r, mit 5 Polizeihun-
dc•rt,,c·haftt'n drn Haum um Schufstiiclt, MNsrhurg, Ammendorf
uncl Trutsc·lwnthal ahwriegdn ( •L ntrrnrhmt•n Frühjahrsreisec).
222
Diese Aktionen stützten sich aussch ließlich auf die im Regie-
nmgsbezirk stationierten Polizeikriifte. Nach drm geplan ten Ein-
>~~tt. drr 8 l lundertschaften standen weitere I '~ in Reserve. Den
insgesamt 22 llundert chaften, 21 zu Fuß und eine berittene. ge-
hiirtrn 83 Polizeioffiziere und 2 425 Polizeiwachtmeister an. Im
Durchschnitt führte jede Hundertschaft als Be"affnung ein Ma-
schinengewehr und 4 Maschinenpistolen mit. Durch Abgaben an-
clrrrr llundertschaften konnte fast jrder Beamte zusiilzlich zu sei-
rwr Pisto((• mit einem Karabiner ausgcriistct werden.
Die in der 1iihe des Aktionsgebiets dislozierten Rei chswehr-
lormlllionen wurden in Alarmbereitschnft versetzt, um jederzeit
ringr-eifen zu können. Ihre sogenannte Hiickhultl'funktion für die
opcricrrndcn Polizeihundertschaften diente :wgleich auch der
Ahrirgrlung des Kampfgebiets gegen cvcntu rll drn \1ansfelder
"urnpeln aus anderen Industriegebieten zu llilfe eilende Arbei-
tf'r. Dirse Aufj!ahen hatten vor allem Einheiten und Truppenteile
drr Beichs" ehr. die im oder in der \ ähe des llej!ierungsbezirks
\h·rscburg stationiert '"aren. zu crfiillcn.
Widerstand von Arbeiterrormalionen
im Mansrelder Gebiet
l ntN li'iihr-ung d1•s Polizeimajors Folie rnnrschiertcn 1un 19. Mör-1.
I 92 1. l(rgcn I0 Uhr, io Eisleben :J Polizeihundertschalten ein -
die 2. uus Magdeburg sowie die 3. und dir 7. aus l::rfurt. Damit
hl'j!llnn die Iunge zuvor geplante Provokation grgrn die Werktäti-
grn dc;, Hcgierungsbezirks .\lerseburg. Faot zeitgleich drangen
2 Hundert chaJten - die I. aus Eilenburg und die 5. aus Halle-
in I lett.tedt ein. Mit Bedacht hatte die Polizeifiihrung zuerst
dirsr ()l•idcn Orte besetzen lassen. denn so" ohl in Eisleben als
auch in l lettstedt besaßen die revolutioniircn Kriifte bedeutenden
Finnuß.
Der Einzug der Polizeihundertschuften stirß bei der Mehrheit
dr·r· Bevölkerung von Anbeginn auf Ablt'hnunj!. steigerte deren
Lnnru t über dit' sich verschlechternde Lebenslage und die Schi-
kurwn dt'r Gruben- und Betricbsdir-ckforr n. ln llcltstcdt prolc-
stiNtt• dit~ Studtverwaltung gegen die l::inquartierung von Polizi-
Mf'n in zwri Schulen. Im Monsfelder Cchirgskrt•is lehnt!' die
22:1
Mehrheit des Kreistages die Polizeiaktion in einer t;ntsc,hlu~l.h;m
entschieden ab. Vertreter der Eislebencr Arbeiter übergal>ea
Poli zeimajor Folte ein Schreiben mit der Fordenmg, die in
tadt eingedrungenen Polizisten sofort wieder abzuziehen.
Doch die Führung des Polizeieinsatzes ignorierte diese ver'll1lll-
wortungsbewußten Bemühungen, Blutvergießen zu vermeiden.
Sie spekulierte darauf, daß die Erregung großer Teile der tle,röl-
kcrung weiter anwachsen würde, und auf die sich daraus mögli-
cherweise entwickelnden spontanen Auseinandersetzungen. In
dieser Absicht schlug Major Folte in einem Telegramm vom
20. Miirz 1921 an den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen vor,
.daß es sich empfiehlt, mit dem Einsatz noch bis Oienstag (22. 3.)
mindestens zu warten«. Daß die Polizeiführung mit einem ~"''" '
brechen bewaffneter Zusammenstöße rechnete, verdeutlicht auch
einer ihrer Befeltle vorn 20. März 1921 , zusätzlich eine Polizeiab-
teilung, be tehend aus 15 Polizeioffiziercn, 362 Polizeiwachtmei-:
stern, 15 Lastkraftwagen und 5 Personenkrafh•agen. eiligst aus
ßerlin heranzubefördern, um mit ihr die Gruppe Fendei-Sarto-
rius zu verstärken.
Viele Arbeiter reagierten noch am 19. März auf die Polizeipro-
vokntion. ln Eislebcn, I-lalle, Lcunn und anderen Orten des Re-
gierungsbezirks fanden Protcstvers1mllnlungen statt. Am späten
Abend trufen sich in Eisleben etwa 200 Mitglied erder VKPO. revo-
lutioniirer Betriebsräte und des örtlichen GcwcrkschaJtsknrtclls -
einem Zuslllllmcnschluß der einzelnen Ortsverwrulungen bzw.
Zweigstellen verschiedener Gewerkschaften - und riefen für den
21. März den Generalstreik aus. Sie wählten einen zentralen Ak·
tionsausschuß, an dessen Spitze Joscf Schneider stand. Dieser
"ar bis zur Vereinigung des linken Flügels der USPD mit der
KPO Sekretär der USPD-Leitung des Monsfelder Gebiets gewe-
sen und arbeitete als Redakteur an der von ihm mitbegründeten
»Mansfclder Volkszeitungc, die seit Ende 1920 zu den drei Ta-
geszeitungen der VKPD in diesem Gebiet gehörte. Mit ihrem ra·
srhcn lleagicren entsprachen die Versummellen der Stimmung
zah lreicher Werktätiger. Doch war diese Aktion nicht mit der Be·
zirksloilung der VKPD abgestimmt.
Oie Bezirksleitung aber riet nach Bekanntwerden des Be·
schlusses, mit dem Generalstreik noch zu warten und gewaltsame
Auseinandersetzungen mit Schutzpolizisten zu vermeiden. Da die
2H
Abwehrbewegung jedoch spontan anwuchs und immer mehr
Werktätige erfaßte, stimmte auch sie in Absprache mit der Zen-
trale der Pa.rtei prinzipieU dem Generalstreik zu und bekräftigte
ihre llllltung zu d em »Aufruf an die Arbeiter 1ansfelds!c, der in
den \ lorgenstunden des 21. März erschien und auch von dem
Kreisgewerkschaftskartell und der Streikleitung unterzeichnet
\\ar.
ln großer Zahl befolgten die Werktätigen des Monsfelder See-
und Gcbirkgskreises diesen Aufruf. Bereits in den nächsten Ta-
gen schlossen sich fast 150 000 Arbeiter, Landnrbeiter und Ange-
slclllr des Regierungsbezirks Merseburg dem St reik an. Dem
Willen dieser Werktätigen zuwiderhandelnd, verurtei lten die
Füh•·ungcn der SPO und de.r USPO jegliche Abwehrmaßnalt-
m(•n, also auch den Generalstreik, gegen die Provokation und be-
mühten sich, alle unter ihrem Einfluß Stehenden von gemeinsa-
men Abwehraktionen abzuhalten. Sie sprachen von • übertrie-
benem Liinnc der VKPD und unterstellten ihr, die angeblich zu
Recht einmarschierten Polizeihundertschaften zu provozieren.
Die Führungen der SPD und der USP D berücksichtigten mit die-
ser Haltung nicht die Meinung vieler Mitglieder im Regierungsbe-
zirk Merseburg, die sich von dem Polizeieinmarsch distanzierten
und dies auch in Zuschriften an die Bezirkszeitungen der SPD
• Volksstimmec und der USPD »Volkszeitungc in jenen Tagen
•
zum Ausdruck brachten.
Am Abend des 22. Män führte der zentrale Aktionsausschuß
von Eisleben im Volkshaus eine Prolestversammlung gegen den
Einmarsch der Schut.zpolizeiformationen durch. Einmütig lehn-
ten die Anwesenden die Provokation ab. ln dieser erhitzten Stim-
mung wirkte das herausfordernde Vorgehen von Polizisten nach
Kundgebungsschluß gegenüber Teilnehmern der Veranstaltung
wie der sprichwörtliche Funke im Pulverfaß. Es entwickelten sich
llandgreinichkeiten, in denen die Polizisten zu den Waffen grif-
fen, eine Person töteten und mehrere Verunstaltungsteilnehmer
verletzten.
Oie achriebt von diesen Ereigni ssen verbreitete sich in Win-
deseile. ln mehreren Orten d es Mnnsfcld er Gebiets entstande n
bewaffnete Arbeitergruppen. Eine diese.- Gruppen formierte sich
in lllolferode. Sie setzte sich aus Werktüligcn ' der Orte Bischof-
rode, ßornstedt, Eisleben, Osterhausen und Wolferode zusarn-
225
men ttnd umfußte bald über I 00 Mann, darunter viele junge Ar-
beiter. Allein die Mitglieder des Kommunistischen Jugendverban-
des aus Wolferode beschafften unter der Leitung von Karl Thiele
fast 200 Gewehre und 2 Muschinengewchre. die sie unter Einsatz
ihres Lebens Angehörigen von Kriege rvereinen. Großbauern und
anderen reaktionäre n Kräften wegnahmen, nachdem sie die Waf-
fen mit großer Findigkeit aufgespürt hatten. An der Spitze der
Wolferoder Gmppe stand Otto Hennig. Zahlenmäßig kleiner war
die Wimm elburger Gn•ppe. deren Mitglieder vor allem aus Kreis-
feld, Eisleben und Wimmelburg stammten.
Diese beiden Gruppen verfolgten das Ziel, die Polizeiformatio-
nen möglichst rasch aus Eisleben und deshalb zunächst aus ihren
Stützpunkten - dem Lehrerseminar und der Mädchenvolks-
schule - zu vertreiben. Oie Inbesitznahme dieser beiden Ge-
bäude war auch daher von Bedeutung, weil die massiven Bauten
auf Anltöhen standen, von denen man die Stadt gut überschauen
und unter Beschuß nehme n konnte. Angesichts ihrer Unterlegen-
heit an Zahl und Bewaffnung beschlossen die Gmppenführer der
Arbeiterfomtationen, die ausge wählten Polizeiunterkünfte in der
acht anzugreifen. Sie wollten den Gegner überraschen und
ohne größere Verluste möglichst dicht an die Objekte herankom- N
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men. Die Gruppenführer hofften, daß die Größe der Gebäude- t:
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das Lehrerseminar war ein dreistöckiges, etwa I 00 Meter langes ~
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Bauwerk -, deren etwas gesonderte Lage sowie der Schutz der

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Dunkelheit ihren Angriff begünstigen würden. .8.,
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ln der acht zum 23. Miirh 1921 niiherten sich gegen 2.30 Uhr t.l
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etwa 50 bewaffnete Arbeiter der Wolferoder Gruppe dem Leh-
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rersemina.r vom Stadtpark her. Ihr Vorgehen wurde unterstützt
von den Bedienungen zweier Maschinengewehre. Ein Maschi-
nengewehr hatten die Arbeiter etwa 50 Meter vor dem Eingang
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des Seminars auf dem Scherpelberg, das andere 300 Meter hinter ~~'4 ~3<
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dem Gebäude an einem Bahndamm in Stellung gebracht. Oie
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Maschinengewehrbedienungen sollten die Vorder- und Hinter-
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front kun vor dem Angriff der Arbeiter unter Beschuß nehmen, .:"'c
um dadurch die BeSIItzu ng im Gebäude niedenuhalten. Dieser
Plan ließ sich jedoch nur zum Teil verwirklichen, da Polizeipo-
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sten die herankommenden Angreifer bemerkten. Das Abwehr-
feuer der Polizisten stoppte das weitere Vordringen. Den Arbei-
tern gelang es lediglich, die Außenposten der Polizei zum

226 227
Rückzug in das Seminargebäude zu zwingen. Der Vorstoß gegen
die Mildehenvolksschule brachte ebenfalls nicht das gewünschte
Ergebnis. Auch dort konnten die Polizisten ihre Positionen be-
haupt('n.
Dennoch wirkten sich die Angriffe der Arbeiter po itiv auf den
weiteren Ab"·ehrkampf der Eislebeocr '\ erktätigen aus. Allein
die Tatsache, daß erstmals ein größerer Vorstoß bewaffneter Ar-
beiter gegen Polizeihundertschaften im Vlansfclder G('bict stattge-
funden hatte, stärkte ihren Widerstandswillen.
Oie Polizisten wagten sich zunächst kaum noch aus ihren
Stützpunkten heraus, was es wiederum den Arbeitern erleich-
terte, größere Teile der Stadt zu kontrollieren. Sie besetzten den
Bahnhof, die Ziegelei und andere wichtige Punkte Eislebens. Als
sehr wirkungsvoll für den weiteren Kampf der Arbeiter erwies
sich ihr Entschluß, auf den Halden und l löhcnzügen am Stadt-
rand laschinengewehre in Stellung zu bringen. Oie Arbeiter
konnten von diesen die Umgebung beherrschenden llöhen aus
gegnerische Bewegungen [rühzeitig erkennen und aucb bekämp-
fen. Oie Polizeihundertschaften in Eisleben befanden sich vor-
übergehend in der Defensive. Ihr Handlungsraum war beträcht-
lich eingeschriinkt worden.
Deutlich zeigte sieb das, als der Direktor des Otto-Schachts
den Kommandeur der Polizeihundcrlschnften, Polizeimajor
l'oltc, hat, 5 Lastkraftw11gen und einige Personenkrnftwngen, die
sich nuf dem Schachtgelände befanden, in Gewah rsam zu neh-
men, damit diese F'nhrzeuge nicht eventuell in die Hände der Ar-
beiter fallen könnten. Zunächst gelang es am 23. März, gegen
8.30 Uhr, etwa 20 Schutzpolizisten, den von den Arbeitern um
ihren Stützpunkt gelegten Ring zu durchbrechen. Doch als die
Polizisten die Kraftfahrzeuge auf dem Gelände des Otto-
Schachts I und 1\ (am westlichen Ortsausgang der Stadt) sicher-
stellen wollten, erhielten sie von der Höhe 238. südöstlich der
Schiichtc, und von den umliegenden I laiden Maschinengewehr·
und Gewehrfeuer. das sie zwang, auf dem Schachtgelände in Dek-
kung zu gehen. Gegen I 0 Uhr bemühte sich dann ein Zug Polizi-
sten, dem es ebenfalls gelungen wnr, durchzubrechen, die Einge-
schlossenen zu befreien. Heftiges Maschinengewehr· und
Gewehrfeuer brachte sie aber etwa 800 Meter vor dem Eingang
zum Schachtgelände zum Stehen. Die Kämpfe zogen sich bis
228
zum 1 uchrnittag hin. Erst dann glückte es den uuf dem Schacbt-
geliindc befindlichen Polizisten, sich mit den anderen Polizisten,
die vor den beiden Schächten in Stellung gegangen waren, zu
, crcinigcn und sich dann in ihre Unterkunft zurückzuziehen. Sie
,-erlorcn in diesen Kämp[en 4 Tote und 4 Gefangene, darunter
ein Zugführer, 5 Polizisten wurden verletzt.
Trotz des erbitterten Kampfes entließen die Arbeiter die eben
rrst ~emachten Gefangenen mit der Aufforderung an Major
Foltc, mit seinen Hunderlschaften Eisleben zu verlassen. Doch
Foltc beantwortete diese großzügige Geste damit, daß er von sei-
nen Vorgesetzten in mehreren Funksprüchen um personelle und
rnntcriclle Verstärkung bat. Damit unterstrich er seine Absicht,
rücksichtslos gegen die bewaffneten Arbeiter vorzugehen.
Dir Eislcbener Abwehrkämpfe strahlten unmittelbar auf Hett-
sll>dt aus. Dort hatten sich, beeindruckt von den Ereignissen in
Eisleben und dem brutalen Vorgehen der au ch hier eingedrunge-
nen Polizisten, run 22. März die ersten be"·affneten Auseinander-
setzungen entwickelt. Arbeiter beschossen einzelne Polizeigrup-
pen von den Höhenzügen, die sich an der Stadt entlangzogen. ln
der Stadt selbst waren ihnen die Polizisten an Zahl und Bewaff.
nung weit überlegen. Erst als ein großer Teil der Schutzpolizisten
llcttstcdt am 23. März vorübergehend verließ, um in die Kiimpfe
1n Mansfeld und Klostermnnsfcld einzugreifen, konnten die be-
waffneten l lettstedter Arbeiter, unterstützt von Arbeitern aus
l~urg- t~nd Großdörner sowie Leimbach, kurzzeitig wichtige Posi-
lioncn an der Stadt beziehen.
Ähnlich wie in Hettstedt kam es auch in nndercn Orten zur
~pontanen Aufstellung von bewaffneten Arbeitergruppen, an der
1n vielen F'lillen Mitglieder der VKPD maßgcblicl1 beteiligt waren.
Damit folgten diese dem Beispiel ihrer F'ührung, die sich nach
d.cm Ausbruch der bewaUneten Auseinandersetzungen solida-
nsch an die Seite der Kämpfer stellte und darauf hinwirkte, dem
~bwehrkampf reale Ziele zu geben. ln ei nigen F'lillen bildeten
S1ch bewaffnete Gruppen auch auf Initiative von Aktionsaus-
schüssen. Ihr Einnuß auf den Verlauf des Abwehrkampfes der
Arbeiter blieb jedoch geri.nger als im Miirz 1920. Ein wesentli-
cher Grund dafür lag in dem un cinhcitlichen Auftreten von
Punktioniiren der Arbeiterparleien und Gewerkschaften dieses
Gebiets gegen die Polizeiaktion. Obwohl sich die Bezirksleitung
229
der VKPD sehr um di e Aktionseinheil der Arbeiter bernültte_
kam diese nicht zustande. Dem stand unter anderem das VP.1rh•L'
ten der KAPO im Wege, auch wenn ihr im Regierungsbezirk
\lerseburg nur etwa I 000 Mitglieder angehörten. Ihr Rui nach
dem »bewaffneten Aufstande stiftete unter den Arbeitern Verwir-
rung. Einige Aktionsausschüsse nannten sich zentrale Aus-
schüsse, obwohl sie keine zentrale Rolle spielten oder - wie im
Fall der am 21. Män in Halle gebildeten »Oberkampneitung für
Milleldeulschlnndc - einen Versuch linksradikaler Kriifle dar-
stellten, den Abwehrkampf in einen be,vuffnetcn Aufs!ltnd hin-
überzuleiten, ungeachtet dessen, daß dufür keinerlei objektive
Vornussctzungen bestanden.
Am 24. März 1921 rief die Zentrale der· VKPO die deutsche
Arbl'iiNklasse zum Generalstreik fiir die nl<·rslützung der mit-
tcldeulsehcn Arbeiter auf. In einigen Städten, so in Bremen,
Chcmnilz. Düsseldori, Duisburg, E:rfurt, Essen, Hamburg, Han-
no' er, Kiel, Plauen und Suhl, kam es zu olidariilitsaktioneo. Das
stärkste Echo gab es in Rheinland· Westlalen, wo in mehreren Or-
ten Demonstrationen und Streiks slallfanden. ln Essen erschoß
die Polizei 20 Demonstranten und ven>'undete 25. Insgesamt
aber war diese Streikbewegung zu schwach und zu zersplittert.
um den Abwehrkampf der Werktiitigen im Regicnmgsbezirk
Merseburg wirkungsvoll unterstützen zu können.
Vielmehr erhöhte sich noch der Druck des Klassengegners aui
die Arbeiter in diesem Bezirk, nachdem er sich von seiner Über·
raschung über dns Ausmaß der Streikbewegung und des bewaff·
neten Widerstands erholt hatte. och in der ~acht zum 24. März
1921 verhängte Reichspräsident F'riedrich Ebert gemäß Arti·
kel 48 der Weimarer Verfassung den Ausnahmezustand über die
prt'ußischl' Provinz Sachsen. Dadurch " 'ar es möglich, Beschrän-
kungen folgender Art vorzunehmen: der persönlichen Freiheit.
des Rechtes der freien ~leinungsiiußenmg einschließlieh der
Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts sowie des
ßrirf-, Post·, Telegrafen· und Fernsprcchg!'lteimnisses, Anord·
nungen von llausdurchsuchungcn, ßcschlagnahmungen sowie
Brschriinkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst lüerfür
bestimmten gesetzlichen Grenzen. Zugleich übertrug der Reichs-
priisidcnt dem Oberpräsidenten der Provinz Suchsen die Verfü·
gungsgcwalt eines Hegierungskommissars. Otto llörsing wurde er-
230
mii<'htigt, •die erforderlichen Anordnungen zur Wiederherstel-
lung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Provinz
Sa(·hscn oder in Teilen dieses Gebiets zu trefren«. Hörsing
machte ohne zu zögern davon Gebrauch und verbot alle Ver-
sanunlungen unter freiem Himmel. alle Demonstrationen und <lie
kommunistischen Zeitungen. Der Rcgicrungskonmüssar stützte
;ieh dabei auf sein Recht, allen zivilen Behörden, egal ob Kom-
munal- oder Heichsbehörde, Anweisungen erteilen zu können.
Zur seihen Zeit ergriff die Einsatzleitung der Polizeihundert·
s!·huflcn Mußnnhmen, um die Schlagkmfl der Polizeikräfte im
llcgit>ru ngsbczirk Merseburg zu erhöhen. Unter der Leitung von
Polizeioberst von Klüler entstand ein aus mehreren Polizeioffizic-
r!·n zusa mmengesetzter Führungsstub aller im Hegierungsbezirk
handelnden Polizeihundertschallen. Er koordinierte deren An-
j!riffr auf die Zentren des Widerstands der Arbeiter. Außerdem
brordcrte der Stab sofort zusätzliche Polizeikräfte henm und sta-
tionierte bei Mücheln und .\llerseburg bewegliche Polizeireser-
' r n.
Ziel des ersten zentral gelenkten Vorstoßes der Polizeihundert-
schaften war Eisleben, um die dort befindlichen llundcrtschaflen
nuh ihrer bedrohlichen Lage zu befreien. Zu diesem Zweck kon·
zentrierlen sich 5 Polizeihundcrtschaflen in Stcdtcn und Teul-
schcnthnl. Ein Angebot der thüringischen Landesregierung vom
2:l. Miirz. zwischen den kämpfenden Seiten zu vermitteln, lehnte
Ouo llörsing ab. Als die Arbeiter die achricht vom Anmarsch
der Polizeihundertschalten erhielten, bereiteten sie sich darauf
' or, ihn durch ständige, überfallartige Angriffe zu verlangsamen
und eventuell zu stoppen. Die örtlichen Bedingwtgen erlaubten
c;, den Arbeitern, <lie aus 3 Polizeihundertschallen bestehende,
aus Richtung Stedten kommende Marschkolonne trolz der Dun-
~clheil mit Maschinengewehr- und Gewehrfeuer zu bekämpfen.
ln hinhaltenden Gefechten bezogen die Arbeiter immer wieder
neue Geländeabschnitte und beschossen die Polizisten. Auf diese
Weise konnten sie das Marschtempo der Polizisten erheblich be-
einflussen. Die Polizeikolonne benötigte für die achleinhalb Kilo·
metcr Iunge Strecke mellr als fünf Stunden.
Bei llelfta, kur6 vor Eisleben, hallen sich inzwischen etwa
250 Ar·bcitcr aus Eisleben, Helrtu, Röblingen, Tculschenthal und
Wolferode eiligst auf eine Verteidigung eingcrichteL Als die Ab·
231
teilung Kirchner mit ihren 3 Hundcrtschortcn, zu der, wie ge-
pinnt, auch die 2 Hundertschaften aus Teulschenthal stießen, IIJ1l
24. Män, gegen 9.30 Uhr, in Kilometerbreite angriff, erwiderten
die Arbeiter mit 3 Maschinengewehren und zahlreichen Geweh-
ren das Feuer. Oie erteidiger hatten ihre Positionen so gewählt, o Kt1111t!11
daß sie in den hinter ihnen liegenden ßischofroder Wald aus-
weichen konnten. Während die Mehrheil der Arbeiter aus ihren
Stellungen den frontal angreifenden Polizisten Widerstand lei-
stete, griffen etwa 50 Arbeiter die Flanken der Polizeieinheiten
on. och einigen Stunden mußten sich die Verteidiger jedoch zu-
rückziehen, hatten aber durch ihren Widerstond erreicht, daß die
Polizei erst gegen 14 Uhr in Eisleben eindringen konnte. Sie stieß
dort nur noch im Stadtpark auf vereinzelte Gegenwehr. Oie Ar-
be iter hatten während dieser Auseinandersetzungen II Tote zu
beklagen, bei der Polizei gab es 4 T ote und mehr als I 0 Verwun-
dete.
1
unmehr kontrollierten 8 Polizeihundertschaften Eislcben. ln
der mgebung der Stadt wagten dennoch einige kleine Arbeiter·
gruppcn, die ihre Stützpunkte auf den I lolden bzw. Höhenzügen
nahe Eislebens hatten, überraschende und kune Überfälle auf
Polizeieinheiten. ln der Stadt selbst herrschte Major Folte mit
brutaler Gewalt. Er teilte die Stadt in vier Bereiche ein, die er
durch je 2 llu ndertschaften in verstiirktcm Streifengang kontrol·
lieren ließ. Tagungen der Stadlverordnetenversammlung, das Be-
treten der Straße nach 19 Uhr, der private Fernsprechverkehr lln#l.< ~nSehutqMiiz~l/!rmttll411en
l'tll111e/t:Mwellr ~Ort
und selbst dos Fahrradfahren wurden untersagt.
wn Sehvtip(Jitz~ ~Ort
m 24. Miin 1921 stießen Polizeiformationen in llettstedt ge-
gen die Positionen bewaffneter Arbeiter in der Stadt vor. Gegen
I0.45 hr grillen 2 Züge der 5. Polizeihundertschaft aus Halle Einsalz •oo Schuttpotizeironnatiooen im llcgierunß$bezirk \terseburs-
\tirzJ \ poil t 92 t
das am Ortsausgang der Stadt gelegene Restaurant " ßergschlöß.
chenc an, in dem die Streikleitung und zugleich Führung der Ar·
beiterformationen ihren Sitz hatte. 1 ach kurzem Schußwechsel die llettstcdter Besatzung verstiirkte. Aber auch mit Hilfe der aus
mußten die Arbeiter den Polizisten weichen. Sie verloren an die- einem Abteilungskommando und 2 Hundertschaften zusammen-
sem Tog auch die anderen bisher von ihnen besetzten Objekte in gesetzten Abteilung gelang es nicht, die Höhenzüge unter feste
der Stadt. ur auf den Höhenzügen vermochten sie es noch, ihre Kontrolle zu bekommen. Immer dann, wenn die Polizeitrupps die
Stützpunkte zu halten. Oie Polizeiführung in ll ettstedt fühlte sieb nur den ll öhen nach einem Vorstoß eingenommenen Bäume wie-
!rotz der verfügbaren 2 Hundertschaften nicht in der Lage, diese dl'r verließen, rückten sofort bewaffnete Arbeiter nach.
Stützpunkte anzugreifen. Das änderte sich tun späten acbmittag, Die Polizeikriirte entrissen arn 24. Miic-t den bewaffneten Ar·
als eine Polizeiabteilung unter Führung des Polizeimajors Lampe bcitern in Eisleben und Hettstedt militiirisch wichtige Stütz-

232 233
punkte. Die Masse der weiter kiimpfenclen Arbeiter mußte
auf die Höhenzüge bz"'· IIIaiden zurückziehen. Daraufhin
derle sich lrotz des noch andauernden Streiks das KriiifiE~verhii
nis zugunsten der Polizeihundcrtschaften. Die Führungen
rbeitergruppen sahen sich daher veranloßt, einen
stand vorzuschlagen. Am Abend des 25. März überbrachte
Abordnung der Arbeiter unter der Leitung des stellvertreleDada
Chefredakteurs der • \1ansfelder Volkszeitungc (VKPD), '"'"'...
Bechstedt, dem Polizeimajor Folie ein solches Angebot. ...a ...
Polte stellte, um den Vorscl1lag der Arbeiter hintenreiben zu
neo, die Bedingu ng, auch Waffen. ~l unition und Fahrzeuge
einem noch zu vereinbarenden Or1 ab7.llliefern. Da aber die
beiterdelegation auch dem zustimmte, blieb folte nichts an•der'el
übrig, als das Angebot 'orliiulig zu akzeptieren. Er nutzte je<loe
das bewaffnete Auftreten linksradikaler Kräfte am Abend
25. Miin in Eisleben sofort dazu aus, die begonnenen
Iungen abzubrechen. Folie hoffte, doß die Zeit weiter für ihn
bcite.
Ähnliche Überlegungen stellte auch der Re1gieJrungs~~onmlisS11
Otto Hörsing an, der rür die niichste Zeit crwa.rtete, die A.b>wE~M
front der Arbeiter würde abbröckeln. Er selbst versuchte, die:sell
Prozeß zu beschleunigen. Arn 26. Mün veröffentlichte Hu'."'"
einen Aufruf an die Arbeiter im Hegicnmgsbezirk, in dem er
VKPO vorworf, sie wlirde durch die Unterstützung des bw~Jhr­
kampfcs verbrecherische I Iandiungen begünstigen und n.i cbt
Arbeiterinteressen beriicksichtigen.
Die Fuhrung der im Hegierungsbezirk operierenden
hundertschaften wollte jedoch nicht liinger warten und driingtE
auf ein rasches, massives Vorgehen gegen die bewaffneten
ter. Zu diesem Zweck gruppierte sie die Hundertschaften
dem 25. Miir.t 1921 um, so daß nunmehr folgende Gruppen be-
standen: Grut>pe I (Eisleben) mit 16 llundertschaften. Gruppe 2
(Halle) mit 8 llunderlschaften, Gruppe 3 (Merscburg) mit 8 1-1
dertschaften, Gruppe 4 (Weißcnfels) mit iJ. llunderlscltaftcn
Gruppe 5 ( 'aumburg) mit 3 llundcrtschaften. Aus dieser Gnull"·
pierung ist zu erkennen, daß die Polizeiführung den Sch"
punkt des weiteren Einsatzes der Polizeihundertschaften
Haum Eisleben soll. Sie beabsichtigte. in den folgenden
Arbeiterfomtationen aus ihren Stützpunkten auf den Hö•henziii-
234
•
p;Pn zu vertreiben, um damit den Munsfelder See· unf Gebirgs-
kreis ganz unter Kontrolle zu bekommen. Zur wirksameren Be-
kämpfung der Stützpunkte erhielt die Gruppe I (Eisleben) eine
Feldhaubitzenbatterie der Reichswehr (4 Geschiltze) und 3
leichte Minenwerfer zugeteilt.
Die Konzentration von mittlerweile 39 Polizeihundertschaften
im Re~erungsbezirk Merscburg zeugt von den großen Anstren-
gungen der herrschenden Kreise, den Streik und die bewaffneten
.\ktioncn der Werktätigrn in diesem Gebiet niederzuschlagen.
Führende Politiker in Oeulschla.nd, so der Reichspräsident Fried·
rich Eber1 und der Heichskanzler Konstantin Febrenbacb, mein-
ten sogar, diese Anzah l von Polizeihundertschaften reiche nicht
für eine erfolgreiche ßckümpfung des Widerstands der \Verktäti-
!!l'n aus. zumal nunmehr neben Eisleben und Hettstedt auch in
anderen Teilen des Bezi rks bewaffnete Arbeitergruppen aktiv wur-
den und das Leuna-Werk sich in den lländen von Arbeitern be-
fand. Daher erwogen der Heiehspriisident und d.ie Reichsregierung
seit dem 23. Män den direkten Einsatz von Heichswehrformatio-
nen im Regierungsbezirk. \Viihrend sich der Heichspräsident und
der Reichskanzler filr eine direkte Verwendung von Heichswehr-
formationcn aussprnchen, hielten der Reichswehrminister Otto
Ge ßler und auch der Chef der l leeresleitung, General der Infan-
terie Hans von Sceckt, eine solche Mußmalune zu d.iesem Zeit-
punkt jedoch filr vcrfri.iht. Sie stimmten jedoch am 27. März der
llcran fiihrung weiterer lleichswehrfonnationen zur Abriegelung
des Gebiets und deren Bereitstellung fiir ein eventuelles Eingrei-
fen zu.
\1it diesen Maßnohmen sollten die bereits ei ngeleiteten Aktio-
nen der Polizeihundertschoflen unterstützt werden. Bereits am
26. Miir.t: 1921 waren 5 Polizeihundertschaften der Gruppe I
(Eislcben) unter f ilhrung des l>oli zeiobersten Bernhard Graf von
Poni nski aus llichtung Sandcrsleben in das Gebiet um Eisleben
'orgeriickt. Sie hatten die Aufgabe, auf der Linie Sandersleben.
llcttstedt, Leimbach, Klostermansfeld. Ahlsdorf bis nach Eisle-
ben vorzustoßen und die llöhenzüge von bewaffneten Arbeitern
zu •säubernc.
Die Arbeiter bekämpften die 1mmarschierenden llunderlscbaf-
lrn 'on den llöhcn westlich von lletlsh.:dt, vor Leimbach und
\lansfeld. Starkes Abwehrfeuer empfing die Schutzpolizisten
235
auch nordöstlich von Klostennansfeld und dann in Eisleben
selbst. Oie Polizisten kamen deshalb nur langsam voran.
Am folgenden Tag, dem 27. Mär.t, versuchten die Arbeiter er-
neut, das weitere Vordringen der Polizisten aufzuhalten. Sie hat-
ten sich auf den Halden und Hügeln in der unmittelbaren Umge-
bung von Eisleben hinter aufgeworfenen l~rdwällen verschanzt.
Gestrüpp und Dornenhecken dienten ihnen dabei als Tarnung.
Auf der l lüneburg lagen elwa 40 Arbeiter zur Abwehr des Geg-
ners bereit. Sie sollten den Hauptstoß abfangen. Vor allem aber
trugen die von Arbeitern auf der gegenüberliegenden Seite' der
Straße nach Eisleben aufgestellten Maschinengewehre wesentlich
dazu bei, den ersten Angriff der Polizisten erfolgreich abzuweh-
ren. Doch später mußten die Arbeiter zurückweichen. Während
schwache Kräfte das gegnerische Vordringen zeitweilig aufhiel-
ten, verließ das Gros der bewaffneten Arbeiter die Stützpunkte
in flichtung Wolferode und Biscbo[rode. Als die Polizisten Bi-
schofrode erreichten, empfing sie auch hier heftiges Maschinen-
gewehr- und Gewehrfeuer. Der Widerstand der Arbeiter wurde
erst durch das Geschützfeuer der 2. Batterie des Artillerieregi-
ments 4 der Reichswehr gebrochen, die diese Polizeiabteilung un·
terstlitzte.
Bei der Besetzung von Bischofrode gingen die Polizisten brutal
gegen di e Gefangenen vor und erschossen 1 von ihnen auf der
Stelle. Doch die Arbeiter ließen sich durch derartige Grausamkei·
tcn nicht beirren. Noch am seihen Tag würc es ihnen beinahe ge-
lungen, den Gruppenstab der in dieser Gegend operierenden
Polizeihundertschaften in Erdeborn bei einem Angriff zu über·
wiiltigen. Den Polizeioffizieren glückte es jedoch unter Ausn ut-
zung der Dunkelheit und mit Hilfe von 4 Personenkraftwagen, in
letzter Minute ZU mehen.
.\1it dem Ahnauen der Kämpfe am Abend des 27.Män endete
der bewaffnete Widerstand der Arbeiter im größten Teil des
Mansfelder Gebiets. unmehr herrschte hier die PolizeiwiUkür.
Unter Zurücklassung von 4 Hundertschaften, die am 31. März
noch durch 2 weitere verstärkt wurden, stießen die nnderen Poli-
zeihundertschaften am 28. Mär.t in Richtung Wansleben, Schaf·
stiidt und Querfurl auf Leuna - ein weiteres Zentrum des Ab-
wehrkampfes der mitteldeutseben Arbeih:r - vor.
Sechs Tage, vom 22. bis zwn 27. Miirz 1921 , hatten die Ar bei·
236
h•r des Mansfelder Gebiets durch Streiks und bewaffnete Aktio-
nen den Polizeihundertschaften Widerstand geleistet. Eit~ige Poli-
zeiformationen gerieten dabei in eine schwierige Lage. Die
Arbeiter verstanden es, unter Ausnutzung ihrer Ortskenntnis
~ünstige Verteidigungsmöglichkeiten zu finden, das Überra-
schungsmoment zu nutzen und variable Angriffsfonneo zu ent-
wickeln. Überlegt bezogen sie Höhenzüge und Halden in den
Ab"ehrkampf mit ein. Zeitweilig beeinnußten bewaffnete Arbeiter
dit• politische Entwicklung in mehreren Orten. Ocr Polizei gelang
es nur durch zusätzliche Kräfte, den Widerstand der Arbeiter zu
lm•chcn. Das Mansfelder Gebiet war bis zum 27. Mä rz 1921 das
Zl'ntr·um des Abwehrkampfes. Oie von dort ausgehenden Im-
pulse hatten ei nen beträchtlichen Einfluß darauf, daß die Arbei-
ter des Leuml-Werkesam 23. März 1921 beschlossen, in den Ge-
nrral; trcik zu treten. Querfurier Arbeiter fiihltcn sich veranlaßt,
drn 1\lansfcldern run 25. März bewaffnet zu llilfe zu eilen. Auch
untrrstützten mehr als I 00 bewaffnete Arbeiter aus Halle die
Kämpfer im Iaosfeider Gebiet.
Doch konnten die Arbeiter trotz dieser l lilfc und ihres energi-
s<"hr n Widerstands nicht verhindern, daß sich das Kräfteverhält-
nis seit dem 25. März weiter zugunsten der an Zahl und Bewaff-
nung weit überl egenen Polizeihundertschnftcn veränderte. ach
den Erfolgen der Schutzpolizei in den Gebieten um Eisleben und
ll(•ttstedt verringerte sich di e Möglichkeit, die Polizeihundert-
st·hurtcn zum Rückiug aus dem Regierungsbezirk zu zwingen.
Die Polizisten gingen in den von ihnen jetzt kontrollierten Ce-
hir ten mit größter Brutalität gegen diejenigen vor, die sich run
i\bwt>hrkornpf beteiligt hatten. Polizisten folterten in der Mäd-
ch('n' olkssehule von Eisleben Gefangene, in Schraplau und Klo-
stcnnansfeld erschossen sie Festgenommene und terrorisierten
die ßc, ölkerung mit ·willkürlichen Hausdurchsuchungen und
\ erhaftu ngen. Derartige Vorkommnisse riefen unter den Werktä-
tigen große Entrüstung hervor. Sie waren eine Ursache dafür,
duß sich der Abwehrkampf in den übrigen Gebieten des Regie-
rungsbezirks verstärkte.
237
 Bewaffnete Auseinandersetzungen in anderen Teilen
des Regierungsbezirks Merseburg
lm größten Teil des Regieru ngsbezirks Merseburg setzten die Ah-
wehraktionen gegen den Polizeieinmarsch später als in Eisleben.
Hcttstedt und Umgebung ein. Lediglich in Teutschentlwl kam es
bereits am 19. März 1921 zu Auseinandersetzungen zwischen
Werktätigen und Polizisten, als die 3. Polizeihundertschaft aus
~ lagdeburg in den Ort einmarschierte. Auch hier schlug die seit
langem angestaute Unzufriedenheit über die sich verschlech-
temde Lebenslage angcsichts dieses ~ ill küraktes in Empörung
um und führte am 23.Miirz zum Streik. Am seihen Tag entstand
mit Hilfe des Gemeindevorstandes, einschließlich seiner sozialde-
mokratischen Mitglieder, und des Gemeindevorstehers, dem Mit-
glied der VKPO F'riedrich Märker, eine bewaffnete Arbeiter-
gruppe im Ort. Sie sollte dem Streik bewaffneten Rückhalt geben.
Diese anfangs etwa 60 Mann starke Gruppe schloß sich zu- ~~ a~ N

"'
~ ~li
nächst anderen Arbeiterformationen an, um mit ihnen gemein-
sam die Heranführung von Polizeiverstiirkungen nach Eisleben
zu verhindern, und beteiligte sich an den Kämpfen bei Helfta,
Schraplau und Stedten. achdem die in Tcutschenthal einquar-
. 0~
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tierte Polizeihundertschaft in llichtung Eisleben abgezogen war, ~ ~ ~~::! ·-=
um den dort in ei ne schwi erige Lage geratenen Hundertschaften ~ l:f~~~
Hilfe zu leisten, besetzten bewaffnete Teutschcntholer Arbeiter ~~ ~rf~" . . . . . . .
wichtige Punkte des Ortes, so die auf einer Anhöhe gelegene Zuk-
ker(abrik. Von dort konnten sie die wichtigsten Zufahrtswege
noch Teutschenthnl einsehen und teilweise sichern. Oie vorüber-
gehende Besetzung anderer Cebüude sollte ebenfalls der Vertei-
digung vor eventuellen Angriffen zurückkehrender Polizeifonna-
tionen dienen.
Am 25.Miirz verstärkten mehr als I 00 bewaffnete Arbeiter aus
Halle und aus anderen Orten die Teutschenthaler Gruppe, die
~
nunmehr über 300 Mann um faßte, allerdings nur etwa I 00 Ce-
wehre sowie ein schweres und ein leichtes .Maschinengewehr be-
=
"
saß. Trotz unzureichender Oe"affnung spielte diese Gruppe im
Abwehrkampf gegen die Polizeihundertschaften eine bedeutende
Rolle. Sie ergab sich aus ihrer zahlenmäßigen Stärke und aus
ihrem llandlungsraum, der sich nur drei bis vier Kilometer 'oo
Halle in unmittelbarer Nähl.' des Leuna.Werkes befand. Außer-

238
•
 ~
dem beteiligten sich Kräfte dieser Gruppe zusammen mit andle.
ren Arbeiterfonnationen an den Kämpfen im Raum Eisleben
gaben den zumeist kleineren bewaffneten Gruppen der in
Nähe befindJicben Orte RückhalL Derartige, oftmals nur I 0
20 Mann zählende Gruppen bestanden beispielsweise in Benn-
stedl, Dölau, Holleben, Lieskau und Zscberben.
Den Teutschenthaler Kämpfe rn gelang es am 26. März, Vor-
stöße der Schutzpolizei bei Köchstedt, Hollsdorf und in die un-
mittelbare ähe von Teutschenthal abzuwehren. Dabei nahmen
sie 3 Polizeiwachtmeister einer Streife gefangen. Ein weiterer ""''.
griff von Polizisten , diesmal unter Einsatz von 2!4
ten und 2 leichten Minenwerfern, konnte am nächsten Tag abf~e­
wiesen werden.
Die linkssektiererische Haltung, der die Führung dieser
Gruppe in der Mehrheit unterlag, schränkte jedoch die Wirks:am1·.·
keit der Teutschenthaler Kiitnpfer für den Abwehrkampf der Ar·
beiter im Regieru ngsbezi rk Mersebttrg ein. Verhängnisvoll wirkte
sich der Entschluß aus, mit starken Kräften in der acht zum
28. Mäi".G der Gruppe unter Max Hoelz zu folgen. Die illusioni\re
Absicht, Halle zu besetzen, führte dazu, daß die Positionen der
Arbeiter in Teutschenthal fast kampflos aufgegeben wurden,
denn die verblei~bende Restgruppe von etwa 50 Arbeitern konnte
den bald folgenden Angriffen von Polizeiformationen nicht stand·
ha.lten.
!n Bitterfeld wirkte eine weitere starke bewaffnete Arbeiter-
gruppe, die sich am 24. März 1921, jenem Tag, an dem in der
Stadt der Generalstreik einsetzte, gebildet halte. Ihre F.ührung
übernahm das Mitglied der VKPD Gerhard Thiemann. Sitz des
Stabes war das • Volkshause der Stadt. Zur Bitterfelder Gruppe.
die etwa 250 bis 300 Mann ttmfaßte, gehörten auch zah lreiche
Arbeiter aus den in der · ähe gelegenen Orten, vor aiJem aus
Holzweißig.
Zahlreiche Mitglieder dieser Gruppe waren Jugendliche, deren
Einsatzbereitschaft und Mut, insbesondere bei der Beschaffung
von Waffen UJld Munition sowie als Arbeitersamariter, die
Schlagkraft der Bitterfelder bedeutend erhöhte. Ein Beispiel gab
der achtzehnjährige Kurt Herzau, Vorsitzender der Ortsgruppe
des Kommunistischen Jugendverbandes in Bitterfeld. Er schloß
sich bewaffneten Arbeitergruppen an und nahm als Arbeitersa·
240
111ari teran den Kämpfen um das Bitterfelder Rathaus, bei Grö-
bers und bei Beesenstedt teil. Am 31. März 1921 fiel Kurt He r-
zau Polizisten in die Hände, die ilm - obwohl er die AJ·mbinde
mit dem ,Roten Kreuz trug - run Ortseingang von Beesenstedt
heimtiickisch ermordeten.
Einige Tage vor dieser schiindJichen Tal, in der acht zum
27. März, hatten bewaffnete Arbeiter Rathaus, Amtsgericht, Ge-
fringnis, Bahnhof und Postamt in Bitterfeld besetzt. So konnten
sie nun auch den Eisenbahn- und Fernsprechverkehr iiherwa-
chen. Um das Rathaus, in dem sieb der Sitz der Hauptpolizeiwa-
che befand, entwickelte sich ein längerer und heftiger Schuß-
wechsel, bevor den Arbeitern dessen Einnahme gelang und sie
die Polizisten, den Landrat sowie andere maßgebliche Beamte
vorübergehend arretieren konnten. Hierdurch schufen sich die
Bitterfelder Arbeiter Voraussetzungen für die Kontrolle über die
Stadt, die sie bis zum 29. März 1921 ausübten.
Andere bewaffnete Arbeiter unterstützten den Abwehrkampf
der Werktätigen des Regierungsbezirks außerhalb Bitterfelds. Sie
halfen beispielsweise den Arbeitern aus Zörbig, deren H eimat-
on zeitweilig zu überwachen, und kontrollierten mit anderen
Bewaffneten die Eisenbahnstrecken Köthen- Halle, Bitte rfeld-
Wittcnberg und die AusfaUstra.ß en Bilterfelds.
Am 28. März 1921 marschierte der größte Teil der Bitterfelder
Gruppe aus der Stadt in Richtung Lewta-Werk. Er verstärkte
sich unterwegs mit bewaffneten Arbeitern aus Holzweißig, Ram-
sin, Roitzsch und Sandersdorf. Aber der Entschluß, den bedräng-
ten Leuna-Arbeitern zu Hilfe zu kommen, kam zu spät. Inzwi-
schen hatten Polizeihunder1schaften einen dichten Kordon um
das Werk gebildet.
Im Geiseltal (Geisel - ein Nebenfluß der Saale) hatten sich
nach dem 25. März ebenfalls bewaffnete Arbeitergruppen for-
miert, von denen die bekannteste und erfolgreichste unte r der
Leitung von Otto Gebenroth stand. Ihre Existenz in diesem Tal,
das durch seine Braunkohlevorkommen ein wichtiger Rohstoillie-
ferant für die in unmittelbarer iihe gelegenen Leuna-Werke war,
besaß eine große Bedeutung für den Gesamtverlauf des Ab-
wehrkampfes im Regierungsbezirk Merseburg. Ein zentraler Ak-
tionsausschuß, in dem Mitglieder der VKPD über entscheiden-
241
 den Einfluß verfüg1en, wirkte maßgebli ch auf die StreikJei1tun~et
und Aktionsausschüsse der Braunkohlengruben.
Einen Teil der für diese Arbeiterwehren benötigten
nahmen die Arbeiter Landjägern, Cutsbesitzern und An1gelhöri-
gen von Kriegervereinen ab. nch d er Aufstellung der Arli>eilter-
wehren trafen die Werktätigen Vorkehrungen, um einem Angrill
der Poli~ei formationen erfolgreich begegnen zu können. Sie ho-
ben Schützengräben aus und bauten Verteidigungsstellungen.
Auf diese Weise gelang es ihnen, am 26. März in einem Schuß.
wechsel etwa 50 Polizisten, die in das Geiseltal einzudringen ver-
suchten, zum Bückzug zu z wingen.
Doch nicht überall verliefen di e bewaffneten Abwehrkämpfe
erfolgreich. Am 27. März konnten 2 Polizeihundertschaften bei
Klein-Lauchstedt etwa 100 Arbeiter nach kurzem Kampf über-
wältigen und gcfangennehmen.
Eine Formation bewaffneter Arbeiter, die sich von den bisher
genannte n Gruppen deutlich unterschied, kämpfte unt er Führung
von Max Hoclz. Dieser, damals 32 Juhre alt, gehör1e seit April Kömpf-. eg der ll orlzgruwe. Miin) April 192 1
1920 der KAPO an. Ihm folgten in erster Linie Werktätige, die
wegen ihrer Lebenslage verzweifelt waren, die nich t die GeduJd hiingem sowie auf Wagen und zu Fuß. rückten wir am Mittwoch,
für einen lang dauernden, hartnäckigen KJassenkampf besaßen dt>m 26. März, in Sangerhausen ein. Meine Absicht war, diesen
und teilweise in der KAPO organisiert waren, sowie politisch we- Ort nur als Durchgangsstation auf dem Marsch nach I lalle zu be-
nig erfahrene junge Arbeiter. nutzen. Hier in Sangerhausen sollten die Arbeiter vor allem ein
Das Wirken der ll oelzgruppc crstreckte sich im Unterschied uusgiebiges, warmes Mittagessen erhalten. Sie waren in den letz-
z u den anderen bewaffneten Formationen der Arbeiter in Mittel· lrn Tagen nur unregelmäßig und unzureichend verpflegt worden.
deutschllllld über mehrere Orte des Regierungsbezirks Merse- Jt>dl'r Gasthof mußte für hundert oder hundertfünfzig Arbeiter
burg und trug oftmals spel..1akuläre, a narchistische Züge. Diese kochen. Kaum eine halbe Stund e nach unserem Eintreffen erhiel-
Gruppe entstand innerhalb weniger Tage nach der Ankunft von ten wir unerwarteten Besuch eines mit württembcrgischen Zeit-
Max Hoelz am 22. März 1921 in Klostermansfc ld. Bere its am freiwilligen besetzten Panzerzuges. Obwohl wir während der ver-
24./25. Miirz wnr sie nach Angaben von Max ll oclz etwa (l;nngenen acht im schwersten Kampf gestanden und die
300 Mann stark, die über ungefHhr I 00 Gewehre und 3 Maschi· Arbeitersoldaten nicht e ine Stunde Huhe gehabt hatten, ergriff je-
ncngewebre verfügten. Angehörige der Gruppe beteiligten sich dt>r mit Begeisterung die Waffen.c
am 23. und 25. März in Eisleben sowie am 25. März in Hettstedt Ein Teil der württembergischen Besatzung des • Strecken·
an bewaffneten Auseinandersetzungen. hrhutzzuges Stuttgartc schwärmte auf dem Bahnhof Sangerhau-
Ei n länger anhaltendes, in diesem großen Ausmaß nicht e rwarte- St>n aus, drang in das Bahnhofsgebiiude ein und nahm die bewaff.
tes Gefecht entwi ckelte sich zwischen dieser Gruppe und bewaff· nctcn Arbeiter unter Beschuß. Oie heftigen Auseinnndersetzun-
neten Kräfte n der Reaktion am 26. liirz in Sangcrhausen. Max ~l'n - sie cndrtcn für die Zeitfreiwilligen mit einem Toten und
l loelz be richtetr darüber in seiner Autobiographie . Vom >weißen 20 Verwundeten - hielten bis zum spiiten Abend an. Die Arbei·
Kreuze zur roten Fahnec: . Mit zehn Lastautos, zum T eil mit An· Irr verloren dabei 3 Kämpfer.

242 243
 Die lloelzgruppe setzte ihren Marsch in Richtung An1memJof
for1, wo sie in der lacht zum 28. Män mit etwa I 000 Mann
15 Lastkraftwogen eintraf. Sie drängte die dor1 befindlichen
zeikriHte auf das in der ähe gelegene Gut Beesen ab und kreiste
die Polizisten ein. Versuche anderer Polizeiformationen, die
geschlossenen zu befreien. scheiterlen am energischen
stand der bewaffneten Arbeiter. So auch der AngriJT einer Tecb.'
nischen Polizeihundertschaft, die im Unterschied zu den an'cler-eq,
1-lundertsehaften durch ihre größere Zahl an Ma.sehline:ngclwe:hre~n:
und durch den Besitz von Minenwerfern über eine
Kampfkraft verfügte. Erst als insgesamt 6 Hundertschaften
nördlicher, östlicher und südlicher Richtung auf Ammendorf vn'""
stießen, entstand für die Arbeiter eine kritische Lage. Sie zogen
sich 1111ch Ammendorf zurück und verließen den Ort nach einem
liingercn Gefecht mit den überlegenen Polizeiformationen. " '·•
har1 die bewaffneten Auseinandersetzungen waren, veranschauli-
chen die \ erluste auf der Seite der Arbeiter, die 30 Tote zu be-
klagen hatten, 70 Arbeiter gerieten in Gefangenschaft. ln diesem
Kampf zersplitterte die unter Führung von Ma.' Hoelz stehende
bewaffnete Arbeitcrformation. Verschiedene kl ei ne Gruppen zo-
gen in das Geiseltal, andere in Richtung Gröbers und nach Wet-
tin oder Oeesenstedt.
Die bewnHnete Gruppe unter der Führung von Mnx Hoelz
ziihlte zu den bedeutendsten während der Märzkämpfe 1921. fhre
Kampfkraft ergab sich vor allem 11us ihrer zahlenmäßigen
Stärkr - auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung umfnßte sie
kunzeit.ig etwa I 000 Mann -, aus ihrer durch zahlreiche Last-
und Personenkraftwagen gesicherten Beweglichkeit und aus ihrer
relativ guten Bewaffnung. Das Auftreten der Hoelzgruppe
brachte die Polizeihundertschaften oftmals in schwierige Situatio-
nen, band zahlreiche Polizeikräfte und half, den \Viderstandswil-
ll'n vieler Werktätiger zu stärken.
Manche Handl ungen dieser Gruppe fügten aber dem Abwehr-
kampf der Arbeiter belrächtliehen Schuden zu. Sie gaben der
ßourgroisil' willkommenen Anlaß, ihre antikommunistische
llet?.e gegen die mitteldeutschen Arbeiter zu forcieren und insbe-
sondere die revolutionäre Vorhut, die VKPO, zu verlewnden.
l~inen gewichtigen Anteil an den ultralinken Tendenzen dieser
Gruppl' hatte Mnx Hoelz. Er verabsolutier1e den bewaffneten
24~
Kampf und verstand nicht, daß die Arbeiterklasse zu dieser
schärfsten Fonn der Klassenauseinandersetzung nur dann greifen
sollte, wenn sie dazu von den Repressionsorganen der Bourgeoi-
sie gezwungen wird. Hoelz vermochte es nicht, die objektiven Be-
dingungen, unter denen der Kampf des mitteldeutschen Proleta-
riats damals verlie[, real zu beurteilen. Er glaubte, mit einigen
tausend verwegenen Kämpfern einen allgemeinen Aufstand ent-
fesseln zu können, und verstand nicht, daß es vor allem darauf
anknm, die Arbeitermassen zu gewinnen. Hoelz wich dem Ange-
bot der VKPD aus, mit ihr zusammenzuarbeiten und gemeinsam '
das bewaffnete Vorgehen zu beraten. Trotz seines anarchistischen
Dr nkcns und Handeins ließ er sich jedoch nie in prinzipiellen
Gl'grnsatz zur revolutionären Arbeiterbewegung bringen und
fühlte sich immer den Gesamtinteressen der deutschen und inter-
nationalen Arbeiterbewegung verbunden.
ßemerkenswer1 ist sein legendärer Ruf, der sich in erster Linie
auf sein Auftreten in den Jahren 1919 bis I 92 I gründele. Viele
Wrrktätige, insbesondere die Ärmsten der Armen, sahen in ihm
einen Rebell, einen unerschrockenen Kümpfer für soziale Ge-
reehtigkeit. Mnx Hoelz war mutig und selbstlos, seine Spontanität
und Aktivität rissen andere mit. Wie Freund und Feind berich-
ten, besaß er eine starke persönliche Ausstrahlungskraft Doch zu
einem wirklichen Führer der Arbeiterklasse fehlte ihm die klare
politische Einsiebt in die gesellschaftlichen Vorgänge.
Der 111. Kongreß der Kommunistischen Internationale nahm
zu r Rolle von Mnx Hoelz in den Mänkämpfen 1921 Stellung. Er
kritisierte die Überbetonung des bewaffneten Kampfes durch
Hoelz und die dabei von ihm angewandten anarchistischen Metho-
den. achdrücklieh hob der Kongreß jedoch auch hervor: oAber
die Kommunistische Internationale sieht in Max Hoelz einen mu-
tigen Rebell gegen die kapitalistische Gesellschaft ... Seine Taten
waren nicht zweckentsprechend ... Aber seine Taten entspringen
der Liebe zum Proletariat, dem Haß gegen die Bourgeoisie.«
Kampf um Leuna
~ic rneh r als 20 000 Beschäftigten des Leuna-Werkes, des druna-
rgNl Ammoniak-Werkes Merseburg der Badischen Anilin- und
245
 Sodafabrik, "aren durch ihre Zahl und Konzentration eine ~rro.a.. ·
Kraft im Abwehrkampf der mitteldeutschen Arbeiter. Auf die
Provokation hatten sie unmittelbar reagiert. Bereits am 21. Män
1921 protestierten Tausende Leunu-Arbeiter wiihrend einer
Kundgebung gegen den Polizeieinmarsch und verlangten den so-
fortigen Abzug der Polizei aus dem Regierungsbezirk Mersebu11
sowie die Bewaffnung der Arbeiter. Die Kundgebu.ngstcilnchmer
beschlossen, die Arbeit einzustellen, sollte die Polizei die Kon-
trolle über das Werk übe rnehmen.
Um die Forderungen durchzusetzen, wurde ein Aktionsaus-
schuß gebildet. Dessen Vertreter teilten dem Direktor des Werkea
mü, daß ab sofort der Ausschuß die Arbeiter führe und alle An-
ordnungen der Direktion von ihm genehmigt werden müßten.
Der Ausschuß begann, in wichtigen Frugen die Kontrolle des
Werkes zu übernehm en, und es gelang ihm - trolz mancher
\<leinungs,erschiedenheiten -, den Widerstandswillen der Mehr-
heit der Leuna-Arbeiter in konkrete Abwehrmaßnahmen umzu-
setzen. Oaran hatte die politisch kluge llaltung von Vertretern
d es Betriebsrates, insbesondere von Ben1ard Koenen, und der
Leitung der VKPD des Werkes maßgeblichen Anteil.
Unter ihrem Einfluß versammelten sich nach Bekanntwerden
der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Schutzpolizisten
und Eislebeocr Arbeitern am Vormittag des 23. März mehr als
I0 000 Arbeiter des Werkes zu einer Protestkundgebung. Siebe-
schlossen, ab 14 Uhr in den Generalstreik zu treten und einen
Karnpfausschuß zu bilden, der die Bewaffnung von Arbeitern des
Werkes einleiten sollte. Ihm gehörten die Mitglieder der VKPD
Fritz Sperber und Waller Lederer an. Dieser Ausschuß organi·
sierte noch am selben Tag die Entwuffnung des We rkschutzes,
die Besetzung der Werktore durch bewaffnete Arbeiter und
stellte Arbeiterformationen auf. Oie Kräfte dafür kamen 'on den
eh•a 800 Arbeitern. die sich gegen 15 Uhr auf dem Sportplatz
des Werkes eingefunden hatten. Sie wurden in II Schützenkom·
panien und eine Radfahrkompanie gegliedert und begannen um·
gehend mit der militärischen Ausbildung. An verschiedenen Stel·
len des \ erkes errichteten die Arbeiter Barrikaden und hoben
Gräben aus. Sie beschlagnahmten Personenautos und Lastkrafl·
wagen, requirierten Vcrbandsmateria l, bildeten Saniliitstrupps
und bauten ei nen achrichtendienst ouf.
246
Eine solche Entwicklung gab den kämpfenden \ erktätigen
des r>Jansfelder Gebiets neue HoUnung. Sie en~artctcn von den
Leuna-A rbeitern eine wirksame Hilfe beim Kampf gegen die Poli-
zeihundertschaften und dabei, die For·derung nach Abzug der
Polizeiformationen durchzusetzen. Oie Maosfelder horrten, da.ß
die Leuna-Arbeiter eine Koordinierung und Zusammenfassung
aller im Regierungsbezirk kämpfenden Arbeiter erreichen wür-
den. Daher zogen auch mehrere Gruppen bewaffneter Werktäti-
ger aus den verschiedenen Teilen des Gebiets zum Leuna-Werk.
Die an das politische Beispiel der Leunu-Arbeiter geknüpfte n Er-
wartungen gi ngen einmal von der zaluenmiißigen Stärke der in
diesem Werk Beschäftigten, von den dort organisierten rund
2 000 Mitgliedern d er VKPD aus, zum anderen von dem Ge-
wicht, welches der ame Lcuna damols in der revolutionären
deutschen Arbeiterbewegung besaß.
Dieser Optimismus war jedoch von einer gewissen Überschät-
zung der militärischen Kampfkraft der Leuna-Arbeiter geprägt.
·icht jede in Leuna gebildete Kompanie war eine einsatzbereite
militäri sche Formation. Oie Ausrüstung und Bewaffnung der
Kompanien wies große Miingel auf. Die Leuna-Arbeiter verfügten
höchstwahrscheinlich über nicht mehr als 200 bis 300 Gewehre
und einige Pistolen. Es können sich nur zu der Zeit mehr Waffen
im Werk befunden haben, als auswärtige bewaffnete Gruppen
nach dem 26. März die Werkbesatzung verstärkten. Auch die
große Zahl selbstangefertigter Sprengmitlel und Handgranaten
glich diesen Waffenmangel nicht aus.
Die Arbeiterformationen in Lcuna kon :r-entrierten sich von An-
fang an auf die Verteidigung des Werkes. ur klein ere Gruppen
unternahmen Erkundungs- oder Unterstützungsaktionen in der
näheren Umgebung. ln e inigen F"rillen, wie beim Angriff von
Schutzpolizisten am 26. litrz 1921 auf eumark, kam es zu
einem Zusammenwirken von Leuna-Arbeitern mit Angehörigen
örtlicher Gruppen bewaffneter Werktätiger.
Ein Beispiel für die Einsatzbereitschaft der Leunawerker, für
ihren Wide rstandswillen und ihre Findigkeit war der Bau sowie
der Einsatz eines gepanzerten Zuges. Ein Arbeiter, Paul Winkler,
der am Umbau dieses Zuges beteiligt war. berichtete darüber:
• Es war Ostersonnlag 1921, 7 Uhr, beim MorgenappelL Es ging
darum, die Kampfkraft der Leu.nawerker zu erhöhen. Deshalb
247
 •
mnchtcn die Genossen vom Aktionsnussehuß den
einen P1111zerzug zu bauen. Aber wie? Es mußte alles
schnell gehen. Etwa 50 Mann der angetretenen Kämpfer me:Jae~ ,
ten sich freiwillig, sofort mit dem Bau zu beginnen. Einer mußte
verantwortlich sein, damit alles klappte. Oie Wahl riel auf mich.
Früh, gleich nach dem MorgenappeU, hatten wir angefangen.
1'\ach ungeflihr 20 Stunden, in der acht vom Ostersonntag zum
Ostennontag zwischen drei und vier Uhr, stand der Panzerzug
fertig da. Ordnungsgemäß haben wir ihn im Morgengrauen an
den militiirischen Leiter übergeben. Das war unser Auftrag.« Der
Panzerzug bestand aus zwei Eisenbahnwaggons und einer Loko-
motive, die mit 15 mm starken Stahlplatten, in denen sich Schieß.
scharten befanden, ltmkleidet waren. ln jedem Wagen standen
auf einem Gestell aus starken Holzbohlen 2 Maschinengewehre.
Zwischen dem Lokomotivführer und der ß esntzung existierte
eine Tclefonverbindung.
Dieser Zug. auf dem das Mitglied der VKPD \Villi Krelz·
schmar als Lokomotivführer und das SPD- litglied Otto Acker·
mann als l leizer tätig waren, befuhr die Eisenbahnstrecke
Leuna-Großkorbetha und sollte helfen, das Werk vor Polizeiak-
tionen w schützen. Während seiner zahlreichen Streifenfahrten
gelang es der Besatzung mehrmals, Angriffe von Polizisten abzu·
wehren. So wurde am 25. Mön 1921 ein Vorstoß von etwa
I 00 Polizisten bei Spergau zum Stehen gebracht.
Oie für die Polizeiprovokation Veranlwortlich~n hatten er-
kannt, daß die Kampfkraft der Leuna-Arbeiter und die Ausstrah-
lung, die von Leuna auf die WerktJiligen im Regierungsbezirk
ausging, zum größten Hindernis für die Realisierung ihrer Pläne
geworden war. Sie bereiteten daher einen überraschenden An-
griff auf das Werk vor. acb der Zerschlagung Mhlreicher be-
waffneter Arbeitergruppen waren sie jetzt wieder in der Lage.
eine größere Anzahl von Polizeihundertschaften für eine solche
Aufgabe zu konzentrieren. Die Kommandeure der im Regie-
rungsbezirk Merseburg operierenden Polizeihundertschaften
wurden daher angewiesen, Angriffsvorbereitungen gegen das
Leuna· Werk einzuleiten. ln der »Anweisung für den Angriff nach
Orientierung der Örtlichkeilc, die mit dem Angriffsbefehl am
28. Miirt 1921 abgcfaßt worden war, hieß es: • Das Werk ist von
einem l lolzzaun umgeben, der 2 m hoch ist. Es gibt nur einen
248
llaupleingang in das Werk. Am Bahnhof westlich des Zaunes
befi ndet sich der größtenteils aufgeschüttete ßalmdamm, der in
diesen Tagen besetzt isL Es kommt darauf an, auf die Einbruchs-
stelle (Haupteingang) ein kräftiges Schnellfeuer von Artillerie und
\1 inenwerfem zu legen.• Der Angriff sollte danach gleichzeitig
gegen den Bahndamm und den Haupteingang sowie südlich und
nördlich davon stattfinden.
Am Abend des 28. März erhielten die inzwischen nach Leuna
herangeführten 21 Polizeihundertschaften den Befehl, bis zum
29. März, gegen 5 Uhr, die Ausgangsstellungen zu beziehen.
ördlich des Werkes gingen 4, östlich eine, südlich 4 und west-
lich davon 12 Polizeihunder1schaften in Stellung. Oie Feldhaubit·
zcnbatlerie der Reichswehr bezog mit 4 Geschützen Stellungen
z" ischen Zscherben und Kölzschen sowie südwestlich davon in
unmittelbarer ähe des Bahnhofs. Die Bereitstellung von 2 Ge-
schützen am Bahnhof Kötzschen machte sich erforderlich, da von
der l löhe südlich von Zscherben ein direkter Beschuß des
Haupteingangs nicht möglich war. Gegen 6 Uhr hatten die Hun·
dertschaften das Leuna-Werk nahezu umschlossen und waren
tum Sturm hereiL
Im Verlauf des 28. März erkannten die Funktionöre des Be·
tricbsrates und des Aktionsausschusses '7 auf der Grundlage ver-
schiedener Meldungen - die für die Arbeiter im Werk cnlslan·
dcne bedrohliche Lage. Sie beschlossen nach meh reren
Beratungen, auf einen Widerstand zu vertichten. Denn die Unter·
legenheil der Arbeiter an Waffen und die Tatsache, daß sie (ak-
tisch eingeschlossen waren, konnte nur zu unnötigem Blutvergie·
ßen führen. Die Arbeiterfunktionöre unternahmen deshalb auch
nichts dagegen, als ein großer Teil der bewaffneten Arbeiter ver·
suchte, in der acht zum 29. März den relativ schwachen Ein-
schließungsring östlich des Werkes zu durchbrechen und sich
über die Saale in Sicherheil zu bringen. Oieses Vorhaben gelang
auch einigen kleineren Gruppen, da die südöstlich des Werkes
bei Dürrenberg eingesetzte Polizeihundertschaft nicht in der
Lage war, das fast zwei Kilometer breite Gebiet zwischen Merse·
burg und Dürrenberg hermetisch abzuriegeln.
Nachdem der Beschluß über den Verzicht auf bewaffneten Wi-
derstand geraßt worden war, verständigten Bea uftragte des Be·
triebsratcs und des Aktionsnusschusses sofort die Direktion da·
249

lnlptMMit'WIWy ·~
~ l'tnll'l:lkl 1llltH1tloJXIltlllm
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Ausgangsriiurne der Polizeihundertschaften fiir den Angriff ouf das
Lcun•· Werk. 28129. Miin. 1921
von und baten sie darum, diese Entscheidung der Polizeifühnmg
mitzuteilen. Oie Direktion lehnte das jedoch ab und drängle den
Kommandeur der Polizeihundertschaften sogar noch, keinesfalls
darauf zu verzichten, das Werk zu stürmen.
Am 29. März 1921, 6.50 Uhr, leitete der Beschuß des Haupt·
eingangs den Angriff auf das Leuna-Werk ein. Nacb etwa
20 Schuß verlegte der Batteriechef das Artilleriefeuer in das
Wcrksinnere, vor allem auf die Wohnbarackcn. Dabei bestand
sogar die Gefahr, Ammoniakbehälter zu treffen und hierdurch
Explosionen und das Ausströmen von giftigen Gasen auszulösen.
Unter dem Feuerschutz der Reichswehr, die insgesamt etwa
70 Schuß abgab, arbeiteten sich die Polizisten so weit an das
Werk heran, daß sie gegen 8 Uhr mit dem Sturm beginnen konn·
250
trn. Ocr Widerstand der Arbeiter war nur schwach. Aus ei.nem
im siidwestlichen Abschnitt des Werkes gelegeneo dreistöckigen
Grbiiude erhielt die Polizei heftiges Ge" ehrfeuer. Einige bewaiT-
nrtr Arbeitergruppen beschossen die angreifende Polizei aus den
nahr a m ~ erk gelegenen Dörfern Lcuna·Ockendorf und Rössen.
Enrrgisches Abwehrfeuer schlug den angreifenden Polizisten
auch aus dem südlichen Teil des Werkes und aus dem Was-
srrkraftwerk bei Oaspig entgegen. Als es den Polizisten schließ·
lieh gelungen war, in das Werkgelände einzudringen, stießen sie
nu r noch auf vereinzelten Widerstand. Dennoch ging die Polizei
rürksichtslos gegen die Arbeiter vor und erschoß viele, so daß
di!' Zahl der auf diese Weise getöteten Arbeiter wesentlich die
der im Kampf gefallenen überstieg. Genuue Angaben hierzu sind
jedoch nicht möglich, da die vorliegenden Meldungen über die
\ nzahl der T oten auf seilen der Arbeiter zwischen 30 und 70
schwanken. Dagegen verloren die Polizeihundertschaften nur
rinen Toten und mehrere Verwundete.
Oie Polizisten nahmen etwa I 700 Arbeiter innerhalb lmd au·
ßcrhalb des Leuna-Werkes fest und sperrten sie in zwei leerste-
hrnde Silos, ~laterialspeicher des Werkes, ein. Oie 50 Meter lan-
~cn, 30 Meter breiten und 20 Meter hohen Silos hatten keine
Fenster und nur Betoniußboden. Hier mußten sich die Gefange-
nen tagelang bei kärglicher Verprlegung aufhalten und wurden
von dort aus zu Verhören geschleppt. Um die Gefangenen aus
dirscr qualvollen Lage zu befreien, drangen in der 1acht zum
30. März 1921 vier junge Arbeiter in das Werkgelände ein. Sie
bt'absichtigten, die Wachen zu überrumpeln, Mascbinengewehr-
schüt.z en auf den Brücken kampfunf'lihig zu machen und danach
'O viele Gefangene wie möglich zu befreien. Der kühne Plan
'<'hciter1e jedoch im letzten Augenblick. Oie Polizisten entdeck-
ten die jungen Arbeiter, unter ihnen die Jungsozialisten Johannes
Ludy und Albert Steiobrück, und erschossen sie •auf der
~luchtc .
Sie und sieben weitere ermordete Arbeiter des Leuna· Werkes
WUI·den nuf dem Gänseunger, von Leunu-Kröllwitz in der Hoff-
rwng vcrschnrrt, hierdurch die gemeuchelten Arbeiterkämpfer
dem Vergessen preiszugeben. Doch bereits tun I. Mai 1921 lag
<'in Kranz mit roter Schleife auf dem Grabhügel. Im März 1922
zogen Arbeiter aus dem Kreis Merscburg zu Ehren der gefalle·
251
nen KJossenbrüder nach Kröllwitz. Seilher fanden hier bis zur
Errichtung der faschistischen Diktatur jedes Jahr im März Ge-
denkkundgebungen statt.
Mit der Erstürmung des Leuna-Werkes fiel der letzte größere
Stützpunkt der bewarrneten Arbeiter im Regierungsbezirk Merse-
burg. Die jetzt folgenden bewarineten Auseinandersetzungen er-
gaben sich zumeist aus dem Zusammentreffen von Polizeiforma-
tionen mit einzelnen und zersplittert handelnden be.warrneten
Arbeitergruppen.
Letzter Widerstand
Am Morgen des 29. März 1921 stießen die bewarrnetCJl Arbeiter,
die einen Tag zuvor Bitterfeld verlassen holten, bei Gröbers, das
etwa I 0 Kilometer südöstlich von Halle liegt, auf andere kleinere
Gruppen von Arbeiterkämpfern und vereinigten sich mit ihnen.
Der Zusammenschluß war noch nicht beende!, ols Beobachtungs-
posten der Arbeiter kurz nacb 10 Uhr dCJJ Anmarsch einer Poli-
zeihundertschart meldeten. Sie wurde beim näheren Herankom-
men als eine Technische Hundertschart identifiziert, die aus
4 Polizeioffizieren und 83 Polizeiwachtmeistem bestand und mit
2 Maschinengewehren und einem Minenwerfer von Halle her an-
rückte. Vom Kommando der Schutzpolizei Holle hatte die Hun·
dertschaft den Befehl erhalten, die bewaffneten Arbeiter aus Grö-
bers zu vertreiben.
Unter der Leitung des VKPD-Mjtglieds Pitter aus Holzweißig
organisierten ilic Arbeiter beschleunigt ihre Verteidigung. Sie
brachten 1aschinengewehre in Richtung Dorfausgang zur Straße
Halle- Gröbers und auf dCJJ nordösilich bzw. nordwestlich des
Ortes verlaufenden Bahndämmen in Stellung. Ein Maschinenge-
wehr bauten sie an der Chaussee Holle- Gröbers, ein weiteres
nördlich vom Chausseehaus und ein Maschinengewehr wie-
derum nördlich davon im Förderturm auf. Der größte Teil der
bewaffneten Arbeiter ging am Dorfausgang in Richtung Halle, bei
der Grube Klara und in der ähe von Benndorr in Stellung, so
daß sich die bewaffneten Arbeiter halbkreisartig gegen die anmar-
schierenden Polizisten gruppierten. Als 2 Züge der Polizeibun·
dortschart etwa 500 Meter vor dem Ort ausschwärmten und zum
25?
1\ngrifl übergingen, zwang sie das heftig einsetzende Feuer der
Arbeiter nieder, wobei diese die Bewegungen der Polizisten in
dem rast deckungslosen Gelände gut erkennen und bekämpfen
konnten. Die Polizeihundertschart erlill belriichtliche Verluste.
ihr \ngriff geriet ins StockCJJ und schlug in panikartige Flucht
um, als die Polizisten in ihrem Rücken von einem Maschinengc-
" !'hr besel1ossen wurden. Eine Gruppe bewaffneter Arbeiter
hatte sich in einem unter der Straße bindurchführenden Schacht
~crsteckt und zu einem günstigen Zeitpunkt das Feuer eröffnet.
ln diesem erbillerten Kampf verloren die Polizisten 2 Offiziere
und 8 Wachtmeister, 2 Lastkraftwagen und zahlreiche Warfen.
Das Cerecht bei Cröbers gehört zu den llöhcpunktcn des be-
waffneten Abwehrkampfes der' mitteldeutschen Arbeiter im Mär.&
1921. War es ihnen doch hier erstmals in größerem Ausmaß ge-
lungen, einem zahlenmäßig und an Bewaffnung überlegenen Geg-'
ncr durch hohe Kampfmoral und _geschicktes Verhalten im Ge-
lände so...~e unter Nutzung des Überraschungsmoments einCJJ
sch...eren Schlag zuzufügen.
Die Führung der Polizeihundertschaften im Regierungsbezirk
\1erscburg zog aus den Kämpfen bei Gröbers die Schlußfolge-
rung, künftig nur noch mit relativ starken Polizeikräften Streif-
züge durch die von ihr nocb rrich t . befriedeten• Gebiete zu un-
lt•rnehmen. Hierbei konnte sie sich insbesondere uuf die bisher
gegen die Leuno-Arbeiter eingesetzten Polizeihundertscharten
stützen. Für die neuen Aufgaben gruppierte die Polizeiführung
ihre Kriirte im llegierungsbezirk um. Sie schuf drei Zentren für
1lie Konzcntrienmg der Hundertschaften: Gruppe Halle (12 Hun-
dt•rtschaften), Gruppe Merseburg ( 14 llundertscharten) und
Gruppe Eisleben (6 Hundertscharten). Als Reserve dienten zwei
kleinere Polizeigruppierungen. Die eine befand sich in aumburg
mit 3 l lundertscharten, ilie andere in Weißenfels (4 Hundert-
~rharten).
ln den nächsten Tagen unternahm die Polizei zahlreiche Streif-
"üge gegen d_ic Arbeiter des Regierungsbezirks. Dabei stieß eine
1\btcilung, bestehend aus der 5. und 8. Polizeihundertschart w1d
d1•r berittenen Hundertschaft aus Erfurt - insgesamt 240 Polizi-
SI('n - , in den frühen Morgenstunden des 3 1. Miir.& 1921 vor
Uuch ra (Kreis Eckartsberga) auf bewaffnete Arbeiter. Den Polizi-
Mt>n gelang es, einen Sicherungsposten der Arbeiter zu iiberrum-
253
peln, gegen den Ort vorzudringen und ihn einzuschließen. In An.
betracht der herrschenden Dunkelheit, die Ereignisse spielten
sich zwischen 3 und 4 Uhr ab, beschränkten sich die Polizisten
auf den Beschuß des Ortes. Trotz der Polizeiübermacht konnte
sich jedoch ein großer Teil der bewaffneten Arbeiter in nördli-
cher Richtung zum nahegelegenen Wald zurückziehen. AJs die
Polizisten in der Morgendämmerung Bachra stürmten, stießen sie
ins Leere.
Zur letzten größeren bewaffneten Auseinandersetzung zwi-
'
sehen Arbeitergruppen und Poli1.isten kam es am Nachmittag des
l.April 1921 in Beesenstedt, das 14 Kilometer nordwestlich von
Halle liegt. Hier befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 200 be-
waffnete Arbeiter, unter ihnen auch Max Hoelz mit Angehörigen
seiner Gruppe. [hr Ziel war es, bis nach Mansfeld vorzudringen,
die Waffen zu verstecken und dann auseinanderzugehen.
ach 13 hr, als die Arbeiter gerade rasteten, stieß die Spitze
der Polizeihundertschaften auf ihre Sicherungsposten. Folgende
Situation entstand: 2 Polizeihundertschaften marschierten auf der
Straße, von Oberrißdorf kommend, in Richtung Schwillcrsdorf
(südwestlich von Beesenstedt). 2Yz Hundertschaften, durch 2 Ge-
schütze einer Halbbatterie der Reichswehr verstärkt, nähe rten
sich von Dölau aus auf der Straße dem Ort Wettin (nordöstlich
von Beesenstedt). Dort sperrten die Polizisten die Saaleübergänge.
und besetzten eine Höhe südlich von Zaschwitz. ach diesem
Aufmarsch gingen die Polizeihundertschaften in ei11er Zangen·
bewegung vor und versuchten, die bewaffneten Arbeiter einzu·
schließen.
Um dem zu entgehen, beschlossen die Kommandeure der Ar·
bei terformationen, kleinere Gruppen zu bilden, die versuchen
sollten, die Reihen der Polizeihundertschaften zu durchbrechen.
Einer dieser Kommandeure, Max Hoelz, schreibt in seinen Erin·
nerungen über den danach folgenden Kampf: Als sich die Poli·
zeifonnationen seiner Gruppe näherten, »brachten wir unsere
Maschinengewehre in Stellung tmd fanden geeignete Deckung
hinter dem Bahndamm einer kleinen Werkbahn. Wir haUen
kaum Deckung genommen, als bereits die ersten Granaten und
Schrapnells in unsere Reihen platzten. Die Arbeitersoldaten ver·
teidigten sich gegenüber dem überraschend en Angriff mit Todes-
verachtung und beispiellosem Mut; bei unserem Mangel an Mu·
254
nition aber war ein längerer Kampf aussichtslos.« Der größte Teil
der bewaffneten Arbeiter vermochte sich zu reUen, zurück blie-
ben 18 Tote. 19 Arbeiter gerieten in Gefangenschaft.
Nach den Kämpfen bei Beesenstedt entwickelten sich nur
noch vereinzelt bewannete Zusammenstöße zwischen kleinen
Gruppen bewaffneter Arbeiter und Polizeiformationen, so An-
fang April 1921 im Geiseltal, im Raum Kütten-Löbejün und im
Unstruttal. Währe nd ihres Verlaufs löste n sich die letzten bewaff.
neten Arbeitergruppen im Regierungsbezirk Merseburg auf.
Obwohl der bewaffnete Abwehrkampf der Arbeiter Ende
Mär<~ 1921 abgeflaut und schließlich ganz eingestellt worden war,
zeigten einige Reichswehrformalionen eine auffällige Aktivität.
Damit sollte es den Schutzpolizeiformationen ermöglicht werden,
wieder in ihre alten Standorte zurückzukehren, wo sie dringend
erwartet wurden. Außerdem hatten die Reichswehreinheilen die
Aufgabe, den Ring um das Kampfgebiet noch enger zu ziehen.
Mit diesem Auftrag rückten Reichswehrformationen am 29. März
in Naumburg sowie am 30. Mär.~: in Aschersleben, Bitterfeld, De-
litzsch und Sangerhausen ein.
Andere Reichswehreinheiten besetzten kleinere Orte oder Ge-
biete. Am 31. März drang ein Detachement (2 Bataillone, eine
Eskadron u.nd eine Batterie) in den Kreis Liebenwerda ein und
kontroUierte am l. April das Industriegebiet Miickenberg- Bock-
witz-Leipich. Hier streikte die Mehrheit der Arbeiter seit dem
26. März - allein in Lauchhammer waren es 13 000 Arbeiter - ,
und bewaffnete Arbeiter hatten in Lauchhammer den Bahnhof
unter Kontrolle genommen. Mückenberg und Bockwitz, Zenh·en
der VKPD in diesem Gebiet, befru1den sich zu dieser Zeit in der
Hand der streikenden und bewaffneten Werktätigen. Erst der
Einmarsch de r Reichswe hr entriß ihnen diese Positionen.
Unterstützt durch diese Aktionen der Reichswehr, gelang es
der Schutzpolizei Ende März/ Anfang April 1921, die letzten be-
waffneten Arbeitergruppen zu zerschlagen. In dieser Zeit ließ
auch die Streikbereitschaft vieler Werktätiger nach. Die Zentrale
der VKPD rief daller am 1. April die mitteldeutschen Arbeiter
nuf, den Streik zu becnd en. Sie stellte in ihrem Aufruf fest, daß
der Kampf gegen die Reaktion jedoch weitergehe. Zugleich wies
die Zen trale darauf hin, daß es dabei von größter Bedeutung sei,
die Aktionseinheit der Arbeiterklusse herzustellen: »Arbeiter der
255
 SPO und der LiSP! Arbeiter! Angestellte! Klassengenossen!
diesen Kämpfen wird uns die gerneinsame ot, das Wirken
Konterrevolution zusammenschweißen.«
Wie berechtigt diese Mahnung war, zeigte der in den Sfii,dte.
und Dörfern 1itteldeutschlands wütende Terror der Jte~tkti4)q
Mehr als 6 000 Miinner, Frauen und Jugendliche wurden verlil•
tel, von denen nach wochenlange r Kerkerhart 1 500 wieder
gelassen werden mußten. Alle anderen Inhaftierten kamen
die Ende Män 1921 gebildeten außerordentlichen Gerichte,
oftmals schon wegen geringer Unterstützung des Ab'wehrl(anJpfea
hohe Freiheilsstrafen verhängten. Insgesamt wurden 5 Arbeiter
unter ihnen Max lloelz, zu lebenslänglichem Zuchthaus, 45 1 '
Zuchthausstrafen von mehreren Jahren, 2 752 zu Gefangnis, 48
zu Festungshaft und 96 zu Geldstrafen verurteilt. Besonden
schändlich waren die Morde nn wehrlosen Gefangenen, deren
Umfang nie genau ermittelt werden konnte. 145 Arbeiter fielen
während der Märzkämpfe des Jahres 1921.
Eine große Zahl dieser Opfer und Verurteilten gehörte der
VKPD 1m, gegen sie richtete sich der ganze Haß der Reaktion.
Doch ihr l lauptziel konnte sie auch durch Terror nicht erreichen.
Es war nicht gelungen, die VKPO im Regierungsbezirk Merse-
burg zu zerschlagen. Obwohl dort fast a.Ue Ortsgruppen del'
VKPD während des Abwehrkampfes Funktionäre verloren hat·
ten, Hetze und Verfolgung den Masseneinfluß der VKPO
nächst beeinlriichtigtcn, arbeitete die Partei weiter.
Der Streik von fast 150 000 Werlctätigcn und der bewa.rEnete
Kampf Hunderter A1·beiter Mitteldeutschlands bot im Miin 1921
der Reaktion entschieden Paroli und half, die Errungenschaften
der 1ovcmberrevolution 1918/ 19 zu sichern
Der bewaffnete Abwehrkampf der mitteldeutschen Arbeiter
brachte bedeutende Teilerfolge. An verschiedenen Stellen gelang
es, den Vormarsch der Polizei zu verzögern oder sogar zeitweilig
aufzuhalten und den Polizeifom1alionen empfindliche Verluste
zuzufügen. Oie mit starken Repressionskräften durchgeführte
Provokation wurde fiir die Polizei kein • Spaziergange. Im Gegen·
teil, die herrschenden Kreise sahen sich angesichts des machtvol·
le_n Streiks und des bewaffneten Abwehrkampfes gezwungen. zu-
sätzlich 18 Polizeihundertschaften aus ßerlin, Oüsseldorf.
256
Hannover und Münster in den Hegierungsbezirk Merseburg her-
anzu beordern.
Zu den bedeutendsten Ergebnissen der bewafrneten Abwehr-
kämpfe zählt die Entstehung zal1lreicher Gruppen bewaffneter
Arbeiter. die in ihrer Mehrzahl an die Traditionen der Volks-
wehrbewegung in der ovemberrevolution 1918/ 19 und des Ah·
wehrkampfes gegen den Kapp-Liiltwitz-Putsch 1920 anknüpften.
Es ist daher auch nicht zuflillig, daß sich im März 1921 vorrangig
dort bewaffnete Arbeitergruppen bildeten, wo sich - wie in Bit-
terfeld, Eisleben, llettstedt, Tcutschenthal und anderen Orten -
Arbeiter auch schon 1918/19 und 1920 zum Kampf gegen Im-
perialismus und Militarismus mit der Waffe in der Hand zusam-
mengefunden hatten. Die personelle Stärke d er Arbeiterformatio-
nen schwankte stark, sie betrug im Durchschnitt 20 bis 50 Mann.
Abteilungen von liber I00 Mann blieben d ie Ausnahme. ln der
Mchrznhl entsblnden diese Gruppen spontan. Ihre Bewaffnung
war unzureichend. Oie iugesamt mehr als 3 000 Angehörigen der
bewaffneten Arbeiterformationen verfügten über höchstens
I 500 Gewehre bzw. Pistolen. l ur wenige Gruppen, beispiels-
weise die unter Leitung von Mux Hoelz stehende, konnten ihre
ße,•eglichkeit durch Personen- und Lastkraftwagen erhöhen. Gut
entwickelt ha.tten sich der Rote-Kreuz-Helfer-Dienst sowie die Be-
nachrichtigung, die vorrangig mit Hilfe von Radfahrern organi-
siert wurde. Große Schwierigkeiten bereitete dagegen die Versor-
gung mit Lebensmitteln und Munition.
Gestützt auf ihre im ersten Weltkrieg erworbenen militärischen
Kenntnisse und die in den bewaffneten Kämpfen der Jahre 1918
bis 1920 gesammelten E rfahrungen, versuchten die Arbeiter, sich
dem konkreten Krüfteverhältni s und d en jeweiligen örtlichen Be-
dingungen anzupassen. Sie mieden zumeist Gefechte auf offenem
Feld und kämpften vorzugsweise in kleineren Gruppen, um den
Gegner zur Zersplitterung seiner Kräfte zu zwingen. ll iiulig grif-
fen die Arbeiter überraschend an, lockten den Gegner in l linter-
halte, zogen sich bereits nach kurzem F'euerwechsel zurück.
Diese variable Kampfweise, das geschickte Ausnutzen gcographi-
~hcr Besonderheiten - vor nllem der l löhenzüge und I laiden
1111 Mansfelder Gebiet - und dns e nge Zusammenwirken mit gro-
llen Teilen der Bevölkerung brachten den Arbeiterkämpfern oft-
rnals \ orteile.
257
 Die Mehrzahl der in den bewaffneten Arbeitergruppen Kfum~
renden zeichnete sich durch vorbildliche Disziplin und UP•Ier'b&
reitschart aus. Viele, uns heute r10menllich meist unbekannte
heiter, standen tapfer und selbstlos ihren Mann. Die Märzkäm
des mitteldeutschen Prolcturiats im Jahr 1921 brachten zatrln>.i.:
ehe politisch kluge und militürisch talentierte Arbeiterkornrrran-
deure hervor. Zu den bekanntesten von ihnen ziih!en solche ,-p,....
sönlichkeiten wie Otto Gebcnroth, Friedrich Märker,
Schneider und Ccrharo Thiemann. Sie und viele andere zeichne-
ten sich neben militärischem Können durch Treue zur Arooite1'" 1
klasse, ~ ul und Einsatzbereitschaft aus. Hervorragende Kämpfer
waren auch Otto Ackennann, Kurt Hertau, \Villi Kretzschmar,
Walter Lederer, Johannes Lud), Pau l Müller und Albert ::Ste,m-,
brück. Sie gaben ihr Leben für die Ziele der revolutionären Ar-
beiterbewegung.
Die VKPO, die als einzige Purlei konsequent an der Seite der
Streikenden und der mit der Waffe kämpfenden Arbeiter ge-
standen hatte, 1.0g in längeren Diskussionen wichtige Schlußfolge-
rungen aus den Mürzkiimpfen 1921 für ihre weitere Strategie
und Taktik. Sie bildeten sich in prinzipieller Auseinandersetzung
mit den linksradikalen Kriiften in der Parteiführung heraus, die
ihr Drängen auf Aktionen gegen den Polizeieinmarsch mit An-
schauungen verteidigten, die sie immer mehr zu einer . orfensiv-
lheoriec ausbauten. Danach kön ne die Arbeilerklasse zu .orfensi-
ven Handlungen« übergehen, ohne das reale politische
Kräfteverhiiltnis und die llaltung der Mehrheit der Arbeiter-
klasse, die sich zu dieser Zeit vorrangig nach der SPD richtete, zu
berücksichtigen. Die .Theorie« barg die Gefahr in sich, daß die
VKPD in Widerspruch zu den tatsüchlichen Gegebenheilen der
Klassenauseinandersetzungen geriet und dem notwendigen Zu-
standekommen der Aktionseinhrit schadete. Die Offensivtheorie
hinderte zahlreiche Funktionöre der VKPD daran, die realen
Wege zur Gewinnung der ~l ehrheit der Werktätigen, die Voraus-
setzung für den Sieg über den Klassengegner, zu erkennen. Zu
diesem wichtigen Problem nahm der lll. Kongreß der Kommuni-
stischen Internationale auf seiner Tagung im Juni/Juli 1921 unter
akt.iver Mitwirkung von W. l. Lenin Stellung und half damit auch
der VK PO, die Schädlichkeit der Offensivtlteorie zu begreifen.
Seine Losung • llcran an die Massen!c griff die Führung der
258
yJ<PD auf. Ihr Parteitag von Ende August 1921 bewies, daß die
führenden Kräfte dieser Partei begriffen hallen: Diese Aufgabe
,..11 r nur zu verwirkl ichen, wenn an die Tagesforderungen der
\\ rrktäligen angeknüpft wurde. Als große 1-lilfe dabei erwies sich
der . Brief an die deutschen Kommuoistcnc, den W.l. Lenin am
Vorabend des Jenaer Parteitages an die Führung der VKPD ge-
schrieben hatte. Lenin nahm darin zu den Märzereignissen 1921
Stellung und forderte mit achdruck, die Beschlüsse des Ill. Kon-
gresses der Kommunistischen Internationale durchzusetzen, die
er als eine wichtige Voraussetzung für das weitere Voranschreiten
der deutschen Kommunisten ansah. Eindringlich mahnte er:
. Kaltes Blut und Standhaft.igkeit zu bewahren; systematisch die
Fehler der Vergangenheit korrigieren; unaufhörlich darauf be-
dach! sein, die 1chrheit der rbeitennassen sowohl in den Ge-
werkschaften als auch außt>rhalb der Cewerkschafien zu erobern;
ged uldig eine starke und kluge kommunistische Partei aufbauen,
die fähig ist, bei allen und jeglichen Wendungen der Ereignisse
di<' \1assen wirklich zu führen; sich ei ne Strategie auszuarbeiten,
die der besten internationalen Strategie der {durch die jahrhun-
dertelange Erfahrung im allgemeinen und durch die >russische
Erfahrung< im besondern) >am meisten aufgeklärten < fortgeschrit-
tenen Bourgeoisie gewachsen ist - das ist es was man tun muß,
und was das deutsche Proletariot tun wird, was ihm den Sieg ga-
rantiert.«
Ausgehend von den eigenen Erfahrungen, den Beschlüssen
des 111. Kongresses der Kommunistischen Internationale und den
Ratschlägen W. I. Lenins, knüpfte die KPD wieder an ihre Politik
dt's .orrenen Briefese an. Im Bezirk l-lalle- Merseburg der VKPO
spiegelte sich das unter anderem in einem Aufruf der Bezirkslei-
tung von Anfang September 1921 an die Arbeiter, Angestellten,
ß!'amten, Kriegsopfer und Arbeitslosen wider. Der dazugehörige
•Offene Briefe - schon diese Bezeichnung sollte programma-
tisth sein - an das Gewerkschaftskartell schlug Sofortmaßnah-
men vor, beispielsweise den verstärkten Kampf fiir die Erhöhung
der Löhne, setzte sich entschieden fiir die I lersteUwtg der Ein-
heitsfront der Arbeiterklasse ein.
Die Lehren, die sich aus den \1ärzkiimpfen des Jahres I 921
ergaben, wurden zu einem "ichtigen Bestandteil der sich nun·
mehr entwickelnden Einheitsfrontpolitik der deutschen Kommu-
259
nisten und bccinrlußten die weitere Strategie und Taktik der
temationalen Arbeiterbewegung. Sie bestätigten der inten1ationa..
len kommunistischen Bewegung, wie richtig die Politik
. Offenen Briefese war, und förderten damit die Bereitschaft
den Parteien der Kommunistischen Internationale, diese Politik
auf die spezifischen Bedingungen ihres Kampfes anzuwenden.
Zugleich halfen sie den anderen kommunistischen Parteien, eine
grundsätzliche Auseinandersetzung mit den An hängern der Of.
fensivthcoric zu führen. Die Kommunistische lnternatio.nale ap-
pellierte auf ihrem Ul. Kongreß, von den Erfahrungen der Mii.rz-
kiimpfe 192 1 in Deutschland ausgehend, an die Arbeiter aller
Länder, sich nicht provozieren zu lassen und entscheidenden
Kämpfen so Iunge auszuweichen, bis die Masse der Werktätigen
hinter den Kommunisten stehe. Die Gewinnung der Massen aber
setze den Kampf für die Grundforderung der Werktätigen vor·
aus, und nur hierdurch könne die Einheitsfront der Arbeiter·
klasse gegen Imperialismus und Militarismus geschaffen werden.
Oie KPO bemühte sich in der Folgezeit, nach diesen Erkennt·
nissen zu handeln. Hierbei rückte der Kampf um die Gewinnung
der Mehrheit der Arbeiterklas e, um die Erfüllung der Tagesfor-
derungen der Werktätigen und das Ringen um ein ei nheitliches
Handeln der Arbeiterklasse zur Abwehr der Angriffe des Mono-
polkapitals immer stärker in den Vordergrund.
- 261
Der Hamburger Aufstand 1923
Am Vorabend der Erhebung
Im Spiitsommer 1923 war die Lage in Deutschland durch tiefe
Klassenwidersprüehe, durch einen sich immer mehr vcrschärfen-
drn Gegensatz zwischen Fortschritt und Reaktion gekennzeich-
net. Die von den deutschen Monopolherren und der Wilhelm-
Cuno-Regjerung inszenierte Verelendungs- und Katastrophenpo-
litik löste bei den Volksmassen allgemeine nzufriedenheit aus.
In diesem Prozeß wuchsen wichtige objektive Voraussetzungen
zur Formierung einer breiten Front aller antiimperialistischen
und demokratischen Kräfte in der Weimarer Republik heran.
Ausgehend von dieser Situation, konzentrierte die Kornmuni-
stische Parlei Deutschlands 1923 ih.re Anstrengungen darauf, die
Arbeiterklasse und ihre Verbündeten in Massenaktionen gegen
Imperialismus, Militarismus und den heraufkommenden Faschis-
mus zu führen. Doch die rasch wechselnden komplizierten Klas-
senkampfbedingungen erschwerten die Bemühungen der KPD.
Der um imperialistische Vormacht- und Profitinteressen auf
dem Rücken des deutschen und französischen Volkes seit Januar
1923 ausgetragene · Ruhrkampfc bedrohte ernsthaft den Frieden
in Europa und trug dazu bei. die Lage breitester Volksschichten
in Deutschland rapid zu verschlechtern. Angesichts der Beset·
zu ng des Ruhrgebiets durch Eranzösischc und belgisehe Truppen,
wandte sich die Vorhut der revolutionären Arbeiterklasse ent·
schlossen gegen den sich verschürfenden reaktionären Kurs des
dr utschcn und französischen lmpcrialismus. Mit dem Kampf um
die Ei ndiimmung der von der deutschen Großbourgeoisie hoch-
gepeitschten chauvinistischen Welle, deren Ziel es war, von den
inneren sozialen Mißständen abzulenken, mußte zugleich der
 bciderseits lmperialisliscbe Charakter des Ruhrkonrlikts au•ge-
deckt werden. Ein Beitrag dazu war die am 22. Januar herausge-
gebene Losung »Schlagt Poincar~ und Cuno an der Ruhr und an
der Spreec. Sie "'ar Quinlessenz der Essener Konferenz (6JT.Ja-
nuar 1923), einer Zusammenkunft von Vertretern Kommunisti-
scher Parteien Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Großbritan-
niens, Italiens, der 1 iederfande und der Tschechoslowakei,
beschlossen hatten, gemeinsam gegen das französische und deut-
sche Finanzkapital aufzutreten.
Wie der friedensgefährdenden, krisenharten Entwicklung ener-
gisch Hnlt geboten werden konnte, zeigte ollein die KPD. Ihr
8. Parteitag, der vom 28.januar bis zum I. Februar 1923 in Leipzig
tagte, folgte den Beschlüssen und Empfehlungen des IV. Kongres-
ses der Kommunistischen Internationale von Ende 1922. Auf
dem Parteitag wurde beschlossen, die Einheitsfrontpolitik und
den Kampf um die Bildung einer Arbeiterregierung fortzuset,zen.
Das wurde als notwendiger Schritt betrachtet, die Massen an das
Hingen um die Macht heranzuCÜhren. Damit unterbreitele die
KPD ein konstruktives Programm für ein friedliches, demokrati-
sches Deutschland, das eng mit der Sowjetunion verbunden sein
sollte.
Erneut erwiesen sich die Kommunisten als echte Sachwalter
der Belange des deutschen Volkes. Ihr konsequenter Einsatz zur
Verhinderung eines konterrevolutionären Auswegs aus der Krise
berücksichtigte gleichzeitig, daß eine Situation heranreifen
könnte, in der die Arbeiterklasse selbst in Kämpfe um die schritt-
weise Lösung der Machtfrage in Deutschland einzutreten hatte.
Gestützt auf die Erfahrungen der Klassenauseinandersetzun.gen
seit 1918, insbesondere der bewaffneten Abwehrkämpfe, galt es,
die Anwrndung revolutionärer Gewalt richtig in die Politik und
Strategie einzuordnen. Deshalb sah der 8. Parteitag der KPD vor,
Arbeiterwebren zur Verhinderung militaristisch-faschistischer An-
schläge zu srhaffcn.
Die lnrlation, hervorgegangen aus den Widersprüchen der ka-
pitalistischen Produktionsverhältnisse und aus den rolgen der
Kriegs- und nachfolgenden Krisenwirtschnft, war in Deutschland
im Sommer 1923 ausgeufert Produktionsriickgnng, Brachliegen
ökonomischer Kapazitäten und Preisanslieg zu schwindelnden
Höhen ließen von Tag zu Tag das Existenzniveau in Stadt und
262
Land weiter absinken. Von der grassierenden Geldentwertung
1.-urden all diejenigen betroffen, die von Lohn, Gehalt, Rente, Er-
" (•rbslosenhilfe oder anderen kärglichen Einkommen leben muß-
t!'n. also die große Mehrheit der Bevölkerung. Oberall nahmen
\rbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu. Zehntausende Angehörige
drr \11 ittelschichten wurden ruiniert.
\\ ährend die Bevölkerungsmehrheit Armut, Entbehrung und
Hunger litt, konnte die deutsche Monopolbourgeoisie durch die
lnOation ihr Kapital sprunghart vergrößern. Hugo Stinnes, der da-
mals miichtigste unter den Konzernhcrrcn, vermehrte sein Ver-
mögen von einer auf drei Milliarden Goldmark, die er in wertbe-
ständigem Besitz anlegte. Zu seinem Wirtschaftsimperiun1
((!'hörtcn I 200 verschiedene Großunternehmen.
Lohn- und Streikkämpfe Hunderttausender von Arbeitern im
Huhrgcbiet, in Oberschlesien, in ßerlin, im Zwickauer und Oels-
nitz-Lugauer Kohlenrevier, ein Landarbeiterstreik, der sich iiber
"rite Teile Deutschlands erstreclde, zeugten im Frühjahr und
Sommer I 923 vom zunehmenden Kampfwillen des deutschen
Proletariats. Aber auch Angestellte, Beamte, Angehörige des städ-
tischen Mittelstandes und Kleinbauern gerieten, getrieben von
drr schwierigen materiellen Lage, in Bewegung. Ihre Erbitterung •
Fund iederschlag in spontanen Protestkundgebungen und Hun-
gerunru hen.
Von großer Ausstrahlung war der von der KPD und der Voll-
versammlung der Berliner Betriebsräte am I I. August I 923 initi-
ierte Generalstreik, an dem auch Werktätige in anderen Teilen
Deutschlands teilnahmen. Zu ihnen gehörten die Hamburger Werft-
arbeiter, die bereits am 9. und I 0. August einen mehrtägigen
Streik begonnen hatten. Am 1 I. August appellierte die . Hambur-
ger Volkszeitungc, in deren Redaktion Ernst Thölmann verant-
wort.lich tätig war, für die Einsetzung eines Arbeitersenals und
forderte darüber hinaus, für die Bildung einer Arbeiter-und-Bau-
~'m-Regienmg Deutschlands zu kämpfen.
Als Ergebnis dieses Massenstreiks wurde die reaktionäre
Cuno-llcgierung gestürzt Doch bereits am 13. ~ugust 1923 kon-
stituierte sich unter Eieichskanzler Gustov Stresemann, führender
Rcprilsenlnnt der großbourgeoisen Deutschen Volkspartei, dns
neue Reichskabinett Die Hegierung der Großen Koalition, der
'ier rechtssozialdemokratische Minister nngehörten, verkündete,
263
mit den otstiinden in Deutschland Schluß ma.chen zu wollen.
Aufkommende Illusionen, daß mit der Regieru ngsbeteiligung der
VSPO ( 1922- 1921 Bezeichnung der sozialdemokratischen Par-
tei: Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands) die Ar-
beiterbelange besser vertreten würden, spalteten die Streikfront
auf. Der Generalstrei k wurde nach drei Tagen beende!, noch ehe
weitergehende demokratische Forderungen wie die Bildung einer
Arbeiter-und-Bauer-Regierung, die Beschlagnahme der Lebens-
mittel zur Sicherung der Emähnmg oder die AuFhebung arbeiter-
feindlicher Verbote verwirklicht werden konnten.
Der Stresemann-Hegierung gelang es zwar, den ersten An-
sturm des kampfbereiten Proletariats abzufangen. Aber wie die
kommenden Ereignisse zeigten, war sie nicht in der Lage, die
Verhältnisse grundsätzlich z u ändern. Oie rsachen für die fort-
wirkende Verelendung der Volk~massen blieben weiter bestehen.
Entsprach 1914 der Coldmark eine Papiermark in Deutsch-
land. so kl etterte die Fieberkurve für eine Goldmark 1923 hek-
tisch an und betrug am
8. August I 000 000 Papiennark
7. September I0 000 000 Papiermark
3. Oktober I 00 000 000 Papiennark
11. Oktober I 000 000 000 Papiermark
22. Oktober I0 000 000 000 Papiermark
3. November I 00 000 000 000 Papiermark
20. November I 000 000 000 000 Papiermark
ach dem Sturz des Cuno-Kabinells entwickelte sich in
Deutschland eine revoluti onäre Krise. Doch sta nden ihr im Herbst
1923 eine Anzahl ei nsch ränkender Faktoren gegenüber. Letztere
ergaben sich aus der Ta"tsache, daß die Mehrheil der Arbeiter·
klasse noch immer der opportunistischen Koalitionspolitik der
sozialdemokratischen Führer vertraute, die herrschende Klasse
über einen gutfunktionierenden miliUirischen Machtapparat ver·
fügte und durch das internationale Finanzkapital starke Unter·
stützung erhjelt.
Gber den Inhalt und das Tempo der eriinderung der bisheri·
gen Herrschaftsmethoden gab es in der deutschen Bourgeoisie
unterschiedliche Auffassungen. Einig war sie sich darin, die Kri·
sensituation auf Kosten de r ~ erktiitigcn zu lösen. Bestrebungen.
die Arbeiterklasse mittels offener Gewalt niederzuwerfen, e rbiel·
264
ten Vorrang. Wie immer in zugespitzten Krisenzeiten waren vor
allem die führenden Militiirs bemiiht, die Bürgerkriegsvorberei-
tungen voranzutreiben und ullscitig abzusichern.
Einflußreiche Reichsweh rkräfte schalteten sich jetzt unmittel-
bar in die politischen Überlegungen der herrschenden Klasse ein.
Ihre Lagebeurteilung gipfelte in der fcststellung des Chefs der
Heeresleitung, General der Infanterie Hans von Seeckt, vom
I 0. September 1923: »Wir stehen vor der größten Krise, die das
Heich bisher durchgemacht hot.c Seiner Überzeugung nach
J..önne nur durch »die unbedingte und rücksichtslose Aufrechter-
haltung der Staatsautorität diese Krise überwunden werdenc.
Keinerlei Zweifel ließ er daran, daß dabei die Streitkräfte voU ge-
fordert würden und demzufolge die Truppenkommandeure ver-
pflichtet seien, skrupellos einzugreifen: , Ein Militärbefehlshaber,
der seinen Auftrag deshalb nicht ausführt, weil er sich scheut,
ron der Schußwaffe Gebmuch : u machen, wird zur Vemntwor-
tung gezogen werden. ~ 1icht zufällig erinnerte Seeckt an die Er-
fa hrungen der » Revolutionskämpfec, deren wichtigste nach sei-
ner Meinung die folgende war: • Eine Gruppe, die schießt, löst
die schwierigsten Aufgaben! Ein Bataillon, das Gewehr bei Fuß
dasteht, ist hilflos.•
Oie Heichswehrführung erblickte im Einsatz der bewaffneten
Gewalt das letzte Mittel, um die Existenz d er monopolkapitalisti-
schen Herrschaftsverhältnisse in Deutschland aufrechtzuerhalten.
Sie nahm in a ller Offenheit Kurs auf die gewaltsame Auseinan-
dersetzung mit der revolutioniiren Arbeiterbewegung. Die unein-
geschränkte Möglichkeit, die staatlichen Repressivorgane für die
genannten Zwecke einsetzen zu können, war aus militärpoliti-
scher Sicht einer der wichtigsten Faktoren, der einer Ausweitung
de~. revolutionären Krise in Deutschland entgegenwirkte.
Ahnliehe Vorbereitungen wie die Hcichswehrführung trafen
auch Länderregierungen wie die in Hamburg. Da diesen nur Poli-
zeikräfte unterstanden, leiteten sie zur anvisierten Niederschla-
gung der Arbeiter Schritte ein, die das Zusammenwirken mit
Reichswehrdienststellen ermöglichen sollten.
Gestützt auf de n otstandsartikel 48 der Weimarer Verfas-
sung, verhängte Heichspräsident Friedrich Ebert an1 26. Septem-
ber 1923 den mililiirischen Ausnahmezustand übe.r ganz
Deutschland. Damit wurde der Reichswehrminister Otto Geßler
265
•
betraut, der die Wehrkreisbefehlshaber mit der Ausübung
vollziehenden Cewalt beauitrag1e. Gleichzeitig wurde der • pas-
sive Widerstande an Rhein und Ruhr aufgegeben, um die militäri-
schen und polizeilichen Repressivorgane auf innere Unterdrük-
kungsaufgaben konzentrieren zu können. Der Abbruch war
"·cder Selbstzweck noch Friedenswerk, wie es imperialistische
Meinungsmacher behaupteten. Er verfolgte eindeutig das Zie~
der revolutionären Entwicklung entgegenzuwirken.
Während das Stresemann-Kabinett zwischen den Fraktionen
des Finanzkapitals lavierte und nach Kompromissen suchte, um
die proletarischen Massenbewegungen niederzuringen, den Raub
wichtiger Arbeiterrechte durchzusetzen und die Währung zu
konsolidieren, wurden zur gleichen Zeit ext.reme Kräfte der deut-
schen Reaktion aktiv, die eine völlige Beseitigung der bürgerlich-
parlamentarischen Republik anstrebten. So putschten Teile der
.Schwarzen Reichswehre unter Major a. D. Bruno-Ernst Buch-
rocker am I. Oktober 1923 in Küst.rin. Doch ihr übereiltes Vor-
prellen störte das militaristische Konzept der Hauptstoßrich!ul18
gegen Sachsen und Thüringen. Es mußte von der Reichswehr sel-
ber abgestoppt werden.
Ein weiteres milita.ristisch-faschistisches Zentrum war Bayern.
l lier erhob besonders die azipartci, gefördert vom Finanzkapi-
tal und von der Rei chswehr, Diktaturfordenmgen im Stile des
italienischen Fascltismus, der im Oktober 1922 mit dem soge-
nannten Marsch auf Rom seine offen terroristische Herrschaft er·
richtet halle. Obgleich die SDAP in Deutschland noch nicht zur
Hauptpartei der herrachenden Klasse geworden war, plante sie
von München aus den »Marsch nach ordene und bedrohte zu·
sammen mit paramilitärischen Vereinigungen die elementarsten
bürgerlich-demokratischen Rechte.
Ausgehend von den konkreten Klassenkampfbedingungen im
Herbst 1923, die gekennzeichnet waren vom Streben der Reak·
tion, mit Streitkräften, Polizei und paramilitärischen Organisatio-
nen das Proletariat zu unterwerfen, mußte die KPD entschiede-
nere Formen des Klassenkampfes ins Kalkül ziehen. Sie hatte
sich auch nur bewaffnete Kämpfe einzustellen und dnzu prakti·
sehe Vorbereitungen zu treffen. Alles zu tun, .um die erforderli·
ehe Kampfbercitschaft, militärische Organisation, Führung, Aus-
bildung und Bewaffnung möglichst breiter Massen herzustellen.
266
,, urde zum dringenden Gebot proletarischer Militiirpolitik. Um
der reaktionären Gewaltanwendung wirksnmen Widerstand zu
leisten, stand die KPD vor der Aufgabe, die Vielfalt künftiger
1\iim pfc zu erfassen und sich auf die verschiedensten Varianten
rinzustellen. Das stellte höchste Anforderungen an den Reifegrad
der Partei.
Durch die sich seit dem Frühjahr 1923 entwickelnden proleta-
risrhrn llundertschaften sowie durch den Aufbau von Ordner-
dit•nsten in der KPD wurde bis Oktober in Deutschland eine
Stiirkc 1 on etwa 133 000 Kämpfern erreicht. Ein bedeutender
Prozentsulz der proletarischen I-lundertscbaften trug Einheits-
frontchnrakter, ihre Zentren lagen in Sachsen und Thüringen. Im
Brzirk Wasserkante, zu dem Harnburg gehörte, existierten
l<.ampfgruppen des Ordnerd.ienstes der KPD. ln Cebieten wie Ba-
drn. Bayern, Mittelrhei.n, riedcrsachsen, Oberschlesien und
Pommern gab es nur erste Anfänge fortschrittlicher Wehrorgani-
'lltioncn. llier wirkte sich das Verbot der Arbeiterwehren vom
12. \1ai 1923 in Preußen, dem au ßer Sachsen und Thüringen
alle deutschen Länderregierungen gefolgt waren, besonders hem-
mrnd aus.
Anfang Oktober 1923 gliederte die KPD ihre Führungsorgane
für die sich abzeichnenden Klassenauseinandersetzungen um.
Die bereits seit August tätigen politisch-militiirischen und militä- I
r1srh-organisatorischen Führungskader wurden einer zentralen
l.ritung unterstellt, die sich Revolutionskomitee nannte. Letzteres
umfaßte Organe zur Planung, Organisation, Bewaffnung und Ver-
sorgung der Arbeiterformationen, zur speziellen Militärpropa·
(Canda, Nachrichtengewinnung und lnformationsleistung. Bei den
Oberbezirks- und Bezirksleilungen der KPD entstanden Kampf·
stäbe, die für die regionalen und lokalen Kampfvorbereitungen
'rrnntwortlich zeichneten.
Außerordentlich komplizierte Fragen ergaben sich aus der
\\ affcnbeschaffung für die revolutionären Arbeiter. Unbedingt er-
forderlich waren dabei initiativreiches Handeln, Tatkraft und
konspiratives Verhalten, denn nur ein geringer Teil konnte durch
1\nkuu r erworben oder iUegalen Waffenverstecken entnommen
Wt•rdcn. Am günstigsten war die Loge in Thüringen. Hier boten
dil' Produklionsstiitten für l la.ndfeuerwuffen bessere Möglichkei-
ten, Waffen zu beschaffen und sie über weite Strecken trotz ver-
267
schiinter Polizeikontrollen an ihre Bestimmungsorte zu bringen.
Bei den Waffentransporten bewähr1en sich besonders die Jung-
kommunisten. Schätzungsweise betrug der Waffenbestand der
Arbeiter Ende Oktober 1923 nicht mehr als J I 000 Gewehre
und etwa 15 000 Pistolen oder Revolver, die aufgesplittert über
ganz Deutschland ver1eilt und gelagcr1 waren.
Führende Funktionäre der KPD um Heinrich Brandler und
August Thalheimer, die den Blick einseitig auf die Linksentwick-
lung in Sachsen und Thüringen gerichtet hatten, iiberschätzten die
Kampfkraft der Hundertschaften wie di e Kampfbereitschaft der
werktätigen Massen überhaupt. Zu einer Zeit, da die Bewaffnung
der revolutionären Arbeiter noch in der i\nfangsphose begriffen
war, erkliirte der Vorsitzende der KPD, Heinrich Brandler, die
Machteroberung in Deutschland sei • keine sehr schwierige und
eine durchaus durchführbare Aufgabec. Er hielt das durch
Wunschvorstellungen geprägte Bild von der Vorbereitung der
Parlei auf den bewaf[neten Kampf auch auf der Beratung des
Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale mit Ver-
tretern einiger kommunistischer Parteien (Deutschland, Frank-
reich, Tschcchoslowakei, Sowjetunion) im September 1923 auf-
recht.
Ihm widersprach Ernst Thälmann und hob hervor, daß Brand-
lers Bericht nicht der realen Analyse der Lage und des Kräf1ever-
hiiltnisses im ganzen Lande entspreche, sondern nur auf einer
Einschätzung der Situation in Sachsen und Thüringen beruhe, da
dort die Einheitsfront der Arbeiter am weitesten gediehen sei.
Auch ll ugo Eberlein trat den Übenreibungen lleinrich Brandlers
entgegen. Er brachte zum Ausdruck, hier werde der Wunsch für
die Wirklichkeit ausgegeben. Oie Auffassung, die Arbeiter in grö-
ßerem Umfang innerhalb der bestehenden kapitalistischen Ord-
nung bewaffnen zu können, erwies sich als T rugschluß.
Auf der Beratung des Exekutivkomitees der Kommunistischen
Internationale in Moskau mit Funktionä.ren aus mehreren Län-
dern blieben die Einwände Ernst Thälmanns und llugo Eber-
leins unberücksichtigt. Unrealistische Vorstellungen setzten sich
durch. So konnte es dazu kommen, daß der Reifegrad der revolu-
tionären l~ntwicklung in Deutschland überbewertet wurde.
Erstmals in der deutschen Geschichte entstanden um I0. Okto-
ber 1923 in Sachsen und am 16. Oktober in Thüringen Arbeiter-
268
regierungcn, die sich aus Sozialdemokraten und Kommunisten
r.usammensetzten. Der Eintritt der Kommunisten in diese Regie-
nm~cn erhöhte die proletarischen Erwar1ungen an die Forcie-
rung der Kampfvorbereitungen. Basier1e die Bildung der Arbeiter-
rf1!ierungen doch nicht zuletzt auf dem Umstand, daß bereits
einE' beachtliche Zahl von Arbeitern zu verschärften Kämpfen be-
reit und forrnier1 war. lloffnungen der KPD, hierdurch das Fun-
dament fiir proletarische Einheitsfrontfonnationen zu erweitern,
die Polizei dieser Länder in ein Instrument der Arbeiterklasse
umzugestalten und 50 000 bis 60 000 Proletarier zu bewaffnen,
l'rfülltcn sich nicht. Einmal verfügten diese Lünder über keine
wesentlichen \Vnffen reserven, und ihre kascrnier1en Schutzpoli-
zricinhciten übersliegen kaum 6 000 Mnnn. Hi nzu kam, daß mit
den linkssozialdemokratischen Regierungspartnern über Schritte
zu r Bewaffnung und Formierung der Arbeiter so"~e zur Umge-
staltung der Polizei kein Einvernehmen enielt werden konnte.
Statt dessen befolgten diese mehr oder minder willig die Weisun-
gen der Militärbefehlshaber, die in Sachsen und Thüringen den
militiirischen Ausnahmezustand wahrnahmen, Verbote gegen Ar-
beitcrformationen erließen und sich die Polizeikräfte 'Unterstell-
ten. Trotz dieser Inkonsequenzen besaß die Arbeiterregierung
weiter die Unterstützung der Massen, so daß die Werktätigen
zu ih rer Verteidigung aufgerufen werden konnten, als die Militari-
str n Ende Oktober bzw. Anfang ovember 1923 darangingen,
diese verfassungsmäßigen Regierungen mit Truppenaufgeboten
1.u liquidieren. ßereits am II. September 1923 hat1e der Kon-
zerngewaltige Hugo Stinnes Reichskanzler Gustav Stresemann
P<'rsönlich aufgeforder1: »Sachsen und Thüringen (sind - die
\ erf.) zu exekutieren. Kein Tag darf verlorengehen.«
Die in der zweiten Hälfte des Monats Oktober eine Reichsexe-
kution androhenden Truppenbewegungen nach und in Sachsen
vcranlaßten die Zent.rale der KPD, daraus Schlußfolgerungen ab-
zuleiten. Am 20. Oktober wurde beschlossen, nicht, wie ursprüng·
lieh vorgesehen, erst am 9. t ovcmber 1923, sondern bereits auf
einer Konferenz der sächsischen Landesregierung mit Vertretern
der Arbeiter, die am 21. Oktober in Chernnitz stattfinden sollte,
den Cenerulstreik der gesamten deutschen Arbeiterklasse erklä-
r<'n zu lnssen. Die bewaffneten Kiimpfc um die Macht sollten aus
dem Generalstreik erwachsen, im Freistaat Sachsen, im Regie-
269
runl(sbezirk Halle-Mcrseburg und zur Entlastung zug.leich in
den KPD-Bezirken Wasserkante und in IeckJenburg ausgelöst
'' erden. Als Ku rier begab sich das Mitglied der Zentrale, Her-
mann Remmele, nach orddeutschland, wo er am Abend des
21. Oktober Ernst Thälmann und anderen Hamburger Punktionä-
ren den Beschluß der Parteizentrale überbrachte, am 23. Oktober
zum bewa[[neten Aufstand überzugehen.
Wie in vielen Teilen Deutschlands so hatten auch in seiner
größten Hafenmetropole die Erbitterung über das Massenelend,
Erwerbslosendemonstrationen und Lebensmittelkrawalle der not-
leidenden Bevölkerung an Umfang und Schärfe zugenommen. ln
l lamburg, einem Zentrum des deutschen lndustrieproletariats,
verlief dieser Prozeß besonders stürmisch.
Zielstrebig trat die Hamburger K:PD-Stadtorganisation mit
Ernst Thälmann an der Spitze Für die Lebensinteressen der
Werktätigen ein, kämpfte sie um die rasche Beendigung der im-
mer unerträglicher werdenden Verbrutnisse in der llansestadt.
Dagegen waren der dortige VSPD-Vorstand sowie rechte Cewerk·
schartsführer darum bemüht, . n uhe und Ordnung« zu bewahren,
den Kampfwillen des Proletariats einzudämmen und ei nen Gene-
ralstreik nicht zuzulassen. ~laßgebliche \'SPD-Politiker bekJeide-
tcn in Harnburg Regierungsposten und unterhielten zur Berliner
VS PD-F'ührung enge Kontakte. Reformistisch eingestellt, lehnten
sie olle kommunistischen Angebote zum gemeinsamen Kampf ab.
Zu den wichtigsten Stiidten Deutschlands ziihlend, gründete
sich die Bedeutung Hamburgs damals wie heute vor allem auf
l landel, Hafen und Schiffahrt. Die Freie und Hansestadt mit Se-
nat (Regierung) und Bürgerschaft (Parlantent), in der die VSPD
die Mehrzahl der Mandate besaß, breitete sich Anfang der zwan·
ziger Jahre auf einer Cesamtfläche von 4 15 Quadratkilometern
aus und hatte knapp über eine lillion Einwohner. II 0 Kilome-
ter von der Elhmündung in die ordsee entfernt, erfaßte die
zweitgrößte deutsche Stadt ein riesiges industrielles ßullungsge·
biet
ll runburg war das nach allen Kontinenten geöffnete Tor des
deutschen Handels. Den städtischen Wirtschafts- und lndust.rie-
charakter bestimmten Schiffbau und Schiffsverkehr, Eisen- und
Buntmetallurgie sowie Umschlag und Aufbereitung von Handels· E
gütern aus aller Welt Zu den größten Reedereien gehörte die "'

270 27 1
HAPAG (l lamburg-Amerikanische-Packetfahrt-.1\ ctiien··GE:sell-
schart). Im April 1923 lief der Damt>fer »Deutschland• vom Sta.
pel. Im Juni folgte die Indienststellung des HAPAG-Flaggschüres,
der . Albert Ballinc, mit 20 815 Bruttoregistertonnen. Trotz der
Fertigstellung dieser für die Oberseelinien bestimmten Luxus-
dampfer stiegen die Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit im Hafen
und in den Werften "'eiter an.
Die großOiichige Hafenstadt bildete - ähnlich wie auch in der
Gegenwart - verkehrsmäßig einen zentralen KnotenpunkL
Eisenbahnbctrieb, Stadtverkehr und Flugtransport gestatten aus
jeder Richtung einen schnellen Zu· und Abgang. Dicht nebenein-
ander durchziehen verschiedene Wasserstraßen das Stadtprolil,
die Binnen- und Außenalster lrennt die östlichen von den westli-
chen Stadtteilen. üdlich der Stadt gelegen, befindet sich an der
in zwei Flußarme (, order- und Siidcrelbe) geteilten Untereibe
der Hafen mit seinen industriellen Anlagen, Docks, Hafenbecken
und mschlagpliitzcn. Elbbrücken und. ein Unterwassertunnel
verbinden das Hafengebiet mit der Innenstadt. Wichtige Ver-
kehrsstrecken beginnen, durchqueren oder enden hier. Eine stiid·
tische Hoch- und Untergnmdbahn verläuft auf einer Ringlinie
auch durch Außenbezirke. Vom Flugplatz Hamburg-Fuhlsbüttel
im 1orden starteten 1923 Zivilflugzeuge zur Luftbeobachtung
der einzelnen Aufstundsriiume.
Typische Arbeiterviertellagen in den östlichen und nördlichen
Außenbezirken der Stadt. 42 000 Menschen hausten in Elends·
quartieren, Kellern und Mansarden. Orte wie Schiffbek (heute
Billstedt), Wandsbek und Altonu, in denen die Arbeiter zu den
Waffen griHen, gehörten, obgleich nicht weit von den Stadtgren·
zen entfernt, 1923 noch nicht zu I Lamburg.
Gemäß der Hamburger Verfassung vom ?.Januar 1921 um·
faßte die Bürgerschart 160 Deputierte. Oie VSPD hatte 67, die
KPD 17 Mandate inne. VSPD und Deutsche Demokratische Par-
tei bildeten zusammen die bürgerliche Regierung, den Senat.
1923 war die Stadt ohne Reichswehrgamison. Unmittelbare
Militäroberhoheit war dem Wehrkreisbefehlshaber U in Stettin
übertragen. Bedingt durch die Truppenkonzenll'ationen in und
um Sachsen, waren Truppenteile und Einheiten aus diesem
Wehrkreis ab Mitte Oktober dorthin verlegt worden. Deshalb
führte die Rcichsmarine. deren Stationskommando ;'1/ordsee in
272
Wilhelmshaven disloziert war, wiihrend der Ahkommandierungs·
dauer der Heereskräfte militärische Sicherungsoulgaben im Kü-
stenbereich durch. ,
In Harnburg gab es verschiedene polizeiliche Repressivorgane.
Oie aus 8 000 Mann bestehende . Ordnungspolizeic gliederte
sich in: Ordnungspolizei Landschutz, Ordnungspolizei Hafen·
schutz, Ordnungspolizei Aufsichtsdienst und Ordnungspolizei
Hafen· und Schiffahrtspolizei.
Die Hauptmasse gehörte der • Ordnungspolizei Landschutze an.
Rund ein Drittel dieser Polizeiangehörigen war kaserniert und bil-
dete eine für innere Unterdrückungszwecke bestimmte Elitefor-
mation. Letztere war im Herbst 1923 schon mehrmals bewaffnet
gegen demonstrierende Werktätige eingeschritten, die die Ver-
elendungs- und Katast.rophenpolitik der herrschenden KJasse ver-
urteilten. Der Waffenbestand der Hamburger Polizei belief sich
auf 2 667 Gewehre, 8 000 Pistolen, 400 Maschinenpistolen und
8 000 blanke Waffen.
Zu den kasernierten 4 Polizeiabteilungen zählte eine . Sonder-
wagenbereitschartc, bestehend aus 6 Panzerkraftwagen, von de-
nen jeder mil 2 schweren Maschinengewehren bestückt war.
Oie Angehörigen dieser Polizeiformationen machten entweder
Exekutivdienst in der Innenstadt oder standen als operative Ein-
greifreserve in zwei Polizeikasernen Tag und Nacht einsatzhereil
Um Operationsfreiheit nach allen Seiten zu haben, waren diese
Kräfte nicht im Stadtgebiet, sondern außerhalb davon stationiert.
Eine Kaserne befand sich in \Vandsbek, die andere in Allona. lm
Alarmierungsfall konnten zudem noch Angehörige der Revier-
polizei, des . Aufsichtsdienstesc oder . Hafcnschutzesc herange-
zogen werden.
In den Aufstandstagen spielte die etwa 700 Mann starke, von
der VSPD organisierte • Vereinigung Republik« eine Hitrspolizei-
rolle, indem sie aus ihren Reihen Reservebesatzungen für Polizci-
re,iere zur Verfügung stellte. Das ermöglichte es, zusätzliche
Polizeiaufgebote für die Bekämpfung der Hamburger Erhebung
frei zu machen.
Obgleich der VSPD-Vorstand der Hansestadt nichts unver-
sucht ließ, die Kommunisten bei den Arbeitern in Mißkredit zu
bringen und deren Masseneinfluß einzuschränken. konnte er
nicht verhindern, daß ihr Ansehen aufgrund konsequenten Ein·
273
trelens für die Arbeiterforderungen ständig wuchs. Umfaßte
VSPO-Mitglicdschaft damals rund 46 000, so erreichte die
gliederzahl der Kommunistischen Partei Deutschlands in der
fenmetropolc im Herbst 1923 etwa 18 000.
Wie überall war das städtische Proletariat von den unmil1ellba..
ren Krisenauswirkungen besonders betroffen. Oie Arll>eitsl<ISeJJloo
ziiier in Ilamburg betn1g im IIerbst 50 600. Oie auJje'l~e"•öhnlic:b
hohe und oft schon noch Stunden wieder einsetzende Par1iergel1il-
entwertung vergrößerte das soziale Elend. ln ihrer EnllrüsiiUIIJI
über die erbiinnl ichen Zustände verschafften sich Teile der nwt- '
gernden Luft, indem sie in Bäckerläden und LelbertsrulittE:lge:sclläf-
ten die Herausgabe von Brot und anderen l ahrungsgütern
zwangen. So auch am 20. Oktober, als die vom Senat dirigierte
Polizei bei Zusammenstößen mit den protestierenden Werktäti-
gen rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machte.
Ernst Thälmann, Vorsitzender der Hamburger KPD-Ortsorgani-
sation, oblag die politische Leitung des Kampfes. fhm zur Seite
stand der rnilitiirische Oberleiter Albert Schreiner. Militärischer
Leiter in ßarmbcck war I Ians Kippenherger und in SchiHbelt
Fritz (Fiele) Schulze. Philipp Dengel - er wurde 1925 ins Thäl-
mannsche Zentralkomitee gewiihlt - organisierte in der acht
zum Aufstundstag Spcrrmnßnahmcn der Arbeiter auf Fernver-
kehrsverbindungen zur llansestadt. Internationalistische Hilfe lei-
stete Manfred Stern, der nls Teil nehmer nm Bürger- und Inter-
ventionskrieg in Sowjetrußland seine revolutionären Erfahrungen
in die Kiimpfe der deutschen Arbeiterklasse einbrachte. ln den
Reihen der Aufstiindischen kämpften solche kommunistischen
Funktionäre und Jungkommunisten wie Etkar Andrf!, John Schehr
und Willi Brcdel.
Bedingt durch die knappe Vorbereitungsfrist von nur 36 Stun·
den, mußten die Beschlüsse und Maßnahmen schnell ge(aßt und
realisiert werden. Eine wichtige Stütze war der von der Hambur-
ger KPO-Organisation im Laufe des Jahres 1923 geschaffene Ord·
nerdienst (00). Srine kleinste Einheit war die Gruppe mit
8 Mann. 4 Gruppen bildeten eine Abteilung, 4 Abteilungen wie-
derum einen Zug. Zum Zug gehörten ferner Rad- und Motorrad-
fahrer sowie Arbeitersamariter. Insgesamt umfaßte der OD in
Harnburg etwa I 300 Mann. Kompliziert war es. die wenigen vor-
handenen Waffen an die Kampfgruppen, die zuerst im Brellll"
274
punk t der Kämpfe stehen würden, zu verteilen. 1icbt immer ge-
lang es, jeden Kämpfer zu erfassen und ihn mit den
erforderlichen Instruktionen zum Handeln zu versehen. Bei die-
sen Maßnahmen war zu beachten, da.ß sie der Gegner nicht be-
merken durfte. Wie die späteren Kampfereignisse bestätigten,
konnten alle Aufstandsvorbereitungen in der Stadt der Reaktion
grgenüber geheimgehalten werden.
Ernst Thälmann, am 16. April 1886 in Harnburg geboren und
auch dort aufgewachsen, als l lafen- und Transportarbeiter aufs
engste mit dem Proletariat verbu':'den, im Klassenkampf zum Ar-
bciterführer gereift, stellte seine Entschlußfreudigkeit, seinen Mut
und sein großes Organisationstalent während des Aufslands viel-
fach unter Beweis. Ungeachtet großer Schwierigkeiten verstand
er es immer wieder, die Verbindung zu den kämpfenden Arbei-
tern nie abreißen zu lassen, sie über das Notwendigste zu ·unter-
richten und ihre Vorschläge zu berücksichtigen.
Um spontanen Bewegungen vonubeugen, hatten Ernst Thäl-
mann und andere KPD-Funktioniire am 21. Oktober 1923 auf
einer Werftkonferenz in IIomburg ihre ganze Autorität aufuieten
rnlisscn, um - entsprechend der bis dahin gegebenen Weisung
dt'r Zentrale der KPO, Tcilkiimpfe bis zum •entscheidenden
Schlag• nicht ?.u fiihrcn - die Arbeiter von der sofortigen Ausru-
fung des Generalstreiks wrückzuhaJten. Gleichzeitig bezogen sie
jedoch Stellung gegen jene Gewerkschaftsfunktionäre, die jede
\1assenaktion zu verhindern suchten und die Beschlußfassung
darüber zentralen Gewerkschaftsleitungen zuschoben. Die Mehr-
zahl der Versammlungsteilnehmer sprach sich dafür aus, mit Be-
ginn des Reichswehreinmorsches in Sachsen den Generalstrei~
zu proklamieren. Eine Delegation, die nach Chemnitz reisen
sollte, wurde bestimmt. Ehe sie jedoch dort ankam, hatten sich
";chtige Dinge ereignet.
Zu einem Zeitpunkt, wo der bevorstehende Reicbswebrein-
marsch die Vcrschiirfung der Klassenkämpfe deutlich wider-spie-
gelte, hatte die sächsische llcgierung zum 21. Oktober 1923 eine
Konferenz nach Chcmnilz einberufen. an der Vertreter der Be-
triebsräte, Gewerkschaften und Kontrollausschüsse teilnahmen.
\ erlauf und Ausgang dieser Konferenz aber zeigten, daß wohl
Kommunisten und mit ihnen sympathisierende Arbeiter auf
Kämpfe eingestellt waren, viele andere jedoch nicht.
275
 Alle linkssozialdemokratischen Regierungsmitglieder, deren
Stellungnahme die Haltung zahlreicher Abgesandter von Arbei-
terorganisationen beeinß ußte, weigerten sich während der Bera-
lung, dem von I leinrieb Brandler vorgeschlagenen Generalstreik-
beschluß zuzustimmen. Unter diesen Umstä.nden zog der
Vorsitzende der KPD die Entscheidung der Zentrale vom Vortag
zurück. Er erkJiirle sich damit einverstanden, die Entschlußfas-
sung solcher Kampfmaßnahmen einer paritätischen Kommission
zu überantworten.
Die sächsischen linken Sozialdemokraten in der Regierung hat-
ten in historisch entscheidender Stunde versagt. Sie scheuten, un-
ter dem Druck ihrer rechten Parteiführer in Bcrlin stehend und
ebenso den eigenen Illusionen unterliegend, aur der Chemnitzer
Konferenz den offenen Kampf gegen den Reichswehrfeldzug und
für die Verteidigung und Erweiterung der proletarischen Positio-
nen.
Dieser Vorgang bürdete den Kommunisten eine schwerwie-
gende Last auf. Konnte doch ohne Mitwirkung der Gewerkschaf-
ten, der Betriebsräte und anderer Arbeiterorganisationen die
Mehrheit der ArbeiterkJasse nicht dafür gewonnen werden, die
Klassenauseinandersetzung bis zur Anwendung schä.rfster
Kampfformen zu führen. Die Chemnitzer Konferenz bewies, daß
die bestehende Einheitsfront der kommunistischen und sozialde-
mokratischen Parteien der von ihr zu trogenden Verantwortung
1923 noch nicht gewachsen war und insgesamt zu wenig Kräfte
aus der ArbeiterkJasse in die Vorbereitung der Massenkämpfe
einbezogen worden waren.
Informalionen über Verlauf und Ausgang der Chemnitzer Kon·
ferenz erreichten die Hamburger Genossen erst in der acht zum
Aufstandstag. Das war zu spät, um die bereits eingeleiteten
Kampfmaßnahmen noch aufhalten zu können.
Am 22. Oktober hatten sich in der Hafenmetropole die Streik·
aktionen verschärft. Die acbrichl vom Reichswehreinmarsch in
den Freistaat Sachsen steigerte die KampfentschlossenheiL In
den Werften, Hafen- und Baubetrieben wurde nach dem General·
streik gerufen. Am achmitlag ruhte die Arbeit im Hafenbereich.
Zusammen mit der Oberbezirksleitung 1ordwest und den Lei·
lern des Aufslandes beriet Ernst Thiilmann am Abend des
22. Oktober die letzten Aufstandsvorbereitungen. Da, wie die
276
Tdlnehmcrrunde etnmülig feststellte, die bis zum Siedepunkt er-
hitzte Kampfstimmung in Harnbu rg günstige Bedingungen bot,
,, urde der Aufstandsbeginn für den kommenden Morgen festge-
l('gt. Die in einer Arbeiterwohnung tagende Versammlung unter
\ orsitz von Ernst Thä.lmann bestätigte einmütig den Aufstands-
plan. Ihm lag die Idee zugrunde, während der bewaffneten Erhe-
bung die Initiative zu ergreifen und die erreichten Erfolge mit
Lntcrstützung durch das Hamburger Proletariat zu erweitern. Die
('in?.elnen Etappenziele sollten nacheinander bzw. gekoppelt mit
anderen Kampfaufgaben durchgesetzt werden.
In Anbetracht der städtischen Gegebenheiten versprach der
\ngrirf aus den östlichen und nördlichen Außenbezirken der Ha-
fenstadt besondere Vorteile. Dort gaben die Arbeiterviertel den
rrforderlichen Rückhalt für die Kämpfenden ab und boten geeig-
nrte Lagebedingungen für den Stoß ins Stadtzentrum. Ungünstig
dugegen sah es mit der Bewaffnung aus. ur 80 1-landfeuerwaf-
frn. Gewehre und Pistolen, befanden sich in den !Iänden der
\ufständischen. Von der Lösung dieses Problems und der ~1as­
'cnunterstützu ng durch die Werktätigen hing das Gelingen der
Erhebung in llamburg wesentlich ab.
Folgende Kampfetappen wurden ins Auge gefaßt:
Dl'r Aufstandsbeginn war mit dem plötzlichen Losschlagen von
Kampfgruppen gegen Polizeiwachen in den Außenbezirken ver-
hundcn, um diese im ersten Ansturm zu überrumpeln und dje
dort lagemden Waffen- und Munitionsbesliinde in eigenen Besitz
zu bringen. Anschließend sollten die Aufständischen zu starken
bewaffneten Arbeiterformationen zusammengeraßt werden und
krilförmig - gedeckt von Massendemonstrationen der werktäti-
gen Bevölkerung - in Richtung Innenstadt vorstoßen, der Wi-
d('rstand gebrochen und der Gegner 'ollends entwaffnet werden.
Im \ erlauf der Kampfhandlungen waren strategisch wichtige
Pun kt<' llamburgs - Hochbahn, Bahnhöfe, Post- und Telegrafen·
ämtf'r, zentrale Einrichtungen, Eibe- und Alsterübergänge - zu
brsctzcn. Ferner sollten Kampff:,rruppen aus der niiheren Umge-
hung der llansestadt in den Kampf cingreifcn.·Auch äußere Absi-
<'hl• rungen des Aufstandsgebietes durch Sperrung von Straßen,
Eisenbahnverbindungen und Schiffnhrtswcgcn in der Umgebung
dl•r l lnfenstadt spielten eine Rolle, weiterhin die Absicht, die
\Vnndsbeker Polizeikaserne zu stürmen.
277
 Der Aurstandsplan verlangte den rast unbewarrnct angreifen-
den Aurstiindischen ein llöchstmaß an Einsatzwillen, Mut und
Taprerkeit, taktischem Geschick und Findigkeit in allen Lugen
nb. Er konnte in seiner Cesamtheil nur mit der vereinten Krart
des Hamburger Proletariats in die Tat umgesetzt werden.
In der acht zum 23. Oktober 1923 sammelten sich ilie OD.
Gruppen gemäß ihrem Aurtrag an den \Orher bestimmten Treff.
punkten in verschiedenen Stadtteilen. Oie Benachrichtigung, das
Beziehen der Ausgangsräume und die llerstellung der Knmprbe-
reitschart kamen unter Einhaltung der Regeln strengster Geheim-
haltung und Wachsanlkeit zustande. Galt es doch, plötzlich und
überraschend ilie Aktion zu erörrnen. Oie Kämprer waren der re-
sten Überzeugung, daß ihrem Beispiel die revolutioniiren Arbei·
ter im norddeutschen Raum und in ganz Deutschland rolgen wür-
den.
Bereits in den Abend· und Nachtstunden vor dem unmittelba-
ren Beginn der Erhebung hatten mehrere Arbeitertrupps ostwärts
von Harnburg versucht, die Eisenbahnlinie Lübcck-llamburg
und Straßenzugänge nach Hornburg zu blockieren. Mußte doch die
Aurstandsleitung daraur geraßt scin, daß der Gegner aus dieser
- Richtung polizeiliebe und militärische Verstärkungen erhalten
würde, die hier auf kürzestem Wege herangerührt werden konn·
ten. Deshalb soUten in den Gebieten bei Ahrensburg und Bargte·
heide Sperrmaßnahmen durchgefü hrt werden, um solche Trans·
porte aur Schiene und Straße zu unterbinden bzw. die Zurührung
zu erschweren.
Es glückte diesen Trupps auch an einigen Stellen, Gleisanlagen
zu unterbrechen und Straßenhindernisse zu scharren. Da sie es
jedoch vcrsiiumten, die betrerrenden Hüume genügend abzusi·
ehern und die nähere Umgebung zu sondieren, blieb ihre Tätig·
keit nicht lange unentdeckt. So konnte ein Bahnbeamter, den ilie
Arbeiter unbeaursichtigt gewähren ~eßen, per Bahnteleron seine
Vorgesetzten benachrichtigen und Alarm auslösen. Kommandos
der preußischen Schutzpolizei besetzten daraurhin die gesperrten
Streckenabschnilte, veranlaßten die Verfolgung der Arbeiter·
trupps und leiteten Sorortmaßnahmen zur Beseitigung der Gleis·
und Baumsperren ein. Gewarnt durch die Spemmg von Sclüe-
nen· und Straßenwegen in der Hamburger Richtung, zogen es
einen Tag spiiter verantwot1liche Militiirs im Marinestutionskom·
278
l))ftlldo ordsee vor, zur Verstärkung polizeilicher Krärte den
;r;war längeren, jedoch weniger gefa.hrdeten \Vasscr\\eg Eibe, Al-
ster, Bille zu wählen.
Kurz vor dem Aufstandstag ka•11 der proletarischen Kamp[iei·
tung der Umstand zugute, daß die IIomburger Polizeidirektion
ihren nach mehrfachen Einsätzen gegen Streikende und De·
monstranten ermüdeten Polizeieinheiten eine ,.Ruhepause« im
A)armierungszustand einräumen mußte. Desto größer war für die
Polizeiinstanzen ilie Überraschung, als in der Morgenrrühe des
23. Oktober 1923 die lliobsbotschaft von der Erhebung der
Hamburger Arbeiter eintrar.
Aufstandsbeginn
Am 23. Oktober 1923, 5 Uhr. noch im Morgengrauen, hatte der
Angrirr in verschiedenen Stadtfeilen llamburgs begonnen. Die
Kämprer waren angetreten, ilie ausgesuchten Polizeiwachen
handstreich(lrlig zu nehmen sowie Schußwarren und Muni tion zu
erbeuten. Von 26 Polizeiobjekten konnten 17 innerhalb kürze·
ster Frist - zumeist beim ersten Ansturm - übe..Wiiltigt und be-
setzt werden. Stützpunktartlg erstreckte sich die allgemeine
KampOinie von Hamm im Siidosten über Barroheck und Winter·
hude bis l!:imsbüttel im 'ordwesten der Hansestadt. Außerhalb
Hamburgs nahmen Arbeiterwehren in Schiffbek, \Vondsbek und
Altona teil. Zu Überwachungszwecken wurde vorübergehend dle
eingangs der Außenalster gelegene Krugkoppelbrücke in Besitz
genommen und durch die Kämprer kontrolliert.
Im Bllrmbecker Absch nitt vollzog sich die Eroberung der
Mehrzahl der Wachen in sehneUer Folge, obgleich die Angreifer
zunächst nur 19 Gewehre und 27 Pistolen besaßen. Plötzlich
tauchten die Arbeiterkämprer am Einsatzobjekt aur, paßten sich
meisterhaft den erkundeten Gegebenheiten an und verstanden es,
die Polizeistntionen mit schwachen Kräften zu überrumpeln.
Meistens wurden die eingenommenen Polizeiwachen und -po·
sten nach Erfüllung des Kampraurtrages wieder verlassen. Ort
schickten die Arbciter die Entwarrneten einfach nach Hause.
l\icht wenige der bürgerlichen Staatsdiener Oüchteten auch, um
der abzusehenden Übcrwiil tigltng zu entgehen.
\
279
 Die Radfahrwache 26 in I lamm konnte von der prc,letari:schte~
Kampfgruppe in der Frühe kampflos eingenommen werden.
dort diensttuenden Beamten waren so überrascht, daß sie zu
ner Gegenwehr f'"lihig waren. Beim Erscheinen der At11IsLiim
sehen hoben sie schreckensbleich die Hände und baten darum.
ihnen nichts zuleide zu tun. Eilfertig lieferten sie die Waffen
Doch nicht jeder Wachensturm endete mit einem Erfolg
die Arbcitcrkämpfer. Einige Wachen konnten rechtzeitig
Polizeiinstanzen gewarnt und in die Lage versetzt werden,
Anstünnenden zurückzuschlagen. Dane._ben traten auch
mente ein, wo mangelnde Erfahnmg, Ungeduld oder geringe Ziel-
strebigkeit bei einzelnen Aktionen die Erfüllung des Kampfauf-
trages einschränkten und sogar verhinderten.
Das umstrittenste Polizeiobjekt am ersten Kampftag war
Barrnbccker Doppelwache 46. Schon zum Teil besetzt, scheiterte
der volle Erfolg an dem kopflosen, undisziplinierten Verhalten
eines Truppführers. Sein Auftrag lautete, die Doppelwache zu
umgehen und sie durch ein<'n zweiten Eingang von der Hofseite
aus einzunehmen. Er jedoch hielt sich nicht daran und ließ in das
Gebäude hineinschießen. Oie übereilte Tat löste Verwirrung in
den eigenen Reihen aus, wus die noch kumpfkräftige Polizeibesat-
zung zum Gegenstoß uusnutzlc. Um einer völligen Einschließung
zuvor-.~:u kommcn , mußten die Kürnpfer die schwer errungenen
Positionen uufgeben und Schutz in den umliegenden Mietshäu-
sern suchen. Obwohl die Kampfhandlungen darum fast den gan·
zcn Tag 11ndouerten, blieb diese Wache unhezwungen.
Jene Kampfgruppe, die irn Stadtteil Sankt Georg die Polizeista·
tion 4 stürmen sollte, wiihltc eine Überfallvariante, die ihrem Auf·
trag widersprach. AnstaU ihre Kräfte schnell und ohne Aufsehen
~~~ das Ziel heranzubringen, vereinigte sie sich unterwegs mit
emer Gruppe von Sympathisanten und rückte demonstrativ vor.
Auf dem Platz vor dem einzunehmenden Stützpunkt hielt die lok-
kere Ansammlung inne und verlor dadurch jeden Überra-
schungseffekt Abwehrfeuer der Polizei :r.wang diese Gruppe, un-
verrichteterdinge den llückzug anzutreten.
Fehlende Zielstrebigkeit und Entschlußkraft bei OD-Funklio-
nären in Altona hatten zur Folge, daß ihr Eingreifen kein positi·
ves Ergebnis brachte. Waren zunächst drei Wachen anvisiert ge-
wesen, verringerte sich das am Aufstandstag auf eine. Der
280
Quenser Trupp, der bis ins Vorfeld dieser Wache kam, stieß da·
bei auf eine starke Polizeistreife. Im Feuerkampf unterlegen,
mußte er von einem weiteren Angriff Abstand nehmen.
Die in den ersten Stunden des 23. Oktober genommenen
17 Polizeistützpunkte stellten einen bea.chtlichen Erfolg dar. Es
war den kaum bewaffnet anstürmenden Ordnerdienstgruppen ge-
lungen, eine em pfindliche Bresche in die 50 vorhandenen Poli·
zeircviere zu schlagen und damit sichtbar zu machen, was die
Kraft der geschlossen auftretenden Arbeiterwehren zu vollhrin·
gen imstande war. Darüber hinaus konnten der Zugverkehr der
I lochbahn in Barrnbcck und einer Vorortlinie nordöstlich der Ha-
fenstadt lahmgelegt sowie einige Bahnstationen und Brücken zeit-
weilig blockiert werden. 170 Schußwaffen, in der Mehrzahl Ge-
wehre, "urden erbeutet, dazu die vorrätigen Munitionssätze.
Trotzdem reichten Waffen und Munition kaum aus, die am Mor·
gcn des 23. Oktober angetretenen 300 Arbeiterkämpfer in vollem
u mfang zu bewaffnen. Das hatte Konsequenzen für den weiteren
KampfverJauL Einmal mußte die Absicht, bei ausreichender Be-
waffnung den Stunn auf die Wandsbeker Polizeikaserne mit etwa
600 Insassen zu wagen, fallengelassen werden. Zum anderen
konnten die kampfwilligen Arbeiter, die sich im Laufe des Auf-
standstages der Erhebung 11ngeschlossen und nach Waffen ver·
langt hatten, nicht bewaffnet werden.
Groß war die Sympathie, mit der das Haniliurger Proletariat
das Wagnis der Aufstiindischen verfolgte, Hunger und Elend zu
überwinden und Bedingungen für ein menschenwürdiges Dasein
zu erkämpfen. Eine beachtliche Anzahl war bereit, aktiv die Er·
hcbung zu unterstützen. Das gab den Arbeiterkämpfern morali-
sche Unterstützung.
Barrikaden in Hamburg
Oie Anteilnahme der Bevölkerung am Hamburger Aufstand war
besonders im Arbeiterviertel Oarmheck, in dem Annut und I ot
vorherrschten, stark ausgeprägt. llier war es vor allem den Korn·
munisten gelungen, der viele Menschen beherrschenden Resigna·
tion entgegenzutreten und sie zur befreienden Tat zu bewegen.
281
 Darum gingrn viele ßarmbecker nach Aufstandsbeginn auf die
Straße und beteiligten sich aufopferungsvoll am Kampf.
Unter ihnen gab es viele Frauen und Jugendliche, die die Rei-
hen der Kämpfer verstärkten und bereitwillig schwierige und
mühselige Arbeiten verrichteten. Ob als Barrikadenbauer, als
Melder, Aufklärer, Agitator, als Arbeitersamariter oder mit Ver-
sorgungsdiensten der verschiedensten Ar1 betraut, selbstlos und
mutig führ1en sie die ihnen von der KampOeitung übertrageneo
Aufgaben aus.
Um den Bnrmbecker Hauptkampfplatz sicher gegen die zu er-
"ar1enden Polizeivorstöße abzuschirmen, konzentrierte sich die
Unterstützung der Bevölkerung vorerst auf den Barrikaden- und
Stellungsbau. Allein im Südteil des Arbeitervierleis wurden a.m
Vonniltag des 23. Oktober 1923 58 Barrikaden an wichtigen Stra-
ßenknotenpunkten errichtet. Darüber schrieb später die •Ham-
burger Volkszeitung•: •Alles half mit nrn Bau proletarischer Ver-
teidigungsstellungen. Straßen waren quer aufgerissen, dicke
Bäume auf bcidrn eilen gcf'iilll und mit Stacheldraht umwickelt,
Asphaltplatten losgemeißelt und als Brustwehren in den Schüt-
zengrüben verwandt. Lebensmittel und Zigaretten wurden von
sympathisicrcndt'n Klcinbiirgcrn \Crleilt, proletarische Frauen
kochten im Verlauf der Kiimpfe dicke Suppe und Kaffee, Kuriere
kamen und brachten Munition ... Trotzdem jeder in Barnlbeck
wußte, daß der Gegner eine weit überlegene Waffengewalt hatte,
so wnr doch in keinem Stadium des Kampfes Kleinmut aufge-
kommen. Wenn proletarischer Zorn und proletarische Begeiste-
rung sich paaren, dann ist es von vomherein eine Waffe, gegen
die die Söldlinge des Kapitals keine gleiche huben .•
Hartnäckige Kiim1>fe entbrannten auch in Schiffbek und
Wandsbek - Orte, die damals administrativ zu Schleswig-Hol-
stein gehörten.
Die Schiffbeker Arbeiter crober1en im ersten Ansturm die
Polizeiwache, besetzten das Gemeindehaus und die Post. Nach-
dem sie die Macht im Ort übernommen haUen, bereiteten sie
Schiffbek auf die Ver1eidigung vor. An geflihrdcten Straßenstel-
len türmten sie Hindernisse auf. Auch hier fanden die Kämpfer
Hilfe bei den Or1sein" ohnern. Unter der Überschrift . Arbeiter·
brüder! Der Sieg ist unser!c appellier1e der neugebildete proviso-
rische \ ollzugsausschuß von Schiffbek in seinem Aufruf vorn
282
23. Oktober 1111 die wehrllihigen Proletarier, sich im Selbstschutz
zu vereinigen, um den errungenen Erfolg zu bebauplen.
Wie notwendig diese Vorsorge war, zeigten die bald darauf ein-
oetzenden Gegenmaßnahmen der Polizei. Bei ihrer Abwehr er-
"ics sich der Kommunist Frilz (Fiele) Schulze, eng mit der Ham-
burger Kampneilung zusammenwirkend, als umsichtiger militäri-
scher Organisator. Unter seiner Befehlsführung verteidigten die
proletarischen Kiimpfer - die mit 35 Waffen in den Kampf ~
gcn - die eingenommenen Stellungen zäh und tapfer. Erst als m
der \1ittagszeit erneut polizeiliche Verstärkungen eintrafen und
die Gefahr anwuchs, von ihnen überwältigt zu werden, verließen
die in Deckungen verschanzten Aufständischen die frontalen
Kampfstellungen und gingen zur beweglicheren Manöverlaktik:
über.
Folgende \lethode wandten sie dabei variantenreich an: Wäh-
rend einzelne Gewehrschützen den Feuerschutz übernahmen, zo-
gen sich die meisten Kämpfer unbemerkt vom Gegner in vorbe-
reitete rück- oder seitwärtige Stützpunkte zurück und setzten von
dort aus die ßckiimpfung der Polizeikriifte fort. Eine solche Ver-
änderung wurde einige Male vorgenommen und dadurch die
Kampfkraft der Verleidiger geschont. Verschiedentlich ~onnte
der Angreifer erfolgreich getiiuschl werden, so daß er nocb län-
gere Zeit sein F'euer auf die verlassenen Arbeiterpositionen rich-
tete und sich sein Irrtum erst noch deren Ei nnahme aufklärte. Ln
einem Fall brauchte eine der so hundeluden Polizeieinheiten
zwei Stunden, um einen leeren Schützengrahen einzunehmen.
Die von den Schiffbekern fintenreich angewandte Taktik und
die solidarische Unterstützung der Kämpfer durch die Bevölke-
rung verhinderten, daß die Polizei ihren Plan, mit Waffengewalt
diesen Ort zu •befrieden «, am ersten Kampftag durchsetzen
konnte. Das erregte in der llamburger Polizeidirektion nicht ge-
ringe Bestürzung. Deshalb ergriff run nächsten Tag der Cbef der
•Ordnungspolizeic, Polizeioberstl('ulnant Lolhar Danner. selbst
di!' Leitung, um die Sehiffbek!'r mit noch massiveren Kampfmit-
teln zur • Räson• zu bringen.
-\uch in Wandsbek war es den Arbeiterwehren im :\lorgen-
gl'auen des 23. Oktober 1923 gelungen, bandstreichartig eine
Polizeiwache zu erobern. Von Bede~tung für die folgenden
"-smpfhandlungen erwies sich die Beschlagnahme der im
283
 • Wandsbcker Schützenhofe vorhandenen 60 Scl~eibertbüichse
Diese. üblicherweise nur zum Sportschießen gebraucht, en••n
ten beim Schuß einen mächtigen Knall, womit die Arbeiter illlJ~
liehe Polizeibeamte zusätzlich beunrulligten. Oie
komplettierten die aufständischen Reihen und nahmen mit
erbeuteten Waffen am Kampf im Raum Bwrm lbe(:k--H<elll>rook~
•
Bramfeld teil.
1
icht allein die Besatzungen der von den Arbeitern einge~1011
mcnen Polizeiwachen wurden vom Aufstwndsbeginn üiM~rra'sch
ebenso die Polizeizentrale und der l lambt~~-ger Senal Nachc:le~
dort der erste Schrecken überwunden wwr, wurde rue ge!;amatl
Hamburger Polizeimacht in Großalarm versetzl Außerdem
de die Reichswehrdienststelle in Wilhelmshaven - das Marin~~
stationskommwndo ordscc - benachrichtigt und von dort
tärische Un terstützung angefordert.
Gemäß dem gültigen polizeilichen Alannicrungsreglement
ten sogenannte nicgende F:insatzkommandos auf La:stkiraft:wagem
teilweise komplettiert durch einzelne Panzcrkraftwagen, 1nne1
halb kuner Zeit die von den Arbeiterkämpfern gestürmten
besetzten Polizeiobjekte wieder einnehmen und alle Autfst:llß(la
herde in der Stadt und Umgebung mit bewaffneter Gewalt "'"'"
sehen. Abgesehen von der freiwilligen Räumung ei"ing<eno•mrneru!l
Polizeiwachen durch die Arbei ter, mußten n"'"
führende dort, wo sich die Aufstiindischen zum K.nrnnf stellten
bald erkennen, daß die schnelle Unterdrückung der Hamhml:e
Erhebung Illusion blieb.
Da die Unterstiilzung durch die werkliilige Bevölkerung in
um IJamburg, worauf der Auf&tandsplan aufgebaut hatte, nicht
zustande kum wie erwartet, wurden die kämpfenden
nach anflinglichen Überraschungserfolgen jetzt in die Uelren,si\11
gedriingl Dennoch rangen sie beharrlich darun1, die initiative
Kampf in ihrer Hand zu behalten.
Oie städtischen Aufsllindischen behaupteten sich im öa•mt>eilt'
ker Gebiet und auch in Eimsbüttel und " ehrten erste t'otlize:iv~ll'
stöße entschlossen und ausdauernd ab.
Lm Unterschied zur Praxis der meisten anderen Kamp,fgrup
pen wurde die in den Morgenstunden des 23. Oktober ein,gei30rll'
mene Wache 42 in Eimsbilttel nicht sogleich wieder ge~ruum~
sondern von den Kämpfern zu einem Stützpunkt eilltgCJriclttel
281
Eine eiligst zusammengestellte Polizeieinheit, welche die Att[gab('
hatte. diese Polizeistation zurückzugewinnen, holte sich dabei
einr gehörige Abfuhr. Selbst die zur Entsetzung herrungezogene
J3. Polizeibereitschaft konnte trotz der zukommwndierten 2 Pwn-
zerkrnftwagen den Arbeiterstützpunkt in der Müggenkwmp- und
\lcthfesselstraße nicht einnehmen.
Während der Feuergefechte fiel eine Pwnzerkraftwagenbesat-
zung aus. Ein solcher Verlust war in der Hamburger Polizeidirek-
tion nicht einkalkuliert worden, denn es gab keine Reservebesat-
zung dafür. Deshalb liegt die Vennutung nahe, daß die
Hamburger Polizeiführung den Bürgerkriegstheorien des ehema-
ligen Kommandeurs des Freiwilligen Landesjägerkorps, General·
major Georg Maercker, Glauben geschenkt halle. Derselbe wwr
nach der Novemberrevolution 1918119 mit der großsprechcri·
sehen Behauptung aufgetreten, im inneren Einsatz käme jedem
der Pwnzcrkraftwagen, die er für unverwundbwr hielt, etwa die
Kampfkraft eines Infanteriebataillons zu. Oie Hamburger Erfah·
rungen brachten diese Ansicht jedoch nachhaltig ins Wanken.
\1it aufgefrischten Kräften wiederholte die Polizei in der Mit-
tagszeit den Angriff in Eimsbüttel. Jeder Polizist wwr vorher mit
Stahlhelm ausgerüstet worden. Von mehreren Seiten zog sich der
Einschließungsring immer enger um die kämpfenden Arbeiter.
Standhaft verteidigten diese ihre Stellungen, solwoge die Munition
reichte. Erst dann räumten die prolelßrischen Kämpfer diCI nicht
mehr zu haltenden Positionen, verließen truppweise den Stütz-
punkt und verschwwndcn in den un11iegenden Häuservierteln.
Von der Polizei wurde darau01in das Gebiet durchsucht. Die
Erfolgsmeldungen berichteten von der Festnalune zahlreicher
Personen. ln • Gewahrsame kam jedes »verdächtige l.ndivi-
duumc, ohne ernsthaft zu prüfen, ob der Festgenommene über-
haupt am Kampf teilgenommen holte.
Den aufständischen Arbeitern in llamburg stand eine zwwnzig-
fache Übermacht an polizeilichen und militärischen Kräften ge-
genüber. Wwren doch in der acht zum 24. Oktober 1923 mit
dl'm Kleinen Kreuzer oHambu rge und einer Torpedobootsbalb-
Oottille Reichsmarinesoldaten im Hafengt:biet eingetroffen. Diese
bezogen sogleich vorher lestgelegte Sicherungslinien auf der Un-
terelbe, Alstor und Bille. Die sich außerdem an Bord befmdenden
l..andungskommandos, Teile der Küstenwehrabteilung ll in Wu·
285
 helmshavcn, verstärkten die Polizeiformalionen, die in I:SrurmJbec
und Srhiffbek zum Einsalz kamen. Vorwiegend waren es An"''"' Bormll«k
hörige einer Maschinengewehrkompanie, die mit schweren
leichten Mascl1inengewehren in die Gcfechtr cingritren. IJatriih...
hinaus "~rkten jenseits der Hamburger Stadtgrenzen pre:ußiscll4!
»Schutzpolizisten• bei der Abschirmung der Erhebung mit.
gen S) mpathiekundgebungen in Ratzeburg und ltzeboe, in Läj~m
dorf und Altstrahlstedt gingen Einheiten des lleichsheeres vor.
Den llouptschlag führte die llcaklion gegen Barmbcck.
war es den kämpfenden Arbeitern mit Unterstützung von
der Bevölkerung gelungen, ein außerordenllicb engmaschiges
derstandszentrum durch di e Erri chtung von Barrikaden aller
das Aufwerfen von Lauf- und Verbindungsgräben und die übe:l'o
legte \lulzung anderer Abwehrmöglichkeiten im Häuser-
Straßenkampf zu schaffen. Dieses Zentrum crstreckte sich
der \ olksdorfer Straße inl Süden bis zur Drosselstraße im l'O o,r-
den und vom Pfenningsbusch im Osten bis zur 1-locllbathnst:neck,e
im Westen. Die Einbeziehung des I Iochbahndamms so~e
Osterheckkanals in das Verteidigungssystem erlaubte Einsiebt
die Umgebung, das frühzeitige Ausmachen anrückender PolizE~
fom1ationen und bot im nördlichen Abschnitt Schutz durch
\Vasscrhindernis.
Vom Chef der »Ordnungspolizei«, Lothor Donner, war Po,lizE:i•
major \Vilhelrn I lnrtenstein beauftragt worden, die ßrechtmg
Widerstandes im Arbeiterviertel ßarmbcck-Siid zu leiten. Hnrt"'""
stein hat 1926 als Autor eines polizeitaktischen Komr,1endiLtml
über \1 ethoden im Straßen- und Ortskampf versucht. anhand
zelner Kampfepisoden vom 1-lerbst 1923 Lehren für das effektive llanikllden in Barmbeck. Oktober 1923
Auftretfn und Einschreiten poUzeilicher lleprc sivorgane zu
hen. Dabei mußte er aucb Kampfmomente schildern, bei detnCII
es die bc"affneten Arbeiter· in Hamburg vermocht halten, grn durchstreiften die Polizeispitzel ' den Kampfbereich und
gegnerischen Obermacht in harten Auseinandersetzungen zu erkundeten die Möglichkeiten, die ein giinstiges Schußfeld und
zen und ihr empfindliebe Verluste zuzufiigen. lliiume der gedeckten Annäherung bzw. Umgehung versprachen.
Als llortcnstein am 23. Oktober 1923 seine Aufgabe ii Dorh ihr Auftrag fand dort seine Grenzen, wo es sieb um die
nahm, organisierte er als erstes die Aufklärung der Lage in Aufdeckung des Verteidigungssystems und der konkreten Ab-
um ßnrmbeck. Dazu setzte er sogenonntr Zivilstreifen ein, die sichten der Aufständischen handelte. Ob<'rhuup! war der Spitzel-
harmlose Passanten, ja sogar als • Demonstranten«, dns Gebiet und Aufk liir·ungsapparat der Polizei in den I Iomburger Kampfta·
kognoszieren sollten. Dies war eine schon öfters 1>raktizierte gcn 1923 wenig erfolgreich. Selbst die ungestört e Luftbeobach-
thode der Heaktion im Klassenkampf. ln verschiedenen RicJ,,turr· tung durch Flugzeuge glich das nicht aus.

286 287
 ln den Aufklärungsmeldungen wurde immer wieder mit
staunen festgestellt, daß beim Barrikaden- un d Sperrenbau vio>JI..
Jugendliche und Arbeiterfrauen mitwirkten. Desweiteren hieß
darin, umfangreiche Vorbereitungen seien getroffen worden, die
\ crsorgung der kämpfenden Ar beiter bis zur Betreuung im Ver-
letzungs- bzw. Todesfalle sicherJ:ustellen.
Auf der Grundlage der ermittelten Angaben faßte llartenstcin
seinen Entschluß und legte den Zeitpunkt des Angriffsbeginns
auf den 23. Oktober 1923, 12. 15 Uhr, fest.
Zur angegebenen Stunde ging die Polizei in mehreren Stoß.
gruppen vor und griff die hinter den Barrikaden vermuteten Ar-
beiter an. Ihrer Übermacht sicher, glaubten sie, durch das Vorsto-
ßen an verschiedenen Stellen zum baldigen Erfolg zu kommen.
Doch ihre Hoffnung verwandelte sich alsbald in Furcht, als sie in
den Straßenfronten aus mehreren Richtungen bekämpft wur,den,
ohne die einzelnen Feuernester ausmachen zu können. Die unzu-
treffenden Ausgangsangaben, die dem Polizeieinsatz zugrunde la-
gen, verwirrten die Polizisten und trugen zu ihrer Desorganisa-
tion bei. Kopflosigkeit und Hektik verbreiteten sich in den
Reihen der Polizei. Der großspurig angelegte Polizeiangriff auf
Barmbcck-Süd erlitt ein schmähliches Fiasko. Die den Arbeitern
zugedachte Lektion verkehrte sich in ihr Gegenteil.
Die ßarmbecker Aufständischen ließen bei den Barrikaden
selbst nur Einzelkämpfer stehen, während der Hauptteil der
Kiimpfer aus Gräben, Kellern, Häuseretagen und von Dächern
den Gegner bekämpfte. Überlegt wechselten sie dabei ihre Feuer-
stellungen, warteten mit plötzlichen Gegenstößen auf und beuno
ruhigten ständig den Rücken und die Flanken der polizeilichen
Angreifer. Selbst die Panzerkraftwagen stießen ins Leere, fanden
sie doch kein lohnendes Ziel. Oie überall drohende Gefahr, im
Hiiuser- und Straßenkampf in einen Hinterhalt zu geraten, veran-
Jaßte deren Besatzungen zur Meidung jedes Risikos. Die von den
ßormbeckem erfolgreich angewandle Kampftom1 durchkreuzte
gründlich die ausgegebene polizeiliebe Order: •Jeder Widerstand
ist rücksichtslos zu brechen. Eile geboten.c
Barmbcck erwies sich am 23. Oktober 1923 als uneinnehmbar-
Die proletarischen Verteidiger hatten Polizeiformationen in
Stiirke von mehr als 300 Mann, unterstützt von Panzerkraftwa-
gen, gezwungen, sich in ihre Ausgangsräume zurü ckzuziehen-
288
Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit waren die Arbeiterkampf-
trupps Sieger im Gefecht geblieben.
tlartenstein suchte krampfhaft nach Gründen für die erlittene
Schlappe. Von zahlreichen ßemäntelungen abgesehen. die der
nuf ein Minimum abgesunkenen Kampfmoral der Polizisten wie-
dt•r Auftrieb geben sollten, kam er den wahren Ursachen 1eil-
wcise auf die Spur. Er nhnte, daß die Verwurzelung der Arbeiter
in ihren WohJiliereichen ein Garant für den Erfolg ihrer Kämpfe
wnr. Daher lautete jetzt das Hcsultat seiner Lagebeurleilung: Die
\ ufständischen hätten Barmbeck-Süd deshalb zum llauplkampf-
platz erkoren und Barrikaden errichtet, weil sie sich dort hei-
mi>rh und sicher fühlten, jeden Schlupfwinkel kennen würden
und mit der HiUe der ansiissigen ßevölkenmg rechnen könnten.
Gewarnt durch die bisherigen Fehlschläge und Verluste, tak-
tit•rtcn die Polizeiinstanzen im weiteren Verlauf der Kämpfe vor-
sichtiger. Jeden Teilangriff bereiteten sie jetzt sorgfiiltig vor. Das
gnb andererseits den Arbeiterkiimpfern die Möglichkeit, auch
ihN• Kräfte erneut zu sammeln und die Gefechtsordnung den
n!'ucn Anforderungen nnzupassen. Eine flexible Taktik ermög-
lichte es den proletarischen Kampfgruppen, Barrikaden, Stellun-
gen und Stützpunkte zu verteidigen, ohne dabei aufgerieben zu
wt•rden. Ständig waren die Aufständischen bestrebt, die Schwach-
stellen des Gegners zu erkunden und zu bekiimpfen, dessen An-
grirrsubsichten zu vereiteln und seine Kräfte und Mittel zu schwä-
rhr n.
Die Polizei gab am ersten Kampftag ihr Vorhaben nicht auf,
di!' Arbeiterbastionen in Barmbeck und Schiffbek zu zerschlagen.
Dt'n Widerstand der \ ertcidiger konnte sie jedoch nicht überwin-
d<'n. Deren bingebungsvolle Treue zur Sache der Arbeiterklasse,
ihn• l lurtnäckigkeit irn Abwehrkampf und ihre Standhaftigkeit in
komplizierten Situationen wn.rcn wesentliche Voratossetzungen
tlnfiir, das gegnerische Anrennen zum Scheitern zu bringen. Da-
lllit bt!wiesen die l·lamburgl'r Proletarier ihren Klassenbrüdern in
{(anz Deutschland, daß selbst ein zahlenmäßig stiirkeres und gut
h!'v.affnetes Repressivorgan außerstande ist, entschlossen kämp-
fende Aufständische in kurzer Zeit niederzuringen.
\ m Abend des 23. Oktober ging die Hamburger Polizeidirek-
tion dazu über, e.incn dichten Polizeikordon um Barmbeck-Süd
t.u t:'rrichten, der dann am niichsten Tag systematisch weiter ein-
289
 gccngt wrrden sollte. Den Arbeitern blieb diese Absicht nir·l.
'crborgcn. • ach reinicher Prüfung der Lage beschloß die 1\.am~)f.
Ieitung, diesen Stadtteil noch während der Dunkelheit zu
lassrn. Einzeln und in kleinen Gruppen setzten sich die Kämpfer
durch llinterhöre, Gassen u.nd über Hausdiicher nach Brurml>ecllr.-
\'ord ab, um im Raum des •Schützenhofes• erneut den Kampl
aufzunehmen.
Dieser getarnte Stellungswechsel dauerte nur wenige Shmdlen,
wobei sich die Ortskenntnis der Arbriterkiimpfer wiederum
lohnte. Andererseits beließ die Kampfleitung den Gegner in dem
Gluuben, das Barmbecker Widerstandszentrum ei ngeschlossen
zu hoben. Wrur dieser Raum in Poli zei berichten doch als »Fe-
stung• ('ingcschätzt worden.
Verfol'gtc das polizeiliche Unternehmen bisher vergeblich die
Absicht, einen Einbruch zu erzielen und dnnn von inn en her die
Verteidigungsfront der Arbeiter aufzurollen, so trat am 24. Okto-
ber eine taktische i\nderung ein. Jetzt rückten massive Angriffe
der J>olizei unter Hinzuziehung militärischer Kriifte und ~1 ittel in
den Vordergrund. Zusammen mit einem Landungskommrundo
vom Kleinen Kreuzer »Hamburgc ließ Polizeimajor Hrurtenstein
den Sturm auf ßarmbeck-Süd wiederholen, ohne zu wissen, daß
dieser Teil der Stadt längst vom Gros der Aufstiindischen enl·
blößt war.
Es dauerte darum geraum e Zeit, bis di e JloJizeiführung er·
kannte, daß die Arbeiter einen anderen Kampfplatz bezogen hat·
ten. Denn uus sicheren Verstecken hatten Ei nzel- und Dachschüt·
zen in der I acht und am Morgen des 24. Oktober die
Bekiimpfung auftauchender Ziele fortgesetzt.
Insbesondere um den »Schützenhof• in Barmbeck-Nord und
bei den Gabelungen der Chausseen Bannbeck- ßramfeld und
~ andsbek- Bramfeld entbrannten bis zum \'achmittag des
24. Oktober erneut Auseinandersetzungen. Ein provisorisches
Verteidigungsnetz mit eilig angelegten Verschanzungen gab unter
Einbeziehung vorhandener Hindernisse etwa ISO proletarischen
Kämpfern, die dort Stellungen bezogen hallen, Deckung und gute
Vcrtcidigungsmöglichkeiten. Nur etwa die Jliilfte von ihnen ver·
fiigte Ubcr Schußwaffen, darunter die bereits erwä hnten Schei·
bcnbüC'hsen. Dreimal griffen die Polizeinurgebote vergeblich run.
Oie klug oufgcbautc Gefechtsordnung der Verteidiger, ihre Be-
290
" cglich keit beim Manövrieren, ihr auf StUtzpunkte basicrender
1\umpf vereitelten immer wieder die Vorstöße des Gegners.
Jn diesem Zusammenhrung sei auch auf die Praxis hingewiesen,
mit der die Aufständischen dem Panzerkraftwageneinsatz begeg·
netcn. Meh rma.ls gelang es ihnen, binter fahrenden Prunzerkral't-
"agen S1>crrungen vorzunehmen bzw. natUrliehe Hindernisse zu
gt•brauchen, um deren Aktionsradius einzuschriinken oder die
Hückfohrt dieser Kampfmittel gänzlich auszuschließen. Um nicht
manövrierunfähig zu werden oder in einen Hinterhalt zu geraten,
-rrmicdcn die Panzcrkraft,vagenbesntzungen das Passieren un·
iihersichtlichen Geländes. Das nutzten die Arbeiterkämpfer be-
" ußt aus. Sie ließen sieb nicht auf Kampfhandlungen im offenen
Trrrnin ein, do dies nur dem Gegner Vorteile brachte.
Ein anderer Brennpunkt des Kampfes entwickelte sich im
Haum Schiffbck. wo der polizeiliche Angreifer am 24. Oktober
1923 mi t verstärkten Kräften daranging, die Aufständischen in die
Knie zu zwingen.
Dazu konzentrierte der Chef der . Ordnungspolizeic, Danner.
bis 12 Uhr ein Detachement, das aus 2 Gntppierungen bestand.
Ei ne davon bezog im Rawn ~ andsbek- Tonndorf ihre Aus-
gangsstellung, die rundere im Südwesten, am Ortsausgrung von
llnmburg- 1Iom. 'achdem die Akt ion stabsmäßig geplrunt und
das Zusa mmcn"rirken abgestimmt war, gab Donner 12.30 Uhr
folgenden Angriffsbefehl:
• I. Schiffbek ... strurk besetzt. Die Houptwiderstandsnestcr befin·
den sich anscheinend am West· und Ostausgong von Schiffbek
und auf der Höhe nordöstlich von Schiffbek, wo geschrunzt
"ird.
2. Das Detachement greift run und besetzt Schiffbek bis zur Bille
und zur Kleinhahn Schiffbek-Havighorst.
3. Beri ttener Zug der Schutzpolizei Altona klärt auf über Jenfeld
auf Schiffbek und _über Öjcndorf auf i.\'iederschlemc und
Kirchstcinbek. Der Rest des Zuges besetzt Kirchsteinbek und
sperrt die Straße Schiffbek- ßergcdorf.
1. F"rei hafenrevicr ll und I Sonderwagen (Ponzcrkra.ftwagen -
die Verf.) greifen l.l5 Uhr nachmittags, vom Ostausgang von
Horn aufbrechend, Sclliffbck 11n. Der 1 ordflügel des Reviers
ist durch weiße Leuchtkugeln zu bezeichnen.
5. 14. \Vachbereitschaft, verstärkt durch I Sondenvagen und 2
291
 schwere und 2 leichte Maschinengewehre der Mari ...,-._.,.
dungsabteilung, greift, I Uhr nachmittags liings des Weges Jen-
feld- chiHbek antretend. Schirfuek aJl.
6. 5. \Vachbcreitschaft, verstärkt durch 2 sch" ere Maschinenge-
"ehre der Marine-Landungsabteilung, geht I Uhr nachmittags
über Jenfeld-Öjendorf vor und greift Ober- und Niederschleme
an. Rechte Angriffsgrenze Straße Oststeinbek- Oberschleme.
7. 9. F'reihafenrevier, verstärkt durch 2 leichte Maschinengewehre
der Marine-Landungsabteilung, geht I Uhr nachmittags über
Jcnfdd-Öjcndorf- Kmg vor und greift über Kirchsteinbek
Oberschlcme an.
8. Sanitiitsstaffel über Öjendorf auf Sehiffbck.
9. Meldungen treffen mich auf dem Wege Jcnfcld- Öjendorf-
Niederschleme, spiiter im Gemeindehaus Schiffbck.c
ach mehreren Richtungen bestritten die Schiffueker mit etwa
70 Schußwaffen den ungleichen Kampf und wehrten so lange die
\ orstöße des Gegners ab, bis dessen Obermacht die Kämpfer
zwang, sich gruppenweise in Richtung auf Bergedorf zurückzu-
ziehen. Mit welcher Todesverachtung die erteidiger die Abwehr
führt('n. gibt eine Passage der 1958 erschienenen Darstellung
Danncrs zur Geschichte der •Ordnungspolizei Hamburgc zu er-
kennen, der rückblickend über die Einmthme Schiffbcks berich-
tete: •Als der Chef der Ordnungspolizei (das war Danocr
selbst - die Verf.) das Gemeindehaus erreichte, log im Fenster
des erst('n Stockes die Leiche eines Schiitzen mit Gewehr noch
im nschlage; ein Geschoß der Polizei hatte ihn in die Stirn ge-
troffen.«
Während 2 Polizeihundertschaften zur • Durchsuchung und
Befriedung• in Schiffuek verblieben, verfolgten die übrigen die
ausweichenden Kämpfer. Dabei kam es noch zu vereinzeltem
F'euergepliinkcl, bevor sieb die AufstiiJ1dischcn 'öllig den nach-
stoßenden Polizeikräften entziehen konnten.
Weder in ßarmbeck noch in Sehiffbek war es den Polizei- und
Militiirkommandos in den Oktobertagen 1923 gelungen, die
kühne Schor der bewaffneten Arbeiter zu vernichten. ln seinem
Rnpporl iiber die Ereignisse vom Herbst 1923 nn das lleichsin-
nenministeriurn mußte der Hamburger PolizciJ)riisident deshalb
trotz allen Eigenlobs gestehen, daß die Reprcssivorgnne es nicht
vermocht hatten, die aufstiiJldischen Krürte in der llnnsestadt zu
292
hlagen. Er bekannte dabei, daß diese sich organisiert vorn
Kampf zurückgezogen und unter M·tinahme der Waffen .m s·1-
C
zers
rhNhcit gebracht hatten. . .
An dieser Tatsache konnte selbst die llamburger KlassenJUStiz
irht rütteln, die etwa I 000 Verfahren anstrengte, Todesurteile
~t•j!en Arbeiter verhängte oder die Verurteilten zu lru1gjährigen
~·reihcitsstrafcn verurteilte. .
\arh unvollständigen Angaben, so fehlen unter anderem d.te
Srhiffbcker Verluste, fielen während des IIomburger Aufstandes
1923 folgende Arbeiterkämpfer:
lJormbPck
August Geissler, Walter Pollmmm, Friedrich Mnlinowski, Vikto r
1lt>mpcl, Emil Trende, Hermann jachmann, Knrl ßeth und Pau-
lus Zit•glcr•
Eimsbüttel
Gu;tav Schlodinsky, Otto Harms und Willi Meyer•
{ hlenhorsl- \flinterhude
Chri!>tian Stichling und Karl PolJak
Bromfeld
lt('rmann Kolbe und Johann Lewien ••
1/ammerbrok
l::mil Schier
lflall(lsbek
Kurt ßecker
Bergedorf
Mark Kühn*, Herber! Baumann• und Karl Jungnickcl**
• nach schwerer Verwundung gestorben
• • nach Folterung verstorben
Die lloffnung der Hamburger Aufständischen, daß die revolutio-
nären Arbeiter Deutschlands ihrem Beispiel folgen würden, er-
füllte sich im Herbst 1923 nicht. lm Verlauf des 24. Oktober
mußten die um Ernst Thälmann gescharten Funktionäre der
KPD zur Kenntnis nehmen, daß die Ereignisse in 1-lamburg iso-
liert geblieben wa.ren und die kämpfenden 1\rb.eiter gegenüber
den Aufgeboten der reaktionären Cewnlt auf emsmnen Posten
stunden. Obgleich die solidarische Hilfeleistung der Hamburger
Bevölkerung uuf einzelnen KampfpliUzen vo~ gro~cm > utzen
war, reichten die Anstrengungen der Kommu111sten 111cht aus, um
293
 dl'n Generalstreik in der Hafenstadt auszulösen. Der Einfluß gerichteten I Iandlungen ~ei, insbes~nderc au ch mit der dU:~h ~ie
n'chten sozialdemokratischen Führer cn.-ies sich unter den Ar- brtrirbrnen \'erbotspnoos gegen dre zur Abwehr von Mrhtans-
beitern als noch zu stark. Er hielt den Großteil von ihnen vom mus und Faschismus entstandenen Arbeiterwehren.
aktiven Kampf ab und beeinträchtigte die toß- und Widerstands- Oi«' Erfahrungen der Klassenkämpfe 1923 halfen der KPO in
kraft der llamburger Erhebung bet.riichtlich. ihrrm weiteren Eintreten für die Einheitsfront der deutschen Ar-
Am Abend des zweiten Aufstandstages, am 24. Oktober 1923, beiterklasse und· in ihrem Kampf gegen lmprrialismu . ~ l ilitaris­
hatte der Abgesandte der Zentrale der KPD, Fritz Heckert, Ver- mu' und Faschismus. Als Vorsitzender der II. PO w~es Ernst Thiil-
bindung mit der Aufstandsleitung aufnehmen können und diese munn 1925 - unliißlich des zweiten Jahresloges des Hamburger
gem111er über die Situation im übrigen Deutschland informiert. 1\uf•tnnds - auf die Hauptlehre der Kampfereignisse vom Okto-
Darnu rhin wurde vereinbart, die Kampfhandlungen zu beenden ber 1923 hin: Um das werktätige Volk befreien und die neue, so-
un d di«' proletarischen Kampfgruppen organisiert zuriickzu neh- zinlistische Gesellschaft erkämpfen zu könn en, braucht die Ar-
mcn. Ernst Thiilrnnnn selber begab sich zu den Kiimpfern von brill'r·klnssc eine marxistisch-leninistische Kumpfparlei, die
ßnrmberk und Schiffbek und sicherte das geord nete Zurückzie- unauflöslich mit den breitesten Massen verbunden ist.
hen drr im Kampf unbezwungenen IIomburger Arbeiter, das bis
zum 25. Oktober dauerte.
\ n drr Spitze ihres entschlossenen Eintretens für Demokratie
und ozialismus standen jene konsequenten Revolutionäre um
Ernst Thiilmann, die sich der leninistischen Linie der ~lasscnpo­
litik, wie sie die Kommunistische Internationale beschlossen
hatte, und d!'n Aufrnssungen über eine" irklich revolutionäre Mi-
litiirpolitik verschrieben hatten. Die IIomburger Aufständischen
errungen gegen die reaktionäre Obermacht bedeutende Anfangs-
erfolge und behi1·lten auf den Kampfschoupliitzen in ßarmbeck
und Sehiffbek den Kopf oben. Oberlegt bewahrten sie ihre Kräfte
vor drr Z(•rsehlagung durch die imperialistischen Gewnhorgane.
Im kühnen und harten Ringen zwischen Forlschritt und Reak-
tion kristallisierten sich neue Züge im Einsatz deutscher Arbeiter·
wrhl'«'n hrrnus. Die proletarischen Kampfgruppen, zumindest ihr
Kern, waren hl'n'ils im politischen Kampf gereift, be\'or sie zu be-
waffneten Aktionen antraten. ln den bc"•affneten Ausrinnnderset·
•
zungen zrigten die Mitglieder des Ordnerdienstes beispielhalte
Disziplin und Organisiertheit, politisch-idl'ologische Geschlossen·
heil und Massenverbundenheit Selbst in schwierigen Lagen be-
wiesen si«' Kühnheit, Ioktische Beweglichkeit und Standhufligkeit.
Im .Jahre 1923 endeten die Kiimpfe der deutschen Arbciter-
klasHc rnit riner iederlage. Die deutsche Großbourgeoisie
konnte - untersflitzt von westlichen Großmilchten - ihre Macht·
positionl'n '"iedcr festigen. Dazu trug auch die rechtssozialdemo-
kratische Fühnmg mit ihren gegen die proletarische Einheitsfront

294
 Bilanz und Vermächtnis
Die bewaffneten Kämpfe der Jahre 19111 bis 1923 waren die er-
sten militärischen Auseinandersetzungen der deutschen Arbeiter-
klasse mit dem imperialistischen System. Sie bildeten einen im-
manenten Bestandteil der gewaltigen politischen Klassenschlach-
ten dieser Zeit und stellten als deren schärfste Form Höhepunkte
im Ringen gegen Imperialismus und Militarismus dar.
Die <' Auseinltlldersetzungen widerspiegelten den Kampf zwi-
schen Fortschritt und Reaktion in Deutschland besonders deut-
lich. Ihr Ausgangspunkt war die I ovemberrevolution 1918/ 19-
dieses '"ichtige Glied in der Kette jener weltweiten machtvollen
revolutionären Ereignisse, die auf die Große Sozialistische Okto-
berrevolution 1917 folgten und unter deren unmittelbaren Ein-
nuß heranreiften. ln der I ovemberrevolulion stand die Arbeiter-
klnssc vor der Aufgabe, die llerrschnft des deutschen
Imperialismus und Militarismus zu brechen sowie die Machtfrage
und damit die Mililiirfrage im Interesse des Vol kes zu lösen. Die
revolutionären Kräfte in der deutschen Arbeiterbewegung streb-
ten danach. die Grundideen der Oktoberrevolution auch in
Deutschland durchzusetzen. Die Erfahrungen der ßolsche".jki so-
weit wie möglich auswertend und auf die deutschen Verhältnisse
anwendend. bereiteten sie sich auf den Kampf zum turz des im·
pcrialistischen Regimes vor. Da die kaiserliche nnee - die
wichtigste Machtstütze des deutschen Imperialismus - im No-
vember 1918 stark zersetzt war und deshalb nur in geringem
MaUe gegen die Hevolutionäre zum Einsalz kam, konnte die
deutsche Arbeiterklasse in der ovemberrevolution zunächst
weitgehend auf die Anwendung bewnffnetcr Gewalt verzichten.
Oie Volksmassen erkämpften relativ unblutig bedeutende politi·
sehe und soziule Errungenschaften. Sie vermochten es. im ersten
296
\nsturm den F'rieden zu erzwingen, die llohenzollernmonarchie
und die Dynastien hinwegzufegen sowie wichtige soziale Recht.e
und demokratische Freiheiten, so das allgemeine Wahlrecht, die
Koalitions-, Versammlungs- und Pressefreiheit, zu erringen. Als
jedoch der deutsche Imperialismus mit der beginnenden eufor-
rnierung seiner Streitkriifte Ende 1918/ Anfang 1919 zur militäri-
~rhen Niederschlagung der revolutionären Kräfte überging und
beabsichtigte, die I ovembererrungenschaftcn zu beseitigen, nah-
men die bewaffneten Kämpfe größeres Ausmaß ltll, prägten sie
wesentlich den weiteren Verlauf der llevol ution. Der Arbeiter-
klasSI' blieb keine andere Wahl, als sich bewaffnet gegen die kon-
terrcvolutioniiren Vorstöße zur Wehr zu setzen. ln einigen F'ällen,
b!'sonders irn Frühjahr 1919 in Bremen und in München, be-
müh te sich die revolutionäre Vorhut, diese Auscinandersetzun-
!!<'n erneut zu Kämpfen um die Macht zu steigern.
Das Hingen um die 1ovembcrernmgenschaftco stand auch im
\littclpunkt aller bewaffneten Kämpfe, die der ersten deutschen
\'olksrevolution gegen Imperialismus und Krieg bis 1923 folgten.
Die Bestrebungen der reaktionärsten Kriifte des deutschen Impe-
rialismus zum Abbau der Novembererrungenschaften kulminier-
ten in den Versuchen zur Errichtung einer Militärdiktatur im
\lürt 1920 und eines autoritären Hcgimcs im Herbst 1923. Da
lwi diesen Versuchen vorrangig Gewalt ungewandt wurde, sahen
sich die Arbeiter in dieser Situation vernnlaßt, die Interessen des
~csumten Volkes zu verteidigen.
Oie konterrevolutionären Aufgebote, deren Angehörige antide-
mokn:ttisch eingestellt und ant ikommunistisch verhetzt waren,
'(•rübten '"ährend der Kampfhltlldlungen und insbesondere da-
narh Grausamkeiten, denen Tausende Wcrkliitige zum Opfer fie-
len. Der Terror des imperialistischen ~1achtapparates gegen alles
Fortschrittliche erreichte in diesen jal1rcn ein bisher nicht ge-
kanrltcs Ausmaß. Die reaktionären Militärs nutzten die fehlenden
Erfah rungen der Volksmassen in der Führung bewaffneter
Kümpfe sowie die oftmals isolierte Lage der sich. wehrenden Ar-
beiter bewußt fiir ihre militärischen Hand lungen aus. Gestützt auf
dil' Überlegl'nheil ihrer Truppen an Zo hl, Bewaffnung und Aus-
rüstung, konnten sie die bewaffneten Auseinunderselzungen letzt-
lidl zu ihren Gunsten entscheiden.
Die Klossenkämpfe in der ovcmbcrrevolution 1918119 und
297
 in den unmittelbar hierauf folgenden Jahren veranschaulieben
sondrrs deutlich, welches Gewicht den neuformierten Streilkräf.
len als dem am besten organisierlen und schlagkräftigsten Instru-
ment der bürgerlkhen Staatsmacht für die tärkung des
deutst'hen Imperialismus und Militarismus zukam. Sie widerspie-
geln, daß die innere Funktion der imperialistischen deutschen
Streitkräfte nach 1918 einen weitaus höheren StellenweM als frü-
her erhielt und sich damit der Einfluß des Militiirs auf die Politik
der herrschenden Klasse stark vergrößerte. Die militärische Füh-
rung vernllgemeincrte ihre Erfahrungen 11us den bewaffneten
Auseinandersetzungen dieser Zeit und fußte sie in Grundsatzdo-
kumenten zusammen, die ihre Vorstellungen über den inneren
Einsatz der Truppen bis in die 30er Jah re hinein bl'stimmten.
Im bewaffneten Ringen mit dem Imperialismus bildete die Ar-
bcilcrkiHsse die llauptkraft. Sie war vor allem dann erfolgreich,
wenn sie einheitlich handelte. Das traf insb(' ondcre fiir den Be-
ginn der \ ovemberrevolution 1918/ 19 sowie auf die Abwehr des
Kopp-Lüttwitz-Putsches zu. So standen 1920 Mitglieder der
KPD, der USPO, der SPO und der Gewerkschaften Seite an Seite
in den rbciterforntationen gegen die Putschisten. Oie beim Be-
mühen um die Aktionseinheit 1920 gewonnenen Erkenntnisse
halfen der KPO in ihrem weiteren Kampf dafür, die Mehrheit
der Arbeiterklasse zu gewinnen.
An die Spitze der Abwehrkämpfe stcllt<m sich die revolutionä-
ren Kriiftc in der deutschen Arbeiterbewegung, insbesondere die
Komrnunistt>n. Ihre Parl.ei - im Feuer der ovrrnberrevolution
tun die Jahreswende 1918/19 entstanden - gab ihnen die politi-
sche Orientierung für den Kampf. Oie Gründung der Kommuni-
stischen Partei Deutschlands wurde zum Ausgangspunkt marxi·
stisch-lcninistischer lilitiirpolitik in der deutschen Arbeiterbewe-
gung. Oie KPO üble einen beachtlichen EinOuß auf die Führung
und Organisution des bewaifneten Abwehrkampfes aus. Und das,
ob"ohl sie ihrer erfahrensten Führer durch Mord beraubt, häufig
in die lllrgolitiil getrieben und durch ideologische Auseinander·
selzungcn mit rechtsopportunistischen und linkssektiererischen
Auffnssungcn in den eigenen Reihen beinstel war. Oie in diesen
Auscinnndcrsetzungcn gesammelten Erfahrungen förderten die
lleruusbildung der KPO zu einer m11rxistisch-leninistischen
Kumpfpartei und die Weiterentwicklung ihrer Mililiirpolilik.
298
Die be,vaffncten Kämpfe der Jahre 1918 bis 1923 unterschie-
drn sich in ihrem Ausmaß und in ihrer Härte von allen bis dahin
, 011 der deutselten Arbeiterklasse mit dem Imperialismus geführ-
trn Klassenkämpfen. Sie wiesen jedoch in ihrer Zielsetzung, in
drn an ihnen beteiligten Kräften und ihrer Dauer beträchtliche
Lntt•rschicde auf. ln der Novemberrevolution 1918119 erstreck-
ten sie sich über mehrere Monate. ergriffen viele Gebiete
D••utschlands und wurden von Tausenden Arbeiterkämpfern ge-
trogen. Dagegen erfaßten sie im Oktober 1923 lediglich eine
Stadt, in der bewaffnete Arbeiter drei Tage heldenhart gegen Poli-
zri- und Militiirkräfte kämpften. Oie bewaffneten Auseinanderset-
zu ngc·n in der ovemberrevolulion becinflullten die daraurfol-
gcnrlrn Kämpfe bis 1923 nnchhultig. ln dieser Revolution
>am mrhen deutsche Arbeiter nicht nur ihre. ersten Erfahnmgen
im bewaffneten Ringen mildem Imperialismus, sondern sie konn·
trn sich in den anschließenden Jahren auf die 1918119 erworbe-
nen Kenntnisse über Führung, AufiJau, ße"affnung und Ausrü-
.,tu ng von rbeiterformationen stützen.
Lm den bewaffneten Angriffen der reaktioniircn Aufgebote be-
grgncn zu können, mußten sich die Arbeiter Waffen beschaffen
und in Wehren organisieren. Dobei und wiih rend der Abwehr-
handlungen selbst wandten sie ihre aus dem ersten Weltkrieg
stummenden Kenntnisse auf die neuen Ucdingungen des bewaff.
nctcn Kumpfes schöprerisch 1111, en twickelten sich talentierte Ar·
lwi terkommundeure. So vermochten sie es beispielsweise inner-
ha lb weniger Tage, die mehrere Zehntausend Mann zählende
Rote Ruhrarmee aufzustellen, ihre politische und militärische
Führung sowie die Versorgung der Arbeiterformalionen weitge-
hrnd zu sichern. Oie Arbeiter bewiesen ihre F'tihigkeit, die von
ihnrn unll'r imperialistischen Verhiiltnissen gewonnenen militäri-
S('hen Kenntnisse weiter.wentwickeln, auch in der oflnlals crfolg-
r\•ichen Anwendung der Taktik des Straßen- und Barrikaden·
kumpfes. Ideenreich versuchten Arbeiterkommandeure, d.ie
l. nieriegenheil ihrer Wehren durch geschicktes Ausnutzen des
T1•rrains oder durch ein zeitweiliges Zusummcnfosscn von Arbei-
trrwchren mchrer·er· Orte auszugleichen.
Proldnrischc Volkswehren entsinnden crstmn ls in der ovem-
b!'rrevolution 1918119. Typische Merkmole waren ihr Massen·
d taraktcr und ihre antiimperialistische Holle uls Aufstands-,
299
 lacht- und chutzorgane. Oie Volks- und Sicherheitswehren
ovemberrcvolution waren ein "ichtiger Schritt auf dem
zur \ 'olksbcwaffnung. ln der Entwicklung der
zeichneten sich auch nach 1918119 noch einige neue El4~m4~nll
ab. So kann bei ei nem Vergleich der Wehren aus der 1 ovem
revolution mit denen im März 1920 eine qualilalive und quantita.
live Weiterentwicklung festgestellt werden. Im März 1920 sti<e,
die Zahl der Volks" ehren, in denen sich mehr als tausend AriM&.
ler formiert hatten. Dazu gehörten vor allem die Rote ""'hr:•n'"""
die I. olkswehrarmce Thüringens, die Rote Vulkanarmee
Stettin, die Rostocker Arbeiterwehr und die Roten Garden in
Niederlausitz. Gewachsen war auch in allen diesen Formationen
der EinOuß linker Kräfte in der Arbeiterbewegung, der KPO.
und der USP0-1\'Iitglieder.
Die Entwicklung der Volkswehren wurde - bei aller örtlichen
Verschiedenartigkeit - vor allem durch grundsiilzliche Gemein·
srunkeiten bestimmt. Die Wehren erfaßlen vorwiegend politisch
organ~sierte Arbeiter, die über militiirische Erfahrungen verfüg-
ten. Sie entstanden auf Orts-, seltener auf ßetriebsbasis. Ihre .,..,.
satzscbwe~unkte. lagen in den Zentren der Arbeiterbewegung,
vor allem m ßerlm. Hamburg, Kiel, München, llostock. Stettin,
im Rubrgebiet, in Sachsen, in Thüringen und in der 1 iederlau·
si~. ~n all~n Kämpfen blieb die Waffenbeschaffung fiir die Arbei-
ter cmes Ihrer lluuptprobleme. Wiihrend der Novcmberrevolu·
lion 1918/ 19 befunden sieb noch relativ viele Waffen in den
Händen ehemaliger Soldaten. ln den Jahren danach griffen die
Arbeiter vorrangig auf Waffen aus den vorangegangenen Kämp-
fen, die in von ihnen angelegten Verstecken lagerten, und auf sol·
ehe zw:ück, ~ie_ si_e sich durch Entwaffnungsaktionen von Mitglie-
dem Imperl!llistischer \Vehrverbiinde beschafften. Schwere
Woffen konnten meist erst im Verlauf der Kan1pfhandlungcn er·
beutet werden.
Die bewaffneten Kämpfe in den Juhren 1918 bis 1923 hatten
b~deutende~ Anteil an ~en Erfolgen der deutschen Werktätigen,
dte. damals m den Ausemandersetzungen mit dem lm1>erialismus
erz1elt ":e~den konnten. AJs Teil der Mussenkämpfe trugen sie
dazu bei, m der ovemberrevolution 1918/ 19 wichtige Hechte
und Freiheiten zu erringen und günstigere Bedingungen für wei·
tcre Klassenauseinandersetzungen zu schaHen. Sie halfen mit,
300
diese Novem bererrungenschaften erfolgreich zu verteidigen so-
" ic massive Angriffe der Reaktion auf die Lebensinteressen des
deutschen Volkes abzuwehren und das Wiedererstarken des
deutschen Imperialismus und lilitnrismus empfindli ch zu hem-
men.
Erst unter grundsätzlich anderen politischen Bedingungen
konnte die von den revolutioniircn Kräften Deutschlands ange-
~trt•bte \'olksbewaffnung verwirklicht werden. Die Einheit von
\ olk und Armee, von politischer und militärischer Führung sind
heute nls Grundelemente des sozialistischen Militärwesens in der
DDR gesellschnftliche Healitiit. I licr rinden auch andere aus den
Jahren 1918 bis 1923 überkommene progressive rn ilitiirische
Traditionen ihre Fortsetzung, so vor allem das beispiclhnfte poli-
tisch-moralische Verhalten der Arbeiter in den bewaffneten
Kämpfen mit der Reaktion. Oie vorbildliche Haltung dieser
\\ r rktiiligen kam besonders in ihrer Treue zu den Zielen der re-
volutionären Arbeiterklasse, in ihrer Siegeszuversichl, in der be-
wußten Einhaltung der Disziplin, in ihrer Opferbereitschaft, im
Einsatzwillen und in ihrem revolutionären Elan zum Ausdruck.
Dil'se Eigenschaitcn verholfen den Arbeiterwehren zu einer poli-
tisr h-moralischen Überlegenheit in den damaligen Kamp[band-
lungen, die wesentlich zur Erringung zeitweiliger militärischer Er-
folge beitrug.
Beispielhaft flir di e Solidarität der internationalen A1·beiterbe·
" t'gung war die Teilnahme von Hcvolutionären vcrilchiedener
Länder an den Abwehrkämpfen der deutschen Arbeiterklasse. So
untcrstützten llussen, Polen, Slowaken, Tschechen und Italiener
dil• deutschen Werktätigen bei der Verteidigung der Novemberer-
ru ngenschaften. Sie handelten wie ihre deutschen Klassenbrüder,
di1• sich 19 I 8 bis 1920 an der Zerschlagung der inneren und äu-
ßc•rcn Konterrevolution in Sowjetrußland und an der bewaffneten
itherung der ngarischeo Räterepublik 1919 beteiligten. Dieser
grmeiosame Kampf ist eine der Wuneln heutiger Waffenbrüder-
schaft zwischen der 1 ationalen \ olksannee der DDR und den so-
lialistischen ßruderarmeen.
Zur Erinnerung an die bewaffncten Kämpfe der deutseben Ar-
bt>itcrklnsse in den Jahren 1918 bis 1923 sind in der DDR zahl-
reiche Gedcnksliitten errichtet worden, tragen Straßen. Plätze,
Ul'triebe, Brigaden. Volksbildungseinrichtungen, DienststeUen,
301
 Truppenteile und Knscrnen amcn hervorragender re,roltltionJ Gedenkstä tten auf dem Territorium der DDR
rer Arbeiterfiihrcr und Teilnehmer dieser Kämpfe. Dem Han
solcher Revolutionäre wie Karl Liebknecht, lloSCI
Ernst Thiilmann, \Vilhelm Pieck, I leinrieb Dorrenbach, n u110
Egclhofer und Fritz (Fiele) Schulze nachzueifern, ihr VCJ·rnächt.
nis zu erfüllen, heißt heute, Partei zu erg.reifen Hir Frieden
Sozialismus, für die allseitige Stärkung unseres Arll>eiller-un•d-B·au-
em-Staates.

ovemberrevolution 1918/ 19

Berlin-Friedricltslwin, Volkspark. Lcninnllee

• .\ uf dem sich in diesem Park befindenden Friedhof der Märzge-
fallenen ( 1848) wurden während der bewaffneten Kämpfe im De-
zl'mber 1918 getötete Arbeiter, t\ latrosen und Soldaten beige-
setzt. Das Denkmol , Roter Mntrosec, 1960 von Hans Kies
gr~lltltet, ist allen in der ovemberrevolution 1918119 gefallenen
llcvolutioniiren gewidmet.

ßl'rlin-Lichtenherf(, alter Friedhof, Cedenkstiitle

An der Mauer dieses Friedhofes ermordeten um 12. Miir:r. 1919
konterrevolutioniire Truppen II Kümpfer der Arbeiterklasse:
Karl F'ricdrich. Albert Cnst, Fritz Cast, julian Kuklinsky, Rudolf
Lr bcdc, Ceorg Pormunn, Erich Renk, Custav Schnick und drei
•
namentlich nicht bekannte Matrosen. Die Brüder Fritz Gast, ehe-
maliger Maot auf dem Linienschiff . Thüringen«, und Albert
' Cust, Matrose auf dem Torpedoboot ß 97, wurden auf Wunsch
der Ehefrau von Fritz Gast auf dem heutigen Städtischen Fried-
hof ßerlin-Marzahn, Wiesenburger Weg (Gedenkstein), bestattet.

Berlin-Uchtenberg, Cudrunstraße, Gedenkstätte der Sozialisten

En tstanden. als d!'r Berliner t\lagistrat die Beerdigung der in den
Januarkämpfen 1919 gefallenen und ennordeten revolutionären
Kiimpfer auf dem traditionellen Friedhof der t\liirzgefallenen
( 1818) in F'riedrichshain verweigerte. 32 Revolutionäre. unter
ihnen Karl Liebknrcht. wurden daher am 25. Januar 1919 auf
dem Friedhof Friedrichsfclde beigesetzL RoSCI Luxemburg fand
am 13.Juni 1919 hier ihre letzte lluheslätte. Auf diesem Friedhof

303
sind auch die in ßcrlin erschossenen Märzkämpfer von 191 9 und
1920 bestattcL Am 15. Juni 1924 legte Wilhelm Pieck den
Grundstein für ein von Ludwig Mies van der Rohe geschaffenes
Denkmal, das 1935 von Faschisten zerstön wurde. 1951 kam es
auf Anregung Wilhelm Piecks zur Gestaltung der Gedenkstätte
der ozialistcn durch Heinhold Lin~ner, l lans Mucke und Fried-
rich Jcnner. Eine Tafel an der rechten Seite der Umfassungs-
mauer erinnert an die in den bewaffneten Kämpfen 1918 bis
1920 in Berlin gefallenen rbeiter sowie an ehemalige russische
Kriegsgefangene, die während der Novemberrevolution 1918/ 19
an der Seite ihrer deutschen Klassengenos en ihr Leben ließen.
Auf dem Friedhof sind hervorragende Funktionäre der deutschen
rbeiterbe\\egung SO\\ ie Staats- und Parleifunktionäre der DDR
beigesetzt. Alljährlich findet Anfang Januar die traditionelle
Kan1pfdemonstration der Berliner Werktätigen zu Ehren von
Kar! Liebknecht und Rosa Luxemburg zur Gedenkstätte der So-
zialisten statt.
Berlin-Mitte, Chausseestraße, Stadion der Weltjugend, Gedenk-
taJel
Auf diesem Ccliindc befand sich die Kaserne des Gard efüsilierre-
giments (sog. Maikiifcr). l lier riet 1un 9. 1 ovember 1918 als erstes
Opfer der Konterrevolution in ßerlin Erich llabersaath, ein be-
liebter Funktioniir der Berliner Arbeitcrjugend. Mit ihm wurden
der Monteur rranz Scln,.cnglcr und der Gastwirt Ri chard Glathe
von Kontcrrcvolutioniircn getötet.
Berlin-Mitte, Marx-Engcls-Piutz, Murstull, Gedenktafel
Hier hatten die I. Abteilung und der Stab der am ll. ovember
1918 gebildeten Volksmarinedivision bis Ende Dezember 1918
ihren Stützpunkt. Angehörige dieser Division und revolutionäre
Arbeiter ver1cidigtcn am 24. Dezember 1918 dieses Gebäude und
das Schloß erfolgreich gegen angreifende Truppenteile des Gene-
ralkommandos Lequis.
Halle, Charlottenstraße, Friedrich-Lis:tt-Schule, Gedenktafel
ln dieser Schule war eine der vier Kompanien - die ~ latrosen­
kompanie - des wiihrend der Novemberrevolution 1918119 in
Halle geschaffenen Sicherheitsregiments stationiert. Gedenktafeln
:304
befinden sich auch an den drei underen Schulen, in denen die
,,eitcren Kompanien dieser revolutionären Formation unterge-
bracht waren: in der Friedensstraße, Friesenstraße und Großen
ßrunnenstruße.
/lalle, I !afenbahnbrücke, Gedenktafel
"\uf dieser Brücke wurde Kar! Meseberg, Kommandeur der Ma-
troser'l kompanie, in der Nacht zum 14. Miin 1919 von Angchöri-
<'en des Freikorps Maercker heimtückisch em10rdet. Sein Grab
"befindet sich auf dem Südfriedhof von I lalle.
\lagdebur~ . Karl- 'larc-Straße, Hauptpost. Gedenktafel
llier erschossen am 9. April 191 9 Soldaten des Freikorps Maer-
cker Otto Appenrout, Gustav Engelhardt, Waller ~1emig, Wal-
ler Haase, Otto Jahns, Alwine Kieler, Wilhelm Knoche, Johann
Ludwig, Friedrich Merren und Adalbert Walczak.
l~ostock, Am Knbul"t.cnhof, Gedenkanlage
Zur Erinnerung an Kieler Matrosen, die hier am 6. ovember
1918 mit ihren Booten anlegten, die Kunde vom Kieler AuJstand
brachten und sich mit den Arbeitern der 'eptunwerft verbrüder-
trn. Die Anlage ist nuch der Pfl ege der Wnffenbrüderschafl mit
dt••• Matrosen der Hnllisrhen Hotbannerflotte gewidmet. Das
Dl'nkmal der rcvolutionilrcn Mutrosen gestaltete Wolfgang Ek-
knrdt, die Hclicfwnnd Hcinhnrd Dietrich.
Märzkämpfe 1920
Ber/in-Köpenick , F'utranplatz, Gedenkställe
Zum Andenken 11n den Kommandeur einer Berliner Arbeiter-
" ehr Alexander Futran, ~litglied der USJ>D, der auf dem Hof der
llrauereiniederlassu ng in der Grünauer Straße am 21. 1iirz 1920
mit sechs Kämpfern von konterrevolutionären Tmppen erschos-
sen "orden "ar, und an andere im März 1920 in Berlin gefallene
re' olutioniire \ rbeitcr. Ihnen ist ein Gedenkstein gewidmet.
\lexandcr F'utran wurde auf dem Friedhof Friedrichsfelde bestat-
h•t. i\eun der weiterhin auf diesem SteiJl ver.teichneten Kämpfer
fanden ihre letzte lluhcstätte nuf dem Friedhof lludower Straße:
:JO!i
•
 KariOr(·s<'hl-e, \Vilhelm Dürre. Ülto Guts<'hc. Korl Gratzkc, ~·.-.•.
Kcgr l. Fritz Pummmn, Adolf Schön, Gcorg chütz und
\\ irni<•kt•.
IJPrlin- Trept01r. Ortsteil Adlrrshof. Frirrlliind<>r ' traße. rriicd hol
llirr brlincll't skh rine Gedenkstätte Hir ltl im \ll\• chrkampf
gen drn Kopp-Lüttwitz-Putsch 1920 gefallene Arbeiter. ~ a:schi-
st e~ zrrstiirtcn die zu Ehren dieser Kiirnpfcr 1921 errichtete ge-
lllt' lnsumr Grabstiitte. 1946 wurdr sir mit eint•m Gedenkstein
nru geschaffen und 1970 durch ein von ll uns Ki es gestaltetes
HroMrstandbild »Ocr Kämpfer« ergiinzt.
Clod('(l , Ortsteil Zickro, Kreis Greiz, Geden kstiiltc an der Feldflur
Die im Miirt 1970 eingeweihte Gedcnkstiille erinnert an den er-
folgrriclwn Kampf der Werktiitigcn Oslthüringcns gegen den
Kapp-Liitt" itz-Pu~ch 1920. Sie weist ' or all rm darauf hin. daß
hier nm 21. \ lür~: 1920 zwei Rrirhs"rhrhotoillonl' ' On Arbeiter-
' '<'hrrn aus Crra. Grriz, \Verdau und Zculenrodu zu r Einstellung
dr> " amvfes und zum Abzug gcz" ungcn "urden. Die Untcr-
zric-hnung rincr Kapitulationsurkunde fnnd im C'hemaligen Oorf-
gusthof von Zickra (Gedenksliiltl') stntt.
1\berswaldf' , l lauptbahnhof, Gedcn ktofrl
llicr wrhrtcn bcwuffnct.e Arbeitrr unter Fiihrung von Philipp
Zopf am 16. Miirz 1920 einen -\ngriff putsrhistischcr Tr·uppen
nb.
Falkefistein, l<n-i;, Auerbach, chcmnli(!t'S Schloß. Gedenktafel
ln dil'St•m Gebiiude befand sich im \ liirz 1920 der Sitz des Al..-
tionsuus;.rhus es. der die bewaffn!'ten \rbeih•r d!'s Ortes im Ab-
"rhrkllmJJf gegen putschistische Truppen führte. Vorsitzender
dir'>rs \ u;,;,rhus;,cs "ar ~ lax lloelz.
Goth(l. lluuptfrirdhof. Gedcn kstiitl(·
II irr sind l:i drr in dt:r Stadt im ~Hirt 1920 gcfu llenen Kämpfer
dr1· 1\ rhl•itt•rklusst• hcigt>setY.t. Writ1•rr in Colhtl c•rsc-hossene Ar-
bt·itcr wurden in ihren Heimatorten, so in Arnstndt, Cruwinkel.
F:rfurt, Frank<'ll hnin. Gräfenrodu. Oberh of, Wnlter~huusen unct
Zrllo-Mrh lis, bestattet.
306
(;noien , Kreis Tcterow, Neuer F'ricdhof, Geclrnkstiittr
/,un1 \ndt•nken an neun Werktiitigc dieser Stadt, dir in he"affnr-
11.11 \ usrinandersrtzungen mit putschistis1·hrn Tru!Jprn im \lärz
1!120 ihr Leben ließen.
[/lllll'. Friedhof Ammendorf, Gedenkstätte
1ht•r ruhen 13 der am 19. ;\1ärz 1920 in den Kämpfrn um Am-
nwndorf gefallenen jungen Arbeiter. Auf dil•sern Friedhof sinrl
"1•itrrhin sieben Werktätige beigcsrtzt, die im März 192 1 in den
\u~t·innndersctzungen mit Schulzpolizciformutionen getötet ''ur-
dt>n. Die von den Faschisten \933 zerstörte Anlng1• wurde 1945
nPu gestalt et.
IIClllr. Culgcnbergschlucht. Gedenktafrl
Et"a 20 junge Arbeiter verteidigten im Huum des Großen Ga l-
l(l'nbrrges run 21. \l ärz 1920 ihrr Stcllungrn t,r,rgen angreifendE'
put~c·hislischr Truppen so lange. bis sich die \lrhrhrit ihrrr
1\ompfgenossen zurückgezogen hatte. Dabei liel mehr als die
lliilflc der Verteidiger.
l.t'ip::.ig. Faradoystraße I0. Cedl'nkstein
ln der Turnhalle auf dem Hof dt•s Crunclstiicks befand sich im
\liirz I !)20 der Stiitzpunkl der bewaffnl.'tcn Al-bt•i((-r von Leipzig-
Möckcrn.
Ll'ipzig, Friedhofsweg, Siidfriedhof, C(•d(•nkstcin und -tafel
\uf dirs~m Friedhof sind 37 der wiihrend der Ab"•chrkiimpfe in
clrr Suult im \1örz 1920 gefallenen rbriter beigrsctzt.
•
\eundorf. " reis St.aßfurt. Friedhof. Gcdcnkstiitle
l lirr bdindet sich die Crabstiittc von nrun " iihrend der be"aff-
IH'lcn i\useinandcrse1zllllgen 1920 bt>i Stoßfurt und I lallt• ge[alle-
lll'n \\ l'rktiitigcn.
'idwrtlwmlorf. Kreis Königs WustcrhouSl'n. Fril'dhtJf. 'Cedenk-
~trin
t•:rrichtrt zu Ehren von sechs Arbeitern, dil• 11111 20. Miirz 1920 in
clcn Kiimpfen mit F'reikorpsungchörig!'n nm ottekonal fi elen.
307
• .
Srhwerin, llermann-Matern-Straße 6-8, Hauptpostamt, Ge-
denktaf!'l
Zum Gt>dcnken an 15 Werktätige der Stadt, die am 15. März
1920 beim Sturm auf das Arsenal. den Stütz(Hmkt putschisti-
scher Truppen im Ort, ihr Leben ließen.
enftenlx!rg, Brieskcr Straße, Friedhof, Gedenkstein
L1 Erinnerung an die am IS.März 1920 in dPn Kiimpfen bei Bra-
nitz und Ströbitz gefallenen Senrtenbcrger Arbeiter.
Suhl, 1\athaus, Zugang Kari-Marx-Platz, Gt>denktafel und In-
schrift an der Fassade
Zum Gedenken an die erfolgreichen bcwoffneten Abwehrkiimpfe
der Suhler Arbeiter gegen putschistische Truppen ll!n 15. März
1920. Tt'xt der Inschrift: t im grünen Wald die rote Stadt, die ein
zersehobscn Rathaus hatc.
Tamorc, Kreis ß ützow, Dorfplatz, Gedenktafel
Zum Gedenken an den Landarbeiter Ernst \lundt, der im März
1920 einen Waffentransport Bützower Arbeiter begleitete und
dabei dur<'h einen Übenoll konterrevolutionärer Soldaten ums
Leben kam.
lVillmersdorf, Kreis Cottbus, Straße Hiehtung Peitz/Abzweigung
noch Maust, Gedenkstein
Dieser Stein erinnert an den Kampf von etwa 500 Arbeitern aus
Döbcrn, Forst und Guben am IS.März 1920 gegen einen Panzer-
zug mit Reichswehrtruppen, den sie mehrer<' Stunden aufzuhal-
ten vennochten. Dabei EieJen der Kommandeur der Arbeiter.
Otto Thielc (KPD). und der Parteilose Franz ßlümke. 1975 wur-
den die Lmen der Gefallenen von dem nur dem Territorium der
Yolhrepublik Polen liegenden Friedhof zum Platz der Befreiung
in Guben umgebetteL
~rismar, Friedhof, Gedenkstein
Zum Gedenken an flinf Arbeiter geschaffen, die am 19. März
1920 in Kiimpfcn mit putschistischen Truppen fi elen. Spiitcr wur-
den die Namen derjenigen Einwollncr der Stadt hinzugesetzt, die
Opfer des faschistischen Terrors geworden waren.
308
\\ eißenfels, Friedhor, Gedenkstein
Aufgestellt für 16 während des Ab":ehrkn~p[cs im Mör.t 19~0
•111 Raum Weißenfels gefallene Arbeater. Fur den 1933 von Fa-
~1-histen zerstörten Gedenkstein wurde ·1950 ein neuer geschaf-
frn.
f.el/a-Melrlis, Kreis Suhl, Friedhof Mehlis, Gedenkstlitte
/.u EhrPn der arn 15.März 1920 in Suhl und am 18.März 1920
in Gotha gcfullcnen und hier beigesetzten Arbeiterkömpfer: Ernst
ßL•rtels, Otto Fleischer, Fritz Häfner, Tbcodor llclfricht, Poul lr-
mischcr, Kur! Öhring und Fritz Voi~t. Dus 1923 errichtete
Dl'nkmal wurde 1933 von Faschisten :.:erstört. 1960 I euaufstel-
lung des Denkmals.
Zella-Mehlis, Kreis Suhl, Straße der Märzkämpfer 8, Gedenkta-
Cd
Hier befand sich im ehemaligen Casthaus oZur Poste der Sitz
dt'h klionsausschusses, der den bewaffneten Abwehrkampf der
dortigen Arbeiter gegen den Kapp-Lüttwitz- Putsch 1920 leitete.
Märzkämpfe 1921
Bachra Kreis Sömmerda", Ortseingang, Gedenkstätte
llier w~hrtcn am 31. März 1921 bewaUnete Arbeiter Angrifle
, on Schutzpolizeieinheiten erfolgreich ab. Für sechs gefallene
Kämpfer ist auf dem Friedhof des Ortes eine Grabstätte (Gedenk-
stein) geschaffen worden.
/Jeesenstedt, Kreis Halle, Friedhof, Gedenkstein
ln Erinnerung an sieben Arbeiter, die während der Märzkämpfe
1921 im Baum Beesenstedt von Schutzpolizisten im Kampf er-
schossen wurden.
/Jitterfeld , Marktplatz, Halhaus, Geden ktafel . .
Zum Gedenken an den Sieg von Angehörigen der Battcrlelder
1\r·beiterwehr am 27. März 1921 über Schutzpolizisten, die nach
längerem Feuergefecht das Rathaus riiumen mußten.
309
 •
Eis/eben. Ortsteil llclfta. Friedhof, Geclt•nkstiitte Ehrennamen in der 1ationalcn Volksarmee
Zur Erinnerung an sechs Werktätige. die im \1 iirz 1921
\ b" l'hrkiimpfen mit Schutzpolizisten ihr Leben gaben.
und in den Grenztruppen der DDR

IJettstedI, Hosn-Luxemburg· lraße, Bergschlößchen. Gedenktafel

ln diesem Gebäude tagte der Aktionsausschuß der Stadt und lei-
tete im \Jiin 1921 von hier aus den bewaffneten Abwehrkampf
der Arbeiter.

Klostermausfeld, Kreis Ei sieben, alter Fried hof, Gedenkstein '

1n 1-:rinnt>rung an die bei den Märzkiimpfen 192 1 gcfnllenen r· \umc·n hervornagender Kämpfer fiir dir Ziele der Arbriterklasse,
beih'r dics<·s Gebiets. in deren Leben di e Teilnahme an den Klassenkämpfen
191 ß- 1923 eine wichtige Roll e spiPitc
teuna, Ortsteil Kröllwitz, Gedcnkstiitte Gänseanger
Zentral(• Gedenkstätte für die während der Miirl kiimpfe 1921 in Verliehen an
\l ittcldeutschland gefallenen Werktiitigcn. l lier weihte Emst ludre. Etkar Truppenteil der LSK/L \'
Thii1mann am 20. \1än 1927 einen Gedenkst('in ein. der 1933 ( 1891- 19:16)
\'On Faschisten beschädigt wurde. 1961 erhielt diesf'r Stein seine lloier, Kar/ Truppenteil der \ \1
heuti{:f' Ge~talt, und das Gelände "1lrdc zu einer Gedenkanlage (1 887- 197:})
l'rncitert. Oit• drei Bronzetafeln schuf lleinz Beberniß. ßpcker. Artur Panzertruppenteil
( I !lOa- 1938)
teuna, Yr~l3 Lcunn· Werke »Waller Ulbrichtc, Bau 140/Silo. Ge· Beim/er, I/ans mol. Schützcnlruppcntcil
dcnkstcin · (I895- I!):JG)
ln diesem Silo wu rden na.ch dem Sturm v011 Schutzpo1iY.cihun· /Jn•del. \flilli Arti llerietruppcntci I
dertsehuft('n auf das Werk am 29. Miirz 1921 llunde1·te von Ar· ( I 90 1- 1HGI\)
bcitcr'n drs Werkes eingesperrt und vieiP von ihnen mißhandelt. /)uc/uoitz, Ollo Panzertruppenteil
( 1879- 1964)
eh raplau. Kreis Querfurt, Stcdten er Straße, Gcdenk&tiitte /Judich. \Vi/li Fliegertechnisrhc Einheit
•
Zum G('denken an 18 Arbeiter, die hier am 18. \liirz 1921 von ( 1890- 1912)
' c·hutzpolizisten bestialisch ermordet \\Orden '•llr('n. Bürger. 1\urt :'\achrichten cinhcit
(1891 - 1!151)
II olferade. Krei> [islebcn, Friedhof. GcdenJ..stein Dorrenbach. 1/einrich Truppenteil der CT •
llicr ruhen fünr der während der \liirlkiimpr,. I 921 im Rawn ( 188!1- 1919)
\\olf!•rofl(' geftallenen revolutionären Kiimprer der Arbeiterklasse. Dunrlwr. 1/rmwun Truppenteil der LSK/ L\-
' ( 1117 1- 1960)
Dia• 7.nsn mm('nst~ll ung errolgte nach An~ulwn von nna Dora f:brrlein. 1/ugo Wachrcginwnt
\1it•tlw, Institut für Denkmalpflege, ßcrlin. ( 11187- 1H44)
l~ckelmann. llans-Amo Kaserne
(169 1- t!l24)
Egelhofer, Rudolf Untcroffi zi erssch ule: \liih$am, Erich Kaserne
( 1896- 1919) Schür der \ \'1 (18i8- 19H)
Horin, WilhRlm mot. Schützentruppenteil; ,\ eddemtayer. Roberl Truppenteil der LSK/LV
( 1894-1944) Schirr der VM ( 1887- 1965)
Geschke, 01/omar Pionienruppenteil /\pu/lauer, Theodor Truppenteil der GT
( 1882-1957) ( 1890- 1945)
Clobig, Fritz Truppenteil der VM l'ieck, Wilhelm Militärpolitische Hochschule;
(1892-1970) ( 18i6-'1960) . Truppenteil der LSKJLV;
Crotewohl, 01/o Flakabteilung Motorschulschirr
(1894-1964) /la u, Heinrich :rruppenteil der LSKJL V
Grube, Ernst Truppenteil der GT; (1899-1961)
( 1890-1945) SchiH der VM Roscher, Max mol. Schützentruppenteil
1/abersaath, Erich Technjsche Unterofliziersschule (I 888- 1940)
(1893-1918) ,)andiner, Augustin Pioniertruppenteil
1/eckert, Fritz Truppenteil der GT (18!13- 1944)
( 1881- 1936) Srhehr, John mot. Schützentruppenteil
llomick, Paul Panzertruppenteil (1896- 1934)
( 1898-1964) Schlag, Otto mot. Schützentruppenteil
Jogiches, Leo Panzertru ppentcil ( 1889- 1937)
( 1867- 1919) Schulze, Fritz {Fiele) Kaserne
Koenen, Bemard Materielle Sicherstellungseinheit (1894- 1935)
( 1889-1964) Srhumamt, Georg achrichtcntruppenleil
Koenen, Wi/helm Artillerietruppenteil ( 1886-1945)
( 1886-1963) Siewert, Robert Straßenbautruppenteil
Ladwig, Artur mot. Schützentruppenteil (1887-1973)
(1902-19-'4) Sobottka. Cuslav Truppenteil der GT
Levine, Eugen Truppenteil der GT ( 1886-1953)
(1883-1919) •
17tälmann, Ernst Offiziershochschule
Liebknecltt, Kar/ Offiziershochschule (1886-1944)
(1871-1919)
[,uxemburg, Rosa Orfiziershochschule Abkür-wngen
(1871-1919) CT Grenztruppen der DDR
Marchwitza, IIans achrichtenein heil I.SKJL V Luftstreitkräfte/Luftverteidigung
( 1893- 1965) mot. motorisierten
\\I Volksmarine
Malern, Hennann Truppenteil der LSKJL V
( 1893- 1971) •
Meseberg, Karl Schifr der VM
(189 1- 1919)

312 313
 An Volksbildungseinrichtungen der DDR .ouo Schlag• POS Hohemnölsen
, Erlwrd Schübel.r POS 6 Suhl
verliehene Ehrennamen von Teilnehmern , Georg Schumanfl« POS 12 ßerlin-Lichlenberg; POS
an den Klassenkämpfen 1918- 1923 Borna;
POS Scehausen, Kr. Leipzig
, f'rilz Sattler. POS I Suhl
•.(ulius Seigerschmidt• POS KatzliiiUe, Kr. Neuhaus
• POS Luckenwalde; POS Markranslädt:
• /~m sI Tlrii lm.a nru
POS Neu ruppin ; POS 38 Potsdam;
POS 9 Suhl
JtEtlrar Andre« POS 4· llostock , Prwl \Ylieczorek« POS 26 Berlin-Treptow
11Nermann Danu POS Schmalkaiden , Erich Zeigner« POS 40 Leipzig
"lleinrich Dorrenbaclu POS 7 ßerlin-Milte
" llermann /)uncker« POS 5 Leipzig; POS 24 ßerlin-Fried- \bkiir-wngcn
richsfelde Kr. Kreis
»Rudolf Egelhofeu POS 36 Hostock POS Polytechnische Oberschule
. Otto Gehre« POS I-lalle
"Paul Gehre« POS Dessau
» Gt~stav Giesemanfl« POS Wolferode, Kr. Eisleben
• Em,~t Grube« POS 63 Leipzig
. J'IIl<t,. Haferkorn« POS 33 Leipzig
. Frilz 1-/eckerf« POS 38 ßerlin-Prcnzlauer Berg
•Otto lfillmer« POS l-lettstedt
"Alfred Kästner« POS LindenU1al, Kr. Schkeuditz
11Fritz Kleiner~ POS Benshauscn. Kr. Suhi-Land
, !Jernard Koenen K POS 14 ßerlin-Köpenick
11Fritz Köhler.- POS 4 Suhl
• Erich Köhn« POS 144 Leipzig
•Kar/ Liebkn~cht« POS Belzig: POS Brandenburg;
POS Oelitzsch; POS Oschatz:
POS 22 Potsdum; POS Rathenow
• \llilhelrn Pieck• POS Altenburg; POS Bad Satzungen;
POS Döbeln; POS Jiiterbog; POS
Lichte, Kr. Neuhaus; POS 18 Polsdam;
POS Sonneherg; POS Trusethal, Kr.
Schmalkaiden
. Lotte Pu/ewka« POS 41 Potsdam
. fi'riedrich l<öbeu POS Löbejiin, Kr. Halle
. Paul J<ockstroh• POS Roßwein, Kr. Oöbcln

3 14
 Oie bewaffneten Kämpfe Ren n, Ludwig: Krieg, Frank!url a. M. 1928.
- Nachkrieg, Wicn-Berlin 1930.
der deutschen Arbeiterklasse 1918-1923 - Anstöße in meinem Leben, Berlin 1980.
in der Belletristik Scharrer, Adam: Vaterlandslose Gesellen. Das erste Kriegsbuch
• ri nes Arbeiters, Wien-Berlin t930.
- Der große Betrug. Oie Geschichte einer Arbciterfamilie,
Wien- Berlin 1931.
5rhneider, Josef: Gehetztes F'reiwild. Roman eines Revolutio-
niirs, Engels 1933.
Se{{llers, Anno: Oie Toten bleiben jung, ßcrlin 1949.
Apitz, Urrmo: Schwelbrand, Halle-Leipzig 1984. Turek. Ludwig: Ein Pro.let erzählt. Lebensschilderung eines
IJartus, Juttai/Jöhm, Rudolf: Geboren unter schwarzen Him- deutschen Arbeiters, ßerlin 1930.
meln, Berlin 1962. Lhse. Bodo: Wir Söhne, Berlin 1948.
IJredel, \flil/i: Oie Söhne, Berlin 1949. II eber, Erich: ln stürmischen Jahren, Rudolstadt 1960. ,
Döblin, Alfred: ovember 1918. Eine deutsche Revolution. lf eber. Jakob: Trotz alledem! Aus den Revolutionstagen
ßd. 1- 4, \1ünchen 1948-1950. 19 18/ 19, ßerlin 1961.
Freyer. Paul Herbert: Sturmvögel. Rote \1atrosen 1918/ 19, Ber- II elk. Ehm: Im Morgennebe1, Berlin 1953.
lin 1975. l.ikelsl.y. Frit;;: Das Cewehr in meiner Hand, Berlin. 1958.
Cotsclte, Otto: Märzstürme, Berlin 1953.
- Standort Marstall, Berlin 1981. Dit> bibliographischen Angaben beziehen sich aui die Erstaunage
Crünberg, Kar/: Brennende Ruhr, Rudolstadt 1928. drr jeweiligen Publikation.
- Es begann im Eden. Jovellen aus Deutschlands schwerster
Zrit, ßerlin 1953.
- Episoden. Sechs Jahrzehnte Kampf um den Sozinlismus, Ber-
lin 1960.
lfaryclt, Theo: tm Geiseltal. Berlin 1952.
Kast, Peter: Der Rote Admiral von Kiel, Berlin 1959.
•
Kellemwnn, Bemltard: Der 9. November, Berlin 1920.
Kr1auf, Erich: <;a ira! Reporlllge-Roman aus dem Kapp-Putsch.
Bcr1in 1930.
Küchenmeister, \Vero und Claus: Zur Stunde des Grubenpfer-
des, Berlin 1982.
Mann, Fronk: Als der Märzwind blies, ßerlin 1961.
Marcluoitza, Hans: Sturm aul Essen. Die Kümpfe der Huhrarbei-
ter gegen Kapp, Waller, S-evering, Wien- Berlin-Zürieh 1930.
- Treue. Ein Buch aus dem Arbeiterleben, Bcrlin 1960.
Meyer, 1/elmut: ller.t des Spartakus, ßcrlin 1959.
Rei,sner, Larissa: Von Astrachan nach Bannbeck. Reportagen '
1918- 1923, Halle-Leipzig 1983.

'!lfl
 Aus Grundsatzdokumenten
über den inneren Einsatz von 1\tlilitär
und Polizei (19 19- 192 1)
• sdlt' Lage gunz objektiv beurtrilen und nic·ht ausschließlirh
Aus dem Entwur·f
des Kommandeurs des Freiwilligen Landcsjägerkorps,
G('ncralmajor Ceorg Maerckcr, vom 31. März 1919
rür eine Vorschrift iiber den Einsalz
df'r imperialistischen Strcitkriifl(' im lnnern
I. Allgemeines
Wie im Wcllkricge, so ist es auch bei der untcrdriif·kung von Un-
ruht•n im lnnrrn nicht möglich. \ orschrirtrn uufzustellen. die für
nllr l~ille gültig sind. 'iur Grundsiitze kiinnrn grgcbcn werden.
Dir Grüßt' der Ortschaften, ihre flaunrt , tlao \ f'rhaltcn und die
ßrwul'l'nung der Bevölkerung, ande•·erscits ~lic Stärke. Zusam·
mllnsctzung und Bewaffnung drr Truppen sind für di e Art des
militiir'ischt•n \ orgehens maßgebl'nd ...
II. Auftrag und Erkundung
Eine Trupl><'· die im lnnern des Heiches eingesetzt wird. sei es.
um Forderungen der Regierung durchzudrücken, f'inen Aufruhr
niedrrzuschlagt•n oder auch nur zu dem z,.rrk. durch ihre An·
"rsenheit die Ordnung aufrecht zu halten. bctlurf eines klaren
bestimmten Auftrages ...
Drr Auftrug bildet die Grundlage für die f:rkundung der Ört·
lichkeit. "ohin drr Befehl der flegierung die Truppe führt. Diese
E1·kundung kunn nicht sorgl'liltig und vorsichtig g<·nug durchge·
fiihrl wrrden, rla von ihrer Richtigkt•it oft rlns Gelingen der Unter·
nl'hmung ahhiingt ...
Oie l~rkundungen erstrecken sich nnch zwei !Iichtungen hin.
l::inmnl kommt es durauf an. den Gegner und seine Eigenart ken·
318
111·n zu lernen, so,>'ie festzustellen. auf " elchr Zivil-llilfskriifte di1·
Truppe lwi ihrrm Lnternehmen rechnen kann. Das ist die politi·
,c·h~· S<·ite der l~rkundung. Danrhcn läuft dir Erkundung rein mi-
litiirisclwr \ erhiillnisse.
Dil' Erkundung der politischen \ crhiilim~ol' ist oft rl'cht
,rln' ierig. \ Ian findet nur selten Persönli<'hkl·iten. die die politi-
,Jurc·h ihrr Parteibrille. Um ein richtigrs Bild zu h<·l..ommen. ist es
d~·•hu lb nötig. duß die Erkunder mit führenden Persönlichk<·iten
allrr Parteien - möglichstauch der rcgit•nmgsfeindli chen - F'üh-
lunl( grwimwn und aus ihnen das ht•rnuszuholcn versuchen, was
"i1• wissen wollen. Erfahrungsgcmiiß neigen uul'h di<• Persönlich-
keih•n. die ('in bewaffnetes Eingreifen dc·r llcgicrung wünschen,
dtt7.u. die Lage militärisch zu günstig und zu einfa<'h zu schildern.
Si<· raten dann zu Cntcrnehmungen militürisclwr Art. die zu weit
:r<·hen und mehr chaden als ~utzcn stiften. \ or allem wird die
Stiirl..e dt•r zu t>nt t>ndenden Truppen t•rfohruni(S{!emiiß meist un-
lt•r.rhiitzt.
Einfncher liegen die militärischen Erkundun{!<'n. du es sich bei
ihnrn fast nur um die Feststellung von Tatsa<'hcn handelt. Die Er-
l..undrr wcrdrn, um nichts zu vergessen. zwrt•kmiißig mit einem
Frugebog~·n ausgestattet. (Nachfolgender Fnagdmgcn hut sich be-
wiihrt) ...
A. I. Welches ist die politische Zugchürigkcit (Regierungsbe-
zirk, Kreis) der Gegend'? Wie ~roß ist dit• Einwohnerzahl?
\V('Ichcr Stund herrscht vor? Wie wur das Stinuncnver-
hiillnis bei den letzten groß~n Wahlrn?
2. Wie ist die Haltung und Parteifarhung der \rb~iterschaft?
\V('Irhe großen Betriebe sinrl vorhnndcn? Wo wohnt die
llauptmussc der Arbeiter? llnbcn sie Waffen? Ist mit
ihrem bewaffneten Widerstand zu rcc·hnrn'?
:3. Ist lluhe, Ordmmg und Sicht>rheit vorhanden oder sind
Angriffe auf Leben oder Eigentum vorgekommen?
'l. Wie isl die Lage bei der Post, dem Trlcgruphrnamt. der
Eisenbahn'? ~ i~· bei dem Cns·, El~·ktJ·izitiits- und \Vasser-
werk '!
:i. Sincl die Zivilbehörden (Ccrit:ht, rrwnltung, Polizei,
St('ut•r) noch im Amt? Einteilung d<•r Studt in l'olizcibe-
zirke. Welche Tätjgkeit iibt der rheitcrrut aus'?
:319
 6. Welches sind die rührenden Pt>rsönlichkeiten: ln der Ver-
waltung (staatliche und städtische, Polizei)? ln der Presse?
ln den Gewerkschaften? Im Arbeiterrat? ln den Bürger-
vereinen? ln den politischen Vereinen?
7. Wie denken die unter 6. genannten Persönlichkeiten über
ein bewnffnctes Einschreiten? Soll gegebenenfalls das Ein.
treffen der Truppen vorher mitgeteilt werden oder soll das
Eintrefren überraschend erfolgen?
8. Wer si nd die Redensführcr und Hetzer der regierungs-
feindlichen Strömung? I laben sie sich einer strafhuren
Handlung schuldig gemacht und welcher? Ist bereits ein
Gerichtsverfahren eingeleitet? (ßci allen Persönlich keiten
siehe Ziffer 6. und 8. ist ihr Charnkter w erkunden und die
Art, wie man mit ihnen verhandeln muß, um etwas zu er·
reichen.)
B. I. Wie sind die ßahnhofsvcrhiiltnisse? Wo sind i\usladeram·
pen? Wie lang sind sie?
2. Welche Gebäude müssen unbedingt besetzt werden? Vor-
schläge rür Angriff und Verteidigung sind beizurügen.
3. Wohin ,..;rd die llauplmassc der Truppen zu leiten sein?
4. Gibt es in der Stadt Abschnitte, die leicht zu sperren sind?
(Flußläufe, Promenaden und dergleichen)
5. Welche Truppenkörper sind vorhanden? Welrhc sind ihre
Aufgaben? Einfluß, Anschnuungen, Gesinnung? Wer sind
di e Fu.. hrer ?....
6. Gibt es ßürgerwehren oder ähnliche Einrichtungen? (Fra·
gen "ie unter 5.)
7. Wo befinden sich Waffenlager?
8. Kann die Truppe durch Gestellung von Meldern aus der
Zivilbevölkerung unterstützt werden? Wer stellt sie?
9. \Vo kann die Truppe untergebracht werden? Wo sind
Massenquartiere? Wo sind Stallungen?
I 0. Gibt es ein Proviantamt?
II. Wo befinden sich Lazarette, Sanitätswachen und andere
Sanitätsanstalten?
Erwiigungen ilbPr die Arbeit lies Eingreifens, Truppenstärke,
Truppenzusamm~msetzun.g und Truppentransporte
Aufgrund des Ergebnisses der Erkundungen hat sich der Trup-
:120
penfiihrer zu entschließen, wie er die ihm gestellten \ufgoben lö-
'en will ...
Ort wird die ollgemeine politische Lage es aber nirht angezeigt
t•rscheinen lassen, sich in vorherige Verhandlungrn einzulas·
st·n ...
Crundsätzliclr kann die TruppP nirltt stark genug ~Pin..Je stär-
ker die Truppe ist, um so weniger ist mit der Wahrscheinlichkeif
1·inrs feindlichen Widerstandes zu rechnen, um so größer ist die
\löglichkeil die Aufgabe ohne Blutvergießen zu lösen. während
das Erscheinen einer schwachen Truppe leicht den Widerstand
riner erregten Menge auslöst.
Jedenfalls muß die Tru ppe so stark sein, daß ein€' icderlagc
ausgeschlossen ist, wei l eine solche leicht verhängnisvolle Folgen
in der inneren Politik auslösen kann. indem sie zugleich l'ine Nie-
llrrloge der Regierung bedeutet, welche die Truppe en tsrndet hol.
So findet die Truppenstärke während der Jahreszeit. in der nicht
biwakiert werdl'n kann, ihre Begrenzung vor allem in der vorhan-
denen Unterbringungsmögliehkeit, besonders für Pferd€'.
Diese Unterhringungsmöglichkeit spielt auch eine große Rolle
hri der Frage, wie die Truppe zusammengesetzt sein soll. ln er·
~ter Linie stehen ober natürlich taktische Erwägungen. In großen
Städten wird man vor allem viel Infanterie mit zahlreirhen MG
und Minenwerfer brauchen, an Artillerie schwach sei n und auf
1\eiterei ganz vertichten können. Artillerie und Heilcrei werden
dagegen eine Holle spielen, wenn die Truppe in liindlichc Bezirke
mit zerstreut liegenden Arbcitencntren (Fabriken. Gruben) ge-
führt wird, besonders wenn der Zustand der Strnßc nicht die aus·
!tiebigste Benutzung von Kraftwogen zur Truppenhdörderung ge-
stattet. Die Sichemng eines Eisenbahnknotenpunktes oder einer
längeren Eisenb11 hnstreckc erfordert Beigabe eines Pum:erzuges
usw.
lst die Kriegsgliederung der Truppe festgestellt, so muß die Arl
des Eisenbahntransportes geklärt werden ...
Die Verteilung auf die TransportzUge erfordert reifli<'h(' Cber-
lt•gu ng. Grundsatz ist, daß die Truppen nach der Art der Verwen-
dung verladen werden. ln erster l.inie l>'ird es immer darauf an-
kommen, sofort sta rke lnfanteri€' mit zahlreichen MG zu r Hand
zu haben. Sie ist in der Lage, 11uch auf freier Streckt• auszu laden.
unter ihrem Schutze erfolgt dann dus Ausladen der \rtillcrie. der
:l2 1
bespannten MG, der Rei terei und des Trosses. Ihre Hauptmasse
wird man also den erstrn Zügen zuweisen. Zur leichten Beweg.
Iiehkeii der Truppen empfiehlt es sich, die Gefechtstruppen so
zusammenzustellen, daß aller entbehrlicher Troß zurliekbleibt
und erst später nach erfolgter Klärung der Lage nachgezogen
\\ird.
Bewährt hat sich die Zusammenstellung von Einheilszügen ...
Dos Einrücken
Es "ird im allgemeinen zweckmäßig sein, mit allen Truppen so
glei chzeitig, als es die bahntechnische Lage irgend"~e zuläßt, an
Ort und Stelle zu erscheinen, den Hauptbahnhof fest in die Hand
zu nehmen, rasch die allerwichtigsten Objekte mit starken Kräf.
ten zu besetzen und dann die für \ erhandlungen erforderlichen
Persönlichkeiten zu einer Besprechung innerhalb des von der
Truppe besetzten Gebietes zu beordem.
Dieses übrrrasehende Auftreten der Truppe n djfht an oder in
der Stadt und das Zusnmmenhulten der Krii!te vermindert die
Möglichkeit einer ßeriihrung der Truppen mit der regierungs-
feindlichen ß evöl kcnmg, bevor die Führer derselben über den
Zweck der Truppenankunft unterrichtet sind, und schaltet Miß-
versliinduissc zwischen den plötzlich erscheinenden T ruppen
und untergeordneten regierungsfeindlichen Elementen aus, die
leicht zu Schießereien und Blutvergießen führen.
Wichtig ist es, daß die Truppe sich beim ersten Auftreten vor
ei.ner Zersplitterung der Kriiftc hütet, indem sie den meist sehr
zahlreich Huftretenden Bitten, wichtige l>unklc zu besetzen, nicht
nachgibt.
Muß auf übrrraschrndes ~:inlreiTen der Truppe besonderer
Wen gelegt werdrn, so empfiehlt sich, es in die [riiheslen Mor-
genstunden zu verlegen, wenn die Masse der Einwohner noch
nicht aufgestanden ist. Doch kann es auch wichtig sein, erst an.zu-
kommen, wenn sich die Massen der Arbeiter bereits in den Fa-
briken befinden. Jedenfalls muß die günstigste EintreiTzeit sehr
sorgf'ältig erkundet "erden, da sie für den Erfolg der Unterneh-
mung \On entscheidendem Einnuß sein kann.
Bei den ersten Besprechungen dürfen im Interesse knapper
sachlicher Verhandlungsführung nur die verantwortlichen, unbe-
dingt notwendigen Persönlichkeiten zugegen sein. Andererseils
:122
111 uß weilerhin !rotz der damit verbundenen Belastung mit mög·
liehst viel maßgebenden Persönlichkeiten und mit der gesamten
Presse - auch der regierungsfeindlichen - Fühlung genommen
"erden.
Der Einmarsch der Truppen geschieht in möglichst breiter
Front - immer aber unter der Bedingung, da.ß jede Kolonne
stark genug ist, jeden Widerstand zu brechen. Sache der vorher-
gegangenen Erkundung ist es, die einzelnen Stadtteile daraufhin
zu erkunden, welche Straßen beim Einmarsch zu bevorzugen,
"elche zu vermeiden sind. Jede larschkoloone bekommt ihren
\ bschnitt zugewiesen, für dessen Säuberung sie verantwortlieb
ist. Die einzelnen Abschnitte werden :~~weckmäßig so gegeneinan-
der ®gegrenzt, daß eine Straße die Grenze bildeL
Oie einzelnen Kolonnen miissen aus Abteilungen gemischter
\\ alten bestehen. Erwünscht ist es, ihnen Panzerkraftwagen oder
Tanks vorauszusenden, die vor allem dazu geeignet sind, die
\lassen in den Straßen zuriickzudriicken.
\'ertrauensleute aus der Zivilbevölkerung werden mil Erfolg
den Truppen vorausgesandt werden, um die Hetzer in der Menge
lestzustellen sowie Freischiitzen, die sich nach Verstecken der ge-
brauchten Waffe als harmlose Passanten gebärden.
Marsch durch einett von Menschenmassett erfüllten Stadtteil
Beim Marsch du•·ch gedrängte Menschenmassen entsteht leicht
die Gelahr, daß die Truppe so eingekeilt wird, daß der Waffenge·
bruuch unmöglich wird und die Masse der umklammerten
Truppe die Waffen cntringL Sie muß sich also so viel Ellbogen-
lreiheit verscharren, daß sie auch bei angrillsweisem Verhalten
der Bevölkerung ihre Waffen gebrauchen kann und daß nicht
ei nzelne Teile von ihr al>gcdriingt und entwaflnet werden kön·
nen. Deshalb ist vorerst nach dreimaligem Trommelwirbel oder
Trompetenstoß die Aufforderung zu erlassen, die Straße zu räu-
men. Kommt die Menge der Aufforderung nach, so riickt die
T ruppe vor, die Auflorderung andauernd wiederholend, vor al-
lem dort, wo die Möglichkeit für die Menge besteht, in Seitenslra·
ßcn al>zubiegen.
Gehorcht die Menge der Aufforderung nicht, was erfahrungs-
gemäß meist der Fall ist, so pOanzt die Spitze das Seilengewehr
auf, dann werden dahinter auf Befehl des Kompanieführers ei-
n.ge Schüsse in die Luft abgegeben, und nun drängt we Spitze
323
•
 vor, vorerst den Kolben, bei Widerstand das Bajonett gebrau.
chend.
Ist zu erkennen, daß die vor der Truppe befindlichen Men-
schen zurückweichen möchten, aber durch die hinter ihnen Ste-
henden daran behinder1 werden, so bleibt nichts übrig, als Hand.
granuten, bei besonders drohendem Verhalten einer viel köpfigen
Menge cveutuell einige Minen unter die von hinten Drängenden
zu werfen. Dies wird meist von Erfolg begleitel sein, da sich nach
viclfu.ltiger Erfahrung die Führer und Hetzer meist hinten befin.
den. Auch kann es sich empfehlen, Schützen in die oberen Stock-
werke der in Höhe der pitze befindlichen Häuser zu senden, die
'on dor1 aus die I Ietzer beschießen. Auch Leuchtkugeln, von
oben in die Menge geschossen. werden oft gut wirken.
Oie Marschordnung wird sich vor allem nach der Straßen-
breite richten. Als Grundsalz ist zu beachten, daß olle Fuhrzeuge
in die Mitte gehören. Folgende Marschordnung kann empfohlen
werden:
Die Vorhut besteht aus einer Spitze. die mit Handgranaten und
möglichst 2 Maschinenpistolen ausgerüstet ist und in Schützenli-
nie vorgehL Nach 25 bis30m folgt eine leichte MG-Gruppe. die-
ser im gleichen Abstand der Kompanieführer der vordersten
Kompanie mit einem Stoßtrupp, dann die lasse der Truppe, in
welche die Geschütze, schweren MG, Minenwerfer und Troßwa-
gen eingegliedert werden. Wo es darauf ankommt, die Marschko-
lonne zu verkürzen, können die Fahrzeuge auch geschlossen in
der Mitte marschieren und auf beiden Seiten von Infanterie be-
gleitet werden. Diese muß scharf die Häuser der gegenüberliegen·
den Straßenseiten beobachten.
\'on der Spitze bis zum Anfang der Hauptmacht gehen Schüt·
zen in der Kolonne zu einem auf beiden Straßenseiten dicht an
den llüusern entlang. Auch sie sollen die Dächer und Fenster der
gegenüberliegenden Seite im Auge halten, die Spitze bei Bedarf
unterstützen und Seitenstraßen abriegeln.
Ebenso wichtig wie die Sicherung nach vorn ist die nach rück·
"iir1s. Die Gliederung der achhut ist etwa die gleiche wie die
der \ orhut. Unmittelbar vor der Nachspitze fähr1 ein \1G-Wagen
mit schußfertigem MG oder ein Geschütz.
Von besonderer Wichtigkeit ist die sofortige ausreichende Ab·
riegeJung der Seitenstraßen, um der Gefahr vorzubeugen, daß die
:124
, on ihnen aus vordringende Menge die TrupJ>C auseinander
rt>ißt. Oie Sperrposten schließen sich der 1achhut an.
Die Artillerie marschier1 mit geladenen Rohren (Kartätschen,
, on denen 2 Körbe auf dem hochgeklappten nterschild mitge-
führt werden). Außer den Fahrern ist alles abgesessen, Karabiner
rruf Schulter.
Schwere MG und Minenwerfer verhalten sich sinngemäß. Es
kann erforderlich sein, alle Troßwagen w1d alle Pferde außerhalb
d<·s Ortes zu lassen und den Gefechtstroß durch die Bediemmg
tiehen zu lassen.
Kornmt es nuri darauf an, eine Straße zu räumen und sie dann
fü r den Verkehr zu sperren, so wird sinngemiiß zu verfahren
;ein. Oft wird schon die Verwendung einer Feuerspritze genii·
gcnd wirken.
Als Sperren empfehlen sich besonders Drahthindernisse ein-
fuchster Art, die durch Posten gesichert werden. Diese sollen den
Sperren nicht mehr als 25- 30 m genähert und möglichst in der
\ähe von Haustür.en oder Toreingängen aufgestellt sein, damit
sie im Bedarfsfalle rasch das Schußfeld frei machen können. Das
Cberschreiten der perre muß stets durch ein gut sichtbares Pla-
kat verboten werden. Inschrift etwa: .Es wird auf jeden geschos-
sen, der den Draht überschreitet«.
Angriff auf Gebäude
Jedem Angriff mllß eine eingehende örtliche Erkundung voraus-
gehen und ein genauer Angriffsplan zugrunde liegen.
Dieser ist vor allem festzulegen, wie der Verkehr der erteidi-
ger nach außen zu unterbinden ist, wie die Verleidiger während
des Vorgehens der Sturmabteilllng niederzuhalten sind, wie das
I laus gegebenenfalls sturmreif zu machen ist, welche Aufgaben
den einzelnen Sturmabteilungen zufallen und wie die F1ucht der
Verteidiger zu unterbinden ist.
Oie Erkundung \vird sich vor allem darauf zu erstrecken ha-
ben, welches die besten Annäherungsmöglichkeiten sind llnd wie
bei größeren Gebäudekomplexen die Höfe gelegen sind. Kata-
!>lerkar1en und Fliegeraufnahmen können wenvolle Dienste lei-
sten.
Vor dem Angriff hat eine Einschließung, eine völlige Absper-
rung des Gebäudes in so weitem Umfange stattzufinden, daß der
325
 angreifenden Truppe unter allen Umständen der Rücken ~~:e1Jeckl
ist.
Um den Angriff möglichst wenig verlustreich zu ges1alten.
kommt es darauf an, den Verteidiger während desselben nieder-
zuhalten. Vorerst müssen Flankierungsnnlngen (Balkons, ~r:Ker•, J
Türme und dergleichen) beseitigt, Fenster- und Dachschützen
durch Maschinengewehre, die in Häusern oder auf Oiichern der
gegenüberliegenden Straßenseite einzubauen sind, bekämpft wer-
den.
llat man es mit einem zähen Verteidiger in starkem Stützpunkt
zu tun, so bleibt nichts übrig, als das Haus sturmreif zu schießen.
ebelminen aus den gegenüberliegenden Häusern in die Fenster
geschossen (Fiachbahnlaiette) werden stets gut wirken, ebenso
Minen, die in Höfe geworfen werden. ArtiUerie wird verwendet
werden können, um Tore einzuschießen.
Besondere Sorgfalt ist dem Einsatz der Sturmabteilung zuzu-
wenden. Die einzelnen Gruppen sind aus wenigen, beherzten
Leuten zusammenzusetzen. Eine Reserve, um den Stoßtruppen
den Rücken zu decken oder ihnen Hilfe zu leisten, muß stets aus-
geschieden sein. Jeder Sturmtrupp muß seine Aufgabe genau vor-
geschrieben bekommen, da sich die einzelnen Truppen sonst ge-
genseitig stören.
Um die Kraft des Verteidigers zu zersplittern und Gelegen·
heilserfolge erzielen zu können, wird es immer zweckmäßig sein,
den Angriff von möglichst vielen Seilen gleichzeitig zu führen
(von der Straße aus, über Nachbargrundstücke, über die Dächer
der i ebenhäuser, von oberen Stockwerken der Nachbarhäuser
durch Durchschlagen der Brandmauem usw.).
Sturmtrupps, die in Straßen vorgehen, müssen den toten Win·
kel ausnutzen. Sie pürschen sich, in Reihen zu einem, dicht an
der Häuserseite, an der das Gebäude liegt, heran. Zum Sprengen
gescWossener Tore sind geballte Ladungen mitzuführen sowie
Handgranaten gegen KeUerschüt.zen und zur Erzwingung des
Eintritts. Im HAusinnern wird die Pistole oder das Seitengewehr
verwendet.
Verteidigung eines Gebäudes
Öffentliche Gebiiude, die eines Schutzes bedürfen (Danken, Post·
und Telegraphengebäude, Verwaltungsgehäude, Kunststätten
326
usw.) sind meist massive, einen guten Umblick gewiihrcnde Bau-
ten. die leicht dazu verleiten, die Verteidigung in das Gehiiude
11elbst zu verlegen. Das ist selten richtig. Der Angreifer vennutet
im Gebäude die ll auptkrait des Verteidigers, er kann den Vertei-
diger einschließen, kann wirksame Angriffsmittel (Geschütze, Mi·
nenwerfer) gegen ihn ansetzen, und er kann mit geringen Kräften
einen Erfolg erzielen. So wird ein solcher .Stützpunkte leicht zur
Falle. Deshalb ist es meist richtiger, wenn der Führer mit einer
nur kleinen Besatzung das Gebäude seilist verteidigt, sich aber
ei n weites Vorfeld schafft, um die Kraft des Gegners zu zersplit-
tern und ihm die Erkundung zu erschweren, und wenn er die
Verteidigung möglichst beweglich und angriffsweise Hlhrt ...
Besetzung, Sicherung und 8e1oachung eines Bahnhofs
Die' Aufgabe ist bei großen Bahnhofsanlagen schwer zu lösen,
wenn nicht zahlreiche ifannschaiten zur Verfügung stehen. Sie
t'rfordert eine sehr sorgfältige 'orherige Erkundung folgender
Punkte:
I. Ist der Bahnbetrieb noch im Gange bz'"· wer hat ihn lahmge-
lcgt?
2. Welche ist die verkehrsärmste Zeit?
:1. Kann der Bahnbetrieb ohne "esentlicbe S<'hiidigung aUgemei-
ner Interessen einige Zeit gesperrt werden? Wl'lche Stunden
sind dafür die geeignetsten?
4. Sind die Bahnanlagen bzw. l~ern sprechanlagcn noch im Takt?
5. Wie verhalten sich die Bahnbeamten und Bahnarbeiter?
6. Woher droht dem Bahnhof eine Gefahr? ...
Das Eintreffen hat zu einer möglichst verkehrsannen Zeit zu
t>rfolgen. Unmittelbar nach dem Eintreffen können folgende Maß.
nahmen erforderlich sein:
Besetzung des Fernsprechers, der Eingänge zum ßnhnho(, der
Stellwerke.
Aufstellen von MG, die die Einfal1rlsgleise und Zufahrtsstra-
ßen bestreichen.
Aufstellen einer Feldwache, wenn nötig, verstürkt durch Ge·
schütze auf dem Bahnhofsplntzc.
Entsenden von Offiziersposten zu den niichstcn ßlockstellen,
Besetzen der dortigen Fernsprecher, ßnlsendung von Gleispn·
trouillen.
Sicherung von Eisenbahnwcrkstiitten, Lichtanlagen.
327
 ßrse!Y.ung in der iih1• liegender Ccbiiude. von denen aus
Bahnhof beschossen werden könnte ...
Mililiirisrlw iclrerung von 11aussuclrungen
Es empriehll oich nicht, l laussuchungen bei Dunkelheil vorzu.
nrhmen. Sie werden am besten mit erstem Tageslicht begonnen,
so daß der nmarsch noch bei Dämmerlicht erfolgt. Finden
llaussuchungen in größerem \laße statt. et"a in sämtlichen Häu-
sern einer traße, so ist dirse vorerst in genügendem Ausmaße
abzusperren. Auch müssen \ orkehnmj!en getroffen werden. daß
nicht die ll üuser über dit• Diither hin" eg ooer durch Höfe oder
Gärten verlassen werden könn en.
Genaue 'orherige l.mter-. cisung aller Beteiligten über die Auf-
gabe. roseher Anmarsch und rasche Aufstellung aller Sperr- und
icherheilsposten ist erforderlich, damit die Bewohner keine Ge-
genmaßregeln trcffrn können. Erforderlich ist dazu, daß vorher
durch Erkundungen (Polizei) festgestellt ist, ob die zudurchsu-
chenden Häuser nicht onderausgiinge haben.
Zur Durchsuchung eines rinzelncn, nicht zu großen Hauses in
sicht'rer Gegend genügen 1 Offizier und I0 Mann. Von ihnen
bleibt ei n Doppelposten in &r Vordertür und zwar, um kein Auf-
sl'hen zu erregen, im llnusflur hinter der· Tür, ein and erer Dop-
I)Cipostcn atl der llinlerliir stehen. Sie lassen niemand undurch-
sucht dns lluus vt'rlasscn odrr verhindern, wenn eine Person
gesucht wird, daß [jbrrhnutJt jcmnnd dus Haus verläßt. Ein ÜOIJ·
prlposlcn steigt sofort Lis zum DuchiJuden hinnur und verhindert
das Verlassen de I Iauses über das Dach. Ein Doppelposten
sperrt den Vcrkrhr zwischrn den einzelnen Stockwerken vom
Tre,)penflur nus. Der Offizier mit dem Rest der Leute nimmt die
Durchsuchung vor.
Bei drohender llaltung der Bewohner kann es erforderlich
" erden, sie in einem Raum ge eh Iossen unterzubringen und
durch ei nen Posten bi•"achen zu lassen und nur den Haushal-
tungs' orstand zur Durchsuchung mitzunehmen.
Iets muß rin Alarmzl'ichcn verabredet sein.
(\l ilitüraJ'('hi' drr 0011. ll 28811. Hl. 1661r.)
:328
Einsntzgrundsätze
des Allgemeinen Truppenamts der Reichswehr
vom 14. Mai '1920
fü r die militärische Bekämpfung von revolutionären
Bewegungen
Richtlinien
für die militärischen Operationen beim Ausbruch großer bewaff-
neter Aufstände im l~eiclt
I. Allgemeine Crnndsätze
Bei der geringen Stiirke der Reichswehr ist ein gleichmäßiger
Schutz für alle Teile des Reiches nicht möglich. Oie Zusammen-
fassung von Kriirtcn an entscheidenden Punkten macht die Ent-
blößung zahlreicher Orte und ganzer Landesteile unvermeidlich.
Für die Zusammenziehung stärkerer Kriirtc werden diejenigen
Orte und Gebiete als »Machtzentren• ausgewählt, die als Basis
zur Wiederherstellung der Ordnung im Lande geeignet sind. Aus-
schluggebend für die Auswahl der Machtzentren sind - nbgese-
lwn von den rnilitiirischen lliicksichten - wirtschaftliche und po-
litische Cesichlspunktr.
Besonderer ße11chtung bedürfen Aufruhrherde an der Landes-
grenze. Sie können nndcren Stnalen Anlaß zur Besetzung deut-
schen Gebietes geben. Bedrohte Grenzgebiete sollen daher, so-
lange es irgend angiingig ist, nicht ganz von Reichswehrtruppen
entblößt werd en.
Von den Machtzentren aus beginnt die Besitznahme der Auf-
standsgebiete in der lleihenfolge ihrer Wichtigkeit. Kleinere, für
das Volks- und Wirtschahsleben wichtige Bezirke und Orte wer-
den durch rasches Zufassen besetzt. Stark verseuchte größere
Aufstandsgebiele, deren sorortige Wiedemahme nicht möglich
oder nicht erforderlich ist, werden zunächst von Reichswehr ge-
räumt, von allem Verkehr abgesperrt und später planmäßig wie-
dergenornmen.
Die Tru ppe darf Teilniederlagen nicht ausgesetzt werden.
Die Beteiligung "on Zivilbchörden, Polizei und zuverläss.igen
Zi,ilorganisatiorwn bei den Absperrungsmaßnahmen ist unent-
behrlich. Die für diese Aufgaben nur in geringem Maße zur Ver-
329
fügung stehenden Reichswehrtruppen werden in den em·zelne~~
Abschnitten in der Hauptsache nur den taktischen Rückhalt
den können. Ziel aller Absperrmaßnahmen bleibt zu ver·hitrde1rn
daß eine Verbindung zwischen den verschiedenen Aufstandsbe.
wegungen im Reich hergestellt wird. Diese Verbindung wird von
den radikalen Führern als die Voraussetzung für ihren endgülti-
gen Sieg bezeichnet und planmäßig organisiert.
Bei der Wiederherstellung des Verkehrs- und achrichteonet-
zes kommt es darauf an, daß die für die Operationen und das
Wirtschartsleben notwendigen Durchgangsverbindungen nach al-
len Teilen des Reichs wieder entstehen. Engste Fühlungnahme
der militiirischcn Dienststellen mit den zivilen Stellen ist unerliiß.
lieh.
Dauernde eingehende Orientierung des Reichswehrministe-
riums über die Lage ist von größter Bedeutung fiir die Leitung
der Operationen. Auch anscheinend unwesentliche Einzelheiten
vervollständigen das Gesamtbild. 1eldungen. in welchen Bezir-
ken Ruhe herrscht, sind wichtig.
li. Die Unruheherde
Als Unruheherde kommen in Betracht:
I. Gro.ß-Berlin
2. das rlreinisch-weslfäli.~che Industriegebiet
3. Mitteldeutschland
4. kleinere, mehr örtliche Aufstandsherde
Die Kohlenreviere von Senilenberg und Waldenburg.
Die Bezirke von Bresl.au, Stettin, Swinemünde, Slralsund, Ho-
stock, I Lamburg, Kiel, Wilhelmshaven, voraussichtlich Bremen,
Frankfurt a. M., ürnberg, Braunschweig, Magdeburg, Haoau
a. M. Auch München, Dresden, Stuttgart werden dauernd der Be-
obachtung bedürfen.
5. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und ach.richten ist
auch in reinen Landwirtschaftsgegenden (Mecklenburg, Pom·
mcm, Schlesien) bei im Reiche entstehenden Unruhen mit
Ausschreilungen und Plünderungen zu rechnen.
Am meisten gefestigt erscheinen zur Zeit die Verhältnisse in
den siiddeutsrhen Staaten, in den Bezirken von Kussel, Münster,
Minden, l lannover und in den beim Deutschen Reich verbliebe-
nen Teilen von Posen und Wcstpreußcn.
330
Femcr in Ostpreußen.
Ostpreußen wird infolge der Ahlrcnnung durch den Korridor
bei Unruhen im wesentlichen auf sich selbst 1111gewiesen sein. Die
, orhandenen Reichswehrtruppen sind schwach. Abgaben an 1111·
clt•re Teile des Reiches kommen nu~ unter ganz besonderen Um-
~tänden in Frage. Ebenso sind Versliirkungen nach Ostpreußen
un Rahmen der hier angenommenen Gesamtlage nicht planmäßig
vorzusehen. Ostpreußen scheidet daher aus den weiteren Erörte-
rungen hier aus.
111. Machtzenlren, Verbindungen
I. Im Falle größerer Aufstände im Reich müssen aus miüliiri-
schcn, politischen und wirtschaftlichen Gründen von vomherein
ft'st in der Hand gehalten werden
Berlin, zum mindesten in seinen wichtigsten Stadtteilen,
Breslau,
Stettin,
Münster,
llanno' er,
Kassel,
München.
2. Ebenso ist es erwünscht, in der Nähe der von Polen bedroh-
ten Grenzgebiete stets einige Truppen zu belassen. Besonders be·
droht sind:
Oie B1thnlinie Kreuz-Schneidemühl, Meseritz und Bomst, ein-
zelne Gebiete in Schlesien, besonders südlich der eiße.
3. Die wichtigsten Bahnverbindungen zwischen den in
Punkt I genannten Orten mit den für die Truppenverschiebung
und fiir die Versorgung der Bevölkerung nötigsten Anschluß-
strecken siehe Karte. (Karte liegt nicht bei, als wichtigste An-
schlußlinien im Bereich des Reichswehrgruppenkommandos I
sind vom Reichswehrministerium bezeichnet:
Berlin- Frank!urt-Liegoitz-Breslau
Berlin- Slettin
ßerlin- Rathenow- Hannover
ßcrlin- Magdeburg
Stettin- Stargard- Köslin-Stolp
Stettin- Bützow- Lübeck-Hnmburg
Lübeck- Mölln-Lüneburg-l lannover
331
Als Umgehungsbahnen von Berlin sind angegeben:
Stettin- Küslrin- Frankiurt
SagM- Collbus- Dobrilugk-Wittenberg- Magdeburg-Oebis-
felde
Pasewalk- Prenzlau- Templin- euruppin- Ralhenow).
Die Vorbereitungen Für die Sicherung dieser Bahnstrecken im
Falle von Unruhen und für ihre rasche Wiederherstellung sind
von grundlegender Bedeutung für die Wiederherstellung von
Ruhe und Ordnung im Reich. Bei der Truppenbelegungs- und
Garnisonfrage muß diesem Gesichtspunkt entsprechende Bedeu-
tung beigemessen werden.
IV. Operationen
I. lland in lland mit der Wiederherstellung der Verbindungen
zwischen den in Punkt I (gemeint sind die unter Punkt 11111 auF-
geführten Stiidte - die Verf.) genannten ~ l achtzenlren beginnen
die Einzeloperalionen. Aufgabe der Heichswehrgruppenkomman-
dos ist es, dir ufsllllldsherde an wichtigen Orten ihres Befehls-
bereiches durch rasches Zufassen zu beseitigen.
llierfür kommen besonders in Betracht:
Bei Ueichswehrgruppenkommondo I : Etwa nicht besetzte Stadt-
teile Groß-Berlins und seine Umgebung, Senftenberger Kohlenre-
vier, Odermündung, \Valdenburger Kohlenrevier, llamburg.
/Jei Reicltswehrgruppenlrommondo 2: mgebung des rhcinisch-
westfiilischen Industriegebietes, Braunschweig, Frankfurt a. M.
und llanau a. M., soweit es die außerpolitischen Verhältnisse er-
lauben.
/Jei Reichsweltrgruppenkomm(lndo 4: 1\ümberg, Hof.
2. Fiir die Führung der Operationen gegen di e noch verseucht
gebliebenen großen AuFsllllldsgebiete, z. B. litteldeutschllllld. er-
gehen Anweisungen durch den Rcichswehnninister je nach der
Lage. Fiir Räumung und Absperrung dieser Gebiete (vergleiche
Abschnitt I) müssen vorbereitende Maßnahmen durch die
Reichswehrgruppenkommlllldos getroffen sein. Der Befehl zur
planmäßigen lläumung dieser Gebiete ergeht durch das Reichs-
wchrministcriurn. ln F"allen dringender Gefahr entscheidet der
örtliche Befehlshaber ...
(Militärarchiv der DDR, R 4465, BI. 156ff.)
332
Aus dem Befehl
des Befehlshabers des Wehrkreiskommandos IV,
GeneraJieutnant Paulus von Stolzmann,
vom 31. Mai 1920
über Maßnahmen zur militärischen nterdrückung
der mitteldeutschen Arbeiter
1. Mit größeren Unruhen in Mitteldcutschlnnd im Zusammen-
hang mit den bevorstehenden Reichstagswahlen oder später muß
sicher gerechnet werden. Wahrscheinlich wi rd hiermit der Ver-
Sll(·h eines Generalstreiks verbunden sein.
Die bisher vorliegenden wichtjgstcn achrichten iiber kommu-
nistische Kampfvorbereitungen sind anliegend nochmals zusam-
m~:ngestellt. Ergänzungen hierzu werden durch weitere achricb-
tcnbliiUcr bekanntgegeben. Wichtig ist, daß die Brigaden sich
auch über die Vorgänge in den angrenzenden Gebieten, beson-
drrs Ostthiiringen, Braunschweig und Senftenberg-Ruhl1111d, auf
dem laufenden halten.
2. Die vollziehende Gewalt liegt im Wehrkreisgebiet - soweit
rlrr usnahmezust1111d nach § 48 der lleichsverfassung verhängt
ist - nach den jetzt gültigen Bestimmungen in den Händen des
Obcrpriisidcnten der Provinz Sachsen Wirsing, der Regierung
des Frcistantes Sachsen und der Hcgierung des Preistaales An-
halt. \Viinsche für Zusatzbestinunungrn zu der Ausnahmezu-
standsvcrfügung, wie sie sich erfal1rungsgemäß bei größeren Un-
ruhen als notwendig erweisen, sind baldigst dem Wehrkreiskom-
mando zu melden, damit sie mit den Inhabern der vollziehenden
Gewalt bereits vorher grundsätzlich vereinbart werden können.
Die Befehlsverhältnisse der Reichswehr werden hierdurch in
keiner Weise berührt. Die Brigaden erhalten sämtJjcbe Befehle
und Weisungen lediglich durch das Wehrkreiskommando ...
3. Bei größeren Unnthen kommt es damuf on. daß eine Zer-
.~plitteruug der Kräfte der Reichswehr unter ollen Umsländen
vermiedett toird. Die Truppen müssen scl111ell in größeren Ver-
bänden derart zusammengejaßt werden, daß sie beweglich ver-
reend ungsfäh ig bleiben.
Oie hicnu notwendigen Anordnungen sind rechtzeitig und be-
>ondcrs umsichtig zu treffen, damit nicht einzelne Truppenteile
333
 in der Kaserne überrumpelt, dor1 eingeschlossen oder auf deQl
Marsch zur Versammlung entwaffnet werden.
4. Oie Kavalleriedivisionen I und 2 sind aufgefordert. ihre
Sllibe und Eskadronen bei ausbrechenden Unruhen ohne weite-
res den Brigaden zur Verfügung z u stellen. Über diese Truppen
kann eintretendenfalls sofort vollstiindig verfügt werden.
5. Oie Aufgabe der Brigaden wird voraussichtlich wie bei den
letzten Unruhen zunächst darin bestehen, die Gebiete von Mag.
deburg, Halle-Leipzig und Dresdert als t Hauptmachtzcntienc
zu halten. Grundsiitzlich wird der örtliche Schutz der wichtigsten
Anlagen in diesen Stiidten in erster Linie der Sicherheitsr>olizei
zufallen. Oie Reichswehr soll Rückhalt und bewegliche Reserve
sein. Die hierzu von den Brigaden bei den Machtzentren beab-
sichtigte Bereitstellung ihrer Truppen ist vorzubereiten.
Oie Eisenbahn-Eibbrücken bei Magdeburg, Wittcnberg, Tor-
gau, Riesa und Dresden müssen besetzt und gehalten werden.
Ferner ist alles dazu vorzubereiten, dnß der Bahnverke hr auf den
wichtigsten Strecken Brandenburg- Magdeburg, Rathenow- 1-Jan-
nover und Falkenberg- \Vittenberg- Magdeburg- Oebisfelde
durch Einsatz der Panzerzüge und durch bewegliche Truppenab-
teilungen sichergestellt werden kann, Sl)bald der ör11iche Schutz
versagt ...
6. Entschließen sich die lnhal>er der vollziehenden Gewalt
nicht dazu, die Reichswehr gegen gesetzwidrige Unruhen einzu·
setzen, oder treten so schwierige Verhüllnisse ein, daß die beab-
sichtigte Sicherung der unter 5. genannten Machtzentren nicht
durchführbar erscheint, so muß die Truppe vor zersetzenden
EinOüssen geschützt und in den sichersten Gegenden unter straf·
Cer Führung bereitgestellt werden ...
Oie versammelten Truppen müssen schlechter Beeinflussung
unbedingt entzogen werden. Gegen I Ietzer und sonstige die Dis·
ziplin untergral>ende Einflüsse ist energisch einzuschreiten ...
7. Oie Unterbringung der Truppen und die Bereitstellung von
ausreichenden Reserven von Waffen, Munition, Verpflegung, Be-
kleidung, Betriebsstoff, Kassenbeständen usw. in den !;-allen zu 5.
und 6. ist sorgfältig vorzubereiten ...
8. Oie Truppe ist vor jeder Verwendung nochmals klar zu un·
!erweisen, daß sie zum Schut.ze der Verfassung und im Auftrage
des Reichspräsidenten eingesetzt wird.
334
9. Das Wehrkreiskommando wird anstreben, mit den lnhabern
der vollziehenden Gewalt möglichst schnell klare und bestimmte
• Richtlinienc über Zweck und Ziele des militärischen Eingrei-
lr ns zu vereinbaren. Schnelle Weitergabe und unbedingte Inne-
hnltung dieser Richtlinien ist besonders wichtig.
Die let.zten Erfahrungen hal>en außerdem erneut gezeigt, daß
die militärischen Dienststellen nicht nur mit den Regierungskom·
missaren, sondern auch mit sämtlichen anderen Zivilbehörden
und der Sicherheitspolizei dauernd enge Verbindung halten müs-
sen ...
I 0. Um die Truppe beweglich und voll verwendungsflihig zu
holten, ist Beschränkung des Trosses entscheidend wichtig. Die
Durchführung dieses Befehls ist scharf nachzuprüfen .. .
(\lilitlirarchiv der DDR. R 4465, BI. I fl.)
Aus dem Anlrag des Oberbefehlshabers
des Reichswehrgruppenkommandos 1,
Generalleutnant Waller von Bergmann,
vom 19.Juni I 920 nach bewafrneter Niederschlagung
der Arbeiter Mitteldeutschlands
l>us Reichswehrgruppenkommando hüll es zur ' Wiederherstellung
drr Staatsautoritiit, zur Beseitigung der dauernden Bedrohung der
friedlichen Bevölkerung, zur Aufrechterhaltung verfassungsmäßi-
ger Zustände für unbedingt erforderlich, daß eine großzügige und
r inheitlich geleitete Operation zur dauernden Verhinderung der
Übungen ungesetzlich aufgestellter Truppenverbände und zur
l•:ntwaffnung von Mitteldeutschland (Freistaat und Provinz Sach·
Sl'n sowie Groß-Thüringen) durch Truppe und staatliche Sicher·
ht>ilspolizei durchgeführt wird.
Das Reichswehnninisterium wird daher gebeten. veranlassen
zu wollen, daß die vollzieltende Gewalt zur Durchführung der
Entwaffnung von Mitteldeutschlund ei nem Militärbefehlshaber
iibertragcn wird, dem sämtliche zur Lösung dieser Aufgabe für
notwendig erachteten Truppen und Polizeistreitkriifte unterstellt
'-erden. Je überraschender und energischer das Vorgehen der
335
Regierung erfolgt, desto größer ist die Aussicht, eine dauernde
Beruhigung des zu sanierenden Gebietes zu erzielen. Mit langen
Tcrmjnen befristete Auffordt:>rungen, die Waffen freiwillig abzu-
geben, sind erfahrungsgemäß zwecklos: scharfe DttrcMühlllllg
der angedrohten Strafbestimmungen und Einrichtung von Stand-
g<'richten sind unbedingt erforderlich, um abschreckend zu wir-
ken und Blutvergießen einzuschränken.
Vorschläge des Heichswehrgruppenkommandos I iiber Füh-
rung und Teilnahme von Truppen werden dem Reichswehrmini-
sterium nach Eingang der grundsätzlichen Zustimmung zu vor-
stehendem Antrage vorgelegt werden.
(.\1ilitlirarchiv der DDR, ll 1165. BI. 176 f.)
Aus der Druckvorschrift · r. 469 der Heichswehr
von 1920
.,. ammelheft der Bestimmungen über Verwendung
der Wehrmacht im Reichsgebiet bei
öffentlichen ;\lotständen und inneren nruhen
(V. i. R.)«
Einleitung
I. Die Wehrmacht eines Landes ist der äußerlich sichtbare Aus-
druck seiner Autorität. Heer und Flotte verteidigen das Ansehen
und die Macht des Staates grgen den äußeren Feind, haben aber
auch die Aufgabe, sie inneren Widersachern gegenüber aufrecht-
zucrhalten. Der Einsatz der Wehm1acht und die Anwendung von
Waffengewalt bei inneren nruhen muß stets das letzte Mittel
bleiben zur Erzwingung des Gehorsams und der nterordnu ng
unter den Staat. Wenn nbcr dieses MiHel nötig ist, dnnn muß es
auch mit aller Energie angewandt werden. Je energischer das
Vorg<'hen der Truppe, um so schneller der Erfolg und um so grö·
ßer die Aussicht, ohne Blut\ ergießen den Zweck zu ('rreichen.
2. Ein militärisches Eingreifen erfolgt aufgrund der bestehen·
den Gesetze und Vorschriften (vergleiche Ziffer 8). Enges Zu·
sa.mmenarbeiten mit den Zivilbehörden ist erforderlich (siehe
Teil 2 des Sammelheftes).
336
3. Entschlossenes Auftreten der Truppe erspart in vielen rlil-
lt'n die Anwendung von Gewalt.
Der einzelne Angehörige der Truppe muß schärfste Mannes-
1urht besitzen und von Rechllichkeit und eisernem Pnichtbe-
"ußtsein durchdrungen sein; hierdurch muß er vorbildlieb wir-
~t·n.
1. Ausbrechende Unruhen diirfen die Truppe nicht unvorbe-
Tl'ill•t treffen. Schon in ruhigen Zeilen müssen von drn Komman·
clohl'hörden und der Truppe alle Bestimmungen getroffen und
auf dem laufenden gehalten " erden, die eine schnelle Verwen·
clun~tsbercitscliaft sicherstellen.
:;. Keine Truppe, mag sie auch noch so schwach sein. darf ~irh
uuf \erhandlungen zur Waffenabgabe einlassen.
Teil 1
1arbereitende Maßnahmen von Kommandobehörden und
1'rupJJe ...
D. Aufmarsch
2 i. Der ufmarsch vollzieht sich nach festgelegt<'m Plane.
28. Oie Truppen werdl·n bei Eisenbahntransporten nach ihrer
'oroussichtlichen \ erwendung zusammengesetzt verladen, dje
am besten ausgebildctrn und ausgerüsteten Tncppen möglichst
zurrst. Der l"übrer des Unternehmens und sein Stab fahren mit
t•inem der ersten Transporte. Hechtzeitige Anwesenheit des Füh·
rcrs ist für das Gelingen der Unternehmung entscheidend.
29. Den voraus beförderten Stäben sind genügend acbrichten·
fonnationen mitzugebrn, um die erforderlichen ersten Verbin·
dungen herzustellen und die zur Unterbindung des gegnerischen
\ochrichtenverkehrs nötigen Maßnahmen zu treffen (siehe Zii-
fl'r 12, letzter Satz).
.10. Überraschung ist nur zu erreichen, wenn die Trunsporte bis
dicht in oder dicht an den Aufstandsherd hernngeführt werden
können, was jedoch nur in Ausnahmefällen möglich sein wird
(vergleiche Ziffer 34).
.1/. Ausladungen auf engen Bahnhöfen und im lnnem 'on Städ-
trn setzen rue Truppc Übenlilien aus.
.12. Die Ausladestellen sind sofort abzusperren, um zu verhin·
tlern. daß feindliche Elemente die ausgeladenen Teile bedrängen.
Auch Versuche des Publikums, mit der Truppe Gespräche anzu-
:337
 knüpfen. mü~scn verhindert werden. Waffen si nd in der I land zu
brhnlten.
.13. Bri j!lrirhzritig!'r Ausladung auf mehrer<•n Bahnhöfen ist die
\ rrbindunf!; z" bchen den einzclnrn Abtt•ilunj!cn oofort aufzu-
•whrnrn.
3 J. Ein llineinfahrcn in das ,\ufstandsgebirt setzt die Truppe
Übcrrasdwngcn aus und erleichtert den l lauptsdwldigen das
EnhH·idl!'n. Oaher ist djesem \ 'erfahren, w<•nn die Lage und ört-
lichen Vrrhiillnissf' es zulassen. C'in konzcntrisd1er Einmarsch
von uuß<•n vorzuziehen. Scharfe Gbcrwnchung des ßuhn- und
Kraftwagt•nverk<•hrs ist geboten. Günzlichr Sperrung des nichtmi-
litiirisdwn V(•rkrh rs kann erfordC'rlieh w~·ru<•n. ((' brr Sperrung
dc• Po•t- und Trlegmphenverkehrs siehe Ziffer 12. letzter Sulz.)
35. Im Aufmarschgebiet - bri üh('rrasrhendrm Einrücken un-
mittrlbor nach dirsem - sind crfordrrlirh:
\ laßnahmen für das Zusammenarbeiten mit dt•n örtlichen Si-
chcrlwit•H'rbändcn (vergleiche Ziffer 26).
\laßnalunen fiir ntrrkunft, \ erpOcgung, 'anitiirl.' \ ersorgung.
Lntcrbrinj!ung der Gefangenen uS"'·
\1aßnahmen fiir Organisation des Kn~ftfahrbetriehes und -ver-
kehrs (A nlage von Tankstellen, Bereifungslagern; Einrichtu ng
oder llerttnzic•hung von lnsltlndsetzungsw<••·kstii tlcn).
Aufnnhmc drr Verbindung mit der Prcssr. Tiigliche Bespre-
chung mit (lt•n Pressevertretern zum Z~>•<·rk<• ric·htigrr ßerichter-
stntt ung.
IJie Truppe i>t über dir militärische und flOiitische Lage· dauernd
zu unterri<'htC'n.
1:.. Einmarsch und allgemeine 1\ (lmp//(rundsöt::.e
.16. Drr Einmar>ch erfolgt in der Bf'gcl glc•i<·h~:eitig 'on , erschie-
dt•n('n Sritrn.
Dt•r Zt•itpunf..t i~t sorgfältig zu en•ägrn: für Cbl.'rruschung- sind
dir t'rstrn \lor~rnstunden günstig.
.17. Es <·mprit•hlt sich, dns zu besetzt'nut• Cl'lli<•t in (rauinle) 1\b-
'srhnittt' ••im:utl'ilrn. dit• möglichst mit dl'n Poli:r.cibezirl..en in Ein-
klung zu hrirl!(t'n sinrl. Jeder Abschnitt ist t•int•n• Ahsrhnitlskom-
mnnclrur zu untt•rstellcn. Unter Umstiindru ist si'IH·ittweiscs
r~inr·ücl..('n J:W{'('(..miißig. um in drn du r-chsl'hrittt•nen Stndttcilcn
Ordnung 1.11 sl'haffpn und dc>n llüc·kcn frri zu huhru.
3:!8
:JIJ. Außrrhulb der Örtlichkeiten gc•lh•n di~· Cruncl~iitze des ßewe-
J!IIIl!(!>krirgt•s. Durrh frisch<'S Zufa•st•n. ~>cl niitig unlt'r Eiusalz
, 0 " \rtillrrie und \lincn~>erft•rn. ist ehHiij!rr \\ iclrr-;tand schnell
t.ll brechen.
Pan.tcrkn~ft"agen "erden wc Truppe in der Erl..undung wirksam
untrrstiit.tl.'n können.
ln Züge oder Abteilungen zustlmmcng<'fnßt. '' ird sich ihnen viel-
fach Crl<'grnhcit bieten. wichtige Punl..tr übermsehend in Besitz
/.II f)(' h111 (' II.
lrn Kam 1)f gegen hartnäckigen Widcrstnnrl (Stiitzpunktl.') 'ermö-
1!«'11 sie• t•rfolgrrich mitzuwirken .
.19. 1li(' iniJl•rhnlb cler Örtlichkeit(•n nnzn"•rnt.lendc Marschform
;oll gcgPn Cberraschungen und Oh1•rfiillc sieh<·rn. Ein F:indrin-
l(t'll von \lt•nsrhenmassen, auch ' on Fraucn und Kind<'rn. in die
Trnpf)l.' muß \l.'rhindc·rt werden.
Diillll<'. Iunge Kolonnen sind zu \'l'rmcidcn (Ct'fahr des Abrei-
llrn~). ~1nnl..en und Rücken sind durch \h;,t>crrcn der Seitenstra-
ll<'n zu •i<·hcm. \ orhut und '\achhut sind ouswsl'heiden.
ll<'igabr , on Panzerkraftwagen an dit• 'ordcrsten Abteilungen
stiirl..t da• \ ertrauen der Truppe. Di<' Pnnt<'n• agen gehen sprung-
" t•is<' im 1\ns<'hluß an die InfantNie vor. Narhhutcn sind ,\ngrif-
l"l·n um nwiotcn ausgesetzt, dnh<'r fuhren ßlll SC'hlusse zwcckmii-
Liig l'lln:r.rr- oder Lastkraftwa~c·n mit \ IG udf'r einzelne
Cc•st·hiitzt•.
Ct•,chiitzt• und Fahrzeuge bedürfen slt•ts t•iner ßt•dC'rkung.
\ls nhull dient die Skizze einer \IIH·schj!liPdenmg in der An-
lugt• I.
10. J<•d<· cinrütkcnd<· Abt<'ilung muß cin<•n klurrn \uftrag erhal-
tt·n (1:. II. 13e'>l'lZUn!t.' on \\ ll>>f'r-. l.n•-. l~lt•f.. trit1tiilh" t•rl..en. Ha-
fc•nunlaj!<'n. Utthnhöfl.'n. ßtlllken. trnfan.,tallc•n. "i<·htigen Cebäu-
clt•n der otoatlic·hen und städlisrlwn ß<'hiirtlrn).
l.t•r•plill<'runj! der lväfte fühn zu Hiil'l..~l·h liij!l'll. Lidl('r "enigl.'r
Pnnl..tr lw!<f'lZ!'n, clirse aher mit ausn•irlwndc•n Kriilt('n (minde-
'lrn> Zii~t'n).
II. Post- und Trl!'grophenämh·r sind >Uf<H't ?LI hC!>t'lzen. um sit•
'nr Snhotngt• 1.11 srhiiizen.
12. Stiillt clic• <·inrüC'kendc Truppr nuf II 'it/i>rsllwd. so ist diesrr
unt<•r 1•:insnt1. all~·r· ll. ampfmitlf•l riil'k.-if·lr/.~los ::11 l1rt'c/um. Drr
C1•gnrr muU un der \er" endung ~l·irwr "umpfmittel gehindert
:)3!)
 werden. l ur dadur-ch k11nn die Tnrppc vor unnötigen Ver·lusten
geschützt werden.
43. Menschenansammlungen in den Straßen sind, noch vorherge-
gangener Aufforderung zum Auseinandergehen, zu zerstreuen.
, Oie Truppe muß dabei derar1 vorgeben, daß sie ihre Bewegungs-
freiheit nicht vrrlier1.
Muß von der Waffe Gebrauch gemacht werden, so muß dies
wirksam geschehen.
Oie Hetzer und ruhrcr der Massen halten sich meistens zurück
und drängen nach hinten; es ist daher wirksam, wenn Leuchiku-
geln oder I Iandgranaten über die Köpfe der Vordem in die von
hinten Drängenden geworfen werden. Auch kann es sich empfeh-
len, Scharfschützen in obere Stockwerke von Häusern zu senden,
die von dor1 aus erkannte I Ietzer unschädlich machen.
44. Freimaclien eines Platzes , anzubringen.
Der Anmltrseh ist so anzusetzen, daß die Menschenmassen die
\llöglichkeit zum Ausweichen haben. Die Anmarschstraße ist
nach rückwärts und den Seiten abzusperren. Ausreichender Feu-
erschutz der vorgehenden Infanterie durch Artillerie, Minenwer·
fer und MG muß gewährleistet sein (vergleiche Anlage 2).
Nach F'reimachung drs Platzes sind die einmündenden Straßen
abzusperren; Gcschiitze, MG, Minenwerfer sind so aufzustellen,
daß sie die Straßen und den Platz bestreichen können. Der Auf-
stcllungsort darf nicht 1.u nahe an der Straßenmiindung liegen.
Die Regelung des Verkehrs ist einem Offizier zu übertragen.
45. Häuserkampf
a) Bei Feuerüberto llen Aufständischer aus Häusern gegen die
Truppe darf kein planloses Schießen, das die Gefechtsleitung,
Orientierung und eigene Sicherheil gefiihrdel, stattfinden. Oie
Ausgänge aller in Betracht kommenden Häuser sowie die Dächer
und Ausgiinge der benachbar1en Gebäude sind zu b<:setzen, Häu-
ser, aus denen geschossen wurde, sind durch starke Abteilungen
gründlich abzusuchen. Verschlossene Türen sind gewaltsam zu
örfnen.
Dachkämpfe sind möglichst nur mit Handgranaten zu führen :
Kraf"-agengeschütze sind infolge ihrer großen Feuergeschwindig-
keit und Erhöhungsmöglichkeit gegen Dachschützen besonders
geeignet.
b) Dem planmäßigen Angriff auf Barrikaden und Stützpunkte
340
111 uß gcnaue Erkundung voruusgehen. lliernuch ist der Angriff
durchzuführen:
der Angriffsraum ist in so weitem Umfange abzusperren, daß
der angreifenden Truppe der Rü cken gedeckt ist; bei der Feuer-
' orbereitung und spiiteren Unterstützung des Angriffes durch Ar-
tillerie, Minenwerfer und möglichst überhöhendes :vtG-Feuer ist
zu beachten:
Arlillerie feuert grundsätzlich unter Ausnutzung von Straßen-
t>cken, Torwegen mit direktem Schuß. Nur Augenverbindung von
der Feuerstellung mit der angreifenden Infanterie ermöglicht
schnelle Wirkung. Gegen Barrikaden empfieldt es sich, Ge-
schosse mit empfindlichem Zünder, EKZ oder Granaten Bz, ge-
gen senkrechtes \1auerwerk Geschosse mit Vertögerung zu ver-
" enden. Beim Schießen vom POaster sind Hemmvorrichtungen
Minenwerfer sind gegen besetzte ll äuser besonders geeignet.
\littlcre Minen in den l lof der Hiiuser werfen. ebelminen in die
Fenster.
Die Stoßtrupps - ctwu je zwei Gruppe~ unter talkräftigen
Führern - sind mit llandgranatcn. Pistolen, Seitengewehr, Dolch
und geballten Ladungen auszurüsten.
Die dauernde Verbindung der /\ngrifrskolonnen untereinander
(Fernsprech- hzw. Blinkverbindung) ist anzustreben.
Panzerkraftwagen bilden sowohl bei der F:rkundung als auch
bei der Durchführung des Angriffs ein wertvolles Hilfsmittel der
Angriffslrup()e (vrrglci<-hc ouch Ziffer 38). ·
Tmppenverbandpliifze sind einzurichten und gegebenenfalls
zum Schutze der Verwundeten abzusperren, Krankentransport-
mittel sind bereitzustellen.
c-) Verleidigung vor1 Gebiiuden und tützpunkten .
\ on Lage und ßauar1 der Gcbiiude wird es abhängen, ob man die
\ er1cidigung im Gcbiiude selbst führt oder sie in eine vorgescho-
bene Sicherunp;slinir 'rrlc.gt Da Gebäude leicht zu Fallen des
\ erteidigcrb werden und der Kampf im Gebäude gegen einen mit
Artillerie oder \linem•crfern ausgerüsteten Angreifer die \ 'erlu-
ste erhöht, "ird es meist zwerkmäßig sein. die eigentliche \'er1ei-
digungslinie auß!'rhalb der Gebäude zu suchen. Der örtliche
Schutz des Gcbüudcs wird 'on einer kleinen, durch MG ver-
stärkten Besatzung ausgeführt. Oie Vcrteidigungstähigkeit ist
311
'
 durch llinderni~~r. Türspcrrcn, 'andsackbautcn und iihnlichi'S
7U erhöhrn.
Die Sicherun!lslinir "ird durch einr Kette von \\a<·ht"n (keine
Einzelpostcn) grbildct. die diP hrrnnführenden Straßen absper-
n•n. Oie Verhindung dieser Wachen untereinander und mit drrn
lbschnittsfiiltrer (Fern sprecher, Blinkgerät, Leuchtsignale) muß
'>ichcrgesteUI srin.
DiP aklhe \ erl('idigung ist durch \usscheiden einl'r starken. mit
llnnrlgranalen, lt·icht('n \JG und \laschinenpistolen ausgerüsle-
t~·n Stoßtruppe IOrtusehen. Ihre \ en•·endung muß durch sorgfäl-
lige Erkundung nller Ausfallmö!lli('hkt•iten vorbereitl't srin. Weil-
lÄufige Hiiusrr·blocks si nd zur obschnittsweisrn Verteidigung
lwrzttrichlen.
Stärkt• und \ l'rfl'ilung der Besatzung muß dem Gegner vrrbor-
((t'n bleiben.
Srhncllste Alarmit•rung muß vorbl'rritel sein und ,relibt werden.
16. Sicherwr{( VOll Bnltnhöfen
u) Zur ßest•tzung 1on größt•r·en Bahnhofsanlngl'n ~ind sturkc
Kräftr. erfor~t'rlidl. Einer Krüftr?.er;,plillerung muß durc·h ~tru p·
Jlt'n" rr. en bnsat~ und Ausschl'iclrn rinrr starken Rrst•n t• vorge-
ht•ugt ,,·erdrn. Gut arbeitende \ achritht(•m erbindung ist beson-
dt•n. "ichtig.
b) Alle flir rlic l:lcsctzung der Bohnhofsnnlagen nötigrn Erkun·
dungen und Anordnungen müssen im Einvernehmen mit den
Eisenbahnbehördl'n erfolgen. Wichtig ist die ßesrtzung drr Fern·
\jJrechanlagen und tellwerke.
Zur Bestreichung 1on Zufahrtsstmß<•n und Ein!ahrtglc•i;en sind
Ce;chütze und \<IC aufzustellen. Blockstellen, Eisenbuhnwerk·
stöttcn. Lichtunlugrn sind dureh l'ostierungen zu sirllt'rn. Zum
Sperren der Gleis(• ist ,VIaterinl ht•n•it zu lf'gen.
r). Die B~~w1tchung der Gliterbuhnhofsunlugen gegen Pliinderung
"rrd erlerchtcrt durch sa<·hgcmäßes ,\bstellen der beladenen Wa-
f(t'n. F:rfon:lerlich ist frrner:
\usreic·hendc lkl!'ll!·htung. Sperrung aller Ausgänge, Putrouillen·
gung auch in die niihere umgebungdes Bahnhofs, Üht'n•achu ng
drh l:luhnpersonnls. Au~gabe von 1\uswt•isen an dir zum Zutriff
IH•reC'htigten l'ersorwn.
:H2
• •
/·. ,\loßnaltmen :ur icherung der lrergestel/ten fluhe und Ord-
nung
I i. lbspemmg. ( 'nterbringung. Siclumlllg
u) ln jedem militiirisch besetzten Ort ist eine Kommandantur mit
cl!'m nölig<•n Personal einzurichf!'n. lleranziehung von zivilen
ortskundigen l lilfskriiften ist nnzustreben. Dem Kommundanten
liegt die Durchführung der vom Militürbcfehlshaber ungeord ne-
t<•n .\laßnahmen ob.
h) Das besetzte Gebiet isl sofern dies nicht schon beim An-
marsch geschehen ist (vergleichr Zirfer 34), zunächst gegen jeden
Verkehr nach außen abzusperren. um Waffenverschlcppungen,
Entweichen dt•r Hiidclsflihrer und Überfälle auf die Truppe zu
1erhinden1. Uci löngl'rer Dauer der Absperrung müssen \ erkehrs-
erh•ichterungl'n gegeben werden (Ausweise für Ärllc, Arbeiter
lt'benswichtiger Betriebe usw.).
<') Die Unterhringung der Truppc•n erfolgt nach taktischen Ce-
sirhtspunktcn in Masscnquarticrcn. die sogleich zur \ erteidigung
l'inzurichtcn sind (Machtzentrcn). Offiziere bdinrlen sich dau-
(•rnd bei der Truppe.
.Ieder Truppenführer muß sich rirw oliirkere Hcscrve 1erfügbar
halten. Bereitstellung von Lastkraftwagen für rasche Uefördenmg
1on Reserven ist erforderlich.
Der Reserve des Truppenführcrs 1vcrden zweckmiißig Panzer-
kraftwagen zugeteilt.
d) Sicherung d~r Unterkünfte und tubs<1uartiere ist zu regeln.
t•) Wachen müssen so stark gemacht werden. daß sie Wider-
standskraft besitzen. "\ achen und Posten müssen über ihre Be-
fugnisse und \ufgabcn gcnau unten• icsen "erden.
I) IIeger Palrouillt'ndienst, auch in die weitere vmgchung, ist von
j!rößter Wirbtigkt·it. ~s si nd nur sturkl• Patrouillrnzu verwenden;
\Vcge und Zcitrn d(•r Patrouillen sind hiiufig zu iindrrn. Zum Pa-
trouillendienst sind Panzerkrafh•agcn. Lastkraftwagrn mit MG
und lnfanteriehrsatzung hernnzuzichl'n. unter Lmstiinden ist un·
nufnilliger Plltrouill('ndienst in Zi1 il von Bedeutung und Erfolg.
I!) Verbindung dcr einzelnen \<lnchtzentren untCr('inander und
mit den Befehlsstellen ist sichcrzustcll rn: wenn möglich. ist inncr-
hu lb der mi litiirisc·hen Dienststr llt•n c'in von dem nllgerne'incn
Fernsprechnrtt. unabhängiges Ft'msprechnelz zu sehnffcn.
h) Der Truppenführer bestimmt. inwieweit eine militärische
 Überwachung des Telcgraphen- 1 und
durchzurühren ist. ob und welche \ l'rhindungen gesperrt, ob be-
sondere SpE>rrzeiten rür den privaten Orts-Fernsprechverkehr
verfügt "erden sollen, ob der nichtmilitürist'he Kraftverkehr ganz
oder teil" eist> gesperrt werden muß (F:inriehtung , on Kraftfahr-
überwachungsstcllen!) usw.
i) Die Versorgung der Truppe mit Munition. Geriit. Verpßegung
und Sanitiitsausrüstung ist so zu regeln, daß sie auch bei Unter-
brE'chung der Verbindungen nach außen sirhergestellt ist (Anlage
von Wnffen-, Munitions- und Geriiledepots, ßereitlegung von ei-
sernen Portionen und Rationen siehe Teil 3 des Sammelhertes).
k) Kranken - und Vrrwundetenunterkiinfle sind einzurichten und
gegen ÜberfUIIe zu sichern.
Wenn möglich, sind transportfahige Kranke und Verwundete ab-
zutransportieren.
48. Zu den rür Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände erfor-
derlichen Aufgaben wird meist die Einziehung der im unrechtmä-
ßigen Besitz befindlichen Waffen gehören. Für die Art der
Durchführung sind von der leitenden militiirisehen Kommando-
behörde nähere Weisungen zu geben.
49. Naussuchungen greifen sehr fühlbar in•das Privatleben ein.
Mit größter Erregung der Betroffenen ist daher zu rechnen. Die
Durchführung der Haussuchungen ist, wenn irgend möglich, der
Polizei zu übertragen. Stellung von zuvcdiissig!'n Mannschaften
als llilfskriirte kommt in Frage. Muß in AusnahmefiiUen die
Durchführung der Haussuchung von der Truppe selbst vorge-
nommen werden, dann ist die Führung, wenn irgend möglich,
rinem Offizier zu übertragen. Es ist z"eckmiißig, V!'rtreter aus
der Bevölkerung hinzuzuziehen.
I laus-, Garten- und Flurdurchsuchungen haben nur Zweck. wenn
sie iibcrrasrhend und gründlich durchgeführt " erden. :\ach Ab-
sperrung der betreUenden Häuserblocks muß daher jedes Haus
vom Dach bis zum Keller und bis zum letztrn Kohlenhaufen und
llolzstoß durchsucht werden. Überraschende Wiederholung der
Durchsuchungen ist geboten. Haus- und andere Durchsuchungen
nehmen sehr viel Zeit in Anspruch; sie müssen sich auch den Ar-
brits- usw. Z<•iten der Bewohner anpussen.
Dit• Absperrung muß unbedingt verhindern, doß Personen das
I laus verluss<•n können. llierzu müssen vorher alle Ausgiinge der
•
344
•
rinzelnen l läuser (auch nach den Dächern) frstgestellt und be-
,etzt wrrden. Verschlossene Wohnungen sind nötigenfalls ge-
" ahsam zu öffnen. Diese Maßnahme ist nur ausnahmsweise ge-
rt•chtfertigt; auch hierbei ist die Heranziehung \On Polizei oder
/.h ilisten anzustreben. Bei drohender Haltung der Bewohner
~ann es erforderlich werden, sie in einem Raum geschlossen un-
terzubringen und dort bewachen zu lassen.
Jki der Durchsuchung muß in jeder Wohnung der Haushaltungs-
' orshmd oder sein Vertreter zugegen sein.
Ist der llnushnltungsvorstand oder sein Vertreter nicht auffind-
bur, dann ist ein verantwortliches Mitglied der kommunalen Ver-
waltung mit der Vertretung des Wohnungsinhabers zu beauftra-
gen.
'lach beendcter Durchsuchung ist eine Verhandlung darüber auf-
zustellen, daß ordnungsmäßig verfahren und nichts gestohlen
worden ist.
50. Polizei, Ortsschut:;
War bei den ausgebrochenen Unruhen die Polizei überwältigt
,, orden, so ist es Aufgabe der Militäm1acht, sie wieder einzuset-
t.en, nötigenfalls wieder zu bewaffnen und ihr Geltung zu ver-
'rhalfen. Ocr Ortsschutz ist hier zu r Hilfeleistung heranzuziehen.
Die Polizei muß imstande sein, nach Wiederabzug der Truppen
1lrren Aufgaben vollkommen zu erfüllen.
51. Unter normalen Verhältnissen bieten wirtschartliehe Streiks,
so"•eit sie gesetzmäßig verlaufen, an sich keinen Anlaß zum mili-
tii rischen Einschreiten. Greift der Streik nur lebrnswichtige Be-
trirbc über, dunn gelangt auf Anordnung der zivilen Behörden
oder des Inhabers der vollziehenden Gewalt die Technische 1ot-
hilfe in der Regel zum Einsatz, der nötigenfalls Hilfskräfte aus
der Truppe zu stellen sind.
Im Ein,emehmen mit den Zivilbehörden sind Anordnungen
t.Um Schutz der Arbeitswilligen zu treffen.
.52. F"lillt dem Militär die Aufgabe zu, Versammlungen und De-
nlonstrationszüge aufwlösen, so ist nach folgenden Gnmdsätzen
zu verfuhren:
Ccheimholtung der Maßnahmen, richtige Auswnhl der Führer
und zirlhewußtes, tatkräftiges Handeln sind die Vorbedingung für
l'rfolgrcichc Durchführung.
Zweck der Versammlung, Versammlungsort und Zeit. d1e unge-
3 ~5
 fiihre Trilrwhmcrtahl und die Verhurrdltmgslt>iter müssen
kannt b(•in.
Drm Führrr drs Auflösungskommandos ist seinr Aufgabr klar zu
bezeichnen w1d. "enn möglich, schriftlich auszuhändigen. Das
Erscheirwn des Auflösungskommandos muß iibcrraschend erfol-
•
gen: e~ empfiehlt sich daher seine Heranführung mit LastkraJtwa•
gen. lo der llcf:!cl "ird eine Stärke von eh1a 30 .\lann genügen;
Hir Auflösung 1on ~ l assenversammlungrn unter freiem Himmel
ist t'in west'ntlich größeres Truppenaufgebot rrfordcrlic-h.
Im Ansc:hluß on ersammJungen bilden sich oft Demonstrations-
züge. Sie sind hinsichtlich ihrer Mnrschrichtung und ih rer Hal-
tung zu bcobnrhtcn. Erforderlich werdende Auflösung muß an
solchrn Stellen erfolgen, die der Mengl' dir Vlöglichkcit gibt aus-
einand!'rzugehen, z. B. Straßenkreuzungen. Hierb!'i ist nach Zif-
f!'r tf 3 t.U 1 !'rfuhren.
C. Ablösung der Truppe
.5.1. ß<•i noh~t:-ndig werdendem länger!'n Auft•nthalt Mr Truppen
in j!riißt'n•n I ndustricbezirken ist häufiger \\ rehsei der Truppen-
trilr an~rzE'igt, um die ,\ nknüpfung rngrn•r Brzic•hungen mit der
ßcvi)l"eru ng zu verm eiden.
Aus der amtlichen Dcnksl'hrift
des preußischen Ministeriums drs lnnern
von 1921 über
~ Oie ~1ärzunruhen 1921 und die preußische
Schutzpolizei «
I I. Erfnhmngen uncl Beml'rkwlfll'll
Die Erfahrungen bei den Kämpfen der rhutzJ>olizri bediirfen
bt•sondrrrr lJcnchtung. Wenn sie auch nirht ohne weiteres und
dun·h"eg \Crallgemeincrt "erden diirfrn, du die \ crhiihnisse in
jedem Fnlle völlig verschieden licgrn. so sollen doch die wichtig·
sten Punkte• 1-:rwiihnung finden .
Im vor·lif'g<•ndl'n ~'nllt• handelte PS sich zuniir hst um die Auf-
rr(·htrrhnltunl( der Ordnung und dit• VC'rhind<• nmg strnfbltrer
llandlungrn in ei nem lnduslriegehict, in dt•m di<' stiindig dort tii·
3 16
til(<' n Polizeiorga ne dieser Aufgabe ni<:ht nwhr ((ewuchs~n wa-
n·n kurz darauf um \ i!'drnverftrrll( t•uws \uf;,tundes großeren
Stils. Dit' poli7.t>iliehe Aufgabr wurde dndurrh ers1·hwerl daß die
0f1!nnisation d<•r Sl'hutzpolizei noch nicht abge;,chloss{'n. und
durch dir \urtagrn der E:ntenfe in 'irlt'r \\ eise beschränkt rst.
Dc•r \ erlaur d<'r Kämpfe gliederte sirh in fünf scharf abge-
!!"'nZtl' \bschnitte. . .
Im rrsll'n bscb nitl war das gesa mte Gebret rn \ufruhr gera-
tt-n. Fast jcdrs lnduslriestädtchcn und Dorf stund unter kommu·
nistischcm Terror und wurde von einem Akt.ionsausschuß be-
hcrrsl'ht. Oie industriellen Werke des Aufruhrgebietes waren in
clt•r ll nnd bewaffneter Aufrüh rer. Dns Lru nnwerk mit dem Gei-
>ellnl. I lalle und die Mansfeld-L.l•imbach<·r Gegend waren die
l·:tkpfcilrr der Bewegung. .
1. 1\bsrhnitl. Die zunächst beweglichen Kriifte der Schutzpolr-
,.ei standen nördlich Eisleben, die drr Aufrührer bei HaJic und
im L{'una" crk.
ln dit•srr Lage kam es darauf an. miiglith>i tarke Kräfte zu
1 crrinij!en. dt•n sich hierbei zeigenden \\ idrrstand zu brechen.
urn müf~lirhst schnell an die Hauph1idcr>tundbpunkte der Auf-
rüh rer henrn zukommen.
Die Taktik dieser Phase bestand im Vormarsch starker Kräfte
auf vr rschicdenen Straßen, die einander nber so nahe lagen, daß
l'in Untl•rstiitzen der Kolonnen in wen i~cr als einer Stunde erfol-
~cn konnt e, überruschendes Auftreten und be1vtrßtes Zu rückstel-
lt•n der herechtigten llilferu[e aus ander•<'n Gegenden, Beschrän-
kunt~ des Schutzes auf die allernotwendigsten Dinge und
Frf•imuchen einer beweglichen Reserve in jeder Stadt. '~:ur durch
•l<·rurtij!c Rt·~crvt'n kamt die \ ertciditwn!( a"ti' gestaltet und
dureh l ntrrnrhmungen in Forn1 ge11olt~mer Er"undungen dem
Cegnrr gl·zcigt "erden, daß die Schutzpolizt•i sirh keineswegs
'l'hllll!'h flihlt.
D<•r leit rnde Gesichtspunkt für den Abschluß dieser Kämpfe
hrstund durin. die llauptkräfte so zu gruppirn•n. duß in konzen-
triselwn An(!riffen die Widcrstandspunkt l' gl'nornmcn werden
konnh•n.
2. Abs<'hnitt. Die Wider~tandszcntn•n IV!lrl'n genommen. ln
dem Ct•bi\'1. durch welches. dil' Gcg<•nd bn·it siiubcrnd. die star-
krn \ urmurschkoloruwn gegnng<·n wurcn. wun•n an drei Orten
3H
 Kräfte zurückgelassen, die die lachsuche nach Waffen hiel
und die Kleinarbeit im Befrieden versalwn. Oie entkommenen
Aufrührer suchten sieb in anderen Gebieten, "elche noch nicht
berricdet waren, zu sammeln. Dies geschaJt ösllich Halle und im
Lnstruttal. . ,, ul'(kn, de to mehr Umgehungskolonnen mußten gebildet wer-
Kmfte standen jetzt genügend zur \'erlügung ...
Der Abschluß dieses Abschnittes war das Gefecht bei Beesen-
stedt ...
3. Abschnitt. Nach Erledigung der großen Banden (gemeint
sind hier und an anderer Stelle die sich gegen das gewaltsame
Vorgehen der Schutzpolizei zur Wehr setzenden Arbeiter - die
Verr.) knm es darauf an, das Bilden neuer Banden zu verhindem
und jedes Dori nochmals zu säubern. llieriür waren nicht mehr
so große KriHtr notwendig. Die Polizeikörper duriten aber nicht
dauernd an demselben Ort liegen bleiben, der dann von den Auf-
rührent gemieden wurde b;m., wenn sie sich stark genug glaub-
ten, hätte überrumpelt werden können, sondern sie mußten ihren
Standort stets wechseln. Für diese Aufgabe "urden Oiegende Ko-
lonnen in Stärke von etwa 3 Hundertscharten gebildet, denen ein
Gebiet von etwa I0-15 Kilometer Durchmesser mit dem Auf-
trage überwiesen wurde. an jedem Tage mit jeder l-lundertschru1
nach einem genauen Marschplan in einem anderen Orte Unter-
kunft zu nehmen, um so die Aufrührer nicht zur Ruhe kommen,
sie vielmehr nn keinem Ort vor der Srhut1.poli zci sicher sein zu
lassen ...
4.Abschnill. Es wurden Teile entbehrlich. Die von den niegen-
den Kol onnen geleistete Arbeit konnte von den Standorten aus
durch einzelne llundertschaften erledigt "erden. Jetzt war auch
die Zeit gekommen, daß besonders unruhige Orte mit einzelnen
llundertschruten vorübergehend belegt werden konnten. so HeU-
stcdt, Querlurt. Könnern usw.
5. Abschnitt. Die Schutzpolizei entsendet aus ihren planmäßi-
g<'n Standorten auf Anruf einielne Lastkraftwagen in Orte. in
welchen ungesetzliche Handlungen vorkommen, zu deren Unter-
drückung die örtliche Behörde außerstande ist.
Bri allrn Maßnahmen gegen die Aufrührer war naturgemäß
die bcidrrseitigl' Umfassung die Vorbedingung schnellen und
durchschlttgenden Erfolges. - Solange nodt größere Banden vor-
hundrn waren, durften jedoch die versrhiedenrn Umgehungsko-
348
tonnen nicht zu schwach gemacht werden, um nicht Teilniederla-
J!rn ausgesetzt zu sein.
Stets "ar es notwendig, den Gegner auch in der Front. wenn
11 uch mit geringen Kräften, zu beschäftigen. Je kleiner die Banden
drn. desto engmaschiger mußte das l':etz sein. Damit wurde aber
uuch die Berechnung von Raum und Zeit immer sch" ieriger. Der
Erfolg war 11ber dann nur gewährleistet, wenn die Einkreisung
durch die verschiedenen Kolonnen gleichzeitig erfolgte.
Dies Vcrfnhren hat sieb im ganzen bl'wiihrt.
Oie Aufrührer wurden nicht schlecht geführt. Bald nach Be-
gi nn der Unruhen hatten sie eine militärische Organisation einge-
richtet, so daß es die Polizei im I. und 2. Abschnitt der Kämpfe
mit organisierten Truppen zu tun hatte. So waren im Leunawerk
I:) Kompanien, I Pionier- und I technische Kompunie gebildet. •
Uci Gröbers "urden formgerechte Befehle über wirtscbrutliche
llediirlnisse der Truppen von einem als Geisel verschleppten
\!arme gehört.
Oie Aufrührer waren gut eingebaut, ihre IC "urden stets fian-
r..ierend gebraucht, Sicherungen waren vorgeschoben. Sorgfältig-
>te Aufklärung nach vorwärts und seitwärts war für die Schutz-
polizei infolgedessen von besonderer Wichtigkeit. Ein wohlorga-
nisiertes Hadfahrerpatrouillensystem der Aufrührer (stets
6-8 Hadfahrer) verbarg sich unter der Maske harmloser Ausflüg-
lt•r besonders auffällig in den ersten Tagen der Operationen.
Vom 2. Abschnitt der Kämpfe an marschierten die Aufrührer
I nicht mehr auf den Hauptstraßen - die Lastkraftwagen waren
ihnen inzwischen auch im Kampf abgenommen - . sondern mit
Pferdefahrzeugen auf Landwegen ...
Oie Herkunft der Waff.~:n und Ausrüstung ist schwer anzuge-
ben. Teil" eise hatten die Aufrührer Waffen und Ausrüstungs-
stücke bei sich versteckt gehalten, sehr 'iele Waffen kamen aber
auch aus Leipzig ...
Bei der Detrachtung der Cesamthandlungen entsteht die Frage,
ob es sich empfohlen hätte, von vornhcrrin stärkere Kräfte oder
Truppen der Heichswehr einzusetzen.
Zuniichst waren Teile der Schutzpolizei ei ngesetzt, die nach
der damaligen Lage der Dinge als gcniigcnd zur Erfüllung der
ordnungspolizeilichen Aufgaben anzusehen waren. Dir Verschic-
349
 bung ~rößt•rcr Kriift r über den au~cnr.!'lwin lic·hcn Brdarf ,·er-
stößt (.:1'1(1'11 ''~'H'ntlirhl' Gt>sirhtspunktr drr q•rs<·hit'denstrn Art.
gl'f'uhrdt>t üht'rdil•> die andert'n au ~ooklwm \nlall in ihrrn Poli-
:wil.riiftrn bt•;chränkll'n Plätze. Auch narh d!'m \usbrechen
l'inrs \ufstandrs blieb. ungeachtrt der militiirisrhcn Organisation
drr L mstürtl{'r. die Wiederherstellung drr Ordnung zunikhst Sa-
rlw drr rhutzpolizei. Diese ist nach Z" rckb<>stimmung und
Aufhou zum Eintrl'ten in erster Linir bcrufrn. lliittr man bei der
Wl'itl'rrn 1\ w,dchnung des Aufst1111drs nunnwhr größer!' Teile der
ll1•ichswl'hr l'ingrsetzt. so wiiJ·e dit· c·igrntlirlw polizeiliche uf-
gnhr zuriic·kgrtrrtrn. in den Augrn drr Brvölkenmg wären fa l-
sche• Vor>tc•llungen über den Charaktrr dt••· Ak ti on crwcrkt untl
hiitten sicher weite Kreisr der Arbritrrsc·huft zum Ansch luß an
dir Aufruhrhr"rgung veranlaßt Einr \ ermisrhung von Kräften
• der chutzJ>olitE'i mit Kräften der Rrirhs" ehr hri drr Befriedung
1lr, aufrührcris<"hcn Grbictes hättr dir Lösung der \ufgabe
du rrh \ ('f\\ irrung der Einzelhandlungen und drr Brfrhlsw:rhält-
nis;r ersrh-..rn. Tatsächlich ist b('i ßr~<inn clr~ \ufstandes eine
geniigcndr \l engr von Polizeikräftrn cinge ctzt "'Orden. Wenn
sirh norh untrrdriickung der örtlichen i\ufstilnd(' immrr wieder
neue Aufruhrhcrdr zeigten. so liegt dil'» run \\ c•scn dr~ ßanden-
kriegrs. Die kleinen, beweglichen und fiir dernrtigt> Aufgnben be-
sonders vorg(•bildrtrn Formationen dPr Srhutzpolizri sind flir die
ßckiimpfung örtlich beschriinkter Un rulwn nm·h Aufbau und
Ausbildung in Nster Linie bestimmt und gN•ignet. Die lleichs-
"rhr hnt in >okhrn Fällen, wil' es auch hirr g('SCh{'hen ist. als
lliirkhnlt znglrieh aber zur Absprrnmg tlrs grfiihrdr!t•n Gebietes
gegen \ usdchnung wie gegen ZuOuß "'rhrec·h!•rischer Elemente
zu dif'rll'n. Erst wrnn drr Aufruhr auf ''rift•rr Crhi!'tstrill' über-
grt'ift. muß dit> R!'ichswehr rintrcten.
Ein 'orbeugrndcs Ersticken des geplantrn \uf;tandt•s hat sich
nic·ht rrmöglichrn lassen. Dafür hnt dit• urn orlwrgesehl'nl' Ent-
" irklung rlrr unruhen rlrn \'ortril mit 'ieh rwhnwht. daß durch
den \usbrud• der Be" egung und ihn• crfolgrl'il'hr Brl.iimpfung
Zllhlrt·ic·hc '(•rhrrehrrist·he Führer und ll(•lfpr· ttH,iichlit•h un·
•rhiidlic·h grnw(·ht und \Vaffrn in ung!'nhnh•r Zuhl brsrhlng·
nnhmt "c·•·d(•n k01rntrn. Übcrdi(•; >ind durc•h di1• Voqriingr die
Pliirw und Zielt' dt'r Aufrührrr in größh·m lmfnngP klargelegt
\\Ordrn. •O dnß die Cegcnmaßnnhmcn allrr \rt lllll'h in ,·orbeu-
:l5U
I
grnder llinsi('hl um ~o sicherer und wir~sunwr gc~tallct werden
(..iimwn. Dir ntrrdrückung der Aufruhrbrwegung dauerte nach
l·:insat~; riner einht•itlichcn 1-A'itung clurd1 drn \l ini&trr drs ln-
11c·rn inbf!l'!>llml eine Woche ...
Dir Leitung drr Polizeikräfte in einem \ufruhrbczirk muß
··inr c•inht•itliehe und klare Gliederung der untt•.-"tclltcn Schutz.
polizei vornehmen und je nach der weth>elndrn Lage umändern.
Das Zusammenhalten der Kräfte und dns rccht~;citige Ausschei-
clen von bcwt•glichen Reserven muß dab<•i lritrnder Gesichts-
punkt st•i n ... Wer alles schützen will, schüt zt unter l,;mstiinden
nir·hls. Du von müssen sich ouch 1lic II ilfcrufcnden überzeugen
Inssen ...
Die seitens dt'S Reichswehrministeriums mit großer Bereitwil-
li!(keit rrfolgtc Ucigabe der Artillerie war unrrliilllich und beson-
tlrrs infolgr ihrrr vorzüglichen Schußleistungen von großer monl-
li!.('hrr \\ irl.ung auf die Bevölkerung "ic auf die Beamtenschaft.
Ohnr nillrrie wärr ein \'orgehrn gegen dir mit \I G besctzteo
llaldrn ~uum möglich gewesen ...
Eine suchgcmiiße Regelung des Nachrichten- und \ erkehrsw c-
'>!'11!> ist nötig. Es muß für die Aufrührer möglichst unterbunden,
Hir Polizcikörprr der ßt>völ.kerung klar und iihrrsiehtlich geord-
•wt "'erden. Nlaßnahrnen, die z,, ar fiir das öffentliche Leben stö-
n•nd si nd, wie Verbot jedes privaten Fcrnsprrrhvcrkchrs, allen
llodfahn•ns, Festsetzung einer frlihcn Polizcistundr. diirfcn nicht
gc»chcut wcrdon, wenn sie zur Vnt1wdrii<·kung d(•s Aufruhrs nol-
w<·ndig ;ind und daher zum Segen für dit• Allgemein heit werden.
Drr Vrrkrhr \Oll Last- und Personrnkraft,~llgrn muß überwacht
und, SO\\Cit nötig. für z\\ ecke der Polizei ausgenutzt \\ erden. Die
\ufriihrer haben in um rassender \V!'ise 'on 1\.raftwagen zur Ver-
'>c·hiebung von 1\.rruten zur ße"affnung. \ rrpro' iantierung usw.
Gcbnauch gemacht. Erst durch \\ egnnhme der "-raftwagen wur-
drn &ir darin lahmgelegt Die Au&>hlltung drr Schuttpolizei mit
Kraft"ogen "ar nicht ausreichend. Im gunzrn Brrcich drs llf'gir-
rungsbrzirks befanden sich 13 Lastkrnfh~agcn. von denen eine
griißcre nzahl M'hndhaft und wrhmurht Will'. nch Zuzug der
\ t•rstiirkungcn von außen und noch El'lnictung zahlreieher Last-
krnl'twn~cn '''tll'(len die \ erhiiltniss•· giinstigt•r. Bt•sonclrrs nach
Zc•·stiinmg 'on Eisrnbahncn und zur Vrrsor(.:ung r•ingeschlosse-
nrr odt•r "eil rntfernter Vrrbiindr sind Ln.tkraflwugrn in größl~
3:)1 •
 rer Zahl notwendig ... Ferner hat sich die Ausrüstung der ""'""" bc te die Polizeikörper hci Ven.Pndung außrrhalh dt>>
zerwagen mit seitlich drehbart>m Scheinwerfer für die Durc~lfü lil.. tungs am zu
Standort!'S n begICl•ten haben. Fiir die Zeit dieserV \ fen•cndung
d
rung niichtlicher Streifen als notwendig erwiesen. . f.. d·e
1 Dauer des auf Grund des Art.4H der er ussung es
sow1e ur d t · Iehen
Zur Erhöhung der Beweglichkeit haben sich Radfah,...rlrnrrnA. Deutschen Heiches erklärten Ausnahmezustan es ~n (•I ~
tioncn als besonders wichtig herausgestellt. Mit ihnet~ lassen sich r Verwaltungsbeamten außer ihren Verwaltungsbehorden a~Jch
schnelle Umfassu ngsbewegungen ausführen, was diesmal nicht in <•e F'·h des Polizeikörpers Oie Ven, oltungsbeamtt·n smd
dem gebotenen Maße möglich war ... dem u rer ·. . d A d · '"n der
denmach verpnichtct, wiihrcnd dieser Zell rn nor nun.,e
Als dringendes Bedürfnis für das achrichtenwcscn hat sich Führer Folge zu leisten.« . . . .
die Vrrwendung der Luftaufklärung herausgestellt. Sie fehlte in- Oie gleichwohl hervorgetretene~ .Schw•e.ngkelten wcrd!'n noc1I
folge des Verbots durch die Entente vollsliindig. Durch die Ver- durch Sondervorschriften zu brselllgen sem. , .
wendung einiger Flugzeuge wiire viel schneller Klarheit iiber die Diese in großen Umrissen wiedergegebenen ~~rfahrungrn,sowJ e
Lage grwonnen worden. Die Zerstörung ungeheuerer Werte zahlreiche weitere Einzelheiten, die rein polizCilechniSCI~ hal?en
häUe sich ,·erhindern lassen. Oie Verbindung mit den abgeschn it- betreffen, werden bei dem fortschreitenden Ausbau der rganJsa·
tenen Teilen wäre schnell hergestellt \\Orden ... In den Polizeien tion Bcriicksichtigung finden.
des Auslandes, besonders in den Vereinigten Staaten, hat sich das
FlugzPug in friedlichem Polizeidienst außerordentlich bewiihrt. . Potsdom • Heiehsministcrium des lnncrn, 13 :J99.
(Zentra Ies StnutsarcI11v
Ocr Aufruhr hat die Totwendigkeit gleichmäßiger und fester BI. 75 lf.)
Ausbildung der Polizeibeamten gezeigt Dabei muß die Beamten-
schaft außer für den ordentlichen Polizeidienst auch für derartige
Kiimpfe ausgebildet sein. Sie braucht Vorschriften, nach denen
sie sich dabei richten kann, und zwar, entsprechend den ersten in
diesem Sinne bereits ergangenen Bestimmungen, nicht die Vor-
schriften der Armee oder des neichsheeres, sondern solche, die
auf den besonderen Aufgaben und Verhiiltnissen der Polizei auf-
gehauf sind. ·
Oie • otwendigkeit einer straffen Disziplin, die seitens des Mi-
nisteriums von Anfang an betont und mit allem 'achdruck ver·
treten worden ist, hat sich auch bei diesen Kiimpfen erneut ge·
zeigl Oie beteiligte Beamtenschaft bat sich hierbei selbst davon
überzeugt, daß ein l\1angcJ oder eine Lässigkeit in dieser Bezie-
hung für den gesamten Polizeikörper \vie für jeden einzelnen
traurige Folgen nach sich ziehen muß.
Auf dem Gebiete Cler Verwaltung war für den Fall von Unru-
hen scnon durch einen Erlaß vom 23. Febmar 1921 Vorsorge ge-
troffen worden. Darin heißt es:
»Die Verwendung der Polizeikörper außerhalb des Standortes
erfordert die Begleitung von Vcrwnltungsbeamten. Da derartige •
l\1aßnahmen nötigenfalls mit größter Beschleunigung zu treffen
sind, so ersuche ich, schon jetzt zu bestimmen, welche \ crwal·
\

352
 Sacherläuterungen
•
Ausnohmez~tstand Aullerkraftselzung \'On verfusungsrechtlich gMlntierlen
Grundrechten und -Freiheiten der Bürger, Ausschaltung der parlomcn!Arische
V~ungso~ und _befristete Übertragung aller Macht· und Gesetzgebunp~
F'W'oue ouf emen ldtm~ P~rsonenkrei,_ Einfuhrunl! , on staatlichen Zw""f:s-
m~nahmen. Der A. bouoerte on der -+ Weima.rer Republik au.l Arlikel 48 der
Weo~arer Verfassung von~ 14. August 1919. Vorher war der Belagenongszustand
gernaß Crsetz vom 4.Juno 1851 gültig gewesen.
Bettand e!wtl <WOOOO Mann; mehr als ISO F. sind namentlich beklnnt Ihre Zu·
samnoensetzung und llewaffnung "v uneinbeitlich, die Sinoktur reichte vom
Korpsrahmen bis zur sc.lbstindigen Kompanie b~w. Batterie. Im Frilhjahr 1920
zwangsau!gelöst. fanden viele der F.angehörigen, die nicht in die lleichswehr
oder Polizei übernommen worden waren, Aufnahme in der .Schwarzen Reichs·
wehr• oder in militariatisch·fascloistisehen Wehrverbindeo.
Cardeka110llerieuhUt:endivi$ion Alfaemeiner taktischer Verband der kaiserlich·
deutscloen Armee im ersten Weltkrieg, der in der Novemberrevolution 1918119
zur militärischen Keminoppe der Konterrevolution gehörte. Oie G. war wesentlich
an der Nlederschla«ull{l; der Berliner Werktä~en im Januar 1919 (Ennordung
,·on Kerl Liebknecht und Rosa Luxemburg) und im Män 1919 beteiligt. Teile
der C. geharten zum konterrevolutionären Militäraufgebot gegen die Bayrisclte
Räterer1ublik. Sie entwickelte sich bis April 1919 tu I Korps mit 3 Divisionen in
einer Getarntstärte voo 40 000 Mann. Ende Juli 1919 wurde du Cardebvalle-
rieschOtzenkorps auf die neug-"offenen -+ Reichtwehrbfi&aden au.lgeteiiL
CeschUt:batterie Ar1illcrieeioheit; in der-+ Reichswehr meist mit 4 FeldkAnonen
(Kaliber 71 und 75 mm) oder 4 Feldhaubitzen (Kaliber lOS mm) ausgestaltet.

Deta~lot'mt'nt Zur Erfulluol{l; selbständiger Aufpben bestimmte Einhei~ die sich Cewltr HandfeuerwalTe mit langeno, gez,ogenem l..&uf, 5-Patronen·Mehrlader.
von.1~:nd aus Infanterie, Artillerie und Kavallerie zusammenset~te. 1921 und Standardmodell für die Infanterie war damalJ du C. 98, Kaliber 1,9 mon, Gewicht
1923 workten Polizei· und Militiirkriifto ion 0 . gemciusam. 4, I kg, Klappvisier fUr Schußentfernungen bis 2 000 m. Dagegen war die Kavalle-
rie der -> Reichswehr mit dem Karailiner 98 b ausgerilslet
Einwohnerv:eloren
. Von der deutschen
. Großbou~eo···
~a o.or ·on der Novemucrre,·ohr
•-
bon 191 8119 aufgebotene reakbonire Vereinigungen, die auch später auf lokaler Heeresleitung Obersie Kommandostelle des Reichsheeres. Ihr gehörten du Per-
Ebene
_
du Reservo·
•
d · _,_,. · 1 - ·
or er oonperuuoshiC oen ßurgerk.negsgarden verstärkten. Sie sonal·, Truppen·, WalTen·, Ven.•a.ltungs- und Wehramt an sowie die Inspektionen
~IIen_ 1919 on Oeutsdoland etwa I Million Bewaffnete. Ihre AuOösung erfolgte der WalTengattungen und Speziahruppen. Von 1920 bis 1926 etand General
1111
~pnl 1920. ln G~~talt der-+ Organiaalion Escherieb existierten die E. vor al· Hllßs von Seeekt der H. vor.
lem on ßa)em noch bit 1921.
lnfanterit'division Allgemeiner taktischer Verbond in den Landalreitlaiften, der
Flcm'"".nu:erfer ~nsatzmittel zur Bekämpfung von Zielen auf ku~e Distaru aus mehreren Truppenteilen der bestimmenden WalTengattung ln.lanterie, aber
dureh eonen 20 bos 50 m reichenden ~laonmenstrahl. auch aus Truppenteilen und Einheiten anderer Waffengattungen, Spezialinoppen
und Dienste besieht. Oie l. der -> Reichswehr gliederte sich in Stab, 3 Infanterie·
Freikorp1 lleaklionärc ~>ilitärische Fom1ationen, die in der Novemberrevolution
rqimenter, I Astillcrieregiment. 1 Pionierbataillon, I Nachrichten·, I Krartfahr-,
1918119 und danach bos 1920 gegen die Atbeiterbew~ng und die dttmokrati-
I Fahl- und I Sanitltsabtciluog .owie I Reitereßadron. Ihr Personalbestand be-
sch~n Krlfte ~impften. SiE- rekrutierten aiclo vorwi~end aus Angehörigen des
Klcon· und Mottelbürgertu ms sowoe · au1 dekJ asSlerlen
· trug rund 10800 Mann; sie verfügte Ober 36 GeJchUIU.Insgesamt gal> es in der
Elementen der Landbevöl· ~ Reichswehr 1 I.
~erung. ~ufgcstc~t auf lnitiotive der Obersten Heeresleitung u.nd geführt von orr..
t~eren, boldeten ~ :· den Kern der militärischen Konten-evolution, nach teil..-ei-
M'ßb
0
ser bemahme on dte-+ Rl'icloswehr und .... Po!ttei de- v -d ,._
hd
U
·~n "" ert....ume. nter
lnfanterieregimenl Truppenteil mit Stab, 3 Bataillonen (zu je 3 SchOtzenkompa-
nien und I lllascloinengewehrkompanie), I Nachrichten· und I Minenwerferkom·
raue ur
d ' Z'td es amen•
. und
. im Gegen10t:t zum p--ssiven
·-... - Ch--"t•
"""'<r derr"".8UJ panie .owie I Auabildungsbataillon. Neben Handfeuerwaf.len ~ du I. 54
n:;. _eo er.. C o:e'~ngsknege 181311<I, Ot>ericr1en •ic als Gewaltinstrument impe· leichte, 36 schwere -+ Maschinengewehre sowie 9 leichte und 3 mittlere -+ Mi·
.."üseh-molotanstischer \1achtziele Mch innen. Sie kamen aber auch zur Unter- nenwerfer. Du I 00 000-Mann-Hccr hatte 21 I.
~ekung \On fortJchrittlicloen Voll<sbe.."'ungen in den baltiJehen Staaten sowie
m Polen als •Grenzsehurz Ost• 1919120 zum Einsatz. Ende 1919 umfaßte ihr Karabiner -+ Gewehr.

•
354 355
 Aat·all:nedit·uoon Truppen•eri>and mot Slab, G R~it~mrntem, 1 reitenden
Arlolh•neabloiluoog mit 3 Batterien und I Nachrithlcnableilung. Zum Wnllenbe-
starod der et"11 5 650 Mann ~.ilhlenden K. gehörten Ierner 12 schwere -+ Maschi-
nen~~" ehre, bis 192i die IAotte. lnSftel&mt •·erfü~r das Rcirhsheer über 3 K.
Marinebrigaden -> Freikorps, bestehend aus konterrevolutionären Teilen der
ehemaligen kaiscrlieh-deutschen K ri~gsmarine, die in der ovembem>volution
l-918/ 19 so"ie im Einsat>. gegen die llote Jluhrarmee 1920 tu den berüchtig&sten
im1wrialististhen Rürgerkrieg~garden 7.ilhlten. Es gab 3 M., wovon die 2.. geführt
von Korvellenkopilin llennann Ehrhardt, am 13. Miin 1920 in Berlin den Ka .
· putsr h ausI"
Lütt "llz· oste. PP
JfanrwlcitunK (bis 1920 als Admiralität bezeichnet) Oberste Kommandostelle
der \larine in der -+ ltrichswehr. Bestand aus dem Marint'-Kommando·. dem
\l~r~eincn \1ari~e- UJid dem ~arint'-\'e.,.·altung~&ml sowie nachgeordneten ln-
Spt'ktoonen. Unter ohrem Chef, \t:ooadoniral Adoll , on Trotha, war im \tiirz 1920
Iust das gesamte Marineoltoziurkorps ollen für die Kapii·Lüllwilz-l'ulschistcn ein-
gelrcten.
Marineltalionskommando Zeniraler F1ollenstützpunkt für Ostsee (Kiel) und
Nord~ec (Wilhclonsloaven). l::s unlerstond der -> Marineleitung und war vcrant·
wortloch für den Einsatz der jewe.Ugen Schiffsverbinde und Küslenschuttlorma-
tioncn. \larinekrilltc des M. \ordsee >crrtiirkten im Oktober 1923 die polizeili-
chen Aufgebote tur Nledcrso·hlagtong des IIomburger Aufstandes.
\f~srhine"Keoceh.r Automatische Handfeuernife mit hoher Feuergeschwindig-
keot. Zugelassen on der -+ I! eieloswehr "'aren das ~ehwere M. 08 (i\la.,im), Kali·
ber 7.tlmm, Gesamtgewicht 50 kg, sowie das leichte M. 08/15 oder 08/18. Das
letztgenannte M. ~alle einen Stahlmantel mit länglichen Aus5 parungrn, sein
Lauf war dadurch om Unterschied zum sch,.·eren \1. lul~ekühlt, die Walle wog
12 k(!, Das sch.. ere M. "~ordc zumeist auf einem kleinen Wogen oder mit Kraft·
fahrzrug transportiert.
.lfin~nor.,rfer Stcilleuer..alle, die \\ url8rftnaten •erschießt und im Vergleich mit
~del't'n ~eschützen kürzere Schußenllcmung hnt. Er kam 1918 bis 1923 in
leochter. nu!Uercr und teilweise auch in schwerer Auslühnong (Kaliber 75.5. 170
und 250 mm) zur Anwendunlt-
Ob<>rpr/isident ln Preußen Ohcraulsichtsbehörde liir die sltontlirhcn E:inrichtun·
gen einer Provin1.. Auf der Grundlage des vom llrirhspriisidrnlen erkliirten -->
\usna~mezuslatodet konnten dem 0. auf W.;sun~ d.,. preußischen lnnrnmini·
slers doc Aufgaben eines Zhil~ommisst~rs übertragen "erden. 'von 1920 bit 1926
nahm in der preußischen l'rovinz Sachsrn ·OIIo llörsing die ßelugroisse eines 0.
wahr.
Ordmmppoliui -> Polizei.
356
0r81JnÜation E~eMrich (Orgesch) lleaklionires Sammelbecken für die im April
1920 aufgelösten-> Einwohnen.chrcn. 1920/21 stellte die O.E. untrr Forstrat
Georg Escherich, Führer der ba)•rischen Einwohner-.elorcn, zahlenmäßig den
((rößten imJoerialistischen \\'eh" eri>and in Deutschland dar. Ihr \\ allenbestlind
reichte - dezentralisiert. zum Teil bei der-+ lleichswehr gelagert - an die Mil·
lionenböhe. Auf Forderung der Ento•nteslaotroo mußte dir deutsche llcichsrcgic-
rung die 0. E. im Juni 1921 •erbieten. Oie \1i~j;lieder dieses Weh"erbandes
~O!ßplettiertcn in der Fol@creit rechtsextremistische und Iasehistische Organi>ali~
ncn wie den •Stahlhelm. ßurod rlrr f'rontsoldntenc oder die 'azipnrlci.
Parourkmftu:ogen Allradgetriebenes Kampffahrzeug mit einer gegen Uandleuel'
... rrenbesthuß schützenden Panzerung UJid 2 eingebauten schweren -> MaS<:hi·
ncngewehren; dierote als Sondcrfahr1.eug houptsächlich polizeilichen Zwecken.
Ausrüstungsmäßig entlicl I P. auf je~<eils I 000 Polizeiangehörige der Länder der
-> Weimarer llepublik.
Parour:uK Mit Panzerplatten verkleidete Lokomotive und Eisenbahnwagen. ln
den Waggon• "aren -+ Maschineng~wehre. teilweise auch Geschiit>.e. aulmon·
tiert und die Best~tzung untergebrachL Ein 'on \\'erktitigen pro•iliOrisch he'll~
richt.e ter P. untersliilzle im Miirt. 1921 nool der Strecke I.roona-Croßkorhetha den
1•roletarisehen Abwehrkaonpl.
f>i~tole Faustleuer..•alle mit kurtem Lauf für den einhändigen Gebrauch auf
kurze Di•tan~. Nach 1918 durfirn in Deutschland keine P. mit einem Kaliber
über 8 mm hergestellt "erden. , tben versehk-denen 1'. aus Wehkriegsbeständen
kan1 vor allem die P.l'arabellum Modell 08, ll.aliber 7,65 mm, LauOänge 98 mm,
Pntronenmngazin, zum Gebrauch.
Poliui in der Weimarer ltepublik Bewallnetes ltepressi• Or&an tur Absichenong
der imperialistischen licm;chalt nach innen. \ eben der-+ lleichs,.eJor ents1At1d
19 t 9 einr sogenannte Sicherheitspolizei, die, militärisch organisiert, sogar ilber
<\ttilleric und ~1ugzeuge ,erfügtc. Teile 'on ihr beieiligten sieh 1920 am Kapp·
Lün .. itz-l'ut>clt. Auf \\eisung der \ersaöller Vertragsmlirhte mußte aie noch im
gleichen Jahr aufgelöst werden. Das geschah durch IJmprofilieTUJig der bestehen·
den Politeikontingente in >School1.·c bzw. >OrdnungSJ)Oiizci<, die nunmehr den
Länderregierungen ino Weimarer taat unterstanden. Deren Höchstzahl ,.... auf
150000 Mann, die Ausrüstung aullllank· und Handfeooe..,alfen, •·erstä.r kt du~h
- l'anzerkraltwagen. begrenzt worden. Bedeutende Kriille der P.angchörigen wot·
ren konzentriert in P.kasemen. uno für >größere Aktionenc nach innen ständig
einsatzbereit zu sein. Die Gliederung erstredte sieh 'on Abteilung über ßereit·
sclootlt bzw. llundertsdmlt bis herunter zum Zug. Exekutivdienste verrichteten
uuch die Angehörigen der llevirrpolizei, dir. Beamte auf Lebenszeit. in stiidli·
sehen Politei .. achen tätit! "aren. Im Einsat.t ~cgen dir dt•utsche \ rheiterklasse
- insbesondere 1921 in Mitteldcuts.:hlarod und 1923 in llamboorg - enUa" te
357
sieb die P. ab ein gefügiges Gewaltorgan der hem<>henden Klasse, das in zuge-
spil%ten Krisenteilen unmittelbar mit Reichswehrtruppen zusammenwirkte.
ReichfWehr Strtitkrlfte det deutselten lmperiaUsmus wiihrend der -+ Weimarer
Republik und der ersten Jahre der Iaschistischen Diktatur ( 1919 bis 1935). Durch
den ..... Venailler VeMn~s aul I 00 000 Mann Reichsheer und 15 000 Mann
Reichsmarine beJrentt, wurde die R. mit den Ccscl%cn vom 6. Min und 16.April
1919 als vortlufige, mit Mm Wehrg-tJ. •·om 23. Min 1921 endgültig als R. lc.on·
stituier1. Deutschland wer et verboten, Lultlwnplmittel, Panzer, lJ.Boote und che-
miJche WalTen zu betil%en oder zu produtieren. Oie Wehrpflicht mußte ebenso
w;e der Große Generalstab ~halft werden. Oie Oiensl%eit lür Mannschaften
und Unteroffiziere befNtl 12, lür Olfo.ziere 25 Jahre. Oie Reduzierung der •·or!äu·
rogen R. auf die vorzescltriebene Stlrke wurde biJ Ende 1920 verzögert, noch
Mitte 1919 haue ihr tahlenmlßiger Umlarog knapp eine halbe Million betragen.
'ach der Weimarer Verfassung besaß der Reichspriisident den Oberbefehl, er
konnte den-+ Ausnahmezus1Jind erkliren, Notverordnungen erlassen und die R.
zur • WiederherJtcllung der Ordnungc einsetJ.en. Der R.minister übte unter dem
Reicluprlsidenten die Belehllgewalt aus. Iektisch jedoch befand sich die militäri·
sehe KommandoFewalt in den I IInden des Chels der--+ Heeresleitung. Das Heer
unterteilte sich in 2 -+ Reichswehrzruppenkommandos mit 7 lnlanterie- und
3 Kavalleriedivisionen. Deut5chland war in 7 Wehrkreise aulgeteilt. ln den Kü·
stenbereichen lungierten 2 den Wehrkreisen gleiehge11tellte --+ Marinestations-
kommandos. Die ßcwollnung der R. bestand aus Blankwat!en,-+ Pistolen, -+ Ce-
wehren, Karabinern. -> Maschinengewehren,-> Mincnwcrfcm, Feldartillerie bis
105·mm·Houbitzcn ~ond 22 stationären Festungsgeschützen (Kaliber bis 280 mm).
Oie ReichJ.morine durfte 6 Linicnsrhirrc, 6 Kleine Kreuwr, 12 Zerstörer und
12 Torpedoboote sowie einige llilluchille in Dienst halten. Oien. erwies sich bei
der Niederscltlagung revolutionHrer Arbeiter llls tuverliissigcs Machtinstrument
der herrschenden Klasse, hllll die lft8rhistisehe Diktatur 1933 in Deutschland zu
enichtcn und ~~ehul mit der gtheirncn W1edcroulrüstung wichtige Voroussetzun·
gen mr lorcierten Kriegsvorbereitung.
Reichsl«hrbrigade Formation der voriHurogcn -+ Reichswehr, die 1919/20 zur
Unterdrückung lortsehritOicher Volksbewegungen noch innen wie auch nach au·
Ben (baltische Staaten, Polen) turn EinMit lc.s.m. UntCI"Jchieden wurden große R.
(14000 Mann) und kleine (7000 Mann); insgesamt gab es 22 große und
18 kleine R.
~~~p~nkommnndo Eine der -+ lleeresleitung nachgeordnete Ein·
richtu,._ d•e vor allem lür F<a«M der militärisclten Ausbildung und Didobtion
verantwortlich war. Dem R. I in Berlin w&n'n die I. bis 4. -+ Infanterie - sowie
die I. und 2...... Kavalleriedivision unlentell~ dem R.2 in Kassel die 5.bis 7.lnfan·
terie- und die 3. Kavalleriedivision. Zehweil" besla.nden 1919 in Kolbe'l! und in
München ein 3. und 4. R.
358
Reiterregiment KaV!IIierietrt•PIICntril mit & EJ!kndronen, darunter I Ausbildungs-
eskadron. Oo den 7 -+ lnlantericdivisionen des Reichoheercs jeweils I Eskadron
zugeteilt war, hatten 7 ll. eine G. J,;skadmn. Insgesamt verfügte das I 00 000-Mann·
Heer üb<>r 18 R. mit 97 E&kadronen.
Sclwtzpolizei -+ Polizei.
Sidu!rheit~poliui -+ Poli1.ei.
Techni#he Nothilfr 1919 «etC'haiTene. staatlich diriperte Freiwilligeno'l!anisation
flir ttchnisclte Spezialeinslill'.e. Sie leistete hiiur~ Streikbrecherdienste und arbei·
tete bei der BelWnplung revolutionärer und demokratischer Aktionen wiederholt
mit der -+ Reichs,.ehr und -+ Polit.ei zusammen.
Trup~noml (bis 1924 als Allgemeines T. bezeichnet) lnS1itution der-+ Heeres·
Ieitung; lührte unter di~m Tomnamen die Titigkeil de11 laut --+ Versailler Ver·
trag >erbotenen deutochen Cent-reistabs .. eiter. Dem T. unterstanden die Heeres-.
OrzanisationJ-, StatistiKhe- (Fremde lleere), Ausbildung&- und Transportabtei·
hing. die bestimmenden EinOuß aul den inneren Einsatz sowie aul Wiederaulrü·
stungsmaßnahmen der -> Reiehs.. ehr ausübten.
Versailler Verlm8 Am 26.Juni 1919 von der deutschen 1\eichsn:gierung in Ver·
sailles (bei Paris) unterzeichneter, am I O.Januor 1920 in Kratt getretener imperia·
listischer Frit•dcnsvcrtrag, drr den rrJten Weltkrieg 1914 bis 1918 lormal been·
dcle, die euaulteilung der Welt zugunstcn der westlichen Signatarslaaten fiXierte
und die imperialistische Nachkriegsordnung cntsehcidcnd bestimmte. Er setzte
eiern deutschen Konkum'ntcn allseitig erhebliche Schrnnkcn, unlcrwarf das deul·
sehe Volk einer dollJICltcn Ausbt•utung. 7.u seinen wichtigsten ntililärischen Be-
stimmungen gehörten die 1\bschallung der t•llgcmcincn \VchrpOicht, wesentliche
personeile 1tnd materielle IIUstnngsl~tschriinkungcn liir Heer und Marine sowie
das Verbot jeglicher Mobilmachuni!Jivorbrl"('itungen in Deutschland.
Vorli:iu[l[(e Rei~hiWChr -+ llcichswehr.
Wehrkreilkommando Tcrritorinlll<'hördc der - Rci<·hswehr. Jedem der damals
in DeutliChland bestehenden 7 \V. "ar l der 7 -+ lnlontcriedi>-isionen zugeord·
ne~ deren Komm•ndeur tugleic-h Wehrkreisll<'lehlshaber war. Den W. lAg die
Uindrr· bzw. l'rovinutruktur d<-t Weimarer Slliates ~ujlnLnde~
Weimolt'r R~publik 1\1• EfFcbnit d~r '<o• emberrevolution 1918/19 entstAndener
bü'l!erlich·parlamcntariso:hrr Staat ( 19. Januar 1919 bit 30. Januar 1933). Ihren
:olamen t:rhiclt die \\ . R. nach dem erJtcn Tagungsort der ~atiooah·l'fS&mmlung
(ab 1920 Reichs~. Im beh•ndeltrn Zcitraum grhörten der roderation 18 J..in.
der an: Freistaat Pwutkn, Freistaat ßa)~m. Freier Volkostaal Würtientbe'1!o l)e.
mokrati.che Republil Oadrn. \ ollutaatii~S('tl. Freistaat Sachsen. Freistaal Thü·
ringen. Freistu.l Anhalt. Freistaat Mecklrnbur,;·!kh,.·erin. Freistaat ~tccklenburz·
359
 '
St~lolz, Fn•i•lllnl Oldt•nburg, freisiMt IJrnunM"h"cig, Fn>ie und llan,se•rla.lt
llomburg. Frt•io• llsr~>eslndt Bremen. Frt.'ie und llun.estodt Lübeek.
Li PI"'· Fn'><lltat Sthaumburg·Lippe, Staat \\ aldeck. 'lach der ~:in,.·ohneruhl la,..
tf'l~ d,.. llt•ohenfnl~• d..r 6 l(roßten Freistnatcn: I'Tculkn, ßa)rm, Sach~n. Würt-
lt'mbo•r(!. llaMn und Thüringen. Preußen untergloederte sieh in 12 Provimcn rnit
33 ll~t<'tlln~,h.·~iri<en. Obttl"'ch der EinRuß des deutschen \lonopolkapilals in
der \\ . II. donunorn~. (M,saßen Croßgntndooit~ und Adel noch stari:e Positionen
in \nm'<'. Ju.tiz und \ en.altung. Gestützt auf die in der l\owmbcl'l'\'volution
1!118/ 1!1 t•mmgrnrn drmokr~~tischcn Fn'iheilrn und sozialen Hecht~. stellte sie
für""' oh•uiM·hc Art.rit<•ri:lassc einen besseren Kampiboden dar als dir durch die
llt••olution hin"rAArfcb~C halbabsolutistische ~l onan·hic. D1·shalb ""'die W. R.
dt•r lleaklion von Anfong an ein Don1 im Auge. Die Madtti.ibertragung an den
dt•utS<·hru Fns.·hismus beendete ihre Existenz.
üitjl'f'it<illi/(1' \ O<" iegend aus dem reaktionären IJUrgcrtum stammende, zeilwei·
li~ tur militiins~hen Dienstleistung in der -. lleid•s"ehr eingezogene Rescrve-
z.
kriiftr. Die \1indr•tdienstzeit für betrug in der llegel 3 Monate. llw:oldung. ße.
IJridunF- \ rrpOej~ung und Lnterbringung kamen aus \lilleln der Reichs,. ehr. Im
L ntt•I'S('hitd zu den durch"eg am lleirnalort bleibenden -+ Ein,.ohneNehren,
~onnlt•n tlo~ /. üiM'r11ll in Deutschland eingesetzt "erden. Das Z.system spielte
auch später b.·o drr illegalen personellen ~~edcr~~ufrüMung des deutschen lmpe-
nal"m"' ,.,.,.. l~<·orhtlorhr Rolle.
Verzeichnis
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pj(J(k, \rilhelm : Gesammelte Reden und Schriften. ßd. I, 2. Ocrion 19;,9.
E' unennüdlieher Streiter für die deulsch·so" jeti!W'he FreundschalL Ausge-
"~~ltr lleden und Schriften Wilhelm Piecks über die Große Sozialistische Ok·
tobern'volution, Berlin 1977·
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1919). flerlin 1968. \Vcrktiitigen in der ovemberrevolution 1918119 . . . · . .. . 33
Ra'""'"· 1/ain<•r: Oie Januarkämpfe 1919 in Bcrlin, llerlin 1956. .....
Sk. • 2 : o·.c .,- des k<>ntcrrcvolutionilrt•n \Vrihnachtsput-
'oederschln•ung
44
RPilb<·r~. lmo/d: An den QueUcn der Einheitsfronti>Oiitik. Ocr Kampf der KPO 5C!he.! 1918 . . . . . . . . . . . . . . .0 •••• •• ••••• ••

um die Aktionseinheit in Deutschland 1921 - 1922. Ein Beitrag zur Erf<>r-
schun~ der llilfe \\ .1. Lenins und der Komintern für die KPO. ßd. I. 2, Beriin
19il.
Ru~~. lf olf~attt: \o, embf_>=,·olution. Die \ oiLserttebung gegt·n den deutschen
lmt)('riali~mw und \1ilitari•mus 1918119, Bertin 1978.
clwnk~. Joarhim : &hlacht um HaUe. Die Ab" ehr des Ka11p-Putsches in Halle
und Un~j~ebung, llertin 1956.
Unter der roten Fahne. Erinnerungen alter Genossen. ßerlin 1959.
Vonoiirts und nicht vergesS<•n. Erlebnisberichte aktiver Teilnehmer der 'ovem·
bcrrc•olution 1918/1919, ßertin 1958.
\lieber. Stef(lto : Oie Miirzkiintpfe 1921 - eine ruhmvolle Kampfaktion des mittel-
deutschen Proletariats, MansfcJd 1971.
I'VollettiH>rl. Erich : Als Rotannist vor München. llerlin I !129.
ll-'robel. Kurt : Oie Volksmarinedivision, Ht•rlin 1957.
Üislrr. Kurt : Auf•tand in der deutschen t1oue. Oie re'olulioniirc \1atrosenbe"e-
gung im llerbst 1918, Berlin 1956.
S~izu 3: Oie HerlinerJanuarkämt>fe 1919 . . . . . .•. · · · · · . · · · 61
Skizze 4 : Ver1eidigungsstellungcn der Oachauer Anneegruppe. Apri11919 92
Skiue 5: Oie \ er1eidigung der Bayrischen 1\i!terepublik. ApriV~1ai 1919 · 99
Skizze 6: \b,.ehrkimpfe in Leipzig. \lärz 1920 . • . • . . · · · · · · · · 12i
Skiue 7: Gefechte im Bitterfelder lndustriegebiN. \lärz 1920 . · . · · · · 135
Skizze 8: Kämpfe in Suhl. März 1920 . . . . . . . . · . . . · · · · · · · · 140
kine 9: lkwafTnPte Auseinanderßdzungen im 1\uhrgebiet.
15.-17.~1än 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Skizze 10: Kämpfe in llolle. Mii.rz 1920 . . . . . . . . · . . . . · · · · · · · 174
Skizze I I: Aktionen bewaffneter Arbeitergruppen bei Cottbus. ~liir-1. 1920 · li1
Skizze 12: Kilmpfe der lloten Huhrannee. 17.-23. MUrz 1920 . • · · · · · 182
Skizze 13: IJewaffncte Auseinandersetzungen in l~islcbcn. Mlirz 1921 . . · 227
Skizze 14: 1-:insatz von Schutzpolizeiformationen im ltcgienmgsbezirk Mer·
srhurg. 'v1iir7JApril 1921 . . . . . . . . . . . . . . . . · . . . · · 233
Skiue 15: 11o.ndlungsgcbicte der Ameiterfonnation~n im \1är?J \ pril 1921 . 239
S~itte 16: Kampf,.egder ltoelzgruppe. \1iir7JApril1921 . . . . · . . . · · 243
Skint- 17: Ausganssriume der Polizeihundertschaften für den Angriff au!
da.• l..euna· Werk. 28.129.:\lärz 1921 . . . . . . . . · . · v · · · · 250
Skine 18: IIomburg 1923 . . . . . . . . . . . . . · · · . · · · · · · · · · · 271
SIJae 19: l.larrikadcn in Barrnbecl<. Okto~r 1923 . . . . . . . . · . . . · · 287

365

Personenverzeichnis
Abbate, Oreste 60
Accomasso, Mario 60
Ackermann, Otlo 248, 258
Andre, Etkar 274,3 11, 314
Appenrout. Otto 305
Artelt. Kar! ·2 I
Baier, Karl 311
Balduini, Duillo 60
Barth, Emil 18
Bauer, Cuslav 17
Bauer, Max I 12
Baum 191
Baumann, Herber! 293
Bebernis, Heinz 310
Bechstedt. Oskar 234
Becker, Artur 311
Becker, Karl 293
Beiersdorf, Franz 43
Beimler, Hans 311
Berendt. Richard von 124
Bergmann, Paul 118
Bergmann, Waller von 154,
335
Bertels, Ernst 309
Beth, Ka.rl 293
Blos, Wilhelrn 154
Blümke, Franz 308
Boltze 180
366
I
•
Borsig, Ernst von I II
Brandenstein 179, 180
Brandler, Heinrich 132, 268,
276
Brass, Otto 182, 199
Braun, Justus 62
Braun, Otto 199
Bredel, Willi 27 4, 311
Bruchardt. Arno 132
Büchel, F'ritz 143
Buchrucker, Bruno·
Ernst 149- 153, 178,179,
266
Buchwitz, Otto 311
Budich, Willi 36, 76, 311
Bürger, Kurt 311
Ca.privi von
156
Caspar-Derfert. Cläre 15
Caspari 65
Charpentier, Fritz 199
Creutzburg, August 146
Cuno, Wilhelm 362
Czettritz, Hermann
136- 138,173,176
Danner, Lothar 283, 286,
291, 292
Danz, Hennann 314
Diiumig, Ernst 18
Dengel, Phitipp 27 4
Oieckrnann, Wilhelm 190
Dietrich, Reinhard 305
Dorrenbach, Heinrich 32,
40- 43, 53, 302,31 1,314
Drechsler, Hermann 180
Dreschke, Karl 306
Duncker, Hennann 28, 146,
311,314
Dürre, Wilhclm 306
Ebcrlcin, 1-lugo 268, 311
Ebcrt, Fricdrich 37, 39, 42,
43, 52, 53, 55, 64, 111' 112,
149,230,235,265
Eckardt. Wollgang 305
Eckelmann, Hans-Arno 311
Egclhofer, RudoU 79, 80, 82,
83, 85, 96, 97, I 00, 102,
I 03, 302, 312, 3 I 4
Ehrhardt, Hennann 93, 112,
356
Eichhorn, Emil 27, 45,
53- 55
Eisner, Kurt 75, 77
Engelhardt, Cuslav 305
Engels, Friedrich I 3, 48
Ennulat, Karl 118
Enz 199
Epp, Franz Xaver Ritter
von 93, 101
Ernst, Joser 190, 191
Escherich, Ceorg 357
Falkenhausen, Friedrich Frei·
hert· von I 12
Fehrcnbuch, Konstantin 235
Fellisch, Allred I 32
367
Fcndel-Sartorius 222, 224
Fernbach, Wolfgang 60
Ficks, Hans 190
Fleischer, Otto 309
Flemig, Waller 305
Florin, Wilhelm 312
Folte 222-224, 228, 229,·
232,234
Förster, Albert 150-152
Frank, Hans 95
Franke, Otlo 58
Friedrich, Karl 303
Frölich, Paul 76
Futran, Alexunder I I 8
Cast, Albert 303
Cast, Fritz 303
Gcbenroth, Otto 241, 258
Gehre. Otto 314
Gehre, Paul 314
Geissler, August 293
Cerstenberg, Wilhelm 65
Geschke, Ottomar 312
Geßler, Otto 210, 235, 265
Ciesberts, Johann 199
Giesemann, Guslav 314
Gigowski, Guslav I 9 I
Cillhausen, Bruno von 159,
181
Glathe. Richard 304
Globig, Fritz 312
Göring, Hennann 93
Gradnauer, Ceorg 126
<;;ratzke, Karl 306
Groddeck, Wilhelm 134
Groener, Wilhelrn 17, 37,
43,51
Grotewohl, Otto 312
Grube, Ernst 312, 314
Crubusch, Karl 36
Cutsche. Otto 306
llnase, Walter 305
llnbersnath, Erich 304, 312
llaferkorn, Mnx 314
lläfner, F'ritz 143. 309
l lanns, Otto 293
Hartenstein, Wilhelm 286,
288-290
llartwig, Theodor 122
Hasenclever, Otto 159- 161
lleekert, F'ritz 133, 294, 312, Kabisch, Ernst 158, 184,
314
I leeringen von 164
Heidrich 150
llelfricht, Theodor 143, 309
I Ieims, August 121
llempel, Viktor 293
Hennjg, Otto 226
Hering, Wilhelm 219
llerzau, Kurt 240, 241,258
l. leß, Rudolr 93
llillmer, Otto 3 14
llimmler, Hei nrich 93
Hindenburg, Paul von Beoek·
kendorff und von 50, 21 0
Hirsch, Paul 53
1-lillcr, Adoii 95
1-loelz, Mnx 240, 242-245,
256,257,306
llofmnnn, llcrmann von 198 Koenen. Bernard 246. 3 12,
I Iom. August 122
Hornick. Paul 312
llörsiog, Otto 216, 222, 230, Köhler, F'ritz 142, 3 14
234,333,356
lrmischer, Paul 309
368
Jachmann, Hcrma1111 293
Jagow, Traugott ' on I 12,
209
Jahns, Otto 305
Jannack, Karl 66
Jarres, Kar! 199
Jen ner, F'riedrich 304
Jobke, Paul I 18
Jogiches, Leo 53, 72. 3 I 2
Jung. Richard 143
Jungnk kel, Karl 293
185
Kapp. Wolfgang 111 - 113,
209
Karpf, Eugen Mnria 89
Knrusseit, Gottfried 202, 203
Kiistner, Alfred 314
Kegel, F'ritz 306
Kessel. Eugen von 53
Kesst'l, Haus ' on 69
Kieler, Alwine 305
Kippcnberger, Hans 274
Ki rchner 232
Kirdorf, Emil I II
Kleiner. Fritz 3 1 I
Klingelhöfer, Gustav 86. 97.
I0 I
Kliifer von 23 1
Knochl.', Wilhclm 305
314
Kocnen. Wilhelm 312
Köhn, Ericb 314
Kolbe, Hermann 293
Ko1>P 180
Korbasinski, Richard 118
Kretzschmar, Willi 248, 258
Kühn, Mark 293
Kuklinskj, Julian 303
Ladwig, Artur 312
Lnmpe 232
Lange 159, 162, 163
Lebede, Rudolf 303
Lederer, Walter 246, 258
Lcnin,W. I. 8, 11 - 13, 16,
48-50, 73, 79, 80, 82, 22 I,
258,259
Lequis, Arnold 43, 52
Lettow-Vorbcck, Paul
von I 20
Levine, Eugen 58, 76, 80,
82, I 03, I 04, 3 I 2
Lewien, Johann 293
Liebknechl, Karl I 0. I8, 19,
26, 28, 30-32, 42, 46, 52,
54,55,58. 59,62, 72, 76,
112, 198,302- 304,312,314
Lindemann, l lermnnn I 46
Lingner, Reinhold 304
Linsingen, Alexnnder von 25
Lojcwski, Max von 59
Ludeodorff, Erich I 7, 50, I I I
Ludwig, Johaon 305
Ludy,Johannes 251,258
Lüttwilz, Waller Freiherr
von 52,69, I I I, 112, 160,
180,209
Luxemburg, Rosa I0, 30, 3 I,
48,52,55,57,62, 72, 76,
11 2. I 98, 302-304, 3I 2
Mncnner, Emil 97
Maercker, Georg 52, 68,
125, 285, 318
:169
Malinowskj, F'riedrich 293
Marchwitza, Hans 3 I 2
Märker. F'riedrich 238, 258
Marloh, Otto 72
Marx, Karl 13, 4·8
Marx, Paul 145
Matern, Hermann 3 12
Max. Prinz von Baden I 7
Mcis, \Valter I 90
Mcngelt, 1-laon cs I 23
Merren, Friedrich 305
Mcseberg, Karl 305, 3 I 2
Mryer, Ernst 18, I9. 26. 28
Me) er, Willi 293
Mk helseo, Andreas I 19
1\ties van der Rohe,
Ludwig 304
Misiano, F'raoccsco 60
Möller, Werner 60
'lucke, Haus 304
\l ühsam, Erich 3 I 3
lüller, August I 90
Müller, Haus 146
Miillcr, Paul 258
Müller, Richard 18
Mund!, Ernst 308
eddermayer, Robert 3 I 3
l eubaucr. Thcodor 3 13
oske, Gustav 23, 5 I-53,
56-58, 64, 69, 70, 72, 93,
94, 111 , 11 7, 17 I , 172,
195, 2 I 0
Öhring, Kar! 143, 309
Oito, Kar! I 21
Ovcn, Ernst von 9:3, 94
Pabst, \Valdemnr 11 2
Pnul, Waller 182
 Pieck. \Vilhelm 18, 19, 42,
54, 55, 59, 191,201,302,
304,313,314
Pieser, Robert 59
Pitter 252
Pollak. Kar! 293
Pollmann, Waller 293
Poninski, Bemhard Graf
von 235
Pormann, Georg 303
Pulewka, Lotte 314
Purrmann, Fritz 306
Radtke, Fritz 41
Rau, Heinrich 313
Reichart, Wil heim 80
Reichert, Leo 80
Reinhard, Wilhclrn 69
Remelius 151
Remmcle, Hermann 270
Renk, Erich 303
Röber, Friedrieb 314
Rockstroh, Paul 314
Röhm, Ernst 93
Roscher, Max 313
Rosenbaum 152
Rosenbcrg, AIJred 95
Sandtner, Augustin 313
Sattler, Fritz 315
Sauerbrey, Paul 182
Schehr, John 274, 313
Scheidemann, Philipp 17,
56,80
Schier, Emil 293
Schirrer, Eugen 117
Schlag, Ouo 3 13, 315
Schlodinsky, Gustav 293
Schmitz, Hennann 210
370
Schneider, Joser 224, 258 Thiilmann, Ernst 7, 65, 263, '\ alter, Oskar Freiherr
Schnick, CushlV 303 268, 270, 274-276, von 156, 159, 160, 168,
Schollenbruch, Rudolr 89 293-295, 302, 310, 313, 184, 200,205,206
Schön, Adolr 306 315 Wels, Otto 42
Scltreier, Paul 118 Thiele, Kar! 226 \Vieczorek. Paul 40, 42. 315
Schreiner, Albert 36, 274 Thiele, Otto 151, 178, 308 Wiedemann, johann 80
Schübe!, Erhard 315 Thiemann, Cerhard 240, \Viedfeldt, Otto 21 0
SchuJz, Kar! 36, 122 258 \Vienicke, Kar! 306
Schulze, Frilz (Fiele) 274, Tirpitz, Alfred von 50 Wilhelm l l. 17,29,1 12
283,302,313 Toller, Ernst 86, 87, 95, 97 Winlder, Paul 24 7
Schumann, Ceorg 313, 315 Tost. Otto 40, 4 1 Winter, August 143
Schütz, Georg 306 Trende, Emil 293 Wohlgemuth, Kar! 190
Schwcngler, Franz 304 Triebe!, Oskor 199 Wollenberg, Ernst 89, 91
Schastian 180 Trotha, Adolr von 113, 119, \V uermcling, ßernhnrd !56
Seeckt, Hans von 113, 235, 356 '\ urm, Christel 36
265 Tschichert 15 2
Seigersclunidt, julius 315 Zeigne•·, Erich 3 15
Senrrt von Pilsach, Bodo 128 oigt, Fritz 309 Zetkin, Clara 104
Scvering, Carl 199, 205, Ziegler, Paulus 293
216, 219 Wagner, Wnltcr 151 Zielke 15 1
Sicwert, Robert 313 Walcznk. Adolbert 305 Zopf, Philipp ß06
Sobottka, Gustav 313 Walz 18 Zschammer, Willi 175
Souchon, \Vilhelm 22, 23
Sperber, Fritz 246
Stadtler, Eduard 52
Steinbrück, Albert 251,
258
Stemmer, Kar! 190
Stenz, Hermann 191
Stern, Manrred 274
Stichling, Christian 293
Stinnes, Hugo 263, 269
Stockhausen von 124
Stolzmann, Poulus von 333
Stresemann, Gustav 263,
269
Tamschick, Ernst 53
Thalheimer, August 268
 Ortsverzeichnis Bomst siehe Babimost D~tbic (Aildamm) 123
Bork 184 Oachau 82, 84-86, 89-92.
Borken 197, 203 99, I00- 102
Borna 32. 125, 126. 13:1, Oaspig 251
315 Delitzsch 134, 136. 172.
Bornsledt 225 255,314
ß ollrop 193, 207 Oemmin 120
Bramfeld 284, 290, 293 Dessau 136, 314
Brandenburg 32. 314, 33 ~ Deubcn 136
Ahlen 168 Branilz 151 , 308 Dietzhausen 144
ßeesen 173 Braunschweig 24, 32, 35, 38, Dinslakcn 32, 187. 190, 206
Ahlsdorf 235 Beesenstcdt 241, 244., 254,
Ahrensburg 278
330.332,333,360 Döbeln 32, 130, 3 14
255,309,348 ßredo"' 123 Döbcritz 112
' Albrechts 139, 141 , 145 ßclzig 31 ~~
Allach 84 Brchna 134 Döbern 308
Denndorf 252 Bremen 24, 32, 37, 38, Oobrilugk 332
Allenstein siehe Olsztyn Bennstcdt 240
AJtdanun siehe Dqbie
63- 67, 74, 119, 330, 360 Dölau 240, 254
Oerga 179. 180 Brcmcrhaven 24, 67 Döllnitz 136, 175
Altenburg 130, 134, 148 ßcrlin 14, 15, 17- 19, 2'3, Breslau siebe Wroclaw Dömitzow 120
Altona 24, 272, 273, 279, 25-28, 32, 36- 4 1' 45- 47,
280,29 1 Druckdorf 175 Oonauwörlh 93
50,52-55. 57-59, 62-65, BrunsbüHelkoog 24 Dorstcn 185, 206
Altstrahlstedt · 286 67- 73,94,96, 110, 112, Bucholtwclmen 203, 206 Dortmund I 60, 164- 167,
Ammendorf 136, 173, 175, I 16-J 18, 172, 209,224, ßuer 32, 207 182. 184, 185, 193,206,207
222,244,307 256. 263, 300, 303- 306.
Anklam 120 Burg 134 Drehkau 152
314, 315, 330-332, :156 ßur·gdörner 229 Dresden 25, 36, 38, 126,
Apolda 139 Bcrnau 148 Burgstädt 32 133,330,334
Amsberg 156, I 99 Bernburg 175
Amstadt 306 Bützow 120, 121. 331 Duisburg 32, 15 7, 159. 168,
Sielefeld 159. 161 , 162, 199, 190, 206,207
Aschersleben 255 200, 202- 206
Aue 133 Cnlau 149 Oülmcn 184, 203
Billerbeck 203 Castrop 74 Dürrenberg 249
Augsburg 24. 75, 9'~. 95, 98 Billstcdt (Schiffbek) 272, Chemnitz siehe Karl-,\tlarx- Düsscldorf 25. 32. 38, 74.
274, 279, 282, 28:1, 286. Stadt 156, 158, 159,187. 188,
.ßabimost (Dornst) 331 29 1, 292,294 Clodra 306 199,2 10.256
Bachra 253, 254, :J09 Bischofrode 225, 232. 2:36 Cottbus 148- 153, 173, 177,
Bambcrg 77. 94, 97 Bitterfeld 134- I 36, 210.
ßargtchcidc 2 78 178, 180,332 Eberswalde I ~. 172. 306
241,252,255,257,309 Crawinkel 306 Eilenburg 223
Barmen 32. 165- 167, 182, Bochum 157- 159, 164,210
185, 19:J Cronenbcrg 183 Eisenoch 32, 139
Bockwitz 255 Cuxhavcn 24, 32, 40, Eisleben I 36, 175. 216, 219,
Baitinsthai 120 ßoilstädt I46. 14 7
l:lcckum 168. 204 64- 67. 120 223- 228, 23 1- 238, 240,
Böllberg 17:1 241,253. 257,3 10,347

372 373
•
 Elberfeld 32, 156, 159, Geeslemiinde 67 Halle 32, 68, 130, 134, l lof 332
165- 167, 184 Geisendon 180 136- 138, I 73- I 76, I 78, Hohenmölsen 136, 315
Elhing siehe Elblqg Gelsenkirchen 32, 159, 185, 180,216,217,222- 224, Hollehen 240
Elbl~ (Eibing) 120 190 232, 234, 237, 238, 240, Holzweißig 240, 24 1, 252
Elk (Lyck) 32 Gern 32, 14 1, 179, 180,306 241, 243, 252- 254, 304, Hörde 164, 190
Elten 159 Gevelsberg 190 305,307,3 14,334,347, l lorst 207
Emden 32,65 Giesing I 02 348 Hoyerswerda 149- 151, 179
Ernleben 146 Gladbeck 190, 207 Haltern 32, 204, 206 ll ünxe 190, 203, 206
E.rdeborn 236 Gnoien 120, 307 Harnborn 32, 157, 185, 187,
Enurt 32, 134, 139, 147, Goldlauter 139, J4 1, 143, 190,206 Iekern 32
223,253,306 145 Harnburg 24, 32, 36, 39, 65, Ingotstadt 85, 86, 93
Erle 204 Gößnitz 180 119, 263, 265, 270- 287. lserlohn 32, 164
Essen 32, 74, 139, 157, 159, Gotha 32, 139, 141, 291 - 295, aoo, 330- 332, ltzehoe 286
168, 185- 187' 189- 191 , 143-147, 172, 197,306 356,357,360
20 I , 202, 204, 207, 210 Gräfenroda 306 I-lamm 38, 168, 184, 206 Jena 74
Etzenhausen 91, 92, I 00 Greifenhagen siehe Gryfino Hanau arn Main 32, 330,332 Jenfeld 291 , 292
Eula 180 Greifswald 120 H1mnovcr 24, 257, 330, 331, Jeßnitz 134, 136
Greiz 139, 173, 179, 180, 334 Jüterbog 134, 148, 314
Fahren 122 306 Haspe 157, 164
F'alingen 166 Grimma 130 Hausdühnen 203 Kaliningrnd (Königsberg) 32,
Falkenberg 334 Gröbers 24 J, 244, 252, 253, Havighorsl 291 120
Falkenstein 133, 306 349 Heidelbcrg 219 Karnen 160, 163, 164, 166,
Finsterwalde 149 Großdörner 229 Heidersbach 139, 141 , 145 167, 190, 206, 207
fi1ensburg 24 Großkorbetha 248, 357 Heinrichs 139, 142, 145 Kamenz 32
rohring 100 Grünberg siehe Zielona Göra Hellira 136 Kari-Ma.rx-Stadt (Chem-
Forst 150, 308 Gryfino (Greifenhngen) 123 Ilclfta 136, 231' 238 nitz) 32, 38, 125, 130,
Frankenhain 306 Guhcn siehe \Vilhelm-Picck- Hellhrook 284 132- 134,275, 276
F'rankrurt am Main 24, 32, Stadt Guben Hemelingen 65 Karlsfeld 84
330,332 Gumrnersbach 159 Hennigsdorf 71, I 18 Kttrnap 207
F'rankrurt an der Oder 148, Günding 91 , 92, I 00 Hennebenburg 207 Kassel 330, 331
178,331 Güsten 175 Herdecke 160-163, Kateibogen 121
Fraurcuth I 79 Güstrow 120 165-167, 182 Kotzhütte 315
Preiberg 32, 180 Hervest-Oorsten 32 Kaufheuren 85
F'reising 85, 86, 90 lladeln 61 Hettstedt 136, 175, 176, Kiel 19, 21 - 25, 119, 120,
Friedrichs(eld 206 llagen 32, 15 7, 159- 162, 178,219,222,223,229, 300,330
Pürstenfeldhruck 98 164,172,184,185.191 , 232,233,235,237,238, Kirchsteinbck 291 , 292
Pürstenwalde 148 201,202,204 242,257,310,314,348 Klein-Lauchstedt 242
Haidhausen I 02 l lildburghnuscn 139, 145 Klostermansfeld 229,
Garvensdon 122 Halberstadt 134 Hiltrup 184 235-237, 242,310

375
Kochet 85 128- 133, 139, I 72, 262, Mcrzdorf 150 Offenbach 32
Köcbstedt 240 307,314,3 15,334,349 Meserilz (Mi~dzyrzecz) 33 1 Ohrclruf 141, 145- 14 7
Koesfeld 197 Leisnig 130 Minden 156, 330 Öjendorf 29 1, 292
Kollierg siehe Kolobrteg Leihmathe 164 loifin 122 Oiehing 98
Kolbennoor I 03 Lettin 175 Mölln 331 Oldenburg 24
Kolkwitz 178 Leuna 136, 224, 236, Moosburg 95 Ollen 206
Kolobr.o~eg (Kolbcrg) 358 246- 249, 251, 253, 310, Moskllu 73, 268 Olsztyn ( llenslein) 32
Königsberg siehe Kaliningrad 349,357 Mücheln 173, 231 Oschatz 125, 180, 314
Könnern 348 Levezow 122 Mückenberg 255 Osendorf I 75
Kösen, Bad 172 Lichte 314 Mügeln 125 Osnabriick 159
Köslin siebe Koszalin Liegnitz siehe Legnica Mülheim 32, 159. 168, 185, Osterlelei 136, 206
Kostrzyn (Küstrin) 266, Lieskau 240 187, 190,201,203.204, Osterhausen 225
332 Limbach 133 207,208 Oststcinbek 292
Koszalin (Köslin) 331 Lindenthai 314 München 24, 36, 37. Ollensen 281
Köthen 241 Lippstadt 184, 197, 198 75-84, 86-90, 93- ! 03,
Kötzscben 249 Löbejün 255, 314 297,300.330,331,358 Paderborn I 63
Kreckow siebe Szczecin-Krzc- Lübeck 24,278,331,360 Münster 156, 159, 164, 168, Pascwalk 120, 332
kowo Luekenwalde 148, 315 183, 184, 197, 199,205, Peitz 178
Kreisfeld 226 Lüdinghausen 184 257,330,33 1 Pelkum 206
Kreuz siehe Knyz Lugau 74, 263 Pcnkun 120
Kröllwitz 175, 251, 252 Lüneburg 33 1 t aumburg 134, 136, 234, Petriroda 146
Kröpeli n 12 2 Lünen 32, 190,206 253 Pferse 95
Kmdenberg 203 Lüxen 206 Neuhaus 64, 141 Pila (Schneidemühl) 331
Kr~.:yz (Kreuz) 33 1 Lyck siehe Elk eukloster 122 Pirna 32
Kühndorf 145 etunark 24 7 Plnuen 32, 126, 134, 179
Küstrin siehe Kostr.o~yn Mageieburg 24, 25, 32, 134, eumünsfer 24 Posen siehe Poznait
Kütten 255 178,209,222,238,305, eundorf 307 Possenholen 96
330- 332, 334 l euruppin 315, 332 Potselam 52, 59, 117, 148,
Lägerdorf 286 Maisach 98 ürnberg 24, 85, 86, 330, 314,315
Landshuf 95 Mannheim 75 332 Poznan (Posen) 330
Laubusch 15 I Mansfcld 176, 225, 229, Prenzlau 332
Lauchhammer 255 235,237,254,347 Oberhausen 95, 190
Lauscba 139 Markranstiidt 315 Oberhausen an der lluhr 32, Querfurt 236, 237, 348
Lechbausen 95 Mari 190, 194, 207 159.206,207
Legnica (Liegnitz) 331 Meiningcn 139. 142, 144, Oberhol 306 Raasfeld 203
Lehe 67 145 Oberrißdorf 254 Raguhn 136
Leimbach 229, 235, 347 Meileben 146, 147 Ockendor! 251 Ramsin 241
Leipich 255 Mcrscburg 32, 134, 175, Oebis!elde 332, 334 Ralhcnow 314, 331, 332,
Leipzig 32, 36, 81, 125, 126, 222, 231, 234, 245, 249,253 Oelsnitz 74, 133, 263 334

376 377
Ratzeburg 286 Schöneheck 189 Szczecin-Krzckowo Waltrop 206
Recklinghausen I84, 193, Schongau 85 (Kreckow) 124 \Vandsbek 272, 273, 277,
206 Schraplau 237,238,310 Szczecinski (Stargnrcl) 33 1 281-284, 290, 293
Regensburg 24, 86, 93 Schutow 121 \Vansleben 236
Remscheid 32, 159, 168, Schwabhausen 146, 147 Tamow 308 Wann 120
181, 183, 187, 188 Schwerin 24,120,121,308 Taucha 130 Wamemünde 121
Rheda 185, 197, 198 Schwillcrsdorf 254 Teltow 52 \Valtenscheid 185
Riesa 32, 133, 334 Seeben 175 . Templin 332 \Vebling 91, 92
Röblingen 23 I Seehausen 315 Teuchem 136 \Veida 179
Roitzsch 241 Segeroth 190 Teutschenthal 176, 222, Weimar 139, 141
RoUsdorf 240 Senflenberg 149, 150, 152, 231,232,238.240,257 Weißenfels 32, 134, 136,
Ronsdorf 182 178,308,330,332,333 Thaiheim 136 173, 234, 253, 309
Rosenheün 90, 101, 103 Solingen 32 Tiefenort 141 \Verdau 179,306
Rössen 251 Sömmerda 32 Tonndorf 291 Weme 184,206,208
Roßwein 314 Sonneberg 139,141.3 14 Torgau 334 Werneuehen 148
Rostock 24, 120, 121, 197, Spergau 248 Travcmünde 24 Wesel 159, 184, 185, 187,
300,305,314,330 Spremberg 149, 150 Trebbin 32 197,20 1,203
Ruhland 333 Staakcn 118 Triebes 179 \Vestenbrügge 122
Hüllenscheid 186 Stnrgard siehe Szczecinski Trotha 175, 176 Wetter 157, 160-163, 166,
Stamberg 90, 96, 98 Truclering I 00 167, 182
Saalfeld 139 Stoßfurt 134, 175, 307 Truselhnl 314 Wettin 244, 254
Sachsendorf 15 I, 153 Stedten 231, 238 Wilhelm-Pieck-Stadt
Sagan siehe iagan SteiJlhagen 122 Uhlenhorst 293 Guben 148-150, 178,
Salzu ngen, Bad 314 Stepenitz (Stepnica) ( 23 Ulm 94 308
Sandersdorf 241 Sterkrade 32 Unna 32, 157, 164, 190, Wilhelmshaven 21, 119,
Sandersleben 235 Stettin siehe Szczecin 206,207 120,273,284,286,330
Sangerhausen 242,243,255 Stoppenberg 185 Willmersdorf 178, 308
Satow 122 Stralsund 120, 330 Veltcn 118 Wimmetburg 226
Scapa Flow 21 Strausberg 148 Versailles 359 Wismar 120, 121, 308
Schafstedt 222, 236 Sh-öbitz 151, 178, 308 Vetschau 149 Witten 158, 164, 210
Schenkendorf 307 Stuttgart 24, 74, 330 Vocrde 190 Wittenberg 134, 241, 332,
Schependorf 122 Suhl 14, 32, 130, 1.39-147, 334
Schennbeck 190,204 308,314,315 Walbrzych (Waiden- \Vokrent 122
Schiffbek siehe Billstedt Swinemünde (Swi- burg) 330, 332 Wolren 136
Schieißheim 85, 91, 95, 98 nouj§cie) 123, 330 Waldenburg siehe \Valbr.tych Wolrenbütlel 25
Schleswig 24 Sythen 190 Waldheim 125 Wolferode 136, 225, 226,
Schieosingen 141, 145 Szczecin (Steltin) 74, 120, Walldorf 141 231,236,310,3 14
Schmalkaiden 145, 314 122, 123, 172.2 12,272, Walsum 187, 190, 193 Wönnlitz 173
Schneidemüht siehe Pila 300, 330-332 Wallershausen 306 Wroclaw (Breslau) 330, 331

378 379
•
 Würzburg 75 Zculenroda 179, 306 Inhaltsverzeichnis
Wurzen 125 Zickra 173, 180
Ziclonn C6ra (Grün-
Zagan (Sagan) 332 berg) 148
Zamdorf 100 Zörbig 241
Zaschwitz 251 Zossen 52, 53
Zeitz 32, 134, 136 Zschepkau 136
Zella-Mehlis 141 - 147,306, Zschcrbcn 240, 249
309 Zwickau 32, 133, 263

\ OM\'Or1 • • • . • . • • • • • · • • • • · • • • • • • • • • • · • · • • 5

Die bewaffneten Kämpflo' der deutschen Arbeiterklasse

in der 1\ovemberrevolution 1918/ 19 . 9

\ 'orbcrcitungen auf den bewaffneten ufstand . 9

Bildnachweis
ADN-Zcnlntlbild
Akademie der KUnste der DOrt, Fotosammlung
Armt>emuseum Dresden
DiciL Vert1141 Berlin, ßildarehiv
Institut rür Marxi~mus-Leninismus, Zt'ntrale-1 Partelarchi\
Militärverl041 der DDFI. Arehh• und \1ilitirlJilddienst
Offiziershochschule der Landslteitkrältc Mr '<VA •Ernst Thiilmannc
Staatliches Filmarehh der 0011. Ookumentensammlunl!
Kiel gab das Signal . . . . . . . . . . . . . . 19
Der 9. ovcmbcr 19 16 in Ocrtin . . 23
F'ür die rcvolutioniirc Lösung d~r \'lililärfrage .. 29
Wcihnochtskiimpfc der Volksmarinedivision . . . . .. 39
Die Gründung der KPD - Ausgongspunkt marxistisch-leninisti-
scher Militiirpolitik in drr neu Ischen Arbeiterbewegung. . . . . . . 47
Berliner junuorkiimpfe . . . . . . . . . . ... . · · · · · · · · · · 50
Die Verteidigung der Urcmcr lliitcrcpublik . . . . . . . . . . . . . 63
•
MärLkiimpfe der Herliner Arbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Die Hole Armee der lloyrischcn Hüterepublik im revolutionären
Abwehrka1npr . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 74
Errichtung der Hiitemurht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · 74
Die llcwaffnung der Arbeiter und der Sieg hci Dachau . . . . . . 82
Ocr Aufbau der bayrischcn llolrn Annee und die mililürischen
\ orhrrcitungcn zur \ rrteidigung der Hüterepublik . 87
Gegen die konh•IT('volutioniirc Cbennacht . . . . . . . . . . . . 93

Au•foltfrndl'n Publikationen u:urdr "'produ::ien:

Die \länkimple 1921 in Leuna und ihrl' Cedenkstitte. Leuna o.J. Bewaffnete Aktionseinheit gegen den Kapp-Lüttwitz-
\Iansleider \ olksaitun11 'om 21. \1ii.-.. 1921 Putsch 1920 . . . . . . . . . . . . 107
H. Hoden, Po~telfl"'ilt rin. llilddo~umentr der !khulZilOii7i'i. Leipzig 1934
Oie Rote Ruhrarme.. \län 1920. Hertin (W.,.t) 1985 Der Putsch und ;eint' ltonlcrgründc . 107
Will> llömer, Januarumple 1919, ßerlin (\\ ttt) 1981 1\rbcitrn<Phrcn si<'f\Cn ü~r die Put.chislen 114

38 1
 Formierung des Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I 14 Gedenkstätten auf dem Territorium der DDR ....... 303
Bewaffnete Abwehraktionen in ßrrlin . . . . . . . .. . . . . . . 116
Rote Garden in orddcutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Ehrennamen in der ationalen Volksarmee und in den
Abwehrkämpft im Freistaat Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . 124
Grenztruppen der DDR ..................... 311
Arbeiterwehren in der Provint achsen . . . . . . . . . • . . . . 134
Die I. Volks" ehrannee Thüringens . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Widerstand in der Pro,inz Brandenbu"ll . . . . . . . . . . . . . 148
An Volksbildungseinrichtungen der DDR verliehene
Die Entstehung der Rott•n Huhrannrr . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Ehrennamen von Teilnehmem an den Klassenkämpfen
Erste Reaktionen der Huhrarbcitcr auf den Putsch . . . . . . , . 154 1918- 1923 ............................ 314
Kämpfe in Wetter, Herdecke, Kamen und Dortmund . . . . . . 160
Für die Sicherong' und Erweitenong der Erfolge des Ahwehrkamp· Oie bewaffneten Kämpfe der deutseben Arbeiterklasse
fes(t7.-2l.Miin 1920) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1918-1923 in der Belletristik ................ 316
Das •eriinderte Kräfteverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Bewaffnete Auseinandcrscltungen in Halle, Cottbus und Aus Grundsatzdokumenten über den inneren Einsatz
im Raum Crciz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 von Militär und Polizei (1919-1921) ............ 318
Vormarsch der Roten lluhram1ee . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Abbruch der Kampfhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Sacherläuterungen ........................ 354

Der Abwehrkampf der mitteldeutschen Arbeiter 1921 214 Verteichnis der wichtigsten benutzten Literatur ..... 361
Ursachen und Vorbereitungen der Miirzprovokntion . . . . . . . . 214
Verzeichnis der Skizzen .....................
,.. 365
Widerstand von Arbeiterformolionen im Mansielder Gebiet . . . . 223
ße,•affnete Auseinandersetzungen in nnderen Teilen des Regie-
rungsbezirks Mcrscburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Personenverzeichnis .. .... ... . ............. 366
Kampf II") Leuna . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 245
Letzt.er Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •. . 252 Ortsverzeichnis ...... , ....... . ........... 372

Bildnachweis ............................ 380

Der Hamburger Aufstand 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Am Vorabend der Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Aufslandsbeginn . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Barrikaden in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Bilanz und Vermächtnis ..................... 296

382
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ISBN 3-327-00511-7