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wegung im Norden des Rentamts den Kampf eingreifen zu können. Als tenteils niedergeschossen.
Straubing - am 31. Dezember wurde nämlich die Truppen Kriechbaums So gab es auch bei Aidenbach keine
Cham von den Landesverteidigern nach mühsamer Überschreitung des Gnade. Am Abend bedeckten schließ-
besetzt - herstellen zu können. Bei Aldersbachs langsam bis auf 200 lich die Leichen von fast 4 000 Landes-
Ering am Inn wurde daher am 1. Janu- Schritt an die Landesverteidiger heran- verteidigern das Schlachtfeld. Der tat-
ar 1706 erneut eine Truppe zusam- gekommen waren, ohne daß bis dahin sächliche Verlauf der Schlacht unter-
mengestellt; sie zog in Richtung Vilsho- überhaupt Schüsse gefallen waren, scheidet sich also erheblich von der
fen. Ebenfalls am 1. Januar 1706 setz- geschah das Überraschende, wenn Schilderung bei Pamler. Schon das
te sich aber von München aus Baron auch nicht Unvorhersehbare. Wie einleitende fürchterliche Kampfgeschrei
Kriechbaum, der schon das Sendlinger schon bei anderen kleineren Gefechten wird nirgendwo erwähnt. Der Auf-
Gemetzel geleitet hatte, in Richtung der letzten Wochen wandten sich die marsch der kaiserlichen Truppen
Unterland in Marsch. Am Abend des 6. Landesverteidiger auf einmal zur scheint vielmehr eher in gespenstischer
Januar kam Kriechbaum in Eggenfel- Flucht. Die berittenen Anführer hatten Stille erfolgt zu sein. Die Flucht der
den an. Er zog zunächst dem bei nicht die geringste Chance, diese Mas- Aufständischen erfolgte nicht erst nach
Griesbach vermuteten Feind in Rich- senflucht noch zum Stehen zu bringen stundenlangem Kampf, sondern schon
tung Pfarrkirchen entgegen, erfuhr aber und nutzten den Vorteil, den ihnen ihre vor der ersten Feindberührung. Man
von seinen bis Pfarrkirchen vorgesto- Pferde bei der Flucht boten. Für Tau- muß dabei berücksichtigen, daß es
ßenen Husaren, die einen von den sende wurden jetzt die Hügel zur tödli- sich bei den Aufständischen mit Aus-
Aufständischen ausgesandten Beob- chen Falle. Die an den Flügeln der nahme von einigen früheren bayeri-
achter gefangen hatten, daß sich die anrückenden Truppe postierten Husa- schen Soldaten um im Grunde völlig
Rebellen inzwischen bei Aidenbach ren konnten rasch die Umklammerung unkriegerische und vor allem in Kriegs-
aufhielten. Daraufhin zog er nicht mehr schließen und die Landesverteidiger in handwerk ungeübte Bauern und Hand-
wie vorgesehen auch nach Pfarrkir- kleine Gruppen aufspalten, die von der werker handelte, während auf der Ge-
chen, sondern bog schon vorher nach nachrückenden Infanterie aufgerieben genseite ausgebildete Soldaten stan-
Norden ab und verbrachte die Nacht wurden. In dem allgemeinen Chaos war den, wobei sich wohl vor allem der
vom 7. auf den 8. Januar im damals an eine Gegenwehr fast nicht zu den- Anblick der etwa 800 Reiter beim prak-
noch bestehenden Schloß Guteneck ken. Zu vereinzelten Kämpfen kam es tischen Fehlen einer eigenen entspre-
bei Dummeldorf. erst, als sich Gruppen von Landesver- chenden Truppe verheerend ausgewirkt
Den Führern der Landesdefension war teidigern in benachbarte Gehöfte flüch- hat. Bei dem einseitigen Verlauf der
der Zug Kriechbaums nicht verborgen teten und von dort aus dann Gebrauch Aktion kann natürlich auch keine Rede
geblieben. Unter der Führung von Jo- von ihren Gewehren machten. Auch der davon sein, daß die Leichen von
hann Georg Meindl setzten sich von gegnerische Berichterstatter hebt her- Freund und Feind in schrecklichem
Braunau aus Verstärkungen in Marsch. vor, daß besonders bei einem Hof der Wirrwarr durcheinander lagen, da die
Am Morgen des 8. Januar rückte Widerstand beachtlich war. Das An- kaiserlichen Truppen insgesamt nur
Kriechbaum von Guteneck aus in Rich- zünden der hölzernen Gebäude been- acht Mann verloren. Richtig ist aber,
tung Aidenbach vor. Als er mit der dete aber auch hier rasch die Kämpfe. daß am Ende der Schlacht ein Gehöft
Reiterei in Haidenburg angelangt war, Von einer Schlacht kann somit über- besonders verteidigt wurde. Allerdings
wurde ihm gemeldet, daß die Vorhut in haupt keine Rede sein, es war vielmehr weiß der Historiker nicht genau, um
Aidenbach auf das Heer der Aufständi- ein Abschlachten von nahezu Wehrlo- welchen Hof es sich dabei handelte.
schen gestoßen sei. Er wartete darauf- sen. Eine schonende Behandlung des Pamler hat sich, vielleicht auf Grund
hin, bis auch die Infanterie nachkam, bereits besiegten Gegners war nach seiner Ortskenntnis, für den Reschen-
formierte seine Truppen gefechtsmäßig den bisherigen Erfahrungen auch nicht dobl entschieden, da er aus einem
und zog den Landesverteidigern entge- zu erwarten gewesen. Die Aufständi- Band des Haidenburger Schloßarchiv
gen, die sich inzwischen aus Aidenbach schen waren bei ihren Aktionen meist feststellen konnte, daß dieser Hof bei
zurückgezogen hatten und auf die süd- sehr schonungsvoll mit den Gegnern den Kampfhandlungen - allerdings
lich und südöstlich liegenden Hügel umgegangen. Obwohl sich sicher auch neben noch anderen Höfen - abge-
ausgewichen waren. Dieser Rückzug zwielichtige Elemente unter sie ge- brannt wurde. Die genaue Schilderung
rettete nicht nur den Markt Aidenbach mischt hatten, kam es trotz der weiten der Vorgänge am Reschendobl sind
vor der Zerstörung, sondern es war Ausbreitung des Aufstandes nur gele- dann wieder ganz Produkt der Phanta-
sicher auch strategisch richtig, den gentlich zu Roheiten, wobei die Ziel- sie Pamlers. Die vom Reschendobl
zwar zahlenmäßig unterlegenen, aber scheibe meist untere Beamte waren, gehören also ebenso wie der Schmied
mit überlegener Reiterei ausgerüsteten die sich wohl bei der Eintreibung der von Kochel in das Reich der Sage.
Feind nicht im Tal zu erwarten. Auch unmäßigen Steuern und bei den Der Historiker Max Spindler hat aber
für die eingeschlagene Richtung gab es verhaßten Zwangsrekrutierungen be- dazu 1955 wohl richtig geäußert: „So
gute Gründe. Aus dem Süden erwarte- sonders hervorgetan hatten. Nur in hat sich das Volk Bilder, Erinnerungen
ten die Rebellen selbst Verstärkung, zwei Fällen kamen dabei Amtleute von eindringlicher Kraft und Anschau-
während bei einem Rückzug nach Nor- auch ums Leben. Besiegte Soldaten lichkeit geschaffen. An ihnen herum-
den zu befürchten war, daß man in eine wurden meist nur entwaffnet und wie- zumäkeln ist nicht Aufgabe des Histori-
Zange zwischen die Truppen Kriech- der freigelassen, Gefangene anständig kers. Ihre Bedeutung liegt nicht in ih-
baums und die von Vilshofen aus eben- behandelt und Vereinbarungen über rem geschichtlichen Aussagewert,
falls vorrückenden kaiserlichen Trup- freien Abzug strikt eingehalten. Auf der sondern auf einer anderen Ebene. Ein
pen geraten könnte. Vielleicht spielte Gegenseite ließ schon der Vorgänger jedes Volk will gemessen sein nicht
aber auch ein psychologischer Grund Kriechbaums, Oberst de Wendt, bloß an Leistungen, sondern auch an
eine Rolle: der größte Teil der anwe- mehrmals gefangene Aufständische seinen Idealen, die es im Laufe seiner
senden Freiheitskämpfer stammte aus aufhängen, und in Sendling wurden Geschichte sich selbst gesetzt hat,
den Gerichten Reichenberg und Gries- Landesverteidiger ermordet, nachdem nicht bloß an dem, was es erreicht,
bach und stellte sich vielleicht lieber mit sie schon die Waffen niedergelegt sondern auch an dem, was es gewollt,
dem Rücken zur Heimat zum Kampf. hatten. Nach Aidenbach wurde noch wofür es zu sterben bereit war.“
Weder die kaiserlichen Verstärkungen bei der Räumung Chams die Rebellen-
aus Vilshofen noch die bayerischen aus besatzung beim Auszug aus der Stadt
Braunau kamen noch rechtzeitig, um in trotz der Zusage freien Abzugs größ-
Lieber bairisch sterben ... Aidenbach 1706 Seite 4
Aus: Franz Stelzenberger, Die Aidenbacher Bauernschlacht 1706; „Niederbayerische Hefte“, Bd. 2
Heimat und Freiheit zu streiten. 8 000 Vater mit den zwei Söhnen. Bis der
Bauern, wortlos, stumm, aber treu und First niederstürzt und die Helden be- Plinganser wird erst am 17. Mai 1706
verbissen bis zum Säbelhieb des Pan- gräbt. ergiffen, nach München gebracht und
durenreiters auf den helmlosen Bau- drei Jahre im Falkenturm eingekerkert.
ernschädel. Die Nacht sinkt nieder. Es beginnt zu Dann wird er begnadigt. 1714 wird er
schneien. Die Flocken fallen auf 4 000 von dem nach Bayern zurückgekehrten
Und von den 8 000 fallen zwischen Tote niederbayrische Bauern. Kurfürsten Max Emanuel als Dank in
zehn Uhr morgens und vier Uhr nach- den Staatsdienst übernommen. Er
mittags an die 4 000. Es muß ein grau- Mit der verlorenen Bauernschlacht am wirkte im Kanzleidienst in München und
siger Weg gewesen sein, der Weg des Erharditag 1706 bei Aidenbach war die Augsburg, wo er am 7. Mai 1738 starb.
Totentanzes von Schöfbach über Kar- bayerische Aufstandsbewegung zu- Sein Grab weiß man nicht.
ling, Aidenbach, Heft, den Handlberg sammengestürzt.
hinauf, über den Kleeberg herüber zum Nach Meindl wurde lange vergeblich
Oberdobler. Am 13. Januar 1706 wird Schärding, gesucht. Später tauchte einmal ein
am 16. Januar 1706 wird Cham den Georg Meindl im Dienste des Fürstbi-
Beim Resch im Dobl sammeln sich die Österreichern übergeben. Am 29. Ja- schofs von Salzburg als Soldat auf.
Letzten. Aus den Dachluken schießen nuar 1706 werden die Bauernführer Man nimmt an, daß dieser Soldat unser
der Resch und seine Buben, während Senser, Küttler, Glanze und Oberle in Georg Meindl war. Er starb in Salzburg
die Firste schon brennen und die Glo- München hingerichtet. Am 17. März 1767 und liegt dort begraben.
cke des Haustürmleins vom Dache 1706 wird Kraus in Kelheim hingerich-
fällt. Die Panduren werfen Feuer in die tet. Am 17. April 1705 wird Jäger in So endet die Geschichte vom Aufstand
Scheunen. Noch immer schießt der München hingerichtet. der bayerischen Bauern 1705/06.
„Die Gschicht vom Bauernaufstand ist bei uns da net vorbei. Um unsern Hof herum liegen
die toten Bauern wie in einem Friedhof, und unser Gras und Treid wachst aus dem Toten-
gebein. Einmal hab ich am Totenberg draußen eine Mergelgrube zu graben angefangen.
Wie wir so schaufeln - auf einmal waren wir in einer Totengrube, in einem Massengrab.
Unser Pfarrer hat mir schon oft vorgelesen, was in dem alten Totenbuch der Pfarrei
Beutelsbach steht: „Auf dem Reschenberge aber sind zu sehen sechs Gruben, worin sich
sechshundert und bei vierzig Körper befinden.“
Das Gebein wurde gesammelt auf dem Totenberg bestattet, und darüber wurde ein Denk-
mal aufgerichtet, eine holzgeschnitzte Figur, ein kämpfener Bauer mit der weiß-blauen
Fahne.“