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tun & lassen Nr. 294, 23. 3. - 5. 4.

2011 7
Erledigen wir nicht die Drecksarbeiten für euch? Und ihr nennt uns integrationsfeindlich?
Dieses Land ist unser Land

Man wirft uns Migrantlnnen vor, dass


wir nicht integriert sind. Warum eigent-
lich? Zah len wir nicht Steuern? Zahlen wir
nicht unsere Wohnungen? Erledigen wir nicht
die billigsten Jobs? In dieser Hinsicht, als Net-
tozahler, scheinen wir genug integriert zu
sein. Nur wenn wir Gleichheit [ordern, gelten
wir als nicht integriert. Da wird von den
Herrschenden «Integriert euch!» gerufen.

ieser Imperativ basiert auf nichts als einer

D Lüge! Einer Lüge, deren einzige Funktion


darin liegt, dass wir als diejenigen, die ver-
meintlich «nicht integriert» sind, weiter-
hin die Drecksarbeiten verrichten.
Wir wissen: Dieses Land isl ein postnazisti -
sches Land. Die Forderung nach den Zwangs-
deutschkursen entspricht einer langen Tradition
der Deutschtümelei, die immer wieder ihr häss- Sorry, aber wir sind ein für alle Mal in Wien zuha use
liches Haupt erboben hat und erhebt. Der ra -
biate Antisemit Karl Luegee stellte sie, und sei- Zweck ist die Bewahrung der Ungleichheit. Wir Das war in der Geschichte immer so: Immer
ne Schwester Maria Fekter stellt sie auch. Wir sollen arm, abhängig, untertan sein. Und wir sol- wurde versucht, die soziale Ungleichheit durch
sind aber hier! Österreich ist nach dem Sturz len dazu noch lächeln und unsere Zufriedenheit die Behauptung der Rückständigkeit der Be-
des Faschismus kein deutsches Land mehr. Das und Begeisterung kundtun. Das wird dann eine troffenen zu rechtfertigen. Aber es gibt auch
muss klar sein! Und es wird auch nie mehr ei- gelungene Integration genannt. eine andere Regel . die genauso gilt: Immer wie-
nes werden! der ist es den Unterdrü ckten gelungen, diese
Ob die Eliten das wahrnehmen oder nicht - Disziplinierung alsZiel der «abendländischen» Lügen zu durchbrechen und sich zu emanzipie-
wir «Tschuschen» sind schon längst ein Bestand- Aufklärung ren. Solange Gesetze beschlossen werden. die
teil dieser Gesellschaft. Unsere Kinder wachsen auf die Migrantinnen und Migranten wirken,
hier auf und gehen hier in die Schule, unsere To- Wir lassen uns aber nicht täuschen. Wir sprechen ohne dass diese die Möglichkeit haben, diese
ten werden auf dem Zentralfriedhof begraben. die Sprache derer, die unSsolche Gesetze besche- mitzubeschließen, handelt es sich um unde-
Und wir werden für immer da bleiben! Dieses ren, und kennen die Verhältnisse hier unten auf mokratische Gesetze. Solange wir vom Wahl-
Land ist unser Land! Dieses Land ist ein Einwan- der Straße, auf der Produktionsebene besser als recht ausgeschlossen bleiben, leben wir nicht
derungsland! Von den Herrschenden ist also zu sie. Sie wollen entweder. dass wir von hier ver- in einer Demokratie. Wir leben in einem Sys-
verlangen. dass sie sich in die neuen gesellschaft- schwinden, oder "dass wir mit unserer Position tem , das über uns entscheidet, ohne dass wir
lichen Realitäten integrieren sollen! Wir sind der Rechtlosigkeit zufrieden sind. die Möglichkeit haben mitzuentscheiden.
schon längst darin integriert und ein für alle Mal Wir erleben die Hetze der gutbürgerlichen Wir sind trotz allen Widrigkeiten, trotz al-
hier zu Hause! Indem wir das Land über Genera- Schichten gegen die . Analphabeten aus Anato- len Anfeindungen und trotz der ungustiösen
tionen hinweg ernähren. haben wir die gleichen lien ~, gegen die «Kameltreiber~ und gegen die und primitiven Beamten. die ~ir kennen ler-
Rechte erworben wie diejenigen. die meinen. in «von Natur aus aggressiven ~ Menschen, die dem nen mussten. hier geblieben, und wir werden
ihren Adern fließe Ostarrichiblut. Aufklärungs'ideal nicht entsprechen. Einem per- weiterhin hier bleiben. Es ist unser Land. Es ist
Die neuen Gesetze. die nun im Ministerrat - vertierten Aufklärungsideal, dem es nicht um die kein schönes Land, ab er Unser Land. Und wir
wohlgemerkt auch von einer Gleichstellungs- Emanzipation, nicht um die Freiheit und Gleich- kämpfen dafür, dass wir in einem Land ohne
ministerin - beschlossen würden. woUen genau heit geht. sondern nur um die Disziplinierung antiislamischen Rassismus . in einem Land'
diese Gleichberechtigung verhindern. Sie wollen und Ordnung. Heißt <integriert sein. aufzuhö- ohne Antisemitismus, in einem Land ohne
verhindern, dass wir auch de jure und nicht nur ren, sein anatolisches Dorf zu lieben? patriarchalische Verhältnisse, in einem Land
de facto Teil der Gesellschaft werden. Sie wollen Zu den Ärmsten in unserer Gesellschaft gehö- ohne Homophobie und schließlich auch in ei-
unsere Teilnahme an der Gesellschaft verhindern, ren die Kopftuch tragenden Frauen. Wie wollen nem Land ohne Klassen leben. Dieses - und
in der wir schon längst die ProduzentInnen der die «IntegriereT» diesen Frauen helfen? Indem sie jedes .andere Land - wird durch diese Kämp-
Reichtümer sind. Nach dem neuen Gesetz kön - ihnen im Namen der Aufklärung die Kopftücher fe besser!
nen künftig die Menschen wegen eines Verwal- runterreißen? Statt ihnen Arbeitsplätze und Sti- Ljubomir Bratit
tungsdeliktes (z. B. Falschparken oder bei Rot pendien flir ihre Kinder anzubieten? Indem sie
über die Straße gehen) abgeschoben werden. den Islam zum Hauptfeind stilisieren, verdecken Auszug aus seiner Rede am 1. März 2011 anläss-
Dieses neue Gesetz steht in der Tradition an- sie die Tatsache der gesellschaftlichen Armut mit lich des «Transnationalen MigrantInnen-Streiks»
derer früherer Gesetzeswerke. Deren einziger einer Kreuzritter-Ideologie. auf dem Viktbr-Adler-Markt in Favoriten

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